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www.darmstadt.de - Kultur in Darmstadt, Darmstädter Stadtgeschichte 16. - 18. Jahrhundert Darmstädter Stadtgeschichte 16. - 18. Jahrhundert Darmstadt wird Residenzstadt der hessischen Landgrafen Einen Neubeginn und ihre erste Blütezeit erlebte die Stadt, als sie im Jahre 1567 erneut zur Residenz erhoben wurde. Georg, der jüngste Sohn des hessischen Landgrafen Philipp des Großmütigen, erbte die alte Obergrafschaft Katzenelnbogen. Er ließ als Georg I. den Neubau des Renaissanceschlosses vollenden und zu seiner Residenz umgestalten. Der ständig präsente Hof und die Beamtenschaft prägten von jetzt an entscheidend die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Darmstadts. Außerdem besaß Georg I. ein großes ökonomisches und organisatorisches Talent, was der Stadtentwicklung sehr zu Gute kam. So veranlasste er 1580 auch die Anlegung des Herrngartens. Darmstadt sprengte ab 1590 erstmals ihre mittelalterlichen Mauern durch die Anlage der alten Vorstadt östlich des Schlosses. Hier wurde Wohnraum für die Hofbeamten und die neu zuziehenden Handwerker geschaffen. Mit solchen Bauvorhaben brachte Georg I. den Handwerkern Darmstadts Beschäftigung und damit Lohn. Außerdem wurde unter ihm die städtische Wasserversorgung verbessert. Ferner ließ Georg bis 1570 den großen Woog und 1572 den Steinbrücker Teich anlegen. Der große Woog hatte zunächst die Funktion, gleichmäßigen Zufluss für die unterhalb stehenden Mühlen zu gewährleisten, diente aber auch als Fisch- und Feuerlöschteich. An den Ufern des großen Woogs lagen Bleichplätze, an denen Wäsche gebleicht werden konnte. Später wurde der Teich Rahmen für prunkvolle Festlichkeiten. Die Alte Vorstadt (Magdalenenstraße) in ihrem ursprünglichen Zustand, im Hintergrund die Alexanderstraße mit dem heutigen "Bayrischen Hof" (Aufnahme um 1900) Der Steinbrücker Teich, benannt nach der alten Steinbrücke über die Dieburger Straße, diente vermutlich ebenfalls zur Fischzucht. http://www.darmstadt.de/kultur/geschichte/02651/ (1 von 4) [6.11.2009 12:15:40]

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Stadtgeschichte 16. bis 18. Jahrhundert

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Darmstädter Stadtgeschichte 16. - 18. Jahrhundert

Darmstadt wird Residenzstadt der hessischen Landgrafen

Einen Neubeginn und ihre erste Blütezeit erlebte die Stadt, als sie im Jahre 1567 erneut zur Residenz erhoben wurde. Georg, der jüngste Sohn des hessischen Landgrafen Philipp des Großmütigen, erbte die alte Obergrafschaft Katzenelnbogen. Er ließ als Georg I. den Neubau des Renaissanceschlosses vollenden und zu seiner Residenz umgestalten. Der ständig präsente Hof und die Beamtenschaft prägten von jetzt an entscheidend die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Darmstadts. Außerdem besaß Georg I. ein großes ökonomisches und organisatorisches Talent, was der Stadtentwicklung sehr zu Gute kam. So veranlasste er 1580 auch die Anlegung des Herrngartens.

Darmstadt sprengte ab 1590 erstmals ihre mittelalterlichen Mauern durch die Anlage der alten Vorstadt östlich des Schlosses. Hier wurde Wohnraum für die Hofbeamten und die neu zuziehenden Handwerker geschaffen. Mit solchen Bauvorhaben brachte Georg I. den Handwerkern Darmstadts Beschäftigung und damit Lohn. Außerdem wurde unter ihm die städtische Wasserversorgung verbessert. Ferner ließ Georg bis 1570 den großen Woog und 1572 den Steinbrücker Teich anlegen. Der große Woog hatte zunächst die Funktion, gleichmäßigen Zufluss für die unterhalb stehenden Mühlen zu gewährleisten, diente aber auch als Fisch- und Feuerlöschteich. An den Ufern des großen Woogs lagen Bleichplätze, an denen Wäsche gebleicht werden konnte. Später wurde der Teich Rahmen für prunkvolle Festlichkeiten.

Die Alte Vorstadt (Magdalenenstraße) in ihrem ursprünglichen Zustand, im Hintergrund die Alexanderstraße mit dem heutigen "Bayrischen Hof" (Aufnahme um 1900)

Der Steinbrücker Teich, benannt nach der alten Steinbrücke über die Dieburger Straße, diente vermutlich ebenfalls zur Fischzucht.

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Am Marktplatz, der durch den Abriss eines Häuserblocks erweitert wurde, errichtete die Stadt als Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins 1566/68 ein neues Rathaus, so dass der Stadtherr im Schloss und die Stadtverwaltung im neuen Rathaus vis à vis residierten. Es wurde bereits 1598-1601 durch den heute erhaltenen Nachfolgebau ersetzt. Hier am Marktplatz wurde das Mit- und Gegeneinander von Bürgerstadt und Fürstenresidenz, das zukünftig die Geschicke der Stadt bestimmen sollte, augenfällig. Pest und 30jähriger Krieg 1618-1648 Die erste Blüte der jungen Hauptstadt wurde durch die Leiden und Nöte des 30jährigen Krieges jäh unterbrochen.

Wie das ganze südliche Hessen wurde auch Darmstadt dadurch in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Altes Rathaus, noch mit Verkaufsläden anstelle d. 1927 eröffneten Ratskellers (Aufn. um 1900)

Nachdem Darmstadt den Einfall der Truppen des Grafen Mansfeld 1622 noch relativ glimpflich überstanden hatte, brachten die Jahre ab 1631 mehrmalige Durchmärsche von Truppen, Einquartierungen und Plünderungen. Besonders hart traf die ohnehin schon dezimierte Bevölkerung jedoch vor allem aber die Pest, der alleine im Jahr 1635 über 2000 Menschen zum Opfer fielen. Die Bevölkerung verringerte sich nach neueren Schätzungen um bis zu 80 Prozent. Besonders entlang der Bergstraße war das Leiden groß. Viele Bewohner des verwüsteten Umlandes flüchteten sich hinter die schützenden Mauern Darmstadts, wo in diesen Zeiten über 8000 Menschen lebten, darunter viele Flüchtlinge und Soldaten. Als 1648 endlich Ruhe und Frieden einkehrte, gab es so gut wie nichts mehr zu essen. Alle Felder waren verwüstet und durch den großen Bevölkerungsverlust, mangelte es an Arbeitern, die in der Lage gewesen wären die Äcker neu zu bestellen. Von den Verheerungen des 30jährigen Krieges erholte sich die Stadt nur langsam. Erst nach ungefähr acht Jahrzehnten hatte sie die großen Kriegsschäden überwunden. Darmstadt als Barockresidenz ab 1688 und Landgraf Ernst Ludwig Mit Landgraf Ernst Ludwig (1688-1739) hielt der Barock in Darmstadt Einzug. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die Stadt sich gerade halbwegs von den Schäden des Dreißigjährigen Krieges erholt hatte. Ernst Ludwig plante zusammen mit seinem Hofbaumeister Louis Remy de la Fosse mehrere ehrgeizige Bauvorhaben, um Darmstadt in eine prunkvolle Barock-Residenz zu verwandeln, die den Hof angemessen repräsentieren konnte. 1695 legte Ludwig den Grundstein zur großen Stadterweiterung nach Westen; die Rheinstraße bis zum späteren Luisenplatz und die östliche Luisenstraße wurden in der neuen Vorstadt angelegt.

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Westliche Stadterweiterung mit Oberer Rheinstraße, angelegt ab 1695; im Vordergrund der Schlossgraben und der heutige Friedensplatz, im Hintergrund das Neue Tor etwa an der Stelle des "Langen Ludwigs" (Gemälde von Johann Tobias Sonntag, 1746) Die weiteren Ausbauarbeiten mussten jedoch wegen Geldmangels ebenso eingestellt werden wie der nach einem Brand 1715 begonnene Neubau des Schlosses, von dem bis 1727 nur zwei Flügel im Rohbau fertiggestellt waren. Von der gleichzeitg begonnenen Orangerie in Bessungen konnte ebenfalls nur der Westflügel vollendet werden. Ebenfalls nicht umgesetzt wurden die bemerkenswerten, bereits 1688 erstmals gefassten Pläne, Darmstadt durch Ansiedlung zahlreicher französischer Glaubensflüchtlinge im Westen und den Bau eines Schifffahrtskanals zum Rhein als Handelszentrum zu stärken. Die barocke Bauwut, der Wunsch nach äußerer Repräsentation, war nur die eine Seite der künstlerischen Ambitionen Ernst Ludwigs. Seine große Leidenschaft galt dem Theater. Die alte Reithalle, auf dem Gelände der heutigen Technischen Hochschule am Herrngarten gelegen, wurde seit 1670 ständig für Theateraufführungen genutzt und war eines der frühesten festen Theater Deutschlands. Es wurde bis 1944 als kleines Haus des Landestheaters bespielt.

Ernst Ludwig holte 1711 den Komponisten Christoph Graupner als Kapellmeister nach Darmstadt und verpflichtete ein festes Ensemble. Die Orangerie zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Eine weitere Liebhaberei Ernst Ludwigs war die seit 1708 betriebene Parforce-Jagd, die auch sein Sohn Ludwig VIII. (1739-1768) fortführte. Für dieses sehr kostspielige Jagdvergnügen wurden die Wälder Darmstadts mit breiten Schneisen durchzogen und Jagdhäuser errichtet. Die Jagd verursachte enorme Flurschäden und war deshalb bei der Bevölkerung verhasst. Der Tod Ludwigs VIII. brachte 1768 ihr abruptes Ende.

Landgraf Ludwig IX. Landgraf Ludwig IX. (1768-1790) sanierte die von seinen Vorgängern zerrütteten Staatsfinanzen. Ausgeführt wurden seine rigorosen Reformen von Minister Friedrich Carl von Moser, der 1773 am späteren Luisenplatz als Sitz der Landesbehörden das Kollegiengebäude errichten ließ, das in seiner wiederaufgebauten Form heute Sitz des Regierungspräsidenten ist. Moser ließ als Grundlage seines Reformwerks die nach ihm benannten Moserschen Tabellen aufstellen, das erste verlässliche statistische Werk Hessen-Darmstadts. Die Hauptstadt hatte danach 1777 genau 9038 Einwohner. Der Landgraf selbst residierte meist in seiner Garnison Pirmasens, wo er seine Truppen nach selbstkomponierten Märschen exerzieren ließ. Seine Gattin Henriette Karoline leitete den Darmstädter Hof.

Der "Kreis der Empfindsamen" Karoline ging in die Geschichte ein, weil sie ab 1771 Musiker, Dichter und andere Schöngeister um sich versammelte: den "Kreis der Empfindsamen". Neben ihr gehörten diesem Kreis Johann Heinrich Merck,

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Johann Gottfried Herder, Klopstock, Wieland und der junge Goethe an. In dieser Gesellschaft trafen sich Hofangestellte und deren "bürgerliche Freunde" zu Mondscheinspaziergängen, Leseabenden und Ausflügen. Sie tauschten untereinander empfindsame Briefe aus und schrieben sich Gedichte. Besonderes Interesse galt der zeitgenössischen Literatur und der wiederentdeckten Natur.

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