das parallelepiped und sein double. entierro als widergänger der amerikanischen minimal art

40
Hausarbeit Titel: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. Seminar: Unheimlich - Phänomenologie und Typologie von Räumen und Orten in der Kunst seit 1500 bei: Dr. des Mischa Steidl vorgelegt von: Ferdinand Klüsener (2. Semester MA ATW) / 06. September 2011 Ferdinand Klüsener Landgrafenstraße 4 35390 Gießen Tel.: 01732409993 Mail: [email protected]

Upload: ferdinand-kluesener

Post on 29-Jul-2015

132 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Hausarbeit Titel: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art.

Seminar: Unheimlich - Phänomenologie und Typologie von Räumen und Orten in der Kunst seit 1500bei: Dr. des Mischa Steidl

vorgelegt von: Ferdinand Klüsener (2. Semester MA ATW) / 06. September 2011

Ferdinand Klüsener

Landgrafenstraße 435390 Gießen

Tel.: 01732409993Mail: [email protected]

Page 2: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 3

I Entierro als Parallelepiped 5

I.I Entierro und der Minimalismus 5

I.II Entierro als Grab 8

I.II.I Grab und Grabmal 8

I.II.II Zwei Blickangebote um Entierro zu übersehen 8

II.III Entierro und Donald Judd 10

II.III.I Der Illusionismus der Tautologie 10

II.III.II Inszenierung der Tautologie 12

II Entierro und der Inhalt 15

II.I Vom Klappschock zum indexikalischen Weltbezug 15

II.I.I Der Klappmoment 15

II.I.II Der Schock 16

II.I.II Der indexikalische Weltbezug 17

III.II Material und Produktion von Inhalt 19

III.II.I Material 19

II.II.II Die Produktion / Das Readymade als Neugeburt 20

III.II.III Ein Fötus und die Produktion 21

III Entierro und das Unheimliche 24

III.I Das Unheimliche am Objekt Entierro 24

III.I.I Das Unheimliche bei Margolles 24

III.I.II Das Unheimliche am Parallelepiped 25

III.II Notizen zur mexikanischen Moderne 26

III.II.I Die Moderne und der Beton 26

III.II.I Notizen zum Rest 29

III.III Entierro als kultureller Wiedergänger 31

Abschlussbemerkung 35

Quellenverzeichnis 36

Literatur 36

Internetquellen 39

Abbildungen 40

Page 3: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

EinleitungManche Kunstwerke bringen einen voran; andere tun dies nicht. Von manchen Kunstwerken kann

man etwas lernen; andere lassen einen eher ratlos. Manche Kunstwerke erfreuen und unterhalten,

während andere eher frustrieren, gelegentlich anekeln und ärgern. Entierro von Teresa Margolles ist

ein Kunstwerk der zweiten Art. Die Presse ist gemischt und manchmal einfach nur nicht gut.

Entierro habe viel mit „dem Spektakelbetrieb Kunst [...] zu tun“, sei „sensationsheischend“ und

„eckig“1.

Es handelt sich um eine Hausarbeit, die sich vornehmlich auf Entierro konzentriert. Entierro ist

„ein unscheinbarer Block aus Beton, 20 x 60 x 40 cm groß“,2 aus dem umfangreichen Werkcorpus

von Teresa Margolles. Die Arbeit beschäftigt sich nicht oder wenig mit anderen Arbeiten aus dem

Oeuvre der 1963 in Sinaloa Mexiko geborenen Künstlerin, von denen jede einzelne eine

umfangreiche Betrachtung verdient hätte. Ein persönliches Interesse fixierte meine Aufmerksamkeit

zunächst an den vermeintlich offensichtlichen Analogien zwischen Entierro und den

Parallelepipeden3 der Minimal Art. Zudem liegt hier die Überzeugung zu Grunde, dass ein

übergenau betrachtetes Objekt mehr verrät als viele genau betrachtete Objekte.4

Im Rahmen der Recherche hat sich mein Interesse zunehmend auf drei Aspekte konzentriert. Durch

deren Entfaltung wird im Rahmen dieser Hausarbeit eine umfassende Kontextualisierung von

Entierro angestrebt: Zunächst wird ein erster Abschnitt sich mit dem Parallelepiped aus Beton

auseinandersetzen. Dann wird sich ein zweiter Abschnitt auf den Inhalt von Entierro konzentrieren,

woraufhin ein dritter Abschnitt den Versuch unternimmt Entierro an das Seminarthema

>>Unheimlich - Phänomenologie und Typologie von Räumen und Orten in der Kunst seit 1500<<

rückzukoppeln, indem Entierro zunächst allgemein und dann unter zu Hilfenahme

postkolonialistischer Fragestellungen auf das Unheimliche angegangen wird.

Das Unterfangen Entierro als Parallelepiped unter Parallelepipeden zu situieren, geschieht im ersten

Kapitel zunächst allgemein mit der Hilfe von Georges Didi-Huberman, der seine Studie zur

amerikanischen Minimal Art der vornehmlich 60er und 70er Jahre damit beginnt, die

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 3

1 Anne Marie Freybourg: „,Political/Minimal‘ im KW Institute for Contemporary Art, Berlin. Gleich und Gleich gesellt sich gern“, Review in: artnet.de Magazine. Internetadresse: http://www.artnet.de/magazine/politicalminimal-im-kw-institute-for-contemporary-art-berlin/ (aufgrufen: 04. September 2011)

2 Thomas Macho: „Ästhetik der Verwesung. Zur künstlerischen Arbeit von Teresa Margolles“, in: Thomas Macho und Kristin Marek (Hg.): DIE NEUE SICHTBARKEIT DES TODES, München: Wilhelm Fink Verlag 2007, S. 337 - 354, hier: S. 341.

3 Didi-Huberman benutzt die Bezeichnung Parallelepiped in seinem Buch Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes (vgl. Georges Didi-Huberman: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999.). Der zutreffende aber unübliche Begriff (andere mir bekannte Literatur greift nicht auf diese Bezeichnung zurück) beschreibt die Begrenzung eines geometrischen Körpers durch sechs paarweise kongruente in parallelen Ebenen liegende Parallelogramme. Parallelepiped ist geometrisch gesehen ein Überbegriff, so ist z.B. der Quader eine Sonderform des Parallelepipeds.

4 Insofern heißt es, dass Archiv umzuschichten, dass sich hinter Entierro staut bzw. in Entierro persistiert.

Page 4: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Parallelepipeden unter der Färbung des Verlusts, d.h. augenscheinlich als Grabmale zu beschreiben

und dann genauer im Hinblick auf die Arbeiten von Donald Judd. Für den Abgleich mit der Arbeit

von Judd wird im ersten Kapitel auf die präzisen Analysen rekurriert, die Sebastian Egenhofer in

seinem Buch ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT vorlegt. Zwischen diesen zwei

Polen, d.h. dem Grabmal und den specific objects5 von Donald Judd, soll so zunächst die

geometrische Gestaltung des Betonblocks ihre Implikationen aufzeigen.

In die Betrachtungen zum Inhalt fließen auch Betrachtungen zu den Implikationen und

Mechanismen, die der Inhalt von Entierro auf den vollständigen Betonkomplex Entierro hat, ein.

Entierro wird hierbei zunächst in einem perspektivischen und schockhaften Klappmoment

bestimmt, aus dem sich Überlegungen zum Weltbezug und zur Beschaffenheit des Inhalts ergeben.

Der Inhalt wird mit dem Readymade Begriff quergelesen und gestattet auch einen Blick auf den

sozioökonomischen Kontext von Entierro. Zudem wird Entierro bewusst formal im Paradigma

einer zeitgenössischen Kunst als Spur oder Index seiner Produktion betrachtet.

Im dritten Kapitel verdeutlicht die Untersuchung das allegorische Bedeutungspotential von Entierro

im Hinblick auf die mexikanische Moderne und deren Materialikonographie. Im Besonderen zwei

Konzepte aus der Sphäre des Unheimlichen kommen hier zur Anwendung: Das déjà-vu und der

Doppelgänger. Mit Hilfe dieser Begriffe und ihrer Struktur wird Entierro in Mexiko verortet, um

etwas über Mexiko zu erzählen.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 4

5 Um den Begriff „specific object“ kurz zu erklären füge ich an dieser Stelle eine stark verkürzte Darstellung in die Fußnote. Ein Zitat aus Georges Didi-Hubermans Text >>Das einfachste Sehobjekt<< kann den Begriff des spezifischen Objekts gut beleuchten: „So wird man also sagen können, daß dieses reine und einfache Volumen Donal Judds - sein Sperrholz-Parallelepiped - vor uns nichts bildlich darstellt. Es ist einfach da, vor uns, ein einfaches, integres und vollständig gegebenes Volumen (single, specific): einfach ein Volumen, das zu sehen, und dazu sehr klar zu sehen ist. Seine formale Kühle befreit es, wie es scheint, von jeglichem >>illusionistischen<< oder ganz allgemein anthropomorphen Prozeß.“ (Georges Didi-Huberman: >>Das einfachste Sehobjekt<<, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 33 - 44, hier S. 44.) Es handelt sich um einen Begriff den Donald Judd selber nutzt um seine Objekte zu beschreiben. Judd betont hiermit, dass sie sich selbst nicht übersteigen und grenzt sie damit von einem vermeintlich vergangenen klassischen Kunstverständnis ab. Im Zitat bezieht sich Didi-Huberman auf Donald Judds Ohne Titel von 1974. Eine Abbildung kann auf Seite 35 in Didi-Hubermans Text eingesehen werden.Oder aber, um auf eine Formulierung Claudia Kleinbubs aufzugreifen, die von einer minimalistischen Ästhetik spricht, „die in den 1960er Jahren eine Faktizität der Form anhand von spezifischen Objekten< behauptete. [...] der soziale Raum lag nicht im Horizont dieser strukturfixierten Kunst.“ (Claudia Kleinbub: „Santiago Sierra“, in: Renate Wiehager (Hg.): Minimalism and After. Tradition und Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag [2007] 2010, S. 530- 531, hier: S. 531.)

Page 5: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

I Entierro als Parallelepiped

I.I Entierro und der MinimalismusEntierro ist spanisch und heißt soviel wie Beerdigung, Bestattung und Begräbnis. Entierro ist auch

ein Titel für einen Zementblock aus dem Werkkorpus der mexikanischen Künstlerin Teresa

Margolles. Ich wurde auf Entierro6 7 in einem Pausenhofgespräch mit Mischa Steidl aufmerksam.

Thema des Gesprächs war ein Credo oder Postulat, dass auf die Minimal Art verweist und das sich

seit den 70ern Jahren immer wieder verstärkt in den Vordergrund der zeitgenössischen

Kunstdiskussion drängt: WHAT YOU SEE IS WHAT IT WHAT YOU SEE8 als Zitat Stellas oder

als Bemerkung bezüglich Donald Judd: Es „läuft darauf hinaus, das faktisch Gegebene der

objektiven Realität auf sich beruhen zu lassen - >>weil die Sache einfach da ist<<“9. Diskutiert und

kritisiert wurde zunächst das tautologische Credo aber auch die hiermit einhergehende Implikation,

es handele sich jetzt und hier um das, was nur es selbst sei, um das, was diese Grenze seiner

radikalen Präsenz oder Gegenwärtigkeit auf gar keinen Fall übersteige, letztendlich um die finale

Manifestation des Dings an sich. Entierro wurde von Mischa Steidl ins Gespräch gebracht, da es

einen Beitrag zu eben jener Diskussion in der Tradition der Minimal Art leiste.

So ostentativ wie Entierro als Zementblock oder Parallelepiped auf eine minimalistische Tradition

verweist, so zahlreich sind die Verweise in Presse und Literatur zu Teresa Margolles

minimalistischer Ästhetik: Hierbei sehen Nike Bätzner im Aufsatz >>Die Würde des Menschen ist

tastbar<< und Gabriela Jauregui im Aufsatz >>Nekropolis: Die Exhumierung der Arbeiten von

Teresa Margolles<< den Minimalismus Bezug von Margolles Oeuvre in dessen formaler Klarheit,

Schönheit und Leichtigkeit.10 Ähnlich argumentiert auch Barbara Basting in der Reflexe-Sendung

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 5

6 Publizierte Abbildungen von Entierro können in der Literatur eingesehen werden: Teresa Margolles: „Arbeiten“, in: Thomas Macho und Kristin Marek (Hg.): DIE NEUE SICHTBARKEIT DES TODES, München: Wilhelm Fink Verlag 2007, S. 317 - 332, hier: S. 319. und Teresa Margolles: „Muerte sin fin: Abbildungen / Imágenes / Plates“, in: Udo Kittelmann und Klaus Görner (Hg.): Teresa Margolles. Muerte sin fin, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag 2004, S. 217 - 249, hier: S. 235 + S. 237.

7 Dieser Arbeit ist eine Abbildung von Entierro angefügt, die im Abbildungsteil als Abbildung 1 eingesehen werden kann.

8 Ich setze eine berühmte Formulierung von Frank Stella als Stellvertreter ein. Ich kann mich nicht mehr an die exakte Formulierung des Gesprächs erinnern, denke aber mit dem Zitat dieser tautologischen Formulierung von Frank Stella auf das entsprechende Problem zu verweisen. Zum einen könnte man annehmen, dass Stella darauf abzielt, dass es eben das sei, was es sei und nicht mehr. Zum anderen könnte man diesen Ausruf auch im Hinblick auf das Bild Betrachter Verhältnis interpretieren. (Stella legt diese Lesart in einem interview in der SZ nahe. Eva Karcher: >>im Gespräch mit Frank Stella. „Sex ist okay...“<<, Interview in: süddeutsche.de. Kultur. Internetadresse: http://www.sueddeutsche.de/kultur/im-gespraech-frank-stella-sex-ist-okay-1.167284 (aufgerufen: 08.08.2009) Auch wenn Stella mit dieser Arbeit wenig zu tun hat scheint mir dieser Knick in der Auslegung doch symptomatisch genug, um das Anliegen der Arbeit zu verdeutlichen.

9 Jutta Held: „Minimal Art - Eine amerikanische Ideologie“, in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst [1995]1998, S. 444 - 470, hier: S. 457.

10 vgl. Nike Bätzner: „Die Würde des Menschen ist tastbar.“, in: Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen (Hg.): Teresa Margolles. 127 cuerpos., Köln: Buchhandlung Walter König 2006 S. 163-169, hier S. 163. und Gabriela Jauregui: „Nekropolis: Die Exhumierung der Arbeiten von Teresa Margolles.“, in: Udo Kittelmann und Klaus Görner (Hg.): Teresa Margolles. Muerte sin fin, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag 2004, S. 217 - 249, hier: S. 35 + S. 37.

Page 6: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

vom 17.01.2011 im Schweizer Radio DRS. Sie konstatiert formale Ähnlichkeiten zwischen

Margolles Arbeiten und denen der Minimalisten.11 Für Basting allerdings bedient sich Teresa

Margolles der minimalistischen Ästhetik, um diese mit Inhalt aufzuladen und so Kritik an der

Ästhetik des Minimalismus zu üben. Sie versteht Margolles Ästhetik auf einer für Insider

zugänglichen Bedeutungsebene „als Kritik an der blutleeren Sterilität des Minimalismus.“12

Wohingegen Cuauhtèmoc Medina den Minimalismus Bezug direkt an Entierro festmacht, ihn

allerdings eher als „recourse to minimal scultpures“13 versteht, der von Margolles instrumentalisiert

wird, um einen ganz besonderen Inhalt zu tragen. Heriberto Yépez wiederum sieht die Bezüge

zwischen Minimal Art und Teresa Margolles in einer Reformation des Körpers, die sich durch

Abstraktion und Reduktion realisiert, wie er sie auch beim Minimalismus beobachtet. Es handle

sich um „[e]ine Tendenz der Rationalisierung und Reduktion des Körpers, seines Verschwindens.“14

Anne Marie Freybourg wiederum bezieht sich direkt auf Entierro im Zentrum der von Klaus

Biesenbach kuratierten Ausstellung „Political/Minimal“ im Berliner Institute for Contemporary Art

und tut sich gänzlich schwer Entierro im Kontext des Minimalismus etwas abzugewinnen, da

Entierro „eben gerade keine Neuinterpretation des Minimalen sei“, sondern höchstens „eckig“15.

All diese Zitate und Argumente mögen etwas dekontextualisiert erscheinen, aber es handelt sich nie

um umfassende Untersuchungen oder eigene Kapitel entsprechender Studien, sondern immer nur

um kurze Verweise, wenige Sätze oder schemenhafte Andeutungen. Auch scheint es wenig relevant

inwiefern diese Kommentare sich nun auf einzelne oder viele Arbeiten von Teresa Margolles

beziehen, denn über diese mehr oder weniger kurzen Passagen der Interpretationen geht die

Untersuchung der Spannungen zwischen Margolles Werk und der Minimal Art nie hinaus. Es gibt

keine spezifischen detaillierten Untersuchungen und Verortungen im Kontext der Minimal Art, die

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 6

11 Basting beschreibt, dass einige Arbeiten sie an „die nüchternen Kunstwerke des nordamerikanischen Minimalismus“ erinnern. „Etwa an Arbeiten eines Sol LeWitt oder Donald Judd.“ Was von Bätzner und Jauregui als Klarheit und Leichtigkeit beschrieben wird ist für Basting „Purismus“. Die Zitate von Barbara Basting entstammen meiner Transkription der Radiosendung. Die Sendung kann auf der Webseite vom Schweizer Radio DRS angehört werden. vgl. Barbara Basting: „Teresa Margolles - Kunst gegen den Drogenkrieg.“, in Beatrice Born (Redaktionsleitung): DRS 2 - Reflexe. Internetadresse: http://www.podcast.de/episode/2039811/Teresa_Margolles_-_Kunst_gegen_den_Drogenkrieg aufgerufen: 30. Juli 2011.

12 vgl. Ebenda.

13 Cuauhtémoc Medina: >>Materialist Spectrality<<, in: Cuauhtémoc Medina (Hg.): Teresa Margolles: What Else Could We Talk About? Mexican Pavillon. 53 International Art Exhibition. La Biennale di Venezia, Barcelona: RM Verlag S.L. 2009, S. 15 - 30, hier: S. 19.

14 Heriberto Yépez: „Vom Rest.“ in: Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen (Hg.): Teresa Margolles. 127 cuerpos, Köln: Buchhandlung Walter König 2006 S. 185 - 192, hier S. 187 + 189.

15 Anne Marie Freybourg: „,Political/Minimal‘ im KW Institute for Contemporary Art, Berlin. Gleich und Gleich gesellt sich gern.“

Page 7: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

die erste amerikanische Kunstrichtung war, „zu der es keine europäische Parallele gab“16. 17 Dies ist

erstaunlich, da auch komplexere Bezüge offensichtlich zu Tage zu liegen scheinen.

Zumindest aber sollten diese schemenhaften Verweise dazu in der Lage sein einen groben Rahmen

für eine entsprechende Untersuchung abzustecken: Es handelt sich um eine formale Qualität, die

hierbei mit Verweis auf die entsprechenden Autoren mit Einfachheit, Schönheit, Klarheit aber auch

Purismus beschrieben werden kann. Im weiteren verdeutlicht sich eine gewissermaßen

kunsthistorisch selbstreflexive Dimension und auch ein Bezug zum Körper. Ich möchte diesen

Ebenen im Folgenden gern eine rezeptionsästhetische Ebene hinzufügen, da der Frage nach der

Rezeptionsästhetik bzw. nach der Relationalität oder der Objekthaftigkeit der Objekte der Minimal

Art ein historischer Stellenwert zu kommt, der sich in Michael Frieds und Donald Judds Streit um

die Gegenwärtigkeit und Reinheit der Minimal Art niederschlägt.

Es handelt sich gewissermaßen um einen gegenseitigen Angriff auf eine gegenseitige Ideologie der

Reinheit, die Fried den minimalistischen Objekten absprach, allerdings für Noland, Olitski und

Stella forderte18, wohingegen Judd sich von der Malerei abwandte, um sich dem dreidimensionalen

Raum zuzuwenden.19 Ein ähnlicher Angriff kann, so scheint es, anhand eines hässlichen

Zementblocks mit bedingt anthropomorphen Maßen bedacht werden. Oder, um es anders zu

formulieren: Im Bezug auf die Parallelepipeden möchte ich einer Missinterpretation der berühmten

Vorstellung von der Sache die einfach da ist vorbeugen, indem das Kunstwerk als

psychoanalytisches Objekt in einer Objektrelation zum Betrachter analysiert wird. In der Frage nach

der Objekt-Betrachter-Relation dürfte auch die Frage verborgen sein, ob Entierro ist, was es ist, und

inwiefern dies eine unheimliche Qualität gewinnen kann. Dies müsste vor Allem im Hinblick auf

gewisse Reinheitspostulate bedacht werden. Und grade auch im Bezug auf eine Analyse der

Reinheit dürfte Klarheit über das Verhältnis gewonnen werden können, dass Entierro zu den

Parallelepipeden eines Donald Judd einnimmt.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 7

16 Geregor Stemmrich: „Minimal Art - eine kritische Retrospektive“, in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst [1995]1998, S. 11 - 31, hier: S. 11.

17 Dies ist zumindest Selbstbild, Selbstinszenierung und verlautbarte Zielsetzung. Wiehager schreibt: „Viele spätere Interpreten sind Judd, Stella und Newman in dieser Behauptung abrupter Loslösung der amerikanischen Kunst aus europäischen Traditionslinien gefolgt und verbanden damit das Postulat, mit der klassischen Minimal Art eine rein amerikanische Kunstrichtung begründet zu haben.“ (Renate Wiehager: 100 Jahre Geschichte der Abstrakten Avantgarden aus der Perspektiove der Daimler Kunst Sammlung“, in: Renate Wiehager (Hg.): Minimalism and After. Tradition und Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag [2007] 2010, S. 23 - 57, hier: S. 25.)

18 vgl. Michael Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal Art. Eine kritische Retrospektive. Übersetzt von Christoph Hollender. 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst [1995]1998, S. 334 - 374, hier: S. 339.

19 Ebenda S. 336.

Page 8: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

I.II Entierro als Grab

I.II.I Grab und GrabmalBegräbnisse haben eine gewissermaßen momentane Qualität. Begräbnisse finden statt, haben statt

gefunden oder finden grade statt. Der Zeitrahmen eines Begräbnisses ist auf jeden Fall bemessen.

Das Begräbnis wird anfangen und wird auch wieder vorbei sein. Das dauert in der Regel nicht an

(zumindest nicht unbegrenzt). Entierro aber findet nicht so statt, wie ein Begräbnis statt findet.

Entierro ist in grober Materialität als Betonklotz anwesend. Entierro scheint unbegrenzt

anzudauern. Bemessen ist einzig der Zeitrahmen des Blicks, den der Besucher auf Entierro

verweilen lässt, ganz ähnlich dem Blick der auf das Grab fällt. Entierro kann also nicht als

Begräbnis verstanden werden, auch wenn es so benannt worden ist.20

Jacques Lacan klärt uns darüber auf, dass es das Grab ist, das nicht nur auf das Begräbnis sondern

auch auf einen Menschen folgt. Der Leichnam wird in etwas gebettet, „das eine Grabstätte darstellt,

daß sie die Tatsache aufrechterhält, daß dieser gedauert hat.“21 Das Kunstwerk Entierro, so ist es

der Materialangabe zu entnehmen, ist ein „Fötus in einem Zementblock“22, entsprechend ein Grab,

was darauf verweist, dass dieser Fötus (wenn auch äußerst begrenzt) gedauert hat, dass was den

Fötüs umgibt, in welches der Fötus gebettet ist. Lacan verdeutlicht in den Vorträgen des

Sammelbandes Namen-des-Vaters auch, dass es sich beim Grab um ein Symbol handelt. Es

empfiehlt sich an dieser Stelle nicht auf die Implikationen des lacanschen Symbolbegriffs

einzugehen, allerdings kann bereits markiert werden, dass das Symbol auf etwas verweist, das

abwesend ist. Das Symbol geht also über sich hinaus.

Entierro verweist durch seinen Namen zunächst aber auch auf eine andere Zeit, die Zeit des

Begräbnisses und scheint entsprechend in dieser Zeit zu verharren. Titel und Objekt verschränken

sich in Bezeichnung und Materialität in unterschiedliche Zeitlichkeiten. Entierro konfrontiert den

Betrachter mit der Zeit der Gegenwart eines Begräbnisses für das kein Ende vorgesehen ist und der

Zeit einer Vergangenheit, eben dieser Vergangenheit in der der Fötus begraben worden ist.

I.II.II Zwei Blickangebote um Entierro zu übersehen

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 8

20 Offensichtlich in einer Geste des Künstler als Vater. Wer sonst dürfte ein Kind benennen? Oder: Als hätte man eine Flasche gegen den Bug eines Schiffes geworfen. Hier natürlich die Künstlerin als Vater.

21 Jaquces Lacan: „Das Symbolische, das Imaginäre und das Reale“, in: Namen-des-Vaters. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Wien: TURIA + KANT Verlag, 2006, S. 7 - 61, hier: S. 42.

22 Teresa Margolles: „Muerte sin fin: Abbildungen / Imágenes / Plates“, S. 234.

Page 9: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Entierro ist, so will es der Begleittext, ein Fötus in einem Zementblock. Entierro ist Sarg und

Grabstein zugleich. Entierro ist die Folge eines Begräbnisses und überschreitet so sich selbst.

Entierro ist aber auch ein Parallelepiped.

Georges Didi-Huberman beschreibt die Konfrontation des Sehens mit dem Parallelepiped als

Konfrontation des Sehens mit dem Grabmal zu Beginn seines Buches Was wir sehen blickt uns an.

Zur Metapsychologie des Bildes, um grundlegende Parameter für seine Analysen der Minimal Art

zu bestimmen.23 Didi-Hubermans Beschreibung dessen, der ein Grabmal sieht, sollte als

Beschreibung dessen, der sich mit den Parallelepipeden der Minimal Art konfrontiert sieht,

verstanden werden können, da Didi-Huberman diesen argumentativen Weg einschlägt, um seine

späteren Betrachtungen vorzubereiten.24 Anhand des Grabmals erläutert er zwei Modi des Sehens.25

Beide Modi sind zugleich Modi des Übersehens bzw. gewährt der eine Modus dem Betrachter zu

wenig Einblick und der andere zu viel.

Er arbeitet in seinen Überlegungen zu dem was er als Höhlung des Visuellen bezeichnet eine

Genealogie der Minimal Art auf, die die Minimal Art vor Allem in der Relation zum Betrachter

situiert. Diese Relationalität geschieht für Didi-Huberman im Raum des Visuellen und in der Sphäre

der Trauer. Im Rekurs auf James Joyce Roman Ulysses beschreibt er den Blick von Stephen

Deadalus, nach dem Tod der Mutter gefärbt vom Tod der Mutter.26 Entsprechend analysiert Didi-

Huberman den Blick des Betrachters auf das Grabmal als Spaltung des Blicks. Er eröffnet seine

Analyse als Dialektik des Blicks, in der er die Divergenz von Fülle und Glauben als Divergenz von

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 9

23 Georges Didi-Huberman: „Der Leere ausweichen: Glaube oder Tautologie“, aus dem Französischen von Markus Sedlaczek, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 19 - 32.

24 Sebastian Egenhofer widerspricht Didi-Huberman hier im übrigen: „Der einzige klassische Minimalist, dessen Werke eine Affinität zu jener Typologie des Grabmals aufweist, die Didi-Huberman evoziert, ist Carl Andre.“ (Sebastian Egenhofer: „d. Neugeboren oder ready-made? Anfänglichkeit und Datierung“ in: ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT. Die Wahrheitsfunktion des Werks in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 2008, S. 137 - 149, hier S.141 Fussnote 210.) Wohingegen diese Aussage mit Renate Wiehager zu Gunsten Didi-Hubermans relativiert werden kann. Wiehager verweist auf Robert Morris: „So hat Robert Morris seine 1961 entstehenden [...] Boxen [...] ausdrücklich als Bearbeitungen der essentiellen Architektur des ägyptischen Djoser-Grabmals konzipiert.“ (Renate Wiehager: 100 Jahre Geschichte der Abstrakten Avantgarden aus der Perspektive der Daimler Kunst Sammlung.“ S. 31.) Insofern scheint der Bezug zum Grabmal doch nicht im Bezug auf Carl Andre gegeben. Vor Allem scheint die Relevanz des Grabmals für die Minimal Art, wie Didi-Huberman sie darlegt vor Allem in der Produktion entsprechender Blickregime zu liegen. Letztlich kann auf diesen Disput hier nur verwiesen werden, da eine genauere Klärung umfangreichere Studien nach sich ziehen müsste.

25 Didi-Huberman differenziert beide Sehmodi explizit auf S. 24f.

26 vgl. Georges Didi-Huberman: „Die unausweichliche Spaltung des Sehens“, aus dem Französischen von Markus Sedlaczek, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 11 - 18.

Page 10: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Fülle zu Tautologie und Eschatologie beschreibt.27 Das Grabmal, so Didi-Huberman, zeige sich

zum einen als Volumen (das sich dem Blick entzieht) in Form eines gestalteten Steinblocks, zum

anderen als Zurückblickendes, den Betrachter Betreffendes, insofern in Aspekten der Evidenz und

dessen was nicht evident ist, dem toten Körper, auf den es verweist (den Entierro beherbergt?).28

Der Begriff den Didi-Huberman wählt um diese Verweisfunktion des Grabmals zu explizieren, die

den Betrachter auch auf sie selbst verweist, ist der der Höhlung. Aus dieser Höhlung blickt der

Verlust des Lebens zurück. Nun scheinen Tautologie und Glauben die zwei Praxen zu sein, die diese

Frage des Volumens unterschlagen.

Der Blick der Tautologie, der, folgt man Didi-Huberman, auch ein Blick des Künstlers sein muss,

verknüpft er ihn doch mit Donald Judds Selbstdarstellungen, scheint die Unterschlagung, die er

vornimmt (von dem, was die Anwesenheit übersteigt), allerdings auch zu kalkulieren.

II.III Entierro und Donald Judd

II.III.I Der Illusionismus der Tautologie

„Judd will diesen Raum sehen wie einen Bildraum - als wären die Materialien in ihm phänomenale Figuren, in der ideellen Leere eines Scheins freigestellt, der eine Existenz einzig in der Gegenwart der Wahrnehmung gewinnt, die ihn spontan je neu konstituiert. Seine Materialien aber sind die Pinselstriche und nicht die Figuren oder die Noemata in diesem „Bild“. Und dass seine Pinsel keine Borsten mehr haben, dass die Spraypistole und das Eloxierbad keine lesbare Verzahnung von zeitlichem Nacheinander und räumlichem Nebeneinander mehr erzeugen wie meistens die Handarbeit zum Beispiel in der Malerei, ändert nichts am Anschluss dieser aufgerichteten Materialien an die Zeit der Produktion.“ 29

Dieses längere Zitat von Sebastian Egenhofer verdeutlicht den Unterschied zwischen Judds

theoretischem Verständnis seiner Arbeit, d.h. Judds Wollen und Judds Tun, d.h. die Differenz

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 10

27 Laut Didi-Huberman wird das Grabmal aus der Warte der Tautologie und aus der Warte des Glaubens übersehen. Die Warte der Tautologie übersieht hierbei nicht nur den Körper im Inneren, dessen Verfall und Zeitlichkeit, sondern verweist auch auf eine der paradigmatischen Postionen der Minimal Art.22 Es war Donald Judd, der mit anti-metaphysischem und anti-illusionistischem Impetus für seine specific objects die tautologische Forderung stellte, dass sie nichts anderes seien, als dass was sie sind. Es handelt sich um den selben Donald Judd dessen Name häufig fällt, wenn über die Bezüge von Margolles und Minimal Art geschrieben wird. Zumindest Gabriela Jauregui zieht den Vergleich zwischen den Parallelepipeden von Donald Judd und Margolles Entierro explizit: „Wie bei manchen Werken von Donald Judd sieht der Betrachter hier lediglich einen minimalistischen, stummen, neutralen Betonblock.“ (Gabriela Jauregui: „Nekropolis: Die Exhumierung der Arbeiten von Teresa Margolles.“ S. 139.) Und auch Basting: „Hier im Kunstkontext erinnern sie an die nüchternen Kunstwerke des nordamerikanischen Minimalismus. Etwa an Arbeiten eines Sol LeWitt oder Donald Judd.“ (Barbara Basting: „Teresa Margolles - Kunst gegen den Drogenkrieg“). Im Kapitel >>Das einfachste Sehobjekt<< führt Didi-Huberman nun auch eine Arbeit von Judd an, um diese als spezifisches Objekt auszuweisen: Untitled von 1974, eine Sperrholz Box. (Vgl. Georges Didi-Huberman: „Das einfachste Sehobjekt“ aus dem Französischen von Markus Sedlaczek, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 33 - 44, hier: S. 35.) Didi-Huberman schreibt hierzu: „Seine formale Kühle befreit es, wie es scheint, von jeglichem >>illusionistischen<< oder ganz allgemein anthropomorphen Prozeß.“ (Ebenda S. 44.) Entierro unter dem Blick der Tautologie wäre ein Betonblock mit bestimmten Maßen. Didi-Hubermann stellt dem Blick der Tautologie den Blick des Glaubens gegenüber. Als alternatives Verhalten gegenüber dem Grabmal expliziert Didi-Huberman eine Verhaltungsweise, die ins Imaginäre strebt und über die Spaltung des Blicks hinausgeht. Es sind die ekstatischen Heilsvorstellungen der Eschatologie. (vgl. Georges Didi-Huberman: „Der Leere ausweichen: Glaube oder Tautologie“ S. 24) Entierro unter dem Blickwinkel des Glaubens wäre vielleicht ein für immer verschlossenes Grab. Die Hoffnung auf Auferstehung dürfte dem Begrabenen verwehrt bleiben. Dort wo die Höhlung des Grabes Christi sich als entleert darbietet, verwehrt die Höhlung des Zementblocks die Einsicht.

28 Georges Didi-Huberman: „Der Leere ausweichen: Glaube oder Tautologie“, S. 19.

29 Sebastian Egenhofer: „Kapitalistischer Konstruktivismus?“, in: ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT. Die Wahrheitsfunktion des Werks in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 2008, S. 328 - 344, hier: S. 328.

Page 11: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

zwischen ideologisch sprachlicher Konfiguration der Selbstveräußerung und künstlerischer

Materialisation.

Michael Frieds berühmte Kritik an dem, was er als Theatralität der Minimal Art bezeichnete und die

ihn schließlich dazu führen sollte den Kunststatus der Minimal Art in Frage zu stellen, da es sich

um ein ideologisches Unterfangen30, um eine Sache der Worte handele31, muss im Kontext eines

modernistischen Kunstverständnisses gesehen werden.32 Didi-Huberman liefert in dem Text >>Das

Dilemma des Sichtbaren<< eine Überblicksdarstellung der Debatte. Fried habe hierbei die presence

der Minimal Art der presentness33 der modernen Kunst gegenübergestellt. Fried formulierte, so

Didi-Huberman, ein Dilemma zwischen der Reinheit der modernen Malerei und dem verschmutzen

unreinen Theater, in das die Minimal Art den Betrachter involviere.34

Egenhofer formuliert ein ähnliches Problem im Bezug auf die Phänomenalität des spezifischen

Objekts, d.h. darauf, wie es erfahren wird anhand von Judds Boxen: „Aber seine Materialien

insgesamt sind in die Zeit eingetaucht, in der Zeit gewaschen. Ihre Phänomenalität selbst ist

Spur.“35 Das spezifische Objekt36, so Sebastian Egenhofer in seinem Buch ABSTRAKTION

KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT, kann die Zeitlichkeit nicht so unterschlagen, wie Judd sich

das vorstellt.37 Die spezifischen Objekte von Donald Judd, so Egenhofer, stünden am historischen

Wendepunkt eines epistemologischen Bruchs im Hinblick auf den Bildbegriff. Egenhofer schreibt:

„Mit der Aufklappung des specific object im real space hat sich die Prädestination des Blickpunkts

verloren.“38 Egenhofer verweist hiermit darauf, dass Judds Boxen als Bilder verstanden werden

müssen. Judd habe das Bild von der Leinwand als Box in den Galerieraum verlegt. Judds

Verständnis müsse hierbei als Fortführung von impressionistischer und kubistischer Zersetzung der

Perspektive verstanden werden.39 Judds Ansatz müsse hierbei insofern betrachtet werden, als dass

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 11

30 Michael Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 335.

31 vgl. Gegorges Didi-Huberman: „Das Dilemma des Sichtbaren“, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 45 - 62, hier: S. 55.

32 vgl. Ebenda S. 57.

33 Presentness sollte als augenblickliche Gegenwärtigkeit modernistischer Skulptur und Malerei verstanden werden, die, wie Georges Didi-Huberman betont, von Fried der relationalen presence der Minimal Art gegenübergestellt wird. (vgl. Ebenda S. 59.)

34 vgl. Ebenda 57 - 60.

35 Sebastian Egenhofer: „Kapitalistischer Konstruktivismus?“, S. 328.

36 Das spezifische Objekt dürfte jenes sein, dass Didi-Huberman als Produkt des tautologischen Blicks versteht.

37 Egenhofer schreibt: „Er denkt nicht die Einschreibung dieses Bildes - des ästhetischen Scheins - in die historische oder entropische Zeit, die es durchqueren und transformieren wird.“ (Egenhofer 2008 : 342)

38 Sebastian Egenhofer: „Kapitalistischer Konstruktivismus?“, S. 327.

39 Ebenda S. 328.

Page 12: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

er aus der bestimmten Ideologie einer bestimmten historischen Konfiguration heraus in seiner

Werkgenese einige Aspekte übersähe.

Zwar gelänge es Judd vorgeblich konventionelle Kultwerte des Kunstwerks zu vermeiden, dennoch

sei seinem Werk ein „materialspezifischer Illusionismus spiegelnder Oberflächen“40 eingeschrieben.

Judds Bemühungen das Bild in den real space, d.h. in den Galerieraum (verstanden im Kontrast zu

Bild- und Illusionsraum) und somit in die Dreidimensionalität zu übertragen, falle gepaart mit der

Reinigung von konventionellen Bedeutungsfunktionen oder Sinneffekten und gepaart mit dem

Erlebnisfetisch größtmöglicher Farbintensitäten, einem Illusionismus fast konventionellen

Zuschnitts anheim. Judd vernachlässige den Faktor der Zeit, der entropischen Zeit des Betrachters,

der phänomenologischen Zeit der Rezeptionserfahrung aber auch der akkumulierten Zeit der

Produktion und so müsste mit Didi-Huberman angefügt werden, Volumen und Höhlung des

Parallelepipeds.

Judds spezifische Objekte sind also, wie es den Analysen von Didi-Huberman und Sebastian

Egenhofer zu entnehmen ist, nicht einfach nur da. Sie treten zum einen in eine zeitliche Relation

zum Betrachter und zeichnen sich zum anderen durch einen materialspezifischen Illusionismus aus,

der durch effektorientierte Farb- und Materialauswahl Effekte zeitigt, die sozusagen mehr sind als

einfach nur da.

II.III.II Inszenierung der Tautologie

„Hunderte kleiner Indizes, die nicht den zufälligen kleinen Moment anzeigen sollen, in dem die Schraube festsaß, sondern durch eine supplementäre Arbeit - brushwork brushed out to remove brushwork - in die synchrone Gegenwart der Form eingeholt worden sind. Natürlich zeigen diese Uhren nun nichts anderes als die supplementäre Arbeit an, die Spur der Verwischung der Spur. Ein schlecht getarntes Verbrechen.“ 41

Egenhofer bringt auch Beispiele aus Judds Werkkorpus, die sich als Inszenierung der Tautologie

bezeichnen lassen: Egenhofer beschreibt die häufig fehlenden Böden der Boxen, „Tendenziell sind

in Judds Werk geschlossene Volumen auf der unsichtbaren Unterseite offen, ein Boden ist nur in

Fällen eingefügt, wo er konstruktiv nötig ist, also eher selten“42, sowie die unsichtbaren

Aufhängungen der Wandarbeiten „Verborgen [...] und für den ästhetischen Effekt entscheidend, sind

auch die Aufhängungen aller Wandarbeiten Judds [...] was eine Illusion [...] eines angehaltenen

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 12

40 Sebastian Egenhofer: „Einige spezifische, einige hybride Objekte. Gegenlektüren zu Donald Judd.“, in: ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT. Die Wahrheitsfunktion des Werks in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 2008, S. 42 - 54, hier: S. 52.

41 Sebastian Egenhofer: „Kapitalistischer Konstruktivismus?“, S. 340.

42 Ebenda S. 339.

Page 13: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Fallens erzeugt und die Epoché der Zeit im real space unterstreicht“43, aber auch zwanghaft gleich

gezogene Schlitzschrauben: „Hunderte kleiner Indizes, die nicht den zufälligen Moment anzeigen

sollen, in dem die Schraube festsaß, sondern durch eine supplementäre Arbeit [...] in die synchrone

Gegenwart der Form eingeholt worden sind“44. Bedenkt man Egenhofers Analyse, werden ähnliche

Züge auch im von Didi-Huberman gewählten Beispiel deutlich. Bei Untitled von 1979 scheint die

obere Sperrholzfläche zu fliegen. Wie sie befestig ist verbleibt im Dunklen. Wie von magischer

Hand scheint sie angehoben und in einem dauerhaft schwerelosen Zustand eingefroren, um den

Blick auf einen Schlitz, aus dem die Schatten der Schwärze des Inneren quillen, freizugeben.

Was Judd in seiner radikal tautologisch modernistischen Purifikation unterschlägt sind also

Produktionsprozess und Fertigung, sowie kleine Tricks der Inszenierung. Was der tautologische

Blick auf das Grabmal übersieht, ist laut Didi-Huberman also zunächst der Körper im Inneren. Die

Tautologie beherbergt die Scheu vor Fülle, also vor der Leiche im Inneren, sowie die Scheu vor der

Leere, des Hohlraums, der die Leiche fasst, von dem aber keine konkrete Vorstellung gewonnen

werden kann. Die Tautologie unterschlägt so zum einen die Latenzen der Leiche zum anderen aber

auch auf die Latenzen der Produktion, sowie die trickreiche Erzeugung einer vehement

offensichtlichen Tautologie.45

Was der tautologische Blick im Hinblick auf Entierro eröffnet ist ein Zementblock, der sich bar

jeglichen materialspezifischen Gegenwärtigkeits-Illusionismus dem Blick des Betrachters anbietet.

Der Steinblock weist, entgegen modernistischer Bemühungen um zeitliche Fixierung, eine starke

Faktur in der Oberflächenbeschaffenheit auf. Bewegungen des Gusses und der Fertigung sind

abzusehen: Kleine Löcher und Narben des Glattstreichens. Zugleich aber schreibt sich die Leiche in

Entierro mit Hilfe eines Kniffs der Tautologie ein oder um es anders zu sagen: Auch Margolles

inszeniert die Tautologie. In dem der Paratext des in den real space transponierten Bildes, die

Leiche in das unsichtbare Innere des Zementblocks evoziert, d.h. die offensichtliche Tautologie der

Bezeichnung Zementblock und des Objekts Zementblock auf die Schwärze der Höhlung und des

Innenraums überschreitet, beginnt Entierro aggressiv und vielleicht auch aus der permanenten

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 13

43 Ebenda S. 339.

44 Ebenda S. 340.

45 Judd selbst spricht von einem „>>Ganzheits<<-Effekt“. (Bruce Glaser: „Fragen an Stella und Judd“, in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst [1995]1998, S. 35 - 58, hier: S. 41.)

Page 14: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Gegenwart des immerwährenden Begräbnisses46 zurückzublicken. Allerdings wird die aggressiv

durch den Titel behauptete Gegenwärtigkeit von Entierro durch die Faktur des Zementblocks

unterlaufen. Letztlich inszeniert Entierro aber grade nicht seine Gegenwärtigkeit und seinen

Modernismus, sondern stellt sein Eingebundensein in die Zeit durch die Inszenierung offensichtlich

zur Schau. Entierro ist zunächst ein Zementblock und wird erst im Laufe des Rezeptionsvorgangs

zu einem Zementblock mit einem Fötus im Inneren.

Im Hinblick auf seine Beziehung zur Minimal Art erscheint Entierro seltsam unausgegoren. Viele

Ähnlichkeiten lassen sich feststellen, die durch ihr Vorhandensein auf Kenntnis der Probleme der

Minimal Art und auf Auseinandersetzung mit der Minimal Art schließen lassen. Es scheint als

präsentiere sich Entierro als vielleicht klassisch minimalistisches Parallelepiped, nur zunächst aus

Mexiko und nicht aus Amerika, und offener für eine Zeitlichkeit, die die Minimal Art eher schlecht

als recht unterschlagen hatte.

Entierro ist nicht einfach da, viel mehr inszeniert Entierro die Zeitlichkeit, die Theatralität und die

Höhlung des Parallelepipeds in einem Ausmaß, wie es Donald Judd nicht wollte. Selbst wenn man

nicht davon ausgeht, dass sich im Inneren von Entierro ein Fötus befindet und wie Faz.net schreibt:

„Nie war der Behauptungscharakter von Kunst [...] so wichtig wie hier“47, ist Entierro eben immer

noch nicht einfach nur ein Zementblock, und führt dafür auf mehreren Ebenen das Potential eines

Zementblocks vor, für den Betrachter mehr als ein Zementblock zu sein. Entierro ist insofern weder

ein reines noch ein modernistisches Bild, wobei dies um erneut auf Fried zu verweisen, sowieso

meist nur eine Sache der Worte ist.

Entierro blickt insofern unerbittlich zurück, als dass sich die Frage des Inhalts, als die Frage dessen,

was sich in Entierro befindet, nie abschließend beantworten lässt. Genau diese Frage ist es, die den

Betrachter aggressiv anstarrt und ihn zwischen den möglichen Antworten oszillieren lässt.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 14

46 Es ist recht unterhaltsam auf diese zweite paratextuelle Kontextualisierung anzuspielen, die Margolles Zementblock durch seinen Titel Begräbnis erfährt. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Anzahl der Arbeiten von Judd die Untitled betitelt sind, immens ist. Es ist zu vermuten, dass diese Titelgebung (die Vermeidung des Titels) die radikal anwesenden spezifischen Objekte von der Kontamination durch sprachliche Signifikationen enthalten sollte. Betont man die Gegenwärtigkeit des Begräbnisses vor der Dauerhaftigkeit des Grabmals, tritt zu Tage, dass Margolles grade durch die sprachliche Kontamination ihres Zementblocks auf eine Gegenwärtigkeit zielt. Allerdings eine andere Gegenwärtigkeit als die der Selbstgenügsamkeit.

47 Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Die Schönen und die Leichen.“, Review in: faz.net. Internetadresse: http://www.faz.net/-00ojxc (aufgrufen: 04. September 2011)

Page 15: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

II Entierro und der Inhalt

II.I Vom Klappschock zum indexikalischen Weltbezug

II.I.I Der Klappmoment

Anthony Vidler verweist zu Beginn seines Buches unHeimlich. Über das Unbehagen in der

modernen Architektur auf ein bekanntes Zitat von Ernst Bloch, anhand dessen die gemütliche

Freude des Bürgertums an der Lektüre kriminalistischen Geschichten betont wird. Vidler führt es

als Praxis des „begeisterte[n] Miterleben des Unheimlichen“48 an. Nicht zuletzt sind Zement und

Beton übliche kriminalistische Mittel um sich unliebsamer Geschäftspartner, Polizisten oder

Zeugen zu entledigen. Der unheimliche Genuss den Entierro gewährt, wäre demnach im gemütlich

bürgerlich gesicherten Museumsbesuch am Sonntagnachmittag zu suchen, und die Konfrontation

mit dem Fötus im Zementblock demnach als Bestandteil einer perfiden Inszenierung eines

Verbrechens zu vermuten. Dennoch scheint die Ebene des Inhalts von Entierro, der lieber

vorzüglich wortwörtlich als Inhalt des Zementblocks verstanden werden soll, auf mehr zu

verweisen als auf die Klischees des vorabendlichen Fernsehprogramms.

Ein weiteres Parallelepiped, diesmal nicht aus dem Bereich der Minimal Art und auch kein richtiges

Parallelepiped, da mit abgerundeten Ecken gerechnet werden muss, findet sich in den Texten von

Jacques Lacan. Es lohnt sich auch diesem Parallelepiped für einige Sätze zu folgen, da es illustriert,

auf welche Art sich Entierro im Raum situiert und den Betrachter im oszillierenden Wechselspiel

der Blickregime situiert. Dieses Pseudo-Parallelepiped ist eine Sardinendose und findet sich in

Lacans Texten zu Auge und Blick. Es ist diese Sardinendose, die den Lacan, der sich im Bötchen

befindet, ins Tableau einträgt.49

Lacan wählt zur Illustration seiner Konzepte von Auge, Blick und Fleck ein Beispiel aus der

ländlichen Fischerei. Der französische Intellektuelle begibt sich aufs Land und fischt mit dem

Fischerjungen Petit-Jean. Dieser verweist ihn darauf, dass eine Sardinendose ihn im Wasser nicht

sieht und macht ihn dadurch darauf aufmerksam, dass ihn die Sardinendose anblickt. Oder, um

anzuführen wie Lacan es formuliert: „Zunächst, wenn es einen Sinn haben soll, daß Petit-Jean mir

sagt, daß die Büchse mich nicht sehe, so deshalb, weil sie in einem bestimmten Sinn mich

tatsächlich anblickt, angeht.“50

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 15

48 Anthony Vidler: „Einleitung“, in Anthony Vidler: unHeimlich: über das Unbehagen in der modernen Architektur, Übersetzt von Norma Keßler. Hamburg: Edition Nautilus 2002, S. 21 - 34, hier: S. 22.

49 Lacan schildert und interpretiert seine Erlebnisse mit Petit-Jean vornehmlich auf den Seiten 101 - 103 der deutschen Übersetzung. vgl. Jacques Lacan: „Vom Blick als Objekt klein a“, in: Jacques Lacan: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Das Seminar Buch XI, übersetzt von Nobert Haas. Weinheim: Quadriga Verlag [1987] 1980, S. 73 - 126, hier: S. 101ff.

50 Ebenda S. 102.

Page 16: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Was dieses Beispiel illustriert, ist das Umschlagen aus einer Situation, in der klarer und auch

geometraler Überblick für ein Subjekt des Überflugs herrscht, in ein Feld der Unsicherheiten. Der

herausgeputzte Intellektuelle im Fischerboot wird sich der Lächerlichkeit des Unterfangens bewusst

und erfährt sich vor Allem als opake Oberfläche, die sich im Tableau situiert. Die Sardinendose und

ihre sprachliche Kontextualisierung durch Petit-Jean verweisen den Intellektuellen auf seine eigene

unsichere Verortung, „weil ich [...] zusammen mit diesen Leuten, die so schwer für ihre Existenz zu

schuften hatten [...] weil ich [...] ein unsäglich komisches Bild [...] gemacht haben muß.“51

Oder: „Über das Auge triumphiert der Blick“52. Insofern verdeutlicht Lacan zum einen die Sphären

des Sichtbaren, die dem Organ nicht zugänglich sind,53 zum anderen aber auch das Umklappen

eines zentralperspektivischen Sehens in das Sprudeln des Lichts am Knotenpunkt des

changierenden Flecks, der im gewählten Beispiel Lacan selber ist, dessen abstrakte Existenz von

der Sardinendose eine sozioökonomische Erdung erfährt.

II.I.II Der Schock

In den vorliegenden Analysen zu verschiedenen Ausstellungen und Werken von Margolles spielt der

Schock, der im Bezug auf Informationsarmut und Informationsfülle im Moment des Übergangs

eintritt, eine besondere Rolle. So schreibt Bätzner nach einer kurzen Exegese mehrerer Arbeiten von

Margolles, „durch die ästhetische Formalisierung entsteht ein Bruch, der in seiner rückführenden

Koppelung von Form und Inhalt eine schockartige (An-)Teilnahme des Betrachters hervorruft.“54

Sie betont hierbei die Plötzlichkeit des Umklappens und die hiermit verbundene „momentane

Überforderung der kognitiven Verarbeitung“55. Auch Jaregui kommt in ihrer Besprechung von

verschiedenen Arbeiten von Margolles immer wieder auf diesen Moment des schockartigen

Umschlagens von etwas harmlosen oder belanglosem in eine Konfrontation mit dem Tod und mit

der Leiche zu sprechen. Jauregui schreibt z.B.: „Lesen wir aber den Begleittext, erfahren wir

schockartig“56 oder: „und der damit einhergehende[...] Schock“57.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 16

51 Ebenda S. 102.

52 Ebenda S. 109.

53 vgl. Ebenda S. 109.

54 Nike Bätzner: „Die Würde des Menschen ist tastbar“, S. 164.

55 Ebenda S. 164.

56 Gabriela Jauregui: „Nekropolis: Die Exhumierung der Arbeiten von Teresa Margolles“. S. 138.

57 Ebenda S. 138.

Page 17: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Insofern liegt es nahe den Schock den das Bekanntwerden von Entierros Inhalt auslöst als

Klappschock zu bezeichnen. Es handelt sich um einen Schock der Entierro als Objekt ruckartig auf

seinen Weltbezug eröffnet. Er beschreibt zugleich den Moment des Umschlagens der Perspektive,

zugleich der Eintrag ins Tableau die Verunsicherung des gesicherten Überblicks, die Konfrontation

mit dem, was außerhalb der bürgerlichen Realität liegt.58 Vielleicht müsste soweit gesagt werden zu

sagen, dass der Schock viel mehr der Schock des Realen ist, mit dem Entierro die Minimal Art, sich

selbst, und auch den Betrachter konfrontiert. Folgt man Lacans Vorstellung vom Realen kann man

einen kurzen Moment den Zugriff darauf erhaschen. Es handelt sich um den Moment in dem der

Blumentopf, mit dem man nicht gerechnet hat, auf den Hinterkopf aufschlägt. Ganz in diesem Sinne

dürfte es der Schock des Realen sein den Entierro der Minimal Art zufügt, wenn sich der Weltbezug

Entierros vor die Selbstgenügsamkeit der Minimal Art zu schieben scheint und in dieser Funktion

das zentralperspektive Blickregime zum Überlaufen bringt. Was gesehen wird ist weniger der

Bildraum hinter der Oberfläche der Leinwand/des Zements, es ist viel mehr die Vermutung eines

indexikalischen Weltbezugs, die das Innere Entierros hier als Produkt des Massenmords darlegt.

II.I.II Der indexikalische Weltbezug

Was nun ist es, was beim Zementblock zurückblickt, abgesehen davon, dass das uneinsehbare

Innere dieses Zementblocks die Struktur des lacanschen Flecks nachbuchstabiert, der sich, wie

bereits mit Didi-Huberman dargelegt worden ist, als Höhlung des Verlusts konfiguriert. Ich werde

zunächst einige zufällige Zeitungsüberschriften anführen um dann eine These von Sebastian

Egenhofer vorzutragen, um hier eine erste Vorstellung zu gewinnen, wie der Weltbezug von

Entierro beschaffen ist.

„53 Tote bei Überfall auf Spielcasino in Mexiko“ in der Zeit vom 26.08.2011. „Polizei in Mexiko

fasst hundertfachen Mörder“ in der Zeit vom 12.08.2011. „21 Tote im Drogenkrieg von Ciudad

Juárez“ in der Zeit vom 14.07.2011. „Drogenkrieg in Mexiko. Minderjährige Mädchen als Killer“

in der Süddeutschen Zeitung vom 08.08.2011, oder „Mexikos Drogenkrieg bringt Journalisten zum

Schweigen“ auf Nachrichten.at vom 11.08.2011. Doch man muss nicht den schier unerschöpflichen

Reichtum der Artikel in Online Präsenzbeständen verschiedener Zeitungen befragen.59 Auch die

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 17

58 Es handelt sich hier nicht nur um den Tod im allgemeinen, auch um den gewaltsamen Tod der Infamen, deren verstummte Stimme überhaupt nur durch die Konfrontation mit Macht und Tod jemals gehört wird.

59 Man könnte auch die sonstige Kulturproduktionsmaschinerie zu Mexiko befragen. Hier könnte Tage der Toten von Don Winslow aufgeführt werden, eine Schilderung der Fehde eines Polizisten und des Anführers eines mexikanischen Drogenkartells, auf Platz 1 der Krimibestenliste 2010. Oder: 2666 das zentrale mehrteilige Romanwerk von Roberto Bolaño, dass sich auf mehreren hundert Seiten anhand der Autopsieberichte mehrerer hundert unaufgeklärter Frauenmorde in Mexiko mit eben diesen auseinandersetzt. Die Liste ließe sich lang fortsetzen. Die Drogenkriminalität und das Morden in Mexiko sind offensichtlich ein beliebtes Thema.

Page 18: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Literatur zu Margolles erweist sich als umfangreiches Quellmaterial zum mexikanischen

Drogenkrieg. Ein exemplarisches Zitat aus Cuauhtémoc Medinas Beitrag zur Publikation des

mexikanischen Pavillons der Biennale 2009 mit dem Titel >>Materialist Spectrality<< konstatiert,

dass die Morde und die Kriminalität in Mexiko ein unerträgliches Ausmaß erreichen:

„Figures from both official and journalistic sources concur that more than 5.000 people lost their lives in violent incidents connected with drug trafficking and the efforts to control it; the total for the previous year, 2007, was around 2.800.“ 60

Oder der Schrifsteller Ernesto Diezmartínez Guzmán in seinem Aufsatz >>We Ate Something that

Went Down Wrong<<:

„It‘s friday, just a few minutes after midnight. Machine gun fire can be heard nearby, just a few meters away. That metallic noise is unmistakable. Instincts have become habit in Culiacán: you grab your wife by the arm and you drag her to the floor.“ 61

Doch sind es wirklich diese Informationen über den Drogenkrieg und die Masse der Leichen, die

zweifellos unabdingbar sind, um Margolles Arbeiten als Mahnmahl eines unglaublichen

Ausnahmezustandes in Mexiko zur Kenntnis zu nehmen, die wir in direktem Maße aus Entierro

lesen können?

Sebastian Egenhofer versteht die Minimal Art als Knotenpunkt eines Umschlags des Weltbezugs

des Werks im Bereich der Kunst.62 Für Egenhofer ist die Minimal Art die paradigmatische

Kunstform der Beschneidung des Bildraums, bei der ein indexikalischer Weltbezug in den

Vordergrund tritt, d.h. ein spurhaft verweisender Charakter vordergründig in die Produktion und

nicht in die Tiefe der Bedeutung weist. Das minimalistische Objekt ist keines das „unaufhebbar von

der Vergangenheit träumt“.63 Es bezeugt seine Fertigung.64

Egenhofer schreibt:

„Für die Frage nach dem Weltverhältnis des Werks und seine Umstülpung in der Moderne stellt der Minimalismus ein Schwellenmoment dar. Er markiert den Übergang zwischen dem intrinsischen, selbstkontrollierten und intentional - aktiven Weltverhältnis des Bildes, das sich [...] im Element der Idealität des Scheins auf ein Repräsentat öffnet, und dem

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 18

60 Cuauhtémoc Medina: „Materialist Spectrality.“ S. 19.

61 Ernesto Diezmartínez Guzmán: „We Ate Something that Went Down wrong“, in: Cuauhtémoc Medina (Hg.): Teresa Margolles: What Else Could We Talk About? Mexican Pavillon. 53 International Art Exhibition. La Biennale di Venezia, Barcelona: RM Verlag S.L. 2009, S. 100 - 107, hier: S. 104.

62 Egenhofer schreibt: „Wir erfassen im Ganzen vor allem eine radikale Erschütterung und Diversifizierung dessen, was als Kunst und Kunstwerk Geltung gewinnen konnte, in deren Folge zeitgenössische Werke oft kaum noch Verwandtschaft mit der neuzeitlichen Überlieferung der bildenden Kunst zu haben scheint.“ (Sebastian Egenhofer: „Bildkritik und Wahrheitsproduktion. Zur Topik des Werkbegriffs in der Moderne“, in: ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT. Die Wahrheitsfunktion des Werks in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 2008, S. 12 - 31, hier: S. 12.)

63 Ebenda S. 11f.

64 vgl. Ebenda S. 13.

Page 19: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

extrinsischen, passiven Weltbezug der Spur, die realzeitlich, im Element der Kausalität auf den Moment ihrer materiellen Prägung, ihrer Produktion bezogen ist. [...] Das minimalistische Objekt ist als Produkt und Abdruck auf das gesamt seines Herstellungsprozesses einschließlich seiner Präsentationbedingungen bezogen.“ 65

Doch was genau bezeugt Entierro? Was sind die Produktionsbedingungen seiner Herstellung?

Inwiefern ist Entierro Abdruck? Wie ist die Ebene beschaffen, in die Entierro kraft seiner

paratextuellen Rahmung kippt, und inwiefern ist sie mit dem semantischen Raum der Drogenkriege,

- Kartelle und des Massenmords in Mexiko verknüpft. Ich möchte diese Fragen im weiteren Verlauf

des zweiten Kapitels klären. Dafür ist es nur wichtig die perspektivische Verlagerung des Ausstiegs

aus dem mit dem Bildraum verknüpften Imaginationsraum festzuhalten, was nun aber auch

bedeuten würde, dass der Drogenkrieg in Mexiko nicht im Milieu der Bedeutung anzusiedeln wäre,

sondern, sollte er denn Relevanz für Entierro bekommen, auf andere Art mit dem Inhalt von

Entierro verknüpft werden müsste.

III.II Material und Produktion von Inhalt

III.II.I Material

Bei Bañando el bebé handelt es sich um eine Performance, die als Videoarbeit ausgestellt worden

ist. 66 Amy Sarah Caroll beschreibt diese Arbeit von Margolles im Hinblick auf religiöse Symbolik

als Madonna mit Kind oder als Maria Magdalena, die die Füße Christi wäscht.67 Im Bezug auf die

mediatisierende Rolle von Margolles betont Caroll, dass diese in den Hintergrund tritt, dass ihr

Gesicht nicht zu sehen ist, nur der Torso, der als anonyme Brücke fungiere zwischen Betrachter und

einer Kinderleiche.68 69 Die Kinderleiche wird von Margolles in einem kleinen Becken mit großer

Heftigkeit gewaschen. Aggressives Schrubben und Waschen treffe zusammen mit dem Entfernen

von Gipsresten von der Leiche, bevor das Kind abschließend in eine Folie gewickelt werde.70

Caroll hebt hervor, dass es sich bei Bañando el bebé um das gleiche Kind handelt, dass seinen Weg

in einer zweiten privaten Performance in den Zementblock von Entierro gefunden habe.71 Caroll

verweist im Weiteren auf Margolles Interviews: die biologische Mutter habe die Kosten für eine

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 19

65 Ebenda S. 13.

66 vgl. Amy Sarah Caroll: „Muerte Sin Fin. Teresa Margolles‘s Gendered States of Exception“, in: TDR: The Drama Review, Volume 54, Number 2, New York: THE MIT PRESS 2010, S. 103 - 125., hier: 108.

67 Ebenda S. 108.

68 Ebenda S. 108.

69 Bei Entierro ist Margolles zumindest leiblich zunächst vollständig abwesend.

70 Ebenda S. 109.

71 Ebenda S. 108.

Page 20: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Beerdigung nicht finanzieren können und habe sich letztlich entschlossen dem Kind gemeinsam mit

Teresa Margolles ein Denkmal zu setzen, das nun Bañando el bebé und final Entierro geworden

sind. Abgesehen von Gipsabdruck als Referenz zu künstlerischen Praxen von Guss und Abdruck

scheint das Material, das Margolles nutzt, schon fertig zu sein. Das Baby findet keine künstlerische

Gestaltung, sondern ist schon tot, und verändert als Baby seine Form auch nicht mehr. Es wird

allerdings in Entierro eingegossen und damit den Blicken entzogen.

Überraschend ist allerdings die Information, dass es sich um gar keinen Fötus handelt und dass die

Wortwahl Fötus wohl Teil einer Inszenierung der Totgeburt sein muss.72

II.II.II Die Produktion / Das Readymade als Neugeburt

Sebastian Egenhofer setzt sich im Abschnitt >>Neugeboren oder ready-made?<< mit dem

Readymade auseinander.73 Ich möchte versuchen verschiedene Aspekte von Egenhofers Analyse

des Readymades zu nutzen, um die Parameter von Margolles Entierro besser zu beschreiben. Es

geht hierbei weniger darum den Fötus in besagtem Betonklotz der Gattung Readymade zuzuordnen,

viel mehr soll davon ausgegangen werden, dass das Paradigma Readymade ein geeignetes

Instrumentarium für die Beschreibung des Neugeborenen/Fötus/Babys in Entierro zur Verfügung

stellt.

Das Readymade, so Sebastian Egenhofer, sei „durch und durch Abdruck“74, es sei die Spur „des

industriellen Dispositivs der Produktion“75. Der Akt der déclaration76 erkläre es dann zum

Kunstwerk und trenne es von der Produktion ab, indem er das Objekt hierbei auf diesen Moment

zusammenziehe. Egenhofer betont, dass ihm der Bezug des Readymades auf seine Warenform

weniger als kapitalistisches Produktionsparadigma relevant erscheine, denn im Hinblick auf die

Beschaffenheit des Readymades im Kreuzfeuer von Abdruck und Abguss. Es entstehe die Qualität

des Infra Mince. Die Qualität des Infra Mince beschreibe, in Duchamps Worten, die minimalen

Unterschiede der individuellen Güsse der Serienproduktion,77 aber auch eine zeitliche

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 20

72 Ein Screenshot aus Bañando el bebé ist dieser Arbeit als Abbildung 2 im Abbildungsteil angefügt.

73 vgl. Sebastian Egenhofer: „d. Neugeboren oder ready-made? Anfänglichkeit und Datierung“ in: ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT. Die Wahrheitsfunktion des Werks in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 2008, S. 137 - 149.

74 Ebenda S. 146.

75 Ebenda S. 146.

76 Der Moment der déclaration ist der Moment in dem ein Gegenstand, z.B. ein Kamm, der Produktion entnommen wird und durch Datierung und Benennung in die Welt der Kunstwerke Einzug hält.

77 vgl. Sebastian Egenhofer: „d. Neugeboren oder ready-made? Anfänglichkeit und Datierung“, S. 137.

Page 21: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Differenzierungsqualität.78 Durch die déclaration, so Egenhofer trete das Objekt in die Zeit der

minimalen Veränderungen ein und entgehe somit der synchronen Zeit der Produktionsserie.79

Egenhofer entwickelt zwei Formen der Indexikalität, die er zum Readymade in Bezug setzt. Er

versteht hierunter, dass die Indexikalität des Readymades eine andere Qualität aufweise, als dass

das Readymade an sich eine Spur sei, in der Substanz und Träger verschmolzen seien. Es sei das

Objekt selbst, dass der Zeit „des Alterns und der unzählbaren Spuren, die seinen Körper befallen“80

ausgesetzt sei. Diese Zeit sei es, die vor der Zeit eines vermeintlichen Bildgedächtnisses in den

Vordergrund trete. Es handele sich um die Zeit der Selbstdifferenzierung des Objekts.

Das Readymade weise gerade keine Indexikalität in dem Sinn auf, als dass es einen Abdruck der

Produktion aufweise, viel mehr sei es in sich selbst Index und Abdruck des Gussform. Das

Readymade selbst sei auf dieser Ebene Spur und nicht von Spuren gezeichnet. Das Readymade

selbst sei Index seiner Produktion und nicht von Indexen der Produktion überzogen.81 Das

Readymade verweise als Index seiner Produktion auf die Gussform der Produktion und sei übersät

von Indexen seines Weges durch die Geschichte.

III.II.III Ein Fötus und die Produktion

„Als 1994 die Nafta, die nordamerikanische Freihandelszone in Kraft trat entstanden der Grenze entlang die Maquiladoras, Billiglohnfabriken. [...] Städte wie Ciudad Juárez wurden zu einem Labor für neoliberale Lohndrücker. Die ärmeren Schichten der Bevölkerung wurden Sklaven des Freihandels [...].“ 82

Diese verspätete Industrialisierung der Grenzgebiete Mexikos ist neben der Finanzierung

mexikanischer Drogenbosse durch die USA, zum Zweck der Bekämpfung des Kommunismus, nur

einer von vielen Faktoren die formend auf den heutigen Zustand von Mexiko eingewirkt haben.

Dessen mediale Darstellung stellt sich vornehmlich als die Repräsentation eines Massenmords dar.

Dies wird rasch offensichtlich auch ohne diese ursächliche Beziehung zu diesem untragbar

gewordenen Töten detailliert aufzuschlüsseln.

Die industrielle Massenfertigung steht am Beginn eines Tötens, dass man als Serialisierung des

Tötens bezeichnen könnte und das eine große Masse von Leichen zur Folge hat. Ich möchte dieses

Töten hier als Massenproduktion von Leichen verstehen. Bei der Totgeburt, die Margolles zum

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 21

78 vgl. Ebenda S. 137ff.

79 In der synchronen Zeit finden sich die minimalen Unterschiede zwischen den Kumpeln und nicht am einzelnen Readymade.

80 Sebastian Egenhofer: „d. Neugeboren oder ready-made? Anfänglichkeit und Datierung“, S. 139.

81 Wie z.B. in den Arbeiten Pollocks, dessen Arbeiten die Spuren des Körpers bzw. der Bewegungen des Künstlers aufweisen.

82 Barbara Basting: „Teresa Margolles - Kunst gegen den Drogenkrieg“.

Page 22: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

ersten Mal in Bañando el bebé zum Zentrum ihrer Kunst macht, handelt es sich um eine Leiche

unter Vielen, zugleich auch um eine Ausnahme unter den vielen Leichen, die zum Gegenstand von

Margolles Kunst geworden sind. Die genauen Umstände des Todes sind nicht bekannt, entgegen

anderer Arbeiten von Margolles, wo der Bezug zum Drogenkrieg und zu den Opfern des

Drogenkrieges immer offensiv gezogen wird, fehlt dieser bei dem Inhalt von Entierro. Anderseits

steht diese einzelne Arbeit im gesamten Werkkorpus unter der Konnotation der anderen Arbeiten

und verweist insofern gewissermaßen auch im Kontext der umfangreichen Literaturproduktion auf

Margolles, die von Verweisen auf den Drogenkrieg strotzt, also von diesen Informationen

vereinnahmt wird. Unabhängig davon ist die Totgeburt in Entierro eine Leiche unter vielen, die von

Margolles ausgewählt und zum Kunstwerk ernannt wird, unter vielen Leichen, die niemals das

Licht der Öffentlichkeit oder das ehrenvolle Dunkel eines anständigen Grabes erblicken. Denn nicht

nur die Leiche erscheint im Oeuvre von Margolles gewissermaßen als Produkt einer

Serienproduktion, auch die mit den Leichen verknüpften Geschichten bleiben kein Einzelfall.83

Die Trennung einer Leiche aus dem Meer der Leichen ähnelt insofern der déclaration und der

Trennung des Readymades von seinen Kumpeln.84 Im Moment dieser falschen déclaration bleibt

der indexikalische Verweis auf die Produktion erhalten und wird zugleich durchgestrichen. Insofern

pariert die Leiche ihre Tötung durch eine Neugeburt als Kunstwerk und verweist zum anderen

natürlich weiter auf den Ort und die Praxis ihrer Herstellung. Doch all dies ist bei Entierro ins

Innere eines Zementblocks gedrängt und verharrt dort gut verdrängt und trotzdem durch die

Oberfläche hindurch präsent.85 Der gescheiterte Versuch eine Gussform aus dem Baby zu erstellen86

kulminiert in einer Gussform, die eine zum Fötus gewordene Totgeburt nie mehr verlassen wird.

Dort wo Entierro die Repräsentation durch vermeintliche Präsentation zurückdrängt verbleibt der

indexikalische Verweis auf den Kreislauf der Produktion, der keine Bedeutung trägt, sondern

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 22

83 die Arbeit mit der Zunge und der Beerdigung / z.B. im Bezug auf Lengua, die gepiercte Zunge eines getöten Jugendlichen wurde laut Margolles auch gegen die Finanzierung der Bestattung getauscht. / Diese Geschichte der von ihr finanzierten Beerdigung wird von Margolles häufig erzählt.

84 Die Zeit des Infra Mince könnte gut an einzelnen Fotos von Lengua in variablem Verwesungszustand illustriert werden.

85 Insofern nimmt Entierro eigentlich eine Fetischstruktur85 an, da es in einer gespaltenen Existenz verharrt. Analogien zwischen Fetischstruktur und Kunst finden sich im „als ob“. Der Fetisch ist etwas Besonderes, da er als Stellvertreter für etwas fungiert was es per se gar nicht gibt, sondern was bereits vor seiner Enthüllung nur als weiblicher Penis in der Phantasie eines Knaben und nicht in dem, was als Realität bezeichnet werden müsste, existiert hat (Freud, Siegmund: Studienausgabe Band III. Psychologie des Unbewussten. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 1975., S. 393.). In den Fetisch ist derart seine Verneinung eingeschrieben. Der Fetisch ist zugleich die Sache selber, aber auch nicht. Realität und Nicht-Realität entspinnen sich zur selben Zeit in einer zweigleisigen Bewußtseinsstruktur. (Freud, Siegmund: Essays III. Auswahl 1920 - 1937. Herausgegeben von Dietrich Simon. Verlag Volk und Welt, Berlin, 1989., S. 235.) Sowohl in der Kunst als auch im Fetischismus gibt es einen Blick von außen, der sich über die seltsamen Geschehnisse verwundert, bzw. der sich über Behauptung und ihre Beschaffenheit zumindest grob im klaren ist, als auch einen Blick von innen, dem dies nur bedingt möglich ist. Bei Ich-Spaltung und Fetischismus handelt es sich um die Konzeptualisierung einer Innen - Außen oder einer Subjekt - Objekt Relation. In dieser Relation offenbart sich eine permanente Verstrickung zwischen Subjekt und Objekt. In seiner gespaltenen Anlage, die den Betrachter über die tatsächliche Beschaffenheit von Entierro im Dunklen lässt.

86 vgl. Amy Sarah Caroll: „Muerte Sin Fin. Teresa Margolles‘s Gendered States of Exception“ S. 108.

Page 23: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Bedeutung ist (in ihrer indexikalischsten und politischsten Konsistenz). Natürlich ist Entierro kein

Readymade. Es ist der Bastard eines Readymades und als Begriff würde hier passen: Readymade

des Todes.

Das Readymade des Totes und damit die Massenproduktion des Todes blicken aus Entierro auf den

Betrachter zurück. Allerdings verharrt dies in einer Struktur, die das „als ob“ nicht überschreitet, da

niemand weiß, ob es wirklich so ist (außer Teresa Margolles natürlich).

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 23

Page 24: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

III Entierro und das Unheimliche

Entierro soll abschließend an einen Diskurs über das Unheimliche87 anschlussfähig gemacht

werden. Die Untersuchung hat auch eine allegorische Deutung von Entierro nahegelegt. Der

Schwerpunkt liegt auf dem Aspekt des Doppelgängers bzw. auf Homi K. Bhabhas Entwurf des

Doppelgängers, der die unheimlichen Qualitäten des Doppelgängers in der Anwendung eines

fremden kulturellen Idioms durch den heimatlos gewordenen Einwanderer verortet. Hinzuzufügen

wäre der Aspekt der Wiederkehr des Verdrängten, wobei dieses Verdrängte auf den unzugänglichen

Inhalt Entierros bezogen werden müsste. Oder wie Freud im Bezug auf Schellings Definition des

Unheimlichen hervorhebt: „Unheimlich sei alles, was ein Geheimnis, im Verborgenen bleiben sollte

und hervorgetreten ist“,88 d.h. durchaus eine Totgeburt deren Anwesenheit sich erst durch die

Lektüre eines Begleittextes aufdrängt. Hinzu kommen einige Notizen zur Struktur des Déjà-vu.

III.I Das Unheimliche am Objekt Entierro

III.I.I Das Unheimliche bei Margolles

Heriberto Yépez versteht Margolles Ästhetik im allgemeinen „als eine der unheimlichsten [...]

Betrachtungen des Körpers zu Beginn des 21. Jahrhunderts.“89 90 Allerdings kann dies nur bedingt

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 24

87 Einen allgemeinen Überblick über den Begriff gibt Vidler. Anthony Vidler historisiert den Begriff des Unheimlichen in seinem Buch Über das Unbehagen in der modernen Architektur vor allem im Hinblick auf dessen Verschränkung mit dem Bürgertum. In der Einleitung dieses Buches gibt er einen guten Überblick über eine entsprechende Begriffsgeschichte.Vidler sieht die Wurzeln eines zeitgenössischen Unheimlichen im ausgehenden 18. Jahrhunderts (vgl. Anthony Vidler: „Einleitung“ S. 21.) und konzipiert das Unheimliche im Hinblick auf Romantik und Moderne. Das Unheimliche erscheint für Vidler immer im Spannungsverhältnis zum Heimlichen bzw. zeigt sich ein heimeliges Innen im Kontrast zu unheimlichen Eindringlingen. (vgl. Ebenda S. 24f.) Das Unheimliche sei Symptom der Unsicherheit und Angst einer ganzen Klasse, die sich im noch wohligen aber schon inkonsistenten Heim an Detektivgeschichten ergrusele. (vgl. Ebenda S. 22.) Die individuelle Geborgenheit eines privilegierten Überblicks falle zum einen einer rasanten Metropolisierung und Verstädterung zum Opfer, zum anderen aber auch einer Zentralisierung der Macht, die die Entfremdung des Einzelnen bedinge.(vgl. Ebenda S. 22f.) Im Auge des Sturms, das heißt Kulminationspunkt von Mietzins, Naturgewalt und einer sich unerbittlich wiederholenden Geschichte habe sich der verstörte Bürger in einer Metropole gefunden, in der sich die Entfremdung des Einzelnen zunehmend zur Klassenentfremdung entwickelt habe. (vgl. Ebenda S. 23.) Es bietet sich an hier darauf zu verweisen, dass Mexiko-Stadt und Region, eine der größten Metropolen der Erde ist. In der Heimatlosigkeit der Moderne erscheint auch das Innere des Menschen selbst als problembehafteter Komplex. Vidler beschreibt im Hinblick auf Freuds berühmten Aufsatz Das Unheimliche die Psychologisierung des Unheimlichen. Er führt Neurosen und Phobien als Verfahren der Distanzierung von der Realität an und kommt auf Freuds Aufsatz als literaturwissenschaftliche Arbeit aber auch als Ausweitung der Psychoanalyse auf psychosoziale Fragestellungen zu sprechen (vgl Ebenda S. 25.).

88 Siegmund Freud: „Das Unheimliche“, in: Siegmund Freud (Hg.): Imago. Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften V (1919), Wien - Leipzig - Zürich: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919, S. 297–324, hier: S. 302.

89 Heriberto Yépez: „Vom Rest“, S. 190.

90 Yépez Äußerung ist auf seine Analyse des Weiterlebens der Körpers nach dem Tod als Rest im Oeuvre von Margolles zu beziehen. Dies könnte sicherlich als eine Wiederkehr des Verdrängten bzw. als ein sichtbar werden von Körperflüssigkeiten und Zersetzungsprozessen, die gemeinhin das Daseins des Verdrängten zu führen pflegen, interpretiert werden. (vgl. Ebenda S. 189.) Das Weiterleben des toten Körpers spielt sich im Falle Entierros hierbei wenn überhaupt in Entierro ab, im Unsichtbaren und in der Imagination des Betrachters. Bemüht man sich um Jaureguis Ausführungen müsste vor Allem der Aspekt der Verschränkung von Heimlichen und Unheimlichen, das heißt Vertrautem und Alltäglichem mit dunkler Kehrseite betont werden. Jauregui verweist auf Margolles Materialien, die sich bei Kenntnis ihrer Herkunft mit Spannung und Schrecken aufladen. (Gabriela Jauregui: „Nekropolis: Die Exhumierung der Arbeiten von Teresa Margolles“, S. 142.) Auch Nike Bätzners Anregungen zum Verschwimmen der Grenzen von Subjekt und Objekt ließen sich ausführen, um sie auf das theatrale der Objektrelation zum Parallelepiped zu beziehen.

Page 25: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

auf Entierro bezogen werden, da die Leiche in Entierro eine Ausnahme im Verhältnis zu anderen

Arbeiten von Margolles darstellt; sie ist zum einen vollständig abwesend, auch als Spur, während

sie zugleich im Unzugänglichen gewissermaßen im Status der Abwesenheit vollständig anwesend

ist und der Zementblock ist kein menschlicher Körper, er ist höchstens anthropomorph.

Thomas Macho ist der einzige Rezensent, der sich explizit auf Entierro bezieht. Macho klopft

animistische Assoziationsräume ab, die Entierro im Kontext des Aberglaubens verorten.91 Er

verweist auf „Legenden von ungeborenen Steinkinder[n]“92 und den „>>Kindstein von Kronos“93

aber auch die „im Mutterleib verkalkten, buchstäblich versteinerten“94 „Steinkinder“95, und verleiht

dem Zementblock somit ohne dieser Anregung nachzugehen, und ohne es auszuformulieren, die

Qualität eines Mutterleibs, das zugleich ein Grab ist. Ähnlich müsste die Totgeburt im Kosmos der

machoschen Interpretation angesiedelt werden: Sie erhält die Qualität eines Kindes, das für immer

im Mutterleib verharrt.

III.I.II Das Unheimliche am Parallelepiped

Georges Didi-Huberman entwirft in den beiden abschließenden Kapiteln von Was wir sehen blickt

uns an >>Form und Intensität<< und >>Die endlose Schwelle des Blicks<< das Unheimliche im

Hinblick auf die Minimal Art und ermöglicht so, unheimliche Attribute auch auf die Form von

Entierro anzuwenden.

Er verweist auf die Konzepte der Wiederholung und des Doppelgängers, die schon Freud in seinem

Aufsatz über das Unheimliche wichtig waren und wendet das Doppelgängerkonzept so auch

überraschend auf ein, wenn auch anthropomorphes, Parallelepiped an. 96 Hierbei beschreibt er das

Unheimliche als „eine Kraft, in der eine Erinnerung und eine Protention des Begehrens miteinander

verbunden sind.“97 Diese Formulierung muss als Erläuterung des Blicks und seiner Wiederholung

gelesen werden. Der Blick fällt zwei Mal auf Entierro einmal vor dem Klappschock und einmal

nach dem Klappschock. Was hier als Erinnerung formuliert wird, müsste im Bezug auf Entierro auf

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 25

91 vgl. Thomas Macho: „Ästhetik der Verwesung. Zur künstlerischen Arbeit von Teresa Margolles“, in: Thomas Macho und Kristin Marek (Hg.): DIE NEUE SICHTBARKEIT DES TODES, München: Wilhelm Fink Verlag 2007, S. 337 - 354, hier: S. 341.

92 Ebenda S. 341.

93 Ebenda S. 341.

94 Ebenda S. 341.

95 Siegmund Freud: „Das Unheimliche“ S. 341.

96 vgl. Georges Didi-Huberman: „Form und Intensität“ aus dem Französischen von Markus Sedlaczek, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 291 - 222, hier: S. 220.

97 Ebenda S. 220.

Page 26: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

einen kulturellen Bilderreservoir umgemünzt werden, insofern die Bilder Vorstellungen und

Assoziationen sind, die sich mit dem Wort Fötus oder mit dem Beton Entierros verknüpfen und den

Betrachterblick prägen. Dies ist die Erinnerung, die das Begehren des zweiten und aller folgenden

Blicke färbt.98

Didi-Huberman erläutert die Beziehungen zwischen Unheimlichem und der Verdrängung als eine

Spur der Entfernung, auf die die endlose Schwelle des Blicks verweise. Das Unheimliche wäre also

nicht nur die Spur des gemeinhin häufig verdrängten Todes, sondern auch die Spur des Todes der

als kapitalistischer Ausschuss von Drogenkriegen und Industrialisierung produziert wird, sowie

weiterer semantischer Anhänge Entierros, die im folgenden aufgeklärt werden müssten. Didi-

Huberman konkludiert:

„Könnte man gar soweit gegen, die Intensität einer Form metapsychologisch als die Wiederkehr des Verdrängten in der Sphäre des Visuellen und, allgemeiner noch, in der Sphäre der Ästhetik zu definieren?“ 99

In diesem Sinne müsste der Betonblock als durch den Paratext intensivierte Form beschrieben

werden, die sich gerade in dieser Konfiguration und in diesem Sehen, dass sich durch die

abwesende Anwesenheit des Verdrängten auszeichnet, unheimlich wird. Das Unheimliche wird

hierbei zum Attribut der Objektbeziehung, in die der Betrachter von Entierro hineingesogen wird.

Es wäre anzumerken, dass es hierfür tatsächlich vollkommen egal ist, was sich tatsächlich in

Entierro befindet.

III.II Notizen zur mexikanischen Moderne

III.II.I Die Moderne und der Beton

Befragt man Kirsten Einfeldts Studie über die moderne Kunst in Mexiko, kommt man nicht umhin

zur Kenntnis zu nehmen, dass die Kunst im öffentlichen Raum eine besondere Rolle in der Arbeit

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 26

98 Didi-Huberman verweist aber auch auf Freuds Bestimmung der Desorientierung als paradigmatisches Merkmal des Unheimlichen. (Georges Didi-Huberman: „Die endlose Schwelle des Blicks“ aus dem Französischen von Markus Sedlaczek, in: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München: Wilhelm Fink Verlag 1999, S. 223 - 246, hier: S. 223.) Die Desorientierung wird von Didi-Huberman als Kulminations- und Schnittpunkt von Kastrationsangst und Mutterleibsphantasie dargestellt. Man könnte hier auf die Angst lebendig begraben zu werden verweisen, die eng mit dem Begehren in den Mutterleib zurückzukehren verknüpft ist, auf die auch Macho aufmerksam macht. Didi-Huberman illustriert es an Joyces Protagonisten Stephen Dedalus, dem das Meer aus dem Verlust der Mutter als gewaltiger Mutterleib ersteht. Ist man gewillt diese Überlegungen Didi-Hubermans mit einigen Bemerkungen von Anthony Vidler zusammenzudenken könnte man Folgendes anführen: Vidler verbindet in seinen Reflexionen zum Lebendig begraben werden die archäologische Vorliebe für den Untergang Pompejis mit der Sehnsucht nach einer vollständig restaurativen Archäologie und inszeniert diese auf der Bühne seines Textes als gewaltige Rückkehr in den Mutterleib. (Anthony Vidler: „Lebendig begraben“, in: Anthony Vidler: unHeimlich: über das Unbehagen in der modernen Architektur, Übersetzt von Norma Keßler. Hamburg: Edition Nautilus 2002, S. 69 - 81, hier: S. 80f. ) Entsprechend könnte es auch dies sein, was eine Faszination des Betrachters für Entierro begründet und den Betonklotz als allerdings unbarmherzigen Mutterleib zur Geltung bringt, um dem Betrachter eine Position als Archäologe des verdrängten Begehrens zuzuweisen.

99 Ebenda S. 222.

Page 27: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

an der nationalen Identität Mexikos der Moderne gespielt hat.100 Auch verdeutlichen Einfeldts

Untersuchungen die Bedeutung von Kolonialvergangenheit, Amerikanisierung und

Industrialisierung für das damalige und das heutige Mexiko und seine Kunstdiskurse. Diese prägen

die nationale Identität Mexikos und sind ihr fester Bestandteil .101 In diesem Konglumerat genauso

wie in der sich schließlich institutionalisierenden Revolution Mexikos, kommt den

Modernitätsdiskursen von Aufbruch und Erneuerung eine wichtige Rolle zu. Oder: Um die

Moderne auf einen Satz von Henri Lefebvre herunterzubrechen, der das Neue Leben als prägende

Figur der Moderne begreift: „Dies war bereits da, in der Nähe, war möglich, fast gegenwärtig noch

unterdrückt, abseits, absent und harrte nur des Augenblicks der Befreiung. Das Neue Leben [...]“102.

In den Diskursen von Aufbruch, Erneuerung, und wie Einfeldt hervorhebt Internationalität103, misst

Einfeldt materialikonographischen Untersuchungen einen besonderen Stellenwert zu104, die dazu in

der Lage sind, einige Gedanken zu Entierro anzuregen.

Einfeldt bespricht die Arbeit an der nationalen Identität des Mexikos der Moderne anhand des

Widerstreits zweier Diskursströmungen, d.h. einer sich internationalisierenden Ablösungbewegung

von der vornehmlich Figurativen und ,realistischen‘ Revolutionskunst hin zur Abstraktion und dem

Ringen um die Repräsentation einer authentischen Nationalkultur. Einfeldt betont Mexikos

Aufbruch nach dem zweiten Weltkrieg in rasche Industrialisierung und aggressive Verstädterung. In

diesem Spannungsfeld beschreibt sie die Geschichte der Kunst im öffentlichen Raum Mexikos als

Geschichte einer ideologisch verbrämten Arbeit an der nationalen Identität. Dies geschieht an der

Kante eines modernen Thaumatrops zwischen dem spezifisch mexikanischen und internationalen

Einflüssen.105 Die nationale Identität erscheine hierbei seit Beginn der mexikanischen Revolution

als „Instrument des offiziellen Machtdiskurses“106 .

Für die Widerspiegelung dieses Widerstreits bescheinigt Einfeldts Studie den genutzten Materialien

eine hohe Relevanz. So führt sie der mexikanischen Landschaft entnommene Materialien wie z.B.

Eruptivgestein auf, aber, und dies scheint ein Aspekt zu sein, der in einer Analyse von Entierro

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 27

100 Einfeldt schreibt: „In der bildenden Kunst in Mexiko wurde die Auseinandersetzung mit der nationalen Identität nach 1950 vornehmlich in Arbeiten im öffentlichen Raum sichtbar.“ (Kirsten Einfeldt: „Einleitung“, in: Moderne Kunst in Mexiko. Raum, Material und nationale Identität, Bielefeld transcript Verlag 2010, S. 15 - 23, hier S. 12.)

101 Ebenda S. 11.

102 Henri Lefebvre: „Viertes Preludium. Über das Thema des Neuen Lebens.“, in: Einführung in die Modernität. 12 Preludien, Aus dem Französischen von Bernd Schwibs, Frankfurt a.M. 1978, S. 81 - 115, hier: S. 82.

103 Kirsten Einfeldt: „Einleitung“ S. 19.

104 Ebenda S. 19.

105 Ebenda S. 16.

106 Ebenda S. 16.

Page 28: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

berücksichtigt werden muss, auch den Beton. Dem Beton kommt eine doppelte Funktion zu,

insofern er in der Lage ist, sowohl Modernität, als auch prähispanische107 Tradition zu

symbolisieren.108 Der Beton kommt hierbei nicht nur in der abstrakt modernen, sondern auch in der

Revolutionskunst als Träger fortschrittlicher und industrieeuphorischer Konnotationen zum Einsatz. 109 Beton/Zement erscheint insofern als der Werkstoff zur nationalen und internationalen

Repräsentation einer nationalen Identität des Aufbruchs ins neue Leben der Moderne,110 und des in

den Fortschritt aufbrechenden neuen Mexikos.111

Um Entierro nun also erneut und zum wiederholten Male zu beschreiben: Es handelt sich um einen

Beton/Zementblock der eine Totgeburt beinhaltet. Beton/Zement erscheint laut Einfeldts Studie als

das Material der Kunstproduktion der mexikanischen Moderne. Beton/Zement erscheint als das

Material der Identitätsprägung einer mexikanischen Moderne. Diese feiert ihr neues Leben als

Aufbruch in Internationalität und fortschrittlichen Industrialisierung. Der Zement, als

emblematisches Material von Mexikos Neugeburt, beinhaltet in diesem Fall eine Totgeburt.

Das déjà-vu, wie es sich bei Freud findet, bietet sich an, diese Konstellation zu beschreiben. Ein

déjà-vu ist ein Phänomen, in dem eine Person eine Erfahrung so erfährt, als habe sie diese

Erfahrung bereits gemacht. Freud beschreibt und analysiert dieses Phänomen in seinem Text

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 28

107 Vermutlich spielt Einfeldt auf den Beton der Maya an. Die prähispanische Konnotation des Betons erklärt sich, da bereits die Maya eine mit Kalk angemischte Form des Betons erfanden. Zugleich erscheint der Beton in der Moderne als Werkstoff industrieller Fertigung.

108 vgl. Kirsten Einfeldt: „Resümee und Ausblick“, in: Moderne Kunst in Mexiko. Raum, Material und nationale Identität, Bielefeld transcript Verlag 2010, S. 329 - 337, hier S. 331.

109 Die Überlegungen bezüglich der materialikonographischen Relevanz von Beton für Entierro sind ein zweischneidiges Schwert. Zunächst lohnt es sich hervorzuheben, dass Zement tatsächlich ein Bestandteil von Beton ist. Gesteinskörnung und Anmachwasser ergeben gemischt mit Zement Beton. Vielleicht erscheint es als Haarspalterei diese Unterscheidung zu befragen, da auch Einfeldt in Verwendung der Bezeichnungen im Verlauf ihrer Studie manchmal scheinbar synonym verfährt und hier von Beton spricht und dort von Zement. Dennoch besteht hier Klärungsbedarf. Denn es lässt sich nur schwerlich klären, worum es sich bei dem Material von Entierro handelt. Ich führe nur einige von unzähligen Beispielen an: So spricht Ralf Schlter in der Art Nummer 7 von 2004 von einer „kubische[n] Betonskulptur“ (Ralf Schlter: „Schock und Leere“, Review in: art, Nr. 07 Jahrgang 2004 S, 102 - 103, hier: S. 102.) R. Scott Bray spricht in seinem Aufsatz „En piel ajena: The work of Teresa Margolles“ von einem „Block of concrete“ (R. Scott Bray: „En piel ajena: The work of Teresa Margolles, in: Law Text Culture, Volume 11, Issue 1, Wollonggong 2007, S. 13 - 50, hier: S. 25.), wohingegen der Frankfurter Katalog eindeutig Zement als Material aufführt (vgl. Teresa Margolles: „Muerte sin fin: Abbildungen / Imágenes / Plates“, S. 234.). Für beide Positionen ließen sich unzählige Zitate anführen. Gleichwohl scheint die materialikonographische Analogie zumindest nahe zu liegen, auch wenn sich im Bezug auf das Verwirrspiel von Zement und Beton kein eindeutiger Ausgang aufzeigen möchte. Außer für den materialwissenschaftlichen Kenner oder für den bautechnisch Ausgebildeten dürfte der Unterschied sowieso nicht allzu offen zu Tage liegen, wie es auch die uneindeutige Verwendung der Bezeichnungen in Literatur, Besprechungen und Katalogen nahe legt.

110 Zur Moderne als Versprechen des Neuen Lebens und ihrem Scheitern auch: vgl.: Jorn Etzold: „Schreiben der Stagnation“, in: Butis Butis (Hg.): Stehende Gewässer. Medien der Stagnation. Zürich - Berlin: Diaphanes 2007, S. 127 - 137.

111 Folgt man Einfeldt, bricht die Arbeit an der Repräsentation einer fortschrittlichen nationalen Identität Mexikos erst in den 70er Jahren mit einer Ephemisierung der Kunst im öffentlichen Raum ab. Neben Santiago Sierra wird Teresa Margolles von Einfeldt als eine der Hauptvertreterinnen der hierauf in den 90ern folgenden Künstlergeneration aufgeführt, die sich kritisch mit den nationalen Machtverhältnissen auseinandersetzt (allerdings anhand von Arbeiten im öffentlichen Raum und nicht anhand von Entierro). (vgl. Kirsten Einfeldt: „Resümee und Ausblick“ S. 335.) In den 70ern bricht im allgemeinen, Einfeldt spricht davon, nicht im Bezug auf Margolles, der fortschrittseuphorische Einsatz von Beton als Material der nationalen Repräsentation. (Ebenda S. 331f.)

Page 29: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

>>Eine Erinnerungsstörung auf der Akropolis<<112. Freud schildert einen Aufenthalt auf der

Akropolis in Athen und stellt fest, dass er eigentlich nie so recht an die Existenz der Akropolis

geglaubt habe. Im Folgenden zieht er diese Erinnerung in Zweifel und stellt fest, dass er durchaus

an die Akropolis geglaubt habe und, dass ihm diese Überzeugung nun zum ersten Mal als

Verfälschung der Vergangenheit eingegeben worden sei.113 Er analysiert dieses Phänomen als

Entstellung und begründet es in Schuldgefühlen und Verdrängtem.

Es geht hier weniger darum zu behaupten, dass der Betrachter sich beim Betreten des Entierro

beinhaltenden Ausstellungsraumes plötzlich in Mexikos Moderne zurückversetzt sieht. Vornehmlich

scheint es das Phänomen des déjà-vus allerdings in seiner Struktur zu ermöglichen, die

Anwesenheit der mexikanischen Moderne im Beton von Entierro zu beschreiben. Freuds Entwurf

des déjà-vu konzeptualisiert dieses nämlich als die Anwesenheit eines verdrängten, unbewussten

Gehalts in der gegenwärtigen Wahrnehmung.114 Wenn Margolles eine Totgeburt in das Material der

Fortschrittsverheißungen der Moderne eingießt, formuliert dies eine zumindest strukturell ähnliche

Beziehung aus, in der eine zeitgenössische Ausformung in die Vergangenheit ihrer

Materialikonographie und in einen Bezug auf das kulturelle Gedächtnis Mexikos getaucht ist:

Kurzum: es ist, als hätte man diesen Beton schon einmal gesehen, und darin, wie daran, rumort die

Entstellung und durch sie das Verdrängte.

III.II.I Notizen zum Rest

Das Unheimliche erscheint in Viddlers Ausführungen als transzendentale Heimatlosigkeit.115

Entsprechend beschreibt Homi Bhabha in seinen postkolonialen Ausführungen den Kontrast von

heimlich und unheimlich im Hinblick auf die zeitgenössische Heimatlosigkeit per se: die Erfahrung

der Migranten und Kolonisierten.116 Die Heimat des Kolonialisierten ist nicht nur abwesend,

sondern einfach ersetzt. Ein entsprechendes Mexiko Bild gibt Heriberto Yépez seinen Lesern auf

den Weg.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 29

112 Siegmund Freud: „Brief an Romain Rolland (Eine Erinnerungsstörung auf der Akropolis)“. GESAMMELTE WERKE: XVI, Werke aus den Jahren 1932-1939, Frankfurt a.M.: S. Fischer Verlag GmbH 2010, S. 250-257.

113 vgl. Ebenda S. 253 - 257.

114 Jay E. Harris: Freud‘s ,Dèja`-cu‘ in the Acropolis of His Mind“, in: How the brain talks to itself: A Clinical Primer of Psychotherapeutic Neuroscience. New York: The Haworth Press 1998, S. 205 - 206, hier: S. 206.

115 vgl. Anthony Vidler: „Einleitung“, S. S. 26.

116 vgl. Bhabha, Homi K.: „DissemiNation: time, narrative, and the margins of the modern nation“ ,in: Homi K Bhabha (Hg.): Nation and Narration, USA & Canada: Routledge 1990, S. 291 - 320, hier: S. 316 - 320.

Page 30: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Heriberto Yépez mahlt in seinem Aufsatz >>Vom Rest<< ein Bild von Mexiko, dass er umfassend

als Rest versteht und mit den Begriffen Co-Körper und Post-Mortalem Körper umschreibt.117 Yépez

spricht hierbei sowohl vom Zustand des geographischen, topographischen Körpers, als auch vom

Zustand des indigenen Körpers. Er betont hierbei die geographische Halbierung Mexikos von 1847,

die aktuelle Grenz- und Einwanderungspolitik, bzw. die illegalen Einwanderer in den USA. Der

Körper Mexikos sei ein biologischer, geographischer und ideologischer Rest. Yépez betont: „Der

mexikanische Körper hat sich psychologisch und historisch in sein eigenes Double oder Residuum

verwandelt.“118

Yépez zeichnet einen mexikanischen Nihilismus nach, der seinen Ausgang vom Einfall der Spanier

im 16. Jahrhundert nimmt und sich in die spanische Kolonialzeit fortsetzt. Yépez schreibt über die

Wirtschaftskrise und die Folgen von Drogenherrschaft und die Begünstigung von

Billiglohnfabriken durch die NAFTA.119 Dies habe zur Folge, dass der Körper der Ahnen und die

damit verbundenen Vorstellungen zwar noch in Form von im kollektiven Unbewussten

fortbestehenden, präkolonialistischen Körperbildern allgegenwärtig seien, dass der zeitgenössische,

indigene Körper aber weder Leichnam noch lebendig sei. Er habe eine post Mortale Form als Anti

Fleisch angenommen.120 Yépez beschreibt den Körperbegriff in all seinen Implikationen und

Konnotationen im Bezug auf Mexiko so, dass der mexikanische Körper letztlich als postkolonialer

Zombie, oder untotes Spukgespenst verstanden werden muss. Im Über-Ich dieses Körpers sind es

die Strebungen der Kolonialherren, die sich tief eingeschrieben haben. Insofern verweisen

„,Globalisierung‘, [...] ,Modernisierung‘, [...] [und] Amerikanisierung‘ Mexikos auf die Ebene des

Über-Ichs.“121

Die Beschaffenheit von Mexiko im Hinblick auf einen Begriff von Heimat wäre also diese: Nicht

nur die Heimat fehlt, sogar der Körper und die psychische Disposition sind überlagert und

überschrieben. Sie tragen Spuren einer kolonialen Erziehung und Konditionierung. Die Heimat, wie

Yépez immer wieder betont ist der Rest, das was fault und übrig bleibt. Das Analyseinstrument, das

von Yépez angeboten wird, um ein zeitgenössisches Verständnis von Margolles Arbeiten zu

gewinnen, entspricht seinen Ausführungen zu Mexiko als Rest:

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 30

117 vgl. Heriberto Yépez: „Vom Rest“, S. 188.

118 Ebenda S. 188.

119 vgl. Ebenda 189.

120 vgl. Ebenda 185.

121 Ebenda S. 185.

Page 31: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

„Die Künstlerin bearbeitet in diesem Sinne mexikanische Konzeptionen des Körpers im Kontext der ökonomischen (und krypto-politischen) Anbindung Mexikos an die Vereinigten Staaten (und in geringerem Maße an Kanada)“ 122

Yépez wörtlich zu nehmen müsste also bedeuten es wie folgt zu formulieren: Die rigide

Ausformung eines amerikanisierten Über-Ich‘s trägt zu minimalistischen Ausformungen von

Margolles Entierro bei. Im Inneren allerdings schmort der Rest und das ist Mexiko. Im übrigen

allerdings legt diese Deutung ein krudes oder überdeutliches allegorisches Potential in Entierro

offen.

III.III Entierro als kultureller Wiedergänger

Ein "älterer Herr im Schlafrock, die Reisemütze auf dem Kopf"123 den Freud im Abteil seines

Schlafwagens ausmacht, entpuppt sich als Spiegelbild seiner Selbst. Seine Abneigung gegenüber

diesen Herren erscheint ihm als Überrest der Empfindungen, die ihn dazu verleiten, den

Doppelgänger im Kontext des Unheimlichen zu thematisieren. Freud diagnostiziert den

Doppelgänger als vermeintlich überwundene seelische Bildung, in der sich "alle unterbliebenen

Möglichkeiten der Geschicksgestaltung"124 ansammeln können, die nicht zum Ausdruck gebracht

worden sind. In diesem Sinne und anhand von Freuds Erlebnisschilderung zeigt sich der

Doppelgänger in Freuds Studie als einer, der zugleich identisch und nicht identisch ist, ganz so wie

das Spiegelbild übereinstimmt und nicht übereinstimmt.

Im Rückgriff auf Freud und dessen Verortung des Doppelgängers im Bereich des Unheimlichen

sowie dessen Beobachtung, dass das Unheimliche und das Heimliche aufs Engste verbunden sind,

zeigt Homi K. Bhabha ein Verständnis des Doppelgängers im Bereich des Postkolonialen auf.

Der Bezugsrahmen der folgenden Argumentation ist zum einen die Amerikanisierungsbestrebung

der Modernen Kunst Mexikos und zum anderen das genuin amerikanische Potential der Minimal

Art.

Für meine Zwecke möchte ich im Folgenden Bhabhas Überlegungen im Bezug auf Yépez Mexiko

Entwurf gedacht wissen, insofern die Heimat Mexiko durch das kolonisierte, industrialisierte,

amerikanisierte Über- Ich geprägt ist. Auch ist offensichtlich, dass es sich bei den

Amerikanisierungbestrebungen Mexikos nicht um die Bestrebungen einer Kolonialmacht handelt,

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 31

122 Ebenda S. 191.

123 Siegmund Freud: „Das Unheimliche“, S. 320, Fussnote 13.

124 Ebenda, S. 310.

Page 32: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

sondern dass es sich sich hier um einen Sachverhalt handelt, der in die Fragestellungen des Neo-

Kolonialismus reicht, deren Tragweite ich hier nur andeuten, aber nicht klären kann.

Bhabhas Überlegungen beziehen sich durch seine Beispiele letztlich auf den Einwanderer, der sich

in einem Land mit ihm fremder Kultur aufhält. Da es bei Bhabha Entwurfs vor Allem um die

Unheimlichkeit dessen geht, was eben nicht heimisch ist, d.h. dessen, was sich nicht in die

Bestrebungen einer nationalen Repräsentation integrieren lässt, halte ich grade dieses Argument

bezüglich der Verschränkung von Fremdheit, Unheimlichen und moderner Nation für auf Entierro

anwendbar.

Homi K. Bhabha entfaltet in seinem Text >>DissemiNation<< einige Überlegungen zu einem

Begriff der kulturellen Differenz und dessen unheimlicher Qualität. Seine Überlegungen hierzu lässt

Bhabha in den Formulierungen von Benjamins Postulaten zur Sprache und ihrer performativen

Qualität und ihrer Relevanz für das Übersetzen, kulminieren. Bhabha legt nun einige Vorschläge für

einen nationalen Grenzbereich bzw. einen Zwischenraum und auch eine Zwischenzeit vor, wo

Bhabha „the uncanny moment of cultural difference“125 auffinden möchte. 126 Bhabha beschreibt

die Praxis der kulturellen Differenz als Eintragung der Differenz in die moderne Nation (der

Bhabha eine harmonisierende und auch totalisierende Funktion beimisst).127 Es handle sich um eine

Praxis, die ein nationales Wissen aus der Position des Anderen artikuliere. Es wird veräußert in der

Form der Wiederholung und es fügt dem Diskurs nichts hinzu, sondern zieht ihm etwas ab.128

Für Bhabha kann die Praxis der kulturellen Differenz nicht als antagonistische Position im Kampf

unterschiedlicher kultureller Werte, sondern als Intervention durch die Einschreibung in eine

kulturelle Praxis selbst verstanden werden.129 Insofern wird auch deutlich, inwieweit die Zeichen

kultureller Differenz für Bhabha nicht für sich allein bestehen können, sondern nur durch ihre

Implementierung, also per se unvollständig bleiben.130 Dies müsste insofern so verstanden werden,

als das Entierro nicht ohne die Minmal Art existieren kann, da Entierro sich in Form der kulturellen

Differenz auf diese bezieht und deren Wissen aus der Position des Anderen re-artikuliert bzw. sich

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 32

125 Bhabha, Homi K.: „DissemiNation: time, narrative, and the margins of the modern nation“ , S. 312.

126 Bhabha Text ist offensichtlich kein kunsthistorisches Instrument. Ich bemühe mich, was Bhabha Überlegungen zur Sprache und zur Geste betrifft auf künstlerische Idiome zu beziehen. Ich verstehe hier entsprechend das Gefüge Minimal Art als künstlerisches und amerikanisches Idiom. Entsprechend soll Entierro als mexikanische Repetition eines amerikanischen künstlerischen Idioms verstanden werden.

127 vgl. Ebenda u.A. S. 310.

128 vgl. Ebenda S. 311.

129 vgl. Ebenda S. 312.

130 vgl. Ebenda S. 313.

Page 33: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

einschreibt, um etwas abzuziehen. Entierro wäre ohne den Bezug zur amerikanischen Minimal Art

in diesem Sinne unvollständig, da ihm in diesem Fall das künstlerische Idiom in dessen Kontext

Entierro installiert worden ist, abhanden gekommen wäre. Das genuin amerikanische und die damit

verbundene nationale Bedeutungsfülle verlöre die minimale Praxis allerdings in ihrer Realisierung

als Entierro.

Die unheimliche Struktur der kulturellen Differenz liegt nun in ihrer Beschaffenheit als

Doppelgänger, der in seiner Eintragung grade den Verlust von Bedeutung und den Verlust der Fülle

der Forderungen der Nation aufzeigt (der Minimal Art als genuin amerikanischer Kunst).

Entsprechend kann Bhabha dem Zeichen der kulturellen Differenz auch einen verspäteten Charakter

beimessen, denn es folgt auf den Nationaldiskurs und existiert nun in Relation und Verspätung zu

diesem als Wiederholung. Entsprechend schwer fiele es auch sich Entierro ohne eine im Vorfeld

geschehene Minimal Art vorzustellen.131

Der Entzug der (wahren) Bedeutung begünstigt das zu Tage treten des Furchtbaren, Ängstigenden,

Fremden, Leeren und Unheimlichem. Kurzum bestimmt Bhabha die kulturelle Differenz im

Zwischenraum und der Zwischenzeit des Unentscheidbaren und als Eintragung eines Minus in den

Ursprung132 , als das was nicht als das selbe zurückkehren wird, vielleicht könnte man sagen, als

Wiedergeher oder Hintenaufhucker, als Öffnung des kulturellen Systems durch die Intervention in

die differentielle Qualität des Zeichens. Dieser Gedanke ist relevant, da er verdeutlicht, dass

Entierro in seiner Anwendung und Entstellung der minimalistischen Praxis nicht als Kritik der

Minimal Art gelesen werden muss. Um mit Bhabha zu sprechen, handelt es sich um die Öffnung

und Rekonfiguration einer kulturellen Praxis, die, wie bereits gezeigt wurde, vornehmlich auf

Parameter geöffnet wurde, die in den Parallelepipeden der Minimal Art schon angelegt waren.

Der türkische Migrant dient Bhabha als Beispiel für einen Automat oder ein unheimliches Double

in dessen Körper der Verlust eingeschrieben ist. Anhand eines Zitats von John Berger zeigt Bhabha

auf, dass die Wiederholung nationaler Gesten durch den Migranten aufzeigt, dass die Durchführung

der Gesten die für den Einheimischen selbstverständlich sind, (und selbstverständlich rezipiert

werden) auf eine andere Reaktion treffen. Das heißt im Umkehrschluss, dass sie auch eine andere

Bedeutung offenbaren. Die nationalen Gesten, die in ihrer Durchführung durch den Migranten, als

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 33

131 Um dieses Argument zu festigen, rekurriert Bhabha auf Benjamin und dessen Postulat von der Fremdheit der Sprache. Die Sprache, so stellt Bhabha da, entfremdet den Inhalt und entzieht ihn dem unmittelbaren und stabilen Zugriff (Benjamin) der Nation (Bhabha): „The ill fitting robe of language alienates content in the sense that it deprives it of an immediate access to a stable or holistic reference ,outside‘ itself - in society.“ (Ebenda S. 314) Bhabha überträgt diese Überlegungen zur sprachlichen Übersetzung (Die differentiellen Zeichen der Sprache sind letztlich immer mit einem Überschuss an Bedeutung konfrontiert) auf die Sphäre des Sozialen.

132 vgl. Ebenda S. 304f.

Page 34: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

von ihrer nationalen Bedeutung entleert erscheinen, lassen diesen zu einem, den Verlust der Heimat

rekapitulierenden, Automaten werden:

„In the repetition of gesture after gesture after gesture, [...] the mythical return, it is not simply the figure of repetition that is unheimlich, but the Turk‘s desire to survive, to name, to fix - which is unnamed by the gesture itself. The gesture continually overlaps and accumulates, without adding up to a knowledge of work or labour.“ 133

Der unheimliche Charakter den Bhabha ausmacht findet sich in der Wiederholung der Gesten, die

keine Fixierung und keine Heimlichkeit erreichen. Er, so Bhabha, sei ein Doppelgänger, der das

Leben eines Automaten lebt.134 Der Unheimliche erfahre sich hierbei auch selbst als unheimlich, da

er sich nicht als narzisstisches Identifikationsobjekt anbiete, und dem gegenüber verwehre, sich

selbst in ihm zu erkennen, genau wie auch die narzisstische Identifikation mit dem Gegenüber

verwehrt bleibe.

Unter dem Blickwinkel Bhabhas und im Rückgriff auf Yèpez müsste Entierro nun als entleerte

Wiederholung minimalistischer Gesten verstanden werden. Es handelt sich dann, um die

Aufführung eines kolonisierten Überichs, das eine befremdliche Wirkung zeitig, da seine Gesten

nicht so flüssig von der Hand gehen, wie dem, dem diese Kultur heimisch wäre.

Anfügen lässt sich noch, sollte ein amerikanisches minimalistisches Parallelepiped mit Entierro

konfrontiert werden, dass diesem dann sicherlich die narzisstische Identifikation verwehrt bliebe.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 34

133 Ebenda S. 316.

134 vgl. Ebenda S. 316f.

Page 35: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Abschlussbemerkung

Die Untersuchung hat sich bemüht in drei Anläufen verschiedenen potentiellen Strata zu folgen, auf

denen Entierro das Archiv streift. In diesem Sinne sind in drei Anläufen Deutungsmöglichkeiten zu

Entierro aufgezeigt worden, die zugleich Unterfangen der historischen und kulturellen Bestimmung

gewesen sind. Zu diesem Zweck hat die Ausgrabung Überlegungen bezüglich der amerikanischen

Minimal Art der 60er Jahre, der mexikanischen Drogenkriege als Ziel einer indexikalischen

Verweisfunktion der Materialien und als Topos der wissenschaftlichen Debatte zu Margolles, sowie

zum semantischen Feld des Unheimlichen und des Doppelgängers im Hinblick auf postkoloniale

Theoriegenese ans Tageslicht befördert.

Diese Arbeit hat das Paralelepiped Entierro in seiner Form als mit den Parametern der Diskussion

um die Minimal Art spielenden Widergänger bestimmt sowie den Inhalt von Entierro als

Readymade des Todes. Damit wurde Entierro in allen formalen Belangen in Begrifflichkeiten, die

auf das Unheimliche rekurrieren, bestimmt. Zunächst wurde das Verhältnis zwischen Entierro und

Parallelepipeden von Donald Judd abgeglichen, um Gemeinsamkeiten vor Allem im Hinblick auf

Aspekte eines minimalistischen Idioms aufzuzeigen. Auch wurde deutlich, inwiefern Margolles die

Konfrontation mit diesem minimalistischen Idiom inszeniert. Letztlich dürfte diese Arbeit

zumindest deutlich gemacht haben, dass es nicht bei dem bleibt, was man sieht, und dass das, was

man sieht, nicht das ist, was es ist.

Als Vermutungen für eine vertiefende Fortführung der Studie haben sich im Verlauf Überlegungen

zum Werk Santiago Sierras, insbesondere zu dessen Pappkartons, die sich sicherlich auch gut als

Parallelepipeden verstehen lassen, nahegelegt, genauso wie ein Abgleich mit der Theoriegenese von

Giorgio Agamben, insbesondere zum homo sacer und zum nackten Leben. Auch würde sich eine

Vertiefung der im zweiten Kapitel unternommen Überlegungen zum Serialismus anbieten, genauso

wie eine Verortung von Margolles Kunstpraxis im und im Hinblick auf den Kunstmarkt. Es ist nicht

so, dass diese Untersuchung hier ein Ende hätte. Es handelt sich vielmehr um einen Zeit- und Platz

bedingten Abbruch der Schürfarbeiten.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 35

Page 36: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Quellenverzeichnis

Literatur

Bätzner, Nike: „Die Würde des Menschen ist tastbar.“, in: Kunstverein für die Rheinlande und

Westfalen (Hg.): Teresa Margolles. 127 cuerpos., Köln: Buchhandlung Walter König 2006

S. 163-169.

Bhabha, Homi K.: „DissemiNation: time, narrative, and the margins of the modern nation“ ,in:

Homi K Bhabha (Hg.): Nation and Narration, USA & Canada: Routledge 1990, S. 291 -

320.

Bray, R. Scott: „En piel ajena: The work of Teresa Margolles, in: Law Text Culture, Volume 11,

Issue 1, Wollonggong 2007, S. 13 - 50.

Caroll, Amy Sarah: „Muerte Sin Fin. Teresa Margolles‘s Gendered States of Exception“, in: TDR:

The Drama Review, Volume 54, Number 2, New York: THE MIT PRESS 2010, S. 103 - 125.

Egenhofer, Sebastian: ABSTRAKTION KAPITALISMUS SUBJEKTIVITÄT. Die Wahrheitsfunktion

des Werks in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 2008.

Einfeldt, Kirsten: Moderne Kunst in Mexiko. Raum, Material und nationale Identität, Bielefeld

transcript Verlag 2010.

Etzold, Jörn: „Schreiben der Stagnation“, in: Butis Butis (Hg.): Stehende Gewässer. Medien der

Stagnation. Zürich - Berlin: Diaphanes 2007, S. 127 - 137, hier: 129.

Fetz Wolfgang & Lucas Gehrmann, Gerald Matt: „Teresa Margolles – Das Leichentuch“, in:

Kunsthalle Wien/ Lucas Gehrmann, Gerald Matt (Hg.): Teresa Margolles. Kunsthalle Wien.

project space, Wien: Kunsthalle Wien 2003, S. 5 - 15, hier: S. 6.)

Fried, Michael: „Kunst und Objekthaftigkeit“, in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal Art. Eine

kritische Retrospektive. Übersetzt von Christoph Hollender. 2. erweiterte Auflage Dresden:

Verlag der Kunst [1995]1998, S. 334 - 374, hier: S. 335.

Freud, Siegmund: „Brief an Romain Rolland (Eine Erinnerungsstörung auf der Akropolis)“.

GESAMMELTE WERKE: XVI, Werke aus den Jahren 1932-1939, Frankfurt a.M.: S.

Fischer Verlag GmbH 2010, S. 250-257.

Freud, Siegmund: „Das Unheimliche“, in: Siegmund Freud (Hg.): Imago. Zeitschrift für

Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften V (1919), Wien - Leipzig -

Zürich: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919, S. 297–324.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 36

Page 37: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Freud, Siegmund: Essays III. Auswahl 1920 - 1937. Herausgegeben von Dietrich Simon. Verlag

Volk und Welt, Berlin, 1989.

Freud, Siegmund: „Fetischismus“, in: Siegmund Freud: Studienausgabe Band III. Psychologie

des Unbewussten. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 1975, S. 379 - 388.

Freud, Siegmund: „Die Ichspaltung im Abwehrvorgang“, in: Siegmund Freud: Studienausgabe

Band III. Psychologie des Unbewussten. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 1975, S. 389 - 394.

Didi-Huberman, Georges: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, aus dem

Französischen von Markus Sedlaczek, München: Wilhelm Fink Verlag 1999.

Glaser, Bruce: „Fragen an Stella und Judd“, in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal Art. Eine kritische

Retrospektive, 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst [1995]1998, S. 35 - 58.

Guzmán, Ernesto Diezmartínez: „We Ate Something that Went Down wrong“, in: Cuauhtémoc

Medina (Hg.): Teresa Margolles: What Else Could We Talk About? Mexican Pavillon. 53

International Art Exhibition. La Biennale di Venezia, Barcelona: RM Verlag S.L.

2009, S. 100 - 107, hier: S. 104.

Jauregui, Gabriele: „Nekropolis: Die Exhumierung der Arbeiten von Teresa Margolles.“, in: Udo

Kittelmann und Klaus Görner (Hg.): Teresa Margolles. Muerte sin fin, Ostfildern-Ruit: Hatje

Cantz Verlag 2004, S. 217 - 249.

Harris, Jay E.: Freud‘s ,Dèja`-cu‘ in the Acropolis of His Mind“, in: How the brain talks to itself: A

Clinical Primer of Psychotherapeutic Neuroscience. New York: The Haworth Press 1998, S.

205 - 206, hier: S. 206.

Held, Jutta: „Minimal Art - Eine amerikanische Ideologie“, in: in: Gregor Stemmrich (Hg.) Minimal

Art. Eine kritische Retrospektive, 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst

[1995] 1998, S. 444 - 470.

Kleinbub, Claudia: „Santiago Sierra“, in: Renate Wiehager (Hg.): Minimalism and After. Tradition

und Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag

[2007] 2010, S. 530- 531, hier: S. 531.)

Lacan, Jacques: „Das Symbolische, das das Imaginäre und das Reale“, in: Namen-des-Vaters.

Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Wien: TURIA + KANT Verlag, 2006, S. 7 - 61.

Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Das Seminar Buch XI, übersetzt von

Norbert Haas. Weinheim: Quadriga Verlag [1987] 1980.

Lefebvre, Henri: Einführung in die Modernität, aus dem Französischen von Bernd Schwibs.

Frankfurt a.M.: edition suhrkamp 1978.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 37

Page 38: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Macho, Thomas: „Ästhetik der Verwesung. Zur künstlerischen Arbeit von Teresa Margolles“, in:

Thomas Macho und Kristin Marek (Hg.): DIE NEUE SICHTBARKEIT DES TODES,

München: Wilhelm Fink Verlag 2007, S. 337 - 354.

Margolles, Teresa: „Arbeiten“, in: Thomas Macho und Kristin Marek (Hg.): DIE NEUE

SICHTBARKEIT DES TODES, München: Wilhelm Fink Verlag 2007, S. 317 - 332.

Margolles, Teresa: „Muerte sin fin: Abbildungen / Imágenes / Plates“, in: Udo Kittelmann und

Klaus Görner (Hg.): Teresa Margolles. Muerte sin fin, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag

2004, S. 217 - 249.

Medina, Cuauhtémoc: >>Materialist Spectrality<<, in: Cuauhtémoc Medina (Hg.): Teresa

Margolles: What Else Could We Talk About? Mexican Pavillon. 53 International Art

Exhibition. La Biennale di Venezia, Barcelona: RM Verlag S.L. 2009, S. 15 - 30, hier: S. 19.

Schlter, Ralf: „Schock und Leere“, Review in: art, Nr. 07 Jahrgang 2004 S, 102 - 103.

Stemmrich, Gregor: „Minimal Art - eine kritische Retrospektive“, in: Gregor Stemmrich (Hg.)

Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, 2. erweiterte Auflage Dresden: Verlag der Kunst

[1995]1998, S. 11 - 31.

Yépez, Heriberto: „Vom Rest.“ in: Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen (Hg.): Teresa

Margolles. 127 cuerpos., Köln: Buchhandlung Walter König 2006 S. 185 - 192, hier S. 187

+ 189.

Vidler, Anthony: unHeimlich: über das Unbehagen in der modernen Architektur, Übersetzt von

Norma Keßler. Hamburg: Edition Nautilus 2002.

Wiehager, Renate: 100 Jahre Geschichte der Abstrakten Avantgarden aus der Perspektive der

Daimler Kunst Sammlung“, in: Renate Wiehager (Hg.): Minimalism and After. Tradition und

Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag

[2007] 2010, S. 23 - 57.

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 38

Page 39: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Internetquellen

Basting, Barbara: „Teresa Margolles - Kunst gegen den Drogenkrieg.“, in Beatrice Born

(Redaktionsleitung): DRS 2 - Reflexe. Internetadresse: http://www.podcast.de/episode/2039811/

Teresa_Margolles_-_Kunst_gegen_den_Drogenkrieg aufgerufen: 30. Juli 2011.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Die Schönen und die Leichen.“, Review in: faz.net.

Internetadresse: http://www.faz.net/-00ojxc (aufgrufen: 04. September 2011)

Freybourg, Anne-Marie: „,Political/Minimal‘ im KW Institute for Contemporary Art, Berlin. Gleich

und Gleich gesellt sich gern“, Review in: artnet.de Magazine. Internetadresse: http://www.artnet.de/

magazine/politicalminimal-im-kw-institute-for-contemporary-art-berlin/ (aufgrufen: 04. September

2011)

Karcher, Eva: >>im Gespräch mit Frank Stella. „Sex ist okay...“<<, Interview in: süddeutsche.de.

Kultur. Internetadresse: http://www.sueddeutsche.de/kultur/im-gespraech-frank-stella-sex-ist-

okay-1.167284 (aufgerufen: 08.08.2009)

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 39

Page 40: Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art

Abbildungen

1 Teresa Margolles, Entierro / Burrial, 1999. 20 x 40 x 60 cm. Realisiert mit der Künstlergruppe SEMEFO. Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main 2004. [ http://www.mmk-frankfurt.de/typo3temp/pics/B_08a13491e3.jpg

(aufgerufen 7. September 2011) ]

2 Teresa Margolles, Screenshot Bañando al bebé / Bathing (1999 / Mexico / 7 min.). [ http://www.lavitrina.com/

artman/uploads/margolles.jpg (aufgerufen 07. September 2011) ]

Das Parallelepiped und sein Double. Entierro als Widergänger der amerikanischen Minimal Art. ❘ 40