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4. Internationale Holzbrückentage IHB 2016 Dauerhafte Holzbrücken – Schäden, Lösungsansätze, integrale Bauweisen | S. Aicher 1 Dauerhafte Holzbrücken – Schäden, Lösungsansätze, integrale Bauweisen Dr. Simon Aicher Materialprüfungsanstalt (MPA) Universität Stuttgart Stuttgart, Deutschland

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4. Internationale Holzbrückentage IHB 2016

Dauerhafte Holzbrücken – Schäden, Lösungsansätze, integrale Bauweisen | S. Aicher

1

Dauerhafte Holzbrücken – Schäden, Lösungsansätze, integrale Bauweisen

Dr. Simon Aicher

Materialprüfungsanstalt (MPA)

Universität Stuttgart

Stuttgart, Deutschland

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Dauerhafte Holzbrücken – Schäden, Lösungsansätze, integrale Bauweisen

1. Einleitung

Brücken sind unverzichtbare Bausteine für die Infrastruktur und prägen ihr Umfeld sowohl

durch Form- wie durch Materialwahl. Mit der Verwendung des nachwachsenden Baustoffes

Holz dokumentieren sie ihren Bezug zur Umwelt und folgen dem Prinzip der Nachhaltig-

keit. Bauen und Gestalten mit dem Werkstoff Holz hat sich vor dem Hintergrund zwingend

erforderlicher Lösungen zur Reduzierung der globalen Erwärmung in den letzten Jahrzehn-

ten sehr positiv weiterentwickelt. Hierzu haben zahlreiche Innovationen bei ingenieurmä-

ßig optimierten Holzmaterialien, die Präzisierung des konstruktiven Holzschutzes und neue

Verbindungsmittel beigetragen.

Der Holzbrückenbau kann auf viele Jahrhunderte beeindruckender Leistungen verweisen.

Andererseits führten in jüngerer Vergangenheit Fehler bei holzbauspezifischen Planungs-

und Ausführungsdetails zu erheblichen Schäden und in der Folge zu normativ einschrän-

kenden Regulierungen. Diese resultierten sodann ungeachtet der generell steigenden

Wertschätzung des Naturbaustoffes Holz teilweise in einem Negativ-Image bei Entschei-

dungsträgern, dem entgegen zu wirken ist. Im Speziellen gilt es, die seit 2013 aus gegebe-

nem Anlass in die Richtlinie für die einheitliche Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und

Auswertung von Brückenuntersuchungen eingeführte, jährliche Hauptprüfung von Holzbrü-

cken im Bereich von Gewässern oder ähnlichem, die eine erhebliche Schlechterstellung des

Baustoffes Holz gegenüber anderen Brückenbaustoffen darstellt, zu korrigieren.

Im Rahmen eines vom Land Baden-Württemberg und der Europäischen Union geförderten

EFRE-Forschungsvorhaben wurde der Versuch unternommen, belastbare Grundlagen und

Lösungsansätze für neuzeitliche robuste Holzbrücken zu schaffen. In einem ersten Schritt

wurden hierbei ausschließlich Fußgänger- und Radwegbrücken betrachtet. Zentraler Punkt

des Projektes war eine umfassende Bestandsaufnahme von Holzbrücken und insbesondere

deren Schäden, die eingehend katalogisiert und typisiert wurden. In einem zweiten Schritt

erfolgte sodann die Entwicklung von robusten und dauerhaften Konstruktionsprinzipien

und -details zur Vermeidung typischer Schadensmuster. Die entwickelten Lösungsansätze

wurden sodann im Rahmen der auf dem Campus der Universität Stuttgart errichteten

vollmaßstäblichen «Stuttgarter Brücke» zur Erprobung und Beurteilung umgesetzt. Nach-

stehend wird über Schäden, Lösungsansätze und integrale Bauweisen mit der Zielrichtung

auf dauerhafte Holzbrücken berichtet.

2. Schäden

2.1. Allgemeines, DIN 1076 und RI-EBW-PRÜF

Der bauliche und verkehrssicherheitstechnische Zustand von Brückenbauwerken wird in

Deutschland bei allen Bauwerken, die in der Baulast des Bundes und der Länder sind, auf

der Grundlage der Regelwerke DIN 1076 [1] und hierauf aufbauend gemäß der BMVBS-

Richtlinie RI-EBW-PRÜF [2] analysiert und bewertet. Dies gilt in abgeschwächter Form

auch für Brücken in der Baulast von Kommunen und Städten. In verallgemeinerter Sicht-

weise repräsentiert die Zustandsbewertung zunächst die Feststellung und Aufnahme von

Schäden nach Art, Ausmaß und Häufigkeit und hierauf aufbauend die Bewertung des Ein-

zelschadens und der Gesamtheit der Schäden bezogen auf Bauteilgruppen (z.B. Überbau,

Unterbau, Gründung, etc.) und sodann das Gesamtbauwerk.

Die Feststellung und Bewertung von Schwachstellen und Schäden und die sodann vorzu-

schlagenden geeigneten Maßnahmen repräsentierten in allen Teilbereichen des menschli-

chen Agierens, sei es bei unbelebten Dingen (Bauwerken, Maschinen) oder bei Tieren und

Menschen selbst häufig/meist eine sehr komplexe Thematik, bei der durchweg, wenn

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gleich nicht erwünscht, subjektive Faktoren eine häufig erhebliche Rolle spielen. Die Fest-

stellungs- und Bewertungsproblematik nimmt dabei durchweg mit der Komplexität des zu

bewertenden Objekts und insbesondere mit der Länge des Zeitraums für den Bewertungen

zu erstellen sind, enorm zu.

Um Schadensaufnahmen und -bewertungen objektiv und vergleichbar zu machen, sind

streng definierte, hierarchisch aufgebaute Regelwerke erforderlich, die für den Brücken-

bau mit DIN 1076 [1], RI-EBW-PRÜF [2], den Kombinationsalgorithmen von Haardt [3]

und dem Programmsystem SIB-Bauwerke in weit gediehenem Umfang vorliegen, die

jedoch in Bezug auf Holzbauwerke eindeutig noch zu verbessern sind.

In stark verknappter Form lässt sich die Vorgehensweise nach [2] im Rahmen gesetzlich

vorgeschriebener, bezüglich zeitlicher Intervalle und der Begutachtungsumfänge in DIN

1076 [1] geregelter Brückenprüfungen wie folgt zusammenfassen. Jeder detektierte Ein-

zelschaden wird zunächst hinsichtlich der Bewertungskriterien Standsicherheit (S), Ver-

kehrssicherheit (V) und Dauerhaftigkeit (D) mittels einer fünfstufigen Bewertungsskala

(Noten 0-4) klassifiziert. Tabelle 1 enthält exemplarisch die Schadensbewertung für das

Kriterium Dauerhaftigkeit (D) nach [2]. Mit angegeben in Tabelle 1 sind zu den einzelnen

Noten beispielhafte Schäden aus dem Anhang «Schadensbeispiele» zu [2]. Die Beispiel-

schäden sind mit eindeutigen Kennnummern «BSP-ID» zur Weiterverrechnung im Pro-

grammsystem SIB-Bauwerke versehen. Es ist anzumerken, dass die für den Bereich

Holzbrücken(-bauteile) aufgeführten Schadensbeispiele u.a. betreffend Risstiefendefiniti-

onen und Fäulnisschäden grundlegend zu überarbeiten sind.

Aus den Einzelnoten für S, V und D wird sodann mittels des von Haardt [3] entwickelten

Verfahrens einer objektivierten Zustandserfassung eine Basiskennzahl des Einzelschadens

ermittelt. Hierauf aufbauend wird sodann mittels Zu- bzw. Abschlägen ΔZ1, ΔZ2, die den

Schadensumfang U und die Schadensanzahl n innerhalb einer Bauteilgruppe betreffen,

programmgestützt (SIB-Bauwerke) eine Gesamtnote für den Zustand des Teil- und

Gesamtbauwerks ermittelt. Die Bauteilgruppe bzw. das Gesamtbauwerk können hierbei

gemäß in sechs Zustandsnotenbereiche von 1,0-1,4 (sehr guter Zustand) bis 3,5-4,0 (un-

genügender Zustand) eingruppiert werden.

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Tabelle 1: Schadensbewertung und Beispiele für die Bewertung der Dauerhaftigkeit (D) nach [2]

Schadensbewertung und Beispiele der Dauerhaftigkeit (D)

Note Beschreibung Beispiele1: BSP_ID

0 Der Mangel/Schaden hat keinen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit des Bauteils/Bauwerks.

- Graffiti an Sichtflächen 020-01

- Geländer zu große Füllstab-, Fuß-holmabstände (Abweichung > 2 cm)

231-13

1 Der Mangel/Schaden beeinträchtigt die Dauerhaf-tigkeit des Bauteils, hat jedoch langfristig nur ge-ringen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit des Bauwerks. Eine Schadensausbreitung oder Folgeschädigung ist nicht zu erwarten. Schadensbeseitigung im Rahmen der Bauwerksun-terhaltung

- Brettschichtholz, Klebefuge, Risstiefe t ≤ 0,03l Fuge

016-04

- Beläge / Holz leichte, stellenweise Verschmutzung (leichte Rutschge-fahr)

245-01

- Holzgeländer, Handlauf, Füllstäbe schadhaft, Verletzungsgefahr

231-20

2 Der Mangel/Schaden beeinträchtigt die Dauerhaf-tigkeit des Bauteils und kann langfristig auch zur Beeinträchtigung die Dauer-haftigkeit des Bauwerks führen. Die Schadensausbreitung oder Folgeschädigung anderer Bauteile kann nicht ausgeschlossen wer-den. Schadensbeseitigung mittelfristig erforderlich.

- Hirnholz, frei bewittert ohne Abde-ckung

015-13

- Erdkontakt der Hauptträger im Auflagerbereich

015-10

- Holzschutz / Imprägnierung nicht mehr wirksam; aufgefaserte Ober-fläche

05-014

- Holz Beläge starke Verschmutzung mit feuchtigkeits-speichernden Materialien wie Laubreste/Moos (Rutschgefahr)

245-02

3 Der Mangel/Schaden beeinträchtigt die Dauerhaf-tigkeit des Bauteils und führt mittelfristig zur Be-einträchtigung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks. Eine Schadensausbreitung oder Folge-schädigung anderer Bauteile ist zu erwarten. Schadensbeseiti-gung kurzfristig erforderlich.

- Brückenüberbau Starker Pilzbefall an den Querbohlen, fortgeschritte-nes Stadium, Fruchtkörper sichtbar

015-06

- Holzträger Risstiefe t > 0,7b 016-03

- Brettschichtholz, Klebefuge Risstiefe t > 0,1l Fuge

016-06

4 Durch den Mangel/Schaden ist die Dauerhaftigkeit des Bauteils und des Bauwerks nicht mehr gege-ben. Die Schadensausbreitung oder Folgeschädigung an-derer Bauteile erfordert umgehend eine Nutzungs-einschränkung, Instandsetzung oder Bauwerkserneuerung.

- Hauptträger im Auflagerbereich durch Erdkontakt stark ver-fault/vermodert

015-11

- Abweichung der Hauptbauteile von der vorgesehenen Gebrauchs-lage >10%

015-15

1Die Beispiele sind aus den Schadensbeispielen der RI-EBW-PRÜF (2013) entnommen.

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Tabelle 2: Definition der Zustandsnotenbereiche entsprechend RI-EBW-PRÜF:2013

Definition der Zustandsnotenbereiche (Z)

Zustand der Bauteilgruppen

Zustand des Bauwerks

Durchzuführende Maßnahmen

1,0 - 1,4 sehr guter Zustand ----

Die Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit des Bauwerks sind gegeben.

Laufende Unterhaltung erforderlich.

1,5 - 1,9 guter Zustand Die Dauerhaftigkeit mindestens einer Bauteilgruppe kann beeinträchtigt sein.

Die Standsicherheit, Verkehrssicherheit des Bauwerks sind gegeben. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerks kann langfristig geringfügig beeinträchtigt werden.

Laufende Unterhaltung erforderlich.

2,0 - 2,4 befriedigender Zustand Die Standsicherheit und/oder Dauerhaftigkeit mindestens einer Bauteilgruppe können beeinträchtigt sein.

Die Standsicherheit, Verkehrssicherheit des Bauwerks sind gegeben. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerks kann langfristig beeinträchtigt werden. Eine Schadensausbreitung oder Folgeschädigung des Bauwerks, die langfristig zu erheblichen Standsicherheits- und/ oder Verkehrssicherheits- Beeinträchtigung oder erhöhtem Verschleiß führt, ist mög-lich.

Mittelfristig Instandsetzung erforderlich. Maßnahmen zur Schadensbeseitigung oder Warnhinweise zur Auf-rechterhaltung der Verkehrssicherheit können kurzfristig erforderlich werden.

2,5 - 2,9 ausreichender Zustand Die Standsicherheit und/oder Dauerhaftigkeit mindestens einer Bauteilgruppe können beeinträchtigt sein.

Die Standsicherheit des Bauwerks ist gegeben. Die Verkehrssicherheit des Bauwerks kann beeinträchtigt sein. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerks kann beeinträchtigt sein. Eine Schadensausbreitung oder Folgeschädigung des Bauwerks, die mittelfristig zu erheblichen Standsicherheits- und/ oder Verkehrssicherheits- Beeinträchtigung oder erhöhtem Verschleiß führt, ist zu er-warten.

Kurzfristig Instandsetzung erforderlich. Maßnahmen zur Schadensbeseitigung oder Warnhinweise zur Auf-rechterhaltung der Verkehrssicherheit können kurzfristig erforderlich sein.

3,0 - 3,4 nicht ausreichender Zustand ----

Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit des Bauwerks sind beeinträchtigt. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerks kann nicht mehr gegeben sein. Eine Schadensausbreitung oder Folgeschädigung kann kurzfristig dazu führen, dass die S und/ oder V nicht mehr gegeben sind.

Umgehende Instandsetzung erforderlich. Maßnahmen zur Schadensbeseitigung oder Warnhinweise zur Auf-rechterhaltung der V oder Nutzungseinschränkungen sind umgehend erforderlich.

3,5 - 4,0 ungenügender Zustand ----

Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit des Bauwerks sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerks kann nicht mehr gegeben sein. Eine Schadensausbreitung oder Folgeschädigung kann kurzfristig dazu führen, dass die S und/ oder V nicht mehr gegeben sind oder sich ein irreparabler Bauwerksverfall einstellt.

Umgehende Instandsetzung bzw. Erneuerung erforderlich. Maßnahmen zur Schadensbeseitigung oder Warnhinweise zur Aufrechterhaltung der V oder Nutzungsein-schränkungen sind sofort erforderlich.

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2.2. Zustandsnoten von Holzbrücken

Während es für Brücken, die den Materialien bzw. Bauweisen – Stahl, Beton, Spannbeton

und Verbundbau – zuzuordnen sind, umfangreiche statistisch aufbereitete Unterlagen zum

baulichen Zustand gibt [u.a. [4], [5]], liegen zusammenfassende Schriften für den Bereich

des Holzbrückenbaus nur in sehr geringen Umfang vor. Aus dem europäischen Ausland ist

hierzu insbesondere die Arbeit [6] der EMPA zu nennen. Alle literaturbekannten Untersu-

chungen liefern wichtige Beiträge zu Schadensarten und -umfängen, lassen sich jedoch

nicht oder nur äußerst schwierig in das einheitliche Erfassungs- und Bewertungssystem

nach [2] überführen.

Im Rahmen des 2015 abgeschlossenen Forschungsvorhabens «Stuttgarter Holzbrücke»

[7], [8] wurde die wahrscheinlich umfangreichste bekannte Zustandsbewertung von Holz-

brücken in Deutschland vorgenommen. In dem ausschließlich auf Geh- und Radwegbrü-

cken aus Holz fokussierten Forschungsvorhaben wurden insgesamt 103 Brückenbauwerke

eingehend analysiert und nach den Vorgaben der RI-EBW-PRÜF [2] in Verbindung mit dem

Programmsystem SIB-Bauwerke ausgewertet. Von der Gesamtheit der Brücken wurden

48 direkt seitens der Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart im Auftrag von Regie-

rungspräsidien, Kommunen und Gemeinden eingehend begutachtet und bewertet. Die

Angaben zu den nicht speziell begutachteten Brücken wurden den zur Verfügung gestell-

ten Bauwerksbüchern entnommen. Alle Daten wurden in anonymisierter Form zusammen-

geführt und statistisch nach unterschiedlichsten Kriterien ausgewertet. Nachstehend

werden einige zusammenfassende Auswertungen aus [7], [8] erläutert.

Betrachtet man alle Brücken undiffe-

renziert nach Brückentyp und -alter

sowie ohne Unterscheidung hinsicht-

lich der Ausführungskriterien «ge-

schützt», «ungeschützt» und

«teilgeschützt» so ergibt sich der in

Abbildung 1a gezeigte Sachverhalt.

Wie

ersichtlich, konnten lediglich 7% der

Holzbrückenbauwerke den Zustands-

notenbereichen «sehr gut» bzw.

«gut» zugeordnet werden. Die deut-

lich überwiegende Anzahl der bewer-

teten Brückenbauwerke (rd. 40%)

war

sodann in den Zustandsnotenbereich

«befriedigend» einzugruppieren, wo-

mit in Summe rd. 50% aller Bauwerke

in den zusammenfassenden Zu-

standsnotenbereich – sehr gut, gut,

befriedigend – fielen. Für eine sehr

hohe Anzahl von Brücken (rd. 30%)

konnte lediglich ein (noch) «ausrei-

chender» Zustand im Notenbereich

2,5-2,9 ermittelt werden und für 25%

der Brücken war im Weiteren lediglich

eine Zuordnung zu den Zustandsno-

tenbereichen «nicht ausreichend»

(3,0-3,4)» und «ungenügend» (3,5-

4,0) möglich.

Differenziert man innerhalb der jeweiligen Zustandsnotenbereiche nach Altersklassen, ab-

gestuft in Fünf-Jahres-Stufen, dann ergibt sich der Abbildung 1b dargestellte Sachverhalt.

Grob vereinfacht belegen die altersbezogenen Häufigkeitsverteilungen, dass mit zuneh-

mend ungünstigerem Zustandsnotenbereich die Häufigkeit größerer Brückenalter > 20

Jahre deutlich zunimmt, d.h. ältere

Abbildung 1a und b: Verteilung der Zustandsnoten der un-tersuchten Holzbrücken a) insgesamt b) differenziert nach Altersgruppen

2 6

42

27

1412

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

1,0-1,4sehr gut

1,5-1,9gut

2,0-2,4befriedigend

2,5-2,9ausreichend

3,0-3,4nicht

ausreichend

3,5-4,0ungenügend

Häu

figk

eit

Zustandsnotenbereiche

0

2

4

6

8

10

12

1,0-1,4sehr gut

1,5-1,9gut

2,0-2,4befriedigend

2,5-2,9ausreichend

3,0-3,4nicht ausreichend

3,5-4,0ungenügend

Häu

figk

eit

Altersdifferenzierung - Zustandsnoten

≤ 5 Jahre

≤ 10 Jahre

≤ 15 Jahre

≤ 20 Jahre

≤ 25 Jahre

≤ 30 Jahre

> 30 Jahre

nicht bekannt

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Brücken weisen im Allgemeinen schlechtere Zustandsnoten auf. Dieser Sachverhalt ist

intuitiv naheliegend, wobei jedoch die Altersschwelle für den Begriff «alte Brücken» spe-

ziell mit Blick auf die Ablöserichtlinie [9] eindeutig zu niedrig liegt.

Betrachtet man die Untersuchungser-

gebnisse sodann differenzierter hin-

sichtlich des Brückentyps und

Schutzzustands so ergeben sich

erhebliche Zustandsunterschiede.

Dieser Sachverhalt, der in [7] aus-

führlicher dargelegt ist, wird nachfol-

gend anhand eines Vergleichs von

Trogbrücken und Deckbrücken aufge-

zeigt. Abbildung 2 veranschaulicht

diesbezüglich die Häufigkeit der Zu-

standsnoten, die für geschützte, un-

geschützte und ungeschützte

überdachte Trogbrücken mit Bau-

werksaltern ≤ 15 Jahren und für äl-

tere Bauwerke erhalten wurden. Im

Vergleich zu den Trogbrücken zeigt

Abbildung 3 die Zustandsnotenberei-

che von Deckbrücken (bzgl. der ge-

nauen Definition des Brückentypus

«Deckbrücke» vgl. [7]).

Die Trogbrücken, die rd. 25% aller

untersuchten Holzbrücken repräsen-

tieren, wiesen summarisch die deut-

lich ungünstigste Zustandsnoten-

verteilung auf. Mehr als 50% aller 27

Trogbrücken lagen im zusammenge-

fassten «ausreichend bis ungenügen-

den» Zustandsnotenbereich (2,5-4,0)

und rd. 25% der Trogbrücken wiesen

Zustandsnoten im ungenügenden

Bereich (3,5-4,0) auf. Differenziert man sodann jedoch nach Schutzklassen und Bau-

werksaltern, so ist festzustellen, dass die sehr schlechte Bewertungslage dieser Brücken-

klasse vornehmlich auf ungeschützt ausgeführte ältere Trogbrücken zurückzuführen ist.

Im Gegensatz zu den Trogbrücken wiesen die Deckbrücken, die insgesamt lediglich 10%

des untersuchten Brückenbestandes ausmachten, summarisch die günstigsten Bauwerks-

zustände auf. Keine Brücke dieses Typs war in den ungenügenden Bereich einzustufen

und 75% aller Deckbrückenbauwerke waren dem zusammenfassenden Zustandsnotenbe-

reich «gut – zufriedenstellend» (1,0-2,4) zuzuordnen.

2.3. Schadenstypen

Das Hauptziel der Brückenuntersuchungen im Forschungsvorhaben «Stuttgarter Holzbrü-

cke» [7] bestand eher nachgeordnet darin, statistische Auswertungen zu Zustandsnoten

(-bereichen) von Holzbrücken zu erhalten, als vielmehr darin, erstmals stringent Scha-

denstypen in Verbindung mit spezifischen Holzbrücken-Bausystemen, zu katalogisieren

und sodann aufbauend hierauf Lösungsvorschläge zur Schadensvermeidung zu erarbeiten.

Die Untersuchungen [7] zeigten eindeutig, dass sich nahezu alle Schäden häufig wieder-

kehrenden Schadenstypen zuordnen lassen, wobei diese sodann häufiger nur brückentyp-

spezifisch auftreten. Insgesamt wurden sechs allgemeine Schadenstypen klassifiziert, die

i.d.R. mehrere Schadenstyp-Untergruppen aufweisen. Tabelle 3 enthält eine Zusammen-

stellung aller klassifizierten Schadenstypen und der 15 Schadenstyp-Untergruppen sowie

deren Zuordnung zu bestimmten Brückentypen, bei denen der jeweilige Schadenstyp häu-

fig/ausschließlich auftritt.

Abbildung 2: Zustandsnoten von Trogbrücken unterteilt nach Schutzklassen und Altersgruppen

Abbildung 3: Zustandsnoten von Deckbrücken

0

1

2

3

4

5

6

7

1,0-1,4sehr gut

1,5-1,9gut

2,0-2,4befriedigend

2,5-2,9ausreichend

3,0-3,4nicht

ausreichend

3,5-4,0ungenügend

Häu

figk

eit

Zustandsnotenbereiche

geschützt<15 Jahre

geschützt ≥15 Jahre

ungeschützt jedoch überdacht≥15 Jahre

ungeschützt<15 Jahre

ungeschützt≥15 Jahre

0

2

4

6

8

10

12

14

1,0-1,4 1,5-1,9 2,0-2,4 2,5-2,9 3,0-3,4 3,5-4,0

Häu

figke

it

Zustandsnotenbereiche von Deckbrückend)

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Tabelle 3: Zusammenstellung der abstrahierten Schadenstypen und Schadenstyp-Untergruppen sowie deren Zuordnung zu bestimmten Brückentypen

Allgemeiner Schadenstyp

Schadens-typ- Unter-gruppe

Akronym der Schadenstyp-Unter-gruppe

Brückentyp(en) mit häu-figem Vorkommen des Schadenstyps

1 LESS-Ansammlungen

1a LESS-Eck-/Nischen-Schaden Trogbrücken

1b LESS-Fachwerkknoten-Schaden Fachwerkbrücken

1c LESS-Belag-Trägerübergang-Schaden Trogbrücken

1d LESS-Anschlussblech-Schaden Trog-und H-Balkenbrü-cken

1e LESS-Träger-Belag-Abstandsschaden Trog-und H-Balkenbrü-cken

2 Bewitterte BSH-Sei-tenflächen

2a BSH-Bewitterungsschaden Trog-und H-Balken-und Bogenbrücken

3 Verbindungsmittel-durchdringungen

3a Belag-Haupt-/NebenträgerVerbin-dungsmittel-Schaden

Trog-und H-Balken-und Balkenbrücken

3b Vertikaler Hauptträger-Verbindungs-mittel-Durchdringungsschaden

Bogenbrücken

3c Stabdübel-/Bolzenanschluss Rissbildungsschaden

Trogbrücken, Fachwerk-brücken

4 Hirnholz-Abstands-schäden

4a Hirnholz-Kapillarsorptionsschaden Fachwerkbrücken

5 Belagsschäden

5a Bohlenfugen-Schaden Trog-, H-Balken-, Balken-und Fachwerkbrücken

5b Asphaltrisse- bzw. Fugen-Schaden Deckbrücken, Trog- brücken

5c Betonhauben-Schaden Deckbrücken

6 Hirnholz-Wasser/ LESS-Schäden

6a Hirnholz-Stützenfuß-Schaden Alle Brückentypen

6b Hirnholz-Widerlager-Übergangs-schaden

Trog-, Deck-und H-Balkenbrücken

6c Hirnholz-Bewitterungsschaden Trog-, Deck-und H-Balkenbrücken

Bei sehr vielen Schäden sind die Einwirkungen von Laub, Erde, Schnee und Splitt (LESS)

in Verbindung mit Nässe ursächlich. LESS Ansammlungen repräsentieren Bereiche mit

meist sehr hohen Feuchten, die abhängig von der Ausdehnung, den Volumina der Bereiche

auch nach langen Trocken- bzw. Warmperioden zu sehr hohen Holzfeuchten meist deutlich

oberhalb von 30%, d.h. oberhalb Fasersättigung führen und sodann im Regelfall schnellen

Pilzbefall bewirken. LESS-Schäden sind in den Allgemeinen Schadenstypgruppen 1 und 6

zusammengefasst.

Aus der Gesamtheit der in [7], [8] ausführlicher beschriebenen Schadens(unter)typen

werden nachstehend exemplarisch zwei Typen skizziert. Besprochen wird zum einen die

Schadenstyp-Untergruppe 3a «Belag-Haupt-/Nebenträger-Verbindungsmittelschaden»,

die dem allgemeinen Schadenstyp 3 «Verbindungsmitteldurchdringungen» zuzuordnen

ist. Zum anderen wird beispielhaft die Schadenstyp-Untergruppe 6b «Hirnholz-Widerla-

ger-Übergangsschaden» erläutert, die dem allgemeinen Schadenstyp 6 «Hirnholz-Was-

ser/LESS-Schaden» zuzuordnen ist. Für beide genannten Schadensuntertypen lassen sich

entweder in vergleichsweise einfacher Weise (wie im Falle des Typs 3a) und/oder sodann

in (sehr) innovativer Form (Typ 6b) konstruktive Lösungen zu deren Vermeidung anbieten.

Die Lösungsansätze, die auch baupraktisch in der vollmaßstäblichen «Stuttgarter Holzbrü-

cke» [10], [11] umgesetzt wurden, werden sodann nachstehend in Abschnitt 3 erläutert.

Der Schadenstyp 3a (Akronym: Belag-Hauptträger-Verbindungsmittel-Schaden) be-

schreibt die Schäden, die aufgrund der Durchdringung von Verbindungsmitteln durch den

Belag und die darunter liegenden Träger entstehen (vgl. Schemaskizze in Abbildung 4).

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10

Die Schäden treten auch bei einer zwischen Belag und Trägern vorhandenen Abdichtung

auf, da bereits kleinste punktuelle Durchdringungen mit Verbindungsmitteln zu einem

schadensrelevanten Feuchteeintrag in die Träger führen. Abbildung 5 zeigt die Ansicht

eines repräsentativen Schadensfalls des Schadenstyps 3a, der ungeachtet einer prinzipiell

vergleichsweise einfachen Vermeidbarkeit sehr häufig bei Trog-, Balken- und H-Balken-

brücken auftritt. Die Konsequenzen für die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit der Bau-

teilgruppe hängen sodann wesentlich davon ab, ob die Belagsbefestigung in den/die

Hauptträger eingebracht wurde, was i.d.R. zu irreparablen Fäulnisschäden führt, oder ob

die Belagsbohlen auf Sekundärträgern befestigt sind, wie meist bei Trogbrücken. Im letz-

teren Falle können auch bei gravierender Belags- und Unterkonstruktionsfäule erfolgreich

Instandsetzungs-/Austauschmaßnahmen durchgeführt werden.

Abbildung 4: Schemaskizzen des Schadenstyps 3a – Belag-Haupt-/Nebenträger-Verbindungsmittel-Schaden

Abbildung 5: Ansicht eines exemplarischen Belag-Hauptträger-Verbindungsmittel-Schadens (Typ 3a) mit weit fortgeschrittener Degradation des Haupt-/Nebenträgers

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11

Abbildung 6 zeigt eine Schemaskizze

des Schadenstyps 6b (Akronym: Hirn-

holz-Widerlager-Übergangsschaden).

Der insbesondere bei Balken-, Deck-

und Trogbrücken häufig auftretende

Schaden resultiert daraus, dass der

Abstand zwischen der vertikalen oder

abgeschrägten Hauptträger-Hirnholz-

fläche und der WiderlagerStirnwand

planmäßig oder infolge Monta-

geungenauigkeiten zu gering ist.

Hierbei kommt es zu LESS- und Was-

seransammlungen, die häufig auch

von oben über Öffnungen in Trittros-

ten oder über Schlitze in Dehnungsfu-

gen angereichert werden. Die meist

unzureichende Belüftungssituation

zwischen den Widerlagerflügelwän-

den und den skizzierten knappen Ein-

bausituationen der Träger führt des

Weiteren dazu, dass in den Sommer-

monaten ein häufig dauerfeuchtes

Mikro-Klima vorliegt, welches

Pilzwachstum deutlich befördert. Ab-

bildung 7 a, b zeigt exemplarisch die

Ansicht eines Hirnholz-Auflagerscha-

dens an einer ansonsten konstruktiv materialgerecht ausgeführten Deckbrücke mit block-

verklebtem Hauptträger.

Abbildung 7: Ansicht eines exemplarischen Hirnholz-Auflagerschadens an einer Deckbrücke mit blockverkleb-tem Hauptträger, a) Ansicht des Auflagerbereichs, b) Detailansicht mit keinem / zu geringem Abstand zur Widerlager-Rückwand

3. Konstruktive Lösungsansätze zur Vermeidung von biologischen Schäden

Sieht man von gravierenden Fehlern in der Tragwerksplanung/-bemessung der Brücken-

Primärtragstruktur ab, die sodann äußerst selten sind, so resultieren nahezu alle Schäden

an Holzbrücken aus falschen konstruktiven Lösungen in Bezug auf den baulichen Holz-

schutz, dem bei Brückenbauten infolge der extremen Witterungsexponiertheit der Kon-

struktion gegenüber Hochbauwerken noch verstärkte Bedeutung zukommt. In diesem

Zusammenhang kann nicht eindringlich genug darauf verwiesen werden, dass Holz als

Abbildung 6: Schemaskizzen des Schadenstyps 6b - Hirn-holz-Widerlagerübergangsschaden

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hoch poröser, kapillar-sorptiver Werkstoff ein extrem erhöhtes Degradationsverhalten bei

«stehender» Wassereinwirkung im Vergleich zu den anorganischen Werkstoffen Beton und

Stahl aufweist. Ein Holzbrückenbauwerk bei dem auch an kleinsten Stellen längerfristig

Holzfeuchten im Bereich von mehr als rd. 24% oder flüssiges Wasser vorliegen, weist eine

extrem hohe Wahrscheinlichkeit eines kurz-/mittelfristigen Pilzbefalls auf. Aus dieser si-

cheren Erkenntnis, die nebenbei bemerkt seit Jahrzehnten Stand der Wissenschaft ist und

somit Stand der Technik sein sollte, folgt unmittelbar die Hautpanforderung I an langfristig

dauerhafte und sodann stand- und verkehrssichere Brückenbauwerke aus Holz:

‒ Hauptanforderung I: rigoroser Ausschluss jeglicher auch noch so kleineren An-

sammlungsmöglichkeiten von Wasser und LESS. Anmerkung: insbesondere die letz-

tere Forderung repräsentiert für spezielle Brückentypen, insbesondere Fachwerk-

brücken mit vielen Verschneidungen und Ansammlungsmöglichkeiten, eine in Verbin-

dung mit den architektonisch gewünschten Ausführungen schwierig zu realisierende

Forderung.

Weitere Hauptforderungen zur Schadensvermeidung sind sodann:

‒ Hauptanforderung II: Man stelle durch nochmalige Überprüfung der konstruktiven

Details sicher, dass die Hauptanforderung I erfüllt ist. Vorstehendes mag als witzige

Bemerkung oder Anmaßung verstanden werden, ist jedoch ausschließlich sachdienlich

gemeint.

‒ Hauptanforderung III: Nun konkreter, in der Brückenkonstruktion sind ausnahmslos

Durchdringungen von oben in jeder Querschnittshöhe/-lage in Form jeglicher Verbin-

dungsmittel auszuschließen. Diese Hauptforderung führt bei bestimmten Brückenty-

pen bei dem Anschluss der Belagsunterkonstruktion und des Belags zu erheblichen

jedoch konstruktiv lösbaren Problemstellungen.

‒ Hauptanforderung IV: Die Primärtragstruktur des Überbaus ist durch zwei entkop-

pelte Abdichtungsebenen vor plan- und unplanmäßigem Wasserzutritt zu schützen.

‒ Hauptanforderung V: Der Querschnittsaufbau des Überbaus ist konstruktiv so aus-

zulegen, dass die Oberflächen der Primärtragstruktur zumindest bei Brückenhauptprü-

fungen (H) voll einsehbar (gegebenenfalls endoskopisch) sind.

‒ Hauptanforderung VI: Der Geh- und Fahrbelag muss so an das Primärtragwerk an-

geschlossen sein, dass er ohne größere Eingriffe in die Primärtragstruktur nach länge-

rer Nutzung (z.B. 30-40 Jahre) oder nach unplanmäßigen Einwirkungen ausgetauscht

werden kann.

Bezüglich weiterer Hauptanforderungen zur Vermeidung biologischer Schäden, siehe [7].

Basierend auf den vorstehenden Ausführungen lässt sich, sodann im Detail, der oben er-

läuterte Schadenstyp 3a (vgl. Abbildung 4) in einfacher Weise durch Befestigung der Be-

lagsbohlen von der Unterseite her lösen. Bezüglich einer möglichen geeigneten

Ausführung des Unterkonstruktionsanschlusses sei auf die Detaillösung bei der «Stuttgar-

ter Brücke» [11] verwiesen.

Die Vermeidung des oben genannten Schadentyps 6b lässt sich einerseits durch eine ext-

reme Vergrößerung des Abstands des Hirnholzendes der Haupttragstruktur von der

Widerlagerrückwand in Verbindung mit einer konstruktiven Verschalung der Hirnholzen-

den erreichen. Dieser entzerrte Widerlager-Hauptträgerübergang, der schematisch in Ab-

bildung 8 dargestellt ist, wurde bei einem der beiden Anschlusspunkte des im Grundriss

gekrümmten Stuttgart Brückenbauwerks [11] realisiert. Der Übergang vom Widerlager

zur Deckplatte erfolgt z.B. mittels eines Stahlrostes, der auf Winkelprofilen, die in der

Widerlagerwand befestigt sind, aufliegt. Die Deckplatte des Überbaus (z.B. Betonfertigteil

als Geh-/Fahrbahnbelagsplatte) kragt über das Hauptträgerende aus und schützt so die

Hauptträgerstirnflächen vor Bewitterung. Für Begutachtungszwecke und zur Sicherheit

gegen Feuchteansammlung durch Bewuchs muss der Abstand zwischen Widerlagerwand

und Trägerende (Hirnholzbereich) mindestens 60 cm betragen. Bezüglich weiterer Details

vgl. [7].

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Abbildung 8: Prinzip-Skizze eines entzerrten Widerlager-Hauptträger-Übergangs

4. Fugen- und lagerloser Widerlagerübergang –

integrale Bauweisen

Fugen- sowie Geh- bzw. Fahrwegübergänge rechtwinklig zur Brückenspannrichtung

repräsentieren Schwachstellen von Brücken aller Bauarten/-stoffe, insbesondere auch von

Beton- und Spannbetonbrücken. Die Unterhaltskosten von Übergängen sind im Vergleich

zu den übrigen Brückenteilen im Regelfall deutlich überproportional. Zur Vermeidung von

Fugen und Lagern werden in England und in den USA bei Stahlbetonbrücken mittlerer

Spannweiten (bis ca. 60 m) seit Jahrzehnten integrale Bauwerke standardmäßig realisiert

[u.a. [12]]. In Deutschland erfährt die Bauweise in den letzten Jahren einen starken

Zuwachs [u.a. [13], [14], [15]] Definitionsgemäß sind Überbauten integraler Brücken

über die gesamte Brückenlänge fugenlos durchlaufend und weisen keine Fugen und Lager

an den Widerlagern auf. Pfeiler zwischen den Widerlagen sind monolithisch an den Über-

bau angeschlossen. Neben den (voll) integralen Brücken existiert auch die Bauweise der

semi-integralen Brücken für die jedoch im englischsprachigen Raum und in Deutschland

unterschiedliche Definitionen gelten. Im deutschen Sprachraum wird nach [16], unter

einem semi-integralen Brückenbauwerk ein Rahmentragwerk verstanden, dass i) kein

integrales Bauwerk ist und ii) bei dem mindestens in zwei Achsen die Pfeiler monolithisch

an den Überbau angeschlossen sind. Die Widerlager sind sodann durch Fahrbahnüber-

gänge und Lager vom Überbau getrennt. Lagerlose integrale Brücken sind keine Erfindung

der Neuzeit, sondern wurden bereits von den Römern realisiert (Aquädukt von Segovia,

ca. 50 n. Chr.).

Sowohl (voll) integrale wie semi-integrale Bauarten wurden im Holzbrückenbau bislang nicht

realisiert und sind werkstoffbedingt auch nur in sehr spezieller bislang unerprobter Weise

auszuführen. Greift man sich das zentrale Element einer integralen Brücke, den fugen- und

lagerlosen Widerlager-Überbauübergang heraus, so kommt für diese biege- und torsions-

steife Anschlussart im Grunde nur ein Verguss von Stahl-Anschlusselementen im Holz mit

dem Betonwiderlager in Frage. Da ein mechanischer Anschluss der Anschlusselemente im

Holz, z.B. mittels verdübelter Schlitzbleche technisch-kostenmäßig wesentlich zu aufwendig

ist, lässt sich das integrale Widerlager-Konstruktionsprinzip im Grunde nur mittels im Holz

eingeklebter Betonrippenstähle realisieren, die sodann an den Widerlagerbaukörper in übli-

cher Stahlbetonbauweise durch Verguss angeschlossen werden. Bei diesem Anschluss ent-

steht, sofern keine zusätzliche Trennlage zwischen der Beton- und der Holzstirnseite

eingelegt wird, ein vollflächiger stirnseitiger Kontakt zwischen Holz und Beton. Diese bereits

vor Jahrzehnten in der vormaligen Sowjetunion für vorgefertigte Holz-Stahlbetonstützen

praktizierte Bauweise wurde im Hinblick auf biege- und torsionssteife integrale Holzbrücken-

anschlüsse in einem ersten Schritt an der MPA Universität Stuttgart an großformatigen Bie-

geprüfkörpern untersucht (vgl. Abbildung 9 und Abbildung 10).

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Abbildung 9: Schematische Darstellung des Prüfkörpers P2 in Längs- und Querschnitt

Infolge der festgestellten unproble-

matischen Herstellbarkeit und der

sehr hohen Tragfähigkeiten mit aus-

geprägt duktilem Versagen [17]

wurde dieser Anschluss sodann mit

noch deutlich größeren Abmessungen

für eines der beiden Auflager der

«Stuttgarter Holzbrücke» eingesetzt

[11]. Abbildung 11 zeigt die Herstel-

lung des integralen Widerlageran-

schlusses. Abbildung 12 zeigt den

fertiggestellten integralen Widerla-

gerstoß nach teilweiser Ausschalung

Mittels Überdeckung der vertikalen

Beton-Holz-Fuge durch den durchlau-

fenden Geh-/Fahrbelag und gleicher-

maßen durch die darunterliegenden

Abdichtungsebenen wird sodann der

Schadenstyp 6b voll umfänglich aus-

geschlossen. Die mit der neuartigen

Anschlusstechnik verbundenen gro-

ßen statischen Vorteile auch im Ver-

gleich zu üblichen integralen

Stahlbetonbrücken gegenüber denen

deutlich reduzierte Zwangskräfte er-

halten werden, werden an anderer

Stellte diskutiert.

Abbildung 10: Prüfkörper P2 im Prüfstand

Abbildung 11: Herstellung des integralen Widerlagerstoßes

Abbildung 12: Fertiger integraler Widerlagerstoß

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5. Literaturverzeichnis

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Überwachung und Prüfung.

[2] BMVBS, «RI-EBW-PRÜF:2013 - Richtline zur einheitlichen Erfassung, Bewertung,

Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN

1076,» Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bonn, 2013.

[3] P. Haardt, «Algorithmen zur Zustandsbewertung von Ingeniersbauwerken,» in

Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft B22, Bergisch Gladbach, 1999.

[4] J. Naumann, «Brückenertüchtigung jetzt - Ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der

Mobilität auf Bundesfernstraßen,» Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein, Berlin,

2011.

[5] W.-H. Arndt, «Ersatzneubau Kommunale Straßenbrücken,» Deutsches Institut für

Urbanistik, Berlin, 2013.

[6] M. Finger und M. Meili, Dauerhaftigkeit von offenen Holzbrücken - Forschungs- und

Arbeitsbericht, EMPA: Dübendorf, 2002.

[7] S. Aicher, N. Leitschuh und J. Hezel, «Abschlussbericht zum EFRE-

Forschungsvorhaben "Stuttgarter Holzbrücke",» Materialprüfungsanstalt

Universität Stuttgart, Stuttgart, 2015.

[8] S. Aicher und N. Leitschuh, «Geh- und Radwegbrücken aus Holz - Ergebnisse und

Konsequenzen aus 100 Brückenbegutachtungen,» Tagungsband 3. Stuttgarter

Holzbausymposium, pp. 7-20, 2015.

[9] ABBV:2010, «Verordnung zur Berechnung von Ablösungsbeträgen nach

Eisenbahnkreuzungsgesetz, dem Bundesfernstraßengesetz und dem

Bundeswasserstraßengesetz,» in BGBI. I, 2010, pp. 856-871.

[10] J. Hezel, N. Leitschuh und S. Aicher, «Die Stuttgarter Holzbrücke - Entwurf und

Bau des Stuttgarter Prototyps,» Tagungsband 3. Stuttgarter Holzbausymposium,

pp. 21-29, 2015.

[11] J. Hezel und S. Aicher, «Die Stuttgarter Brücke - ein neuer Robustheitsansatz,»

Tagungsband 4. Internationale Holzbrückentage (IHB 2016), Filderstadt, 2016, im

Druck.

[12] A. P. Burke, Integral and semi-integral bridges, Wiley, 2009.

[13] K. Geißler, Handbuch Brückenbau - Entwurf, Konstruktion, Berechnung, Bewertung

und Ertüchtigung, Ernst & Sohn: Berlin, 2014.

[14] S. Engelsmann, J. Schlaich und K. Schäfer, Entwerfen und Bemessen von

Betonbrücken ohne Fugen und Lager - Heft 496, Berlin: Deutscher Ausschuss für

Stahlbeton, 1999.

[15] HLSV, «Fugenloses Bauen - Heft 50,» Hessisches Landesamt für Straßen- und

Verkehrswesen, Wiesbaden, 2004.

[16] W. Glitsch, «Richtlinie "Integrale Bauwerke" - Sachstandsbericht,» Stahlbau, pp.

82/10:708-714, 2013.

[17] J. Hezel, S. Aicher und T. Helbig, «Integraler, geklebter Holz-Beton-

Widerlagerstoß,» Tagungsband 3. Stuttgarter Holzbausymposium, pp. 97-107,

2015.

[18] «Programmsystem SIB Bauwerke, Version 1.9.0, Hochschulversion,» WPM-

Ingenieure, Neunkirchen.

[19] DIN EN 1995-2:2010, Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten -

Teil 2: Brücken, 2010.

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[20] BMBVS, «Bericht über die Qualität, Dauerhaftigkeit und Sicherheit von

Spannbetonbrücken.,» Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,

Bonn, 2006.

[21] M. Schüller, «Konzeptionelles Entwerfen und Konstruieren von Integralen

Betonbrücken - Entwicklung, Bedeutung und Beispiele,» Beton- und

Stahlbetonbau, pp. 99/10:774-789, 2004.

[22] S. Schiefer, M. Fuchs, B. Brandt, G. Maggauer und A. Egerer, «Besonderheiten

beim Entwurf semi-integraler Spannbetonbrücken: Eine Alternative im Brückenbau

mit zunehmender Bedeutung – aufgezeigt am Beispiel der Fahrbachtalbrücke im

Zuge der BAB A3 bei Aschaffenburg,» Beton- und Stahlbetonbau, pp. 101/10:790-

802, 2006.

[23] B. Turkowskij, «Prefabricated joints of timber structures on inclined glued-in bars,»

International timber engineering conference, London, pp. 3:143-156, 1991.