dem hundehimmel ganz nah

1
REPORTAGE WERDENBERGER & OBERTOGGENBURGER | SAMSTAG, 22. JUNI 2013 9 Dem Hundehimmel ganz nah Eine Reportage von Katharina Rutz Nesslau. – Pepita liegt auf dem Operations- tisch. Ihr Vorderbein ist rasiert und orange vom vielen Desinfektionsmittel. An ihrem Hinterbein klafft eine offene Wunde. Pepita ist ein halbes Jahr alt und ein Retromops. Sie hatte einen Autounfall und landete am Mitt- woch als Notfall in der Tierklinik Nesslau. Nun wird sie bald operiert und obwohl es sich um eine nicht ganz einfache Operation handelt, stehen ihre Chancen auf Heilung gut. Freude und Leid sind nah beieinander Anders ergeht es einer kleinen, schon etwas älterenYorkshire-Terrier-Dame. Sie ist unheil- bar an Krebs erkrankt und wird an diesem Nachmittag von ihren Leiden erlöst. Ihre Be- sitzerin ist bestürzt, bereits die Mutter des Hündchens hat sie an den Krebs verloren. Freude und Leid sind in der Tierklinik Nesslau nahe beieinander. Das Tor zum Hundehimmel ist deshalb bisweilen nah. Doch manchmal fühlen sich die Hunde viel- leicht auch aus anderen Gründen wie im Himmel, wenn sie nämlich freudig die Streicheleinheiten und Gutzis von Tierarzt Daniel Leutenegger erwarten. Pepita auf jeden Fall ist ganz begeistert von «ihrem» Chirurgen. Die Schmerzen bremsen ihre Lebensfreude nicht. Ihre Röntgenbilder zeigen zwei komplizierte Knochenbrüche. Schwierig zu operieren sind sie, weil der Knochen ganz in der Nähe der sogenannten Wachstumsfuge gebrochen ist. «Wenn ich diese während der Operation ver- letze, kann das Bein unter Umständen nicht mehr weiterwachsen», so Daniel Leutenegger. Keine Sorgen über die Operation macht sich seine Frau und Tierärztin Carla Leutenegger. «Mein Mann ist gut», sagt sie schlicht. Und dank des regen Zulaufs, den die Tierklinik von Patienten aus der ganzen Ostschweiz hat, bleibt Daniel Leutenegger auch in Übung. Mehrere orthopädische Operationen an Knochen, Gelenken und Wirbelsäule führt er pro Woche aus. Ausserdem ist er spezialisiert auf Neurochirurgie, zum Beispiel Band- scheibenoperation. Neben den unzähligen anderenkleineren und grösserenOperationen, die das Klinikteam durchführt. Da Pepita als Notfall in die Klinik kam, operiert er sie noch am selben Abend nach Schluss der Sprechstunde. Die tiermedizi- nische Praxisassistentin Melanie Haab bereitet das Hündchen vor. Es liegt bereits in Narkose und sein Vorderbein – Elle und Speiche sind gebrochen – ist rasiert. Nun desinfiziert Melanie Haab das Beinchen in mehreren Schritten.Währenddessen wäscht sich Daniel Leutenegger die Hände – sehr lange und sehr gründlich.Alles muss steril sein.Katrin Eugster assistiert ebenfalls. Sie ordnet die Instru- mentenkoffer und die sterile Kleidung neben dem Operationstisch. Dann wird das Hünd- chen mit mehrerenTüchern zugedeckt, bis nur noch die Stelle, an der operiert wird, zugäng- lich ist. Melanie Haab überwacht Pepita wäh- rend der Narkose und Katrin Eugster reicht dem Arzt die Instrumente, spült die Wunde und tupft das Blut weg. Die Knochen von Elle und Speiche haben sich übereinandergescho- ben. Obwohl Pepita recht klein ist, benötigt Daniel Leutenegger einiges an Muskelkraft, um die Knochen wieder zu richten. Danach verschraubt er sie mit einer Platte. Er bringt an Elle und Speiche je eine Platte an. «Zur Sicherheit», sagt er, denn normaler- weise würde nur die Speiche verschraubt. Da es sich um einen jungen Hund handelt, wird Daniel Leutenegger die Platten nach Heilung des Bruches wieder entfernen. Die Schrauben bohrt der Arzt durch den gesamten Knochen, der innen hohl ist. Ein Loch bohren, das Gewinde in den Knochen drehen und die Schraube einsetzen. Daniel Leutenegger arbeitet langsam und sorgfältig, egal wie spät es an diesem Abend noch wird. Nach dem fertig operierten Bruch näht er die offene Wunde am Hinterbein. Auch dort ist das Bein noch gebrochen. Diese Operation hat er aber auf den nächsten Tag angesetzt. Nach der OP wird sofort geröntgt. Die Platten zeichnen sich deutlich auf dem Röntgenbild ab. Danach kommt Pepita in ihre Boxe, wo sie die ganze Nacht mittels Kamera von Leuteneggers zu Hause aus überwacht werden kann. 70 Stunden pro Woche sind normal Der Arbeitstag endet für Tierarzt Daniel Leutenegger und sein Team an diesem Mitt- woch gegen 22 Uhr. Am nächsten Morgen steht er wieder um 7 Uhr in der Klinik und versorgt die stationären Patienten, bevor noch vor acht die ersten Sprechstunden be- ginnen. Bis zu 70 Stunden Arbeitszeit pro Woche ist normal für das Tierärztepaar. Die Tierklinik beherbergt eine Kleintier- und eine Grosstierklinik unter ihrem Dach. Carla und Daniel Leutenegger sind Inhaber seitens der Kleintiere. Ihnen zur Seite stehen die Tierärztinnen Annamaria Manini und Ursina Tröndle. Insgesamt arbeiten 23 Mitarbeiter in der Tierklinik. Davon kümmern sich vier Tierärzte um die Kleintiere und fünf um die Grosstiere. Vier tiermedizinische Praxis- assistentinnen ermöglichen die Arbeit der Tierärzte. Als Lehrbetrieb bildet die Tier- klinik zudem drei tiermedizinische Praxis- asistentinnen aus und auch das Tierheim be- schäftigt zurzeit zwei Lehrlinge zur Tier- pflegerin. Zum Team gehören zudem die Bürokräfte, die Tierheimleiterin, die Hunde- coiffeuse und drei Raumpflegerinnen. «Die Arbeit in diesem ausgezeichneten Team bereitet immer wieder Freude», sagt Daniel Leutenegger. Am Freitagmorgen hat Pepita beide Opera- tionen hinter sich und wartet putzmunter auf ihr Gutzi, nachdem sie Daniel Leutenegger untersucht hat. Danach darf sie mit Stefanie Kempf,der leitenden tiermedizinischenPraxis- assistentin nach draussen zum Pinkeln. Dazu hat sie aber fast keine Zeit, muss sie doch, so lebhaft wie sie ist, auf drei Beinen und hinkend herumtoben. Kaum zu glauben, dass dieses Hündchen zwei schwierige Knochen- Operationenhintersichhat.«Wie dieMenschen gehen auch dieTiere unterschiedlich mit ihrer Krankheit um. Einige sind wahre Kämpfer, andere ergeben sich eher», so Daniel Leuten- egger.Wichtig sind natürlich auch die Besitzer. Der Tierarzt ist auf ihre Beschreibung über den Zustand des Tieres angewiesen. «Ich fühle mich dann bisweilen wie ein Kinderarzt», sagt er. Lebensqualität entscheidet Schwierig sind für ihn die Entscheidungen, wie weit man bei einem Tier noch gehen soll. «Entscheidend ist die Lebensqualität desTieres nach der Behandlung». Möglich ist sehr vieles in derTierklinik Nesslau. «Wir können jegliche Operationen durchführen, die Tiere stationär hier behalten, haben ein gut eingerichtetes Labor und das alles an einem Ort. Zudem be- treiben wir einen 24-Stunden-Notfalldienst 365 Tage im Jahr», sagt Daniel Leutenegger. Und so sind denn auch die Fälle, die in der Tierklinik Nesslau behandelt werden, sehr vielfältig. Häufig erhalten sie auch Patienten von anderen Tierärzten überwiesen. Da ist beispielsweise die Katze Mimosa. Sie leidet unter einer Herzinsuffizienz und hatte Wasser auf der Lunge. «Ausserdem ist es schwierig für mich, die Medikamente zu ge- ben», zeigt sich ihre Besitzerin besorgt. Doch Daniel Leutenegger misst nicht nur den Blut- druck und stellt fest, dass der Kreislauf von Mimosa zurzeit den Umständen entsprechend gut arbeitet, er gibt auch Tipps zur Verabrei- chung des Medikaments. «Geben Sie die Tropfen auf die Pfote, dort lecken die Katzen diese bisweilen ab. Oder in Kaffeerahm – eine Delikatesse für die Vierbeiner.» Chuda ist eine Hündin aus Polen, die an Krebs erkrankt ist und zur Chemotherapie regelmässig in die Tierklinik kommt. Bereits schon einmal hat sie den Krebs therapiert, doch nun ist er zurückgekommen. «Doch sie zeigt noch viel Freude am Leben und so lange werde ich mit der Therapie weitermachen», sagt die Besitzerin. Sie findet, dass die liebens- würdige, zurückhaltende Hundedame es ver- dient hat, nachdem sie in Polen wohl nicht viel Schönes erlebt habe. Die Chemotherapie konnte am Mittwoch nach der Blutuntersu- chung wegen schlechter Werte nicht durch- geführt werden.An diesem Freitag ist aber alles gut und die Hündin erhält ihre Spritze mit dem Medikament. Anders als bei Menschen verlieren Hunde ihre Haare durch eine Chemo- therapie nicht. Sie müssen auch kaum erbre- chen «Denn das Fellwachstum funktioniert bei Hunden und Katzen anders als das Haar- wachstum beim Menschen», erklärt Carla Leutenegger. Nicht nur Katzen und Hunde gehören zu den Patienten in der Kleintierklinik. Meer- schweinchen Sugus hat einen Termin, weil er nicht mehr richtig frisst. Es stellt sich heraus, dass er einen Zahnarzt braucht, der ihm die Zähne schleift. Auch das übernimmt Carla Leutenegger. Auch werden Exoten als Haus- tiere laut Daniel Leutenegger immer häufiger. Von Patient zu Patient ohne Pause gehen Carla und Daniel Leutenegger und meistens brau- chen sie nicht mal einen Blick in die Kranken- akte zu werfen, um zu wissen, ob es sich um eineKniescheibenoperationbeieinemPapillon oder eine Entzündung der Pfotenballen bei einem Boxer handelt. Oftmals kommen die Kunden auch für ganz alltägliche Dinge in die Klinik, auch von weiter her. So beispielsweise ein Paar aus dem Thur- gau mit einem jungen Hund zum Impfen. Sie freuen sich,Carla Leutenegger zu sehen, haben sie doch eine gemeinsame Leidenszeit hinter sich. Denn auch den Tierärzten geht es sehr nahe, wenn sie Patienten verlieren. So ist der Vorgängerhund an einerVergiftung eingegan- gen, obwohl es einige Zeit Hoffnung für ein Überleben gab. Gefressen hat der Hund Pellets eines biologischen Düngemittels in einem Rebberg. Tiere suchen gute Plätze Zum täglichen Brot der Kleintierärzte gehören auch Kastrationen. Und nicht immer sind dies Tiere von verantwortungsbewussten Haltern, die beispielsweise ihren Appenzeller-Mix mit sieben Monaten kastrieren lassen. Oft müssen Carla und Daniel Leutenegger Tiere aus dem der Klinik angegliederten Tierheim kastrieren oder verwilderte Katzen.Auch die sechs drei- wöchigen Katzenbabys, die von den tier- medizinischen Praxisassistentinnen von Hand aufgezogen werden, stammen von einer ver- wilderten Hauskatze, die kastriert wurde. Dabei wurden die Katzenbabys per Kaiser- schnitt entbunden. Da die Katze aber so wild war, dass sie nicht gezähmt werden konnte, wurde sie wieder in die Freiheit entlassen. Die jungen Katzenbabys suchen nun gute Plätze. Genauso wie jährlich Dutzende von Tieren aus demTierheim. Letztes Jahr wurden fast 200 Haus- und Heimtiere und rund 30 Igel in der anerkannten Igelstation betreut. Jährlich werden es mehr und auch die Kosten steigen. Das Tierheim wird von den Inhabern der Tierklinik getragen und ist defizitär. Spenden sind immer willkommen. «Es ist unser Ferienhaus», seufzt Carla Leutenegger. Aber dann lächelt sie und sagt: «Dafür komme ich in den Hundehimmel.» Vor der Operation: Melanie Haab bereitet Hündchen Pepita auf die OP vor. Mit Platte geschient: Die Platte wird mit Schrauben am Knochen befestigt. Bohrmaschine: Das chirurgische Gerät tönt wie eine normale Bohrmaschine. Mehrere Blessuren: Pepita hat zu den Brüchen auch eine Wunde an der Pfote, die genäht wird. Operation geglückt: Daniel Leutenegger kontrolliert die Beweglichkeit des Beines. Entzündet: Pudeldame Luna hat einen entzündeten Gehörgang. Hündin Candy begrüsst den Tierarzt schwanzwedelnd. Ein wenig ängstlich: Yorkshire-Terrier Niki weiss nicht so recht, was beim Röntgen auf sie zukommt. Suchen ein Zuhause: Die Katzenbabys einer streunenden Kätzin werden von Hand aufgezogen und suchen einen guten Platz. Kampf gegen Krebs: Chuda bei der Chemotherapie. Schäferhund Lennox hat Gehprobleme. Mimosa beim Blutdruckmessen. Die Katze hat einen Oberschenkelbruch. Auch Zahnarzt: Meerschweinchen Sugus muss zum Zahnarzt.

Upload: phungmien

Post on 04-Jan-2017

220 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Dem Hundehimmel ganz nah

REPORTAGE WERDENBERGER & OBERTOGGENBURGER | SAMSTAG, 22. JUNI 2013 9

Dem Hundehimmel ganz nahEine Reportage von Katharina Rutz

Nesslau. – Pepita liegt auf dem Operations-tisch. Ihr Vorderbein ist rasiert und orangevom vielen Desinfektionsmittel. An ihremHinterbein klafft eine offene Wunde. Pepitaist ein halbes Jahr alt und ein Retromops. Siehatte einen Autounfall und landete am Mitt-woch als Notfall in der Tierklinik Nesslau.Nun wird sie bald operiert und obwohl essich um eine nicht ganz einfache Operationhandelt, stehen ihre Chancen auf Heilung gut.

Freude und Leid sind nah beieinanderAnders ergeht es einer kleinen, schon etwasälterenYorkshire-Terrier-Dame. Sie ist unheil-bar an Krebs erkrankt und wird an diesemNachmittag von ihren Leiden erlöst. Ihre Be-sitzerin ist bestürzt, bereits die Mutter desHündchens hat sie an den Krebs verloren. Freude und Leid sind in der Tierklinik

Nesslau nahe beieinander. Das Tor zum Hundehimmel ist deshalb bisweilen nah.Doch manchmal fühlen sich die Hunde viel-leicht auch aus anderen Gründen wie imHimmel, wenn sie nämlich freudig dieStreichel einheiten und Gutzis von TierarztDaniel Leutenegger erwarten. Pepita auf jeden Fall ist ganz begeistert von «ihrem»Chirurgen. Die Schmerzen bremsen ihre Lebensfreude nicht.Ihre Röntgenbilder zeigen zwei komplizierte

Knochenbrüche. Schwierig zu operieren sindsie, weil der Knochen ganz in der Nähe dersogenannten Wachstumsfuge gebrochen ist.«Wenn ich diese während der Operation ver-letze, kann das Bein unter Umständen nichtmehr weiterwachsen», so Daniel Leutenegger.Keine Sorgen über die Operation macht sichseine Frau und Tierärztin Carla Leutenegger.«Mein Mann ist gut», sagt sie schlicht. Unddank des regen Zulaufs, den die Tierklinikvon Patienten aus der ganzen Ostschweiz hat,bleibt Daniel Leutenegger auch in Übung.Mehrere orthopädische Operationen anKnochen, Gelenken und Wirbelsäule führt erpro Woche aus. Ausserdem ist er spezialisiertauf Neurochirurgie, zum Beispiel Band -scheibenoperation. Neben den unzähligenanderenkleineren und grösserenOperationen,die das Klinikteam durchführt. Da Pepita als Notfall in die Klinik kam,

operiert er sie noch am selben Abend nachSchluss der Sprechstunde. Die tiermedizi -nischePraxisassistentinMelanie Haab bereitetdas Hündchen vor. Es liegt bereits in Narkoseund sein Vorderbein – Elle und Speiche sindgebrochen – ist rasiert. Nun desinfiziert Melanie Haab das Beinchen in mehrerenSchritten. Währenddessen wäscht sich DanielLeutenegger die Hände – sehr lange und sehrgründlich.Alles muss steril sein.KatrinEugsterassistiert ebenfalls. Sie ordnet die Instru -mentenkoffer und die sterile Kleidung neben

dem Operationstisch. Dann wird das Hünd-chen mit mehreren Tüchern zugedeckt, bis nurnoch die Stelle, an der operiert wird, zugäng-lich ist. Melanie Haab überwacht Pepita wäh-rend der Narkose und Katrin Eugster reichtdem Arzt die Instrumente, spült die Wundeund tupft das Blut weg. Die Knochen von Elleund Speiche haben sich übereinandergescho-ben. Obwohl Pepita recht klein ist, benötigtDaniel Leutenegger einiges an Muskelkraft,um die Knochen wieder zu richten. Danachverschraubt er sie mit einer Platte. Er bringt an Elle und Speiche je eine Platte

an. «Zur Sicherheit», sagt er, denn normaler-weise würde nur die Speiche verschraubt. Daes sich um einen jungen Hund handelt, wirdDaniel Leutenegger die Platten nach Heilungdes Bruches wieder entfernen. Die Schrauben bohrt der Arzt durch den

gesamten Knochen, der innen hohl ist. EinLoch bohren, das Gewinde in den Knochendrehen und die Schraube einsetzen. DanielLeutenegger arbeitet langsam und sorgfältig,egal wie spät es an diesem Abend noch wird.Nach dem fertig operierten Bruch näht er dieoffene Wunde am Hinterbein. Auch dort istdas Bein noch gebrochen. Diese Operationhat er aber auf den nächsten Tag angesetzt.Nach der OP wird sofort geröntgt. Die Platten zeichnen sich deutlich auf dem Röntgenbild ab. Danach kommt Pepita in ihreBoxe, wo sie die ganze Nacht mittels Kameravon Leuteneggers zu Hause aus überwachtwerden kann.

70 Stunden pro Woche sind normalDer Arbeitstag endet für Tierarzt Daniel Leutenegger und sein Team an diesem Mitt-woch gegen 22 Uhr. Am nächsten Morgensteht er wieder um 7 Uhr in der Klinik undversorgt die stationären Patienten, bevornoch vor acht die ersten Sprechstunden be-ginnen. Bis zu 70 Stunden Arbeitszeit proWoche ist normal für das Tierärztepaar. DieTierklinik beherbergt eine Kleintier- und eine Grosstierklinik unter ihrem Dach. Carlaund Daniel Leutenegger sind Inhaber seitensder Kleintiere. Ihnen zur Seite stehen dieTierärztinnen Annamaria Manini und UrsinaTröndle. Insgesamt arbeiten 23 Mitarbeiterin der Tierklinik. Davon kümmern sich vierTierärzte um die Kleintiere und fünf um dieGrosstiere. Vier tiermedizinische Praxis -assistentinnen ermöglichen die Arbeit derTierärzte. Als Lehrbetrieb bildet die Tier -klinik zudem drei tiermedizinische Praxis-asistentinnen aus und auch das Tierheim be-schäftigt zurzeit zwei Lehrlinge zur Tier -pflegerin. Zum Team gehören zudem die Bürokräfte, die Tierheimleiterin, die Hunde-coiffeuse und drei Raumpflegerinnen. «DieArbeit in diesem ausgezeichneten Team bereitet immer wieder Freude», sagt DanielLeutenegger.

Am Freitagmorgen hat Pepita beide Opera-tionen hinter sich und wartet putzmunter aufihr Gutzi, nachdem sie Daniel Leuteneggeruntersucht hat. Danach darf sie mit StefanieKempf,derleitendentiermedizinischenPraxis-assistentin nach draussen zum Pinkeln. Dazuhat sie aber fast keine Zeit, muss sie doch, so lebhaft wie sie ist, auf drei Beinen und hinkend herumtoben. Kaum zu glauben, dassdieses Hündchen zwei schwierige Knochen-Operationenhintersichhat.«WiedieMenschengehen auch die Tiere unterschiedlich mit ihrerKrankheit um. Einige sind wahre Kämpfer,andere ergeben sich eher», so Daniel Leuten-egger. Wichtig sind natürlich auch die Besitzer.Der Tierarzt ist auf ihre Beschreibung überden Zustand des Tieres angewiesen. «Ich fühlemich dann bisweilen wie ein Kinderarzt»,sagt er.

Lebensqualität entscheidetSchwierig sind für ihn die Entscheidungen,wie weit man bei einem Tier noch gehen soll.«Entscheidend ist die Lebensqualität des Tieresnach der Behandlung». Möglich ist sehr vielesin der Tierklinik Nesslau. «Wir können jeglicheOperationen durchführen, die Tiere stationärhier behalten, haben ein gut eingerichtetesLabor und das alles an einem Ort. Zudem be-treiben wir einen 24-Stunden-Notfalldienst365 Tage im Jahr», sagt Daniel Leutenegger.Und so sind denn auch die Fälle, die in derTierklinik Nesslau behandelt werden, sehrvielfältig. Häufig erhalten sie auch Patientenvon anderen Tierärzten überwiesen.Da ist beispielsweise die Katze Mimosa. Sie

leidet unter einer Herzinsuffizienz und hatteWasser auf der Lunge. «Ausserdem ist esschwierig für mich, die Medikamente zu ge-ben», zeigt sich ihre Besitzerin besorgt. DochDaniel Leutenegger misst nicht nur den Blut-druck und stellt fest, dass der Kreislauf vonMimosa zurzeit den Umständen entsprechendgut arbeitet, er gibt auch Tipps zur Verabrei-chung des Medikaments. «Geben Sie dieTropfen auf die Pfote, dort lecken die Katzendiese bisweilen ab. Oder in Kaffeerahm – eineDelikatesse für die Vierbeiner.» Chuda ist eine Hündin aus Polen, die an

Krebs erkrankt ist und zur Chemotherapieregelmässig in die Tierklinik kommt. Bereitsschon einmal hat sie den Krebs therapiert,doch nun ist er zurückgekommen. «Doch siezeigt noch viel Freude am Leben und so langewerde ich mit der Therapie weitermachen»,sagt die Besitzerin. Sie findet, dass die liebens-würdige, zurückhaltende Hundedame es ver-dient hat, nachdem sie in Polen wohl nichtviel Schönes erlebt habe. Die Chemotherapiekonnte am Mittwoch nach der Blutuntersu-chung wegen schlechter Werte nicht durch -geführt werden. An diesem Freitag ist aber allesgut und die Hündin erhält ihre Spritze mitdem Medikament. Anders als bei Menschen

verlierenHunde ihreHaare durcheineChemo-therapie nicht. Sie müssen auch kaum erbre-chen «Denn das Fellwachstum funktioniertbei Hunden und Katzen anders als das Haar-wachstum beim Menschen», erklärt CarlaLeutenegger. Nicht nur Katzen und Hunde gehören zu

den Patienten in der Kleintierklinik. Meer-schweinchen Sugus hat einen Termin, weil ernicht mehr richtig frisst. Es stellt sich heraus,dass er einen Zahnarzt braucht, der ihm dieZähne schleift. Auch das übernimmt CarlaLeutenegger. Auch werden Exoten als Haus-tiere laut Daniel Leutenegger immer häufiger.Von Patient zu Patient ohne Pause gehen Carlaund Daniel Leutenegger und meistens brau-chen sie nicht mal einen Blick in die Kranken-akte zu werfen, um zu wissen, ob es sich umeineKniescheibenoperationbeieinemPapillonoder eine Entzündung der Pfotenballen beieinem Boxer handelt.Oftmals kommen die Kunden auch für ganz

alltägliche Dinge in die Klinik, auch von weiterher. So beispielsweise ein Paar aus dem Thur-gau mit einem jungen Hund zum Impfen. Siefreuen sich,CarlaLeuteneggerzu sehen, habensie doch eine gemeinsame Leidenszeit hintersich. Denn auch den Tierärzten geht es sehrnahe, wenn sie Patienten verlieren. So ist derVorgängerhund an einer Vergiftung eingegan-gen, obwohl es einige Zeit Hoffnung für einÜberleben gab. Gefressen hat der Hund Pelletseines biologischen Düngemittels in einemRebberg.

Tiere suchen gute PlätzeZum täglichen Brot der Kleintierärzte gehörenauch Kastrationen. Und nicht immer sind diesTiere von verantwortungsbewussten Haltern,die beispielsweise ihren Appenzeller-Mix mitsieben Monaten kastrieren lassen. Oft müssenCarla und Daniel Leutenegger Tiere aus demder Klinik angegliederten Tierheim kastrierenoder verwilderte Katzen. Auch die sechs drei-wöchigen Katzenbabys, die von den tier -medizinischen Praxisassistentinnen von Handaufgezogen werden, stammen von einer ver-wilderten Hauskatze, die kastriert wurde.Dabei wurden die Katzenbabys per Kaiser-schnitt entbunden. Da die Katze aber so wildwar, dass sie nicht gezähmt werden konnte,wurde sie wieder in die Freiheit entlassen.Die jungen Katzenbabys suchen nun gutePlätze. Genauso wie jährlich Dutzende vonTieren aus dem Tierheim. Letztes Jahr wurdenfast 200 Haus- und Heimtiere und rund 30Igel in der anerkannten Igelstation betreut.Jährlich werden es mehr und auch die Kostensteigen. Das Tierheim wird von den Inhabernder Tierklinik getragen und ist defizitär. Spenden sind immer willkommen. «Es ist unser Ferienhaus», seufzt Carla Leutenegger.Aber dann lächelt sie und sagt: «Dafür kommeich in den Hundehimmel.»

Vor der Operation: Melanie Haab bereitet Hündchen Pepita auf die OP vor.

Mit Platte geschient: Die Platte wird mit Schrauben am Knochen befestigt.

Bohrmaschine: Das chirurgische Gerät tönt wie eine normale Bohrmaschine.

Mehrere Blessuren: Pepita hat zu den Brüchen auch eine Wunde an der Pfote, die genäht wird.

Operation geglückt: Daniel Leutenegger kontrolliert die Beweglichkeit des Beines.

Entzündet: Pudeldame Luna hat einen entzündeten Gehörgang.

Hündin Candy begrüsst den Tierarztschwanzwedelnd.

Ein wenig ängstlich: Yorkshire-Terrier Niki weiss nicht so recht,was beim Röntgen auf sie zukommt.

Suchen ein Zuhause: Die Katzenbabys einer streunenden Kätzin werden von Hand aufgezogen und sucheneinen guten Platz.

Kampf gegen Krebs: Chuda bei der Chemotherapie. Schäferhund Lennox hat Gehprobleme.

Mimosa beim Blutdruckmessen.

Die Katze hat einen Oberschenkelbruch.Auch Zahnarzt: Meerschweinchen Sugus muss zum Zahnarzt.