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Jahresjubiläum Rettberg Kaserne 1913 - 2013 Ansichten

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Jahresjubiläum

Rettberg Kaserne

1913 - 2013

Ansichten

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Der 1913 an der Oldenburger Landstra-ße in Eutin begonnene Kasernenneubau wurde 1915 fertiggestellt und vom neu-en III. Bataillon (1913) des Infanterie-Regiments „Lübeck“ (3. Hanseatisches) Nr. 162 bezogen. Damit dieses nicht auf den Standortübungsplatz der Lübecker, auf der Palinger Heide angewiesen war, wurde ein solcher zwischen Eutin und Zarnekau eingerichtet. Dennoch war das Bataillon bis zu dessen Fertigstel-lung genötigt, zum Üben mit dem Zug nach Lübeck zu reisen.

Ein langer Weg bis zur endgültigen Garnisonsstadt

Die Eutiner Kaserne im Jahr 1914

Der Aufklärer26

Anfang und EndeDie Zeitbetrachtung, unabhängig von der Kasernenerrichtung, geht bereits auf das Jahr 1832 zurück. Der dama-lige Großherzog Paul Friedrich August machte Eutin zum Standort der 2. ol-denburgischen Reservekompanie. Die erste Eutiner Kaserne befand sich an der Plöner Straße 19 und war von 1851 bis 1867 mit einer Infanterie-Ab-teilung belegt (siehe Foto unten auf dieser Seite). 1867 wurde die Garni-son aufgelöst und es bestanden damals keine Hoffnugen auf eine Wiederbele-bung.

Der Versuche waren es vieleEin erneuter Vorstoß wurde dann in Eutin erst wieder nach der Gründung des Deutschen Reiches unternommen. Am 06.03.1882 wurde im Gemeinde-rat eine Petition verhandelt, die von 290 Bürgern unterschrieben war und in der der Großherzog um die Verle-gung einer Garnison nach Eutin gebe-ten werden sollte. Im Januar 1906 er-reichte dann der Ratsherr Estorff die Zustimmung der Gemeindevertretung für einen neuen Vorstoß in Oldenburg. Dieser erneute Vorstoß führte schließ-lich am 24.07.1908 zu einer Eingabe

an die großherzogliche Regierung, wa-rum die Einrichtung einer Eutiner Gar-nison dringend geboten sei. Es wur-de dabei u.a. ausgeführt, dass sich Orte wie z.B. Malente und Schönwalde von Eutin wirtschaftlich unabhängig ge-macht hätten, die Geschäftslage in Eu-tin sich verschlechtert habe und der Fremdenverkehr sich immer mehr an die Ostseeküste und nach Malente und Schwartau verlagere. Zudem sei auch in Eutin eine Abwanderung in die grö-ßeren Städte zu beobachten, wo dann auch der Wehrdienst abgeleistet werde.

Demgegenüber betonte der Magistrat, wäre es doch zweifellos vorteilhafter, wenn gerade auch die „durch die Leh-ren der Sozialdemokratie verseuchten großstädtischen Wehrpflichtigen ihre Dienstzeit in einer kleinen Garnisons-stadt ableisten könnten“.

Der enorme Steuerdruck Den bisherigen Begründungen fügte man diesmal hinzu, dass der Steuer-druck für die Bürger vor allem wegen der zunehmenden Wegebauten und der Errichtung von Schulen allmählich un-erträglich würde. Eine Garnison wür-de die Lage der Stadt wesentlich ver-bessern können. Oldenburg befürwor-tete diesen Antrag wärmstens, und der oldenburgische Gesandte von Eucken wurde in diesem Sinne beim Kriegs-ministerium vorstellig.Die Infanterie-Kaserne in Eutin, Plöner Straße 19 von 1851 bis 1867

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Die wahrscheinliche Realisierung des Eutiner Wunsches

Matthias Erzberger * geboren am 20. September 1875 in Buttenhausen, Königreich Württ-emberg; † 26. August 1921 bei Bad Griesbach im Schwarzwald. Bereits 1903 wurde Erzberger als damals jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt und reprä-sentierte dort den neuen Typ des Berufspolitikers. Sein politischer Ziehvater war der Reichstagsabge-ordnete Richard Müller. Gleich zu Beginn seiner politischen Karriere kritisierte er scharf und teilweise gegen Parteifreunde die Kolonial-skandale und trug dazu bei, dass die Regierung Bülow in der Bud-getfrage für den militärischen Ein-satz in den Kolonien zurücktrat und es damit zu Neuwahlen des Reichs-tags (sog. „Hottentottenwahlen“) kam. Unter seiner Mitwirkung stürzten Deutschkonservative 1909, gemeinsam mit dem Zentrum die Regierung Bülows, da keine Ei-nigung in der Frage der geplanten Erbschaftssteuer gefunden wurde, die erst 1919 von Erzberger als Finanzminister eingeführt werden konnte.

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Nur der FremdenverkehrWeiß als Vorsitzender, führte bei dieser Versammlung u.a. aus, es gebe in Eu-tin wohl kaum einen Bürger, der nicht damit einverstanden sei, dass die Stadt eine Garnison bekomme. Man wisse auch die großen materiellen Vorteile zu schätzen, die die Belegung mit Mi-litär mit sich bringe. Da Eutin keine nennenswerte Industrie habe und außer dem Fremdenverkehr auch über keine besonderen Einnahmequellen verfüge, sei es nur zu begrüßen, ein Bataillon nach Eutin zu bekommen.

Die Pläne wurden konkretisiertDie erste Eingabe dieses Komitees an den Großherzog wurde am 07.03.1913 nach Berlin weitergeleitet, in ei-ner Phase, in der sich jetzt die Reali-sierung des Eutiner Wunsches anzu-bahnen schien. Der Intendantur des IX. Armeekorps wurde in diesen Tagen ein Vertragsentwurf der Stadt Eutin zu-geleitet, in dem für die vorläufige Un-terbringung eines Bataillons folgende Gebäude angeboten werden:ein Schulhaus, ein Lagerhaus, ein ehe-maliges Fabrikgebäude und das Ar-menhaus sowie eine Villa für die Offi-ziersspeiseanstalt. Jetzt konkretisierte sich allmählich alles, was bisher auf dem Papier und in Gesprächen erör-tert wurde. Das Armee-Verwaltungs-Departement des Kriegsministeriums verlangte am 18.04.1913 nach entspre-

chenden Ortsbesichtigungen die Be-reitstellung eines Baugeländes an der Oldenburger Chaussee und die Schaf-fung der übrigen Voraussetzungen für einen Kasernenneubau, betonte aber, eine Entscheidung darüber, ob Eu-tin Garnison werde, sei noch nicht gefallen. Ja, am 03.05.1913 hieß es dazu seitens des Departements in aller Deutlichkeit: „Dem Vernehmen nach soll dort die Annahme bestehen, dass die Garnison für Eutin so gut wie gesi-chert sei.“

Die Chancen mündeten im TrostDie erwartete Antwort ließ die Euti-ner noch nicht aufgeben. Wie zu al-len Zeiten, trat nun auch so etwas wie Lobbyismus in Funktion. Man be-mühte u.a. den mit dem Bürgermeister Mahlstedt befreundeten Herrn von Le-vetzow-Sielbeck, sich in Berlin in Ge-sprächen mit einflussreichen Persön-lichkeiten für die Eutiner Wünscheeinzusetzen. Doch auch von Levetzow, der u.a. auch mit dem Vorsitzenden der entscheidenden Militärkommission, dem *Reichstagsabgeordneten Erzber-ger sprach, konnte schließlich die Eu-tiner auch nur damit trösten, dass die Chancen für Eutin erst günstiger wür-den, wenn beim Lübecker Infante-rie-Regiment 162 ein drittes Bataillon aufgestellt werden würde. Außerdem forderte er Bürgermeister Mahlstedt auf, zu Gesprächen nach Berlin zu

kommen, um die Sache dort nach-drücklicher vertreten zu können.

In Eutin bildete sich nach einem Aufruf in der Zeitung am 22.02.1913 auf einer Versammlung im Hotel „Voßhaus“ ein „Komitee für die Bestre-bungen zur Verlegung einer Garnison nach Eutin.“ Etwa 70 Personen unterstützten diese Gründung, deren Initiatoren Kaufmann Leo Weiß, Redakteur Karl-Ludwig Klewe, Hotelier Willy Janus, Hof-photograph Albert Giesler, Gastwirt Carl Piehl, Bauunternehmer Theodor Petersen, Kaufmann von Spreckelsen, Schlachtermeister Wilhelm Strahlen-dorf und Ratsherr Estorff waren.

Der Eutiner Bürgermeister Albert Mahlstedt

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Danktelegramme an den Großherzog Am Tage vorher hatte das Kriegsmi-nisterium telegraphiert: „Stadt Eu-tin endgültig als Standort für ein Ba-taillon Infanterie bestimmt, Erfüllung der gestellten Bedingungen vorausge-setzt“. „Nun war großer Jubel in der ganzen Stadt ...“ schrieb der „Anzei-ger für das Fürstentum Lübeck. Der Bürgermeister schickte sofort Dankte-legramme an den Großherzog, an den Gesandten von Eucken und den Ab-geordneten Ahlhorn. Nun ging es zü-gig voran. Es kam zu folgenden Ver-tragsabschlüssen: Kranke Soldaten sollen im Krankenhaus Eutin unterge-bracht werden, Fahrzeuge sollen in der Schmidtschen Scheune (Kieler Stra-ße heute Riemannstraße) untergestellt werden und die Häuser Kneese (Kieler Straße / Faulenborn) und Huster (Hin-terhaus Markt 2) werden angemie-tet. Und am 25.08.13 wurde zwischen der Stadt Eutin und dem Reichsfiskus, vertreten durch die Garnisonverwal-tung Eutin, ein Vertrag über die Un-terbringung des III. Bataillons des Inf.Rgt.162 geschlossen, wonach seitens der Stadt bis zum 01.09.2013 folgende

Grundstücke unentgeltlich und frei von Lasten bereitzustellen waren:

Wie sollen sie empfangen werden?Man hatte sich in Eutin auf diesen Tag entsprechend vorbereitet und vorher in anderen Garnisonsstädtchen im ganzen Deutschen Reich wie in Donaueschin-gen, Angerburg, Soest, Rinteln, Geld-ern und Lahr angefragt, wie man die Truppe wohl angemessen empfangen könnte und danach ein Programm aus-gearbeitet.

Tanz und PlatzkonzertNach einer Begrüßungsfeier im „Schloss-Hotel“ am Markt wurden Unteroffiziere und Mannschaften zu einem Abendessen im gleichen Ho-tel am 03. Oktober eingeladen, und an-schließend war Tanz für die einzelnen Kompanien in vier Sälen. Für die Of-fiziere gab es ein Essen im „Voßhaus“, und die Regimentsmusik bot am Mit-tag ein Platzkonzert auf dem Markt-platz. Vor dem Rathaus zog seit dem 01. Oktober ein Wachposten auf, und jeden Mittwoch war mittags die Wach-ablösung und abends wurde hier auch das Zapfenstreichsignal geblasen.

Trommelwirbel für den KriegDoch der friedensmäßige Dienst des Bataillons in der neuen Garnison dau-erte nicht einmal ein Jahr. Am 01. Au-gust 1914 wurde auch in den Stra-ßen Eutins unter Trommelwirbel der Kriegszustand durch einen Offizier

verkündet. So begann auch in der jun-gen Garnison Eutin das Räderwerk der Mobilmachung zu laufen. Reservisten, Pferde und Fahrzeuge wurden einge-zogen und in der Nacht des 07. / 08. August 1914 verließ gegen 03.00 Uhr morgens das Eutiner Bataillon mit der Bahn die Stadt.

a) 3,5 ha an der Oldenburger . . . Chaussee für Kasernenb) 0,5 ha für ein . . . Garnison-Lazarettc) 0,25 ha für eine . . . Militärbadeanstalt am Großen Seed) 50,00 ha für einen Exerzierplatze) 2,00 ha für Schießstände

Standort Eutin „Großer Jubel in der ganzen Stadt“

Im Sommer 1913 fanden dann weitere Ortsbesichtigungen statt. Über das Ka-sernengrundstück war man sich mit dem militärischen Sachverständigen relativ schnell einig. Für den Standortübungs-platz entschied man sich für Zarnekau. Am 26.06.1913 endlich teilte die Regie-rung dem Magistrat mit, dass die Ent-scheidung nunmehr gefallen sei.

Wissenwertes zu MahlstedtBürgermeister Albert-MahlstedtEr war in den Jahren von 1891 bis 1928 Bürgermeister der Stadt Eutin. Er lebte von 1861 bis 1943 und wur-de somit stolze 82 Jahre alt, was für damalige Zeiten eher ungewöhnlich betagt bedeutete.Mahlstedt ist auf dem Friedhof an der Plöner Straße begraben.Die Albert Mahlstedtstraße wurde ihm zu Ehren geschaffen und seit 1979 heißt die vormalige Pestalozzi-Schule Eutin Albert-Mahlstedt-Schule.

Geschichtliche Daten1920 gibt es erste Überlegungen zum Bau eines Ehrenmals für die gefallenen Soldaten des 1. Welt-krieges aus Eutin und den um-liegenden Dörfern. Bald darauf liegt ein Plan über das Gelände im Schlossgarten an der Oldenburger Landstraße vor. Am 23.02.1928 werden die Bäupläne durch Bürger-meister Mahlstedt baupolizeilich genehmigt.

Fahnenübergabe auf dem Eutiner Marktplatz in 1914

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Man(n) richtete sich einDie 9. Kompanie unter Hauptmann de Rainville zog in das Schulgebäude Au-guststraße 1 (heute Albert-Mahlstedt-Straße) ein, das die Realschule damals räumte, als sie in das Gebäude der heutigen Voß-Schule auf dem Kamp zog. Etwas weniger komfortabel wur-de die 10. Kompanie unter Haupt-mann von Schuckmann im Hofgebäu-de Markt 2 in unmittelbarer Nähe des Rathauses untergebracht, während die 11. Kompanie unter Hauptmann von Hammerstein die Pension „Bellevue“ (Charlottenstraße 17) und das Armen-haus in der Charlottenstraße bezog.

Im Volksmund als „Teufelsinsel“Die 12. Kompanie schließlich un-ter Hauptmann von Schaumburg be-legte den ehemaligen Gasthof „See-garten“ in der Kieler Straße (heute Riemannstraße 88). Der Bataillons-kommandeur Major Freiherr von Forstner erhielt das Haus Plöner Stra-ße 54 als Dienstwohnung. Das später im Volksmund als „Teufelsinsel“ be-zeichnete Haus in „Faulenborn“ (heu-te Riemannstraße 122) wurde u.a. als Arrestlokal für das Bataillon genutzt, und die Standortverwaltung zog in das 1. Stockwerk des Schulgebäudes in der Bahnhofstraße ein.

Fertigstellung der KaserneDer 1913 begonnene Kasernenneubau an der Oldenburger Chaussee konnte unter den kriegsbedingten Umständen

erst 1915 fertiggestellt werden. Doch nicht das im Feld befindliche III / 162, für das die Gebäude eigentlich vor-gesehen waren, zog am 04. Oktober 1915 hier ein, sondern die Militär-Vor-bereitungsanstalt, die bis 1916 blieb und dann von einem Landsturmbatail-lon abgelöst wurde.

Kriegsgefangene in EutinIn den letzten Wochen des Jahres 1917 wurden hier dann etwa 500 belgische, französische und englische Kriegsge-fangene untergebracht. Sie hatten dort nichts auszustehen, schrieb ein zeitge-nössischer Bericht und bildeten stets einen Anziehungspunkt für viele Neu-gierige. Durch das Rote Kreuz er-hielten die Gefangenen viele Liebesga-ben und auch Lebensmittel von ihren Angehörigen. Es kam vor, dass Kinder solch einer Kolonne von Gefangenen beim Ausgang aus der Kaserne folgten und ihnen dann von den gefangenen Soldaten Kekse oder Scho-kolade zugesteckt wurden.

Spuren am CasinoAllein die Inschrift „I.R.162“ über dem Ein-gang des Offiziersheims und der Name der Kaserne erinnern noch heute daran, dass diese Gebäude einmal errichtet wurden für ein Ba-taillon des „Hanseatischen Regiments“ 162, nachdem Eutin sich unermüdlich da-

für eingesetzt hatte, wieder Garnison zu werden.

Relief bei den PanzergrenadierenUmgliederung bzw. Auflösung von Verbänden der Bw in 1992 bescher-te auf ganz andere Art und Weise das Casino. Ein Relief von Oberst Karl v. Rettberg, bis 1992 beim Panzergrena-dierbataillon 172 in Lübeck zu Hau-se, fand nach dessen Auflösung in der Rettberg Kaserne, die am 04. De-zember 1938 nach dem ersten Kom-mandeur des Infanterieregiments 162, Oberst Karl v. Rettberg, so benannt wurde, eine neue Heimat. Eigentlich sollte das Relief an den Eigentümer, das St. Annen Museum in Lübeck, zu-rückgegeben werden. „Dank tatkräf-tiger Unterstützung vieler Freunde,insbesondere der Kameradschaft und des Fördervereins war es möglich, Aus- und Einbau sowie eine Versiche-rung des Reliefs zu finanzieren.

Im Herbst 1913 war es dann endlich so weit. Das III. Btl. / 162 war inzwischen aus Angehö-rigen der norddeutschen Infanterieregimenter 31, 75, 84 und 163 neu aufgestellt worden. Am 01. Oktober 1913 zog es mit klingendem Spiel in seine neue Garnison Eutin ein. Da mit dem Kasernenneubau damals erst begonnen werden konnte, mussten zunächst vorläufige Quartiere bezogen werden.

Belgische, französische und englische Kriegsgefangene

Namensgeber der Kaserne, Oberst Karl v. Rettberg

Lagergeld für Eutiner-Kriegsgefangene 1917

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Fremde mit neuer HeimatDiese Truppen, die aufgrund der Ver-sailler Bestimmungen ihr Land verlas-sen mussten, fanden ihre neue Heimat auch in Eutin. Daher bestand das Ba-taillon auch zu einem überwiegenden Teil aus Angehörigen der abgetretenen Gebiete an Polen.

„Preziosa“ in der KaserneErnteeinsätze standen auch auf dem Befehlsplan der Eutiner Soldaten. Im Jahr 1927, zur Zeit einer Missernte wurde unter harten Bedingungen auf-grund mangelnder Verpflegung gear-beitet. Besonderheiten bildeten die öf-fentlichen Fußballspiele der Vereine,

welche ausschließlich auf dem Kaser-nenhof stattfanden. Aber auch Auf-führungen der Weber-Oper „Preziosa“ fanden in der zur Festhalle umgestal-teten Exerzierhalle statt.

Ab sofort Rettberg-Kaserne1938 erfolgte die Namensgebung nach Oberst von Rettberg, als die Kaser-ne ihr 25jähriges Jubiläum feierte. Der Namensgebende Oberst, Karl von Rettberg, zog als Major und Komman-deur des III. Bataillon des Schleswig-Holsteinischen Infanterie-Regiments Nr. 163, Schwesterregiment des 162. in den Krieg. Er prägte das Regiment bis Juli 1917.

Neue Strukturen, neue MännerIm Februar 1938 übernahm General-major Kurt von Briesen die 30. Inf. Div. In der nur noch kurzen Zeit bis zum Beginn des II. Weltkrieges ge-lang es ihm als Divisionskomman-deur einen schlagkräftigen Verband zu formen. Als sich 1939 die Anzeichen für einen Krieg im Osten gegen Polen schärften, wurde auch das Eutiner Ba-taillon gerufen. Die Teilnahme am Ab-marsch der Soldaten hielt sich bei der Bevölkerung in Grenzen. Die Men-schen spürten den tatsächlichen Ernst der Gesamtlage. Bilder aus Eutin während des II. Welt-krieges, siehe unten.

Einzug der Reichswehr 1920, Begrüßung durch Bürgermeister Mahlstedt

Der tatsächliche Ernst der Gesamtlage wurde transparent

“Sie haben ihre Heimat verloren, Sie werden hier in Schleswig-Hol-stein eine neue finden. Sie werden sich hier anfreunden mit den Seen und Wäldern. Ich heiße Sie herz-lich willkommen“, mit diesen Wor-ten begrüßte der damalige Bürger-meister Mahlstedt (1920) die Trup-penteile aus Westpreußen.

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Während der Zeit des 2. Welt-krieges, als die Eutiner Einheiten des Infanterie-Regiments 162 im Rahmen der 30. Division zum Einsatz an der Front standen, war in der Eutiner Rettberg Kaserne die Heeresunteroffizierschule un-tergebracht. Das Ersatzbataillon für die friedensmäßigen Eutiner Truppenteile lag in der Meesen Kaserne in Lübeck-Marli.

Appell in der Rettberg Kaserne in den Kriegsjahren

Kriegseinsatz vom ersten Tag anDas Eutiner Bataillon stand vom er-sten Tag des II. Weltkrieges an im Ein-satz. Breithaupt schrieb damals: „Es ist anders als 1914. Nicht das Feuer der Begeisterung weht über den mar-schierenden Kolonnen, nicht jubeln-der Rausch der Hingabe und heimlich unterdrücktes Weh, eher eine stumme Entschlossenheit, die schweigend das Notwendige tut, und eine letzte Hoff-nung, dass das Äusserste auch diesmal nicht Wirklichkeit werde.“

Spezielle AusbildungseinheitDie Heeresunteroffizierschule für die Infanterie wurde zum ersten Mal schon am 1. April 1938 in Eutin aufgestellt und war im wesentlichen für freiwilli-ge Anwärter aus der Truppe gedacht. Im Zuge der Kriegsereignisse löste man diese im Oktober 1939 wieder auf

und richtete sie im Sommer 1941 wie-der ein.

Vier Kompanien mit je 150 MannDie Lehrgänge setzten sich aus frei-willigen Absolventen der Heeres-Un-teroffiziers-Vorschulen zusammen. Der erste Lehrgang dauerte ein Jahr. Aufgrund der Kriegsereignisse wur-de dann auf 6 Monate verkürzt. Die Heeresunteroffizierschule in der Rett-berg Kaserne umfasste 4 Kompanien mit je 150 Unteroffiziersschülern. Aus-gebildet wurden die Soldaten von teil-weise sehr hochrangigen Offizie-ren, die durch Verwundungen in den Kriegseinsätzen, dem Frontdienst nicht mehr gewachsen waren. Küche, Kan-tine, Schneider- und Schusterpersonal und auch die Sattlerei war vielfach mit älterem Zivilpersonal aus Eutin und Umgebung besetzt.

Am Ende ging es an die FrontBereits nach vier Wochen wurden alle Lehrgangsteilnehmer vereidigt. Die Ernennung zum Obergrenadier er-folgte nach ca. drei Monaten. Nach der Ausbildung in Eutin wurden die Un-teroffiziersschüler in die Stammein-heiten versetzt, kamen aber ab 1943 meist geschlossen zu Neuaufstellungen von Divisionen und Kampfverbänden. Von der Heeresunteroffiziersschule ist bekannt, dass sie zum Kriegsende mit Teilen der im Osten kämpfenden Trup-pen gegen die sowjetische Armee ein-gesetzt waren.

Der ZeitzeugenberichtLesen Sie auch den Bericht in dieser Ausgabe, auf den Seiten 36 und 37, von Horst Krause, einem Soldaten, der in der Rettberg Kaserne 1944 als Schüler am Uffz-Lehrgang teilgenom-men hat und nach dem Krieg in der neuen Bundeswehr seinen Dienst als Berufssoldat absolvierte.

Unteroffiziersschüler in der Rettberg Kaserne

Eine letzte Ho� nung der Menschen auf die Nichtwirklichkeit

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Als nach fast einem Jahrzehnt der Entmi-litarisierung die Siegermächte über ein Konzept der Wiederbewaffnung diskutier-ten, hat Eutin diese Gelegenheit recht-zeitig wahrgenommen, sich als bisherige Garnisonssatdt neu einzubringen. Trotz der Fremdbelegung der Rettberg Kaserne wollte man die Anlage ihrem eigentlichen Zweck neu zuführen.

Endlich wieder als die Eutiner Garnisonsstadt fungierenMenschen aus Lettland Eigentlich bestand kaum Aussicht, die Rettberg Kaserne jemals ihrem Ur-sprungszweck wieder zuzuführen. Bedingt durch den Krieg waren die Gebäude anderen Zwecken zur Verfü-gung gestellt worden. Eine große Zahl an Flüchtlingen und Vertriebenen wa-ren hier untergebracht. Dadurch stieg die Anzahl der Eutiner Bevölkerung auf das 3fache an. Überwiegend wa-ren es Menschen aus Lettland, die hier Obdach fanden. Als sich im Lau-fe der Zeit weitere Möglichkeiten fan-den, wurden die Gebäude anderen Ver-wendungen zur Verfügung gestellt. Kleinere Betriebe und Einrichtungen präsentierten ein buntes Bild der Ka-serne. Omnibusbetrieb, Druckerei, Schuhma-cherei und Lagerräume für diverse Fir-men bestimmten das Tagesbild. Das Zollamt war im bisherigen Offizierka-sino untergebracht. Die ehemalige Ex-erzierhalle stand den örtlichen Sport-vereinen zur Verfügung.

Ein Investment von 30 Millionen DMAm 29. März 1956 sprach der Büger-meister mit drei Offizieren aus Bonn, ob und wann vermutlich Truppen nach Eutin kommen würden. Die Erörte-rungen drehten sich im Kern um die Räumung der privat genutzten Kaser-ne. Am 18.12.1956 rechnete man mit überschlägigen Kosten von etwa 13 Millionen DM für die Räumung und mit ca. 17 Millionen DM für die Neu-bauten in der Kasernenanlage. Der Ostholsteiner Anzeiger titelte in 1958:„Mit dem Fremdenverkehr ist es bald vorbei“! In dem Bericht bezog man sich auf die Bundeswehr und deren ne-gative Folgen auf denTourismus.

Neumünster schickte seine VorbotenAllmählich wurde dann im Laufe von zwei Jahren die Kaserne geräumt und am 22. und 23. August 1959 fand ein Tag der offenen Tür auf dem Übungs-gelände hinter der Rettberg Kaser-ne, ausgerichtet durch das Panzerauf-klärungsbataillon 6 aus Neumünster,

statt.Wegen ei-ner Erkrankung in Neumünster kam das Ba-taillon auf den Standortübungs-platz in Quara-täne. Diese Zeit nutzte Major Herrmann, die Beziehungen zu Eutin zu ver-tiefen und dank

der Beziehungen zu Kriegskameraden auf der Hardthöhe, die Stationierung von Boostedt /Bad Segeberg nach Eu-tin umorganisieren zu lassen.

Major Herrmann an der SpitzeAm 11. April 1961 rückte das PzAuf-klBtl 6 unter der Leitung von Major Herrmann in die wiedergewonnene Garnisonsstadt ein. Herrmann betonte in seiner Ansprache, dass er den Wil-len habe, ganz nah an der Bevölkerung sein zu können und möchte gerne ein „Hausbataillon“ sein! Bei der Schlüs-selübergabe vernahm man den Willen auf gefestigten Frieden im tiefen Ver-trauen in die Soldaten.

Kein neuer KasernennameDer Name der Kaserne konnte und durfte weiterhin zu Ehren des Oberst „Rettberg“ getragen werden. Am 11. April 1961 wehte zum ersten Mal die Fahne der Bundesrepublik Deutsch-land vor den Kasernentoren in der Garnisonsstadt Eutin.

Erweiterung und SanierungErhebliche finanzielle Mittel ha-ben dazu beigetragen, dass die Bau-substanz erhalten blieb und drei neue Kompanieblocks, der gesamte Wirt-schaftsbetrieb, das Heizwerk und der Sanitätsbereich erneuert wurden. Fer-ner war man bestrebt, ausreichenden Wohnraum im Charlottenviertel von Eutin für Berufs- und Zeitsoldaten und den Zivilangestellten zu schaffen.

Luftbild der Rettberg Kaserne aus den 70iger Jahren

Major Herrmann (l) mit Brigadegeneral von Einem (r) 1961

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Mit der Wiederbewaffnung und der Ein-führung der Bundeswehr festigte sich auch der Standort Eutin. Nachdem erheb-liche finanzielle Mittel zur Gebäudeer-weiterung und auch Sanierung investiert waren, konnte das damalige Panzerauf-klärungsbataillon 6 seinem neuen Dienst-auftrag nachkommen.

Vom Panzeraufklärungsbataillon 6 zum AufklBtl 6 „Holstein“ Nach Lingen an der Ems, Boo-stedt und Neumünster, wurde der neue Standort Eutin für die Panzeraufklä-rer endgültig zur neuen Heimat aus-gewählt. Der Name „Rettberg Kaser-ne“ blieb unverändert bestehen. Es galt den neuen Auftrag, den die Bundes-wehr als reine Verteidigungsarmee er-hielt, umzusetzen. Eine 30 Minuten lange Feldparade mit dem Brigadege-neral v. Einem, dem Musikkorps 6 und dem Bataillonskommandeur Major Herrmann, läutete die Standortära ein.

Das neue Wirtschaftsgebäude wur-de 1961 von der Truppe übernommen. Damit war eine professionelle Versor-gung gewährleistet.

1962 wurde die Badeanstalt wie-dereröffnet. Der Pionierzug hatte die Erstellung maßgeblich geleitet und durchgeführt. 40 Jahre davor, hatte das Infanterieregiment 6 den Grundaufbau bereits getätigt.

Das Fest „50 Jahre Garnisonsstand-ort“ Eutin wurde 1963, begleitet von dem Niederlegen des Findlings vor dem Kasernentor mit der Aufschrift „Rettberg Kaserne“, begangen.

Der Sportplatz inclusive Tennis-platz wurde 1964 hinter der Kaserne freigegeben. Dem gesellten sich noch die Meldungen: Tischlerwerkstatt in der 1./6 und die Bataillonsbücherei ist fertig, findet jedoch keine Leser, hin-zu.

Die vom Bundespräsidenten ver-liehene Truppenfahne wurde 1965 von dem stellvertretenden Kommandeur Hauptmann Dietrich in Empfang ge-nommen.

1967 stellte das Bataillon vom leichten Spähpanzer M41 auf den Kampfpanzer M48 um.

10 Jahre Panzeraufklärungsbatail-lon 6 im Oktober 1968. Von Lingen an der Ems bis Eutin. Die Feierlichkeiten, ganze drei Tage lang, waren beglei-tet von vielen Glückwünschen aus nah und fern.

Das Gebäude der 2. Kompanie war im Jahr 1975 fertig gestellt. Spieß Tz-schentke mit seinen Helfern Vahl, Höpfner und Soldaten, waren mit dem Bestücken der Räumlichkeiten be-schäftigt.

Er schwimmt tatsächlich. Erstaunen bei jenen, die ein achträdriges Gefährt Namens Luchs, 1976 in das Batail-lon aufnahmen. Der Hotchskiss hatte bei den leichten Zügen endlich ausge-dient. Aufgrund der hohen technischen Ausstattung, incl. Standheizung, waren neidische Blicke der Schweren nicht zu übersehen.

Minigolf in der Rettberg Kaserne. Am 8. Oktober 1979 wurde die Anla-ge, welche aus den Mitteln der Kauf-mannschaft der Stadt Eutin finanziert wurde, offiziell eingeweiht.

1978 erfolgte durch den Zusam-menschluß der alten Traditionsverbän-de mit aktiven Soldaten, die Gründung der Kameradschaft PzAufklBtl 6 und seine Traditionsverbände.

Der Leopard löste den M48 ab. Ende Februar 1981 verließ der letz-te „Alte“ das Kasernengelände. Helle Begeisterung war bei den Soldaten zu spüren als der Leopard A1 einrückte.

„20 Jahre sind die Aufklärer in Eu-tin zuhause“, so titelte der Ostholstei-ner Anzeiger in seiner Ausgabe am 11. April 1981. Die Feierlichkeiten waren begleitet von vielen Festivitäten und dem Besuch prominenter Gäste.

Ab 3. Mai 1990 sollte die tägliche Bereitstellung von: 1100 Brötchen, 25 kg Butter, 200 kg Frischfleisch, 110 kg Gemüse und vielen Kilogramm Kar-toffeln aufgrund der Renovierung der Truppenküche provisorisch erfolgen.

Im Jahr 1991 rundete sich das, was in 1961 schon begonnen hatte. 30 Jah-re Standort Eutin. Am Tag der offenen Tür durften über 5.000 Besucher, bei einem vielseitigen Programm, in der Kaserne begrüßt werden.

Ein neues Raubtier, der große Leo-pard, betritt die Kaserne. Am 20. Mai 1992 wurden der Leopard A1 durch den neuen A 2 abgelöst. Damit waren die Schweren auf den neuesten Stand der Wehrtechnik gebracht worden.

Erlebnis und Herausforderung zugleich. Der Luchs geht schwimmen

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Am 24. September 1992 wurde das Relief „Oberst Karl von Rettberg“ dank der Bemühungen des Traditions-verbandes und des Förderkeises nach Eutin geholt und fand im Casino sei-nen neuen Platz.

Bundeskanzler Helmut Kohl be-sucht im Mai 1994 die Rettberg Kaser-ne. Oberstleutnant Diedrichs begrüßte den Kanzler, der per Hubschrauber eingeflogen wurde, persönlich.

„Keine Angst vor Großwildkatzen“ wie Leopard und Luchs, war der Slo-gan zum Tag der offenen Tür im Juni 1995. Trotz der Temperaturen von über 30 Grad strömten ca. 10.000 Besucher in die Kasernenanlage.

Am 17. November 1997 wurde das Familienbetreuungszentrum in Eutin erstmalig eingerichtet. 7 Tage rund um die Uhr hatten Angehörige der im Aus-land stationierten Soldaten eine An-sprechstation direkt vor Ort in Eutin.

Der Schießsimulator Hand- und Panzerabwehrwaffen wurde im Sep-tember 1999 in den Dienst gestellt.

Der Fennek wurde am 10. Dezem-ber 2003 als Nachfolger für den Späh-panzer Luchs nach Eutin beordert.

Die Sporthalle erhielt in 2003 ei-nen sanitären Anbau, um den Anfor-derungen gerecht zu werden. Über die Architektur wurde heftig diskutiert.

50 Jahre Panzeraufklärungsbatail-lon 6 wurde in 2008 gefeiert. Dazu er-schien ein Buch, das die Geschichte im Einzelnen aufzeigt.

Die Umbenennung in Aufklärungs-bataillon 6 „Holstein“ erfolgte 2008. Die Verleihung vom Zusatznamen „Holstein“ wurde zeitnah ausgespro-chen.

Nach der großen Bundeswehrre-form kam in 2011 endlich die gute Nachricht. Der Standort Eutin bleibt bestehen. 100 Jahre Rettberg Kaserne. Am 10. August 2013 findet ein großer Tag der offenen Tür mit vielen interessanten Programmpunkten statt.

Sonstige Ereignisse, Zeiten, Daten und Fakten der Rettberg Kaserne Eutin in kurzer Übersicht

Andere Zeiten, moderne Systeme und neue Bw-Strukturen

Ausbildungsphasen für den Afghanistaneinsatz in Eutin hatten begonnen

Auflösung der Standortmunitions-niederlage (StOMunNdlg) in 1998

Auflösung der Standortschießanlage (StOSchAnlg) in Sibbersdorf: 1995

Neue Gestaltung des Bataillons-Rasen in: 2008

Einweihung des neuen Wirtschaftsgebäudes in: 2008

Auflösung des Unteroffiziers-Heim wurde durchgeführt in: 2002

Die Kaserne im Wandel der Zeiten. Moderner, besser und flexibler. Die An-forderungen stiegen stetig an. Die reine Verteidigungsarmee wurde umstrukturiert und für Auslandseinsätze vorbereitet.Erstmals verloren nach dem II. Weltkrieg Soldaten ihr Leben im Einsatz. Die Wehr-pflicht wurde ausgesetzt und auf reine Berufssoldaten umgerüstet.

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Die kurzen Zeitrechnungen1944 war der gebürtige Schlesier, Jahr-gang 1926, für sechs Monate Schü-ler der Unteroffiziersschule Eutin. Von 1961 bis zu seiner Pensionie-rung 1980 war die Rettberg Kaserne

Krauses Dienstort. Und seit 1980 bis heute ist er als Mitglied der Kamerad-schaft „Aufklärungsbataillon 6 „Hol-stein“, ein oft und gern gesehener Gast in der Kaserne.

Sehr bewegte ZeitabschnitteKrauses Lebensgeschichte verläuft nach der Gründung der Bundeswehr und seinem Einrücken mit den ersten Soldaten des PzAufKlBtl 6 von Boo-stedt über Eutin-Neudorf in die Rett-

berg Kaserne in ruhigen Bahnen. Da-für war es zuvor umso bewegter. Der kleine Horst wollte unbedingt Soldat werden, marschierte als Junge mit den Soldaten in seiner Heimatstadt Lau-ban (Schlesien) mit und kam seinem Berufswunsch ein ganzes Stück näher, als er 1941 mit 14 Jahren als Unterof-fiziervorschüler angenommen wurde. Dienstort Deggendorf an der Donau. „Wir waren Zöglinge, keine Soldaten, und unsere Ausbilder waren Erzieher.“

Sechs Monate Uffz-Schule EutinDie HUS (Heeresunteroffiziersschule)in Eutin wurde im Januar 1941 aufge-stellt. Am 15. März 1944 meldete sich Horst Krause an seinem neuen Stand-ort. Zugewiesen wurde ihm ab Beginn die 3. Kompanie, 3. Zug, 1. Gruppe.

Es bestanden insgesamt vier Kompa-nien mit je 165 Uffz-Schülern in Eutin.Während der Ausbildungszeit waren schon zahlreiche Feindeinflüge zu ver-zeichnen. Der UvD hatte eine Laut-sprecheranlage und sendete die Alarm-

befehle in die Flure der Gebäude.Das Hitlerattentat in der Wolfsschanze wurde damals zwar vermittelt, jedoch nicht kommentiert. Besonders erwäh-nenswert sind die Beendigungen der Schießübungen in Putlos. Der Rück-marsch in lockerer Formation endete in Fissau. Jedesmal begleitete die Re-gimentskapelle vom Inf. Reg. 30 aus Lübeck von dort aus die Soldaten mit klingendem Spiel bis in die Kaserne. Während der Ausbildung wurden auch die Verpflichtungen zum Berufssol-daten unterschrieben.

Ende oder Anfang?Am Ende der Ausbildung begann der eigentliche Ernst des Soldatendaseins. Und keiner wußte - ob er seine Familie und Heimat jemals wiedersehen wird.

Als Horst Krause 1941 in die „Alte Kaserne“ in Deggendorf einrückte

Ein Bericht von Susanne Peyronnet und Wolfgang Jacubus. / Zwölf-Mann-Stuben, Etagenbetten, ein roh gezimmerter Tisch, für jeden ein Spind und ein Schemel. Es ging spartanisch zu, als Horst Krause 1944 in die Eutiner Rettberg Kaserne ein-rückte. Inzwischen hat sich dort viel ver-ändert. In diesem Jahr feiert die Kaserne ihr 100jähriges Bestehen. 60 Jahres da-von kennt Krause, mit Unterbrechungen.

Mein erster Dienstort inDeggendorf Deggendorf ist eine Stadt im Nie-derbayerischen, im Donautal, direkt am Fuße des bay-rischen Waldes. Deggendorf erhielt in der NS-Zeit eineGarnison, als ab 1935 die Riga Kaser-ne der Wehrmacht (für das Infanteriere-giment 85) errichtet wurde. Am 20. April 1941, ca. 1.000 Kilometer von meinem Heimatort Lauban (Schlesien), begann meine 3jährige Ausbildung als Jungschüt-ze. (wir waren im rechtlichen Sinne noch keine Soldaten und im eigentlichen Sinne noch Kinder) Harte militärische Erzie-hungsmethoden, gepaart mit dem hohen Wert an geistiger und körperlicher Ertüch-tigung begleitete die militärische Grund-ausbildung. Freizeit und Urlaub wurde uns natürlich zugesprochen. Im Urlaub trugen wir gerne unsere Uniform, obwohl es keine Pflicht war, denn wir wollten vor allem den Mädchen und ehemaligen Freunden in der Heimat zeigen wie stolz und ehrenhaft wir doch nun sind!

Krause mit 14 Jahren

Ausmarsch der Unteroffizierschüler 1944, an der Spitze Kp-Chef 2te

Eutin, Lübecker Straße, Unteroffizierschüler 1944 in Marschformation

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Nochmal einen Zeitschritt zurückEs herrschte doch schon Krieg. Wer geht in solchen Zeiten freiwillig zum Militär? „Zur damaligen Zeit war der Soldat der erste Mann im Staate. Wir Jungs hatten das immer vor Au-gen“, begründet Krause in der Rück-schau seine Berufswahl. Der Krieg, das war für ihn damals Soldat sein. „Wir waren fast in einem Rausch.“ Und 1943, als schon absehbar war, dass es vielleicht kein gutes Ende neh-men würde? „Wir waren so erzogen, dass wir uns gar nicht mit dem Ge-danken getragen haben, aufzuhören.“ Außerdem haben wir so gut wie kei-ne Hintergründe erfahren, was sich an den Fronten abspielte. „Wir wussten absolut nichts, es wurde alles zensiert. Und als Stalingrad fiel, kam es als he-roische Leistung bei uns an.“

Wie schlimm der Krieg wirklich war, sei ihm erst bei den Kämpfen 1944 be-wusst geworden, die er selbst miter-lebte. In der Rückschau sagte Krause: „Uns beherrschte der Gedanke, dass wir den Bolschewismus nicht nach Westeuropa lassen wollten. Dass der Nationalsozialismus nicht besser war, haben wir erst später erkannt. Wir ha-ben an die gute Sache geglaubt. Und so sind wir verheizt und verraten wor-den. “ Krauses Stimme schwankt, als er das sagt.

Krauses Kriegsbeginn 1944Für ihn begann der Krieg im August 1944. Sein gesamter Unteroffizierlehr-gang, 660 junge Männer, marschierten durch Eutin zum Bahnhof. Das Musik-korps spielte dazu „Muss i denn,zum Städtele hinaus . . ?“ Ja, sie mussten! Ein Lazarettzug fuhr die jungen Eu-tiner Unteroffziersanwärter in Rich-tung Osten. „Wir wussten nicht, wohin es ging, nur, dass wir zur Aufstellung einer neuen Einheit kamen. “ Was folgte, waren Gefechte, die Nieder-lage und fünf Jahre russische Kriegs-gefangenschaft. Circa 65 Prozent sei-nes Jahrgangs, schätzt Krause, kamen nicht wieder nach Hause zurück, gefal-len, vermisst, im Lazarett oder in Ge-fangenschaft gestorben.

Neuanfang und Einmarsch EutinNach der Entmilitarisierungsphase und der Wiederbewaffnung der neuen Bun-deswehr, wurde am 1. August 1956 der Entschluss, wieder Soldat zu werden, für Krause besiegelt. Die Scharnhorst Kaserne in Lingen an der Ems beim Panzeraufklärungsbataillon 3 war die

erste Station des im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers eingestellten Sol-daten. Eine leere Kaserne, belegt mit ein paar Handwerkern und eine zivile Wache, ließen die Anfangserwartungen des Neuen auf ein Minimum sinken. Statt Auto oder Motorrad, standen Fahrrad mit Pedale zur Verfügung. Danach ging alles recht zügig voran. Bereits 1959 wurde unter Major Herr-mann das PzAufklBtl6 im Zuge der Neuaufstellung der 6. PzGrenDiv von Neumünster nach Boostedt verlegt. Endstation war im Frühjahr 1961 die Rettberg Kaserne. Für Krause begann nun das, was in 1944 in Eutin begann, seinen Verlauf zu nehmen. Vom Kom-paniefeldwebel der 1./6 über die Aus-bildungskompanie 11./6, als Kompa-niefeldwebel des HschKdo 13 wurde Horst Krause am 31. März 1980 in den Ruhestand versetzt. Tätig blieb er für den Bund der ehemaligen Unteroffi-ziersvorschüler als Vorstandsmitglied, Geschäftsstellenleiter und stellver-tretender Bundesvorsitzender. In der Kameradschaft Aufklärungsbataillon 6 „Holstein“ dient Krause bis zum heu-tigen Tag als ein pflichtbewusster und engagierter Stabsfeldwebel a.D.

Wir bedanken uns, lieber Herr Krause, für die Bereitschaft, dass wir diesen Artikel für den „Aufklärer“ gemein-sam mit Ihnen erstellen durften!

Ab 1956 Berufssoldat der Bundeswehr

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Nach kurzen beruflichen Zwischenstationen nach Kriegsende, un-ter anderem als Honorar-Polizist bei den englischen Besatzungskräf-ten und im Erzbergbau, wählte Krause 1956 in der 1955 gegründeten Bundeswehr die Laufbahn des Berufssoldaten. Getreu seinem Motto, jedoch unter völlig anderen persönlichen Leitlinien, mit dem er seine frühere Berufswahl begründete: „Wir waren junge, begeisterte Män-ner im Krieg und definitiv keine Nationalsozialisten in Uniform. Wir wurden von einer persönlichen Ideologie getragen, nicht von den da-maligen Inhalten der Nazis. Und daher war das Soldatentum im ei-gentlichen Sinne, auch nach dem Krieg, für mich Ehre und Auszeich-nung zugleich.“

Hauptfeldwebel Krause im Jahr 1979

Kameradschaft auch im Krieg?Das Zusammenhalten „unter Kame-raden“ wurde niemals grundsätzlich in Frage gestellt. Das Kameradschaftskon-zept war wohl auch deshalb so effektiv, weil es gerade den jungen Männern die Loslösung von der Herkunftsfamilie ermöglichte, weil sie durch die „Prü-fungen“ des Krieges (Todesgefahr, Drill, Gewalt) in die Männerwelt initiiert wur-den. Die Sehnsucht nach den Familien, nach Geliebten und Müttern blieb den-noch präsent, dass die meisten Soldaten sich durchaus „zerrissen“ gefühlt haben. Auch dafür konnte die Kameradschaft mit ihren familienanalogen Strukturen Ausgleich bieten. Gerade in der zweiten Phase des Krieges, ist die Erfahrung „Kameradschaft“ des gemeinsam ertra-genen Leids sehr zentral geworden.

Zeitzeuge, StFw. a.D.Horst Krause im heu-tigen Alter von nur 86 Jahren.

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