das ruhrgebiet: der anhaltende industrielle …...2018/10/30 · • das ruhrgebiet als...
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30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl
Regionalpolitik neu denken Hamburgische Landesvertretung Berlin
Das Ruhrgebiet: Der anhaltende industrielle Strukturwandel im Spiegel der Regionalpolitik
1 Wo steht das Ruhrgebiet?
2 Die Regionalpolitik in Deutschland
3 Regionalpolitik versus Strukturförderung im Ruhrgebiet
4 Wie kann die Regionalpolitik zukünftig besser an Rhein und Ruhr wirken?
Agenda
30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl 2
1 Wo steht das Ruhrgebiet?
2 Die Regionalpolitik in Deutschland
3 Regionalpolitik versus Strukturförderung im Ruhrgebiet
4 Wie kann die Regionalpolitik zukünftig besser an Rhein und Ruhr wirken?
Agenda
30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl 3
4 30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl
Quelle: Wikipedia
Steckbrief Wo steht das Ruhrgebiet?
• 5,1 Millionen Einwohner • Größter deutscher Ballungsraum • 15 Kreise, 13 Großstädte, 53
Kommunen • Größte Städte: Dortmund und Essen,
je ca. 585.000 Einwohner • Aufteilung auf 3 Regierungsbezirke • Regionalverband Ruhr (RVR) als
institutioneller Überbau der Metropolregion
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Quelle: VGR der Länder, 2018
Entwicklung der Einwohnerzahl, 2000 = 100
Einwohnerzahl: Stabilisierung gelungen?
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Deutschland 7 Metropolregionen 70 Städte (ab 100.000 Einw.) Nordrhein-Westfalen Ruhrgebiet
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Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Arbeitslosenquoten 2005 bis 2017 im Vergleich der Regionstypen, Jahresdurchschnitt Arbeitslosigkeit: Rückstand im Ruhrgebiet
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Deutschland 7 Metropolregionen 70 Städte (ab 100.000 EW) Nordrhein-Westfalen Ruhrgebiet
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Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, 2000 und 2016 Das BIP je Einwohner in den Top-7 Metropolräumen
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Quelle: VGR der Länder, 2018
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Quelle: VGR der Länder, 2017
Entwicklung des BIP je Einwohner, 2000 = 100
In der Wirtschaftskraft fällt das Ruhrgebiet nicht weiter zurück
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Deutschland 7 Metropolregionen 70 Städte (ab 100.000 Einw.) Nordrhein-Westfalen Ruhrgebiet
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Quelle: VGR der Länder, 2018
Bruttowertschöpfungsanteil des Verarbeitenden Gewerbes nach Regionstypen, 2000 bis 2015
Industrielle Wertschöpfung: Rückstand weitet sich aus
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Deutschland 7 Metropolregionen 70 Städte (ab 100.000 Einw.) Nordrhein-Westfalen Ruhrgebiet
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1 Wo steht das Ruhrgebiet?
2 Die Regionalpolitik in Deutschland
3 Regionalpolitik versus Strukturförderung im Ruhrgebiet
4 Wie kann die Regionalpolitik zukünftig besser an Rhein und Ruhr wirken?
Agenda
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30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW)
Regionalförderung in Deutschland
• Abbau interregionaler Einkommensunterschiede • Schaffung neuer Arbeitsplätze
Inhaltliche Ausrichtung
• Vorwiegend direkte Zuschüsse zu den Investitionskosten privater Unternehmen • Ergänzend Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur
Fördermethode
• Grundlage bildet ein Indikatormodell auf Basis von Arbeitsmarktregionen • Förderung beschränkt sich auf die strukturschwächsten Regionen
Abgrenzung des Fördergebiets
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Quelle: BMWi
Arbeitslosenquote und Lohnniveau entscheidend
GRW Regionalindikator
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Bruttojahreslohn jesozialversicherungspflichtigBeschäftigten 2010Erwerbstätigenprognose 2010 bis2018
Infrastrukturindikator (Stand: 30.September 2012)
Durchschnittliche Arbeitslosenquoteder Jahre 2009 bis 2012
GRW-Indikator
Kennziffern in Deutschland Durchschnittliche Arbeitslosenquote Geht mit 45 % in den GRW- Regionalindikator ein.
Bei Festlegung der aktuellen Fördergebiete noch hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland; in den meisten AMR über 10 Prozent.
Seither starke Annäherung (September 2018: West 4,7 %, Ost 6,5 %)
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Kennziffern in Deutschland Durchschnittlicher Bruttojahreslohn Geht mit 40 % in den GRW-Regionalindikator ein.
Annäherung zwischen Ost- und Westdeutschland verläuft schleppend.
Die Differenzen zwischen den kaufkraft-bereinigten Nettolöhnen sind allerdings weit geringer „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“
30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl Seite 14 14
GRW Fördergebiete in Deutschland 2014-2020 Gemeindescharfe Abgrenzung
Bevölkerungsplafonds: 25,85 Prozent Fördersätze: 10-50 % der Investitionssumme Unterscheidung nach Unternehmensgröße (KMU werden stärker gefördert)
30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl Seite 16 16
Volumen bewilligter GRW-Mittel 1991-2015 In Millionen Euro Während 1991 vereinigungsbedingt noch 6 Milliarden Euro für die GRW ausgegeben wurden, sind es seit 2007 nur noch ca. 1,5 Milliarden Euro p.a.
Davon entfallen 75-80 % auf Investitionszuschüsse, der Rest auf wirtschaftsnahe Infrastruktur.
BAFA (2016) 2015 vorläufig (unvollständig)
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1 Wo steht das Ruhrgebiet?
2 Die Regionalpolitik in Deutschland
3 Regionalpolitik versus Strukturförderung im Ruhrgebiet
4 Wie kann die Regionalpolitik zukünftig besser an Rhein und Ruhr wirken?
Agenda
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30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl
1959: Erste Kohlekrise und Start der Regionalpolitik im “Zentrale-Orte-Programm”
Strukturpolitik und Regionalpolitik: Nicht das Gleiche
Das Ruhrgebiet: Reiche Region in der Krise
• Programm der NRW-Landesregierung für Industrieansiedlungen und Bildung:
• Ruhr-Universität Bochum (1960/65), Universität Dortmund (1962/68)
• Opel-Ansiedlung in Bochum (1960-62)
• Strukturpolitisches Gesamtkonzept der Landesregierung erst 1966
Regionalpolitik für ländliche Regionen
• „Entwicklungsprogramm für Zentrale Orte in ländlich schwach strukturierten Gebieten“.
• Förderung industrieller Investitionen und Ansiedlungen in strukturschwachen ländlichen Regionen.
• Kein Programm für Strukturwandel in Industrieregionen.
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1968/70: Zweite Kohlekrise und Start der GRW
Strukturpolitik und Regionalpolitik: Weiterhin getrennt
Die Probleme im Ruhrgebiet nehmen zu
• Rezession 1967 stürzt Ruhrgebiet in neue Krise.
• Monostrukturelle Ausrichtung bewirkt hohe Konjunkturabhängigkeit.
• „Entwicklungsprogramm Ruhr“ tritt 1968 in Kraft, 17 Mrd. DM Volumen über 5 Jahre
• 1970: „Nordrhein-Westfalen-Programm 1975”, 31 Mrd. DM Umfang
GRW als Kern der Regionalpolitik
• zentrales Instrument zur Bekämpfung regionaler Ungleichgewichte in Deutschland.
• Investitionszuschüsse in Branchen mit überregionalem Absatz.
• Das Ruhrgebiet als einkommensstarke Region mit Strukturproblemen ist weiter nicht GRW-Ziel.
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1973-89: Ölkrise und Start der GRW-Förderung in Regionen im Strukturwandel
Strukturpolitik und Regionalpolitik: Konvergenz
Erholung in Boomphasen bleibt im Ruhrgebiet aus
• Mit der Ölkrise verschärfen sich im Ruhrgebiet die Strukturprobleme.
• Hoffnung auf eine Renaissance der Kohle bestätigt sich nicht.
• Rückgang industrieller Wertschöpfung beschleunigt sich.
• NRW-Programm wird aufgrund fehlender Mittel nicht zu Ende geführt; Infrastrukturlücken bleiben bis heute.
GRW: Ergänzung um Industrieregionen
• GRW trotz zunehmender Probleme in Industrieregionen in den 1970ern auf ländlichen Raum beschränkt.
• In den 1980ern Start der Förderung für Industrieregionen mit Strukturproblemen in begrenztem Umfang.
• Hilfen für Ansiedlungen, aber auch für Umstrukturierung der Montanindustrie.
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1990-2018: Aufbau Ost steht im Zentrum der Regional- und Strukturpolitik
Strukturpolitik und Regionalpolitik: Im Osten beides
Ruhrgebiet fällt weiter zurück
• Das BIP je Einwohner unterschreitet ca. 1990 den deutschen Durchschnitt.
• Aufmerksamkeit zu dieser Zeit auf Wiedervereinigung fokussiert.
• Rückgang industrieller Wertschöpfung setzt sich fort.
• Förderung stark auf Abfederung des Strukturwandels der Montanindustrie ausgerichtet, kaum neue Branchen.
GRW wird zum Aufbau Ost-Programm
• Die GRW wird 1 : 1 auf die Neuen Länder übertragen.
• Flächendeckende Förderung.
• Volumen steigt bis auf 5,9 Mrd. Euro p.a.
• Fast 90 Prozent der Mittel fließen nach Ostdeutschland.
• Ab 2000 kräftige Kürzung der GRW-Mittel, Ost-Fokus bleibt.
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Quellen: FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2014; BBSR; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen
Relative Kaufkraftarmut Relative Einkommensarmut
Anteil der Personen in Prozent der Bevölkerung Hohe Armutsbetroffenheit im Ruhrgebiet
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1 Wo steht das Ruhrgebiet?
2 Die Regionalpolitik in Deutschland
3 Regionalpolitik versus Strukturförderung im Ruhrgebiet
4 Wie kann die Regionalpolitik zukünftig besser an Rhein und Ruhr wirken?
Agenda
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Quellen: Sunny forrest – Fotolia, Marco – Fotolia
Die Diskussion um „abgehängte“ ländliche Regionen nimmt Fahrt auf, während die realen Probleme sich in die Städte verschieben
Wahrnehmung und Wirklichkeit driften auseinander
Ländliche Regionen • Konvergenz zu den Städten seit 2000 • Stark rückläufige Arbeitslosigkeit • Nur wenige periphere Regionen
„abgehängt“ • Demografie als Hauptproblem
Städte • Weiterhin hohe Arbeitslosigkeit im
Ruhrgebiet und weiteren Städten • Einkommen kaufkraftbereinigt oft
niedriger als auf dem Land • Hohe Armutsgefährdung
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30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl
Quellen: VGR der Länder; eigene Berechnungen
Wirtschaftskraft der urbanen und ländlichen Regionen, D = 100 Regionale Konvergenz
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70 Städte ab 100.000 Einwohner Ländliche Kreise Deutschland
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• Ab 2020 neue Förderkulisse ohne Ost-Fokus. • Arbeitslosigkeit in strukturschwachen Gebieten sinkt schnell, in vielen ländlichen
Regionen Arbeitskräftemangel. • Verschiebung der Probleme auf Städte. • Innovationen und Produktivität statt Investitionen in neue Arbeitsplätze fördern?
GRW (1,3 Mrd. Euro p.a.)
• Im zukünftigen EU-Haushalt wird wegen Brexit und hohem deutschen Wachstum weniger Geld für Deutschland verfügbar sein. Teilausgleich durch nationale Mittel?
EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (1,7 Mrd. Euro)
• Kürzungen für Deutschland wahrscheinlich, AL v.a. in Südeuropa hoch. • Verzahnung mit gruppenbezogenen nationalen Programmen?
ESF – Europäischer Sozialfonds (1,1 Mrd. Euro)
Regionalpolitik neu denken? Innovationen und Produktivität in den Mittelpunkt rücken
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30.10.2018 / Dr. Klaus-Heiner Röhl
• mit GRW sowie Maßnahmen zur Jugendförderung aus dem ESF und EU-Mitteln für integrierte Investitionen (ITI) auf Städte mit Strukturproblemen und hohen Armutsquoten konzentrieren.
Programm „Soziale Stadt“
• Ganztagsbetreuung von Schülern, Fortbildungskurse, Gründungen u.Ä. fokussiert in strukturschwachen Städten fördern.
• Periphere Regionen: Daseinsvorsorge in den Mittelpunkt rücken? (Arztpraxen, Rufbusse, Einkaufsmöglichkeiten)
Regionale Anti-Armutspolitik
GRW und EU-Mittel, Städtebauförderung, BA-Mittel, Fortbildung
Die Verzahnung der Regionalpolitik mit weiteren Instrumenten als Lösungsansatz?
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www.iwkoeln.de [email protected] +49 (0)30 278777-130
Strukturwandel und Wettbewerb
Dr. Klaus-Heiner Röhl