darmgesundheit – im focus von prävention und...
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Darmgesundheit – im Focus von Prävention und Therapie
15. Niedersächsisches Ernährungsforum 2011„Ernährung als Medizin?!“
Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie und Endokrinologie
A. Schneider
Der Darm ein lebenswichtiges Organ mit vielen Aufgaben
Physiologische Funktionen�Digestion und Absorption von Wasser
und Nährstoffen
�Sekretion
�Motilität
�Sekretion von Darmhormonen
�Immunologische Funktion
�Intestinales Ökosystem
�Darmhirninteraktion
Aus Schulze, Sonnenborn, Ölschläger, Kruis: Probiotika
Immunologische Darmbarriere
gestört
Bakterielle Translokation
Gewebeläsionengestörte Sekretionfunktionelle Störung
bakterielle Überwucherung
Prakash et al, Biologics: Targets and Therapy 2011
Die guten Mitbewohner des Darmes: Funktionen der Mikrobiota
� Produktion von Vitaminen,
� Degradation von Gallensäuren,
�Fermentation von Kohlenhydraten mit Produktion von kurzkettigen Fettsäuren
� Kommensale Bakterienflora induziert und modifiziert lokale Immunkompetenz
und erhält die Darmbarriere
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die nach exogener Zufuhr aktiv und in ausreichender Menge ihren Wirkort (meist das Kolon) erreichen und Gesundheit und Wohlbefinden des Individuums positiv beeinflussen.
Erkrankungen des Darmes�Infektionskrankheiten: Enteritis und Diarrhoe
akute und chronischebakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarmesantibiotika assoziierte Kolitis
�Glutensensitive Enteropathie – Zöliakie: 1:2000�Laktasemangen – Laktoseintoleranz:�Divertikulose/ –itis 33-50 % der über 50-Jährigen�Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa�Mikroskopische Colitis
kollagene Colitis 1-3/100 000 und lymphozytäre Colitis 1-3/100 000�Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien�Reizdarmsyndrom�Ischämische Darmerkrankungen�Kolonadenome und -karzinom 30-40/100 000
Infektionskrankheiten des DarmesBiogene Kontamination: Risiken
Begünstigung: durch intensivierte Tierhaltung
Antibiotika in der Tiermast
Toxinbelastung
mangelhafte Hygiene
Neuauftreten und Veränderung von pathogenen Eigenschaften
veränderte Umweltbedingungen, Resistenzen
Reisen
Transport von Nahrungsmitteln, internationaler Handel
Veränderter Lebensstil, Zunahme von Risikopopulationen
Erkrankungen durch Lebensmittelinfektionen
USA: 76 Mio/J Erkrankungen, 325 000 Krankenhauseinweisungen, 5000 Todesfälle
Deutschland: ca. 200 000 gemeldete Infektionen, geschätzt 2 Mio/J
Weltweit: zunehmende Infektionsrate und erhöhte Virulenz, Resistenzen
Häufige Krankheitsbilder:
Gastroenteritis: Erbrechen, Diarrhoe, Fieber
Grippeartige Symptome, Fieber
Neurogene Erkrankung: Meningitis, Botulismus
Lebensmittelinfektionen: Erregerspektrum 1. Salmonellen
2. Staphylococcus areus (Enterotoxin)
3. Campylocacter
4. Enteropathogene Escherichia Coli (EHEC)
5. Bacillus cereus (Enterotoxin)
6. Yersinia enterocolitica
7. Clostrium botulinum (Botulinumtoxin)
8. Clostridium perfringens
9. Listeria monocytogenes
10. Norovirus (200 000 Fälle 2007)
11. Toxoplasmose
12. Trichuris, Ascariden
durch infiziertes Wasser
Schistosomiasis
Vibrio cholerae
Hämolytisch urämisches Syndrom (HUS) durch EHECShigatoxin–produzierender Escherichia coli O104:H4 outbreak 2011 in Deutschland
Frank et al, NMJ 2011
Mögliche Indikationen für Probiotika
Entzündliche Darmerkrankungen
Infektiöse DarmerkrankungenInfektiöse Darmerkrankungen
AllergienAllergienReizdarmsyndromReizdarmsyndrom
LaktoseintoleranzLaktoseintoleranz
Probiotika
Verhinderung von InfektionenVerhinderung von Infektionen
Antibiotika-assoziierte DiarrhoeAntibiotika-assoziierte Diarrhoe
Infektiöse DiarrhoeInfektiöse Durchfallerkrankungen bei Kindern:
� Probiotika (v.a. L. rhamnosus GG) verkürzen die
Dauer der Durchfallerkrankung
� Szajewska, 2001: Reduktion des Auftretens
nosocomialer Durchfallerkrankungen bei präventiver
Einnahme von Probiotika von 17% auf 2%
(McFarland et al., 2006)
Antibiotikaassoziierte Darmerkrankungen:
� 80% der Patienten sprechen auf eine Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin an,
20% entwickeln rekurrente Durchfälle durch CD-Rezidive
� Standardtherapie mit zusätzlicher Gabe von Saccharomyces boullardii kann rekurrente
Infektion mit CD verhindern
Die Guten und die Bösen
� Behinderung von Adhäsion von Darmpathogenen an die Mukosa, Veränderung der Zusammensetzung
der Darmflora
� Bildung von antibakteriellen Substanzen: Laktat, H2O2, Bakteriozine, Defensine
� Modulation der Immunantwort: IgA Produktion, Aktivierung von monozytären Zellen sowie T- Lymphozyten, Beeinflussung von Entzündungsmediatoren
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED): Definition
• Idiopathische, chronische in Schüben verlaufende, destruierende Entzündung des Intestinaltrakts
� Colitis ulcerosa (CU)
� Morbus Crohn (MC)
� Colitis indeterminata (10%)
• Prävalenz in Mitteleuropa:
� MC: 120-200 auf 100.000
� CU: etwas höher
Morbus
Crohn
Colitis indeterminata
Colitis
ulcerosa
CED: Einfluss der Ernährung auf die Aktivität
Maconi et al, World J Gastroenterol 2010
CONCLUSION: More than one third of IBD patients change dietary habits beforediagnosis. Margarine, red meat and cheese increase the risk of ulcerative colitis and Crohn’s disease.
Meist vertragen eher unverträglich
Obst und Gemüse gegahrt oder gedünstet besser:
Kartoffeln, Möhren, Broccoli, Spinat Zitrus, Pflaumen, Weintrauben,
Blumenkohl, Spargel, Fenchel
Banane, reife Äpfel, weiche Birne konzentrierte Fruchtsäfte
Pfirsich, Melone, Erbeere
Ernährungstherapie in Remission
Fleisch, Fisch, Eier:Mageres Huhn, Pute, Rind fettes Rind, Schwein, Hammel, EnteBraten-Geflügelaufschnitte Salami, Cervelat
Aal,Hering, Sardinen, FischsalateForelle, Kabeljau, Scholle,Seezunge, Rotbarsch
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Laktose-Intoleranz (Milchzucker): Laktasemangel der Darmschleimhaut
Milchprodukte vermeiden bzw.
bis zur individuellen Verträglichkeitsgrenze reduzieren
Laktose beachten in Beimischung (Fertigprodukte, Medikamente ect.)
Sauermilcherzeugnisse (Joghurt, Kefir ect) 250 ml/Tg besser verträglich
sehr wenig in Hart- und Schnittkäse, Butter 30 mg pro Portion
Laktosemenge auf mehrere Mahlzeiten verteilen
Milchersatz z. B. Sojaprodukte, Minus-L-Produkte
Calciumbedarf decken durch Mineralwasser, Gemüse, Obst, ggf. Medikation
Sonderkost im akutem Schub
Kräutertee
Geschlagene Banane, geriebener Apfel, passierte Erdbeeren
Vollkornbrei mit Wasser , feine Hafer-Hirseflocken
Gemüsebrühe, passierte Mohren und Kartoffeln
Eidotter zum Legieren
Eischnee und Quark
Tofu
Babykost aus Gläsern
Möglichst wenig Zucker (Bananenbrei)
Würzen mit Kräutern, Hefeflocken, Kümmel, Vanille
Probiotika zur Remissionserhaltung
Kruis et al, GUT 2004
E coli Nissle
327 Pat. mit Colitis ulcerosa
Für andere Probiotika keine hinreichenden Daten für signifikante Behandlungs-erfolge in Remissionsinduktion und -erhaltung
Schwächung der Kolonwand
Alterungsprozess
Ballaststoffarme KostKolondivertikulose
Verstärkte Segmen-tierung des Kolons
Hoher intra-luminaler Druck
Ursache der Divertikulose: Rolle der Ballaststoffe
�Divertikulose/ –itis 33-50 %
der über 50-Jährigen
� 25% symptomatisch,
davon 75% Divertikulitis
SUMMARY ANSWERThe risk of admission to hospital ordeath from diverticular disease was 30% lower among vegetarians comparedwith meat eaters and 40% lower amongthose with a high (>25 g/day) comparedwith a low (<14 g/day) intake of dietaryfibre after taking into account factorslike smoking and body mass index.
Crowe et al, BMJ 2011;342:d2951
Gefährlicher Darmfeind: Kolon-Rektumkarzinom�Kolonadenome�Kolorektale Karzinome 30-40/100 000, 50 000/J Neuerkrankungen in Deutschland�Lebensrisiko für die Allgemeinbevölkerung 6%�Häufigstes Maligmon der Menschen der westlichen Welt�Zweithäufigste tumorbedingte Todesursache ca. 200 000/J
Risiko:�Genetische Prädisposition
familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
hereditäres nicht-polypöses Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC)
�Chronisch entzündliche Darmerkrankung
�Ernährung: Adipositas durch Überernährung
protektiv: wenig rotes Fleisch
viel Obst und Gemüse
Ballaststoffe?
In Bevölkerungsgruppen mit niedriger Ballaststoffaufnahme kann eine Verdopplung der Zufuhr über die Nahrung das Risiko für kolorektale Karzinome um 40% senken.
Größter Vorteil für das linksseitige Kolon und Rektum
Risiko für kolorektale Karzinome: Ballaststoffe
EPIC-Studie: > 500 000 Teilnehmer , davon ca. 1065 mit Entwicklung eine kolorektalen Ca
Ballaststoffreiche Nahrung vs Kontrolle: Diagnosen mit kolorektalem Karzinom
Conclusion:Several communities with low bowel cancer rates have diets that are rich in fibre.Increasing the levels of fibre in the diet in industrialised countries might therefore help to reduce the rate of bowel cancer. However,the review found that increasing fibre in a western diet for two to four years did notlower the risk of bowel cancer. Studies using both longer-term trials and higher dietary fibre levels may be needed.
Tracey K. Asano, Robin S McLeod, Cochrane Database of Systematic Reviews 2008
Risiko für kolorektale Karzinome: Fischöl
During 827,833 person-years of follow-up (average 9.3 years), we identified 1,268 newcolorectalcancer cases (521 colon and 253 rectal for men; 350 colon and 144 rectal for women)
Our results suggest that intake of marine n-3 polyunsaturated fatty acids may beinversely related to the risk of cancer in the proximal site of the large bowel.
Int. J. Cancer: 129, 1718–1729 (2011)
Risiko für kolorektale Karzinome: Vitamin-D-Spiegel
Ma et al, J Clin Oncol 2011; 29:3775-3782
Das kolorektale Karzinomrisiko korreliert invers mit der Vitamin D-Aufnahme und Vitamin D-Plasmaspiegel
Zusammenfassung
�Der Darm ist nicht nur ein Verdauungsorgan sondern übt wichtige Funktionen für den gesamten Organismus aus.
�Der Darm ist das größte immunologische Organ und stellt die immunologische Grenzfläche zwischen Körper und Umwelt dar. Hier entsteht Immunologische Toleranz, Infektionsabwehr aber auch die Entwicklung chronisch entzündlicher Erkrankungen und Tumore.
�Das Ökosystem Darm ist komplex und variabel mit Einfluss auf alle Organsysteme.und vielfältigen Therapiemöglichkeiten. Weitere grundlegende Studien sind notwendig.
�Die ernährungstherapeutischen und auch präventiven Möglichkeiten werden bei Weitem nicht ausgeschöpft.