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Denkfabrik Legal TechErfahrungen aus Österreich im Bereich der IT in
der Strafverfolgung
Blick hinter die Kulissen – Herausforderungen -
Lösungen
Oberstaatsanwalt Mag. Matthias Purkart, LL.M.Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und [email protected]
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Ausgangssituation
• Unser „Bild“ von Kriminalität
− Räuber, Diebe und ein wenig Gewalt
• Berufsbild des Polizisten
− Amerikanische Filme und Bulle von Tölz
• Tatortarbeit, Vernehmungstaktik, Geständnisse
• Berufsbild des Staatsanwalts und Richters
− Heimatfilme
• Sekretariate, Autorität, Reduktion auf juristische Arbeit
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 2
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Ausgangssituation
• Aktenführung:
− Papier, Papier, Papier
− Zitat aus österreichischem Gesetz: „Besonders umfangreiche Akten mit mehr
als 500 Seiten…“
• Ermittlungsverfahren
− Regelung des Regelfalls: ein Täter und eine Tat
− Gesetze leben in physischer Welt (Kontounterlagen, Telefonüberwachung,
Sicherstellungen im Ausland mit Rechtshilfe, …)
− Inländische Sachverhalte
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 3
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Ausgangssituation
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 4
• Dokumenten-
Mgmt• Darknet
• Mobility • Social Media• Internet of
Things
• Digitalisierung
• Big Data
• Cloud
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Ausgangssituation
• „Es konnte bei der Datenauswertung nichts gefunden werden“• „Die Datenauswertung dauert noch an“
Daten
dauert ewig
mühsam
Hindernis
langwierig
kompliziert
allein gelassen
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Ausgangssituation
• Daten sind „ungeliebtes“ Kind• Oftmals gewachsene Zustände anstatt geplantes Erreichen von Zielen• Symptom: IT-Sachverständige und externe Firmen• Symptom: Auswertung von Daten „per Hand“• Symptom: jahrelange Verzögerung und Mängel• Symptom: Datenträger werden kaputt oder verschwinden• Symptom (in Österreich): sogenanntes „Entsiegelungsverfahren“
• Verteidiger mittlerweile „aufgewacht“• Akteneinsicht in sichergestellte Daten?• Anzweifeln von Beweiskette und Manipulationsvorwürfe• Beweisanträge und Zuziehung von (privaten) IT-Experten
• Anzweifeln von Vollständigkeit und Richtigkeit
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Gefahren
• „Anklagevernichtende“ Beweiskettenfehler
• „Anklagevernichtende“ Urkundenvorlagen
• Massive Verzögerungen in Hauptverhandlung durch IT-Beweisanträge
• § 108a StPO in Österreich (nach drei Jahren Ermittlungen droht Einstellung des Verfahrens)
• Strafmilderung durch überlange Verfahrensdauern
• Ermitteln bis zur Haftunfähigkeit…
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Lösungswege…
• Internationale Standards forcieren
• Zeitgemäße Ausstattung einfordern
• Organisatorische Anpassungen (IT-Ermittler)
• Ausbildung und Schulung in allen Bereichen
• Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren
• Lösungen erarbeiten
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Teil 1: IT- UnterstützungDigitalisierung und Know-How
9IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich
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Das klassische Strafverfahren – Datenauswertung 1.0
• Großteil der Verfahren (noch?) ohne IT-Bezug
• Traditionelle Auswertung von „Daten“
(meist händisch durch Kriminalpolizei oder durch Sachverständige)
− Einfache Datenbanken und Verschriftungen bei Telefonüberwachung
− Kontoauszüge und Buchhaltungsexporte
− Einsichtnahme in Mobiltelefone bzw. Screenshots von Kommunikation
• ABER: Auch heute schon merkbare Schwierigkeiten (VoIP, Messengerdienste,
Verschlüsselung, etc.)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 10
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Herausforderungen im Strafverfahren
• Immer mehr Technologie im täglichen Leben
• Herausforderungen bei der Sicherstellung:
− Mobiltelefone, Tablets, Messengerdienste
− Datenbanken und Intranet
− Zahllose weitere Datenquellen (Google Docs, Shared Services, ELAKs, Workflow-Systeme,
customized software, branchenspezifische Tools, etc.)
• Herausforderungen beim Sachverhalt:
− CEO-Fraud, Darknet, Cybercrime, etc.
− Buchhaltungen analysieren, etc.
− Logs, IP-Adressen, elektronische „Urkundenfälschungen“ etc.
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 11
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Auswirkungen in Großstrafverfahren
• Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft:
− Großteil der Großstrafverfahren in Österreich
− 15-20 % der Verfahren mit sichergestellten Daten
• In Großstrafverfahren stoßen „traditionelle“ Methoden oft an ihre Grenzen:
− Informationsmenge
− Datenquellen
− Komplexität
− Intelligente Täter
− Verschleierung (insb. Geldbewegungen)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 12
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Müssen Richter und Staatsanwälte künftig auch IT-Profis sein?
• Daten sind meist nicht mehr nur Unterstützung, sondern einzige „echte“ Erkenntnisquelle für Sachverhaltsrekonstruktion und Vorsatz (!)
• Nur eingeschränkte Unterstützung durch Polizei:
− IT-Forensiker mit Kerntätigkeit (Sicherstellung und Zurverfügungstellung der Daten an Ermittler) oftmals ausgelastet
− Eigene IT-Ermittler derzeit nicht oder nur durch Zufall vorhanden
− Ermittler oftmals nicht ausgebildet für „Datenarbeit“
− Zersplitterung auf viele Organisationseinheiten (BKA, LKA, etc.)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 13
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Was tun?
• Bestellung von externen Sachverständigen & IT-Dienstleistern
− Hohe Kosten (Kostenaufwand: ca. 2 Millionen Euro p.a)
− Teilweise sehr lange Verfahrensdauer
• Pilotversuch: Eigene IT-Experten in der WKStA seit 2012
− Bereitstellung durch die Justiz-Betreuungsagentur
− Spezialisierung auf Strafverfahren mit eigener Infrastruktur
• Neustrukturierung: Eigene IT-Experten für die gesamte Justiz
− Unterstützung aller österreichischen StA und Gerichte in Strafverfahren
− Einsatzkoordinierung durch das Justizministerium
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IT-Experten der Justiz
• Wir suchen:
− IT-Studium oder Schule mit IT-Fokus
− Systemadministration, Netzwerktechnik und -sicherheit,
Softwareprogrammierung- und Entwicklung, Analyse, IT-Security, IT-Forensik,
Datenbanksystemen und -management, Buchhaltungs- und
Warenwirtschaftssysteme, IT-Consulting und Projektmanagement, etc.
− Berufserfahrung
Nicht bloß Techniker, sondern Allrounder!
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 15
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IT-Experten der Justiz
• Einfache und rasche Unterstützung der Justizbehörden:
− Technisch
• Forensische Aufbereitung von Daten in geeignetes Format
• Spezialaufgaben (z.B. Entschlüsselung, Export von relevanten Daten, etc.)
• Rasche Hilfe (Software, Skripts, Umkonvertieren, etc.)
− Inhaltlicher Input
• Wo gibt es digitale Beweise (z.B. Online-Banking, Kopiergeräte, etc.)?
• „Kann man das irgendwie rausfinden?“
− IT-Ermittlungen (Forensiker + „Data Scientist“ + Ermittler)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 16
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IT-Experten der Justiz
• Unterstützung der Polizei
− Mitwirkung bei Hausdurchsuchungen in komplexen Fällen
− Übernahme von Spezialaufgaben (z. B. „digitale Hausbeschau“,
Wiederherstellung von Bandsicherungen, etc.)
− Hilfestellung, wenn polizeilicher Ermittler keine IT-Unterstützung hat
• Wissen, Test und Betrieb von Spezialapplikationen
− Cellebrite, Intella, m2n, „Brutalis“ (Entschlüsselungshardware), usw.
• Kostenreduktion durch Vermeidung von „Sachverständigen“
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IT-Experten der Justiz
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 18
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IT-Experten der Justiz
• Konkrete Erfolge
− Entschlüsselung von E-Mailpostfächern und Daten
− Auffinden von Scheinrechnungen
− Aufdecken einer digitalen Fälscherwerkstatt
− Mehrfach: Entsperrung von Mobilgeräten (u.a. mit Social Engineering)
− Widerlegung von Privatgutachten
− „Richtige“ Sicherstellung und Aufbereitung von Buchhaltungsdaten
− Entschlüsselung und Aufbereitung einer „Korruptions-Datenbank“
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 19
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IT-Experten der Justiz
• Konkrete Erfolge
− Erstellung automatisiert verwertbarer Fragebögen in Anlegerbetrugsverfahren
mit mehreren tausend Opfern
− Alle datenbezogenen Schwierigkeiten (z.B. umfangreiche Eingaben von Opfern
und Beschuldigte mit Datenträgern, etc.) OneStopShop Prinzip
− „Dolmetschfunktion“ mit IT-Forensikern der KriPo
− Skripten für Umformatierungen von Excel-Dateien
− Ausspielen von embedded Audiofiles in PDFs
− Qualitätskontrolle der Vorarbeiten der KriPo
− uvm.IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 20
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IT-Experten der Justiz
• Bisherige Erkenntnisse und Vorschau
− Ca. 1,5 bis 2-fach günstiger als externe Unternehmen
− Massive Zeitersparnis bei zahlreichen Ermittlungen
− Staatsanwalt kann IT-Probleme abgeben und bleibt nicht auf diesen sitzen
− Qualitätsverbesserungen bei Polizei („Watch Dog“-Funktion)
− Impulsgeber für Prozessänderungen und Blick über den Tellerrand
• Ausweitung geplant (nach budgetären Möglichkeiten)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 21
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Teil 2: Künstliche IntelligenzGoogle kann das doch auch…
22IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich
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Warum eigentlich immer so viele Daten?
− OLG Wien 7. Jänner 2015, 22 Bs 160/14m
• „schon aus rein praktischen Erwägungen eine Einzelsicherung der von der
Anordnung betroffenen Daten ob der Multidimensionalität des
Ermittlungsverfahrens gar nicht möglich ist, sondern erst im Zuge der
Sichtung des vorhandenen Datenmaterials eine Aussonderung getroffen
werden kann und muss“
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Warum eigentlich immer so viele Daten?
− OLG Wien 2. Oktober 2015, 18 Bs 196/15b
• „praktisch nicht durchführbar wäre, vor Ort eine Unzahl an Daten händisch
auf ihre Relevanz zu durchsuchen, ist diese zunächst erfolgte ungefilterte
Mitnahme sämtlicher potentiell relevanter Daten aus diesem Programm
erforderlich gewesen, um dem Sicherstellungsauftrag gerecht zu werden“
• Anders würde […] in vertretbarer Zeit, mit schicklichem Aufwand und
möglichst gering gehaltener Beeinträchtigung der Betroffenen dem Zweck auch
gar nicht entsprochen werden können.
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Warum eigentlich immer so viele Daten?
− OLG Wien 2. Oktober 2015, 18 Bs 196/15b
• schlüssig beschriebenen Unmöglichkeit, in einem bestimmten Programm bei
den Anhängen nach Schlüsselworten zu suchen bzw die Anhänge danach
zusichern, die Herstellung einer Sicherungskopie des gesamten Programms
zulässig war (so auch das deutsche Bundesverfassungsgericht 2 BvR 969/14,
wonach die vorläufige Sicherstellung größerer Teile oder gar des gesamten
E-Mail-Bestandes erwogen werden muss, wenn eine sorgfältige Sichtung
und Trennung der E-Mails nach ihrer Verfahrensrelevanz am Zugriffsort
nicht möglich ist oder die – auch technische - Erfassbarkeit des
Datenbestandes eine unverzügliche Zuordnung nicht erlaubt)
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Warum eigentlich immer so viele Daten?
− OLG Wien 27. Jänner 2017, 18 Bs 280/16s
• „Auf praktische Schwierigkeiten […] sehr umfangreichem, von Vornherein
noch nicht exakt eingrenzbarem Material […] noch dazu vermengt mit anderen
Dokumenten oder Daten […] in einem weitläufigen Areal bzw auf diversen
großen Speichermedien befindet“
• „Datenbestand allenfalls unter Zuhilfenahme von Entschlüsselungssoftware
oder eigens zu konzipierenden Suchprogrammen durchforsten“.
• „Vollzugs einer Sicherstellungsanordnung mehrere Tage/Wochen/Monate“
• „eben auch zur Schonung der Betroffenen […] Material [..] in Kopie in die
Räumlichkeiten der Sicherheitsbehörden mitgenommen wird, wodurch der
weitere Vollzug der Sicherstellungsanordnung in Gestalt der nötigen
Feinprüfung in die Behördenräume verlagert wird.“
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Ja aber…
− Suchwortlisten...
• Texterkennung/OCR
– Zahlreiche Dateien sind nicht texterkannt (typischerweiseFotos/Scans vom Kopiergerät
– Suchworte schlagen nicht an!
• E-Mail-Anhänge
– Suchfunktion von E-Mailprogrammen durchsucht keine Anhänge!
• Schreibfehler, Abkürzungen, Synonyme, Codewörter, Zahlendreher, etc.
• Zip-Dateien, verschlüsselte Daten, True-Crypt-Container, etc.
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Ja aber…
− Filterung nach Datumswerten
• OLG Wien vom 21. November 2014, 17 Bs 370/14g, 17 Bs 371/14d
– „Das Datum der Entstehung oder Veränderung einer Datei richtet sich aber danach, welches Datum systemintern im Computer eingegeben ist und kann jederzeit leicht verändert werden, sodass hier einer Manipulation Tür und Tor geöffnet wäre.“
• Datum des Scans ist nicht Dokumentdatum!
− Ganz generell:
• Nur forensische Spiegelungen von Datenträgern erlauben die
Wiederherstellung von gelöschten Daten!
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Datenaufbau in Großstrafverfahren
• Strukturierte Daten
− Beispiele: MS-Excel-Formate, Datenbanken, CSV-Dateien (z. B. Buchhaltung)
− Einfach zu filtern
− Einfacher in Software-Tools zu importieren
− ABER: kein einheitlicher Standard!
• Herausgabe strukturierter Daten:
− In der Vergangenheit wurden Bankdaten oftmals nicht strukturiert angeliefert,
obwohl strukturiert vorhanden (seit Juni 2018 zwingend)
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Datenaufbau in Großstrafverfahren
• Unstrukturierte Daten
− Wenig oder keine Informationen über die Daten vorhanden (Aufbau,
Speicherort, Inhalt, etc.)
− Forensische Arbeiten nötig (Gelöschte Dateien, Verschlüsselung, versteckte
TrueCrypt Container)
− Spezialsoftware (z.B. selbst programmierte Unternehmenssoftware)
− Gescannte Unterlagen (Texterkennung)
− Datenmenge sprengt Rahmen
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 31
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Datenauswertung allgemein
• Inhaltlicher Ablauf
− Schrittweise Rekonstruktion des Sachverhaltes
− Unbekannte Zusammenhänge aufdecken
− Ermittlungshypothesen bestärken oder widerlegen
• Die IT ist inzwischen oft die Hauptquelle, um Fakten zu entdecken
− Komplexe Fakten sind schwer zu merken
− Das tägliche Geschäft wird bzw. ist digital
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 32
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Datenauswertung 2.0
• Suchsoftware
− Verlangt hohe Disziplin beim Recherchisten
− Verlangt starke Organisationsfähigkeit
− Benötigt viel Zeit um das Mosaik des Sachverhalts aufzubauen
• Praxis:
− Oftmals Überforderung bei Kriminalpolizei
− Unvollständige Ergebnisse
− Personalwechsel
• „Bottom-Up“-Ansatz
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 33
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Datenauswertung 3.0 - Künstliche Intelligenz
• Soll
− aus Informationsmengen
− einzelne Informationen erkennen,
− sie in Verbindung setzen und
− Zusammenhänge offenlegen.
• Verstehen (!) von Inhalten ist entscheidend
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Datenauswertung 3.0 - Künstliche Intelligenz
• Österreichische Behörden sind seit Jahren „dran“
• Erfahrungen mit Produkten „von der Stange“:
− Forensische Produkte - Sprachmodelle meist englisch
− Halbherzige Anpassungen der klassischen „KI“-Softwares für den Bereich der
Strafverfolgung
− Alles geht, aber bitte Millionen in die Entwicklung
• 2014 „Durchbruch“ im Bereich der Steuerfahndung (unter Einbindung der WKStA)
− Entwicklung eines bestehenden frameworks eines mittelständischen
österreichischen Unternehmens („m2n“) für Zwecke der Betrugbekämpfung bis
2015
− Vorteile: Deutsches Sprachmodell, extrem fokussierte Entwicklungsarbeit
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 35
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Datenauswertung 3.0 - Künstliche Intelligenz
• 2016 – Arbeitsgruppe zwischen Finanz-, Innen- und Justizministerium
− Gemeinsame Entscheidung mit Entwicklung der Finanz weiterzumachen
− Eigene Piloten in der WKStA und bei Gericht
− Finanzministerium entwickelt Software weiter
• 2018
− Weitere Piloten nun auch im Innenministerium und Weiterentwicklungen
zusätzlich zu Finanz
− Finanzmarktaufsicht steigt auch ein
• 2019 – Langsam Beginn des produktiven Betriebs im BMVRDJ und BMI
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 36
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Suchsoftware vs. künstliche Intelligenz
• Völlig neue Perspektive auf Datenauswertung
− Aufbau des Wissensmodells („Ermittlungsstand“) durch Software
− Filterung anstatt Suchanfragen nach Schlüsselwörtern,
• Praxis:
− Wesentlich raschere Durchdringung des Datenbestands
− Abfragen bedürfen keiner „Programmierkenntnisse“ (Suchsyntax)
− Vollständigere Ergebnisse
− Wissensdokumentation in Software integriert
− Datenauswertung wird beschleunigt und motiviert Ermittler
• „Top-Down“ (statt „Bottom-Up“)
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Was steckt dahinter?
• Normalisierung
• Klassifikationen
• Mustererkennung und Entitätenextraktion
• Ontologienbildung und Populierung
• Regelbasierte Verfahren (Heuristiken)
• Maschinelle Lernverfahren
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Normalisierung
• „Vereinheitlichung“ der Form
− Unterschiedliche Schreibweisen von Namen, Zeitangaben und Begriffen
• Feb 09, 2.2.2009, 02/09, etc.
• GesmbH, GmbH, Gesellschaft mbH, etc.
• Belegnr, BelNr, Belegnummer, BNr., etc.
• Kto, Kto.Nr., Kontonr.:,
• € 100, 100 EUR, 100,--, 100 Euro
− Texterkennungs- und Rechtschreibfehler
• Für Mensch leicht erkennbar, für Software riesiger Stolperstein
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Klassifikation
• Erkennung von Informationstypus
• Katalog an Ordnungsstrukturen und Dokumenttypen
− Rechnungen, Angebote, Buchhaltung, Kontoauszug, etc.
− Jahresabschlüsse, Bilanzen, Testate,
− E-Mail, Kalender, Reisedokumente, Chats, etc.
• Sowohl originär elektronische Daten als auch Scans
• Erweiterbarkeit und Adaption auf Einzelfall
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 40
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Mustererkennung und Entitätenextraktion
• Erkennung der Information selbst
− Person, Adresse, Organisation, E-Mailadresse, Telefonnummer, Kontonummer, Datum
• Erkennung von Mustern
− Anredeblöcke, Signaturen, Briefköpfe, Fußzeilen, etc.
• Unterstützt durch Klassifikation
− E-Mail (Absender, Empfänger, Zeit, Sendedatum, im Dokument erwähnte Datumsangaben, etc.)
− Rechnungen (Rechnungsleger, Rechnungsempfänger, Rechnungsnummer, Adresse, UID-Nummer, Beträge, etc.)
− Sitzungsprotokolle (Datum, Teilnehmer, Ort, etc.)
• Ähnlichkeitssuche
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Mustererkennung und Entitätenextraktion
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 42
Beispiel:
MSB Muster Service Bau GmbH
MSB GmbH
Musterservice GmbH
Muster Semjce Bau
Muste Bau GmbH
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Ontologienbildung und Populierung
• Einordnung in Strukturen
− (Beliebige) semantische Ontologien
• Gesellschaft, Geschäftsführer, Prokurist, Organisation, Mitarbeiter, etc.
• Liefert Gewichtung für Relevanzerkennung der Software
− Am konkreten Datenbestand
• Ist Geschäftsführer von …
• Ist in Geschäftsbeziehung mit…
• Kennt Dokument…
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Ontologienbildung und Populierung
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 47
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Ontologienbildung und Populierung
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 48
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Heuristik und Machine Learning
• Heuristik – regelbasierte Erkennung
− Viele Beträge in Dokument ->wahrscheinlich Rechnung
− Lange Nummer mit AT davor –> wahrscheinlich IBAN
− Etc.
• Machine Learning
− Automatisierte Entscheidungsfindung durch Software anhand
Wahrscheinlichkeiten/Konfidenzen
− Training anhand Datenmengen durch User
− Korrekturen durch User führen zu Verbesserung der Erkennung im
Gesamtdatenbestand
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 49
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Entscheidungsfindung durch Software
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 50
Klassifikation
Klassifikation aus Heuristik und ML
Klassifikation aus Heuristik / Regeln
Klassifikation aus Maschinellem Lernen
(ML)
Klassifikation durch Benutzer
Score: dieser sticht
Score: 0-50 Score: Summe aus RegelnTrainingsmenge für ML
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IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 52
Leistung
Organisation
Rechnung
Person
Rechnungsbetrag
erbringt
verrechnet in
hat GF
empfängt
hat Betrag
hat Zahlungseingang
Manuelle Eingabe / Korrektur Dokumente
Datenherkunft
Datenbanken /Systeme
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Beantwortung von Fragestellungen im Zuge der Fall-Analyse wie:
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Welche Rechnungen / Angebote /
Verträge / Protokolle usw gibt es?
Wer hat wem welche Rechnungen gelegt?
Unter welchen Namen tritt
welcher Akteur auf?
Welche Konten / eMail-Adressen
/ ... hat welcher Akteur?
Wer hat mit wem wann
würber kommuniziert?
Wer hat sich mit wem
wann getroffen?
Kennen sich zwei Personen?
Welche Person ist tätig
für welche Organisation?
Welche Akteure stehen in
Geschäftsbeziehung?
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Weitere Entwicklungen seit 2018
• „Transaktionsmodul“
− Wertpapiertransaktionen (Analyse von Orders, Depotauszügen, etc.)
− Geldbetragstransaktionen (Analyse von [strukturierten] Kontodaten
• „Telefonmodul“
− Telefonüberwachungsergebnisse (Analyse von extrahierten Ergebnissen der
Telefonüberwachung)
− Mobilauswertungen (Schnittstelle zu Auswertungen)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 54
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Weitere Entwicklungen seit 2018
• Fahrzeugmodul
− KFZ-Daten, KFZ-Verträge, KFZ-Dokumente
• Weiterentwicklungen bei Visualisierungen
• Technische Weiterentwicklungen:
− (Private-)Cloud-Fähigkeit mit Dockertechnologie
− Webapplikation für Fallmanagement und Ermittlung
− Weitere forensische Formate
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 55
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Geht das jetzt bei jedem Fall?
Einzelfall
„Branche“
Allgemein Personen, Telefon, etc.
Wirtschaft (Konten,
Rechnung,…)
Vorstands Sitzungs
Protokolle
Rechtsanwalts dokumente
Korruption (Amtsbericht, Bescheid, etc.)
Stadtsenats Sitzung
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Geht das jetzt bei jedem Fall?
Personen, Telefon, etc.
Wirtschaft (Konten, Rechnung,…)
Rechtsanwaltsdokumente
Vergabeverfahren
Anpassung und Erweiterung durch eigene IT möglich!
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Bisherige Erfahrungen
• Hohe Treffergenauigkeit
• Massive Zeitersparnis
• Software „funktioniert“
• Schulungen unabdingbar
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Cui bono?
• Kürzere Verfahrensdauern
• Bessere Beweislage und Aufklärung
• Täter
• Fakten (insb. Finanzdelikte)
• Schuldsprüche
• Finanziell besserer Erfolg
• Geldstrafen
• Verfall
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Pilotierung im Sichtungsverfahren
• Daten, die dem rechtsanwaltschaftlichen Verschwiegenheitsrecht unterliegen
• In Österreich: Sichtung durch Richter (ohne Prüfung auf Relevanz)
• Anwendung eines Analysemodells zur Selektion von relevanten Daten vor Sichtung
• Viel genauer als bloße Schlagwortsuche
• Intelligente Abfragen möglich (z.B. alle Dokumente mit Konten, die zu X gehören)
• Pilot: 120.000 Dateien zur Sichtung durch den Richter >>>Ergebnis: Reduktion auf ca. 7.000 Dokumente (~6 %)
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 60
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Quo vadis KI in Austria?
• Forschungsprojekt in Bezug auf Dokumentengeometrie unter Zuhilfenahme von
Deep Learning Technologien(Genehmigung ausständig)
• Segmentierung von Dokumenten (graphische Analyse zur Erhöhung der
Erkennungsgenauigkeit)
• Erkennung von graphischen Elementen Beginn eines erweiterten produktiven
Betriebs (Stempel, Unterschriften, Logos)
• Erweiterung des Betriebs in Steuerfahndung und Strafverfolgung
• Automatisierung der Prozesse (inkl. zentrale Scanstraße)
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Fragen?
Meinungen?
Anregungen?
IT-Unterstützung und KI im Strafverfahren – Erfahrungen aus Österreich 63
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Danke für Ihre
Aufmerksamkeit!
Oberstaatsanwalt Mag. Matthias Purkart, LL.M.Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und [email protected]