der prüfingenieure für bautechnik der prüf prüf ingenieur · mai 2012 der prüf prüf ingenieur...

72
Mai 2012 Der Prüf ingenieur Prüf Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084 40 Seite 4 Sicherheit – immer wieder neu erfinden? Seite 23 Nachweise für Wasserbauwerke – Wohin geht der Weg? Seite 33 Prüfung und Genehmigung durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Seite 42 Kraftwerksbau: Höchstleistungen in Planung, Fertigung und Koordination Seite 50: Bestandsaufnahme und Ziele der pränormativen Arbeit der Ingenieure Seite 57 Prüfung der Statik und der Bauausführung aus Sicht der ARGEBAU Seite 64 Freud und Leid des Prüfens: Erfahrungen bei der Prüfung von Brandschutzkonzepten

Upload: doannhi

Post on 06-Aug-2018

223 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

Mai 2012

DerPrüfingenieurPrüf

Zeitschrift der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik

ISSN 1430-9084

40Seite 4

Sicherheit – immer wieder neu erfinden?

Seite 23Nachweise für Wasserbauwerke – Wohin geht der Weg?

Seite 33Prüfung und Genehmigung durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung

Seite 42Kraftwerksbau: Höchstleistungen in Planung, Fertigung und Koordination

Seite 50: Bestandsaufnahme und Ziele der pränormativen Arbeit der Ingenieure

Seite 57Prüfung der Statik und der Bauausführung aus Sicht der ARGEBAU

Seite 64Freud und Leid des Prüfens: Erfahrungen bei der Prüfung von Brandschutzkonzepten

Page 2: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084
Page 3: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

INHALT

3Der Prüfingenieur Mai 2012

EDITORIALDr.-Ing. Dietmar H. Maier: Sicherheit – immer wieder neu erfinden? 4

NACHRICHTENDie Initiative PraxisRegelnBau meldet die ersten konkreten Arbeitsergebnisse 7

Alexander Pirlet wurde neuer Vorsitzender der Prüfingenieure in NRW 10Arbeitstagung der BVPI und Mitgliederversammlung 2012 vom 13. bis 15. September in Dresden 11

Ende Juni in Baden-Baden: Arbeitstagung der Prüfingenieure von Baden-Württemberg 1120. Bautechnisches Seminar in NRW: Wieder ein qualitativer und quantitativer Erfolg 12

Harald Bitter † 13Der Europäische Bau-Prüfverband tagte als Gast der BVPI in Hamburg 14

Karl Morgen wurde 60 15BÜV-Mitgliederversammlung am 8. November in München mit der Wahl des Vorstandes 16

vpi-EBA nennt „unverzichtbare Voraussetzungen“ einer gesetzlich geregeltenBauaufsicht im Eisenbahnbau 16

Dr.-Ing. Peter Henke als Vorsitzender der LandesvereinigungBayern wiedergewählt 17

BVPI erarbeitet bundeseinheitliche Empfehlungen für Nagelplatten 17Landesvereinigung Sachsen: Jäger als Vorsitzender bestätigt 18

Die BÜV-Empfehlungen für tragende Kunststoffbauteile enthalten jetzt auch Rechenbeispiele 18Koldrack als Vorsitzender der Prüfingenieure in Mecklenburg-Vorpommern wiedergewählt 19

Betonverein fragt nach Vorträgen für den Deutschen Bautechnik-Tag 2013 in Hamburg 19Neuer Vorstand in Hamburg 19

Bericht aus dem Deutschen Institut für Bautechnik 20Neue Ausgabe der BÜV-Empfehlungen für die Bauüberwachung von Windenergieanlagen 22

WASSERBAULtd. Baudirektor Dipl.-Ing. Claus Kunz: Nachweise für Wasserbauwerke – Wohin geht der Weg? 23

VERKEHRSWASSERBAUMinisterialrat Dipl. Ing. Wolfgang Dörries: Prüfung und Genehmigung durch die

Wasser- und Schifffahrtsverwaltung 33

KRAFTWERKSBAUDipl.-Ing. Wolfgang König: Höchstleistungen in Planung, Fertigung und Koordination 42

NORMENDr.-Ing. Volker Cornelius: Bestandsaufnahme und Ziele der pränormativen Arbeit der Ingenieure 50

PRÜFPRAXISBaudirektorin Dipl.-Ing. Ute Kühne: Prüfung der Statik und der Bauausführung

aus Sicht der ARGEBAU 57

BRANDSCHUTZDipl.-Ing. Erhard Arnold: Freud und Leid des Prüfens:

Erfahrungen bei der Prüfung von Brandschutzkonzepten 64

IMPRESSUM 70

Page 4: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

4Der Prüfingenieur Mai 2012

EDITORIAL

Sicherheit – immerwieder neu erfinden?

Das Vergessen gehört ebensozur Menschheit, wie das Gewinnenvon Erkenntnissen! Diese Rückseitedes Rades der Zeit wird uns am Un-tergang von Hochkulturen auf einerhistorischen Ebene bewusst.

Die Kenntnisse der Maya überdie Himmelsgestirne gingen in Mexi-ko ebenso verloren wie die medizini-sche Kunst der Perser oder die Bau-kunst der Ägypter.

Aber auch in viel kleinerenZeiträumen geht Wissen verloren.Jeder, der in seinem Fach denklassischen Weg nimmt, um zuneuen Erkenntnissen zu gelangen,muss zuvor den steinigen Weg derLiteraturrecherche beschreiten. Inunserer 2.0-Welt wird zwar gernedie Abkürzung gewählt, weil essehr viel leichter ist, sich selbstals Entdecker neuer Zusammen-hänge zu feiern, wenn man von der Unwissenheitbeschlagen ist, was andere, vielleicht schonGenerationen vor einem selbst, entdeckt und ge-wusst haben.

Diese Tendenz ist nicht nur bei Politikern undihren Dissertationen zu beobachten, auch in unsererDisziplin wird einem nahezu auf jedem Seminar undSymposium Neues und oft mit Steuergeld Erforsch-tes vorgeführt, bei dem den Älteren unter uns dochauffällt, Ähnliches – sicher in anderer Wortwahl,manchmal auch mit anderen Bezügen und Querver-weisen, aber doch grundsätzlich den ZusammenhangBeschreibendes – schon einmal gelesen oder gehörtzu haben.

Da Forschungsgelder und Personalressourcenaber nur zu gewinnen sind, um Neues zu erforschenund auch nur der Ruhm dem zuteil wird, der Neuesgefunden hat, liegt in einer schnelllebigen Zeit nichtsnäher, als eine gründliche und damit zeitraubendeRecherche erst gar nicht zu versuchen.

Deshalb leben wir nicht nur in einer Zeit, inder mehr und immer schneller Neues erkannt und er-forscht wird – es wird auch immer schneller, globalerund konsequenter vergessen.

Dabei ist der Versuch, dasBauen zu erfassen, direkt mit demSesshaftwerden der Menschheit ver-knüpft. Der Codex Hamurabi und dieBibel sind gerne zitierte Beweisedafür, dass man schon früh versuchthat, in diesem Bereich umfassendRegeln aufzustellen.

Über eine lange Zeit wurdenKonstruktionsregeln mit der Natur-philosophie aus der Bedeutung vonZahlenverhältnissen geschöpft. Sowie Gott alles nach Maß, Zahl undGewicht geordnet habe, wollte auchder frühe Baumeister auf Zahlenver-hältnissen beruhende Bemessungsre-geln zu Grunde legen.

Die Geburtsstunde des moder-nen Bauingenieurwesens wurde vonStraub und Halasz bei den mit Mate-rialversuchen und Sicherheitsbeiwer-ten untermauerten Sicherungsversu-

chen an der Kuppel der Peterskirche in Rom vor ca.270 Jahren datiert. Ab hier wurde durch die Entwick-lung der Materialuntersuchungen sowie der mechani-schen Prinzipien, der Verknüpfung mit der höherenMathematik sowie der Stochastik die empirischeBaukunst in die naturwissenschaftlich beschreibendeIngenieurkunst in einem zum Teil atemberaubendenTempo vollzogen. Rückschläge durch den Einsturzallzu kühner Konstruktionen führten zur praktischenund theoretischen Untersuchung aller „(In-) Stabi-litäts“-Erscheinungen zuerst als Verzweigungspro-bleme, dann als Theorie II. und III. Ordnung.

Da insbesondere Infrastrukturbauwerke für dieEisenbahn hohe und nicht ruhende Belastungen auf-zunehmen haben, wurde durch die technischen Ei-senbahnbehörden die Entwicklung technischer Re-gelwerke mit vorangetrieben. Wegen ■ der Gefahr für Leib und Leben, die von Baukon-

struktionen ausgeht,■ des hohen wirtschaftlichen Einsatzes für dauer-

hafte Konstruktionen,■ der komplexen Zusammenhänge für die

Bemessung,■ der ständig wechselnden Randbedingungen der

gebauten Unikate,wurden im Baubereich Regeln der Technik hoheitlich

Dr.-Ing. Dietmar H. MaierMitglied des Vorstandes der Bun-desvereinigung der Prüfingenieure

für Bautechnik (BVPI),Mitglied des erweiterten

Vorstandes der LandesvereinigungBaden-Württemberg.

Page 5: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

5Der Prüfingenieur Mai 2012

EDITORIAL

eingeführt und eine behördliche Bauaufsicht instal-liert.

Seit dem Beginn des modernen Bauingenieur-wesens war man sich bewusst, dass alle Planungs-und Berechnungsannahmen mit Unwägbarkeiten be-haftet sind. Um eine ausreichende Sicherheit gegenVersagen zu erreichen, bediente man sich über einelange Zeit eines „globalen“ Sicherheitsfaktors. Die-ser Sicherheitsbeiwert wurde sichtbar auf der Materi-alseite angeordnet, was gefühlsmäßig damit gleich-zusetzen war, dass man den Materialwiderstand nurzu einem gewissen Grade ausnutzte und der „Rest“als Sicherheit verstanden wurde, was aus mehrerenGründen nicht wissenschaftlich exakt war.

Auf der anderen Seite ergab sich eine, für diedamalige Zeit auch notwendige, Einfachheit desNachweiskonzepts, die das heute als verlorengegan-gen beklagte ingenieurmäßige „Gefühl“ begründete.Dass dieses Gefühl auch trügerisch sein konnte, weiles Einflüsse aus Lasten und Material und vor allemaber degressive und progressive Verhaltensänderun-gen über einen Kamm scherte, musste manches Pro-jekt leidvoll erfahren.

Um Sicherheit im Bauwesen quantifizieren zukönnen, muss man im Wesentlichen die vier Elemen-te Baustoffe, Berechnung, Errichtung und Nutzungbetrachten, die jeweils für sich und dann im Zusam-menspiel für Versagen oder Funktionieren maßge-bend sind. Verantwortlich dafür, dass hier nicht fol-genschweres Fehlverhalten eintritt ist:

■ die Herstellungs- und Güteüberwachung derBaustoffe,

■ die Prüfung der Planung und Berechnung,■ die Baustellenüberwachung bei der Herstellung,■ die bestimmungsgemäße Nutzung entsprechend

der Bauerlaubnis.(Genau genommen gehört hier noch die Pflege überdie Lebensdauer hinzu.)

Dennoch verbleibt für alle Bereiche, selbstwenn die oben genannten Verantwortlichkeiten er-füllt werden, immer ein Restrisiko. Beim Materialsind seine Eigenschaften, aus denen sich letztendlichdie Beanspruchbarkeit der Bauteile ergibt, trotz allerSorgfalt bei der Herstellung, streuende Größen. Inder Regel sind die Widerstände, wie Zug- und Druck-festigkeit, von weiteren Werkstückeigenschaften, wieeingeprägten Spannungszuständen, Sprödbruchemp-findlichkeit oder ganz einfach von der Varianz natür-licher Ausgangsstoffe abhängig.

Wenngleich die Materialien heute mit den ge-ringsten Unwägbarkeiten der oben genannten vierElemente behaftet sind, mussten doch durch unzähli-

ge Untersuchungen auf stochastischem Wege Fakto-ren ermittelt und normativ festgelegt werden, die eineganz bestimmte, von der Allgemeinheit akzeptierteRest-Versagenswahrscheinlichkeit bedingen.

Wesentlich breiter streut die Unsicherheit aufder Seite der Beanspruchungen. Über die Nutzungund damit die Lastannahmen kann nur eine jeweilsan Höchstwerten orientierte Annahme getroffen wer-den. Das statische System ist eine hohe Abstraktio-nen des tatsächlich vorhandenen Bauwerks mit einerVielzahl von Vereinfachungen und Vernachlässigun-gen. Zu guter Letzt hängt die Beanspruchbarkeitauch von der Ausführungsqualität ab, die nur durchAnforderungen und Kontrollen in einer gewissenBandbreite gehalten werden kann.

„Um zu einer definiertenSicherheit zu gelangen,wurden in den letztenfünfzig Jahren riesigeAnstrengungen unternommen“

Um trotz dieses Konglomerats an schwer Ab-wägbarem zu einer definierten Sicherheit, also derRest-Versagens-Wahrscheinlichkeit zu gelangen,wurden in den letzten 50 Jahren riesige Anstrengun-gen unternommen. Das Ergebnis war eine Aufsplit-tung in Teilsicherheitsbeiwerte.

Aber auch diese Werte bilden, insbesondereauf der Seite der Beanspruchungen, eine Vielzahl vonEinflüssen ab. Außerdem mussten sie für verschiede-ne Beanspruchungsarten unterschiedlich festgelegtwerden und die Wahrscheinlichkeit des gleichzeiti-gen Auftretens durch Kombinationsbeiwerte berück-sichtigt werden. Auf der Widerstandsseite erfolgte ei-ne Unterteilung nur unter dem Gesichtspunkt derVersagensart. Auf wissenschaftlicher Grundlage ge-lang es damit, die Sicherheit im Bauwesen zu ver-gleichmäßigen – das liebgewordene „ingenieurmäßi-ge Gefühl“ blieb allerdings auf der Strecke.

Mit den geschaffenen Grundlagen sind für ihrejeweilige Aufgabe ausgebildete Spezialisten (z. B.Baustofftechnologen, Tragwerksplaner, Baufirmen,Behörden) in der Lage, für unsere gebaute Umwelt inetwa eine von der Allgemeinheit gewollte Sicherheitzu erwirken.

Es ist also das komplexe Zusammenwirkenvon Planenden, Prüfenden, Herstellenden und Ge-nehmigenden, die, auf der Grundlage theoretischenund praktischen Wissens, das durch eingeführte Re-

Page 6: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

EDITORIAL

7Der Prüfingenieur Mai 2012

geln auf dem Stand der Technik vergleichbar ist,agieren und das damit zu sicheren und dauerhaftenBauwerken führt. In der Ausbildung der Einzelnen,in den niedergelegten Regeln der Technik – im Bau-wesen der eingeführten Normen – und in der Bauauf-sicht mit einer entsprechenden Kontrolle, liegt derGrundstein sicherer Bauwerke. Darauf gründen sichalle Abläufe des Bauens.

Im Bereich der Eisenbahnen wird zur Zeit derGedanke überprüft, zumindest was den Bereich derKontrolle und der Bauaufsicht betrifft, neue Wege zugehen. Aus Europa erreichen uns Verordnungen, die

in ihrer globalen Betrachtungsweise den gesamtenErfahrungsschatz, der im Bereich des Bauens überlange Zeit erworben wurde und in ein begründet be-währtes System des „Schaffens“ und Kontrollierensgemündet hat, an den Anfangspunkt aller Erkenntnis-se zurücksetzen. Regelungen, die in anderen Berei-chen wie dem Fahrzeugbau, der Telekommunikationoder der Steuerung von Verkehrsflüssen durchaussinnhaft sein können, werden hier mit bürokratischerMacht über alles gestülpt.

Grundlage der bautechnischen Prüfung könntedann eine EG-Verordnung „über die Festlegung einergemeinsamen Sicherheitsmethode für die Eva-luierung und Bewertung von Risiken ...“ sein. DiesesPapier bestimmt wortreich, dass ein Sicherheitsma-nagementsystem zu installieren sei, das Verfahrenund Methoden für die Durchführung von Risikobe-wertungen vorgibt. „Ein erster notwendiger Schrittsind Verfahren und Methoden für die Durchführungvon Risikobewertungen und die Anwendung vonMaßnahmen zur Risikokontrolle für den Fall, dasssich aus geänderten Betriebsbedingungen oder einemneuen Material neue Risiken für die Infrastrukturoder den Betrieb ergeben ... .

„Die sicherheitstheoretischenUntersuchungen haben heuteeine Perfektion erlangt,die vielen schon alsschwer handhabbar erscheint“

Da ein formalisierter, risikobasierter Ansatz ineinigen Mitgliedsstaaten ein relatives Novum dar-stellt, sollte die Anwendung der CSM für die Eva-luierung und Bewertung von Risiken, ... bis zum 1.Juli 2012 auf freiwilliger Basis erfolgen. (Original-texte!)

Aus dem Juristeneuropäisch übersetzt könntedas bedeuten, dass sich der Bauherr per europäischerAusschreibung jemanden sucht, der ihm in einer Ex-pertise bescheinigt, dass seine Unternehmungen einakzeptables Risiko enthalten.

Wie das Verfahren zu organisieren ist, welcheRolle der Staat spielt, wenn die Expertise falsch warund der Ersteller zum Beispiel mangels Masse nichthaftbar gemacht werden kann, ein Toter kaum wiederlebendig gemacht werden kann, ist im Nachgang ju-ristisch zu klären.

Wofür aber erfinden wir jetzt dieses Sicher-heitsmanagement? Die sicherheitstheoretischen Un-tersuchungen mit ihrer Tradition im Bauingenieurwe-sen haben in der heutigen Form eine Perfektion er-reicht, die vielen schon als schwer handhabbar er-scheint.

Die Sicherheitsanalysen unzähliger For-schungsvorhaben sind in unseren modernen Normenenthalten, wenn man sich auf eine Versagenswahr-scheinlichkeit bei einer bestimmten Aussagewahr-scheinlichkeit einigt, was hier der Fall ist. Damit istdie Sicherheitsanalyse integraler Bestandteil unsererBemessungsnormen und muss nicht für jedes Bau-werk neu untersucht und erfunden werden.

Wie viele Jahre der Erfahrung mit Bauordnun-gen sollen weggeworfen werden, um sie eventuell ineinigen Jahren wieder neu zu erfinden? Wie viel For-schung in sicherheitstheoretische Ansätze und nor-mative Regelungen werden nicht mehr einer bautech-nischen Prüfung zugrundegelegt und stattdessen Risi-komanagement betrieben? Wird hier nicht eine ge-wachsene und erprobte Baukultur über Bord gewor-fen – vielleicht um sie, nachdem Schaden und Leidaus der Anwendung von Prozessen, die nicht für dasBauen entwickelt wurden überhandnimmt, langsamund mühsam als eine ganz neue Herangehensweise –so wie heute – neu zu erfinden?

Page 7: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

7Der Prüfingenieur Mai 2012

Die Initiative PraxisRegelnBau meldetdie ersten konkreten ArbeitsergebnisseMit maßgeblicher Unterstützung der praktizierenden Planer und Prüferhat die PRB Fahrt aufgenommen

Wie bereits mehrfach in den Fachorganen der Bundesvereini-gung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI), des Verbandes Be-ratender Ingenieure und der Bundesingenieurkammer berichtet*,ist der Anfang geschafft: Nach der Gründung der Initiative Praxis-RegelnBau (PRB) im Januar 2011 und nach der Klärung aller (steu-er)rechtlichen und organisatorischen Fragen haben die Projektgrup-pen ihre Arbeit aufgenommen und erste konkrete Arbeitsergebnissevorzuweisen.

Wie bekannt, gliedert sichdie Arbeitsebene der Initiative PRBin sechs Projektgruppen (PG):

■ PG 1 Grundlagen und Einwir-kungen (EC 0 und EC 1),

■ PG 2 Betonbau (EC 2), ■ PG 3 Stahl- und Verbundbau

(EC 3 und EC 4), ■ PG 4 Holzbau (EC 5), ■ PG 5 Mauerwerksbau (EC 6), ■ PG 6 Geotechnik (EC 7).

Dank der finanziellen Un-terstützung der Mitglieder derBVPI und des VBI konnte mit derparallel zur PRB installierten Pra-xisinitiative Normung (PiN) eineinterne Plattform geschaffen wer-den, die die Interessen der beidenVerbände VBI und BVPI vereintund diese in der PRB vertritt. Auf-grund der zugewandten Finanzmit-tel haben beide Verbände geplant,sich zunächst auf die beiden mate-rialunabhängigen Teile, den Euro-code 0 und den Eurocode 1, zukonzentrieren. Hierzu wurde imNovember 2011 zur Unterstützungder Projektgruppe 1, die von Dr.-Ing. Frank Breinlinger geleitetwird, Dr.-Ing. Florian Bodensiekfest angestellt.

Die PG 1 besteht aus fünfMitgliedern und hat seit Dezember

2011 vier Arbeitssitzungen abge-halten.

Die Projektgruppe 1 hat zu -nächst ein Konzept mit der grund -sätzlichen Aufgabenstellung undVorgehensweise erarbeitet, dasauch die Grundlage für einen Zu-

*Siehe unter anderem: VBI-Nachrichten 1/2,3, 6, 7, 12 von 2011; beton 1+2/2012; DerPrüfingenieur April 2011 und Oktober 2011;Deutsches Ingenieurblatt Mai 2011 und Juli-August 2011 Abb. 1: Aufgaben- und Terminplan der Projektgruppe 1

Page 8: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

8Der Prüfingenieur Mai 2012

wendungsantrag für die finanzielleUnterstützung aller Projektgrup-pen durch das Bundesministeriumfür Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (BMVBS) ist. Hierausresultiert ein grober Aufgaben-und Terminplan mit den zu behan-delnden Teilaufgaben (Abb. 1).

Der EC 1 besteht bekannt-lich aus zehn weitestgehend unab-hängigen Teilgebieten. Insofernwurde im Einvernehmen mit demLenkungsausschuss der PRB be-schlossen, den EC 0 (Grundlagen)und die ersten vier Teile des EC 1vorrangig zu bearbeiten. Für dieTeile Wind- und Schneelasten lie-gen bereits in Einzelfällen konkre-

te Änderungsvorschläge vor, diesowohl verbandsintern als auchmit maßgeblichen Stellen der„Normenmacher“ auf nationalerund europäischer Ebene frühest-möglich abzustimmen sind. Überdie zeitlichen Abläufe und diekonkrete Vorgehensweise mussnoch Einvernehmen hergestelltwerden. Auf europäischer Ebenewurde die Arbeit der PRB im Nor-menausschuss CEN TC 250 am2. Mai 2012 von Dr.-Ing. RobertHertle vorgestellt.

Insbesondere für den EC 0gibt es, neben den bekannten Zie-len, nämlich die Texte sowohl in-haltlich als auch redaktionell zu

entschlacken und fehlerfrei zu ge-stalten, den dringenden Wunsch,die Einwirkungskombinationen zuvereinfachen. Hierzu sind ersteModelle entworfen worden, dienoch durch Vergleichsrechnungenmit den bisherigen Normen zu ve-rifizieren sind.

Abgesehen von Lagerräu-men oder Baugrundsetzungen sinddie ψ0-Werte oft 0,7, so dass mandie Grundkombination vereinfa-chend auch ohne diesen ψ0-Wertschreiben könnte (Abb. 2). Weiter-hin könnten die anderen Bemes-sungsgleichungen auf ähnlicheWeise vereinfacht oder auch derVersuch unternommen werden, diedrei Gleichungen für die Grenzzu-stände der Gebrauchstauglichkeit(charakteristische, häufige undquasi-ständige Kombination) zuvereinheitlichen.

Grundsätzlich gilt für alleProjektgruppen die Maßgabe, dassjegliche Änderungsvorschläge mitden bekannten PRB-Grundsätzen(Abb. 3) und -Leitplanken (Abb.4) in Übereinstimmung zu bringensind.

Da die Einbindung derpraktizierenden Ingenieure vonAnbeginn das erklärte Ziel war, istes der PiN besonders wichtig, alleinteressierten und kompetentenMitglieder und Kollegen der bei-den beteiligten Verbände in diepraktische Arbeit einzubinden.Deshalb bitten die beiden Verbän-de ihre Mitglieder auf Grundlagedes Aufgaben- und Terminplanes(Abb. 1), konkrete zukünftige oderbereits angestellte, ausgearbeiteteVereinfachungsvorschläge zu ein-zelnen Themen zu unterbreiten,und zwar bis Ende Juli an Dr.-Ing.Florian Bodensiek(E-Mail: [email protected]).

In Abhängigkeit vom Ar-beitsfortschritt in der PG 1, derVerfügbarkeit weiterer finanziellerRessourcen und dem Angebotkompetenter Personen soll die ge-meinsame PiN-Arbeitsgruppe per-

Abb. 2: Entwurf einer Vereinfachungsmöglichkeit

Page 9: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

9Der Prüfingenieur Mai 2012

Abb. 3: PRB-Grundsätze der Normungsarbeit

Abb. 4: PRB-Leitplanken

sonell verstärkt werden und damitunter anderem die Möglichkeit ge-schaffen werden, auch die Vorge-hensweise in den anderen Projekt-gruppen aus der Sicht der BVPIund des VBI zu reflektieren undim Sinne der beteiligten Verbändezu unterstützen.

Die beiden an der PiN betei-ligten Verbände haben kürzlichnochmals betont, dass das Ziel ei-ner verbesserten Normengenerati-on sowohl der „Produktion“ alsauch gleichzeitig des „Vertriebes“neuer Normentexte bedarf. Diessoll in der pränormativen Arbeitnicht, wie bisher, ausschließlichvon ausgewählten aktiven Fach-leuten (Normenausschüssen) imElfenbeinturm erledigt werden,sondern dies erfordert die Einbin-dung aller Kräfte und Erfahrungenaller Experten aus der Tagesarbeit.Hierzu bedarf es allerding der Be-reitschaft und des Angebots vonbeiden Seiten. Die Verantwortli-chen hoffen deshalb weiterhin aufdie Unterstützung ihrer Mitglieder.

Betonverein: VierStahlbeton-Schäden-Seminareim September und Oktober

Der Deutsche Beton- undBautechnik-Verein veranstaltet am27. September in Hamm (NRW),am 23. Oktober in Stockdorf (Bay-ern), am 25. Oktober in Remshal-den (Baden-Württemberg) und am30. Oktober in Kerpen (NRW) jeeine Arbeitstagung über typischeSchäden im Stahlbetonbau undüber die Vermeidung von Män-geln. Als Referenten treten DBV-Bauberater auf, die praxisnah überreale Schadensfälle berichten. DieTeilnahmegebühr beträgt 225 Euro(DBV-Mitglieder 190 Euro).

P www.betonverein.de

Page 10: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

10Der Prüfingenieur Mai 2012

Jörg Erdmann hat der Landesvereinigung NRW seinen Stempel aufgedrücktDer neue Vorstand steht vor großen Herausforderungen

Alexander Pirlet neuer Vorsitzenderder Prüfingenieure in NRW Die Mitgliederversammlung der Landesvereinigung der Prüf -

ingenieure in Nordrhein-Westfalen hat Dipl.-Ing. Alexander Pirletzu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Sein Vorgänger, Dr.-Ing. JörgErdmann, hat nach zwölfjähriger Amtszeit für eine weitere Wahlpe-riode nicht kandidiert. Pirlet steht in der Tradition eines alteingeses-senen Ingenieur- und Prüfingenieurbüros und bringt sehr gute Vor-aussetzungen für die vor ihm liegende Arbeit mit. Dies auch, weil erseit einigen Jahren schon Mitglied des Erweiterten Vorstandes derLandesvereinigung ist und auch in der Ingenieurkammer-Bau NRWmitarbeitet.

Zum neuen 2. Vorsitzendenwählte die Versammlung Dr.-Ing.Titus Klöker. Dem ErweitertenVorstand gehören nunmehr Dr.-Ing. Frank Hogeweg, Dipl.-Ing.Winfried Neumann, Dipl.-Ing. Li-nus Peuckert und Dipl.-Ing. Karl-Theo Reinhart an. Als Kassenprü-fer wurde Dipl.-Ing. Gerd vonSpies gewählt. Dem ErweitertenVorstand gehören damit Personenan, die bereits in der vorangegan-genen Wahlperiode mitgearbeitethaben.

Der neue Vorstand steht voreiner Menge wichtiger Arbeitenund Herausforderungen. Die wer-den ohne die Zuarbeit von geeig-neten Kollegen kaum zu schaffenund zu bestehen sein. Gemeinsa-mes Anliegen der Mitglieder des

Vorstandes ist vor allem die Wei-terentwicklung der Landesbauord-nung und die Unterstützung derpränormativen Arbeit; außerdemdie regelmäßig wiederkehrendenArbeiten, wie die Vorbereitung derjährlich stattfindenden „Bautech-nischen Seminare NRW“, Abstim-mungen mit der Obersten Bauauf-sicht, der Ingenieurkammer-BauNRW, der Bundesingenieurkam-mer, aber auch der Architekten-kammer NRW und selbstverständ-lich der BVPI. Trotz sechzehn, inTeilen unterschiedlichen Landes-bauordnungen, gilt es, nach Mög-lichkeit bundesweit einheitlichgeltende Regeln, wie zum Beispielein Pflichtenheft für Prüfingenieu-re und einen Leitfaden für die je-weils angemessene Bauüberwa-chung zu erstellen. Die Markt -

überwachung der „in Verkehr“ ge-langenden Bauprodukte verlangtebenfalls nach eindeutigen praxis -tauglichen Regeln. Die in denBundesländern eingerichteten Be-wertungs- und Verrechnungsstel-len zu vereinheitlichen und zu ver-netzen, wird sich als notwendig er-weisen, um die über den Serviceder Bewertung und Regulierungvon Prüfaufträgen hinausgehendenBeratungen der Mitglieder zu ver-bessern.

Jörg Erdmann, der schei-dende Vorsitzende, hat der Lan-desvereinigung der PrüfingenieureNRW seinen eigenen Stempel auf-gedrückt. Vor allem die Vorberei-tung der Satzung und die Installa-tion aller erforderlichen admini-strativen Einrichtungen für dieGründung der Bewertungs- undVerrechnungsstelle NRW tragenseine Handschrift. Darüber hinausbeschäftigten ihn die genauen Ab-stimmungen mit der Bundesverei-nigung der Prüfingenieure fürBautechnik, dem zuständigen Lan-desbauminister, der Ingenieurkam-mer NRW und der Bundesinge-nieurkammer. Auch für die Durch-führung der weit über Nordrhein-Westfalen beachteten jährlichenBautechnischen Seminare NRWhat er sich über das normale Maßhinaus engagiert. Seine von Weit-sicht bestimmte Einflussnahmeund Mitwirkung auf dem Feld derberufspolitischen Arbeit sind bei-spielhaft. Kennzeichnend dafür istsein Engagement für die Schaf-fung widerspruchsfreier praxisge-rechter Normen. Bereits im Herbst2009 konnte Erdmann der BVPImitteilen, dass die Prüfingenieurein NRW in eine praxisgerechteNormung 200.000 Euro zu inve-stieren bereit seien.

Dipl.-Ing. Josef Dumsch

EIN NEUER VORSTAND auch in Nordrhein-Westfalen (v.l.): Dipl.-Ing. LinusPeuckert, Dipl.-Ing. Alexander Pirlet (Vorsitzender), Dr.-Ing. Titus Klöker,Dr.-Ing. Hans-Frank Hogeweg, Dipl.-Ing. Karl-Theo Reinhart. (Nicht auf dem Foto:Dipl.-Ing. Winfried Neumann.)

Page 11: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

11Der Prüfingenieur Mai 2012

Fünf Themenblöcke und ein Festvortrag über Schlagfertigkeit

Arbeitstagung der BVPI undMitgliederversammlung 2012 vom13. bis 15. September in Dresden Die Arbeitstagung 2012 der Bundesvereinigung der Prüfin-

genieure für Bautechnik findet vom 13. bis 15. September 2012 inDresden statt. Im Mittelpunkt der Tagung stehen am Freitag undSamstag die Fachvorträge zu folgenden Themenblöcken:

■ Bautechnik (DIBt, ARGE-BAU, Normung),

■ Baurecht (Haftung, Ver-wendbarkeitsnachweise),

■ Infrastruktur/Energie (DE-GES, Brücken im Bestand),

■ Brandschutz,■ Erfahrungsberichte (Part-

ner/Kunden).

Die Einladungen an dieBVPI-Mitglieder sind bereits am2. April mit dem Infobrief BVPIaktuell (Nr.- 2012/02) versandtworden.

Vor der eigentlichen Ar-beitstagung findet am Nachmit-tag des 13. Septembers, demDonnerstag, die diesjährige Mit-gliederversammlung der BVPIstatt. (Die Einladungen hierzuerfolgen separat.) Der Festvor-trag am Nachmittag des Sams-tags (15. September) bildet den

Abschluss der Arbeitstagung.Ihn hält Matthias Pöhm,Deutschlands wohl bekanntesterRhetoriktrainer und Autor desBuches „Nicht auf den Mund ge-fallen!“ sowie vieler anderer ein-schlägiger Bücher über das The-ma Schlagfertigkeit.

Pöhm wird den Prüfinge-nieuren und ihren Gästen ausPolitik, Wirtschaft und Verwal-tung etwas über Schlagfertigkeitund Emotionen erzählen. SeinMotto: „Gib’ Dich nicht ge-schlagen!“ Seine These: Schlag-fertigkeit kann man lernen, weiles hinter der SchlagfertigkeitRegeln gebe, wie für die Gram-matik. Pöhm will seine Zuhörerlehren, wie sie diese Regeln, dieer vorstellt und erläutert, beherr-

schen lernen können,um künftig auchschwierige Gesprächs-situationen souveränzu meistern. Pöhmwird seinem Auditori-um, wie es in seinenDarstellungen heißt,„Leitplanken fürstress freie, erfolgrei-che Gespräche präsen-tieren“ und ihm Tech-niken, Tipps und Stra-tegien für mehr Si-cherheit im Umgangmit fremden Men-schen vermitteln.

KEIN BOXER, sondern Schlagfertigkeitstrainerist Matthias Pöhm, der Festredner der dies-jährigen Arbeitstagung der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik vom 13. bis15. September in Dresden

Ende Juni in Baden-Baden

Arbeitstagung der Prüfingenieurevon Baden-Württemberg Vom 29. bis 30. Juni findet

in Baden-Baden die Arbeitstagung„Baden-Württemberg“ für allePrüfingenieure, Prüfsachverständi-gen und Behördenvertreter sowiefür die Politik statt. Neben aktuel-len technischen und wissenschaft-

lichen Vorträgen besteht die guteGelegenheit, im Tagungs- und imgesellschaftlichen Umfeld Kontak-te zu vertiefen und Gespräche zuführen. Gerade auch mit demBlick auf Europa und auf das Da-tum 1. Juli 2012 ist es neben der

Weiterbildung das Ziel der Ta-gung, in Gesprächen mit der ober-sten Bauaufsicht und der Politikdas zwingend notwendige Vierau-genprinzip zu stärken.

P www.vpi-bw.com

Page 12: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

12Der Prüfingenieur Mai 2012

NACHRICHTEN

Bericht und Rückblick

20. Bautechnisches Seminar in NRW: Wiederein qualitativer und quantitativer ErfolgZum 20. Mal ist im Herbst 2011 das Bautechnische Seminar

NRW durchgeführt worden; wie immer mit großem sowohl quanti-tativem als auch qualitativem Erfolg. Dieses Jubiläum soll Anlasssein, hier nicht nur auf den Inhalt der jüngsten Veranstaltung einzu-gehen, sondern auch die zwanzigjährige Historie dieses renommier-ten fes ten Termins im Jahreskalender der Prüfingenieure und ihrerAuftraggeber in Stadt und Land einzugehen.

Das 20. Seminar beschäftig-te sich mit den Änderungen desEurocode 4 im Vergleich mit DIN18800-5 (Bemessung von Stahl-verbundkonstruktionen), der DINEN 1090, den neuen Regeln fürdie Herstellung von Stahltragwer-ken und mit der Planung und Aus-führung der Renaturierung derEmscher, Europas größtem Ab-wasserprojekt.

Als ein Beispiel für neueBaustoffe wurde die Verwendungvon Glas für den dauernden Ver-bleib in tragenden Bauteilen ge-nannt. Die Vielzahl der verschie-denen Verwendungen von Glasgab Veranlassung, die Bemes-sungsnachweise und den Stand desRegelwerks vorzustellen.

Den Eurocode 4 zu erläu-tern, hatte ein für diese Bauartausgewiesener Experte übernom-men: Univ. Prof. Dr.-Ing. GerhardHanswille von der BergischenUniversität Wuppertal; und ausge-führte Verbundkonstruktionenstellte Dr.-Ing. Norbert Sauerbornvon der Fa. Stahl- und VerbundbauGmbH vor.

Die beiden Vorträge„Grundlagen der Bemessung“(kalt und heiß) und „Besonderhei-ten der Tragwerksplanung vonBauwerken aus Verbundkonstruk-tionen“ waren im Sinne von Theo-rie und Praxis angelegt. Die Form-schönheit und Eleganz von Bau-werken aus Verbundbauteilen sei-en, so wurde gesagt, ein Spiegel

ihrer Leistungsfähigkeit. Mögendie Bemessungsnachweise auchnoch so komplex und zeitaufwen-dig sein - das, was daraus entsteht,mache dem Ingenieur jeweilsgroße Ehre.

Die Erläuterung der neuenRegeln für die Herstellung vonStahltragwerken (DIN EN 1090 1-3)hatte Dr.-Ing. Karsten Kathage, derVizepräsident des Deutschen Insti-tuts für Bautechnik (Berlin), über-nommen. Diese DIN regelt die„stofflichen Anforderungen“ vonErzeugnissen aus Stahl und Alumi-nium, einschließlich der vorzulegen-den Konformitätsnachweise (sieheauch Seite 22).

Die Komplettierung der vor-angegangenen Vorträge über dieAnwendung von Metall im Bau-wesen war wegen der gefordertenQualitätssicherung der Materialienund Produkte unverzichtbar. Derin dem Vortragsband umfassenddargestellte Inhalt der Regeln istzugleich ein Kompendium für dietägliche Ingenieurpraxis.

Ein besonderes Thema botder Vortrag von Dipl.-Ing. Rein-hard Ketteler von der Emscher-Genossenschaft über die Renatu-rierung der Emscher und der Vor-stellung der vielen unterschiedli-chen Bauwerke des Tiefbaues.

Glas im Konstruktiven Inge-nieurbau (DIN 18008, Teile 1-2und Entwurf Teile 3 bis 5) war dasThema von Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Geralt Siebert von der Universitätder Bundeswehr München. Glasals tragendes und gestaltendes Ar-chitektur-Element fasziniere, sosagte er, nicht nur die Architekten,seine rasant zunehmende Anwen-dung treibe die Forschung an undgebe dem Tragwerksplaner undden Prüfingenieuren Veranlassung,sich mit den Einsatzmöglichkeitenvon Glas mehr und mehr ausein-anderzusetzen.

Die Anwendungen nachLandesbauordnung NRW erläuter-te umfassend dann Dipl.-Ing. An -dreas Plietz, Referent beim Mini-sterium für Wirtschaft, Energie,Bauen, Wohnen und Verkehr desLandes Nordrhein-Westfalen(MWEBWV). Es zeichne die In-genieure schließlich aus, neueBaustoffe erst nach gründlichemStudium anzuwenden. Die Hin-weise der Obersten Bauaufsichttrug Ministerialrat Dipl.-Ing. ErnstSchmieskors, Referatsleiter Bau-technik beim MWEBWV in Düs-seldorf, wie seit vielen Jahrenäußerst kompetent vor.

Dieses Seminar erfüllte ge-radezu beispielhaft seinen An-spruch, zwischen Theorie und Pra-xis im Konstruktiven Ingenieurbauund den Stand der Regelwerke zuvermitteln. Damit haben die Ver-anstalter, besonders Schmieskorsund Erdmann, die beide den Wegfür jüngere Kollegen freimachen,die weitere Entwicklung des Bau-technischen Seminars NRW aufhohem Niveau manifestiert.

Initiiert worden ist dieDurchführung dieses Seminars vorzwanzig Jahren vom damaligenLeitenden Ministerialrat Dipl.-Ing.Dieter Eschenfelder, der bereits Er-fahrungen mit einer vergleichbarenTätigkeit bei der Obersten Bauauf-

Page 13: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

13Der Prüfingenieur Mai 2012

sicht in Hessen nach Düsseldorfmitgebracht hatte. Das erste Bau-technische Seminar NRW fand1991 statt. Es war von Anfang anauf Vermittlung neuester wissen-schaftlicher Erkenntnisse und dieErläuterung der neuen Normenge-neration angelegt. Wegen derschrittweisen Ablösung der Deut-schen Bemessungsnormen von denEurocodes und außerdem als Fo-rum für einen ständigen Dialog

zwischen der Oberen und der Un-teren Bauaufsicht zusammen mitden Prüfingenieuren gab es einenweiteren Grund für die Einrichtungdes Bautechnischen Seminars.

Seit einigen Jahren ist derKreis der Veranstalter durch denBeitritt des Landesverbandes Be-ratender Ingenieure VBI und derIngenieurkammer Bau NRW er-weitert worden. Das macht Sinn,

denn im VBI sind Beratende Inge-nieure des Konstruktiven Ingeni-eurbaues organisiert. Die Ingeni-eurkammer-Bau NRW gehört quaihrer vom Bauministerium über-tragenen Aufgaben, u. a. die Aner-kennung von staatlich legitimier-ten Sachverständigen und weitererauf der Landesbauordnung basie-render Funktionen, gewissermaßenals geborenes Mitglied dazu.

Dipl.-Ing. Josef Dumsch

Harald Bitter †Im Alter von 71 Jahren

ist Anfang März in Stuttgartder Gründer und langjährigePräsident der Technischen Or-ganisation von Sachverständi-gen TOS und des Verbandesder Sicherheits- und Revisi-onsingenieure VSR, Dr.-Ing.Harald Bitter, verstorben.

Bitter war mit seinem Ge-spür für das Wichtige und mitseinem selbstbewussten, fach-kompetenten Wirken anderen In-genieuren, denen er Mut und Zu-versicht vermittelte, stets einVorbild; Mut zur Selbständig-keit, Mut, sich mit Weiterbil-dung zum Sachverständigen zuqualifizieren, zur Erhaltung desSicherheitsstandards im Bauwe-sen beizutragen und damit Teileiner umfassenden Qualitätssi-cherung zu werden.

1977 gründete Bitter dasWSPLab in Fellbach bei Stutt-gart. Es übernahm unter ande-rem Leistungsprüfungen vonHeizkörperregelungen, Luft-Wasser-Systemen und Kühl-decken. 1998 wurde das europa-weit akkreditierte Prüfinstitut fürHeizkörper, Gebäudeautomati-onssysteme und Datenübertra-gungsprotokolle hinzugefügt.

Das Sachverständigenwe-sen blieb für Bitter eine Her-

zensangelegenheit. So setzte erals Vorsitzender des Prüfungs-und Fach-Ausschusses der Indu-strie- und Handelskammer bun-desweit Maßstäbe für die Quali-fizierung von Sachverständigen,die gemäß der Sonderbauverord-nung auf dem Gebiet der Hei-zung und Lüftung und fürRauchabzugsanlagen sowie Feu-erlöschanlagen die staatlicheAnerkennung erhalten wolltenoder eine öffentliche Bestellungund Vereidigung anstrebten.

Zur Unterstützung derWeiterbildung der Sachverständi-gen und zur Anpassung des Sach-verständigenwesens an die Eu-ropäische Union gründete Bitterim Jahr 1986 die Technische Or-ganisation von Sachverständigen

TOS mit einem akkreditiertenZentrallabor. Er war bis zum Jahr2006 ihr 1. Vorsitzender. Gleich-zeitig war er 1. Vorsitzender desVerbandes der Sicherheits- undRevisionsingenieure VSR.

Zur Unterstützung der In-terdisziplinarität der Prüfsach-verständigen gründete Bitter1996 mit den Fachkollegen desBauüberwachungsvereins BÜVdas Deutsche Institut für Prüfungund Überwachung DPÜ. Hierfanden sich Prüfsachverständigenach Sonderbauverordnung undPrüfingenieure für Baustatik zu-sammen, um gemeinsam für Si-cherheit und Qualität im Bauwe-sen zu sorgen.

Neben diesen ehrenamtli-chen Tätigkeiten engagierte sichHarald Bitter in einer Vielzahlvon Ausschüssen für die Fort-schreibung von Normen und Re-gelwerken im Bereich der Hei-zung, Lüftung und Klimatisie-rung europaweit.

Dr. Harald Bitter hat esverstanden, hohe Maßstäbe fürdie Qualifikation von Sachver-ständigen, hohe Standards in dersicherheitstechnischen Prüfungund damit Sicherheit und Qua-lität im Bauwesen zu schaffen.

Dr.-Ing. Hans-Jürgen Meyer

Harald Bitter

Page 14: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

14Der Prüfingenieur Mai 2012

Der Europäische Bau-Prüfverbandtagte als Gast der BVPI in HamburgThema: Welchen Wert hat die unabhängige Bauüberwachung?

Mit einer in der Geschichte dieser Veranstaltungsreihe bishereinmalig hohen Teilnehmerzahl fand am 7. und 8. Mai in Hamburgdas diesjährige Business Meeting des Consortium of European Buil-ding Control (CEBC) statt, des europäischen Verbandes für unab-hängige Bauprüfung und -überwachung. Gastgeber waren die Bun-desvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI) und dieBauministerkonferenz (ARGEBAU).

Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä,der Präsident der BVPI, hat dieGelegenheit genutzt, um die Prü-fung und Überwachung inDeutschland einem europäisch-in-ternationalen Expertenkreis vorzu-stellen. Außerdem machte dieBVPI ihre ausländischen Gästeund Kollegen mit den bisherigenErgebnissen der pränormativenArbeit in Deutschland bekannt,vor allem mit den Zielen und Auf-gaben der PraxisInitiativeBau(PRB), an deren Gründung undAktivierung die BVPI ja maßgeb-lich beteiligt war. Hierüber, und

ergänzend über die Einführung derEurocodes in Deutschland, refe-rierte vor seinen ausländischenZuhörern Dr.-Ing. Robert Hertle,während der Präsident des Deut-schen Instituts für Bautechnik(Berlin), Dipl.-Ing. Gerhard Breit-schaft, über die Bauvorschriften inDeutschland und RA Michael Hal-stenberg über die in Deutschlandübliche Bauüberwachung undHaftung berichteten.

Berufspolitisches Leitthemades Consortiums indes war inHamburg – und ist ganz generell –

die Diskussion über den volkswirt-schaftlichen Wert der Bauüberwa-chung. Die Erfahrungen der Mit-glieder aus ganz Europa werdendabei in die Diskussion einge-bracht. Diese Diskussion zeigte inder vergleichenden Gegenüberstel-lung, dass sich der Staat überall inEuropa immer weiter aus seineroriginären Verantwortung zurück-zieht und dass die finanziellenMittel in Europa überall knapperwerden.

Die Frage allerdings, wer inZukunft die Wegbegleiter seinwerden, um den derzeitigen Statusder Sicherheit, der Qualität unddes Verbraucherschutzes zu erhal-ten beziehungsweise einen ange-strebten Status zu erreichen, istdas zentrale Thema des CEBC.

Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann

IN HAMBURG haben sich zu ihrem Jahrestreffen 2012 die Delegierten und Repräsentanten des CEBC versammelt, des europäi-schen Verbandes für Bauprüfung und -überwachung

Page 15: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

15Der Prüfingenieur Mai 2012

Karl Morgen wurde 60 Am 19. März hat der

langjährige Vorsitzende der Lan-desvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik (VPI) inHamburg, Dr.-Ing. Karl Morgen,Geschäftsführender Gesellschaf-ter und Seniorpartner im Ingeni-eurunternehmen WTM En-gineers in Hamburg, sein 60. Le-bensjahr vollendet. Morgen führtdie Landesvereinigung der Prüf -ingenieure schon seit 1995, under hat, neben seiner aufreiben-den beruflichen Tätigkeit als In-genieur, in ganz besonderemMaß seine Aufgabe auch in derWahrnehmung ehrenamtlicherAufgaben gesehen. Er war, umnur einige zu nennen, Grün-dungs- und Vorstandsmitgliedder Hamburgischen Ingenieur-kammer-Bau, und er ist seit1998 Mitglied des Fachaus-schusses Ufereinfassung derHafentechnischen Gesellschaft(HTG), seit 2010 auch Mitgliedin deren Vorstand, stellvertreten-der Vorsitzender der Studienge-sellschaft für unterirdische Ver-kehrsanlagen (STUVA) und Mit-glied des Vorstandes des Deut-schen Ausschusses für Stahlbe-ton (DAfStb). Besonders hervor-

zuheben ist Morgens langjähri-ges Engagement für eine praxis-gerechte Normung. Als eine dertreibenden Kräfte für anwender-freundliche Bemessungsregelnim konstruktiven Ingenieurbauhat Karl Morgen maßgebend da-zu beigetragen, die Praxisinitia-tive Normung (PiN) ins Lebenzu rufen und damit die finanziel-le und organisatorische Basis füreine professionelle Mitarbeit derBundesvereinigung der Prüfin-genieure für Bautechnik und desVerbandes Beratender Ingenieu-re (VBI) im Verein PraxisRe-

gelnBau (PRB), im DIN und imCEN zu gewährleisten.

Karl Morgen, der bis EndeApril 2012 die Landesvereini-gung der Prüfingenieure in Ham-burg geleitet hat, wuchs in Isnyim Allgäu auf. Sein beruflicherWerdegang begann 1972 mit demStudium des Bauingenieurwesensan der Technischen HochschuleFridericiana zu Karlsruhe, das er1977 mit „Auszeichnung“ ab-schloss. Später war er Mitarbeiterim Ingenieurbüro Harrer inKarls ruhe und von 1984 bis 1986als Bauleiter bei Dyckerhoff &Widmann in Hamburg tätig. 1986trat Morgen in das IngenieurbüroWindels Timm ein, ab 1988 warer dessen Partner, zwei Jahre spä-ter erwarb er die Anerkennungals Prüfingenieur für die Fach-richtungen Stahlbau, Massivbauund Holzbau, und 1995 wurde erauch vom Eisenbahn-Bundesamt(EBA) als Prüfingenieur aner-kannt. Seit 2006 ist er Seniorpart-ner und Leitfigur der WTM En-gineers, die heute in Hamburg,Berlin und München über 250Mitarbeiter beschäftigt.

Ulrich Jäppelt

Karl Morgen

BÜV-Mitgliederversammlung mit der Wahldes Vorstandes am 8. November in MünchenAm Donnerstag, dem 8.

November 2012, findet von 17 bis20 Uhr in der Hochschule Mün-chen die nächste ordentliche Mit-gliederversammlung des Bauüber-wachungsvereins (BÜV) statt, diesatzungsgemäß alle zwei Jahredurchzuführen ist. Auf ihrer Ta-gesordnung stehen, neben der Be-handlung gewohnter Regularien,die Wahl eines neuen Vorstandessowie der Kassenprüfer. Derzeitbilden Dipl.-Ing. Rüdiger Scheel

(Schwedt/Brandenburg) als Vor-sitzender sowie Dipl.-Ing. JörgDuensing (Hannover) und Dr.-Ing.Ulrich Scholz (München) als sei-ne Stellvertreter den Vorstand desBÜV. Geschäftsführer des BÜVist Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann,der in Personalunion auch Ge-schäftsführer der Bundesvereini-gung der Prüfingenieure für Bau-technik ist. Die Einzelheiten derAgenda und die offizielle Einla-dung werden den Mitgliedern des

BÜV demnächst noch gesondertzugestellt.

Einen Tag nach der Mitglie-derversammlung, also am Freitag,dem 9. November 2012, wird,ebenfalls an der Hochschule Mün-chen, die BÜV-Fortbildungsveran-staltung „Fragen des Planungsall-tags“, abgehalten werden. Auchhierüber werden die Mitgliederdes BÜV in naher Zukunft geson-dert informiert werden.

Page 16: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

16Der Prüfingenieur Mai 2012

Das Bundesbauministerium legt den ersten Entwurfeiner Eisenbahnbau-Durchführungsverordnung vor

vpi-EBA nennt „unverzichtbareVoraussetzungen“ einer gesetzlichgeregelten Bauaufsicht im EisenbahnbauDie Sorgfaltspflichten des Bauherren und die Kontrollmaßnahmendes Prüfers müssen klar voneinander getrennt sein

In seinem Bestreben, die Bauaufsicht im Eisenbahnwesen, diebis jetzt weitestgehend mit Verwaltungsvorschriften geregelt wird,auf dem Verordnungswege gesetzlich neu zu regeln, hat das Bundes-ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)kürzlich den Entwurf einer „Verordnung zur Regelung des Verfah-rens zum Bau von Eisenbahnanlagen“ vorgelegt (Eisenbahnbau-Durchführungsverordnung - EBDV). Die Vereinigung der bautech-nischen Prüfer im Eisenbahnwesen (vpi-EBA) hat, weil mit einersolchen Verordnung die bauaufsichtlichen Verfahren auf eine für al-le Beteiligte verbindliche Grundlage gestellt würden, diesen Entwurfund seine Intention im Zuge der obligatorischen Verbändeanhörunggrundsätzlich begrüßt, aber auch, zumindest für seine Bereiche,nämlich für den konstruktiven Ingenieurbau und für den Ober- undHochbau, einige „unverzichtbare Voraussetzungen“ für den Inhalteiner solchen Verordnung formuliert und damit konstruktiv weiter-führende Vorschläge unterbreitet.

Der Entwurf des BMVBSstellt den Versuch dar, die bau-technischen und die signal-, tele-kommunikations- und elektrotech-nischen Anlagen gleichwertig zubehandeln, die bis jetzt unter demDach des Allgemeinen Eisenbahn-gesetzes (AEG) durch zwei Ver-waltungsvorschriften geregelt wer-den (VVBau und VV Bau STE).Gleichzeitig rückt der Entwurf derneuen Verordnung sowohl von denbisherigen Verfahren für die Bau-aufsicht des Eisenbahnwesens abals auch von allen weiteren Bau-aufsichtsverfahren für die übrigenBaubereiche, also von denen fürden Hoch- und Ingenieurbau.

Wesentliche Auswirkung ei-ner Realisierung dieses Entwurfswäre eine erweiterte Verantwor-tung und Verpflichtung des Bau-herrn Deutsche Bahn, wohingegendas EBA erheblich entlastet wer-den würde. Statt des bautechni-schen Prüfers im Eisenbahnwesen

würde es nach dem neuen Verord-nungsentwurf einen Prüfer, einenPlanungsprüfer und einen Abnah-meprüfer geben. Der erste würderegelmäßig vom Bauherrn einge-setzt, die beiden letzteren könntedas EBA bei außerordentlichgroßen und schwierigen Bauvor-haben hinzuziehen.

Eine Anerkennung und eineGebührenverordnung für die Prü-fer sieht der Entwurf nicht vor.

Die vpi-EBA hat ihre Stel-lungnahme zu dem Entwurf desBMVBS mit mehreren anderenVerbänden verschiedener Infra-strukturträger und mit einigenbehördlichen Institutionen abge-stimmt, und sie wisse sich, wie ihrVorsitzender, Dr.-Ing. Dietmar H.Maier, schreibt, mit ihrer Stellung -nahme „auf einer breiten Basis“einig, weswegen er die Autoren desVerordnungsentwurfs und die dafürVerantwortlichen des EBA „sehr

darum bittet“, die Stellungnahmeder vpi-EBA „zu bedenken“.

Die Kernforderungen dervpi-EBA und der anderen Verbän-de an eine endgültige EBDV sindals, wie es heißt „unverzichtbareVoraussetzungen“ folgende:

■ Eine klare Trennung der Sorg-faltspflichten des Bauherrn vonden Kontrollmaßnahmen derBauaufsicht. – „Eine effizienteBauaufsicht muss präventiv sein“. ■ Eine durchgängige Bauauf-sicht für alle sicherheitsrelevan-ten Baumaßnahmen. Eine Frei-stellung kann nur untergeordneteBaumaßnahmen betreffen. DieUnterschiede von IHO und STEsind bei den Regelungen zu re-spektieren. ■ Verwaltungsvereinfachungenund eine schlanke Behörde kön-nen im IHO-Bereich nur durcheine weitgehende Einbeziehungvon Verwaltungshelfern erfol-gen. Eine Einsetzung von Sach-verständigen, wie bei STE, istnicht zielführend. ■ Der Verwaltungshelfer mussklar definiert sein. MaßgeblicheKriterien sind: eine hohe fachli-che Kompetenz (Nachweis undPrüfung in Theorie und Praxis),die uneingeschränkte persönlicheEignung (Integrität, Durchset-zungsvermögen), Unabhängig-keit von Dritten (Bauherren, aus-führenden Firmen), wirtschaftli-che Unabhängigkeit (Gebühren-ordnung) und Zugriff der Behör-de (Auskunftspflicht, Dienstauf-sicht, Zulassung).

Page 17: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

17Der Prüfingenieur Mai 2012

BVPI erarbeitet bundeseinheitlicheEmpfehlungen für NagelplattenDer Technische Koordinie-

rungsausschusses der Bundesver-einigung der Prüfingenieure fürBautechnik (BVPI) ist derzeit da-mit befasst, seine Technische Mit-teilung 06/015 für Nagelplatten-konstruktionen als Handlungsemp-fehlung bundeseinheitlich auszu-richten. Sie ist, mit Blick auf dieDIN EN 1995-1-1 (EC 5), von derArbeitsgruppe Nagelplatten desTechnischen Koordinierungsaus-schusses der BVPI erarbeitet wor-den, um ein einheitliches Vorge-hen sämtlicher Beteiligter, vor al-

lem der Hersteller und Anwendervon Nagelplattenkonstruktionenund der Prüfingenieure zu errei-chen. Die Mittteilung behandeltgrundlegende Anforderungen andie Robustheit, Dachpfetten,Druckbohlen, die Knicklängen derObergurte, den Obergurtstoß, diePrüfbarkeit bautechnischer Unter-lagen sowie die Vereinheitlichungder Überwachungsstandards.

Die Technische Mitteilungfür Nagelplattenkonstruktionen desTechnischen Koordinierungsaus-

schusses der BVPI war vor demHintergrund der Einführung derDIN 1052: 2008-12 zum 1. Januar2011 entwickelt worden, mit derdie Bemessung von Nagelplatten-konstruktionen normiert wordenwar. Mit ihr hatte sich der Aufwandfür die Prüfung der bautechnischenUnterlagen für diese Konstruktio-nen aber so erheblich erhöht, dassangesichts diverser komplexerStruktur- und Knotenberechnungeneinige Prüfaufträge an die UnterenBauaufsichtsbehörden zurückgege-ben werden mussten.

Dr.-Ing. Peter Henke als Vorsitzender derLandesvereinigung Bayern wiedergewählt

DER NEUE VORSTAND der Landesvereinigung der Prüfingenieur für Baustatik inBayern (v.l.): Dipl.-Ing. Markus Bernhard, Prof. Dr.-Ing. Peter Gebhard, Dipl.-Ing.Dietrich Oehmke, Dr.-Ing. Markus Staller, Dr.-Ing. Peter Henke, Dr.-Ing. WalthariP. Fuchs, Dipl.-Ing. Konrad Steger

Der Verzicht auf die Unter-haltung von Zweitniederlassungender Prüfingenieure in Bayern, dieBeibehaltung der Altersgrenze fürdie Tätigkeit der bayerischen Prüf -ingenieure, die Einführung der Eu-rocodes zum 1. Juli 2012 und einausführlicher und hoffnungma-chender Bericht von Dr.-Ing.Robert Hertle (Gräfelfing) überdie Tätigkeit und die Fortschritteder pränormativen Arbeit des Ver-eins „PraxisRegeln Bau“ – das wa-ren die Hauptthemen der Jahres-hauptversammlung der Vereini-gung der Prüfingenieure für Bau-statik in Bayern, die traditionell imHotel Bayerischer Hof in Mün-chen stattfand.

Daneben aber wurden auchdie Neuwahlen des Vorstandes fürdie kommenden drei Jahre durch-geführt. Als Vorsitzender wurdeDr.-Ing. Peter Henke (München)wiedergewählt; 2. Vorsitzenderwurde Dr.-Ing. Markus Staller(Gräfelfing), als Schriftführer, undals Schatzmeister wurden Prof.Dr.-Ing. Peter Gebhard (Baldham)

und Dr.-Ing. Walthari Fuchs(Traunstein) in ihren Ämtern be-stätigt. Als Beisitzer wurden dieDiplom-Ingenieure Markus Bern-hard (Augsburg), Dietrich Oehm-ke (Nürnberg) und Konrad Steger(München) gewählt.

Eine der wichtigen Aufga-ben des neuen Vorstandes, so sagteHenke nach seiner Wiederwahl,werde es sein, neue Mitglieder fürdie Landesvereinigung zu werben,die derzeit 65 Prüfingenieure und

eine Prüfingenieurin umfasst.

Für ihre langjährige Tätig-keit in der Landesvereinigung derPrüfingenieure in Bayern dankteHenke den nunmehr aus eigenemAntrieb den Vorstand verlassenenMitgliedern Dr. Robert Hertle undDr. Walter Schmitt, die neue Auf-gaben im Präsidium der Bundes-vereinigung der Prüfingenieure fürBautechnik beziehungsweise imKoordinierungsausschuss der VPIBayern übernommen haben.

Page 18: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

wahl der VorstandsmitgliederDipl.-Ing. Sylvia Heilmann (Pir-na), Dipl.-Ing. Jürgen Weisbach(Thum/Erzgeb.) und Dipl.-Ing.Stefan Kraus (Dresden). Als neueVorstandsmitglieder wählten dieMitglieder Prof. Dr.-Ing. ManfredCurbach (Dresden) und Dipl.-Ing.Andreas Forner (Leipzig). Mitgroßem Dank aus dem Vorstand

verabschiedet wordensind, weil auf eigenenWunsch ausgeschie-den: Dr.-Ing. KlausBröse (Langebrück)und Dr.-Ing. Klaus-Jürgen Jentzsch (Dres-den). Bröse gebührt,wie Jäger sagte, be-sonderer Dank für sei-ne Mitarbeit beimAufbau der sächsi-

NACHRICHTEN

18Der Prüfingenieur Mai 2012

Jahresversammlung mit Vorstandswahlen

Landesvereinigung Sachsen:Jäger als Vorsitzender bestätigt

DER NEUE VORSTAND der Landesvereinigung Sach-sen der Prüfingenieure (v. l.): Andreas Forner, StefanKraus, Sylvia Heilmann, Prof. Wolfram Jäger, JürgenWeisbach. (Nicht im Bild: Prof. Manfred Curbach.)

Der Vorsitzende der Lan-desvereinigung der Prüfingenieurefür Bautechnik in Sachsen, Prof.Dr.-Ing. Wolfram Jäger, ist imRahmen der jüngsten Jahreshaupt-versammlung der sächsischenPrüf ingenieure einstimmig in sei-nem Amt bestätigt worden. DieVorstandswahlen in Sachsen erga-ben darüber hinaus die Wieder-

schen Landesvereinigung und derBVS Sachsen sowie für die gewis-senhafte Arbeit als Kassierer undVerwalter der Finanzen; Jentzschleitete in den letzten Jahren denTechnischen Koordinierungsaus-schuss (TKA) in Sachsen.

Die nächsten Aufgaben derLandesvereinigung Sachsen sind,wie Jäger nach seiner Wahl sagte,neben der weiteren konsequentenInteressenvertretung der Mitglie-der die Ausrichtung der bevorste-henden Arbeitstagung der Bundes-vereinigung der Prüfingenieure fürBautechnik (BVPI) vom 13. bis15. September in Dresden (sieheauch Seite 9) sowie die Verstär-kung der Weiterbildungsangeboteim Rahmen der Einführung derEurocodes.

Zusammenführung relevanter Normen

Die BÜV-Empfehlungen fürtragende Kunststoffbauteileenthalten jetzt auch Rechenbeispiele Der Arbeitskreis Tragende

Kunststoffbauteile des Bauüber-wachungsvereins (BÜV) arbeitetderzeit an einer Novellierung sei-ner Empfehlungen für Entwurf,Bemessung und Konstruktion tra-gender Kunststoffbauteile im Bau-wesen, die er im August 2010erstmals veröffentlicht hatte. Siestellen, wie der BÜV dazu mit-teilt, als sachlich und inhaltlichpraxisorientierte Zusammen-führung geltender themenrelevan-ter Normen ein bei allen Anwen-dungen tragender Kunststoffbau-teile probates Hilfsmittel für Inge-nieure dar, welches das semipro-

babilistische Bemessungskonzeptberücksichtige und zu praktika-blen Planungshinweisen verhelfe.

Die neuen Empfehlung wer-den auch sieben konkrete Rechen-beispiele enthalten, und zwar für:

■ profilierte Einfeldträger ausglasfaserverstärktem Laminatfür eine Überdachung,

■ die Zylinderwand einesBehälters mit Kegeldach undBodenplatte aus glasfaserver-stärktem Laminat zur Spei-cherung von Wasser in einerHalle,

■ eine dreischichtige Zweifeld-platte mit Deckschichten ausglasfaserverstärktem Laminatund einer Kernschicht ausPUR-Hartschaum für eineÜber dachung,

■ eine vierseitig gelenkig gela-gerte Platte aus Acrylglas(PMMA) für ein Vordach,

■ einen Sickerwasserschachtaus PE-HD,

■ ein GFK-Trapezprofil,■ ein pultrudiertes Profil.

Die Veröffentlichung derneuen Empfehlungen ist für Ende2012 geplant.

Page 19: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

19Der Prüfingenieur Mai 2012

Koldrack als Vorsitzender der Prüfingenieurein Mecklenburg-Vorpommern wiedergewählt

DER NEUE VOR-STAND der Lan-desvereinigung derPrüfingenieure inMecklenburg-Vor-pommern (v.l.):Dr.-Ing. Gerd Ge-burtig, Dipl.-Ing.Winfried Koldrack,Dipl.-Ing. MichaelSchwesig, Dipl.-Ing. Jörn Konow

Der Vorstand der Landes-vereinigung der Prüfingenieure fürBautechnik in Mecklenburg-Vor-pommern hat seinen Vorsitzenden,Dipl.-Ing. Winfried Koldrack (Ro-stock), einstimmig in seinem Amtbestätigt. Zuvor hatten die bei derdiesjährigen Jahrestagung anwe-senden Mitglieder der Landesver-einigung – in Anwesenheit derLeiterin des Referats Bautechnikdes für die Prüfingenieure inMecklenburg-Vorpommern zu-ständigen Ministeriums für Wirt-schaft, Bau und Tourismus desLandes, Baudirektorin Dipl.-Ing.Ute Kühne, und des Geschäftsfüh-rers der Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bautechnik

(BVPI), Dipl.-Ing. Manfred Tiede-mann – ihren bisherigen Vorstandeinstimmig entlastet und für dienächsten drei Jahre einen neuenVorstand gewählt. Ihm gehören an:

Dr.-Ing. Gerd Geburtig (Ribnitz-Damgarten), Dipl.-Ing. WinfriedKoldrack, Dipl.-Ing. Jörn Konow(Wismar) und Dipl.-Ing. MichaelSchwesig (Rostock).

Betonverein fragt nach Vorträgen für denDeutschen Bautechnik-Tag 2013 in HamburgUnter dem Oberthema „In-

frastruktur stärken – Zukunft si-chern“ veranstaltet der DeutscheBeton- und Bautechnik-Verein(DBV) am 11. und 12. April 2013im Congress Center in Hamburgseinen Deutschen Bautechnik-Tag2013. Dazu ruft er Experten auf,Vorschläge für Fachvorträge ein-zureichen (Call for Papers).

Die Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bautechnik(BVPI) ist einer der ideellen Mit -träger dieser Veranstaltung undunterstützt daher diesen Aufrufmit dem Hinweis auf die Themen,denen sich der Bautechnik-Tagwidmen wird:

■ Aktuelle Baumaßnahmen imIn- und Ausland,

■ Akzeptanz undBürgerbeteiligung,

■ Bauprojekte in Hamburg,■ Bauwerke für die

Energiewende,

■ Forschung, Entwicklung undInnovation,

■ Instandhaltung und Erweite-rung der Verkehrs infra struktur,

■ Interaktion von Bau undÖkologie,

■ Nachhaltige und energieeffi-ziente Gebäude,

■ Planung und zukünftige Pro-jekte im In- und Ausland.

P www.bautechniktag.de

Neuer Vorstand in HamburgNachdem er die Landesver-einigung der Prüfingenieu-re in Hamburg nun schonmehr als fünfzehn Jahrelang als Landesvorsitzen-der erfolgreich geführt undrepräsentiert hatte, ist Dr.-Ing. Karl Morgen (2.v.l.)nun auf eigenen Wunsch indiesem Amt abgelöst wor-den. Sein Nachfolger istauf der jüngsten Mitgliederversammlung der hamburgischen Prüfingenieure – beiübrigens fast achtzigprozentiger Teilnahme aller Mitglieder - gewählt worden. Er istauch sein Partner im Ingenieurunternehmen WTM Engineers (Hamburg): Dr.-Ing.Ulrich Jäppelt (l.). Jäppelt wird künftig im Vorstand unterstützt werden von Dr.-Ing.Rainer Grzeschkowitz (r.), der in den Vorstand gewählt worden ist, nachdem auchDipl.-Ing. Horst-Ulrich Ordemann (2.v.r.) sein Amt nach langjähriger Vorstands -tätigkeit niedergelegt hatte.

Page 20: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

20Der Prüfingenieur Mai 2012

Eurocode-Einführung/Stahlregale/Absturzsicherungen/CE-Kennzeichnungfür Tragfähigkeitswerte

Bericht aus dem DeutschenInstitut für Bautechnik Weil seine Arbeit für die Prüfingenieure und Prüfsachverstän-

digen von eminenter Bedeutung ist, hat die Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bautechnik mit dem Deutschen Institut für Bau-technik (DIBt) vereinbart, dass künftig in jeder Ausgabe des Prüfin-genieurs über hauptsächlich für Prüfingenieure relevante aktuelleThemen berichtet wird. Im ersten dieser Berichte wird nachfolgenddie Einführung der Eurocodes dargestellt, die Verwendbarkeits-nachweise für Stahlregale und andere ortsfeste Regale, Absturzsi-cherungen nach EN 795 und die CE-Kennzeichnung nach EN 1090-1mit der Angabe von Tragfähigkeitswerten.

Anwendung und bauaufsichtli-che Einführung der Eurocodes

Die für die Bereiche Betonbau,Stahlbau, Verbundbau, Holzbau,Geotechnik und Aluminiumbauvorliegenden Eurocodeteile unddie zugehörigen Nationalen An-hänge dürfen bekanntlich ent-sprechend der Veröffentlichun-gen der Fachkommission Bau-technik in den DIBt-Mitteilun-gen 06/2010 und 02/2011 bereitsseit Januar 2011 als gleichwerti-ge Lösung entsprechend § 3 Ab-satz 3 Satz 3 der Musterbauord-nung (MBO) angewendet wer-den.

Die Anwendung erfolgt biszur bauaufsichtlichen Einführungmit den Einwirkungen nach denNormen der Reihe DIN 1055. Nurfür die Bemessung im Brandfallsind die Einwirkungen nach DINEN 1991-1-2 in Verbindung mitdem zugehörigen Nationalen An-hang zu verwenden, wobei Natur-brandmodelle nach Abschnitt 3.3von DIN EN 1991-1-2 derzeit aus-geschlossen sind.

Für die Ausführung vonBeton-, Aluminium-, Stahl- undVerbundtragwerken sind zusätz-lich die in den o. g. Veröffentli-chungen der FachkommissionBautechnik angegebenen Regelnzu beachten.

Das DIBt hat die bauauf-sichtliche Einführung der Euroco-des inzwischen zusammen mit denobersten Bauaufsichtsbehördender Länder nach Abstimmung inden entsprechenden Gremien derARGEBAU vorbereitet. Dazuwurde die Musterliste der Techni-schen Baubestimmungen 2012 be-reits entsprechend aktualisiert. Siemuss derzeit noch das Notifizie-rungsverfahren bei der Europäi-schen Kommission durchlaufen.Die offizielle bauaufsichtlicheEinführung der Eurocodes überdie jeweilige Liste der Techni-schen Baubestimmungen der Län-der soll dann zum 01.07.2012 er-folgen.

Bauaufsichtliche Verwendbar-keitsnachweise für Stahlregale

Das Thema „BauaufsichtlicheVerwendbarkeitsnachweise fürStahlregale“ wurde in der Ver-gangenheit umfassend in derFachkommission Bautechnik be-raten, sodass sich nunmehr fol-gender Sachstand ergibt:

■ Stahlregale, die nicht gleich-zeitig die tragende Gebäudekon-struktion darstellen, aber den-noch für eine dauerhafte ortsfe-ste Nutzung vorgesehen sind undeine Oberkante Lagerguthöhevon bis zu 7,50 m aufweisen,sollten weiterhin genehmigungs-

frei im Sinne von § 61 Abs. 1lfd. Nr. 14 der MBO bleiben.

■ Für Stahlregale, die gleich-zeitig die tragende Gebäudekon-struktion sind und von den Re-galherstellern als Silos bezeich-net werden, sowie für sonstigeStahlregale mit dauerhafter orts-fester Nutzung und einer Ober-kante Lagerguthöhe von mehrals 7,50 m gelten die entspre-chenden Bestimmungen in derBauregelliste A Teil 1 sowie diezugehörigen Technischen Bau-bestimmungen. Sofern bei die-sen Stahlregalen die Tragfähig-keiten von Bauteilen oder dieTragfähigkeiten und Steifigkei-ten von Anschlüssen nicht nachden geltenden Technischen Bau-bestimmungen oder auf derGrundlage von Versuchen ermit-telt werden, ist als Verwendbar-keitsnachweis eine allgemeinebauaufsichtliche Zulassung er-forderlich.

Für die Stahlregale, für diekünftig allgemeine bauaufsichtli-che Zulassungen erforderlich wer-den, ist eine Übergangsfrist vorge-sehen, bis zu deren Ablauf die ge-nannten Zulassungen vorliegensollten. Als Ende der Übergangs-frist wurde der 31.12.2012 verein-bart. Zustimmungen im Einzelfallfür zulassungspflichtige Regalesollten bis zum Ende der Über-gangsfrist nur eine Ausnahmesein.

Bisher bereits vorliegendeVersuchsergebnisse der Herstellersollen im Rahmen der Zulassungs-erteilung berücksichtigt werden,sofern die zugehörige Versuchs-durchführung und Versuchsaus-wertung den maßgeblichen Ver-fahren entsprechen.

Page 21: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

21Der Prüfingenieur Mai 2012

Weitere Hinweise zum The-ma „Bauaufsichtliche Verwend-barkeitsnachweise für Stahlregale“sind Heft 04/2011 der DIBt Mit-teilungen zu entnehmen.

Palettenregale

Bisher gibt es nur für Palettenre-gale eine normative Regelung fürden Tragsicherheits- und Ge-brauchtauglichkeitsnachweis.Dieser ist in DIN EN 15512 ge-regelt. Eine vergleichbare Rege-lung für andere Regaltypen fehltderzeit. Nach ausführlicher Dis-kussion in der FachkommissionBautechnik wurde beschlossen,DIN EN 15512 nicht in die Listeder Technischen Baubestimmun-gen aufzunehmen, da das gesam-te Nachweiskonzept der Normauf einer versuchsgestützten Be-messung basiert. Die zugehöri-gen Versuche sind im Anhang Ader Norm beschrieben. Der An-hang A von DIN EN 15512 solljedoch künftig als Grundlage derErteilung von allgemeinen bau-aufsichtlichen Zulassungen fürPalettenregale dienen. In den all-gemeinen bauaufsichtlichen Zu-lassungen für Palettenregale solldann hinsichtlich der Bemessungauf DIN EN 15512 verwiesenwerden. Das bedeutet dann unteranderem auch, dass künftig fürden Tragsicherheits- und Ge-brauchstauglichkeitsnachweisvon Palettenregalen die in DINEN 15512 festgelegten Teilsi-cherheitsbeiwerte γf und γM zuverwenden sind.

Aus Sicht des DIBt solltedie hier und in der im Abschnitt2.1 genannten Veröffentlichung imHeft 4/2011 der DIBt Mitteilungendargestellte Vorgehensweise auchfür Zustimmungen im Einzelfallfür Palettenregale übernommenwerden.

Andere Regale mit dauerhaf-ter ortsfester Nutzung

Die erforderlichen Zulassungs-versuche und deren Auswertung

sind im Einzelfall mit dem DIBtzu vereinbaren. Die in DIN EN15512 sowie in den europäischenRichtlinien FEM 10.2.06,10.2.07 und 10.2.09 festgelegtenAngaben zu Versuchen sollendabei, sofern möglich, für dieZulassungsversuche berücksich-tigt werden.

Solaranlagen

Solaranlagen bestehen i. d. R.aus Solarmodulen (Solarkollek-toren oder PV-Modulen), der zu-gehörigen Unterkonstruktion undentsprechenden mechanischenVerbindungselementen zur Ver-bindung der Solarmodule mit derUnterkonstruktion. Bei PV-Mo-dulen kommen auch vermehrtgeklebte Verbindungen zur An-wendung. Die Anwendung vonSolarmodulen erfolgt entwederim Dach- oder Fassadenbereich,als Überkopfverglasung oder ineigenständigen und gebäudeun-abhängigen Solaranlagen.

Der Nachweis der Standsi-cherheit von Solarkollektoren undPV-Modulen erfolgt bisher je nachArt der vorgesehenen Anwendungentweder nicht oder nach dentechnischen Regeln des Glasbausoder auf der Grundlage von bau-aufsichtlichen Verwendbarkeits-nachweisen.

Zur Klarstellung der bau-aufsichtlichen Einstufung von So-larkollektoren und PV-Modulenwerden diese im Zusammenhangmit den EG-Richtlinien 97/23/EGund 2006/95/EG in die Bauregelli-ste B Teil 2 aufgenommen. Die er-forderlichen Verwendbarkeits-nachweise werden dort in Abhän-gigkeit von der Art und Größe derSolarkollektoren und PV-Modulesowie der vorgesehenen Anwen-dung festgelegt.

Der Nachweis der Standsi-cherheit der Verbindung von So-larkollektoren und PV-Modulenmit der Unterkonstruktion, die imRegelfall aus Metall besteht, er-

folgt derzeit entweder nach deneingeführten Technischen Baube-stimmungen oder auf der Grundla-ge von bauaufsichtlichen Ver-wendbarkeitsnachweisen. DasDIBt hat bisher bereits mehrereallgemeine bauaufsichtliche Zulas-sungen für die Verbindung vonPV-Modulen mit Metallunterkon-struktionen erteilt.

Weitere Hinweise zum The-ma „Solaranlagen“ sind den DIBtMitteilungen unter www.dibt.dezu entnehmen.

Absturzsicherungen nachEN 795

Bei Absturzsicherungen nachEN 795 handelt es sich um spe-zielle Befestigungselemente, dieauf Dächern montiert werden,um den Absturz von Personenzu verhindern, die mit an diesenBefestigungselementen einge-hakten Sicherungsseilen gesi-chert sind. Bei den Befesti-gungselementen handelt es sichum nicht geregelte Bauprodukte,deren Tragfähigkeit für statischeund stoßartige Beanspruchungi. d. R. durch Versuche ermitteltwird.

Für die Verwendung vonAbsturzsicherungen nach EN 795ist eine allgemeine bauaufsichtli-che Zulassung erforderlich, es seidenn, die Absturzsicherungen kön-nen nach den geltenden Techni-schen Baubestimmungen rechne-risch nachgewiesen werden. ZurKlarstellung dieses Sachverhalteserfolgt die Aufnahme von EN 795im Zusammenhang mit der Richt-linie 89/686/EWG (PSA-Richtli-nie) in die Bauregelliste B Teil 2.Dort wird dann eine allgemeinebauaufsichtliche Zulassung als zu-sätzlich zur CE-Kennzeichnungerforderlicher Verwendbarkeits-nachweis festgelegt.

Die zugehörigen Zulas-sungsversuche werden in Anleh-nung an EN 795 durchgeführt. Ab-weichend von EN 795 wird jedoch

Page 22: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NACHRICHTEN

22Der Prüfingenieur Mai 2012

die zugehörige Unterkonstruktionmitgeprüft.

CE-Kennzeichnung nachEN 1090-1 mit Angabe vonTragfähigkeitswerten

Für die CE-Kennzeichnung unddas Konformitätsnachweisver-fahren von serienmäßig undnicht serienmäßig hergestelltentragenden Bauteilen und Bausät-zen aus Stahl und Aluminium,die als Bauprodukte in den Wa-renverkehr gebracht werden, giltdie harmonisierte europäischeProduktnorm EN 1090-1, inDeutschland umgesetzt durchDIN EN 1090-1. Im Rahmen derCE-Kennzeichnung können bzw.müssen verschiedene Leistungs-merkmale deklariert werden. Un-ter anderem können auch Trag-fähigkeitsmerkmale deklariertwerden. Dies kann bei komple-xeren Bauteilen oder Bausätzenz. B. durch den Verweis auf einezugehörige statische Berechnung

nach den entsprechenden Euro-codes erfolgen.

Die Frage, ob diese Trag-fähigkeitsmerkmale dannnochmals durch einen Prüfinge-nieur bzw. Prüfsachverständigenfür Standsicherheit zu überprüfensind, wurde in der Fachkommissi-on Bautechnik diskutiert.

Die Diskussion hat ergeben,dass im Rahmen der Aufnahmevon EN 1090-1 in den Teil II derListe der Technischen Baubestim-mungen dort unter der lfd. Nr.5.62 und der zugehörigen Anlage5/32 folgende Regelung aufge-nommen wurde:

Werden Tragfähigkeitsmerk-male von Bauteilen oder Bausätzenin Form von Tragfähigkeitswertenoder kompletten statischen Berech-nungen im Rahmen der CE-Kenn-zeichnung deklariert, so ist beiprüf- und bescheinigungspflichti-gen Bauvorhaben der Tragsicher-

heitsnachweis durch einen Prüfin-genieur/Prüfsachverständigen fürStandsicherheit zu bestätigen.

Des Weiteren wurde nachentsprechender Diskussion in derFachkommission Bautechnik imTeil II der Liste der TechnischenBaubestimmungen unter der lfd. Nr.5.62 und der zugehörigen Anlage5/32 auch noch folgende Regelungim Zusammenhang mit der Aufnah-me von EN 1090-1 getroffen:

Für die Verwendung vonBauteilen oder Bausätzen ausnichtrostenden Stählen sowie fürdie Verwendung von Bauteilen undBausätzen, deren Tragfähigkeits-merkmale auf der Grundlage vonVersuchen ermittelt werden, ist ei-ne allgemeine bauaufsichtlicheZulassung oder eine Zustimmungim Einzelfall erforderlich.

Dr.-Ing. Karsten Kathage,Vizepräsident des Deutschen

Instituts für Bautechnik

Neue Ausgabe der BÜV-Empfehlungen fürdie Bauüberwachung von WindenergieanlagenDer Arbeitskreis Windener-

gieanlagen des Bauüberwachungs-vereins (BÜV) hat, vor dem Hin-tergrund der sich ändernden Nor-menlandschaft, mit der Novellie-rung und Anpassung seiner Emp-fehlungen für die Bauüberwachungvon Windenergieanlagen begon-nen, die er seit 2004 herausgibt.Hintergrund war damals und istheute noch die Tendenz, immermehr Windenergieanlagen zu er-richten, häufig versehen mit einerbundesweit geltenden Typenprü-fung für die Turmkonstruktion.Deren Ausführung wird aber nachden Feststellungen des BÜV mei-stens nicht kontrolliert, bestenfallsdie Ausführung der Fundamente.

Eine ganzheitliche Überwachungvon Baugrund, Gründung undTurmkonstruktion, bezogen auf dieÜbereinstimmung mit den geprüf-ten Ausführungsunterlagen, wie sievon den Bauordnungen der deut-schen Länder vorgeschrieben wird,werde aber, so schreibt der BÜV,immer noch sehr oft unterlassen.

Die aktualisierten Empfeh-lungen können voraussichtlich imJuni 2012 veröffentlicht werden.Sie haben die Form einer Check-liste, in der zwischen bautechni-schen Unterlagen und Prüfgegen-ständen unterschieden wird, diebei einer Bauüberwachung stich-probenhaft zu kontrollieren sind.

Die Empfehlungen desBauüberwachungsvereins für dieBauüberwachung von Wind -energieanlagen haben auch Beach-tung in der Richtlinie für Wind-energieanlagen (Einwirkungenund Standsicherheitsnachweise fürTurm und Gründung, Stand: Ent-wurf Januar 2012) des DeutschenInstituts für Bautechnik (DIBt) ge-funden, und sie werden, davonzeigt sich der Bauüberwachungs-verein in einem Schreiben über-zeugt, „Planungssicherheit fürBauherren, Planer und ausführen-de Firmen im Sinne einer vorbeu-genden Gefahrenabwehr und einesnachhaltigen Verbraucherschutzesschaffen“.

Page 23: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

WASSERBAU

23Der Prüfingenieur Mai 2012

ist stellv. Leiter der Bundesan-stalt für Wasserbau (BAW) inKarlsruhe und leitet deren Ab-teilung Bautechnik: er studiertean der Universität Karlsruhe(TH), absolvierte sein Referen-dariat beim Bundesministeriumfür Verkehr in Bonn, war dannbeim Wasserstraßen-Neubau-amt in Datteln und ist bis heute

bei der BAW in Karlsruhe tätig: er ist Obmann ver-schiedener Normungsgremien (DIN 19702 – Stand -sicherheit massiver Wasserbauwerke; DIN 1055-9 –Außergewöhnliche Einwirkungen, ZTV-W LB 215 –Beton im Wasserbau; PIANC WG140 – partial safetyconcept for hydraulic structures; DIN-NAW-FB-02 –Leiter des Fachbereichs Wasserbau im NAW)

Ltd. Baudirektor Dipl.-Ing. Claus Kunz

Nachweise fürWasserbauwerke – Wohingeht der Weg?Einige grundlegende Vorgehensweise für den Entwurf und die Bemessung massiver Wasserbauwerke

Mit der DIN 19702 (Massive Wasserbauwerke –Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauer-haftigkeit) wurde 2010 eine erste Norm im Bereichdes Normenausschusses Wasserwesen (NAW)nach dem neuen Sicherheitskonzept der Euroco-des gestaltet. Einige grundlegende Regelungenund Vorgehensweisen für Entwurf und Bemes-sung von massiven Wasserbauwerken werden imBeitrag dargestellt und erläutert. Sukzessive wer-den weitere Normen des NAW, die verschiedensteBauwerke im Wasserbau behandeln, auf das neueNormenkonzept umgestellt werden. Hierbei wirdauch noch der Übergang von den zuletzt noch inBezug genommenen neuen nationalen Normen,DIN-Normen ab 2001 bis 2010, zu den neuen Eu-rocodes, DIN ENs ab 2009, die ab Mitte 2012 suk-zessive ihre Einführung erfahren werden, beinhal-tet sein. Die bei der Beschäftigung mit Wasserbau-werken zum Teil noch offenen Fragestellungen so-wie noch zu optimierende Sachverhalte werden„als Weg“ dargestellt und andiskutiert.

1 Einführung

Wasserbauwerke wie z.B. Schleusen, Wehre,Kraftwerke, Düker, Durchlässe, Siele, aber auchStaumauern, sind langlebige Infrastrukturgüter, dieeine hohe Sicherheit und Verfügbarkeit aufweisenmüssen. Sie sind gekennzeichnet durch:

■ hohe Wasserdruckbelastungen bei gleichzeitig ho-hen Potentialdifferenzen,

■ Anforderungen an eine Wasserundurchlässigkeitbis hin zu Wasserdichtigkeiten,

■ hohe Erwartungen an die Nutzungsdauer, rechne-risch nach heutigen Vorstellungen 100 Jahre, man-che bestehende Bauwerke erreichen deutlich mehr,

■ in der Regel massige Betonbauteile mit großenAbmessungen,

■ bei Schleusen zyklischen Belastungen unter hohereinstufiger Beanspruchung, sie erfahren jeweilsimmer die „volle“ Wechsellast,

■ einer Wechselwirkung zwischen Bauwerk und Bo-den, Boden als Aufstandsfläche bzw. seitlicherAnschüttung,

■ hohen Dauerhaftigkeitsanforderungen gegenüberFrost-Tauwechsel, mechanischen Beanspruchun-gen durch z. B. Geschiebe (Hydroabrasion),Schiffsreibung, etc.

■ Temperaturwechseln,■ (Riss-) Wasserdrücken,

und führen zu spezifischen, wasserbaulichen Anfor-derungen, die sich in allgemeinen DIN-Normen nichtoder nur bedingt integrieren lassen.

Im Normenausschuss Wasserwesen (NAW)des DIN sind einige wasserbauspezifische Normenvorhanden, die unlängst überarbeitet worden sind, inÜberarbeitung sind oder in der nächsten Zeit zurÜberarbeitung anstehen.

Wasserbauspezifische Normen im NAW, dieden Anwendungsbereich von Bauwerken analog zumkonstruktiven Ingenieurbau betreffen, wurden bzw.werden in Übereinstimmung mit den neuen Regeln

Page 24: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

24Der Prüfingenieur Mai 2012

WASSERBAU

der Eurocodes erstellt. Dies beinhaltet die Bemes-sung und Ausführung von Tragwerken nach demTeilsicherheitskonzept als dem bauartübergreifendenSicherheitskonzept, den Nachweis in Grenzzuständender Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit sowieder Anwendung von Teilsicherheits- und Kombinati-onsregeln, was in der Praxis dazu führt, dass auf dieNormen des konstruktiven Ingenieurbaus aufgebautwird.

Damit einhergehen die konsistente Übernahmeder für den Ingenieurbau bzw. Brückenbau geltendenBegrifflichkeiten, Nachweisformate und Methoden.Ergänzt werden daher in den wasserbauspezifischenNormen wasserbauspezifische Regelungen.

Die derzeitige Regelwerkssituation für Wasser-bauwerke, die aus Betonbauteilen und Stahlwasser-bau bestehen, lässt sich vereinfachend für die Bemes-

sung und Ausführung der Haupttragelemente gemäßAbb. 1 aufzeigen. Auf die jeweiligen Grundnormender Einwirkungen, Reihe DIN 1055 [1], [2], der bau-artspezifischen Normen der Reihe DIN 1045 [3] undder Reihe DIN 18800 [4], folgen wasserbauspezifi-sche Spezialnormen, wie DIN 19702 (2010-06), [5],und DIN 19704 (1998-10), [6]. Für die Interaktionmit dem Boden werden für grundbauspezifischeNachweise die Normen der Geotechnik angewendet.Bei einigen Bauherrn, wie z.B. der Wasser- undSchifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), werdendarüber hinaus Zusätzliche Technische Vertragsbe-dingungen im Wasserbau, ZTV-W, angewendet. Fürdie Ausgabe 2004 der ZTV-W LB 215, [7], die man-gels damaliger Überarbeitung der früheren DIN19702 von 1992 hinsichtlich des Teilsicherheitskon-zeptes bereits das neue Normenkonzept aufgriff, wur-den durch die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW)zuvor exemplarisch Vergleichsrechnungen durchge-führt und in einem Mitteilungsblatt veröffentlicht,[8].

2 Nachweise nach DIN 19702

2.1 Anwendung und Gliederung

DIN 19702 [5]), Massivbauwerke im Wasser-bau – Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dau-erhaftigkeit, stellt die erste wasserbauspezifische Normnach dem neuen Teilsicherheitskonzept dar. Wie derTitel der Norm bereits ausdrückt, werden aus wasser-bauspezifischer Sicht die drei Säulen der konstruktivenNachweise adressiert, die zu Sicherheit bzw. Zuverläs-sigkeit führen. Normen des konstruktiven Ingenieur-baus, insbesondere DIN 1055-100 [2], Grundlagen derTragwerksplanung, DIN 1054 [9], Baugrund – Stand-sicherheitsnachweise und die Reihe DIN 1045 [3] ein-schl. DIN EN 206-1, Beton- und Stahlbetonbau, wer-den in Bezug genommen. DIN 19702 [5] ist daher kei-ne „unabhängige“ Norm, sondern sie regelt Besonder-heiten auf der Grundlage anderer Normen.

DIN 19702 [5] gilt für alle massiven Wasser-bauwerke aus Beton, Stahlbeton und prinzipiell auchMauerwerk, im Binnenland wie auch im Küstengebiet;also z.B. für Wehranlagen, Schleusen, Wasserkraftwer-ke, Schöpfwerke, Entnahmebauwerke, Sohlenbauwer-ke, Durchleitungsbauwerke, massive Bauteile von Ka-nalbrücken und massive Hochwasserschutzbauwerke.Bauwerke des Offshore-Bereichs sowie Baugruben-umschließungen werden damit nicht behandelt; fürBauwerke nach DIN 19700-11 und –12 [10], wie z.B.Staumauern, gelten nur Teilaspekte der DIN 19702[5]. Die Gliederung geht aus Abb. 2 hervor.

Abb. 1: Derzeitige Regelwerkssituation für Wasserbauwer-ke (d.h. bis vor. 30.06.2012)

Abb. 2: Gliederung der DIN 19702 (2010-06), [5]

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 Normative Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 Berechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4.1 Baugrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4.2 Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 Nachweis der Tragfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5.1 Allgemeines zu den Nachweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5.2 Bemessungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5.3 Grundsätze der Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5.4 Nachweise für bestehende Wasserbauwerke . . . . . . . . . . . .

6 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6.2 Begrenzung der Rissbreiten von Stahlbeton . . . . . . . . . . . . .6.3 Begrenzung der Verformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 Dauerhaftigkeit von Betonbauteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7.2 Expositionsklassen und Mindestanforderungen . . . . . . . . . .7.3 Beton und Bewehrung7.4 Betontemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7.5 Anforderungen an Festbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7.6 Arbeitsfugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 Bauausführung, Bauüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 Inbetriebnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 Bauwerksüberwachung und -unterhaltung . . . . . . . . . . . . . .

Page 25: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

25Der Prüfingenieur Mai 2012

WASSERBAU

derliche und außergewöhnliche Einwirkungen alscharakteristische Werte festzulegen. Die maßgeben-den Wasserstände für ein massives Wasserbauwerkeiner Staustufe sind für ständige bzw. veränderlicheEinwirkungen in der Regel neben dem Stauziel derWasserstand aus einem „normalen“ Abfluss gemäßBHQ1 und einem außergewöhnlichen BHQ2 , jeweilsnach DIN 19700-13 [10]. Je nach Bedeutung derStaustufe entspricht BHQ1 einem Hochwasser mit ei-ner jährlichen Überschreitungswahrscheinlichkeitvon bis zu 10–2 und BHQ2 einem außergewöhnlichenHochwasser mit einer jährlichen Überschreitungs-wahrscheinlichkeit von bis zu 10–3. Die maßgeben-den Wasserstände für ein massives Wasserbauwerkan einem freifließenden Gewässer sind in der Regelfür ständige bzw. veränderliche Einwirkung aus ei-nem Hochwasser-Abfluss mit einem Wieder kehr -intervall von T = 100 a (jährliche Überschreitungs-wahrscheinlichkeit 10–2) und für die außergewöhnli-che Einwirkung mit einem Wiederkehrintervall vonT = 1000 a (jährliche Überschreitungswahrschein-lichkeit 10–3) zu bestimmen.

Im Grundwasserbereich sind neben demGrundwasserdruck ebenso die Wirkung von Grund-wasserströmungen zu berücksichtigen, welche beikomplexen geohydraulischen und geometrischenVerhältnissen detaillierter ausgeführt werden müssen.Die Verminderung eines Wasserdrucks durch Dränsist nur zulässig, wenn die Drän-Wirkung regelmäßigkontrollierbar und der Drän instandsetzungsfähig ist.

Massive Bauwerke im Wasserbau erfahren alsBesonderheit einen Wasserdruck im Inneren vonBauteilen, Spaltwasserdruck in offenen Fugen, Riss -wasserdruck in möglichen Rissen sowie Porenwas-serdruck im Bauwerkskörper (Druckzone) (Abb. 3).Dieser wirkt in klaffenden Fugen unbewehrter Bau-teile und Zugzonen von Stahlbeton und führt zu einerVergrößerung von klaffender Fuge bzw. Zugzone.

2.2 Einwirkungen

Einwirkungen in DIN 19702 [5] behandeln Ei-genlasten, Wasserdruck, Erddruck, Auflasten, Ver-kehrslasten, Wellenlasten, Schnee- und Eislasten,Windlasten, Temperatur, Bergbauliche Einwirkun-gen, Erdbebeneinwirkungen, Außergewöhnliche Ein-wirkungen und Kolkbildung.

Eigenlasten, Schnee- und Windlasten sindnach der Normenreihe DIN 1055 [1] zu berücksichti-gen. Die charakteristischen Einwirkungen der auf dasBauwerk wirkenden Erddrücke sind nach DIN 4085[11] in Verbindung mit DIN 1054 [9] zu ermitteln,wobei zur Bestimmung der Erddrücke im grundwas-serdurchströmten Untergrund die Auftriebs- undStrömungskräfte aus den charakteristischen Wertender Grundwasserstände zu ermitteln sind. Verkehrsla-sten, Wellenlasten, Eislasten und außergewöhnlicheEinwirkungen sind mit wasserbauspezifischem Hin-tergrund erwähnt. Wasserbauspezifisch ist auch dieBerücksichtigung von Kolkbildungen mit daraus sichändernden Einwirkungsgrößen.

2.2.1 Wasserdruck

Besonderes Augenmerk gilt der Leiteinwir-kung Wasserdruck, dessen Kräfte prinzipiell verän-derliche Einwirkungen darstellen und dessen charak-teristische Werte nach DIN 1055-100 [1] mit einemQuantilwert, zur rechnerisch planmäßigen Nutzungs-dauer von 100 Jahren passt das 99%-Quantil, zu be-stimmen sind. Dies gilt auch für den Grundwasser-druck. Bei Vorliegen einer begrenzenden geometri-schen Randbedingung, z.B. eine Wehrüberfallkanteoder einer Schleusenplaniehöhe, aber auch bei bau-zeitlicher Grundwasser-Absenkung, darf der Wasser-druck als Einwirkung mit dem Teilsicherheitsbeiwertfür ständige Einwirkungen angesetzt werden. Was-serdrücke, die auf beiden Seiten eines Bauwerks bzw.Bauteils wirken und die physikalisch bzw. statisch di-rekt voneinander abhängen, also z.B. Wasserdrückebeidseitig einer unterströmten (Tauch-)Wand, werdenmit dem gleichen Teilsicherheitsbeiwert und damitauch gleichermaßen günstig oder ungünstig berück-sichtigt.

Die Zusammenstellung der jeweiligen Wasser-stände bei einem Bauwerk/Bauteil erfordert bei beid-seitiger Wasserbeaufschlagung die Festlegung einesSpektrums einander zugehöriger Wasserstände in Ab-hängigkeit von der Art und Nutzung des Bauwerks(z.B. bei einer Schleuse Oberwasserstand OW, Unter-wasserstand UW und Grundwasserstände GWi).

Bei Kanalhaltungen, Kanälen und stehendenGewässern sind entsprechend der Nutzung die maß-gebenden Wasserstände jeweils für ständige, verän-

Abb.3: Systemskizze für Wasserdruck im Inneren von Bau-teilen, aus DIN 19702 [5]

Page 26: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

26Der Prüfingenieur Mai 2012

WASSERBAU

2.2.2 Temperatur

Temperatureinwirkungen berücksichtigen Ein-wirkungen beim Abbinden des Betons, dem frühenZwang, sowie lastunabhängige Beanspruchungenwährend der Nutzung, dem so genannten spätenZwang. Die Berücksichtigung des frühen Zwangs er-folgt über das Merkblatt „Rissbreitenbeschränkungfür frühen Zwang in massiven Wasserbauwerken“ derBundesanstalt für Wasserbau, BAW-MFZ [12]. Fürsaisonale Temperatureinwirkungen werden Anhalts-werte gegeben, ausgehend von einer mittleren Auf-stelltemperatur des Bauteils von 10 °C sind saisonaleTemperaturänderungen ∆T als linear veränderlicherTemperaturanteil wie folgt anzusetzen:

■ erdseitige Oberflächen dürfen mit einer Tempera-tur von +10 °C angenommen werden;

■ luftseitige Oberflächen von massiven Bauteilen er-fahren einen Temperaturunterschied ∆T = ± 25 K;

■ wasserseitige Oberflächen von massiven Bauteilenerfahren einen Temperaturunterschied ∆T = ± 15 K.

Dies bedeutet, dass z.B. bei einem Schleusen-Querschnitt die Oberflächen im Bereich des Freibordsim Sommer mit T = +35 °C und im Winter mit T = –15°C anzusetzen sind, im Bereich zwischen Oberwas-ser (OW) und Unterwasser (UW) sowie in nahezu stän-dig wasserbenetzten Bereichen im Sommer mit T =+25 °C und im Winter mit T = –5°C anzusetzen sind.Objektspezifische Ermittlungen dürfen zu anderen An-sätzen führen (Abb. 4). In-situ-Messungen an einerneueren Schleusenanlage bildeten hierfür den Erfah-rungshintergrund (Abb. 5). Die Regelungen in DIN19702 [5] stimmten mit den aus über mehrere Jahre ge-messenen Temperaturgradienten im „August“ sehr gutund mit denen im „Januar“ gut überein und erfüllen dieauf einer gewissen „sicheren“ Seite liegenden Regeln.

Bei nachgewiesener Duktilität des Tragwerksoder seiner Tragwerksteile, d. h. ausreichendem ela-

stischem Verformungsverhalten, ist die EinwirkungTemperatur als veränderliche Einwirkung in der Re-gel nur bei Gebrauchstauglichkeitsnachweisen zuberücksichtigen.

2.3 Tragfähigkeitsnachweise

Für Nachweise der Tragfähigkeit sind Einwir-kungen, Auswirkungen bzw. Beanspruchungen auscharakteristischen Erd- und Grundwasserdrücken je-weils für die Schnittkraftbestimmung für Bauteil-Nachweise mit den in den massivbaulichen und fürgeotechnische Nachweise mit den in den geotechni-schen Normen festgelegten Teilsicherheitsbeiwertenzu multiplizieren.

Wegen der Unterschiede zum geotechnischenSicherheitskonzept sind an der Schnittstelle vonTragwerk und Boden/Baugrund die Beanspruchun-gen jeweils als charakteristische Werte anzugeben.Für geotechnische Nachweise sind dann die Bean -spru chun gen nach DIN 1054 [9] festzulegen (z. B.Einstufung des Grundwassers als ständige Einwir-kung).

Die Einwirkungskombinationen sind unter-schiedlichen Bemessungssituationen nach DIN1055-100 [2] zuzuordnen, die für den Nachweis derTragfähigkeit nach ständiger, vorübergehender oderaußergewöhnlicher Bemessungssituation sowie ggf.nach einer Bemessungssituation infolge von Erdbe-ben unterschieden werden. Erläuterungen mit den imWasserbau typischen Einwirkungen werden beispiel-haft angegeben. In der vorübergehenden Bemes-sungssituation finden sich Einwirkungskombinatio-nen von Bau- oder Revisionszuständen, aber auchdurch Kolkbildung veränderte Einwirkungen, soferndie Kolkbildung regelmäßig überwacht und beseitigtwerden kann. In der außergewöhnlichen Bemes-sungssituation finden sich neben den klassischen Ka-

Abb. 4: Schleusenquerschnitt mit anzusetzenden Tempera-turen nach DIN 19702 [5]

Abb. 5: Temperaturmessungen an der Schleuse Hohenwar-the, nach Fleischer, H. [13]

Page 27: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

27Der Prüfingenieur Mai 2012

WASSERBAU

Bemessungssituationen imAllgemeinen zu 1,0 gesetztwerden. Davon abwei -chend dürfen kleinereKombinationsbeiwerte ver-wendet wer den, wenn sienachprüfbar ermittelt wor-den sind.

Beanspruchungenaus dem inneren Wasser-druck (Abb. 3) sind bei derBemessung zu den Bean-spruchungen aus den äuße-ren Lasten zu addieren. Füreinfach bewehrte Stahlbe-ton-Rechteck-Querschnitteunter Biegung wird in DIN19702 [5] eine Formel an-gegeben, die zu einer ausdem inneren Wasserdruckherrührenden, zusätzlichenBewehrungsmenge führt.

Für unbewehrte Bau-teile aus Beton wird der Nachweis über den Vergleichder Druckspannungen unter Bemessungseinwirkungenzu dem Bemessungswert der einaxialen Festigkeit desBetons geführt. Für Rechteckquerschnitte werden For-meln zur direkten Ermittlung der Bemessungs-Schnitt-größen unter Berücksichtigung des inneren Wasser-drucks angegeben.

Am Beispiel eines Schleusenbauwerks an ei-nem staugeregelten Fluss sind die Einwirkungen ausWasser mit den zugehörigen Teilsicherheiten für dieständige Bemessungssituation (BS-P) entsprechendAbb. 6 anzusetzen. Zu der Schleuse auf Unterwasserkorrespondiert ein oberer Grundwasserstand, be-

tastrophen-Einwirkungen auch die Auswirkungendurch den Ausfall von baulichen Sicherungselemen-ten, wie z.B. Dichtungen, Dräns oder Sickerwegver-längerungen (vgl. Tab. 1).

Geotechnische Nachweise sind nach DIN 1054[9], bautechnische Nachweise prinzipiell nach DIN1045-1 [3] zu führen. Jedoch werden für die Nach-weise im Grenzzustand der Tragfähigkeit zur Bemes-sung von Massivbauteilen die Einwirkungen mit Teil-sicherheitsbeiwerten nach Tab. 2 beaufschlagt. DieTeilsicherheitsbeiwerte unterscheiden sich je nachBemessungssituation und nach Wirkung (günstig/ungünstig).

Kombinationsbeiwerte ψi,i zur Berücksichti-gung der Wahrscheinlichkeit von gleichzeitig auftre-tenden veränderlichen Einwirkungen dürfen in allen

Tabelle 1: Bemessungssituationen mit wasserbauspezifischen Beispielen

Kombinationsregeln UnabhängigeständigeEinwirkungen

UnabhängigeveränderlicheEinwirkungenvorherrschend

UnabhängigeveränderlicheEinwirkungenandere

Beispiele fürBemessungs-

situationen

AußergewöhnlicheEinwirkungen

StändigeBemessungssituationenEd,P = E {

Schleuse aufOW/UW undseitlichenVerkehrslasten undsaisonalen Temp.,Pollerzug, ...

Σ γGP,i * Gk,i γQP,1* Qk,1 Σ γQP,i * ψ0,i * Qk,1}

Bau- undRevisionszuständeVorübergehende

BemessungssituationenEd,T = E {

Σ γGP,i * Gk,i γQT,1 * Qk,1 Σ γQT,i * ψ0,i * Qk,1}

Schleuse/Wehr beiextremenWasserständen,Bauwerke unterSchiffsanprall,für Erdbebenmodifiziert

AußergewöhnlicheBemessungssituationenEd,A = E {

Σ γGA,i * Gk,i ψ1,1 * Qk,1 Σ ψ2,i * Qk,1} Αd}

Beispiele fürEinwirkungen

Eigengewicht,(Wasserdruck),Erddruck,langzeitigeTemperatur

Verkehrslasten,Wasserdruck,Eisdruck, Wind,kurzzeitige Temp.,Revisionslast

wie in Spalte linksnebenstehend

Anpralllast,extremeWasserständegesunkenes Schiff,Erdbeben

Ständige Einwirkung

ungünstig 1,35 1,2 1,0

günstig 1,0 1,0 1,0

Veränderliche Einwirkung

ungüstig 1,5 1,3 1,0

Wasserdruck, günstig 0,8 0,9 1,0

Sonstige, günstig 0 0 0

Außergewöhnliche Einwirkung

ungünstig – – 1,0

Tabelle 2: Teilsicherheitsbeiwerte für die Einwirkungenauf Tragwerke im Grenzzustand der Tragfähigkeit

Bemessungssituation

Ständig Vorüber- Außer-gehend gewöhnlich

bzw. Erdbeben

Abb. 6: Ansatz von Wasserdrücken, beispielhaft für eineSchleuse an einem staugeregelten Fluss; a) Schleuse aufUnterwasser, b) Schleuse auf Oberwasser, c) Schleuseauf Unterwasser mit nicht genau zu definierendem Grund-wasserstand

Page 28: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

WASSERBAU

28Der Prüfingenieur Mai 2012

stimmt als charakteristischer Wert über das 99%-Quantil, der mit dem Teilsicherheitsbeiwert γF = 1,5für die ungünstige Wirkung angesetzt wird (Abb. 6a).Zur Schleuse auf Oberwasser korrespondiert ein un-terer Grundwasserstand, ebenfalls als charakteristi-scher Wert über das 99%-Quantil einer Niedrigwas-serverteilung, der mit dem Teilsicherheitsbeiwert γF =0,8 für die günstige Wirkung angesetzt wird (Abb.6b). Lässt sich im Fall der Schleuse auf Unterwasserder Grundwasserstand nicht oder nicht zuverlässigbestimmen, so könnte der Grundwasserstand aufHöhe der Schleusenplanie mit dem Teilsicher heits -beiwert γF = 1,35 für die ungünstige Wirkung ange-setzt werden, wobei das Kriterium der geometrischenBegrenzung genutzt würde.

2.3.1 Diskussion der „Leiteinwirkung“ Wasser

Für Wasserbauwerke stellt Wasser die Leitein-wirkung dar. Deshalb ist es für die Bemessung eineszuverlässigen Wasserbauwerks unerlässlich, einesachgerechte Einstufung vorzunehmen, die in bau-artspezifischen Normen erstmals in DIN 19702 [5] er-folgte. DIN 19702 [5] bestätigt dabei DIN 1055-100[2] in der Einstufung von Wasser als prinzipiell verän-derliche Einwirkung, womit auch im Sicherheitskon-zept entsprechende Teilsicherheitsbeiwerte verbundensind. Die Teilsicherheiten sollen dabei nicht die Unsi-cherheiten des spezifischen Gewichts von Wasser ab-decken, das im Unterschied zu anderen Lasteinwir-kungen ziemlich genau zu bestimmen ist. Vielmehrsollen Unsicherheiten in der Hydrologie des Wassers,ggf. in Einzelfällen auch in den Betriebszuständen ge-steuerter Anlagen, abgedeckt werden. Zur Verdeutli-chung diene die Betrachtung der Teilsicherheit fürWasser. Der Teilsicherheitsbeiwert für eine Einwir-kung bestimmt sich nach DIN 1055-100 [2] über:

γF = γf * γEd

Mit γF als dem Teilsicherheitsbeiwert fürEinwirkung, γf als der Unsicherheit des Einwirkungs-wertes sowie γEd als der Modellunsicherheit für Ein-wirkung und Beanspruchung. Das zutreffendste stati-stische Modell für Wasserstände von freifließendemWasser ist die GUMBEL-Verteilung als Extremwert-verteilung vom Typ I, vgl. z.B. Fischer, L. [14]. EinQuantilwert p, und damit der charakteristische Wert,lässt sich über

hwp = µW * (1 - 0,7797 * vW (0,57722+ (ln ( - ln p))))

bestimmen mit hw als dem Wasserstand, µw dem Mit-telwert des Wasserstands, σw der Standardabwei-chung, vw der Varianz des Wasserstands sowie p demQuantilwert. Entsprechend den Festlegungen in DIN19702 [5] zur Bestimmung des charakteristischen

Wertes veränderlicher Einwirkungen bei einer ge-planten Nutzungsdauer von TN = 100 Jahren ist

hw99 = µW * (1 + 3,136678 * vW ) = Fk

Der Bemessungswert errechnet sich mit

hwd = µW – σW (0,4501 + 0,7797(ln (-ln Φ(αE • erf β)))) = Fd

wobei αE der Wichtungsfaktor der Einwirkung underf β der erforderliche Zuverlässigkeitsindex sind.Die Unsicherheit der Einwirkung folgt dann aus

γf(h) = (Fd / Fk).

Aus einer Auswertung der hydrologischenKennzahlen verschiedener deutscher Flußsystemefolgte ein statistisch mittleres γf(h)mittel = 1,12 bei ei-nem Größtwert γf(h)max = 1,17. Die Beanspruchungvon Wasserbauwerken aus der Einwirkung Wasser re-sultiert häufig aus einer Momentenbelastung, worinder veränderliche Wasserstand in der dritten Potenzeingeht. Wird für die Modellunsicherheit derEinwirkung mit γEd = 1,1 angenommen, so bestimmtsich über γf(h)mittel = 1,12 ein Teilsicherheitsbeiwert

γF = γf * γEd = (1,12)³ * 1,1 = 1,55

weshalb der Wert 1,50 gerechtfertigt erscheint. Einerekursive Betrachtung, welche Wasserstandsände-rung - bezogen auf den charakteristischen Wert – mitdem Teilsicherheitsbeiwert γF = 1,50 für eine Mo-mentenbeanspruchung abgedeckt sind, führt zu

γf = γF / γEd = 1,50 / 1,1 = 1,36 und

1,36 (-1/3) – 1,0 = 0,11

und damit – eigentlich nur – zu 11 %.

2.3.2 Ermüdungsfestigkeit

Schleusen erfahren bei den jeweiligen Last-wechseln zwischen Ober- und Unterwasser jeweilsdie volle Wechsellast, so dass Stahlbetonschleuseninsbesondere hinsichtlich Material-Ermüdung nach-zuweisen sind. Ein Schadensfall in 2004 an derSchleuse Bamberg, Main-Donau-Kanal, verdeutlich-te die Problematik und Notwendigkeit. Zur BauzeitAnfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts mitden seinerzeit bekannten Stahlbeton-Vorschriftensparsam bemessen und zudem nicht auf Ermüdungs-festigkeit ausgelegt, entstanden Risse im Beton derWand zwischen Kammer und Dränagegang, die Was-ser- und Luftzutritt zur Bewehrung ermöglichten. In-folge Wechsellast und Korrosion entstand eine Span-nungsrisskorrosion, so dass die in der Wand verlegte

Page 29: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

WASSERBAU

29Der Prüfingenieur Mai 2012

vertikale Hauptbewehrung sukzessive durchriss.Riss zunahme in der Kammerwand sowie deutlicheWasserzutritte im Dränagegang waren offensichtlicheAnzeichen (Abb. 7).

Für Nachweise gegen Ermüdung wird in DIN19702 [5] die nicht vorwiegend ruhende Belastungmit der Anzahl der Lastzyklen während der Nut-zungsdauer mit n > 2 × 104 definiert. Die Span-nungsänderungen sind unter der Einwirkung regel-mäßig auftretender Betriebslasten zu ermitteln. DerNachweis gegen Ermüdung wird nach DIN 1045-1[3] mit den Einwirkungskombinationen der regel-mäßig eintretenden Betriebswasserstände in der Re-gel unter Vernachlässigung der veränderlichen Ein-wirkungen geführt. Schleusen erfahren während ihrerNutzungsdauer zwischen ca. n = 300.000 und500.000 Lastspiele, so dass die zulässigen Span-nungsschwingbreiten damit zwischen ca. 190 und170 N/mm² liegen.

2.4 Gebrauchstauglichkeitsnachweise

Für die Mindestbewehrung von scheiben- undplattenartigen Bauteilen wird in DIN 19702 [5], ab-weichend von DIN 1045-1 [3], eine Robustheitsbe-wehrung („konstruktive Mindestbewehrung“) gere-gelt, die sich bei Anforderungen an eine Wasserun-durchlässigkeit von derjenigen unterscheidet, wennkeine Anforderungen an die Wasserundurchlässigkeitbestehen. Diese konstruktive Mindestbewehrung kannbis zu 0,1 % der Betonquerschnittsfläche betragen.

Ein wesentlicher Gebrauchstauglichkeitsnach-weis für massive Wasserbauwerke stellt der Rissbrei-ten-Nachweis dar. Bei massigen Bauteilen (Dicke >0,8 m) oder Bauteilen mit der Anforderung der Was-serundurchlässigkeit ist neben betontechnologischenMaßnahmen die rissbreitenbegrenzende Bewehrungfür einen Rechenwert (90 % Fraktile) der Rissbreite

von wK = 0,25 mm zu dimensionieren. Die Bean-spruchungen aus frühem Zwang (abfließende Hy-dratationswärme) für massige Bauteile sind angemes-sen zu ermitteln, wozu – abweichend von DIN 1045-1 [3] – auf die DAfStb-Richtlinie „Massige Bauteileaus Beton“ [15] und BAW-MFZ [12] verwiesen wird.

2.5 Dauerhaftigkeit

Die Dauerhaftigkeit von massiven Wasserbau-werken wird durch einige wenige konstruktive Rege-lungen, vielmehr aber durch Expositions-, Rezeptur-und Einbau-Anforderungen bestimmt. Konstruktivvon Bedeutung sind die Festlegung einer Mindestfe-stigkeitsklasse mit C20/25, einem maximal zulässi-gen Wasser-Bindemittelwert von 0,65 und einer Be-tondeckung von cnom = 60 mm als Nennmaß, jeweilsin DIN 19702 [5]. Wesentlich für die Dauerhaftigkeitist die Festlegung der Expositionsklassen, wozu dieZTV-W LB 215 [7], in Tab. 2 beispielhaft Hinweisegeben.

Am Beispiel einer Süßwasserschleuse sind fürverschieden exponierte Bauteilbereiche die zugehöri-gen Expositionen festzulegen (vgl. Abb. 8), für diedann immer noch verschiedene Betonzusammenset-zungen möglich sind. Am Beispiel des Kammer-wandbereichs zwischen UW und OW aus dem Bei-spiel von Abb. 8 sind in Tab. 3 die Möglichkeitenaufgezeigt, wobei der Beton mit Luftporenbildner op-timal erscheint.

Abb. 7: Schwingungsinduzierte Spannungsrisskorrosionan der Schleuse Bamberg, Quelle: BAW

Tabelle 3: Betonzusammensetzungen für den Kammer-wandbeton der Schleuse aus Abb. 8

Expositionsklassen XC4 XM1 XF3

max w/z bzw. (w/z)eq 0,60 0,55 0,55 0,50

min Druckfestigkeitsklasse C 25/30 C 30/37e) C 25/30 C 35/45

min z (kg/m3) 280 300 300 320

min zf (kg/m3) 270 270 270 270

min LP-Gehalt (Vol-%) – – 4,0 –e) Bei LP-Beton eine Festigkeitsklasse niedriger.

Abb. 8: Zuordnung von Expositionsklassen für eineSchleuse im Süßwasserbereich, Quelle: BAW

Page 30: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

WASSERBAU

30Der Prüfingenieur Mai 2012

Darüber hinaus sind zahlreiche Dauerhaftig-keitsanforderungen aufbauend auf DIN-EN 206-1/DIN 1045-2 [3] und DIN 1045-3 [3] in ZTV-W LB215 [7], insbesondere den Teilen 2 und 3, aufgeführt.

3 Wohin geht der Weg?

Der Weg für „Wasserbauwerke“ in der Zukunftunter dem Aspekt der konstruktiven Bearbeitung istgekennzeichnet durch:

■ die Überarbeitung „alter“ Wasserbau-Normen undÜbernahme des Teilsicherheitskonzeptes nach denEurocodes,

■ die Überarbeitung der geltenden ZTV-W LB 215von 2004 [7],

■ die Konkretisierung von Einwirkungen und dieKonkretisierung von Nachweisen im Vergleich zuallgemeinen Hochbauten und Industriebauten,

■ die Positionierung des Teilsicherheitskonzeptes, ■ die Entwicklung eines Sicherheitskonzepts für be-

stehende Wasserbauwerke, ■ Zuverlässigkeitsbetrachtungen für Wasserbauwer-

ke, die eine Verifizierung bzw. Kalibrierung desSicherheitskonzeptes bedeuten.

3.1 Überarbeitung wasserbaulicher Normen imNAW

Zur Überarbeitung stehen im Normenaus-schuss Wasserbau (NAW), Fachbereich 02, nachfol-gende wasserbauliche Normen an. DIN 19712, Hoch-wasserschutzanlagen an Fließgewässern, [16], hatderzeit die Entwurfsphase abgeschlossen und wirdfür den Weißdruck behandelt. In der Norm wurde dasneue Sicherheitskonzept nach DIN 1055-100 [2] auf-gegriffen. Der Anwendungsbereich, der früher nurFlussdeiche umfasste, wurde deutlich erweitert undberücksichtigt nunmehr auch Hochwasserschutzwän-de und mobile Hochwasserschutzsysteme. DIN19704, Teile 1 – 3, Stahlwasserbau, [6], befindet sichin der Überarbeitung und soll im Frühjahr 2012 alsEntwurf vorgelegt werden. Auch hier wurden nebenanstehenden technischen Neuerungen die Begrifflich-keiten gemäß dem aktuellen Sicherheitskonzept an-gepasst. DIN 19703, Schleusen für Binnenschif-fahrtsstraßen – Grundsätze für Abmessungen undAusrüstungen, [17], wird von einem „wiederbeleb-ten“ DIN-Ausschuss überarbeitet, wobei auf Überle-gungen einer Vorbereitungsgruppe zurückgegriffenwerden kann. Mit dem Entwurf könnte noch Ende2012 gerechnet werden. DIN 19702 [5], wird in 2012eine A1-Änderung hinsichtlich der Bezugsnormenerfahren, damit die Kompatibilität zu den Eurocodes,die in 2012 als DIN ENs eingeführt werden sollen,

gewährleistet ist. DIN 19700, Teile 10 – 15, Stauanla-gen [10], ist im Teil 13, Staustufen, überarbeitungs-bedürftig und wird prioritär angegangen werden.Auch Teil 11, Talsperren, verfolgt in der derzeitigenNormfassung noch nicht das neue Sicherheitskonzeptund soll mittelfristig angepasst werden. Eine DWA-Vorbereitungsgruppe aus Ingenieurbüros, Talsperren-verwaltungen und BAW ist derzeit zugange, sich fürbestehende Talsperren das neue Sicherheitskonzeptzu erschließen. DIN 19661, Teile 1 und 2, Wasser-bauwerke und Sohlenbauwerke, [18], bedarf eben-falls mittelfristig einer Anpassung an neue technischeGegebenheiten.

3.2 Überarbeitung der ZTV-W, LB 215

Durch die beabsichtigte Einführung der Euro-codes im Verkehrswasserbau zum 01.07.2012 sowieinfolge technischer Weiterentwicklungen ist eineÜberarbeitung der Zusätzlichen Technischen Ver-tragsbedingungen Wasserbau, Leistungsbereich 215,(kurz: ZTV-W LB 215), derzeitige Ausgabe 2004,[7], notwendig geworden. Die ZTV-W LB 215 sindfür die Herstellung von massiven Wasserbauwerkenaus Beton wie Schleusen, Wehre, Sperrwerke, Düker,Durchlässe Hafenbauten und Uferwände, also imWesentlichen für Bauwerke des Verkehrswasserbaus,gedacht. Vergleichbare andere Wasserbauwerke kön-nen sinngemäß behandelt werden. Die ZTV-W LB215 regeln über Normen und sonstige Bestimmungenhinausgehende wasserbauspezifische Anforderungenan Herstellung, Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeitund Dauerhaftigkeit von Wasserbauwerken. DieZTV-W LB 215 nimmt dann insbesondere die dieDIN 1045 [3] ersetzenden DIN ENs einschließlichderen Nationale Anhänge, Anwendungsnormen imBetonbau sowie DIN 19702 [5] in Bezug. Der zustän-dige Arbeitskreis 15 für „Standardleistungsbeschrei-bungen für Beton und Stahlbeton im Wasserbau“, dersich aus Fachleuten der Wasser- und Schifffahrtsver-waltung und der Bundesanstalt für Wasserbau zusam-mensetzt, hat im Januar 2012 den Gelbdruck der neu-en ZTV-W LB 215 vorgelegt.

3.3 Konkretisierung von Einwirkungen undNachweisen

Aus der Bearbeitung mit der DIN 19702 [5] re-sultieren einige noch zu optimierende Regelungstat-bestände für Entwurf und Nachweis von massivenWasserbauwerken. Dies bezieht sich im Bereich derEinwirkungen auf die Festlegung von Verkehrslasten,wie z.B. Verkehre auf Plattformen im Betriebszu-stand, Verkehre in Bau- und Revisionszuständen, aufdie Festlegung von Eislasten für die unterschiedli-chen Einwirkungsmöglichkeiten sowie auf Erdbeben-lasten. Im Bereich der Nachweise besteht weiterhinKlärungsbedarf für den Querkraft-Nachweis von

Page 31: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

WASSERBAU

31Der Prüfingenieur Mai 2012

scheibenartigen Bauteilen und ein Restbedarf fürnichtlineare Verfahren.

Für den letzteren Bezug wurde von der Bun-desanstalt für Wasserbau eine Konzeption für den sta-tischen Nachweis der Systemtraglast der Schleusenam Main-Donau-Kanal auf der Basis nichtlinearerStoffgesetze (Nichtlinearer System-Traglastnach-weis), kurz als NiTra bezeichnet, zusammen mit Uni-versitäten entwickelt und angewendet [19]. Die Kon-zeption ist eine Ergänzung und Konkretisierung zurDIN 1045-1 [3], Abschnitt 8.5.1, und hat zum Ziel,durch eine realitätsnahe statische Modellierung dasSicherheitsniveau von bestehenden Schleusen genau-er zu erfassen.

3.4 Positionierung des Teilsicherheitskonzeptesfür Wasserbauwerke

In der Arbeitsgruppe 140 von PIANC (= Per-manent International Association of NavigationCongresses), „Semi probabilistic design concept forhydraulic inland structures“ werden derzeit unter Be-teiligung von Fachvertretern aus Belgien (B), China(CN), Deutschland (D), Frankreich (F), Großbritan-nien (GB), Niederlande (NL), Japan (JAP) und denVereinigten Staaten von Amerika (USA) die jeweilsnationalen Handhabungen des Teilsicherheitskon-zeptes ausgetauscht und diskutiert. Ziel ist eine ge-gebenenfalls vereinheitlichte internationale Handha-bung bei Wasserbauwerken. Entsprechend der durchdie Vertreter der einzelnen Länder eingebrachtenKenntnisse bildeten sich drei größere „Bauwerks-Cluster“ mit massiven Wasserbauwerken, Stahlwas-serbau und Kaimauern/Ufereinfassungen, die jeweilseine einheitliche Bemessungsphilosophie erwartenlassen.

Am Beispiel massiver Wasserbauwerke wer-den in den Tab. 4 bis 6 der derzeitige Stand von Teil-sicherheitsbeiwerten für die beiden Nachweis-Situa-tionen „UPL (= Auftrieb)“ und „STR (Tragwerks-Nachweis)“ sowie für den Widerstand „Beton“ darge-stellt. Derzeit liegen noch nicht für alle teilnehmen-den Länder vergleichbare Angaben vor.

Ein erster Vergleich lässt die Schlussfolgerungzu, dass die Teilsicherheitsbeiwerte verschiedenerLänder im konstruktiven Wasserbau ziemlich nahebeieinander liegen, wobei die europäischen Ländereine besondere „Nähe“ zeigen, was durch die Euro-codes nicht anders zu erwarten ist. Beim Tragfähig-keits-Nachweis „STR“ unterscheidet nur Deutsch-land zwischen der ständigen (BS-P) und der vorüber-gehenden Bemessungssituation (BS-T).

Teilsicherheitsbeiwerte sind jedoch nur ein Be-reich des Sicherheitskonzeptes bzw. der Sicherheitbzw. Zuverlässigkeit eines (Wasser-)Bauwerks. Ana-lysiert werden in der PIANC Arbeitsgruppe 140Tragfähigkeits- und Gebrauchstauglichkeitsnachwei-se, Dauerhaftigkeitsanforderungen und Robustheits-regeln. Es soll darüber hinaus Verständnis für die je-weiligen nationalen Vorgehensweisen (z.B. bei derSicherheitsphilosophie, bei der Nutzung, …) ent-wickelt werden. Vereinfachte Vergleichsbeispiele undErgebnisbewertungen runden die Analyse ab.

3.5 Sicherheitskonzept für (bestehende)Wasserbauwerke

Die Altersstruktur von z.B. Schleusen undWehren der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung,stellvertretend für andere Wasserbauwerke, zeigt,

Tabelle 4: Teilsicherheitsbeiwert γ für Einwirkungen „F“in der Nachweis-Situation UPL (= Auftrieb)

Teilsicherheitsbeiwert γ für Einwirkungen „F“ (ungünstig/günstig)

UPL BS-P BS-T BS-A

Ständig D 1,05/0,95 1,0/0,95

B 1,1/0,9 1,0/1,0

F 1,0/0,9 ?

NL 1,0/0,9 1,0/1,0

Veränderlich D 1,5/0 1,0/1,0

B 1,5/0 1,0/1,0

F 1,5/0 ?

NL 1,5/0 1,0/1,0

Tabelle 5: Teilsicherheitsbeiwert γ für Einwirkungen „F“in der Nachweis-Situation STR (= Tragwerks-Nachweis)

Teilsicherheitsbeiwert γ für Einwirkungen „F“ (ungünstig/günstig)

STR BS-P BS-T BS-A

Ständig D 1,35/1,0 1,2/1,0 1,0/1,0

B 1,35/1,0 1,0/1,0

F 1,35/1,1

NL 1,35 (1,2) /0,9 1,0/1,0

CN 1,2/1,0 –

Veränderlich D 1,5/0 (0,8) 1,3/0 (0,9) 1,0/0 (1,0)

B 1,5/0 1,0/0

F 1,5/0 1,0/0

NL 1,5/0 1,0/1,0

CN 1,4 – 1,5/0 –

Tabelle 6: Teilsicherheitsbeiwert γ für Widerstand „R“für Beton

Teilsicherheitsbeiwert γ für Widerstandswert „R“ für Beton

STR BS-P BS-T BS-A

Beton D 1,5 1,3

B 1,5 1,5

F 1,5 1,2

NL 1,5 1,2

CN 1,38 –

Bew.stahl D 1,15 1,0

B 1,15 1,15

F 1,15 1,0

NL 1,15 1,0

CN 1,1 – 1,2 –

Page 32: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

WASSERBAU

32Der Prüfingenieur Mai 2012

dass rund 35 % derartiger Bauwerke älter als 80 Jahresind (Abb. 9).

Bestehende Wasserbauwerke sind, wie auchvergleichbare andere „alte“ Bauwerke, nach dem

neuen Konzept der Eurocodes zum Teil rechnerischnicht mehr als standsicher bzw. tragfähig nachweis-bar, was zum einen am neuen Sicherheitskonzept undzum anderen an den Nachweisformaten liegt. UnterNutzung der theoretischen Möglichkeiten des „neu-en“ Konzepts, also der Formulierung der Zuverlässig-keits-Ziele, der Aktualisierung von Einwirkungenund Widerständen, von Beobachtungen, etc., sowieder Analyse bestehender Wasserbauwerke (Konstruk-tionsdaten, Nutzungsdauer, Versagen/Nicht-Versa-gen, Defizite, etc.) soll in einer Forschungskooperati-on der Bundesanstalt für Wasserbau, Abteilung Bau-technik, mit der TU Kaiserslautern, LehrstuhlMassiv bau und Baukonstruktionen, ein Sicherheits-konzept für bestehende Wasserbauwerke entwickeltwerden. Das Zuverlässigkeitskonzept des Eurocodessoll dabei als „Modell“ angesehen werden, wobei un-ter Kenntnis des Zustands möglichst vieler bestehen-der Wasserbauwerke die Güte dieses Modells fürWasserbauwerke verbessert und an deren Wirklich-keit plausibel angepasst werden soll. Es werden darü-ber hinaus Verifizierungen des Zuverlässigkeitskon-zeptes auch für neue Wasserbauwerke erwartet.

Abb. 9: Altersstruktur von Schleusen der Wasser- undSchifffahrtsverwaltung

4 Literatur

[1] DIN 1055 (2001 – 2010), Einwirkungen auf Tragwerke, Tei-le 1 – 9, Beuth-Verlag, Berlin.

[2] DIN 1055100 (2001-03), Einwirkungen auf Tragwerke –Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheits-konzept und Bemessungsregeln, Berlin, Beuth-Verlag.

[3] DIN 1045 (2008-08), Tragwerke aus Beton, Stahlbeton undSpannbeton, Beuth-Verlag, Berlin.– Teil 1: Bemessung und Konstruktion,– Teil 2: Beton; Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und

Konformität; Deutsche Anwendungsregeln zu DIN EN206-1,

– Teil 3: Bauausführung,

[4] DIN 18800 (2008-11), Stahlbauten, Teile 1 – 7 , Beuth-Ver-lag, Berlin.

[5] DIN 19702 (2010-06), Massivbauwerke im Wasserbau –Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit,Beuth-Verlag, Berlin.

[6] DIN 19704, Stahlwasserbauten, Teile 1 – 3, Beuth-Verlag,Berlin.

[7] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen Wasserbau fürBeton und Stahlbeton im Wasserbau, Leistungsbereich 215,Beton und Stahlbeton, ZTV-W LB 215 (2004), BMVBS,Bonn

[8] Bundesanstalt für Wasserbau, Massive Wasserbauwerkenach neuer Norm, Mitteilungen Nr. 89, Mai 2006, Karlsruhe.

[9] DIN 1054 (2005-04), Baugrund – Sicherheitsnachweise imErd- und Grundbau, Beuth-Verlag Berlin.

[10] DIN 19700 (2004-07), Stauanlagen, Teile 10 – 15, Beuth-Verlag, Berlin.

[11] DIN 4085 (2011-05), Baugrund – Berechnung des Erd-drucks, Beuth-Verlag, Berlin.

[12] Bundesanstalt für Wasserbau, Merkblatt „Rissbreitenbe-schränkung für frühen Zwang in massiven Wasserbauwer-ken“ (MFZ), 2011,www.baw.de\Publikationen\Merkblätter\

[13] Fleischer, H., 2010: BAW-Aussprachetag „Neubau“; NeueDIN 19702, unveröffentlicht.

[14] Fischer, L. (2001), Das neue Sicherheitskonzept im Bauwe-sen. Verlag Ernst&Sohn, Berlin.

[15] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb-Richtlinie –Massige Bauteile aus Beton. Beuth-Verlag, Berlin, 2010.

[16] E-DIN 19712 (2011-02), Hochwasserschutzanlagen anFließgewässern, Beuth-Verlag, Berlin.

[17] DIN 19703 (1995-11), Schleusen der Binnenschifffahrts-straßen – Grundsätze für Abmessungen und Ausrüstungen,Beuth-Verlag, Berlin.

[18] DIN 19661, Teil 1: Wasserbauwerke (1998-07), Teil 2: Soh-lenbauwerke (2000-09), Beuth-Verlag, Berlin.

[19] Fleischer, H.; Lutz, M.; Ehmann, R.: Aufstellung und An-wendung einer Nachweiskonzeption zur realitätsnahen Er-mittlung der Systemtraglast an Stahlbetonschleusen. In: Be-ton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 3.

Page 33: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

VERKEHRSWASSERBAU

33Der Prüfingenieur Mai 2012

1 Zuständigkeit BMVBS/WSV

Zunächst möchte ich einen Überblick über dieZuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung und der Wasserschiff-fahrtsverwaltung mit ihren derzeit sieben Direktionenund 46 Ämtern sowie den Oberbehörden, und zwarder Bundesanstalt für Wasserbau und der Bundesan-stalt für Gewässerkunde geben, die sich auf Planung,Bau, Betrieb und Unterhaltung von 7.350 KilometerBinnenwasserstraßen und rd. 23.000 Quadratkilome-ter Seewasserstraßen erstreckt.

Von den Binnenwasserstraßen entfallen rund6.600 Kilometer auf Binnenschifffahrtsstraßen undetwa 750 Kilometer auf Seeschifffahrtsstraßen. DasAnlagevermögen beträgt rund 40 Milliarden Euro fürungefähr 1.700 Verkehrswasserbauwerke und Brü -cken über Wasserstraßen.

Zu den herausragenden klassischen Verkehrs-wasserbauwerken zählen insbesondere 350 Schleu-sen, 300 Wehre, acht Sperrwerke und vier Schiffshe-bewerke.

2 Bauaufsicht undBauordnung

Der Bund ist gemäß Artikel 89 des Grundge-setzes Eigentümer der Bundeswasserstraßen, diedurch eigene Behörden verwaltet werden.

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung(WSV) des Bundes ist gemäß Paragraf 48 des Bun-deswasserstraßengesetzes (WStrG) dafür verantwort-lich, dass die bundeseigenen wasserbaulichen Anla-gen allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnunggenügen, d.h. sie sind so zu errichten und instand zuhalten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnungnicht gefährdet werden. Behördlicher Genehmigun-gen und Abnahmen bedarf es nicht.

Prüfung und Genehmigungdurch die Wasser- undSchifffahrtsverwaltung Freiberuflich tätige private Drittekönnen im Rahmen der Auftrags-erledigung hinzugezogen werden

Die Wasserschifffahrtsverwaltung des Bundes(WSV) ist für die Planung, den Bau, den Betriebund die Unterhaltung eines 7.350 Kilometer lan-gen Netzes von Binnenwasserstraßen und eines23.000 Quadratkilometer großen Netzes von See-wasserstraßen und für 1.700 Verkehrswasserbau-werke und Brücken über Wasserstraßen verant-wortlich. Ihr stehen dafür sieben Direktionen mit46 Ämtern und als Oberbehörden die Bundesan-stalten für Wasserbau und für Gewässerkundezur Verfügung. Weil die WSV die gewaltigen Auf-gaben, die bei der Erfüllung ihres Auftrages anfal-len, nicht alleine bewältigen kann, werden, insbe-sondere für die Prüf- und Genehmigungsverfah-ren der WSV immer häufiger externe Expertenhinzugezogen, vor allem Prüfingenieure und Prüf-sachverständige sowie Planungsbüros. Die abermüssen über bestimmte Qualifikationen undKenntnisse verfügen.

studierte Bauingenieurwesenund Verkehrsplanung an derTH Darmstadt und trat 1978als Referent für Brücken- undIngenieurbau in das damaligeBundesministerium für Verkehrein; dort übte er verschiedeneleitende Tätigkeiten aus, seit2005 ist er der Leiter des Refe-rats Bautechnik, Vergabewesen

und Liegenschaften des Bundesministeriums für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)

Ministerialrat Dipl. Ing. Wolfgang Dörries

Page 34: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

34Der Prüfingenieur Mai 2012

VERKEHRSWASSERBAU

Durch Bereitstellung entsprechender Personal-und Haushaltsmittel ist die Wasser- und Schifffahrts-verwaltung in die Lage zu versetzen, die gesetzlichenRegelungen umzusetzen. Dies betrifft unter anderemdie Definition und Einhaltung der für die Bundeswas-serstraßen maßgebenden technischen Baubestimmun-gen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung handelthier eigenverantwortlich im Sinne des Paragrafen 48WStrG. Das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung (BMVBS) trägt dabei die Or-ganisationsverantwortung.

Die Eigenverantwortung begründet die Orga-nisation des Bauordnungswesens mit einem drei -stufigen Aufbau der Bauaufsichtsbehörden gemäßParagraf 57 der Musterbauordnung der Länder(MBO).

2.1 Dreistufige Bauaufsicht

Zur dreistufigen Bauaufsicht gehören zunächstdie Wasser- und Schifffahrtsämter (WSA) sowie dieWasserstraßen-Neubauämter (WNA), die Objektver-antwortung für Bau und Instandhaltung tragen, siesind die untere Bauaufsichtsbehörde.

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD)stellt mit ihrer Prüf- und Genehmigungsfunktion diehöhere Bauaufsicht dar. Die Prüfverpflichtung derübergeordneten Ebene ist nicht delegierbar.

Das BMVBS als oberste Bauaufsichtsbehördeist maßgeblich zuständig für die Einführung und Ein-haltung der bautechnischen Grundsätze, das heißt, esträgt die bauaufsichtliche Organisationsverantwor-tung. Diese wird umgesetzt über Verwaltungsvor-schriften und Erlasse.

2. 2 Entwurfsaufstellung (VV-WSV 2107)

Mit der Verwaltungsvorschrift Entwurfsauf-stellung (VV-WSV 2107), die in Paragraf 1 den Gel-tungsbereich für das Aufstellen, Prüfen und Geneh-migen von Entwürfen für bauliche Maßnahmen imBereich der WSV regelt, wird die nach Paragraf 48WaStrG auferlegte bauaufsichtliche Verantwortungwahrgenommen.

Die Entwürfe dienen gemäß Paragraf 2 demZweck, die geplante Maßnahme in technischer, finan-zieller und rechtlicher Hinsicht darzustellen und zwarzur:

1. Begründung, Erläuterung und Darstellung vonMaßnahmen für eine Veranschlagung im Haus-haltsplan nach Paragraf 24 Bundeshaushaltsord-nung (BHO); Entwurf – Haushaltsunterlage (Entwurf HU)

2. Durchführung von Maßnahmen nach Paragraf 54BHO; Entwurf – Ausführungsunterlage (Entwurf AU)

Zudem wurde 2008 mit der Änderung des Pa-ragrafen 13 (5) die Möglichkeit eröffnet, dass Ent-wurfsteile von Maßnahmen durch Prüfingenieure ge-prüft werden können.

Hierauf wird noch eingegangen.

3 Prüf- und Genehmigungs-vorgänge

Zur Regelung der Prüf- und Genehmigungs-vorgänge in der WSV wurden insbesondere folgendeVerwaltungsvorschriften erlassen:

■ Aufstellen und Prüfen von Entwürfen (VV-WSV2107),

■ Bauüberwachung (VV-WSV 2110),

■ Bauwerksinspektion (VV-WSV 2101).

3. 1 Aufstellen und Prüfen von Entwürfen(VV-WSV 2107)

Bei der Aufstellung, Prüfung und Genehmi-gung von Entwürfen nach VV-WSV 2107 gilt derGrundsatz der Zweistufigkeit. Die Zuständigkeitenvon Unterbehörde (WSA/WNA), Mittelbehörde(WSD) und BMVBS sind in Paragraf 4 geregelt.

Die Prüfverpflichtung der übergeordneten Ebe-ne ist dabei nicht delegierbar.

Mit dem Erlass vom 14. April 2008 sollte überdie Möglichkeit der verstärkten Einbindung von Prüf -ingenieuren der personellen Situation in den Mittel-und Unterbehörden der WSV Rechnung getragenwerden. Auch bei Einschaltung von freiberuflichTätigen als Bearbeiter bleibt die zuständige Unter-behörde verantwortlicher Entwurfsaufsteller. Jedochkönnen private Dritte, die nach Landesrecht zur bau-aufsichtlichen Prüfung zugelassen sind (Prüfinge-nieure) bereits im Rahmen der Auftragserledigunghinzugezogen werden (Paragraf 13). Die Prüfaufga-ben der übergeordneten Ebene werden durch diesePrüfung nicht verändert.

Zur Qualitätssicherung bei der Aufstellung vonEntwürfen sowie zur Erleichterung von Vergabever-fahren wurde die Fachliste Prüfingenieure erstelltund mit Erlass vom 10. Juni 2010 eingeführt.

Page 35: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

35Der Prüfingenieur Mai 2012

VERKEHRSWASSERBAU

Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure fürBautechnik (BVPI) war maßgeblich bei der Erstel-lung der Fachliste Prüfingenieure beteiligt. Der Dankan die BVPI gilt insbesondere deren Präsidenten, Dr.Ing. Hans-Peter Andrä, sowie Dr.-Ing. Karl Morgenund Dipl. Ing. Manfred Tiedemann für die Grund-satzdiskussionen, aber auch für das konstruktive Mit-wirken an dem Mustervertrag Prüfen von Entwurfs -unterlagen, an den Technischen Vertragsbedingungenfür die statische und konstruktive Prüfung von Inge-nieurbauwerken und an den Entwurfsunterlagen fürbauliche Maßnahmen im Bereich der Wasser- undSchifffahrtsverwaltung des Bundes (TVB-Prüf-W).

Bei der weiteren Diskussion nach Einführungder Fachliste Prüfingenieure wurde zudem den kon-struktiven Stellungnahmen der BVPI gefolgt und inZiffer 9 des Vergabehandbuchs des BMVBS für frei-berufliche Dienstleistungen (VHF) im Bereich derWSV geregelt, dass die Prüfung von Entwurfsunter-lagen für bauliche Maßnahmen sowie die statischeund konstruktive Prüfung von Ingenieurbauwerkenim Rahmen der Ausführungsplanung normalerweisean ein und denselben Prüfingenieur zu vergeben sind.

Die bauaufsichtliche Verantwortung verbleibtjedoch bei der WSV.

3.2 Bauüberwachung (VV-WSV 2110)

3.2.1 Die WSV trägt in allen Phasen der Baudurch-führung, das heißt bei Voruntersuchung, Planung,Ausschreibung, Vergabe, Bauüberwachung, Betriebund Unterhaltung, ihre bauaufsichtliche Verantwor-tung gemäß Paragraf 48 WaStrG, sie obliegt gemäßVV-WSV 2110 dem Amtsleiter (Baupolizei) der Un-terbehörde.

3.2.2 Die Arbeitsgruppe Schwachstellenanalyse derWSV hat bereits im Jahr 2006 empfohlen, freiberuf-lich Tätige heranzuziehen, wenn die WSV bei der Er-füllung ihrer Aufgaben nicht über die notwendigepersonelle Kapazität verfügt. Die Einschaltkriterienfür Architekten und Ingenieure wurden dementspre-chend per Erlass vom 15. November 2006 geändert.

Seitdem konnten umfangreiche Teilaufgabender örtlichen Bauüberwachung (BÜ) und derBauoberleitung nach der Vergabeordnung für freibe-rufliche Leistungen (VOF) an Dritte vergeben wer-den.

Ausgenommen hiervon sind jedoch hoheitlicheTätigkeiten wie zum Beispiel die bauaufsichtlicheAbnahme und fiskalische Tätigkeiten, die die Verant-wortlichkeit des Bauherrn nach BHO berühren, wiezum Beispiel die bauvertragliche Abnahme einesBauwerkes.

3.2.3 Die plakativen Aussagen („Schlamperei amBau wegen mangelhafter Bauüberwachung“) desVerbandes Beratender Ingenieure (VBI) vom 8. März2010 aus Anlass des Unglücks auf der Kölner U-Bahn-Baustelle und dessen Forderungen nach Qua-litätssicherung der Bauüberwachung durch qualifi-zierte externe Ingenieure, falls die öffentliche Handnicht über eigenes Personal verfüge, und die Einrich-tung einer unabhängigen Bauüberwachung auf allenBaustellen, sind jedoch kritisch zu hinterfragen.

Hierauf wurden die von der WSV gesammel-ten Erfahrungen bei der Beteiligung von Dritten fürTeilaufgaben der örtlichen Bauüberwachung (BÜ)sowie die Bauoberleitung erfasst. Die Auswertungdes Berichts lässt jedoch die Schlussfolgerung zu,dass die Übertragung nicht generell sinnvoll oder garnicht möglich ist.

Bedingt durch die oftmals fehlenden Kenntnis-se Dritter bezüglich des Verkehrswasserbaus und derdamit verbundenen fachspezifischen Besonderheitenbei der Bauabwicklung liegt der fallbezogene Betreu-ungsaufwand gegenüber Dritten, denen die örtlicheBÜ beziehungsweise die Bauoberleitung übertragenwurden, in der Regel zwischen 50 und 70 Prozent.

Ein derartiger Betreuungsaufwand ist für dieVerwaltung unwirtschaftlich.

Insbesondere im Rahmen der auf Dritte über-tragenen Aufgaben der Terminverfolgung, der Koor-dination einzelner Gewerke, der Werkstattabnahmevon Schweiß- und Korrosionsschutzarbeiten, der Ab-rechnung und Nachtragsprüfung, der Führung desBautagebuchs und der Dokumentationen und Nach-weise sowie der SiGeKo ist eine sehr hohe Fehler-häufigkeit im Arbeitsergebnis festzustellen, die unteranderem zu standsicherheitsgefährdenden Mängelnzum Beispiel bei Gründung und Schweißarbeiten ge-führt hat und von der WSV als Bauherr nicht hinge-nommen werden darf.

Als besonders kritisch wird daher insbesonderedie Vergabe der Bauüberwachung an Dritte in standsi-cherheitsrelevanten Bereichen gesehen. Grundsätzlichsoll daher die Vergabe der Bauüberwachung an Drittenur für Teilleistungen und die Vergabe der Bauober-leitung nur in Ausnahmefällen vorgesehen werden.

Die WSV-weite Abfrage der Erfahrung mit derEinschaltung Dritter bei der Bauüberwachung hataber auch einige Verbesserungspotenziale seitens desBMVBS aufgezeigt:

1. Prüfung eines Merkblattes für die WSV analogdem Merkblatt für die Bauüberwachung von Inge-nieurbauten (M-BÜ-ING) des Straßenbaus.

Page 36: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

36Der Prüfingenieur Mai 2012

VERKEHRSWASSERBAU

2. Erarbeitung eines Merkblattes „Kontrollarbeitenan Stahlwasserbauteilen zur Vermeidung von Feh-lern bei der Überwachung von Stahlwasserbauar-beiten“ sowie technischer Vertragsbedingungenfür Prüfingenieure (TVB-Prüf).

3. Überarbeitung beziehungsweise Ergänzung derVV-WSV 2110 (Bauüberwachung) und VV-WSV2108 (Vergabehandbuch für freiberufliche Lei-stungen der Bundesverwaltung für Verkehr, Bau-und Stadtentwicklung – VHF BVBS) mit Blickauf festgestellte Regelungslücken wie zum Bei-spiel bei Verantwortungs- und Haftungsverhältniszwischen Baubevollmächtigtem und Dritten, tech-nischen Vertragsbedingungen für die Bauüberwa-chung und die Bauoberleitung von Ingenieurbau-werken (TVB-BÜ) und schließlich

4. Verbesserung bei der Abwicklung von Vergabenim Bereich der örtlichen Bauüberwachung durchEinrichtung zentraler Vergabestellen.

3.3 Bauwerksinspektion (VV-WSV 2101)

Auch bei der Bauwerksinspektion nach VV-WSV 2101, die die Bauwerksprüfung, -überwachungund -besichtigung beinhaltet, liegt die alleinige Ver-waltungs- und Fachkompetenz für Anlagen an Bun-deswasserstraßen beim BMVBS beziehungsweise beider WSV nach Paragraf 48 des Bundeswasserstraßen-gesetzes.

Die VV-WSV 2101 regelt zur Umsetzung die-ses Paragrafen unter anderem Inhalte, Fristen und dienotwendige Dokumentation der Bauwerksinspektio-nen sowie insbesondere die Verantwortlichkeiten, dasheißt, die mit der Bauwerksinspektion Beauftragtenwerden schriftlich durch den Amtsleiter bestellt.

Eine ordnungsgemäße Bauwerksinspektiondient dazu, die Anlagen in betriebsbereitem Zustandzu erhalten und Personen- und Sachschäden infolgemangelhaften Bauzustandes zu vermeiden. Eine nichtordnungsgemäß durchgeführte oder dokumentierteBauwerksinspektion kann Schadenersatzansprücheauslösen und zur strafrechtlichen Verfolgung der Ver-antwortlichen führen. Die Verantwortlichen, das sindinsbesondere die Amtsleiterinnen und Amtsleiter unddie von diesen Beauftragten, gegebenenfalls auch diefachaufsichtlich zuständigen Beschäftigten auf WSD-Ebene, müssen im Schadenfall nachweisen, dass siealle Maßnahmen getroffen haben, die aus technischerSicht geboten und geeignet sind, die von der Anlageausgehende Gefahr zu erkennen und ihre Realisierungzu verhindern. An die Befolgung dieser Aufsichts-pflicht und an die Substanziierungs- und Beweis-pflicht des Haftpflichtigen stellt die Rechtsprechungsehr hohe Anforderungen. Diese Anforderungen wer-

den durch die nach VV-WSV 2101 ordnungsgemäßdurchgeführten und dokumentierten Bauwerksprüfun-gen, -überwachungen und -besichtigungen erfüllt.

Die Bauwerksinspektion liefert mit den überWSV-Prüf standardisiert erfassten Daten und Schadens-klassifizierungen an Verkehrswasserbauwerken (außerIngenieurbauwerken im Zuge von Straßen, für welchedie DIN 1076 gilt) eine wichtige Grundlage für ein wirt-schaftliches Erhaltungsmanagement-Sys tem (EMS).

Dies ist angesichts der hohen Altersstrukturund der steigenden Kosten für Unterhaltung, Instand-setzung und Erneuerung unverzichtbar. Nur eine re-gelmäßige und qualifizierte Prüfung und Überwa-chung unserer Verkehrswasserbauwerke gibt einenÜberblick über den Zustand des Bauwerks und ver-setzt den Objektverantwortlichen in die Lage, recht-zeitig die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Die Beteiligung Dritter an der Bauwerksin-spektion ist gemäß VV-WSV 2101 grundsätzlichmöglich. Die Bauwerksinspektion gehört zu denKernaufgaben der Verwaltung. Der Erhalt der Fach-kompetenz ist unverzichtbar. Bei aller Notwendig-keit, die Vergabequote deutlich zu erhöhen, sollte dieVergabe von Teilaufgaben an klassischen Verkehrs-wasserbauwerken wie Schleusen und Wehren anDritte daher nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel beizeitlich begrenzter Schifffahrtssperre an Schleusenoder bei Personalkapazitätsengpässen erfolgen. Zu-dem ist zu beachten, dass der Bund nach Paragraf 836BGB grundsätzlich für Schäden Dritter haftet, die aufmangelhafter Bauwerksinspektion und Unterhaltungseiner Anlagen beruhen.

An die Entlastung der WSV nach Paragraf 831BGB durch Einschaltung eines externen Prüfinge-nieurs als eines Verrichtungsgehilfen sind mit dessensorgfältiger Auswahl und Überwachung bei der Bau-werksinspektion hohe Anforderungen gestellt.

Die Vergabe von Standard-Ingenieurbauwer-ken wie Spundwänden, Kaimauern, Funkmasten usw.nach der VOF, in der Regel unterhalb des Schwellen-wertes mit Preisanfrage bei drei Ingenieurbüros, wirdhingegen erfolgreich genutzt und entlastet die vor-handenen Personalkapazitäten der WSV für ihre klas-sischen Aufgaben.

4 Vergabe von Prüfingenieur-leistungen

Zunächst ist die maßgebliche Vergabeart fürPrüfingenieurleistungen festzustellen:

Page 37: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

37Der Prüfingenieur Mai 2012

VERKEHRSWASSERBAU

■ Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichenTätigkeit erbracht oder im Wettbewerb angebotenwerden und deren Lösung nicht vorab eindeutigund erschöpfend beschrieben werden kann, fallenunter die Verdingungsordnung für freiberuflicheLeistungen (VOF).

■ Zu den freiberuflichen Tätigkeiten gehört gemäßParagraf 18 Absatz 1 Nummer 1 des Einkommen-steuergesetzes (EStG) auch die selbstständige Be-rufstätigkeit von Ingenieuren.

■ Aus der Formulierung vorab folgt, dass für die Be-urteilung, ob eine eindeutig und erschöpfend be-schreibbare Leistung vorliegt, auf eine voraus-schauende Perspektive abzustellen ist. Darüberhinaus ist nach dem Wortlaut auf die Beschreib-barkeit der Lösung der Aufgabe abzustellen, nichtauf die Beschreibbarkeit der Aufgabe selbst.

■ Durch die Änderung der VV-WSV 2107 Aufstel-len und Prüfen von Entwürfen können Entwurfs-teile, die für die WSV durch Dritte erstellt werden,von Prüfingenieuren gegebenenfalls in Verbin-dung mit staatlich anerkannten Sachverständigenaus dem Bereich des Erd- und Grundbaus geprüftwerden.

Diese Leistungen werden von freiberuflichTätigen erbracht und können vorab nicht eindeutigund erschöpfend beschrieben werden.

Prüfingenieurleistungen sind daher nach denRegelungen der VOF zu vergeben.

4.1 Vergabe oberhalb des EG-Schwellenwertesvon 125.000 Euro

Die Vergabe von freiberuflichen Dienstleistun-gen durch öffentliche Auftraggeber oberhalb des EG-Schwellenwertes von 125.000 Euro ist gemäß Para-graf 3 der VOF, Anhang IA, im Verhandlungsverfah-ren nach vorherigem EG-Teilnahmewettbewerbzwingend vorgeschrieben.

Ministerialdirektor a. D. Rechtsanwalt MichaelHalstenberg hat bei der Arbeitstagung 2010 der Bun-desvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik inLandau darauf hingewiesen, dass Prüfingenieurleistun-gen auch oberhalb des Schwellenwertes unter be-stimmten Voraussetzungen, zum Beispiel gemäß Arti-kel 10 Absatz 2 des Bayerischen Straßenwegegesetzes(BayStrWG) beziehungsweise bei der Deutschen BahnAG, von EG-weiten Ausschreibungen ausgenommensein könnten. Er vertrat die Auffassung, dass dieDurchführung eines VOF-Verfahrens nicht erforder-lich sei und damit das Gesetz gegen Wettbewerbsbe-schränkungen (GWB) bei einer öffentlichen Auftrags-

vergabe keine Anwendung finde, wenn Prüfingenieureausschließlich als Beliehene nach der Bauprüfungsver-ordnung (BauPrüfVO) tätig seien.

Diese Auffassung wurde seitens des BMVBSfür den Bereich der WSV geprüft. Die Vergabepraxisder DB AG ist demnach nicht auf die WSV übertrag-bar, da die DB AG als Sektorenauftraggeber nicht derVOF unterliegt und bei der Sektorenverordnung derEG-Schwellenwert mit 387.000 Euro höher liegt. Zu-dem ist gemäß Paragraf 6 (1) der Sektoren-Verord-nung (SektVo) das Verhandlungsverfahren alsgleichrangig zum Nichtoffenen und Offenen Verfah-ren anzusehen.

Die freihändige Vergabe durch Beleihung einerprivaten natürlichen oder juristischen Person mit öf-fentlicher Gewalt ist nicht möglich, da dies im Para-grafen 48 WStrG nicht expressis verbis ausgeführtist. Dafür wäre aus hiesiger Sicht eine entsprechendeGesetzesänderung erforderlich.

4.2 Vergabe unterhalb des EG-Schwellenwertes

Die VOF schreibt unterhalb des EG-Schwel-lenwertes kein formelles Vergabeverfahren vor.

Um eine wirtschaftliche Verwendung der Mit-tel sicherzustellen, ist das BMVBS als öffentlicherAuftraggeber jedoch an Paragraf 30 des Gesetzesüber die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes(HGrG) gebunden, wonach dem Abschluss von Ver-trägen über Leistungen eine öffentliche Ausschrei-bung vorausgehen muss, sofern nicht besondere Um-stände eine Ausnahme rechtfertigen.

Daher wurde in dem vom BMVBS herausge-gebenen Vergabehandbuch für freiberufliche Leistun-gen (VHF BVBS) geregelt, dass Vergaben unterhalbder Schwellenwerte in Anlehnung an die VOF erfol-gen, ohne dass dadurch zusätzliche in einem Nach-prüfverfahren überprüfbare Rechte Dritter begründetwerden.

Hierzu ist eine Leistungsanfrage bei mindestensdrei Bewerbern durchzuführen. Ein öffentlicher Teil-nahmewettbewerb ist jedoch erforderlich, wenn dieVergabestelle nicht über eine Marktübersicht verfügt.

4.3 Vergabe nach Fachliste Prüfingenieureunterhalb des EG-Schwellenwertes

Das BMVBS hat ferner zum 15. April 2010 fürdie Vergabe von Prüfingenieurleistungen unterhalbdes EG-Schwellenwertes ein gesondertes Verfahrenfür den Geschäftsbereich der WSV verbindlich einge-führt. Dabei handelt es sich um eine bundesweiteFachliste Prüfingenieure der Fachrichtungen Metall-

Page 38: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

VERKEHRSWASSERBAU

38Der Prüfingenieur Mai 2012

bau, Massivbau und Holzbau und der staatlich aner-kannten Sachverständigen der Fachrichtung Erd- undGrundbau, die das Prüfaufgabengebiet für Verkehrs-wasserbauten an Bundeswasserstraßen umfasst.

Die Fachliste gibt den Dienststellen eine Über-sicht über die Prüfingenieure beziehungsweise diestaatlich anerkannten Sachverständigen für die jewei-ligen Leistungsbereiche. Mit dieser Fachliste, die beiVergabeverfahren unterhalb des EU-Schwellenwertesim Geschäftsbereich der WSV anzuwenden ist, ist ei-ne Marktübersicht gegeben, so dass auf einen Teil-nahmewettbewerb verzichtet werden kann und in derRegel an mindestens drei in der Fachliste geführtePrüfingenieure Leistungsanfragen zu richten sind.

Dabei verzichtet die Vergabestelle auf Aus-künfte/Nachweise/Erklärungen gemäß Paragraf 4 (2)der VOF (wirtschaftliche Verknüpfung oder Zusam-menarbeit mit anderen Unternehmen), Paragraf 4 (6)(rechtskräftige Verurteilung), Paragraf 5 (4) (finanzi-elle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) und ins-besondere Paragraf 5 (5) (fachliche Eignung), waszur Entlastung insbesondere der Bieter im Angebots-fall führt.

Ein Verhandlungsverfahren mit nur einem Be-werber kommt in Betracht, wenn

■ Leistungen nach Grundhonorar (G 1 bis G 7), diein der Tabelle über das Honorar für die Prüfungenvon Entwurfsunterlagen, die in der Richtlinie desBMVBS zur Ermittlung der Honorare für die stati-sche und konstruktive Prüfung von Bauwerken fürVerkehrsanlagen (RVP-WSV) enthalten sind (die-se Honorartabelle ist in Abstimmung mit derBVPI aus der RVP-WSV extrahiert und dem ge-ringeren Umfang und der Prüfungstiefe von Ent-wurfsunterlagen im Vergleich mit Ausführungs-plänen angepasst worden),

■ keine wesentlichen zusätzlichen Leistungen (B 1bis B 5) (nur im Wettbewerb zu vergeben) erfor-derlich werden und

■ keine oder unwesentliche Nebenkosten anfallen.

4.4 Erfahrungen mit der Fachliste Prüfinge-nieure

Ein Jahr nach der Einführung der FachlistePrüfingenieure, in der bereits rund 200 Büros geli-stet sind, hat das BMVBS die Wasser- und Schiff-fahrtsdirektionen nach ihren Erfahrungen befragt.Danach ergaben sich erste Erkenntnisse, die nochim Detail auszuwerten und im Hinblick auf Verbes-serungsmaßnahmen mit der BVPI abzustimmensind.

Umfang der Anwendung: Der Umfang der An-wendung der Fachliste Prüfingenieure ist möglicher-weise bedingt durch den relativ kurzen Zeitraum eherbegrenzt. Dies könnte aber auch darin begründet sein,dass bekannte und bisher beauftragte Prüfingenieureund staatlich anerkannte Sachverständige noch nichtin der Fachliste enthalten oder für bestimmte Fach-richtungen wie Erd- und Grundbau nur wenige undzum Teil weit entfernte Büros aufgeführt sind. Zu-dem ist die Tendenz erkennbar, dass die Vergabe nachder Fachliste Prüfingenieure eher für Standard-Inge-nieurbauwerke wie Straßenbrücken, Funkmaste undDüker erfolgte.

Erleichterungen: Nach den Berichten derWSD’n wird als Erleichterung beim Einsatz derFachliste Prüfingenieure insbesondere der Verzichtauf einen Teilnahmewettbewerb wegen vorhande-ner Marktübersicht und die Möglichkeit eines Ver-handlungsverfahrens mit nur einem Bewerber ge-nannt.

Problem bei der Nutzung: Das Auffinden derFachliste im WSV-Intranet erscheint komplizierterals wenn sie im Internet gefunden werden könnte.

Es wird ferner beanstandet, dass Teile der Ent-wurfsprüfung wie Wirtschaftlichkeitsuntersuchungenan eine offenkundig noch wenig geeignete Berufs-gruppe mit vergeben werden sollen. Prüfingenieurewerden wegen der speziellen statisch-konstruktivenAusrichtung zum Teil noch als nur bedingt geeignetangesehen, wenn es um die Alternativen und Wirt-schaftlichkeitsbetrachtungen von klassischen Ver-kehrswasserbauwerken geht. Hier bedarf es sicherlichnoch eines gewissen Vertrauensbeweises der Prüfin-genieure gegenüber der WSV für die Kompetenzauch in diesen Bereichen.

Zudem müssen derzeit für bestimmte Prüfauf-gaben noch mehrere Abfragen mit verschiedenenKombinationen durchgeführt werden.

Verbesserungsvorschläge: Schließlich wurdenvon den WSD’n zahlreiche Verbesserungsvorschlägefür Details des Verfahrens und des Mustervertragesgemacht. Ich schlage vor, dass der BMVBS mit Ver-tretern der BVPI – wie bereits bei der Erstellung derFachliste Prüfingenieure – nun auch den grundsätzli-chen Ergänzungs- und Änderungsbedarf erörtert. Fürdie Mitwirkung der BVPI danke ich schon vorab imNamen des BMVBS.

Es ist zu erwarten, dass die Fachliste Prüfinge-nieure durch Kompetenzerweiterung der Prüfinge-nieure und verbesserte Akzeptanz seitens der WSVzu einer breiteren Anwendung kommen und damitfür beide Partner im Wasserstraßenbau – die WSV

Page 39: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

VERKEHRSWASSERBAU

39Der Prüfingenieur Mai 2012

und die Prüfingenieure – den gewünschten Erfolgbringen wird.

5 WSV-Reform mitAuswirkung auf Aufgaben-und Organisationsstruktur

Das BMVBS hat auf der Grundlage des Koali-tionsvertrages der laufenden Legislaturperiode unddes Beschlusses des Haushaltsausschusses vom 27.Oktober 2010 dem Deutschen Bundestag zwei Be-richte (am 24. Januar 2011 und am 28. April 2011)über die Modernisierung der Wasser- und Schiff-fahrtsverwaltung vorgelegt. Diese wurden vom Haus-haltsausschuss des Deutschen Bundestages (BT-HH)am 25. Mai 2011 grundsätzlich gebilligt mit der Maß-gabe an den BMVBS,

■ eine Aufgabenkritik durchzuführen,

■ die Geschäftsprozesse zu optimieren,

■ die Aufbauorganisation daran anzupassen sowie

■ eine Personalbedarfsbemessung der gesamtenWSV mit ihren 13.000 Mitarbeitern in sieben Di-rektionen und 46 Ämtern durchzuführen.

■ Zudem sind Vergabeverfahren nach wirtschaftli-chen Gesichtspunkten auszubauen (das heißt, ver-stärkt für Dienstleistungen Dritter zu nutzen).

Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bun-destages hat auf seiner Sitzung am 6. Juli 2011 dieNotwendigkeit einer Neuausrichtung der WSV be-stätigt, da es gilt,

■ die Investitionen (nachrichtlich: gemäß Finanzpla-nung sind bis 2015 für den Ersatz und den Ausbaunur 550 Millionen Euro pro Jahr verfügbar) sinn-voll zu konzentrieren,

■ die Effizienz der Verwaltung zu stei gern und

■ die Fachkompetenz langfristig zu sichern.

Der Verkehrsausschuss hat zudem gefordert,

Abb. 1: Priorisierung der Binnenwasser- und Seeschifffahrtsstraßen

Page 40: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

VERKEHRSWASSERBAU

40Der Prüfingenieur Mai 2012

■ die Netzkategorisierung der Bundeswasserstraßenum eine eingehende Begründung zu ergänzen,

■ die Kriterien für die Priorisierung von Investi-tionsprojekten darzustellen und

■ die Anzahl der vorgeschlagenen Kategorien zuverringern.

Hieraus ergeben sich für die weiteren Schritteder WSV-Reform folgende Maßgaben:

■ Der Haushalts- und der Verkehrsausschuss desDeutschen Bundestages hat durch seine Beschlüs-se vom 25. Mai und 6. Juli 2011 die Notwendig-keit einer Priorisierung des Wasserstraßennetzesund der Konzentration der Ressourcen auf Wasser-straßen mit hoher verkehrlicher Bedeutunggrundsätzlich anerkannt (Abb. 1 und Abb. 2).

Die Karten zur Priorisierung der Binnenwas-serstraßen und Seeschifffahrtsstraßen auf Grundlageder Prognosen des Gütertransports für das Jahr 2015sind als vorläufiges Ergebnis zu betrachten. Die Netz-katekorisierung dient insbesondere dazu, bei der Pri-

orisierung der anstehenden Ausbaumaßnahmen zu-sätzlich zum Kriterium der Wirtschaftlichkeit auchein verkehrsmengenabhängiges Netzkriterium einzu-beziehen. Der BMVBS wird aufgrund des Beschlus-ses des Verkehrsausschusses weitere Kriterien für dieNetzkategorisierung überprüfen und die Kategorieninsgesamt straffen.

Entsprechend den Vorgaben des Haushaltsaus-schusses hat das BMVBS mit der umfassenden Orga-nisationsuntersuchung begonnen das heißt, der Auf-gabenkatalog der WSV wird aktualisiert, die Verga-beanteile auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeits-untersuchungen werden festgelegt und die Geschäft-sprozesse sowie die Aufbauorganisation auf derGrundlage der neuen Netzstruktur optimiert. Im An-schluss daran wird eine Personalbedarfsermittlungdurchgeführt. Alle Untersuchungen sind ausdrücklichergebnisoffen, das heißt, es gibt keine Vorgaben fürVergaben und Personalbedarf.

Die notwendigen Investitionsmaßnahmen zumErhalt und zum Ausbau der Wasserstraßeninfrastruk-tur werden zurzeit priorisiert. Notwendige Ersatzin-vestitionen, die dem Erhalt der Infrastruktur dienen,

Abb. 2: Ausbau Seewasser- und Seeschifffahrtsstraßen

Page 41: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

VERKEHRSWASSERBAU

41Der Prüfingenieur Mai 2012

haben dabei unbedingten Vorrang vor Ausbaumaß-nahmen.

Ferner werden das bestehende Gebührensy-stem mit Ziel einer besseren Finanzierung der Infra-struktur überarbeitet, alternative Betriebsmodelle ge-prüft und Eckpunkte für ein Wasserstraßenausbauge-setz formuliert. Insgesamt bieten das Konzept desBMVBS und die Beschlüsse des Haushalts- und desVerkehrsausschusses eine geeignete Grundlage fürden Erhalt und die Verbesserungen der Wasser -straßen infrastruktur und die weitere Modernisierungder Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.

Um dem Fachkräftemangel auf dem Arbeits-markt zu begegnen, wird die bereits begonnene Qua-lifizierungsoffensive in der WSV fortgesetzt und aufweitere Aufgabenfelder erstreckt. Ziel der Offensiveist die Qualifizierung der eigenen Beschäftigten fürhöherwertige Aufgaben.

6 Fazit

1. Unabhängig vom Ergebnis der Diskussion über ei-ne WSV-Reform im politischen Raum, mit denVerbänden und mit den Arbeitnehmervertretun-

gen sowie ihrer anschließenden Umsetzung sindfolgende Elemente unverzichtbar, die zum Teilbereits vor der politischen Diskussion im Deut-schen Bundestag angestoßen wurden:

■ Bündelung von Aufgaben (zum Beispiel Verga-ben, Bauwerksinspektion ...),

■ Standardisierung von Bauwerken und Ge-schäftsprozessen,

■ Vergaben von Dienstleistungen.

2. Daher Dank an die BVPI für die Unterstützungbei der Suche nach Lösungen für eine vereinfachteIntegration in diesem Prozess (Fachliste alsMarkt übersicht/ Standardverträge).

3. Hoffnung auf weitere Unterstützung der WSVdurch Prüfingenieure und Planungsbüros mit Aus-bau des speziellen Fachwissens über Verkehrs-wasserbauwerke einschließlich Nachwuchsförde-rung, wobei die Fachkompetenz der WSV erhal-ten bleiben muss, auch wenn zum Beispiel mit ei-ner Änderung des Paragrafen 48 des Bundeswas-serstraßengesetzes eine bessere Möglichkeit derÜbertragung der bauaufsichtlichen Verantwortunggegeben wäre.

Page 42: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

42Der Prüfingenieur Mai 2012

KRAFTWERKSBAU

studierte an der FH DortmundStahlbau und ist seit 27 Jahrenbeim RWE für die Projektab-wicklung und Auftragsführungvon Großkraftwerks-Neubau-maßnahmen zuständig, zuerstfür den Bau fossil befeuerterKraftwerke, seit Januar 2010 inder RWE Technology GmbHHead of Coal/Lignite Projects

und seit Oktober 2011 in der RWE TechnologyGmbH (Essen) als „Teamleader Civil Support“

Dipl.-Ing. Wolfgang König

Höchstleistungen in Planung, Fertigungund KoordinationBesondere Ingenieuraufgaben bedür-fen besonderer Ingenieurleistungen –und steter Kontrolle Unabhängiger

Kraftwerksbauten sind Ingenieuraufgaben par ex-cellence – geprägt von theoretischem und prakti-schem Wissen und jeder Menge Erfahrung. In denletzten Jahren aber hat sich viel geändert, dennder Wirtschaftseinbruch am Anfang des neuenJahrtausends hat sich sehr auf die Planungsqua-lität ausgewirkt, wie einer der größten Kraft-werksbauer in Europa, das RWE (Essen), festge-stellt hat. Die frühere stückweise Einarbeitung derjüngeren Ingenieure und ihre Heranführung andie Kenntnisse der älteren, erfahrenen Kollegen,findet heute nicht mehr statt. Ingenieurleistungenwerden gesplittet und an verschiedene Ingenieur-büros unterschiedlichster Größe und Wirkungs-bereiche vergeben, hauptsächlich auf der Basis desgünstigsten Angebotspreises. Referenzen und dasErfordernis eines übergreifenden Koordinations -managements werden ignoriert. Das Ergebnis sindneben erheblichen terminlichen Problemen be-trächtliche Mängel in der Qualität der technischenUnterlagen bis hin zu Fehlkonstruktionen, diezum Versagen der Tragkonstruktion führen könn-ten. Beim RWE hat man festgestellt, wie der fol-gende Beitrag zeigt, dass früher selbstverständlichvorausgesetzte Verhaltensweisen heute nicht mehrals solche angenommen werden können.

1 Einführung

Der europäische Kraftwerkspark kann heuteals überaltert angesehen werden. Über 60 Prozentder mit Braun- oder Steinkohle befeuerten Anlagensind älter als 27 Jahre. Verschärft wird die Situationdurch den Ausstieg Deutschlands aus der Kernener-gie. Prognosen der letzten Jahre gehen davon aus,dass in den nächsten 20 Jahren ein Kapazitätsbedarfvon nahezu 50 Prozent der derzeit innerhalb der EU-25-Gemeinschaft installierten Leistungen benötigtwird (Abb. 1).

Der Welt-Energieverbrauch steigt darüberhin-aus rapide an. Kohle und Gas werden auch global inden kommenden Jahrzehnten weiterhin Träger derEnergieversorgung sein. Mittels Kohle wurden 2010rund 45 Prozent des Stroms in Deutschland bereitge-stellt. Rund 20 Prozent wurden durch Kernkraftwerkegedeckt. Durch die Nutzung der Kernenergie wurdenin Deutschland jährlich rund 40 Mio. Tonnen CO2-Emissionen vermieden. Der Stillegungsbeschluss be-deutet somit eine Herausforderung an das Vertei-lungsnetzmanagement, den beschleunigten Ausbauder regenerativen Energien sowie die Nutzung undErtüchtigung fossil befeuerter Kraftwerksanlagen(Abb. 2).

Abb. 1: Überalterter Kraftwerkspark in Europa

200

150

100

50

0

GW

Braunkohle Steinkohle Kernenergie Gas/Öl

60 GW

60 %älter als27 Jahre

131 GW

70 %älter als27 Jahre

70 %älter als22 Jahre

138 GW

201 GW

50 %älter als22 Jahre

Erzeugungskapazität gesamt: 530 GW

Page 43: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

43Der Prüfingenieur Mai 2012

KRAFTWERKSBAU

2 Die Ziele der Energiepolitik

Die Energiepolitik verfolgt drei Ziele:

■ Bekämpfung des Klimawandels,■ Steigerung der Versorgungssicherheit,■ Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit.

Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Die längsteReise ist zur Hälfte absolviert, wenn man den Fußüber die Schwelle seines Hauses setzt“. Wir habenuns auf den Weg gemacht und wissen, dass erhebli-che Anstrengungen vor uns liegen.

Um CO2-Emission zu reduzieren, benötigenwir effiziente Kraftwerke. Neben dem verstärktenAusbau der regenerativen Energie werden bezüglichder fossil befeuerten Kraftwerke drei Innovationsho-rizonte verfolgt:

1. Sukzessive Erneuerung des veralteten Kohlekraft-werkparks durch Neuanlagen in „state-of-the-art“-Technologie (> 600 °C-Kraftwerk).

2. Weiterentwicklung der derzeit einsetzbaren Tech-nologie für die Kraftwerke von morgen, hierzuzählen: Vortrocknung der Braunkohle (WTA-An-lage) oder Kessel mit erhöhter Temperaturbestän-digkeit (700 °C-Kraftwerk)

3. Für die Kraftwerksgeneration von übermorgenwird angestrebt, das vorhandene CO2 vor- odernach der Verbrennung abzuspalten und in Lager-stätten zu verbringen.

Investitionen in Neubauprojekte werden abernur dann getätigt, wenn über die Lebensdauer der be-trachteten Anlage eine ausreichende Verzinsung derInvestition erwartet werden kann.

Der Anteil der Baukosten an einer Neuanlageliegt abhängig von den örtlichen Gegebenheiten undder benötigten Infrastruktur sowie dem Kraftwerk-

styp zwischen 10 und 20 Prozent der Gesamtinvestiti-onssumme. Der Realisierungszeitraum ist abhängigvom Kraftwerkstyp und der Größe der Anlage undbewegt sich zwischen drei Jahren für GuD-Anlagenund 7 bis 8 Jahren für kohlegefeuerte Kraftwerke.

RWE bewältigt derzeit das größte Kraftwerks-erneuerungsprogramm seit Jahrzehnten. Hierzu zähltunter anderem:

1. Eine Braunkohle-Doppelblockanlage BoA 2/3 amKraftwerksstandort Niederaußem (2 × 1100 MW)

2. Eine Steinkohle-Doppelblockanlage am Kraft-werksstandort Hamm (2 × 800 MW)

3. Eine Steinkohle-Doppelblockanlage am neu er-schlossenen Standort Eemshaven in den Nieder-landen (2 × 800 MW)

Moderne fossil befeuerte Kraftwerke erreichenheute Wirkungsgrade zwischen 43 Prozent beiBraunkohlekraftwerken und annähernd 46 Prozentbei Steinkohlekraftwerken und liegen damit wesent-lich über dem weltweiten Durchschnitt von rund 31Prozent für kohlebefeuerte Anlagen.

Das neue BoA-Kraftwerk wird bei gleicherStrommenge pro Jahr bis zu 6 Mill. Tonnen CO2 we-niger ausstoßen als Altanlagen.

3 Bauliche Herausforderungen

Nachfolgende bauliche Herausforderungenwa ren bei vorgenannten Anlagen zu bewältigen:

– Realisierung eines Kesselhauses von ca. 170 mHöhe bei einer Grundfläche von 100 × 100 m(Montage von insgesamt 120.000 Tonnen Stahl-konstruktion) (Abb. 3),

– Bau eines in den Untergrund eingelassenen Bun-kers zur Aufnahme des Kohletagebedarfs von ca.

Abb. 2: Fossile Energieträger bleiben die Basis des Kraft-werksbaus

Que

lle: I

EA

Abb. 3: Bestandteile, Dimensionen und Massen einesBraunkohlekessels

Steigender Weltenergieverbraucherfordert verstärkten Einsatz fossilerEnegieträger

Innovative fossile Kraftwerkstechnikfür Versorgungsicherheit, Klimavor-sorge und Ressourcenschonung

■ Ersatz von Altanlagen durchmodernste Kraftwerkstechnik

■ Weiterentwicklung intelliegentertechnologischer Lösungen

RWE nimmt die Herausforderungauf allen Gebieten an.

Kohle

Erdgas

Erdöl

Kernenergie

Regenerative

2005 2050

18,1

3337

62,4�

+245 %

Weltstromerzeugungin Mrd. MWh

17

12

12

20

Page 44: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

44Der Prüfingenieur Mai 2012

KRAFTWERKSBAU

– Kühltürme mit bis zu 200 m Höhe, 150 m Grund-fläche bei nur 20 cm Wandstärke aus rauchgasresi-stentem Sonderbeton (Abb. 8),

Abb. 4: Schlitzbunker des Kraftwerks Neurath (Gesamtbauzeit 2 Jahre)

Abb.6: Bewehrung des Treppenturmfundaments des Kraft-werks Neurath

Querschnitt: 47 x 50 mBewehrungsgrad: 200 kg/m3

Kesselgerüst: ca. 9.000 tKesselhaus: ca. 17.000 tBegehflächen: ca. 45.000 m2

Abmessungen:Seitenwand links/rechts b/t/h = 53/13/70 mStirnwand b/t/h = 37/11/70 m

Abb. 7: Hängender Teil und Treppentürme des KraftwerksNeurath

310 m Länge, 35 m Tiefe und 35 m Breite (70.000m³ Stahlbeton) (Abb. 4),

– Bau von vier Treppentürmen mit ca. 173 m Höhebei einer Grundfläche von 14 × 15 m (20.000 m³Beton mit 9.000 t Bewehrung) (Abb. 5),

– Einzelfundamente zur Aufnahme von Treppen-turm- und Kesselgerüst-Stütze mit 7,50 m Stärkeund 47 × 50 m Querschnitt (Bewehrungsgrad:200 kg/m³; 21 Lagen D = 28 mm alle 15 cm)(Abb. 6),

– Vorfertigung des oberen Teils des Kesselhauses aufder Bodenplatte und mit Fassade und Aggregatenversehen per Litzenhubsystem wandweises Hebenin die Endposition (hängende Stahlkonstruktionmit bis zu 53 m Breite, 70 m Höhe und 13 m Tiefe;1.800 t Hubgewicht) (Abb. 7),

Abb. 5: Treppentürme des Kraftwerks Neurath

Höhe: 173 m

Querschnitt: 14 x 15 m

Beton je Turm: 1.000 m3

= 230 EFH

Bewehrung: 2.200 t je Turm

Gleitleistung: 2,0 – 3,0 m/Tag

Page 45: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

45Der Prüfingenieur Mai 2012

KRAFTWERKSBAU

– Reingaskanäle aus GFK zur Ableitung der Rauch-gase mit 10 m Durchmesser und 70 m Länge.Pfahlgründung der Gesamtanlage im Wattenmeeram Standort Eemshaven. (Abb. 9),

– Kühlwasserentnahmebauwerk mit Anbindung andas Hafenbecken (Abb. 10).

Ein Problem derartiger Großprojekte ist, dassaufgrund der notwendigen Länge zur Realisierungund dem Anspruch auf „best practice“ in der Anla-gentechnik eine baubegleitende Planung unumgäng-lich ist.

Jedes Kraftwerk ist hierdurch ein Unikat. Inder Bautechnik ergeben sich Veränderungen aus denörtlichen Gegebenheiten, lokal unterschiedlichenEinwirkungsgrößen und der Varianz der Anlagen-komponenten. In der Anlagentechnik resultieren dieVeränderungen aus Weiterentwicklung der Kompo-nenten zur Erhöhung des Wirkungsgrades, derenwirtschaftliche Herstellung, aus länderspezifischenVorgaben und abgeforderten Randbedingungen derGenehmigungsbehörden, aus der Vergabesituationdurch die Beauftragung des wirtschaftlichsten Bau-teil-Lieferanten und damit verbundener Anordnungs-,Maß- und Gewichtsunterschieden.

Beim Kraftwerksprojekt BoA 2/3 in Neurathwurden ca. 350.000 m³ Beton und 50.000 t bautech-nischer Stahlbau verarbeitet. Über 100 bauliche An-lagen müssen für ein Kraftwerksprojekt geplant und

Säurefester Spezialbeton∅ 70 m oben, ∅ 120 m unten36 Stützen je 12 m / 48 t20 cm Schalendicke10.500 m3 Beton1.500 t Bewehrungsstahl

Abb. 8: Der Kühlturm des Kraftwerks Neurath ist 170 Meter hoch

Abb. 9: Kraftwerk Neurath: Transport der Reingasleitungzum Kühlturm

Abb. 10: Entnahmebauwerk des Steinkohledoppelblocks Eemshaven

Page 46: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

KRAFTWERKSBAU

46Der Prüfingenieur Mai 2012

dimensioniert werden. Allein für den Massivbau wur-den ca. 3.000 Pläne erstellt, die darüber hinaus mehr-fach zu revidieren waren.

4 Planerische Realisierung

Zur planerischen Realisierung sind verschie-denste Ingenieurbüros und Lieferanten deutschland-und teilweise auch weltweit tätig. Das Bindeglied al-ler dieser Unterlagen stellt der „Staatlich anerkannteSachverständige für die Prüfung der Standsicherheit“dar. Der Prüfingenieur wird von Seiten des Bauherrnnicht als Hemmschuh, sondern als äußerst wichtigeInstanz für die Realisierung des Projektes angesehen.Ohne die Kompetenz des/der Prüfbüros, die Kennt-nisse über die Zusammenhänge bei der Planung undAbwicklung des Kraftwerksbaus sowie seiner Unter-stützung bei der Lösungsfindung in bisweilenschwierigsten Situationen, wäre manches Projekt ge-scheitert. Bei einem vertrauensvollen Zusammenspielzwischen Prüfingenieur und Bauherr ist gewährlei-stet, dass die Tragkonstruktion den baurechtlichenAnforderungen entspricht und terminkritischeSchwierigkeiten ohne inakzeptable Abstriche an dasTragvermögen der Konstruktion schnellstmöglichgelöst werden (Abb. 11).

Bedauerlicherweise ergab es sich, dass durchden Wirtschaftseinbruch zum Anfang des neuen Jahr-tausends viele Unternehmen vom Markt verschwan-den oder umstrukturierten. Die Auswirkungen zeigensich bis heute auch in der Planungsqualität. Das vor-mals übliche Heranführen der jüngeren an die Kennt-nisse der alten, erfahrenen Ingenieure und Konstruk-teure fand nicht mehr statt. Ingenieurleistungen wur-

den in Teilaufga-ben gesplittet undan Ingenieurbü -ros unterschied-lichster Größeund Wirkungsbe-reiche, haupt -sächlich auf Ba-sis des günstig-sten Angebots-preises, verge-ben. Referenzenund das Erforder-nis eines über-greifenden Koor-dinationsmana-gements wurdenignoriert. Das Er-gebnis sind ne-ben stark ge-wachsenen ter-minlichen Pro-blemen erhebli-che Mängel in der Qualität der technischen Unterla-gen bis hin zu Fehlkonstruktionen, die zum Versagender Tragkonstruktion führen könnten. Es musste fest-gestellt werden, dass angenommene Selbstverständ-nisse nicht mehr als solche vorausgesetzt werdenkönnen und sogar „verloren gegangenes Ingenieur-wissen“ als Begründung herangezogen wurde (Abb.12).

Ursachen sind neben mangelnder technischerKompetenz, Fehler in Struktur und Koordinierungder Tragwerksplanung!

Bedauerlicherweise ist häufig auch das ökono-mische Selbstverständnis bezüglich Ehrlichkeit, Ver-

tragstreue, Vertrauen, Selbstdisziplin,Firmenverbundenheit nicht mehr Ba-sis der Handlungen.

5 Auflistung vonAnforderungen

Aufgrund der bei unseren letz-ten Bauprojekten aufgetretenenSchwierigkeiten, einer Ursachenfor-schung bei und mit den Lieferantenund Gesprächskreisen mit Verbändenwerden detailliertere Vorgaben bzw.das frühzeitige Hinterfragen und Fi-xieren der beabsichtigten Vorgehens-weise der technischen Bearbeitung fürnotwendig erachtet. Nachfolgend fin-Abb. 11: Handikaps im Abwicklungsprozess – 1

Abb. 12: Rechnerische Ausgestal-tung einer Anschlussbildung – sehrdiskussionswürdig

Page 47: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

KRAFTWERKSBAU

47Der Prüfingenieur Mai 2012

det sich eine Auflistung von Anforderungen, die bei-spielhaft für eine zielführende Projektabwicklung derKesselgroßkomponente (Anlage nebst Stahlbau desKesselgerüstes und Kesselhauses) als Vertragsbe-standteil vorgesehen ist (Abb. 13 und Abb. 14):

Projektmanagement:

■ Es ist ein schlüssiges und verbindliches Gesamt-konzept auszuarbeiten, wie sämtliche Prozesse derbautechnischen Projektabwicklung (der Planungs-, Lieferungs- und Montagephase/-abwicklung) or-ganisiert, koordiniert, kontrolliert und erbrachtwerden sollen. Hierbei ist auf einen ausreichenden(realistischen) Planungszeitraum zu achten.

■ Es ist eine zentrale Dokumentenverwaltung sowieeine EDV-basierte Bauteilverfolgung (Sicherstel-lung, dass der Abwicklungsstand jederzeit von al-len Beteiligten eindeutig abrufbar ist) aufzubauen.

■ Es sind mit Hilfe eines Projektsteuerungstools fürnachfolgende Meilensteine jederzeit Soll-Ist-Aus-sagen zu gewährleisten: – Übergabe benötigter Planungsvorgaben– Typical Details– Abgabe Montagekonzept(e)– Abgabe AOP/Objekt-Pläne vorab/final

– Übergabe benötigter Lastangaben– Festlegung Lastabtrag– Einreichung der Fundamentlastangaben– Einreichung statischer Berechnungen– Einreichung von Planunterlagen– Bereichs-/baugruppenweise Design-Freeze Ter-

mine– Beginn/Fertigstellung baugruppenweise Werk-

stattzeichnungen– Beginn/Fertigstellung baugruppenweise Ferti-

gung– Beginn/Fertigstellung baugruppenweise Mon-

tage

■ Es sind Schnittstellen explizit vom Auftragnehmerzu koordinieren, zu überwachen, zu überprüfenund die beiderseitige Übereinstimmung durchFreigabevermerke zu dokumentieren. Hierzu sindausreichende Planungs-/Statusgespräche mit demAuftragnehmer, Auftraggeber, Prüfingenieur undggf. Subunternehmern zu führen.

■ Unterschiedliche Baugruppen / Bereiche könnenbei verschiedenen Büros beauftragt werden. DieUnterteilung ist auf maximal 5 Büros zu beschrän-ken.

■ Die statische Dimensionierung, Übersichtserstel-lung und Anschlussstatik (Primär- und Sekun-däranschlüsse) sind jeweils von einem Büro aus-zuführen (baugruppen- / bereichsweise aus einerHand).

■ Die Erstellung der Werkstatt- und Detailzeichnun-gen ist in den Verantwortungsbereich des Trag-werksplaners oder des Fertigers zu legen.

■ Vom Ersteller der Hauptstatik ist die Anschluss -ausbildung zu prüfen und freizugeben, sofern die-se anderweitig ausgearbeitet wird.

■ Es ist wöchentlich eine aktualisierte Übersicht zuerstellen, aus der hervorgeht– welche Pläne angefertigt wurden,– welche Pläne noch erstellt werden,– welcher Planindex gilt,– was mit welchem Planindex gefertigt wurde und– welche Bauteile zwischenzeitlich verbaut wur-

den

■ Es ist sicherzustellen, dass die ProjektbeteiligtenZugriffsmöglichkeiten auf den zentralen Daten-pool (FTP-Server) haben.

■ Es ist ein detailliertes QS-Programm für die Be-reiche Planung / technische Bearbeitung, Ferti-gung und Montage auszuarbeiten (Abb. 15 undAbb. 16).

PlanungsprozessEtablierte Büros, die eng unter erfahrener Führung und dennotwendigen Kenntnis-Know-How alt – jung / erfahren – neugewährleisten, wurden nicht im ausreichenden Maße eingesetztbzw. waren nicht am Markt verfügbar!!!

SchnittstellenPlanung – Statik – Übersichtszeichnungen – Werkstattplänennicht genügend Bedeutung beigemessenâ Abwicklungsstörungenâ Terminproblemeâ unkalkulierbare Kostenentwicklungund vor allemâ Standsicherheit gefährdet!!!

Abb. 13: Handikaps im Abwicklungsprozess – 2

Planungu Unzureichender Vergabe-/Planungsvorlaufu Falsche / nicht aktuelle Einwirkungenu Umfangreiche Änderungen im Zuge des Planungs- und

Baufortschrittsu Zu viele Untervergaben von Teilleistungenu Fehlende Kongruenz Statik – Übersichten – Werkstattpläneu Qualität der statischen Berechnung und Plangestaltung

Ausführugu Materialmängelu Fertigungsmängelu Transport-/Lagerschädenu Montagemängel

Abb. 14: Handikaps im Abwicklungsprozess – 3

Page 48: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

KRAFTWERKSBAU

48Der Prüfingenieur Mai 2012

Technische Bearbeitung:

■ Es ist festzulegen, zu welchen Zeitpunkten welcheUnterlagen und für welche Bauabschnitte zur sta-tischen Kontrolle der baulichen Anlage beim Prüf -ingenieur eingereicht werden.

■ Es ist sicherzustellen, dass es die Qualität der Un-terlagen ermöglicht, diese ohne umfangreicheEinarbeitung zu prüfen, zu ergänzen oder umzu-setzen.

■ Der Tragwerksplaner ist bei Werkstattzeichnun-gen in den Prüfprozess zu involvieren. Er hatdurch seine Freigabe zu bestätigen, dass die Aus-bildung den zugrundegelegten Anforderungen derstatischen Dimensionierung entspricht.

■ Es ist ein detailliertes Montagekonzept für die ge-samte bauliche Anlage auszuarbeiten. Der Detail-

lierungsgrad muss es ermöglichen, den wöchentli-chen Soll-Realisierungsstand zu kennen.

■ Es ist ein Katalog der zu verwendenden An -schluss arten festzulegen, der die Konstruktions-prinzipien der gebräuchlichsten Anschlüsse bein-haltet (Ziel: vereinheitlichte Machart unabhängigvom eingesetzten Büro; zugeschnitten auf die Be-lange der Fertigung und Montage).

■ Es ist eine „gutmütige Bauwerkskonstruktion“auszubilden, d.h. – Lastfälle reduzieren,– Flächen- /Streckenlasten anstelle von Einzella-

sten (vereinfachtes Lastkonzept),– Lastreserven vorsehen, insbesondere in den An-

schlüssen,– besondere Sorgfalt bei der Gelenkspezifikation

in den EDV-Systemen,– möglichst regelmäßige Anordnung der Verbän-

de sowie Vermeidung von Steifigkeitssprüngen– nur geringe Systemversätze,– Bühnen ebenenweise in überschaubare Teilbe-

reiche untergliedern, um Auswirkungen vonVeränderungen zu begrenzen,

– Profile so weit wie möglich an den Knoten-punkt heranführen,

– Steifen bei „größeren“ Einzellasten und beiAusmittigkeiten,

– gedrungene und symmetrische Anschlussge-staltung mit geringen Systemversätzen,

– Anschluss aller ankommenden Elemente je-weils für sich,

– duktile Anschlüsse,– freie Knotenblechbereiche mit Aussteifungen

versehen,– Gelenkwirkung der Knotenbleche betrachten

(bei Kastenträgern grundsätzlich untersuchen),– symmetrisches Schraubenbild,– möglichst geringe Schraubenanzahl,– möglichst geringer Abstand zwischen den

Schrauben.

■ Es ist ein Prozedere zum Umgang mit Änderun-gen festzulegen.

■ Es sind die Lastansätze den im Zuge des Pla-nungs-/Realisierungsfortschritts konkretisiertenEinwirkungen gegenüberzustellen. Aus den End-dokumentationsunterlagen müssen die realen Ein-wirkungen zu entnehmen sein.

■ Es ist auf leichte und eindeutige Lesbarkeit dertechnischen Unterlagen hinzuwirken, u.a.– Master-Layout bindend vorgeben,– Zeichnungskopf mit Änderungstabelle, Freiga-

befeldern sowie Lageplan,– übergreifende Struktur der Plannummern,

Planungu Zwangsvorgaben Vergabe- / Planungsvorlauf (= Kapitalfluss

vorziehen)u Erhöhtes Anforderungsprofil für Untervergabe

(Ingenieurpartnerschaft; langjährige/bewährte Zusammenarbeit;Reverenzen)

u Nutzung globaler Einwirkungenu Lastreserven vorsehenu „Gutmütige” Konstruktion ausbildenu Planung und Ausführung entkoppelnu Untervergaben von Teilleistungen rigoros beschränkenu Externe / bauherrenseitige Qualitätssicherung

Planungsschnittstellenu Vorgaben zum Aufbau von statischen Berechnungen und zum

Layout von Plänen (Musterbeispiel)u Bauherrenseitige Qualitätsüberwachung der Vorgaben

â Spezifiktionen sollen unterstützenâ Spezifikationen dienen nicht einer gedankenlosen Umset-

zung

Abb. 15: Ist das der richtige Lösungsweg?

■ SchnittstellenPlanung – Statik – Übersichtszeichnungen – Werkstattplänemehr Bedeutung beimessen

■ Prüfingenieur als wertvolle Instanz zur Sicherung derbenötigten Qualität sowie als Unterstützung bei der Lö-sungssuche verschiedenartigster Planungsprobleme früh-zeitig und strukturiert einbinden

■ Qualitätsüberwachung der Planung, des Grundmaterials, derFertigung, der Baustelleneingangskontrolle sowie der Montage

Erwartetes Ergebnis:â Abwicklung störungsfreierâ Abwicklung termingerechterâ Abwicklung im gesetzten Kostenrahmen

Standsichere und technisch durchdachte Ausgestaltunginnerhalb des gesetzlichen Kosten-, Zeit- und Qualitäts-rahmens erreichen

Abb. 16: Das ist der Lösungsweg: Der Prüfingenieur mussfrühzeitig und strukturiert einbezogen werden

Page 49: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

KRAFTWERKSBAU

49Der Prüfingenieur Mai 2012

– für anschließende Gewerke erforderlichen An-gaben aufnehmen,

– maßstäbliche Darstellung,– eindeutige Strich- und Schriftstärken unter Be-

achtung evtl. Veränderungen in Folge Konver-tierung der Unterlagen,

– Schrifttyp und Schriftgröße vereinheitlichenund Anzahl begrenzen,

– kein Ineinanderschachteln von Bauteilen,– Schnitte ohne Höhenversatz zum Bauteil anord-

nen,– zur Montageerleichterung in Werkstattzeich-

nungen Lage des Bauteils im Gesamtsystemkenntlich zu machen,

– vollständige Maßlinien und -ketten, umnachträgliche Berechnungen für den Ferti-gungsprozess zu vermeiden,

– Konvertierprogramme für CAD-Planunterlagenauf möglichst nahe Wiedergabe des Originalsanpassen.

Fertigung:

■ Es ist auf den QS-Unterlagen zu bestätigen, dassdie Bauteile entsprechend den technischen Unter-lagen gefertigt wurden sowie anzugeben, welcherPlanstand (Index) zugrundelag.

■ Es ist ein durchgängiges Konzept zur Kennzeich-nung von Bauteilen einschließlich Angabe des

Planindex und Auffindbarkeit der Bauteile auf denLagerflächen zu erarbeiten und zu nutzen.

■ Der Fertiger ist in die Ausarbeitung des Montage-konzeptes einzubeziehen und die Konstruktionendementsprechend auszubilden.

Montage:

■ Es sind die Montageaktivitäten durch Mitgliederdes Planungsteams (Statiker, Konstrukteur) zurKlärung von Fertigungs- und Planungsfehlern so-wie Dokumentation von Baustellenänderungen zubetreuen.

Vorgenannte Anforderungen lassen sich auchsinngemäß für die Abwicklung von baulichen Anla-gen in Massivbauweise anwenden. Zu erkennen ist,dass bei Großkraftwerksprojekten der Prüfingenieurfrühzeitig und kontinuierlich planungsbegleitendeinzubinden ist, um eine Realisierung innerhalb desgesetzten Zeitrahmens in bestmöglicher Qualität zuerzielen. Wir beabsichtigen, bei zukünftigen Projek-ten auf vorgenannte Anforderungen verstärktes Au-genmerk zu richten und hoffen, damit den aufgetre-tenen Schwierigkeiten ausreichend entgegenzutre-ten. Das angestrebte Ziel aller Projektbeteiligtenmuss es wieder werden, dass Qualität, Termin undKosten zum Wohle aller Beteiligten im Einklangsind.

Page 50: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

50Der Prüfingenieur Mai 2012

NORMEN

studierte Bauingenieurwesenan der TH Darmstadt, arbeitetebis 1977 im IngenieurbüroBeck-Gravert-Schneider, pro-movierte an der TH Darmstadtund wechselte dann als Stipen-diat der Alexander-von-Hum-boldt-Stiftung an die Universityof Boulder in Colorado (USA);1982 gründete er zusammen mit

Dr.-Ing. Winfried Schwarz und Dr.-Ing. Peter Zeitlerin Darmstadt die CSZ Ingenieurconsult GmbH, fürdie er heute als Geschäftsführer und Gesellschaftertätig ist; Cornelius ist seit 2003 Präsident des Ver-bandes Beratender Ingenieure VBI und seit 2011auch im Vorstand der PraxisRegelnBau e.V. tätig

Dr.-Ing. Volker Cornelius

Bestandsaufnahme und Ziele der pränormativenArbeit der Ingenieure Mit welchen Erfolgsaussichten und Zielen arbeiten die Ingenieurekünftig an ihren Normen mit?

Normen müssen als widerspruchsfreie Regelun-gen für die Alltagsarbeit tauglich und verständ-lich sein. Die Normenreihe EC 0 bis 9 wird wegenihres Umfangs und ihrer Regelungstiefe von denIngenieuren in Deutschland als anwenderfeindlicheingestuft. Gleichzeitig wurde erkannt, dass dieIngenieurpraxis in den vergangenen Jahren ihreMitwirkung an der Normenarbeit nahezu einge-stellt hatte. Auch fehlt ein gemeinsames Konzeptoder ein übergeordnetes Ziel, um die nationalenInteressen bei der Normungsarbeit in Europa zuvertreten. Um diese Mängel abzustellen habenVer bände und Kammern der Ingenieure und derBauindustrie 2011 die PraxisRegelnBau (PRB)gegründet. In sechs Arbeitsgruppen wollen siedort Vorschläge zur Vereinfachung erarbeiten.Die Grundfinanzierung dieser Arbeit leisten die inder PRB vertretenen Organisationen, unterstütztdurch Zuwendungen des Bundesministeriums fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)und des Deutschen Instituts für Bautechnik (Ber-lin).

1 Einleitung

In Deutschland wird sich die Tragwerkspla-nung ab 1. Juli 2012 nach den Eurocodes 0 bis 9 mitjeweils den nationalen Anhängen richten. Das Ziel, inEuropa länderübergreifende Bemessungs- und Kon-struktionsregeln für die wichtigsten Bauarten bereit-zustellen und die nationalen Regeln zu ersetzen, istdamit erreicht. Die Ingenieurpraxis zeigt sich jedochzumindest in Deutschland unzufrieden und erfährtzunehmend durch europäische Nachbarstaaten Unter-stützung für ihre vorgetragene Kritik. Das Normenpa-ket mit insgesamt 58 Teilen und 5219 Seiten, ohnenationale Anhänge mitzuzählen, hat schon vom Um-fang her einen voluminösen Höhepunkt erreicht(Abb. 1).

Die Forderungen nach Vereinfachungen in derNormung sind vielstimmig und werden durch folgen-de Kernaussagen zusammengefasst:

■ Reduzierung des Regelungsumfanges,■ Vereinfachung der Bemessungsvorschriften,■ eindeutige und widerspruchsfreie (rechtssichere)

Regelungen,■ klare durchgängige Strukturen für alles Bemes-

sungsnormen.

Die Verbände der Prüfingenieure BVPI undder Beratenden Ingenieure VBI haben das Thema ge-

Abb. 1: 10 Eurocodes: 58 Teile mit 5.219 Seiten plus na-tionale Anhänge

Page 51: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

51Der Prüfingenieur Mai 2012

NORMEN

meinsam aufgegriffen und in einem ersten Schrittversucht, Grundlagen zu schaffen, um die Praxis in-tensiver an der Normungsarbeit zu beteiligen. Dabeisollten die Ergebnisse des gemeinsam initiierten For-schungsvorhabens [1] Unterstützung leisten. Nachwenigen Gesprächen mit Vertretern der Bauindustriewar schnell klar, dass diese Arbeit nur gemeinsam zubewältigen sei. Auch die Vertreter der Bauaufsicht,das DIN und DIBt waren von der Notwendigkeitüberzeugt, die zukünftige Normung praxisgerechterzu gestalten und sagten der Initiative ihre Unter stüt -zung zu.

2 Nationale und europäischeNormung

In Deutschland ist die nationale Normung pri-vatwirtschaftlich im DIN organisiert. Aufgrund einesVertrages mit der Bundesrepublik Deutschland ist dasDIN als die nationale Normungsorganisation in deneuropäischen und internationalen Normungsgremien,z. B. CEN (Comité Européen de Normalisation) undISO (International Organisation for Standardisation)anerkannt.

Im Gegenzug sorgt das DIN dafür, dass alle ge-sellschaftlichen Interessen (interessierte Kreise) inder Normung Berücksichtigung finden. Die Nor-mungs- und Arbeitsinhalte sind jedoch eine Selbst-verwaltungsaufgabe der deutschen Wirtschaft!

Nach Angabe des DIN sind heute 85 bis 90Prozent aller Normungsvorhaben europäischen bzw.internationalen Ursprungs. So auch die Eurocodes,die aufgrund eines Antrages der europäischen Kom-mission (Mandatierte Normen) in den Spiegelaus-schüssen des DIN bearbeitet wurden (Abb. 2). DieEntscheidung über die aktive Mitarbeit auf europäi-scher Ebene wird somit im Normenausschuss desDIN gefällt. Die fachliche Betreuung erfolgt im Spie-gelausschuss, wo auch die deutsche Meinung zu ei-nem Normungsthema ermittelt wird. Der Spiegelaus-schuss entsendet Delegierte in die Technischen Ko-mitees des CEN.

Wirft man einen Blick auf die Arbeitsweise undStruktur der bestehenden Normungsorganisationen(www. DIN.de; www. CEN.en) wird schnell klar, dasseine Praxisinitiative nur dann Erfolg hat, wenn es ge-lingt, eine gemeinsame nationale Position abzustim-men und die erarbeiteten Vorschläge als Entwurf überdas DIN in die europäische Normung einzubringen.

3 Neue Ansätze der deutschenIngenieurpraxis

Die Initiative praxisgerechte Regelwerke imBauwesen (PRB) wurde im Januar 2011 von denSpitzenverbänden der Deutschen Bauwirtschaft ge-gründet (Abb. 3).

Der Zweck der PRB wird erreicht durch pra-xisnahe pränormative Arbeiten im Vorfeld der Erstel-lung von Normen und anderen Regelwerken, umhierdurch die Praxistauglichkeit der Regelwerke imBauwesen in Deutschland und Europa zu verbessern.

Hierbei sollten folgende Punkte besondereBerücksichtigung finden:

■ Koordination der inhaltlichen Normungsarbeitdurch den Lenkungsausschuss,

■ Netzwerkbildung mit anderen europäischen Gre-mien und Verbänden,

■ Öffentlichkeitsarbeit - Lobby für die Ingenieur pra -xis,

■ Verwaltung und Kontrolle zweckgebundener Zu-wendungsmittel,

■ Einbringen der Ergebnisse der Projektgruppen(PG) in nationale und internationale Gremien,

■ Unterstützung der deutschen Delegierten beimCEN durch Übernahme von CEN Sekretariatenund Besetzung von Positionen (Chairmen) in wor-king groups.

Die schlanke Organisation der PRB (Abb. 4)soll es ermöglichen, schnelle Entscheidungen zu tref-fen und interne Kosten für Verwaltungsaufgaben zuminimieren. Nahezu alle finanziellen Zuwendungenkönnen so direkt in die Projektarbeit fließen.

Die inhaltliche Arbeit wird in den Projektgrup-pen geleistet. Ein kleines Kernteam aus Ingenieurender Baupraxis erarbeitet Konzepte und Zeitpläne, indenen der Rahmen für die zu erbringenden Leistun-gen definiert wird. Inhalte und Finanzierung diesesLeistungspaketes wird durch den Lenkungsausschussverabschiedet. Es enthält in der Regel auch einen Fi-nanzierungsanteil, der über Zuwendungen Dritter(BMVBV, DIBt) gedeckt werden sollte.Abb. 2: Nationale und europäische Normung

Page 52: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

52Der Prüfingenieur Mai 2012

NORMEN

Das Kernteam wird in der Regel auch externeExperten hinzuziehen und Studien bzw. Vergleichs-rechnungen auf Antrag an Ingenieurunternehmenvergeben.

Im Ergebnis entstehen so die Arbeitspapiere,die als Grundlage für spätere Normvorlagen dienen.

Die Koordination und Abstimmung aller Er-gebnisse der Arbeitsgruppen findet im Lenkungsaus-schuss statt. Dort sind maximal 10 Experten der Trä-

gerorganisationen sowie die Vorsitzenden der Ar-beitsgruppen vertreten. Es ist besonders wichtig imHinblick auf den späteren Erfolg der Arbeit, dass indiesem Lenkungsgremium auch Vertreter aus demBauministerium und der Bauaufsicht der Länder ihreErfahrung mit einbringen.

Die Arbeitsergebnisse werden ausschließlichüber den Lenkungsausschuss in die entsprechendenNormungsausschüsse des DIN und CEN weitergelei-tet (Abb. 5). Durch eine weitgehende personelle Kon-

Abb. 3: Gründung der Initiative „PraxisRegelnBau“ (v. l. n. r.): Dr. Ronald Rast (Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks-und Wohnungsbau, DGfM), Dr. Kirsten Laackmann (Deutsche Gesellschaft für Geotechnik, DGGT), Friedhelm Heuser(Hauptverband der Deutschen Bauindustrie), Dr. Hans-Peter Andrä (Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautech-nik), Michael Heide (Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, ZDB), Prof. Manfred Nußbaumer (Deutscher Beton- undBautechnik-Verein), Dr. Jens Karstedt (Bundesingenieurkammer), Dr. Udo Wiens (Deutscher Ausschuss für Stahlbeton), Sa-bine von Berchem (Verband Beratender Ingenieure), Manfred Tiedemann (Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bau-technik), Prof. Karl G. Schütz (Bundesingenieurkammer), Dr. Lars Meyer (Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein); esfehlen: Dr. Volker Cornelius (Verband Beratender Ingenieure VBI), Dr. Volkmar Bergmann (Deutscher Stahlbau-Verband)

Abb. 4: Organigramm der PraxisRegelnBau e. V.

Page 53: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

53Der Prüfingenieur Mai 2012

NORMEN

tinuität der Experten in der PRB und den Arbeitsaus-schüssen des DIN sowie den technischen Gremiendes CEN soll die erfolgreiche Umsetzung der Ar -beits ergebnisse unterstützt werden (Abb. 6).

Die inhaltliche Arbeit soll sich für alle Projekt-gruppen an zehn Grundsätzen orientieren, die in derPRB einvernehmlich als „Gebote“ verabschiedetwurden.

1. Grundregeln der MechanikBemessungsregeln müssen aus Modellen derLastabtragung nach den Grundregeln der Mecha-nik entwickelt werden. Wo sich empirische Ansät-ze nicht vermeiden lassen, sind diese als solche zukennzeichnen.

2. Praxisgerechte und nachvollziehbare Nach-weiskonzepteDie modernen Nachweisformate wurden mit ei-nem Anspruch auf Exaktheit formuliert, welchesich in der gebauten Realität nicht wiederfindet.Dies betrifft sowohl die Einwirkungen als auchdie Widerstände. Rechenprozesse, die sich einereinfachen Handrechnung entziehen, sollen durchgrafische und/oder tabellarische Auswertung ein-fach anwendbar gemacht werden.

3. Vielzahl an Einwirkungskombinationen redu-zierenUnübersichtlichkeit und Zeitaufwand entstehenderzeit insbesondere durch die Vielzahl der Ein-wirkungskombinationen. Für Standardfälle sollendie maßgebenden Einwirkungskombinationen aufein Mindestmaß reduziert werden, die ggf. aucheiner globalen Sicherheitsbetrachtung zugänglichsind.

4. Optimierungsparameter reduzierenParameter, mit denen die Bemessung durch eine„genaue“ Anpassung an individuelle Randbedin-gungen optimiert wird, sind auf ein Mindestmaßzu reduzieren.

5. Einheitliche Gliederung in allen Normen deskonstruktiven IngenieurbausDadurch, dass sich unabhängig von der Bau-weise die wesentlichen Regelungen immer inden gleichen Kapiteln der Norm finden, z. B.Werkstoffe in Kapitel X, Nachweise in Kapitel Yetc., soll das Arbeiten mit der Norm erleichtertwerden.

Abb. 5: Arbeitsweise der Projektgruppen

Abb. 6: Neue Ansätze der Ingenieurpraxis

Page 54: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NORMEN

54Der Prüfingenieur Mai 2012

6. Durchgängigkeit der Regelungen über Bau-stoffgrenzen hinwegNachweise im Baugrund müssen mit denselbenLastkombinationen und mit denselben Sicher-heitselementen geführt werden, wie die Nach-weise in der Baukonstruktion.

7. Vereinheitlichung der erforderlichen Heißbe-messungVereinfachende Regelungen, mit denen eine aus-reichende Feuerwiderstandsdauer durch geome-trische Randbedingungen, Schlankheit und Aus-nutzungsgrad nachgewiesen werden kann, sindanzustreben.

8. Verbesserung der handwerklichen Qualitätund der Sprache der NormenDie Vielzahl von Corigenda und Neuauflagen vonNormen infolge handwerklicher Fehler muss re-duziert werden. Zudem muss die Sprache so exaktsein, dass Auslegungen eher die Ausnahme sind.

9. Reduzierung der NDP soweit möglichNationale festlegbare Parameter (NDP) sind zuvermeiden. Kompromisse sind – auch deutscher-seits – einzugehen.

10. Eurocodes repräsentieren den Stand derTechnik, nicht der WissenschaftNormen müssen Ausdruck des allgemein aner-kannten Standes der Technik sein, der zielsicherund wirtschaftlich erreichbar ist. Der von Einzel-nen vertretende Stand der Wissenschaft ist alsMaßstab für Standardlösungen ungeeignet undsollte daher in Normen grundsätzlich nicht wie-dergegeben sein.

In der deutschen Position zur Umsetzung desMandats M/466, welches als Grundlage für die Fort-führung und Überarbeitung der Eurocodes in dennächsten Jahren dient (second generation of Euroco-des), konnten diese Gebote mit Unterstützung desDIBt eingebracht werden. Ein erster Erfolg für dieArbeit der PRB. Gleichzeitig müssen wir allerdingszur Kenntnis nehmen, dass die Arbeit des TC 250 ander zweiten Generation der Eurocodes bereits Ende2010 wieder aufgenommen wurde und bezüglich derinhaltlichen Bearbeitung bereits bis 2015 abgeschlos-sen sein soll. Es ist also höchste Eile geboten, unse-ren nationalen Beitrag zu leisten und diesen in dieArbeitsausschüsse des DIN und CEN einzubringen.

Weiterhin wurde nach intensiver Diskussion inder PRB entschieden, das mittlerweile bekannte undinternational weit verbreitete semiprobabilistische Si-cherheitskonzept grundsätzlich beizubehalten. Diewirtschaftlichen Vorteile sowohl auf der Seite derEinwirkungen als auch auf Seite der Widerstände,Teilwiderstandsbeiwerte unter Berücksichtigung derjeweiligen Streuung festlegen zu können, waren über-zeugend, – nicht zuletzt für die Berechnung bestehen-der Baukonstruktionen.

Auch ist das semiprobabilistische Konzept fle-xibel und zukunftsfähig, da es erlaubt neue Baustoffebzw. Werkstoffe beliebig zu kombinieren.

Allerdings müssen die Anzahl der Sicherheits-beiwerte reduziert und die Kombinationsregeln ver-einfacht werden. Dies ist für übliche Bauwerke ohneEinschränkung der Sicherheit und Wirtschaftlichkeitdurchaus möglich, wie anhand verschiedener Bei-spiele [1] und [2] bereits aufgezeigt wurde.

■ Die Anzahl der Sicherheitsbeiwerte ist wesentlichzu reduzieren durch die Einführung eines gewich-teten, mittleren Beiwerts. Für den üblichenHochbau kann γF = 1,4 gesetzt werden.

■ Die Übergabe von Auswirkungen ist zu vereinfa-chen, z. B. Lastübergabe an den Baugrund

für die Grenzzustände STR/GEO.

Durch die Einführung eines universellen Kom-binationsbeiwertes ψuni = 0,7 sind nahezu alle Ein-wirkungsarten nach DIN EN 1990 (2010) gebührendzu berücksichtigen. Damit können die Kombinations-regeln wesentlich vereinfacht werden.

■ Beim Nachweis der Tragfähigkeit in der Bemes-sungssituation „ständig“ und „vorübergehend“ er-gibt sich bei üblichen Bauaufgaben

■ Für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit für„seltene“ und „häufige“ Lastkombinationen

■ Und für quasi ständige Lastkombinationen

= 1 für Lagerräume bzw. 0 bei geringerAuslastung

Es ist die vordringlichste Aufgabe der Projekt-gruppe 1, die Möglichkeit solcher vereinfachenderAnsätze zu analysieren, zu ergänzen und durch Ver-gleichsrechnungen zu bestätigen.

Page 55: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NORMEN

55Der Prüfingenieur Mai 2012

Neben dieser Bearbeitung der Grundlagen derTragwerksplanung umfasst die Arbeit der PG 1 dieÜberarbeitung und Weiterentwicklung der Einwir-kungen nach EC 1. Die PG 1 hat im Dezember 2011unter Leitung von Dr.-Ing. Frank Breinlinger die Ar-beit aufgenommen. Die Finanzierung wird im We-sentlichen durch die Verbände VBI/BVPI gesichertund durch die Mitarbeit der von diesen Verbändendafür in Vollzeit angestellten Ingenieure.

Die Arbeiten der PG 2 unter Leitung von Dr.-Ing. Frank Fingerloos konnten aufgrund der rechtzei-tig zur Verfügung stehenden Finanzierung durch denDeutschen Beton- und Bautechnik-Verein (DBV)sehr früh aufgenommen werden.

Der Auftrag zur Überarbeitung des EC 2 wur-de in drei Arbeitspakete geteilt:

■ AP 1: Grundlegende Arbeiten zur Verbesserungund Vereinfachung des EC 2

■ AP 2: Analyse der Nationalen Anhänge anderereuropäischer Länder und Ermittlung von Ansätzenzur Vereinheitlichung

■ AP 3: Beispiel und Vergleichsrechungen, Feldstu-dien sowie Erprobung der Praxistauglichkeit an-hand von Projekten

Dabei sind einzelne Arbeitspakete teilweiseparallel zu bearbeiten. Sie umfassen und berücksich-tigen die Präsentation und Abstimmung der Ergeb -nisse sowohl im NABau als auch im TC 250/SC 2

(Abb. 7). Alle Projekte werden für einen Zeitraumvon 2 Jahren bewilligt und nach Prüfung und Zustim-mung durch den Lenkungsausschuss ggf. verlängert.

4 Schlussfolgerungen

Die in der deutschen Baupraxis tätigen Ingeni-eure haben sich über Ihre Verbände organisiert, umdie neue Generation der EUROCODES praxistauglichzu gestalten. Mit der PraxisRegelnBau e. V. wurde dieMöglichkeit geschaffen, die Anforderungen und Er-fahrung der Baupraxis in die Normungsarbeit einzu-bringen. Dies bedeutete zweifellos eine Verstärkungund Bereicherung der nationalen Normung und derenPosition in Europa. Die PRB ist durch die Privatwirt-schaft finanziert und bedarf erheblicher finanziellerUnterstützung durch den Bund. Daher wird für jedeArbeitsgruppe ein entsprechender Zuwendungsantragan das Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumfor-schung und/oder Deutsche Institut für Bautechnik ge-stellt. Die Arbeiten sind in erheblichem Maße von derZusage dieser finanziellen Mittel abhängig.

Sowohl die Prüfingenieure als auch die Bera-tenden Ingenieure (dort die Mitgliedsunternehmender Fachgruppe Konstruktiver Ingenieurbau) habenzusätzliche Beiträge entrichtet und qualifizierteBauingenieure bereit gestellt, um die pränormativeArbeit zu unterstützen.

Abb. 7: Projektplan der PG 2

Page 56: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

NORMEN

56Der Prüfingenieur Mai 2012

Es ist jedoch weiterhin Überzeugungsarbeit zuleisten, um kritische Kollegen von der Notwendigkeitund von dem Mehrwert dieser Arbeit zu überzeugen.

Nach einer Studie des Institution of StructuralEngineers (Abb. 8) sind für ein Ingenieurbüro ca.18.175,00 Euro/Mann zu investieren, um die Umstel-lung auf die neue Normengeneration zu vollziehen.Neben den Rechts- und Sicherheitsaspekten, diedurch eine praxistauglichere Normung unterstütztwerden, sind daher auch erhebliche Einsparungen inunseren Büros verbunden.

Es zeigt sich schon jetzt, dass der eingeschla-gene Weg Erfolg versprechend ist. Die Verantwor-tung, auch die finanzielle, muss jedoch auf noch brei-tere Schultern gestellt werden.

Wie in vielen anderen Fällen sollte nicht weiternach Patentrezepten gesucht werden. Jetzt ist die Zeitzum Handeln! Unterstützen Sie eine funktionierendePRB durch qualifizierte Ingenieurleistungen und fi-nanzielle Beiträge!

5 Literatur

[1] Viktor Sigrist, Martin Ziegler: Abschlussbericht für das For-schungsvorhaben: Entwicklung eines Leitfadens zur Erstel-lung anwendungsfreundlicher und praxistauglicher Bemes-sungsnormen.Zu beziehen über VBI/BVPI, www.vbi.de/www. bvpi.de

[2] Frank Fingerloos: Eurocode, Bespiele für Vereinfachungen.Zu beziehen über DBV, www.betonverein.de

[3] The Institution of Structural Engineers, London, UKwww.istructe.org

Erwerbskosten EC’s einschl. Anhänge: 3.200,00

Preis für Leitfäden und Kommentare: 1.200,00

Preis für Softwareaktualisierung: 23.500,00

Teilnahme an Seminaren, 3 Tage: 29.400,00

Einarbeitung in EC’s im Büro; 12 Tage/Mann 84.500,00

Verlust an Produktivität; 10% im ersten Jahr: 149.000,00

18.175,00/Mann 290.800,00

Abb. 8: Schätzkosten für Umstellung auf ECs für ein16-Mann-Büro nach [3] (Stand 2004, 1 engl. P = 1,17 €)

Page 57: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

PRÜFPRAXIS

57Der Prüfingenieur Mai 2012

1 Einführung

Die präventive Prüfung der Standsicherheit isteine der klassischen Aufgaben der Gefahrenabwehrim Zusammenhang mit baulichen Anlagen. Zuständi-ge Behörden sind die Bauaufsichtsbehörden, früherwar dies die Baupolizei. Mit Zunahme des techni-schen Fortschritts Anfang des 20. Jahrhunderts unddamit einhergehender Fortentwicklung neuer Bauar-ten, wie dem Eisenbeton, neuer Bauprodukte undneuer Nachweismethoden konnte der dafür notwendi-ge Sachverstand nicht mehr in jeder Behörde vorge-halten werden, und es wurde die Institution des Prüf -ingenieurs geschaffen. Auch damals schon konnteaber für ganz Deutschland keine einheitliche Lösunggefunden werden.

Die in den 1950er-Jahren eingeführte Beauf-tragung von Prüfingenieuren für Baustatik mit derPrüfung von bautechnischen Nachweisen hat sichüber viele Jahre bewährt. Auch die neuen Länder ha-ben diese Regelung übernommen.

In den 1990er-Jahren begannen jedoch einigeLänder, neue Modelle im Bauordnungsrecht auszu-probieren. Auch bei der bautechnischen Prüfung wur-de im Zuge von Privatisierungsbestrebungen die Ver-antwortung auf private Dritte delegiert. Die ganz un-terschiedlichen Regelungen in den Bauordnungen derLänder führten zu einer Zersplitterung im Bauord-nungsrecht. Diese zu überwinden und der Musterbau-ordnung (MBO) [1] wieder eine Leitbildfunktion zugeben, wurde mit der MBO 2002 ein Rahmen ge-schaffen, der bewährte Elemente enthielt, aber auchWeiterentwicklungen Rechnung trug.

Es wurde die Möglichkeit eröffnet, sich aus derhoheitlichen Prüfung bautechnischer Nachweisezurückzuziehen. Es bleibt den Ländern überlassen,ob sie sich für eine hoheitliche Prüfung (bauaufsicht-lich geprüft durch die Bauaufsichtsbehörde, durch einPrüfamt oder durch einen Prüfingenieur) oder für ei-ne Prüfung durch einen privatrechtlich tätigen Prüf-sachverständigen entscheiden.

Prüfung der Statik undder Bauausfüh rung ausSicht der ARGEBAUWelche fachlichen und menschlichenQualitäten müssen Prüfingenieureund Prüfsachverständige erfüllen?

Nachdem einige deutsche Länder in den 1990er-Jahren im Bauordnungsrecht neue Modelle aus-zuprobieren begonnen hatten, ist das landesbau-ordnungsrechtliche System der BundesrepublikDeutschland noch uneinheitlicher, als es vor dieserZeit schon war. Heute bleibt es den Ländern über-lassen, ob sie sich für die hoheitliche Prüfungdurch die Bauaufsichtsbehörde, durch einPrüfamt oder durch einen Prüfingenieur, oder obsie sich für eine Prüfung durch einen privatrecht-lich tätigen Prüfsachverständigen entscheiden.Wie dem auch sei: Immer wieder steht bei diesemThema die Frage im Raum, auf welchen Rechts-grundlagen die Tätigkeit der Prüfingenieure undPrüfsachverständigen ruht, welche fachlichen undmenschlichen Anforderungen sie erfüllen müssenund welche Aufgaben und Pflichten sie haben.Diese Zusammenschau wird im folgenden Beitragaus der Sicht der ARGEBAU geboten.

studierte 1974 bis 1978 Eisen-bahnbau an der Verkehrshoch-schule „Friedrich List“ inDresden; nach 13-jähriger Pro-jektierungstätigkeit für denBrückenbau bei der DeutschenReichsbahn wechselte sie 1991zur obersten Bauaufsichts-behörde Mecklenburg-Vorpom-mern und wurde 1992 Referats-

leiter für Bautechnik; sie ist stellvertretende Vorsit-zende der Fachkommission Bautechnik der ARGE-BAU

Baudirektorin Dipl.-Ing. Ute Kühne

Page 58: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

58Der Prüfingenieur Mai 2012

PRÜFPRAXIS

Soweit nachfolgend von bautechnischer Prü-fung die Rede ist, bedeutet dies bauaufsichtlich ge-prüft oder durch einen Prüfsachverständigen beschei-nigt. Beide Systeme werden als gleichwertig angese-hen. Dies soll durch gleiche Anforderungen an dieQualifikation von Prüfingenieuren und Prüfsachver-ständigen sowie durch die notwendige Unabhängig-keit auch der Prüfsachverständigen über die Regelun-gen in der Prüfingenieure- und Prüfsachverständigen-verordnung der Länder sichergestellt werden.

2 Rechtsgrundlagen für die Prüfung der Standsicherheitsnachweise

Da die Länder von dem ihnen in der MBOeröffneten Rahmen unterschiedlich Gebrauch ge-macht haben, unterscheiden sich ihre Regelungen.Deshalb werden nachfolgend nicht das Landesrecht,sondern die MBO und die entsprechenden Muster-vorschriften in Bezug genommen. Sie sind zwarGrundlage der in den Ländern verabschiedetenRechtsvorschriften, entfalten jedoch selbst keinerechtliche Wirkung.

Mit der Novellierung der MBO ist eine diffe-renzierte Behandlung der bautechnischen Nachwei-se erfolgt, da das Erfordernis einer Prüfung undÜberwachung bautechnischer Anforderungen nichtvon der Art des (Baugenehmigungs-)Verfahrens,sondern vom Schwierigkeitsgrad und Gefährdungs-potenzial abhängt. Das Erfordernis, eine bautechni-sche Prüfung an der Schwierigkeit des Bauvorha-bens festzumachen, war auch eine Forderung derPrüfingenieure.

In § 66 MBO sind die unterschiedlichen An-forderungen an die bautechnischen Nachweise gere-gelt. Die Anforderungen gelten nicht für verfahrens-freie Bauvorhaben und nur bedingt für die Beseiti-gung von Anlagen. Bei der Regelung wurde auchverstärkt der Eigenverantwortung der am Bau Betei-ligten Rechnung getragen. Differenziert wird zwi-schen Bauvorhaben, bei denen die Qualifikation desEntwurfsverfassers genügt, besondere Qualifikatio-nen vom Aufsteller gefordert werden (qualifizierterTragwerks- bzw. Brandschutzplaner), und solchen,bei denen eine bautechnische Prüfung und Überwa-chung (Vier-Augen-Prinzip) erforderlich ist. WelcheVorhaben geprüft werden müssen, ergibt sich aus§ 66 Absatz 3 MBO. Für Gebäude der Gebäudeklas-se 4 und 5 ist grundsätzlich eine Prüfung erforder-lich. Einige wenige Länder sehen dies auch für Son-derbauten vor.

Bei

a) Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3,b) Behältern, Brücken, Stützmauern, Tribünen,c) sonstigen baulichen Anlagen mit einer Höhe von

mehr als zehn Metern, die keine Gebäude sind,

muss der Standsicherheitsnachweis bauaufsichtlichgeprüft oder durch einen Prüfsachverständigen be-scheinigt sein, wenn dies nach Maßgabe eines in derRechtsverordnung nach § 85 Absatz 3 MBO geregel-ten Kriterienkatalogs erforderlich ist; das gilt nichtfür Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 und 2.

§ 85 Absatz 2 MBO enthält die Verordnungser-mächtigung zum Erlass von Vorschriften über diePrüf ingenieure und Prüfämter, denen bauaufsichtlichePrüfaufgaben einschließlich der Bauüberwachung undder Bauzustandsbesichtigung übertragen werden, so-wie über Prüfsachverständige, die im Auftrag desBauherren oder des sonstigen nach BauordnungsrechtVerantwortlichen die Einhaltung bauordnungsrechtli-cher Anforderungen prüfen und bescheinigen; umge-setzt in der Muster-Verordnung über die Prüfingenieu-re und Prüfsachverständigen (M-PPVO) [2].

Derzeit befindet sich die Muster-Prüfingenieu-re- und Prüfsachverständigenverordnung der ARGE-BAU in Überarbeitung, in der die Anerkennungsvor-aussetzungen und das Prüfungsverfahren einheitlichund rechtsverbindlich festgeschrieben werden.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung derDienstleistungsrichtlinie (DLR) [3] und der Frage derAusübung öffentlicher Gewalt war die Diskussionüber den Status der Prüfingenieure und Prüfsachver-ständigen erneut entbrannt. Prüfingenieure als beliehe-ne Unternehmer nehmen hoheitliche Aufgaben wahr.

Wenn diese Prüf- und Überwachungstätigkeitim Auftrag der Bauaufsichtsbehörde sich auch nochim Sinne der DLR als öffentliche Gewalt rechtferti-gen würde, ließe sich das für die Prüfsachverständi-gen nicht rechtfertigen. Eine Gleichbehandlung waropportun.

3 Anforderungen an denPrüfingenieur undPrüfsachverständigen

An Prüfingenieure und Prüfsachverständige fürStandsicherheit sind wegen ihrer Prüfaufgaben imBereich der Gefahrenabwehr hohe fachliche und per-sönliche Anforderungen zu stellen.

Page 59: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

59Der Prüfingenieur Mai 2012

PRÜFPRAXIS

Die §§ 4 und 10 der M-PPVO stellen Anforde-rungen an:■ die Persönlichkeit,■ die Beherrschung der deutschen Sprache,■ die Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit,■ die Fachliche Eignung

– Studium Bauingenieurwesen,– mindestens zwei Jahre eigenverantwortlicher,

unabhängiger Tragwerksplaner oder hauptbe-ruflicher Hochschullehrer,

– Berufserfahrung (zehn Jahre Aufstellen vonStandsicherheitsnachweisen, technische Bau-leitung oder vergleichbare Tätigkeiten),

– bauordnungsrechtliche Kenntnisse,– überdurchschnittliche Fähigkeiten als Ingenieur,– Fachkenntnisse und Erfahrung.

Eigenverantwortlich tätig ist:

■ wer seine berufliche Tätigkeit als einziger Inhabereines Büros selbstständig auf eigene Rechnungund Verantwortung ausübt,

■ wer – sich mit anderen Prüfingenieuren/Prüfsachver-

ständigen, Ingenieuren oder Architekten zu-sammengeschlossen hat,

– innerhalb dieses Zusammenschlusses Vorstand,Geschäftsführer oder persönlich haftender Ge-sellschafter mit einer rechtlich gesicherten lei-tenden Stellung ist und

– kraft Satzung, Statut oder Gesellschaftsvertragdieses Zusammenschlusses seine Aufgaben alsPrüfingenieur und Prüfsachverständiger selbst-ständig auf eigene Rechnung und Verantwor-tung und frei von Weisungen ausüben kannoder

■ wer als Hochschullehrer im Rahmen einer Neben -tätigkeit in selbstständiger Beratung tätig ist.

Prüfingenieur/Prüfsachverständiger ist nur,wer das 68. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. MitErreichen dieser Altersgrenze erlischt die Anerken-nung als Prüfingenieur/Prüfsachverständiger. Danachdürfen durch diese keine bautechnischen Prüfungenmehr vorgenommen werden. Aufträge von nicht zuEnde geführten Bauvorhaben sind zurückzugebenoder in Abstimmung mit dem Auftraggeber einemanerkannten Prüfingenieur/Prüfsachverständigen zuübertragen.

Die Klage eines Prüfingenieurs gegen die Ab-lehnung seines Antrages, ihm seine Anerkennungüber das 68. Lebensjahr zu verlängern, hatte nach derEntscheidung des Bayrischen VerwaltungsgerichtsMünchen vom 26.07.2011 keinen Erfolg. Die Be-grenzung der Altersgrenze verstößt weder gegenhöherrangiges nationales Recht noch ist die Regelungmit dem Recht der EU unvereinbar.

Auch wenn diese Regelung in die nach Artikel12 Grundgesetz garantierte Berufsfreiheit eingreift,ist der Eingriff gerechtfertigt. Dem Gesetzesvorbehaltist mit der Ermächtigung in der Bauordnung Genügegetan. Die PPVO ist auch verfassungsgemäß; dasVerhältnismäßigkeitsprinzip wurde eingehalten. Eserfordert, dass für die Erreichung eines bestimmtenZiels – hier die Sicherheit von Bauten, der am BauBeteiligten, der Gebäudenutzer sowie der Allgemein-heit – die Mittel geeignet, erforderlich und angemes-sen sein müssen. Dies wurde hier bejaht. Auch wurdedem Gesetz- und Verordnungsgeber bezüglich derAltersgrenze ein Beurteilungs- und Prognosespiel-raum eingeräumt.

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass dieserRechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht unddem Europäischen Gerichtshof fortgesetzt wird.

4 Pflichten und Aufgabender Prüfingenieureund Prüfsachverständigen

Die Pflichten und Aufgaben der Prüfingenieu-re/Prüfsachverständigen ergeben sich aus den §§ 5und 13 M-PPVO. Sie müssen die ihnen übertrageneAufgabe unparteiisch, gewissenhaft und gemäß denbauordnungsrechtlichen Vorschriften erledigen. Letz-teres bedeutet, dass sie über deren aktuellen Stand in-formiert sind und bei ihrer Tätigkeit berücksichtigen.Dazu gehören insbesondere auch die von der oberstenBauaufsichtsbehörde bekannt gemachten Techni-schen Baubestimmungen.

Die Prüfung muss am Geschäftssitz des Prüfin-genieurs/Prüfsachverständigen erfolgen. Mit dieserRegelung soll Klarheit geschaffen werden, wenn einPrüfingenieur/Prüfsachverständiger sich mit anderenPrüfingenieuren/Prüfsachverständigen, Ingenieurenoder Architekten zusammenschließt.

Bei der Prüfung darf er sich der Hilfe von amGeschäftssitz angestellten Mitarbeitern bedienen, al-lerdings nur insoweit er deren Tätigkeit voll überwa-chen kann. Auch wenn diese Mitarbeiter für dieseAufgabe befähigt und zuverlässig sein müssen, trägtder Prüfingenieur/Prüfsachverständige die alleinigeVerantwortung für deren diesbezügliche Tätigkeit.

Eine Haftpflichtversicherung mit einer Haf-tungssumme von mindestens je 500.000 Euro für Per-sonen- sowie für Sach- und Vermögensschäden jeSchadensfall, die mindestens zweimal im Versiche-rungsjahr zur Verfügung stehen muss, ist erforder-

Page 60: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

60Der Prüfingenieur Mai 2012

PRÜFPRAXIS

lich. Deren Verlust oder Aufgabe führt zum Erlö-schen der Anerkennung.

Prüfingenieure/Prüfsachverständige werden ineiner oder mehreren Fachrichtungen anerkannt. Wirdein Prüfingenieur/Prüfsachverständiger mit der Prü-fung eines Bauvorhabens betraut, bei dem Teile derbaulichen Anlage mit überdurchschnittlichem odersehr hohem Schwierigkeitsgrad zu einer Fachrich-tung gehört, für die er nicht anerkannt ist, hat er unterseiner Federführung weitere Prüfingenieure oderPrüfsachverständige der anderen Fachrichtung heran-zuziehen. Auch bei fehlender Sachkunde für beson-dere Gründungen, bei Zweifeln an den Annahmenoder den bodenmechanischen Kenngrößen sind ent-sprechende Prüfsachverständige für Erd- und Grund-bau zu beteiligen.

Die Errichtung einer Zweitniederlassung alsPrüfingenieur oder Prüfsachverständiger in der Bun-desrepublik Deutschland bedarf der Genehmigungdurch die Anerkennungsbehörde. Diese in § 5 Absatz2a gefundene Regelung im Zusammenhang mit derUmsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ist der Kom-promiss zur Tolerierung einer Zweitniederlassung,die in den Gremien der ARGEBAU umstritten war.

Insbesondere sind im Rahmen der Genehmi-gung einer Zweitniederlassung zu prüfen: die Eigen-verantwortlichkeit der Tätigkeit in der Zweitnieder-lassung, Angaben zu den Mitarbeitern, die bei derPrüftätigkeit mitwirken sollen sowie zur Sicherstel-lung der Überwachung der ordnungsgemäßen Bau-ausführung. Versagungsgründe können dabei sein:die Zahl der bei der Prüftätigkeit mitwirkenden Mit-arbeiter, die Entfernung zwischen den Niederlassun-gen oder aus anderen Gründen, wenn Bedenken ge-gen die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung beste-hen, denn der Prüfingenieur/Prüfsachverständigeträgt die alleinige Verantwortung, muss die Prüftätig-keit seiner Mitarbeiter auch in der Zweitniederlas-sung voll überwachen und zur Dokumentation allePrüfberichte/Bescheinigungen unterschreiben.

Der Auftrag der Prüfingenieure/Prüfsachver-ständigen ist die Prüfung der Vollständigkeit undRichtigkeit der Standsicherheitsnachweise. Nur dieFeststellung, die bauliche Anlage sei standsicher,reicht nicht. Es sind insbesondere zu prüfen:

■ die zutreffenden Annahmen,■ die Erfassung und Ableitung aller Kräfte bis in

den Baugrund,■ die Aussteifung,■ die Anschlüsse, Knotenpunkte etc. mit den ent-

sprechenden Detailzeichnungen,■ der Nachweis der Gründung,■ der Nachweis von Bauzuständen,

■ der Feuerwiderstand tragender Bauteile,■ ob ungeregelte Bauprodukte und Bauarten die er-

forderliche allgemeine bauaufsichtliche Zulas-sung, das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisoder eine Zustimmung im Einzelfall haben.

Voraussetzung für die Bautechnische Prüfungder Standsicherheitsnachweise ist die Vorlage prüf-fähiger Standsicherheitsnachweise. UnvollständigenBauvorlagen, wie sie oftmals beklagt werden, ist mitVerweis auf die Verordnung über Bauvorlagen undbauaufsichtliche Anzeigen (Musterbauvorlagenver-ordnung – MBauVorlV [4]) zu begegnen. Dazugehören:

■ Darstellung des gesamten statischen Systems,■ erforderliche Konstruktionszeichnungen und Posi-

tionspläne (Bewehrungspläne, ggf. Werkstatt-zeichnungen),

■ Berechnungen unter Beachtung der geltendenTechnischen Baubestimmungen,

■ Beschreibungen, Erläuterungen,■ Nachweis der Feuerwiderstandsdauer der tragen-

den Bauteile,■ Aussagen zur Tragfähigkeit des Baugrundes.

Aussagen zur Tragfähigkeit des Baugrundesmüssen immer vorliegen und sind schon für die Pla-nungsphase erforderlich. Bei untergeordneten Bau-vorhaben muss dies kein umfängliches Baugrundgut-achten sein.

5 Liste der TechnischenBaubestimmungen (LTB)und Bauregellisten

5.1 Bauprodukte und ihre Verwendung

Zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheitund Ordnung stellt das Bauordnungsrecht auch An-forderungen an die zu verwendenden Bauprodukteund Bauarten. Während erforderliche Regelungen zuden Bauprodukten und ihren Eigenschaften über dieBauregellisten (Bauregellisten A, B und Liste C) er-folgen, wird ihre Verwendung über die TechnischenBaubestimmungen geregelt.

Nach § 3 Absatz 3 MBO sind die von derObersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Be-kanntmachung als Technische Baubestimmungeneingeführten technischen Regeln zu beachten. Diesetechnischen Regeln werden in eine Musterliste derTechnischen Baubestimmungen (M-LTB), beschlos-sen von der Fachkommission Bautechnik der ARGE-

Page 61: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

61Der Prüfingenieur Mai 2012

PRÜFPRAXIS

BAU, aufgenommen. Sie ist die Grundlage der Listeder Technischen Baubestimmungen nach Landes-recht. Die M-LTB wird auf den Internetseiten derARGEBAU (www.bauministerkonferenz.de oderwww.is-argebau.de) und des Deutschen Instituts fürBautechnik (DIBt) (www.dibt.de) veröffentlicht. Da-mit können sich die am Bau Beteiligten, Behördenund Prüfer der Bauvorlagen auf die demnächst anste-henden Änderungen einstellen. Die M-LTB ist nichtrechtsverbindlich, bedeutet jedoch, dass gegen diehier aufgenommenen technischen Regeln ggf. mitden ergänzenden Regelungen keine bauaufsichtlichenVorbehalte bestehen.

Die Harmonisierung von Bauproduktregelun-gen in Europa nach der Bauproduktenrichtlinie hatdie Bauregellisten als auch die Liste der TechnischenBaubestimmungen stark verändert.

Unzureichend harmonisierte Produktspezifika-tionen (harmonisierte Normen (hEN), europäischetechnische Zulassungen (ETA)) mussten hinsichtlichbestimmter Produkteigenschaften in der BauregellisteB nachgeregelt werden. Insbesondere betrifft dies Re-gelungen zu Anforderungen an Hygiene, Gesundheitund Umweltschutz und an den Brandschutz.

Dazu können z.B. folgende Festlegungen inder Bauregelliste B Teil 1 getroffen werden:

■ welche Klassen und Leistungsstufen Bauproduktenach hEN oder ETA in Deutschland erfüllen müs-sen,

■ welche nationalen „Restregelungen“ notwendigsind, wenn bestimmte Produkteigenschaften nichtgeregelt sind; dies führt zusätzlich zur „CE“- zueiner „Ü“-Kennzeichnung,

■ Verweis auf bauaufsichtliche Verwendungsvor-schriften (LTB) über Anlage 01 (Abb. 1).

Mit den Regelungen in der LTB Teil I, II bezie-hungsweise III wird die Verwendung von Bauproduk-ten und Bausätzen ggf. auch unter Einschränkungenermöglicht. Im Teil I erhalten bestehende Planungs-und Bemessungsnormen vorübergehend eine E-Anla-ge, bis die harmonisierten Bauproduktnormen dortunmittelbar in Bezug genommen werden. Abb. 2zeigt das Beispiel der Verwendungsregelung für Geo-textilien nach EN 13251: 2000-12. Teil II enthält An-wendungsregelungen für Bauprodukte und Bausätzenach europäischen technischen Zulassungen und har-monisierten Normen nach der Bauproduktenrichtlinie

BRL B Teil I (Ausgabe 2011/1)

Anlage 1/3.7:Holzbauteile mit geklebten tragenden Verbindungen dürfen nurverwendet werden, wenn diese Verbindungen mit Klebstoffenhergestellt worden sind, die als Klebstoff des Typs I nach DINEN 301:2006-09, Tabelle 1, klassifiziert sind. Dies gilt nicht fürdie Verbindung der Komponenten in Holzwerkstoffen mit Aus-nahme von Brettsperrholz.

Anlage 1/3.2:In Fällen, in denen die Produkte nicht mit Holz- oder Feuer-schutzmitteln behandelt sind, ist dies zusätzlich zur CE-Kenn-zeichnung ausdrücklich anzugeben.Die Festlegungen zur Festigkeit und Steifigkeit entsprechendAbschnitt 5.1 der Norm sind im Rahmen einer allgemeinen bau-aufsichtlichen Zulassung zu treffen. Bei Produkten, die mit Holz-oder Feuerschutzmitteln behandelt sind, ist im Rahmen der Zu-lassung auch die Gesundheitsverträglichkeit zu beurteilen.

Abb. 1: Festlegungen in der Bauregelliste B Teil 1

1.3.3.1 vorgefertigte Fachwerkträger EN14250-2004 Anlage 01mit Nagelplatten in Deutschland Zusätzlich gilt:

umgesetzt durch Anlage 1/3.2 DIN EN 14250:2005-02 und 1/3.7

LTB Teil I

2 Technische Regeln zur Bemessung und zurAusführung

2.1 Grundbau

Anlage 2.1/7 E

Für die Verwendung von Bauprodukten nach harmonisiertenNormen im Erd- und Grundbau ist Folgendes zu beachten:

Geotextilien und geotextilverwandte Produkte nachEN 13251:2000-121):

Die Verwendungen, bei denen die Geotextilien oder geotextil-verwandten Produkte für die Standsicherheit der damit be-wehrten baulichen Anlagen erforderlich sind, sind nicht gere-

2.1.1 DIN1054 Baugrund; Sicherheitsnachweise Januar 2005 *)Anlage 2.1/7E, im Erd- und Grundbau2.1/8 und 2.1/9/A1 –, Änderung A1 Juli 2009 *)

Abb. 2: Beispiel der Verwendungsregelung für Geotextili-en nach EN 13251: 2000-12 in der Liste der TechnischenBaubestimmungen (LTB)

LTB Teil II

5 Anwendungsregelungen für Bauprodukte nachharmonisierten Normen (September 2010)

Anlage 5/5

1 Für den Tragsicherheistnachweis der Unterkonstruktion,der Fassadenelemente und der mechanischen Verbindungenvon Fassaden sind die in den lfd. Nm. 2.4.1, 2.4.4, 2.4.7, 2.4.8,2.4.11, 2.5.1, 2.5.3, 2.6.6 und 2.6.7 von Teil 1 der Muster-Listeder Technischen Baubestimmungen genannten relevantentechnischen Regeln zu beachten.

Sofern der Tragsicherheitsnachweis der Unterkonstruktion, derFassadenelemente und der mechanischen Verbindungen vonVorhangfassaden nicht nach den zuvor genannten techni-schen Regeln geführt werden kann, ist er durch eine allgemei-ne bauaufsichtliche Zulassung zu erbringen.

2 Bei der Ermittlung des Rechenwertes des bewertetenSchalldämm-Maßes gemäß DIN 4109 aus dem nach EN 13830angegebenen Nennwert ist ein Vorhaltemaß von –2 dB zuberücksichtigen.

Lfd. Nr. Bezeichnung des Harmonisierte Norm Anwendungs-Bauprodukts regelung

1 2 3 4

5.5. Vorhangfassaden EN 13830:2003 Anlage 5/5in Deutschland umgesetztDIN EN 13830:2003-11

Abb. 3: Verwendungsregelung für Geotextilien (siehe Abb.2) am Beispiel von Vorhangfassaden nach EN 13830:2003

Page 62: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

PRÜFPRAXIS

62Der Prüfingenieur Mai 2012

soweit es im Teil I oder anderen allgemein anerkann-ten Regeln der Technik keine Verwendungsregelun-gen gibt. Abb. 3 zeigt dies am Beispiel von Vorhang-fassaden nach EN 13830:2003. Im Teil III sind An-wendungsregelungen für Bauprodukte und Bausätze,die in den Geltungsbereich von Verordnungen nach§ 17 Absatz 4 und § 21 Absatz 2 MBO fallen (zurZeit nur die Verordnung zur Feststellung der wasser-rechtlichen Eignung von Bauprodukten und Bauartendurch Nachweise nach der Musterbauordnung (Was-BauPVO)), aufgeführt. Das sind z.B. Kleinkläranla-gen nach EN 12566-1.

5.2 Die Einführung von Eurocodes alsTechnische Baubestimmung

Die Bauaufsicht hat sich frühzeitig mit derUmstellung der nationalen Planungs- und Bemes-sungsnormen auf das europäische Regelwerk der Eu-rocodes (Normenreihe DIN EN 1990 bis 1999) be -fasst. Probleme bei der Umstellung sollen damitmöglichst gering gehalten werden. Der Normungs-prozess wurde fachlich durch Vertreter der Bauauf-sicht als auch finanziell begleitet. Für die Eurocodesmit ihren nationalen Anhängen hat das Deutsche In-stitut für Bautechnik mit Mitteln der Länder 75 For-schungsvorhaben mit Forschungsmitteln von insge-samt mehr als 2,3 Mio. Euro gefördert. Auch galt es,die bauaufsichtliche Einführung vorzubereiten. Dazuwar uns die Meinung aller am Bau Beteiligten wich-tig. In Auswertung der Stellungnahmen und dem ab-sehbaren Vorliegen der Eurocodes mit den entspre-chenden Nationalen Anhängen hat die ARGEBAUdie Kammern und Verbände über ihr weiteres Vorge-hen zur bauaufsichtlichen Einführung der Eurocodesmit Schreiben vom 25. 08 2010 informiert. Voraus-setzungen für die bauaufsichtliche Einführung sind:

■ das Eurocodegesamtpaket oder vernünftig ab-grenz- und anwendbare und möglichst in sich ge-schlossene Teilpakete liegen vor,

■ die dazugehörigen Vergleichsrechnungen und dieAnwendungserprobung sind abgeschlossen,

■ die entsprechenden Eurocodeteile und insbeson-dere die dazugehörigen Nationalen Anhänge wur-den von bauaufsichtlicher Seite durchgesehen und

■ das Notifizierungsverfahren nach der Informati-onsrichtlinie 98/34/EG wurde absolviert.

Für das in diesem Schreiben avisierte Paket,bestehend aus Eurocode 0 „Grundlagen“, Eurocode 1„Einwirkungen“, Eurocode 2 „Betonbau“, Eurocode3 „Stahlbau“, Eurocode 4 „Verbundbau“, Eurocode 5„Holzbau“, Eurocode 7 „Grundbau“ und Eurocode 9„Aluminiumbau“ wurde die bauaufsichtliche Ein-führung und die Streichung der korrespondierendennationalen Normen aus der M-LTB von der Fach-kommission Bautechnik in ihrer Dezembersitzung

2011 beschlossen und die Notifizierung der geänder-ten M-LTB eingeleitet. Stichtag für die Umsetzungsoll der 1. Juli 2012 sein.

Sowohl das gesamte europäische als auch dasnationale Normenwerk (z.T. enthalten in der M-LTB)stehen derzeit stark in der Kritik. Deshalb sind dieBemühungen zur Vereinfachung der Normen sehr zubegrüßen. Es darf aber nicht übersehen werden, dassdie Flut der Normen und ihr Umfang auch dem tech-nischen Fortschritt geschuldet sind. Durch ausgefeilteBerechnungsmethoden, präzise und detailierte Bau-teilanforderungen wurden Bauarten optimiert undKosten eingespart. Neue Bauarten konnten aufgrundvon Erfahrungen aus der Zulassungspflicht entlassenwerden, bedurften dann aber einer technischen Regel.Auch Bemühungen behördlicherseits zur Deregulie-rung wurden durch privatrechtliche Normung ersetztund überreglementiert. Deshalb ist es richtig, dass dieAnwender der Normen stärker in den Normungspro-zess eingebunden werden.

6 Bauüberwachung

Die Bauüberwachung ist ein wesentlicher Teilder bautechnischen Prüfung.

Nach § 81MBO überwacht die Bauaufsichts-behörde bzw. der von ihr beauftragte Prüfingenieuroder der Prüfsachverständige nach näherer Maßgabeder M-PPVO die Bauausführung hinsichtlich des vonihnen geprüften oder bescheinigten Standsicherheits-nachweises. Das bedeutet, dass die Prüfung derStandsicherheitsnachweise und die Bauüberwachungin einer Hand liegen müssen. Eine Vertretung durchandere Prüfingenieure/Prüfsachverständige kann nurin Ausnahmefällen zulässig sein. Dies ergibt sichauch aus § 13 Absatz 1a M-PPVO, wonach Prüfinge-nieure/Prüfsachverständige nur Prüfaufträge anneh-men dürfen, wenn sie unter Berücksichtigung desUmfangs ihrer Prüftätigkeit und der Zeit, die siebenötigen, um auf der Baustelle anwesend zu sein,die Überwachung der ordnungsgemäßen Bauaus-führung sicherstellen können, sowie aus § 13 Absatz4 M-PPVO.

Die Bauüberwachung kann sich auf Stichpro-ben beschränken. Nach pflichtgemäßem Ermessensind insbesondere die für Standsicherheit wesentli-chen Bauteile und Bauzustände in Augenschein zunehmen. Deren Auswahl kann nicht dem ausführen-den Unternehmen überlassen bleiben, sondern ist vomPrüfingenieur bzw. Prüfsachverständigen festzulegen.Umfang und Häufigkeit richten sich nach Komplexitätund Schwierigkeitsgrad des Bauvorhabens. Auch die

Page 63: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

PRÜFPRAXIS

63Der Prüfingenieur Mai 2012

fachliche Qualifikation und Zuverlässigkeit des Un-ternehmens können dabei eine Rolle spielen.

Im Rahmen der Bauüberwachung können Pro-ben von Bauprodukten, soweit erforderlich, auch ausfertigen Bauteilen zu Prüfzwecken entnommen wer-den. Insbesondere kann dies angezeigt sein, wennBauteile fertiggestellt wurden, ohne dass dem Prüfin-genieur/Prüfsachverständigen Gelegenheit zur Ein-sichtnahme, z.B. der Bewehrung, gegeben wurdeoder Baustoffe ohne Nachweise ihrer Qualität einge-baut wurden.

Dem Prüfingenieur/Prüfsachverständigen istauch jederzeit Einblick in die Genehmigungen, Zu-lassungen, Prüfzeugnisse, Übereinstimmungszertifi-kate, Zeugnisse und Aufzeichnungen über die Prüf -un gen von Bauprodukten, in die Bautagebücher undandere vorgeschriebene Aufzeichnungen zu ge-währen. Dazu gehören auch Eignungsnachweise oderHerstellerqualifikationen der ausführenden Firmen,wenn eine besondere Sachkunde und Erfahrung vor-geschrieben sind.

7 Hinweise der Fach-kommission Bautechnik

Die Fachkommission Bautechnik hat sich inden letzten Jahren mehrfach mit grundlegenden Pro-blemen befasst, die bei der Planung und Ausführungvon Tragwerken aufgetreten sind, und, soweit diesangezeigt war, entsprechende Informationen veröf-fentlicht. Ein Beispiel sind die Hinweise und Beispie-le zum Vorgehen beim Nachweis der Standsicherheitbeim Bauen im Bestand. Die Hinweise gelten nur fürdie Anwendung bautechnischer Regelungen, die fürdie Standsicherheit baulicher Anlagen von Bedeu-tung sind. Dabei kann die Frage, welche Einwir-kungsnormen und welche Bemessungsnormen beim

Umbau bestehender baulicher Anlagen anzuwendensind, nicht pauschal beantwortet werden, sondernhängt vom Einzelfall ab. Die Hinweise enthalten aberallgemeingültige Grundsätze und Beispiele.

Aufgrund von Beanstandungen bei der Prüf -ung sowie Schadensfällen bei Nagelplattenkonstruk-tionen war es erforderlich zu dieser KonstruktionsartHinweise bekannt zu machen. Zu beachten ist insbe-sondere:

■ dass es keine „zimmermannsmäßigen Konstruk-tionen“ sind, sondern solche, die konsequent inge-nieurmäßig geplant und ausgeführt werden müs-sen (bautechnische Unterlagen nach DIN1052:2008-12, Abschnitt 4),

■ Anforderungen an die Robustheit (vgl. DIN 1055-100:2001-03, Abschnitt 4.1),

■ räumliches Tragverhalten,■ die Doppelfunktion der Dachpfetten bzw. Dach-

latten als Pfette und als Bestandteil der Dachaus-steifung,

■ dass Dachlatten als Bestandteil des räumlichenAussteifungssystems eines statischen Nachweisesunter Beachtung der Anschlüsse und Stöße bedür-fen, das Erfordernis von Hinweisen für die Aus-führenden,

■ die Knickaussteifung von schlanken gedrücktenBauteilen in Bereichen außerhalb der Dachebenez.B. bei Zwischengurten zweigeteilter Fachwerke.

Die Hinweise sind nachzulesen auf der Inter-netseite der Bauministerkonferenz (www.baumini-sterkonferenz.de oder www.is-argebau.de).

u Die Liste der Technischen Baubestimmungen(LTB) stehen auf der Website der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik zum Download be-reit, und zwar unter:

u www.dibt.de / Aktuelles / Technische Baubestim-mungen

8 Literatur/Quellen

[1] Musterbauordnung – MBO – Fassung November 2002, zu-letzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vomOktober 2008

[2] Muster-Verordnung über die Prüfingenieure und Prüfsachver-ständigen nach § 85 Abs. 2 MBO (M-PPVO) – Fassung Septem-ber 2008, zuletzt geändert durch Beschluss der FachkommissionBauaufsicht vom April 2009

[3] Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG vom 12.Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt)

[4] Muster einer Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsicht-liche Anzeigen (Musterbauvorlagenverordnung) – MBauVorlV –Fassung Februar 2007

Page 64: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

64Der Prüfingenieur Mai 2012

BRANDSCHUTZ

studierte Maschinen- undGerätebau und absolvierte eineFeuerwehrausbildung; 1988 bis1991 war Sicherheitsingenieuram Deutschen Nationaltheaterin Weimar und seit 1991 ist erInhaber eines Ingenieurbürosfür Arbeitssicherheit undBrandschutz, seit 2002 auchdes Sachverständigenbüros für

Brandschutz in Weimar; er ist zudem Prüfingenieurfür baulichen Brandschutz, öffentlich bestellter undvereidigter Sachverständiger für Brandschutz sowiePrüfer für den Brandschutz beim Eisenbahn-Bundes-amt

Dipl.-Ing. Erhard Arnold

Freud und Leid des Prüfens:Erfahrungen bei der Prüfungvon BrandschutzkonzeptenEin Prüfingenieur für Brandschutzberichtet über seine Erfahrungenaus neun Jahren Prüftätigkeit

Seit mehr als 15 Jahren gibt es in Deutschland ho-heitlich tätige Prüfingenieure für Brandschutz. Daes in den einzelnen Bundesländern gleichzeitig je-doch auch noch privat beauftragte Prüfsachver-ständige oder staatlich anerkannte Sachverständi-ge für den Brandschutz gibt, erhebt sich bauord-nungsrechtlich die Frage, ob es im Sinne desSchutzes der Bürger nicht besser wäre, wenn inallen Bundesländern alle prüfenden und überwa-chenden Tätigkeiten für die unabhängige Durch-setzung und Sicherstellung eines präventivenBrandschutzes nach dem Vier-Augen-Prinzip ge-schähe und gesetzlich gleichlautend geregeltwären. Der Diskussion dieser immer wieder erho-benen berufspolitischen Forderung soll der fol-gende Beitrag dienen, der die Inhalte der hoheitli-chen mit denen der privat beauftragten Prüfun-gen vergleicht und die Defizite benennt, die in derPraxis bei der Aufstellung und Realisierung vonBrandschutzkonzepten häufig anzutreffen sind.

1 Einführung

In der Ausgabe Nr. 34 dieser Zeitschrift (April2009, Seite 62 ff.) wurde erstmals der „Prüfingenieurfür Brandschutz“ in einem Beitrag von Dr.-Ing. PeterWagner vorgestellt. Die in diesem Beitrag dargeleg-ten Sachverhalte – Status, Anerkennung und Prü-fungsverfahren – gelten auch weiterhin; im vorlie-genden Beitrag wird darauf Bezug genommen.

Der Verfasser ist seit neun Jahren als Prüfinge-nieur für Brandschutz in Thüringen und in anderenBundesländern tätig, in denen die gegenseitige Aner-kennung geregelt ist. Daneben arbeitet er auch als„Anerkannter Prüfer für den Brandschutz“ für das Ei-senbahn-Bundesamt, diese Tätigkeit ist inhaltlich derdes Prüfingenieurs nach M-PPVO ähnlich, sie fügtsich jedoch verwaltungsrechtlich in die nach demAllgemeinen Eisenbahngesetz gebildeten Strukturender Eisenbahnen ein, die zuständige Behörde ist hierdas Eisenbahn-Bundesamt (EBA).

Der „Prüfingenieur für Brandschutz“ stellt inder Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bau-technik noch eine Minderheit dar, neben den circa575 Prüfingenieuren für Standsicherheit gibt es bis-her lediglich 39 Prüfingenieure für Brandschutz inDeutschland.

2 Aktuelle Situation

Die Historie kennt den Prüfingenieur fürStandsicherheit seit ca. 80 Jahren, dies geht auf denErlass vom 03.12.1926 über die „Prüfingenieure fürBaustatik“ des Preußischen Ministers für Volkswohl-fahrt zurück. Deren Tätigkeit beinhaltete und bein-haltet die Prüfung der erforderlichen Standsicherheitvon tragenden, aussteifenden Bauteilen, aber auchvon raumabschließenden Bauteilen wie Brandwän-den und Decken im Brandfall (konstruktiver Brand-schutz).

Page 65: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

65Der Prüfingenieur Mai 2012

BRANDSCHUTZ

Die Prüfung aller anderen brandschutztechni-schen Sachverhalte, wie z.B. die Gewährleistung derRettungswege, blieb de jure traditionell eine Aufgabeder Bauaufsichtsbehörde, wurde de facto aber häufigvon den Feuerwehren ausgeübt.

Aufgrund der guten Erfahrungen mit dem er-probten Verfahren für die Prüfung der Standsicherheitexistiert der Prüfingenieur für Brandschutz seit etwa15 Jahren. Die Prüfung der bautechnischen Nachwei-se nach MBO § 66, hier der Brandschutznachweise,wird nicht mehr ausschließlich durch die Behördenvorgenommen, sondern in einer Reihe von Bundes-ländern zunehmend auch durch die Prüfingenieurefür Brandschutz.

Die Prüfung des Brandschutzes ist dabei nachwie vor eine bauaufsichtliche Aufgabe, sie kann abervon der Behörde mit einem öffentlich-rechtlichenAuftrag an eine geeignete natürliche Person vergebenwerden, es erfolgt eine „Beleihung“.

Der Prüfingenieur für Brandschutz ist beliehe-ne Person

■ er erfüllt hoheitliche Aufgaben,■ er unterliegt der Fachaufsicht durch die Oberste

Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes, ■ er wird in der Regel durch die untere Bauauf-

sichtsbehörde beauftragt (länderspezifisch), ■ er ist auch bei privater Beauftragung durch den

Bauherrn hoheitlich tätig (länderspezifisch),■ unterliegt der Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.

mit § 839 BGB.

Diese Konstellation ist leider im Bundesgebietnicht einheitlich. Die Grafik zeigt den aktuellen Stand.

Die unter den Begriffen

■ Prüfingenieur für Brandschutz■ Prüfsachverständiger für Brandschutz

■ Staatlich anerkannter Sachverständiger für diePrüfung des Brandschutzes

verborgenen Aufgaben und Befugnisse für die Prü-fung von Brandschutznachweisen sind dabei in denBundesländern unterschiedlich. Die wichtigsten wer-den hier kurz zusammengefasst.

a) Prüfingenieur für Brandschutz

Beauftragung – öffentlich

Status – beliehener Unternehmer, ist hoheitlich tätig

Befugnis – Abweichungen zulassen*– Erleichterungen bestätigen*– Zusätzliche Forderungen erheben* nur Berlin, nicht Berlin

Aufgabe Prüfen von– Brandschutznachweisen für Ge-

bäudeklasse 5, Sonderbauten undGaragen

– Abweichungen bei Gebäudeklasse1-4

Zusatz – in Thüringen ist der Prüfingenieurdem nachweisberechtigen Fach-planer bei der Gebäudeklasse 4gleichgestellt

b) Prüfsachverständige für Brandschutz

Beauftragung – privat

Status – keine hoheitliche Tätigkeit

Befugnis – kann keine Abweichungen zulas-sen

Aufgabe – Bescheinigung von BSN Gebäu-deklasse 5, Sonderbauten und Ga-ragen

Zusatz – kann als Ersteller von Brand-schutznachweisen für Gebäude aller Gebäudeklassen ohne Bau-vorlageberechtigung tätig sein

c) Sachverständige für die Prüfung des Brand-schutzes

Beauftragung – privat

Status – keine hoheitliche Tätigkeit

Befugnis – kann keine Abweichungen zulassen

Page 66: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

66Der Prüfingenieur Mai 2012

BRANDSCHUTZ

– muss Forderungen der Brand-schutzdienststelle übernehmen

Aufgabe – Prüfen ob Bauvorlagen den Anfor-derungen an den Brandschutz ent-sprechen

Zusatz – Ersteller von Brandschutznach-weisen für Gebäude, die nichtSonderbauten sind

2 Die Prüfung desBrandschutzes

2.1 Allgemeines

Das Ziel der Prüfung des Brandschutzes ist dieSicherstellung des Vier-Augen-Prinzips für die Über -einstimmung der vorgelegten Bauvorlagen mit denbauordnungsrechtlichen Schutzzielen. Diese sind in§ 14 MBO definiert:

Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu er-richten, zu ändern und instand zu halten, dass derEntstehung eines Brandes und der Ausbreitung vonFeuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugtwird und bei einem Brand die Rettung von Menschenund Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglichsind.

Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass derBrandschutz deutlich mehr umfasst, als die Gewähr-leistung der Standsicherheit im Brandfall. Dies wirdauch erkennbar, wenn man die Personenschädendurch Brand analysiert. Hier lassen sich nur sehr sel-tene Ereignisse finden, bei denen das Versagen vonBauteilen ursächlich für einen Personenschaden war;dagegen sind Verletzungen durch Brandrauch, durchTemperatureinwirkungen oder durch Verletzungenbei Rettungsarbeiten sowohl bei Nutzern baulicherAnlagen als auch bei den Einsatzkräften sehr vielhäufiger.

Der Prüfingenieur für Brandschutz muss dem-nach feststellen, ob die nach den vorgelegten Unterla-gen errichtete bauliche Anlage diesem Schutzzielentsprechen kann. Prüfungsgegenstand sind dabei dieBrandschutznachweise für Gebäude der Gebäude-klassen 4 und 5 und die Brandschutzkonzepte fürSonderbauten und Garagen, die größer als 100 Qua-dratmeter sind.

Für die genannten baulichen Anlagen bestehtnach § 66 MBO die Pflicht zur Vorlage eines Brand-schutznachweises/Brandschutzkonzepts im Zuge des

Baugenehmigungsverfahrens. Der Ablauf der Prü-fung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

■ Auftrag durch untere Bauaufsichtsbehörde oderAuftrag durch Bauherrn,

■ Übergabe zu prüfender Unterlagen (nach M-Bau-VorlV § 11),

■ Beteiligung Brandschutzdienststelle,■ Erstellung des Prüfberichts

Der Brandschutznachweis/das Brandschutz-konzept muss dabei mit den anderen Bauvorlagenübereinstimmen, die Herstellung dieser Übereinstim-mung ist jedoch nicht die Aufgabe des Prüfingenieursfür Brandschutz, sondern die des Entwurfsverfassers.

Das Ergebnis der Prüfung ist eine Bestätigungder Übereinstimmung der Bauvorlagen mit dem Bau-recht, d.h. die Bestätigung dafür, dass das Schutzzielfür den Brandschutz nach diesen Unterlagen erreichtwird.

Die Aufgabe des Prüfingenieurs für Brand-schutz ist dabei Prüfen des Brandschutznachwei-ses/Brandschutzkonzepts auf Vollständigkeit und„Richtigkeit“. Er muss im Regelfall die zuständigeBrandschutzdienststelle beteiligen und deren Stel -lung nahme zu den Belangen des abwehrendenBrand schutzes würdigen.

Nach Erteilen der Baugenehmigung durch dieuntere Bauaufsichtsbehörde, die entweder den vomPrüfingenieur verfassten Prüfbericht aufnimmt oderdiesen zum Bestandteil der Genehmigung macht,gehört die Überwachung der Bauausführung mit ei-nem abschließenden Bericht – er heißt in den Bun-desländern überwiegend „Bescheinigung“ –, in demdie Übereinstimmung der Bauausführung mit den ge-prüften Bauvorlagen und den ggf. in der Baugeneh-migung enthaltenen Auflagen zum Brandschutz fest-gestellt wird.

Es gehört nicht zu den Aufgaben des Prüfinge-nieurs für Brandschutz, die vorgelegten Unterlagenauf „Wirtschaftlichkeit“ zu prüfen, noch Kollisionenmit anderen Vorschriften oder Schutzzielen zu bewer-ten, wie etwa denkmalrechtliche Belange. Insbeson-dere bei der Wirtschaftlichkeit ist es zuweilenschmerzhaft, wenn der Prüfingenieur über Lösungenbefinden muss, mit denen das Schutzziel erreichtwird, diese jedoch nicht die optimale Lösung darstel-len.

2.2 Prüfen auf Vollständigkeit

Bei der Prüfung auf Vollständigkeit des Brand-schutznachweises müssen vom Prüfingenieur für denBrandschutz folgende Punkte erfasst werden:

Page 67: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

67Der Prüfingenieur Mai 2012

BRANDSCHUTZ

1. das Brandverhalten der geplanten Baustoffe (Bau-stoffklasse) und die Feuerwiderstandsfähigkeit dergeplanten Bauteile (Feuerwiderstandsklasse) ent-sprechend den Benennungen nach MBO oder ent-sprechend den Klassifizierungen nach den Anla-gen zur Bauregelliste A Teil 1,

2. die Bauteile, Einrichtungen und Vorkehrungen, andie Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzesgestellt werden, wie Brandwände und Decken,Trennwände, Unterdecken, Installationsschächteund -kanäle, Lüftungsanlagen, Feuerschutzab-schlüsse und Rauchschutztüren, Öffnungen zurRauchableitung, einschließlich der Rettungsfen-ster,

3. die Nutzungseinheiten, die Brand- und Rauchab-schnitte,

4. die aus Gründen des Brandschutzes erforderlichenAbstände innerhalb und außerhalb des Gebäudes,

5. der erste und zweite Rettungsweg nach MBO, ins-besondere notwendige Treppenräume, Ausgänge,notwendige Flure, mit Rettungsgeräten der Feuer-wehr erreichbare Stellen einschließlich der Fen-ster, die als Rettungswege dienen, unter Angabeder lichten Maße und Brüstungshöhen,

6. die Flächen für die Feuerwehr, Zu- und Durchgän-ge, Zu- und Durchfahrten, Bewegungsflächen unddie Aufstellflächen für Hubrettungsfahrzeuge,

7. die Löschwasserversorgung.

Bei der Prüfung von Sonderbauten nach § 2 (4)MBO zusätzlich:

1. brandschutzrelevante Einzelheiten der Nutzung,insbesondere auch die Anzahl und Art der diebauliche Anlage nutzenden Personen sowie Ex-plosions- oder erhöhte Brandgefahren, Brandla-sten, Gefahrstoffe und Risikoanalysen,

2. Rettungswegbreiten und -längen, Einzelheiten derRettungswegführung und -ausbildung einschließ-lich Sicherheitsbeleuchtung und -kennzeichnung,

3. technische Anlagen und Einrichtungen zumBrandschutz, wie Branderkennung, Brandmel-dung, Alarmierung, Brandbekämpfung, Raucha-bleitung, Rauchfreihaltung,

4. die Sicherheitsstromversorgung,5. die Bemessung der Löschwasserversorgung, Ein-

richtungen zur Löschwasserentnahme sowie dieLöschwasserrückhaltung,

6. betriebliche und organisatorische Maßnahmen zurBrandverhütung, Brandbekämpfung und Rettungvon Menschen und Tieren wie Feuerwehrplan,Brandschutzordnung, Werkfeuerwehr, Bestellungvon Brandschutzbeauftragten und Selbsthilfekräf-ten

Aus den Erfahrungen der letzten neun Jahrekann durch den Verfasser abgeleitet werden (ohnedass dies statistisch abgesichert ist), dass die

häufigs ten Defizite bei der „Vollständigkeit“ derBrandschutznachweise und -konzepte hier aufgetre-ten sind:

■ fehlende Angaben über die Feuerwiderstandsdau-er von Bauteilen:– es wird nur eine allgemeine Bauteilbeschrei-

bung vorgenommen („Massivwand, Stahltrag-werk, bestehende Holzbalkendecke“),

– keine exakte Benennung des vorliegenden Feu-erwiderstands oder auch über das Fehlen einesNachweises,

■ fehlende Angaben zu den brandschutztechnischrelevanten Abständen:– es fehlt ein Lageplan,– im Lageplan fehlen die Grundstücksgrenzen;

■ bei Grenzbebauungen, Unterschreiten der Minde-stabstände oder Überbauung von Grundstücks-grenzen fehlen Angaben über die Eigentumsver-hältnisse (z.B. Vereinigung) oder die öffentlich-rechtliche Sicherung,

■ fehlende Angaben über die Flächen für die Feuer-wehr:– Feuerwehrflächen werden gar nicht angege-

ben, sind im Lageplan nicht verzeichnet,– Bewegungsfläche und Aufstellfläche werden

in mindestens 75 Prozent der Fälle verwechselt– zuweilen selbst von den beteiligten Brand-schutzdienststellen,

■ fehlende Angaben über die Löschwasserversor-gung: es erfolgt nur die Angabe über den erforder-lichen Löschwasservolumenstrom und keine Aus-sage über die Verfügbarkeit am Standort des ge-planten BV,

■ fehlende Angaben über die Bauteile der Haustech-nik:– Lüftungsanlagen werden nicht beschrieben,– Leitungsanlagen werden nicht beschrieben,– ob Systemböden vorliegen, bleibt unklar.

2.3 Prüfen auf Richtigkeit

Während der Prüfung auf „Richtigkeit“ dervorgelegten Unterlagen muss das Gesamtkonzept desBrandschutzes für das konkrete Bauvorhaben – esliegt immer eine Einzelfallprüfung vor – mit demSchutzziel des Brandschutzes abgeglichen werden.Dieses Gesamtkonzept besteht aus den Komponenten

■ Baulicher Brandschutz■ Anlagentechnischer Brandschutz■ Abwehrender Brandschutz■ Organisatorischer Brandschutz

Page 68: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

BRANDSCHUTZ

68Der Prüfingenieur Mai 2012

Ein häufiger, meist gravierender Mangel in denBauvorlagen zum Brandschutz war und ist das Fehleneiner „planerischen Absicht“. Das bedeutet, in denBauvorlagen werden die Angaben aus der geltendenLandesbauordnung, den mitgeltenden Sonderbauvor-schriften und Technischen Regeln umfangreich zi-tiert, eine Darstellung der geplanten Umsetzung amkonkreten Bauwerk fehlt jedoch.

Daneben sieht sich der Brandschutzprüfer häu-fig der Situation gegenüber, dass grundsätzliche Feh-ler bei der bauordnungsrechtlichen Einstufung vonGebäuden vorliegen:

■ Gebäude werden der falschen Gebäudeklasse zu-geordnet,

■ Gebäude werden keiner Gebäudeklasse zugeord-net, da sie Sonderbauten sind.

Dritter gewichtiger Aspekt ist die Verfahrens-durchführung, grundsätzliche Fehler dabei sind:

■ sehr große Unsicherheit beim Sonderbau nach§ 51 MBO:– es werden Abweichungen nach § 67 MBO be-

antragt, wo Erleichterungen zutreffend sind,– Anwendung von Sonderbauvorschriften, ob-

wohl das Gebäude nicht in deren Geltungsbe-reich liegt,

– Einordnung eines Gebäudes als Sonderbau, ob-wohl kein Sachverhalt nach § 2(4) MBO zu-trifft,

■ es werden Abweichungen nach § 67 MBO fürSachverhalte nach § 3 (3) MBO beantragt (Ab-weichungen von ETB),

■ der Unterschied zwischen Abweichungen/Erleich-terungen (von bauordnungsrechtlichen Vorschrif-ten) und Zustimmungen im Einzelfall (bei Abwei-chungen von oder dem Fehlen einer Zulassung fürnicht geregelte Bauprodukte) ist nicht klar,

■ Beantragung von Abweichungen, die nicht diemateriellen Anforderungen der BauO betreffen,z.B. Änderung der Gebäudeklasse.

Einen besonderen Aufwand bei der Prüfungvon Brandschutznachweisen und -konzepten, sowohlquantitativ als auch qualitativ, erfordert die Behand-lung von Abweichungstatbeständen. Die MBO siehtdie Zulassung von Abweichungen grundsätzlich vor,der Bauherr hat darauf einen Rechtsanspruch. Ermuss jedoch mit den Bauvorlagen den Beweis er-bringen, dass die von ihm gewählte baulicheund/oder technische Lösung das Schutzziel desBrandschutzes auch erfüllt. Insbesondere bei Be-standsgebäuden treten zahlreiche Abweichungstat-

bestände auf; nach den Erfahrungen des Verfassersnehmen diese im Bereich des Brandschutzes einendeutlich größeren Raum ein als bei der Prüfung derStandsicherheit.

Ein deutlich mit Zuwachs gekennzeichnetesGebiet ist der Brandschutznachweis unter Zuhilfe-nahme der Ingenieurmethoden des Brandschutzes;dabei werden brandschutztechnisch relevante Zusam-menhänge mathematisch abgebildet und daraus An-forderungen an Bauteile oder Anlagen abgeleitet. Ex-emplarisch seien genannt die Brandsimulationsrech-nungen (Zonen- oder Feldmodelle) zur Ermittlungder Brandrauchausbreitung und Brandrauchtempera-tur oder die Personenstromanalysen zur Ermittlungvon Entfluchtungszeiten. Hier besteht die anspruchs-volle Aufgabe des Prüfens darin, die Plausibilität desgewählten Ansatzes und die Eignung des gewähltenModells für das betrachtete Problem zu bewerten,ggf. Nachbesserungen zu verlangen oder auch eineNachrechnung vorzunehmen. Dieses Teilgebiet wirddurch die verbindliche Einführung der Eurocodesdeutlich an Bedeutung gewinnen.

3 Zusammenfassungund Ausblick

Die Tätigkeit des Prüfingenieurs für Brand-schutz ist eine anspruchsvolle und abwechslungsrei-che Tätigkeit; bei der Taxierung der Begriffe aus derÜberschrift überwiegt nach den Erfahrungen des Ver-fassers deutlich die „Freude“.

Für die Gruppe der Prüfingenieure für Brand-schutz hält die Zukunft zweifelsohne einige Heraus-forderungen bereit:

1 Interessenvertretung in den Landesverbänden undim BundesverbandEine Stärkung der Präsenz in den Landesverbän-den und im Bundesverband der VPI ist erforder-lich. Als Bespiel sei der Landesverband Thürin-gen genannt, hier sind 18 Prüfingenieure fürStandsicherheit und 4 Prüfingenieure für Brand-schutz vereint, der Vorstand wird gebildet aus demVorsitzenden und je einem Stellvertreter fürStandsicherheit und Brandschutz

2 Fachlicher AustauschBislang erfolgt dieser über ein jährliches unge-zwungenes Arbeitstreffen der „mitteldeutschenPrüfingenieure für Brandschutz“, inzwischen neh-men auch Prüfingenieure aus dem Saarland, ausBerlin und Brandenburg sowie aus Mecklenburg-Vorpommern daran teil. Eine Weiterentwicklung

Page 69: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

BRANDSCHUTZ

69Der Prüfingenieur Mai 2012

in eine geordnete Struktur evtl. im Rahmen derBVPI ist wünschenswert.

3 Überarbeitung der VergütungsregelnDie Gebührentafel der M-PPVO bildet den erfor-

derlichen Aufwand der Prüfingenieure für Brand-schutz bei ihrer Aufgabenerfüllung nicht korrekt ab,insbesondere bei kleinen und mittleren Bauvorhabenergibt sich nach der gültigen Gebührentafel einenichtauskömmliche Prüfgebühr. Für die oben be-schriebene Prüfung von ingenieurtechnischen Nach-weisen oder die Nachrechnung von Simulationenfehlt ein Gebührentatbestand.

4 AußenwirkungIn der täglichen Arbeit der Prüfingenieure fürBrandschutz werden die Defizite bei der Erstel-lung der Bauvorlagen hinsichtlich des Brand-schutzes mehr als deutlich. Hier sollten die Prüfin-genieure offensiv an der Wissensvermittlung be-teiligt sein und bei den Anbietern von Fortbildun-gen auf diesem Gebiet vortragen oder beispiels-weise über die Ingenieur- und Architektenkam-mern den Entwurfsverfassern und Aufstellern vonBrandschutznachweisen eine Qualifikation ange-deihen lassen.

Page 70: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084

70Der Prüfingenieur Mai 2012

IMPRESSUM

Herausgeber:Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.

Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, Kurfürstenstr. 129, 10785 BerlinE-Mail: [email protected], Internet: www.bvpi.de

ISSN 1430-9084

Redaktion:Klaus Werwath, Lahrring 36, 53639 Königswinter

Tel.: 0 22 23/9123 15, Fax: 0 22 23/9 09 80 01E-Mail: [email protected]

Technische Korrespondenten:

Baden-WürttembergDr.-Ing. Frank Breinlinger, Tuttlingen

Bayern:Dr.-Ing. Markus Staller, Gräfelfing

Berlin:Dipl.-Ing. J.-Eberhard Grunenberg, Berlin

Brandenburg:Prof. Dr.-Ing. Gundolf Pahn, Herzberg

Bremen:Dipl.-Ing. Ralf Scharmann, Bremen

Hamburg:Dipl.-Ing. Horst-Ulrich Ordemann, Hamburg

Hessen:Dipl.-Ing. Bodo Hensel, Kassel

Mecklenburg-Vorpommern:Dr.-Ing. Günther Patzig, Wismar, Wismar

Niedersachsen:Dipl.-Ing. Wolfgang Wienecke, Braunschweig

Nordrhein-Westfalen:Dipl.-Ing. Josef G. Dumsch, Wuppertal

Rheinland-Pfalz:Dipl.-Ing. Günther Freis, Bernkastel-Kues

Saarland:Dipl.-Ing. Gerhard Schaller, Homburg

Sachsen:Dr.-Ing. Klaus-Jürgen Jentzsch, Dresden

Sachsen-Anhalt:Dr.-Ing. Manfred Hilpert, Halle

Schleswig-Holstein:Dipl.-Ing. Kai Trebes, Kiel

Thüringen:Dipl.-Ing. Volkmar Frank, Zella-Mehlis

BVPI/DPÜ/BÜV/vpi-EBA:Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann

Druck:Vogel Druck und Medienservice, Leibnizstraße 5, 97204 Höchberg

DTP:Satz-Studio Heimerl

Scherenbergstraße 12 . 97082 Würzburg

Die meisten der in diesem Heft veröffentlichten Fachartikelsind überarbeitete Fassungen der Vorträge, die bei den Arbeitstagungen

der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik gehalten worden sind.

Der Inhalt der veröffentlichten Artikel stellt die Erkenntnisse und Meinungender Autoren und nicht die des Herausgebers dar.

„Der Prüfingenieur“ erscheint mit zwei Ausgaben pro Jahr.

Bestellungen sind an den Herausgeber zu richten.

Page 71: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084
Page 72: der Prüfingenieure für Bautechnik Der Prüf Prüf ingenieur · Mai 2012 Der Prüf Prüf ingenieur Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084