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1. Internationale Holzbrückentage 2010
Detailprobleme an den Tragwerken ausgewählter Holzbrücken | J. Pravida
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Detailprobleme an den Tragwerken ausgewählter Holzbrücken
Johann Pravida
Hochschule Rosenheim
Sailer Stepan und Partner GmbH
München, Deutschland
1. Internationale Holzbrückentage 2010
Detailprobleme an den Tragwerken ausgewählter Holzbrücken | J. Pravida
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1. Internationale Holzbrückentage 2010
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Detailprobleme an den Tragwerken ausgewählter Holzbrücken
1. Einleitung
In der Vergangenheit bis in die 1990er Jahre hinein wurden vor allem im kommunalen
und im nichtöffentlichen Bereich Brücken ausgeführt, bei denen der Holzbohlenbelag di-
rekt auf die Hauptträger befestigt wurde. Als Hauptträger wurden Vollholz- oder Brett-
schichtholzquerschnitte sowie Stahlwalzprofile verwendet. Bei den Holzträgern wurde
oftmals auf einen konstruktiven Holzschutz nicht ausreichend geachtet, so dass diese
Brücken teilweise in einem schlechten Zustand sind.
Aufgrund der einfachen Bauweise muss der Bohlenbelag die Aufgabe eines Brückenquer-
trägers – die Querlastverteilung - mit übernehmen. Dieser Effekt wurde in der statischen
Berechnung oftmals übersehen. Vor allem dann, wenn die Brücken auch für den LKW-
Verkehr dienen, kann das Fehlen von Brückenquerträgern zum Versagen der Bohlenbe-
festigung führen. Als Folge dieser Schäden kommt es zum typischen Klappern der Holz-
bohlen, wenn ein Fahrzeug über die Brücke fährt.
Dieser Beitrag möchte die Probleme an diesen Brücken sowohl aus statischer Sicht wie
auch aus Sicht des konstruktiven Holzschutzes näher beleuchten.
2. Statische Anforderungen an den Bohlenbelag
2.1. Lotrechte Verkehrslasten
Im Jahr 2003 wurde in Deutschland die Lastannahmennorm DIN 1072, Straßen- und
Wegbrücken; Lastannahmen [2] durch die neuen Regelungen des DIN-Fachberichtes 101
[5] ersetzt. Obwohl die Anwendung des DIN-Fachberichtes in Deutschland nur für Brü-
ckenbauwerke zwingend vorgeschrieben ist, die im Zuständigkeitsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) liegen, fordern darüber hin-
aus auch andere Bauherren die Anwendung dieser Vorschrift. Für die Nachrechnung von
bestehenden Brücken und für die Planung von Sanierungsmaßnahmen wird jedoch nach
wie vor auch auf die DIN 1072 Bezug genommen.
Holzbohlenbeläge kommen vor allem bei Fuß- und Radwegbrücken zum Einsatz, die je-
doch fallweise auch für die Befahrung mit Dienst- und Notfallfahrzeugen auszulegen sind.
Die Lastbilder für die Fahrzeuge sind vom Bauherrn explizit vorzugeben. Alternativ wer-
den für Dienst- und Notfallfahrzeuge die Lastbilder der DIN 1072 herangezogen.
Selbst wenn ein planmäßiges Befahren durch die genannten Fahrzeuge nicht vorgesehen
ist, muss als außergewöhnlicher Lastfall das unplanmäßige Befahren mit einem LKW be-
rücksichtigt werden. Das entsprechende Lastbild ist im DIN-Fachbericht 101, Abschnitt
5.6.3 zu finden.
Wird das unplanmäßige Befahren einer Fuß- und Radwegbrücke durch Kraftfahrzeuge
durch eine permanente Absperreinrichtung behindert, fordert der DIN-Fachbericht 101
immerhin noch den Ansatz einer einzelnen Punktlast.
Eine Zusammenstellung der auf den Bohlenbelag anzusetzenden lotrechten Radlasten bei
Fuß- und Radwegbrücken findet sich in Tabelle 1. Dabei fällt auf, dass die Aufstandslänge
der Radlast in Fahrtrichtung durchwegs 20 cm beträgt. Die üblichen Breiten von Holzboh-
len liegen zwischen 12 cm und 20 cm. Berücksichtigt man noch eine Fuge von 8 mm zwi-
schen den Bohlen, wird klar, dass bereits ab einer Bohlenbreite von 18 cm in der maßge-
benden Radstellung eine Bohle alleine für die Lastabtragung einer LKW-Radlast verant-
wortlich ist.
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Die Beanspruchung des Bohlenbelages durch das Lastmodell „gleichmäßig verteilte Ver-kehrslast“ mit qk = 5,0 kN/m² wird für den lokalen Nachweis des Bohlenbelags nicht
maßgebend.
Tabelle 1: Lotrechte Rad- und Achslasten für lokale Nachweise bei befahrbaren Fuß- und Radweg-brücken
QAchs,k
=2 x QRad,k
b x d e Regelwerk
Fuß- und Radwegbrücke mit permanenter Absperrung gegen Befahren
1 x 10 kN 10 x 10 cm² Punkt-last
DIN FB 101, 5.3.2.2
Fuß- und Radwegbrücke ohne permanente Absperrung gegen Befahren
2 x 40 kN (außergew.)
20 x 20 cm² 1,30 m DIN FB 101, 5.6.3
Fuß- und Radwegbrücke mit Befahrung durch Dienst- oder Notfallfahrzeug
Explizite Vorgabe des Lastbildes durch den Bauherrn oder Anlehnung an Lastbilder der DIN 1072 (siehe unten)
Regel-klasse
SLW 30 2 x 65 kN 46 x 20 cm² 2,00 m DIN 1072, Tab. 1
Nach-rech-nungs-klasse
16/16 und 12/12 2 x 55 kN 40 x 20 cm² 2,00 m DIN 1072, Tab. 2
9/9 2 x 45 kN 30 x 20 cm² 2,00 m DIN 1072, Tab. 2
6/6 2 x 30 kN 26 x 20 cm² 2,00 m DIN 1072, Tab. 2
3/3 2 x 15 kN 20 x 20 cm² 2,00 m DIN 1072, Tab. 2
Anmerkung: Die Lasten nach DIN 1072 sind zusätzlich noch mit einem Schwingbeiwert zu multiplizieren. Der Schwingbeiwert ist abhängig von der Bauteilstützweite. Für Stützweiten kleiner 5,0 m kann näherungsweise 1,4 angenommen werden. Die Lasten nach DIN-FB 101 beinhalten
bereits eine dynamische Erhöhung.
Für den Nachweis der Lastabtragung von lotrechten Einzellasten dürfen nach DIN 1074
[3] einige entscheidende Vereinfachungen getroffen werden:
- die Lasten dürfen auf die Mittelfläche der Bohle bezogen werden
- Lastausbreitung in Faserrichtung über die Bohlendicke unter 45º
- Betrachtung von durchlaufenden Bohlen als Einfeldträger zwischen 2 Stützungen
Abbildung 1: Idealisierte Berechnung von Bohlenbelägen unter Blocklasten nach DIN 1074, Abschn. 8.1 [3]
Unter Ansatz der in Abbildung 1 veranschaulichten Idealisierungen gelingt es, den stati-
schen Nachweis der Bohlen unter Radlasten mit akzeptablen Bohlendicken zu führen. Im
Text der Norm wird allerdings gefordert, dass erforderlichenfalls das Zusammenwirken
der Bohlen mit den Hauptträgern als statisches System eines Trägerrostes zu berücksich-
tigen sei. Nach den Erfahrungen des Verfassers wird jedoch dieser Punkt in der Trag-
werksplanung derartiger Brücken häufig vernachlässigt. Die weiteren Ausführungen wer-
den zeigen, dass dies zu Schäden an der Bohlenbefestigung führen kann.
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2.2. Horizontale Verkehrslasten
Bei der Planung von befahrbaren Bohlenbelägen wird häufig übersehen, dass neben der
lotrechten Lastabtragung auch horizontale Lasten in Brückenlängsrichtung in Folge von
bremsenden bzw. beschleunigenden Fahrzeugen zu berücksichtigen sind. Sowohl nach
DIN-Fachbericht 101 wie auch nach DIN 1072 sind bei einem lokalen Nachweis 60% der
lotrechten Achslast als horizontale Last auf Höhe der Belagsoberkante anzusetzen. Nach
DIN 1072 ist dabei kein Schwingbeiwert zu berücksichtigen.
Dies bedeutet beispielsweise, dass bei einer Fußgängerbrücke, die gemäß DIN-
Fachbericht 101 für den außergewöhnlichen Lastfall „unplanmäßiges Befahren“ zu be-
messen ist, an jedem Rad eine charakteristische horizontale Einzellast von 24 kN in Brü-
ckenlängsrichtung anzusetzen ist. Allein diese Betrachtung zeigt, dass ein reines Auflegen
der Bohlen auf die Hauptträger mit einer nur punktuellen Verschraubung der Bohle auf 2
Hauptträgern nicht ausreichend sein wird, um den horizontalen Lastabtrag zu gewährleis-
ten.
Bei im Grundriss gekrümmten Straßenverkehrsbrücken – die allerdings hier nicht weiter
betrachtet werden sollen – müssten zudem horizontale Zentrifugallasten auf den Bohlen-
belag in Brückenquerrichtung berücksichtigt werden.
Für globale Nachweise an Fußgängerbrücken müssen nach DIN-Fachbericht 101, Ab-schnitt 5.4 10% der gleichmäßig verteilten Verkehrslast qk = 5,0 kN/m² als horizontale
Last in Brückenlängsrichtung angesetzt werden. Für lokale Nachweise wird dieses Lastbild
jedoch bei befahrbaren Brücken nicht maßgebend.
3. Ausgeführte Brücken und typische Schadensbilder
3.1. Holzbrücken über die Burggräben der Burg Burghausen
Im Rahmen von Brückenprüfungen wurden die drei Holzbrücken der Burg Burghausen
auf den baulichen Zustand hin untersucht. Zwei der Brücken sind auf den Abbildungen 2
und 3 dargestellt. Die Brücken unterscheiden sich in der Anzahl der Felder und in der
Länge. Das Konstruktionsprinzip und die maximalen Stützweiten sind jedoch bei allen
drei Brücken gleich. Die Auslegung der Brücken erfolgte für Fußgängerverkehr und die
Befahrung mit Einsatz- und Versorgungsfahrzeugen bis zu einem Gesamtgewicht von 9 t
(Nachrechnungsklasse 9/9 gemäß [2]).
Abbildung 2: Torbaubrücke der Burg Burghausen, Holzbohlenbelag direkt auf den Hauptträgern
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Abbildung 3: Brücke am Büchsenmeisterturm mit Verschraubung der Bohlen nur im Randbereich
Die Haupttragelemente sind sägegestreifte Rundholzquerschnitte mit einer Querschnitts-
höhe von 31 cm und einer mittleren Breite von 40 cm. Je nach Brückenbreite sind 5 bis 7
Hauptträger nebeneinander in einem Achsabstand von ca. 72 cm angeordnet. Direkt auf
den Hauptträgern sind Eichenbohlen (b/h = 17 cm / 13 cm) aufgelegt.
Um die Spannweite der Hauptträger zu verkürzen, wurde unter den Hauptträgern ein
Trapezsprengwerk angeordnet, so dass die Hauptträger das statische System eines Drei-
feldträgers mit ungefähr gleichen Feldweiten besitzen: 3,3 m + 3,4 m +3,3 m = 10,0 m.
Abbildung 4: Regelquerschnitt der Holzbrücken aus Abbildung 2 und Abbildung 3
Das besondere bei diesen Brücken ist die Tatsache, dass die Bohlen nicht mit allen
Hauptträgern verschraubt wurden. Stattdessen sind die Bohlen nur an den beiden Rän-
dern über zwei in Längsrichtung durchlaufende Kanthölzer miteinander verbunden. Der
dadurch entstehende Bohlenrost ist mit Hilfe der beiden Schrammbordhölzer nach unten
auf die außen liegenden Hauptträger mit Gewindebolzen verschraubt.
Durch die ausschließliche Verschraubung der Bohlen im Randbereich besitzen die Bohlen
im Fahrbahnbereich keine planmäßige Schwächung, was der Lebensdauer des Belages
sicher zuträglich ist.
Auf der anderen Seite ist die Verschraubung am Brückenrand nicht ausreichend tragfä-
hig, da bei der Überprüfung zahlreiche abgerissene Verschraubungen festgestellt werden
mussten. Weiterhin ist auch im Bereich von intakten Verschraubungen ein typisches
Klappern der Bohlen auf den Hauptträgern zu hören, wenn ein Fahrzeug die Brücke be-
fährt.
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Abbildung 5: Beschädigte Verschraubung des Bohlenbelages am Brückenrand
Sowohl die beschädigten Schraubenverbindungen wie auch das Klappern der Bohlen auf
den Hauptträgern lassen sich aus der unzureichenden Querverteilung der Radlasten in
Bohlenquerrichtung erklären. Wie in Abbildung 6 zu erkennen ist, ergeben sich aus der
Durchlaufwirkung der Bohle abhebende Wirkungen, die aufgrund der fehlenden Ver-
schraubung auf den inneren Hauptträgern zum Klappern der Bohlen führen. Auf der an-
deren Seite ergeben sich im Bereich der Randverschraubungen sehr hohe Schraubenzug-
kräfte, die zum Abreißen der Schrauben bzw. zum Herausziehen der Schrauben führen.
Abbildung 6: Biegelinie einer befahrenen Bohle mit Angabe der maximalen Schraubenzugkraft
Beschädigte Schraubverbindung Bohle – Verteilerträger infolge:
- herausgezogenen Schrauben
- abgerissenen Schraubenköpfen
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Die beschriebenen Effekte können in einem vereinfachten Rechenmodell sehr gut nach-
vollzogen werden (vgl. Abbildung 6). Die Durchlaufwirkung der Bohle und die breite Auf-
lagerfläche auf den Hauptträgern führen zu einer Hebelwirkung über die Hauptträgerkan-
ten. Dadurch hebt die Bohle bei einem Hauptträger vollständig ab, an den dazu benach-
barten Hauptträgern kommt es zum teilweisen Abheben. Am linken Randträger entsteht
eine Schraubenzugkraft von 24,2 kN auf Bemessungsniveau. Stellt man hier den Bemes-sungswiderstand einer Holzschraube nach DIN 571, 8 x 160 mit Rax,d = 8,2 kN gegenüber,
wird klar, worauf die beschädigten Verbindungsmittel zurückzuführen sind. Selbst wenn
in einem genaueren Rechenmodell die Auflagerung der Bohle auf dem Hauptträger nicht
als starr sondern als elastisch nachgiebig betrachtet wird, sind die beschriebenen Effekte
weiterhin sichtbar.
Neben der lotrechten Belastung der Bohle kann jedoch auch die horizontale Belastung
infolge Bremsen und Anfahren zu einer gravierenden Schädigung führen. Gemäß Ab-
schnitt 2.2 ist im vorliegenden Fall der Nachrechnungsklasse 9/9 60% der lotrechten
Radlast als Horizontale Einzellast anzusetzen, wobei der Schwingbeiwert nach DIN 1072
außer Acht gelassen werden darf:
, 1,5 60% 45 40,5Brems dF kN kN
Da die Bohlen an den beiden Rändern mit insgesamt 2 Holzschrauben DIN 571, 8 x 160
befestigt sind, muss eine Schraube die Bremslast aus einem Rad ableiten. Die Bemes-
sungsscherkraft dieser Schraube beträgt im Vergleich dazu nur:
3,8dR kN
Dieser zweite Nachweis zeigt noch deutlicher, dass eine Verschraubung einer Bohle mit
insgesamt nur 2 Verbindungsmitteln nicht ausreichend ist. Dass in der Realität nicht
sämtliche Verbindungsmittel abgeschert sind, ist nur damit zu erklären, dass die Norm-
lasten in der angegebenen Größe vielleicht bisher nicht aufgetreten sind und die Tatsa-
che, dass horizontale Bremslasten natürlich auch über Reibung an der Bohlenunterseite
in den Hauptträger abgeleitet werden.
3.2. Holzbrücken an der Blutenburg in München
Ähnlich wie in Burghausen dient eine Holzbrücke am Schloß Blutenburg für den Anliefe-
rungsverkehr (SLW 30 nach DIN 1072). Eine zweite Holzbrücke dient nur für den Fuß-
gänger- und Radfahrverkehr.
Abbildung 7: Bongossi-Holzbrücke für SLW 30-Verkehr an der Blutenburg
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Auch in diesem Fall ist der Bohlenbelag (Bongossi) direkt auf den Hauptträgern (Bongos-
si) befestigt. Für die Hauptträger ist somit auch hier keinerlei konstruktiver Holzschutz
gegeben. Im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Brücken sind hier die Bohlen an
jedem Hauptträger angeschraubt. Zusätzlich sind die Hauptträger durch Stahlbleche, die
über Einlassdübel seitlich an die Holzträger angeschlossen sind, miteinander verbunden.
Die einzelnen Bauteile sind im Brückenquerschnitt (Abbildung 8) zu erkennen.
Abbildung 8:Regelquerschnitt der SLW30-Holzbrücke an der Blutenburg
Auch bei dieser Brücke mussten beim Ortstermin gravierende Schädigungen am Holzboh-
lenbelag festgestellt werden. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass seit dem
Bau der Brücke vor 27 Jahren, der Bohlenbelag noch nie ausgetauscht wurde. Die Schä-
den umfassten abgerissene Schraubenköpfe und zum Teil völlig zerstörte Bohlenquer-
schnitte. An wenigen Stellen waren vor einigen Jahren schadhafte Bongossibohlen gegen
Lärchenholzbohlen ausgetauscht worden. An den erneuerten Bohlen waren die Schäden
im Holz mittlerweile am weitesten fortgeschritten. Allerdings zeigten einige Bohlen wie-
derum keinerlei Schädigung. Beim Befahren der Brücke durch einen vollbeladenen LKW
(16-Tonner) kam es zum typischen Klappern der Bohlen. D.h. die Bohlen heben im Be-
reich der abgerissenen Schrauben von den Hauptträgern ab.
Eine handnahe Untersuchung aller Hauptträger und eine mechanische sowie optische
Untersuchung von einigen entnommenen Bohrkernen zeigten keinerlei Schädigung der
Bongossihauptträger.
Vergleicht man diese Brücke mit der benachbarten Fußgängerbrücke, die durch eine
permanente Absperrrichtung gegen Befahren gesichert ist, wird klar, dass die beschrie-
benen Schäden auf die LKW-Befahrung der ersten Brücke zurückzuführen sind. An der
Fußgängerbrücke sind trotz des gleichen Alters (Baujahr 1983) und analoger Bauweise
kaum Schäden am Bongossi-Holzbohlenbelag festzustellen (siehe Abbildung 9).
Obwohl die LKW-Brücke an der Blutenburg wesentlich besser für den Schwerlastverkehr
ausgelegt wurde, sind auch hier für die Schäden am Bohlenbelag die gleichen Ursachen
verantwortlich.
Auch hier ist bei einer Bohlenbreite von 20,5 cm die maßgebende Achslast von einer Boh-
le alleine aufzunehmen. Kritisch ist vor allem die Abtragung der Bremslast aus einer Ach-
se zu sehen. Gemäß DIN 1072, Abschnitt 4.4(9) beträgt die horizontale Bremslast für
einen SLW 30 60% der lotrechten Einzelachslast ohne Schwingbeiwert.
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Auf Bemessungsniveau ergibt sich damit folgender Wert:
, 1,5 60% 130 117Brems dF kN kN … für eine Einzelachse
Bei einer Bemessungsscherkraft der vorhandenen 34 Schrauben von
17 2 4,1 139dR kN kN
können die 34 Schrauben einer Bohle die Last zwar abtragen, allerdings gilt das nur,
wenn die Annahme zutrifft, dass alle Schrauben gleichmäßig beansprucht werden.
Zieht man jedoch das Alter des Belages von 27 Jahren in Betracht sind die Schäden am
Belag akzeptabel. Auch ein Asphaltbelag einer Brücke müsste in ähnlichen Zeiträumen
saniert werden.
Abbildung 9: Bongossi-Fußgängerbrücke an der Blutenburg mit intaktem Bohlenbelag (nach 27 Jahren!)
4. Analyse der festgestellten Schäden
Die Analyse der Ausführungsbeispiele liefert einige Hinweise für die Neuplanung derarti-
ger Brücken:
a) Da der Bohlenbelag die darunterliegenden Hauptträger nicht gegen Witterungsein-
flüsse schützt, muss eine Abdeckung der Hauptträger für den konstruktiven Holz-
schutz zwingend angeordnet werden.
Die Bongossibrücken an der Blutenburg zeigen zwar, dass die Hauptträger auch
ohne Schutzabdeckung und ausreichender Hinterlüftung der Bewitterung schadlos
widerstehen können. Unter dem Aspekt, dass in jüngerer Zeit in Deutschland
kaum Tropenhölzer für den Bau von Fußgängerbrücken mehr verwendet werden,
liefert dieses spezielle Beispiel jedoch kein Argument für die Vernachlässigung des
konstruktiven Holzschutzes.
b) Bei der Bemessung der Bohlen und ihrer Befestigung auf den Hauptträgern genügt
es nicht, das idealisierte Einfeldträger-Bemessungsmodell der DIN 1074, Abschnitt
8.1(3) anzuwenden. Vor allem wenn außer den Bohlen keine weiteren querlast-
verteilenden Bauteile vorhanden sind, ist der Effekt der Querlastverteilung in die
Bohlenbemessung mit einzubeziehen.
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c) Eine Auflagerung der Bohlen über die gesamte Breite des darunterliegenden
Hauptträgerquerschnittes vermindert zwar die lichte Weite, die von der Bohle zu
überspannen ist. Betrachtet man jedoch die Durchlaufwirkung der Bohle über alle
Hauptträger hinweg, führt eine sehr breite Auflagerfläche zu einem Hebeleffekt
über die Hauptträgerkanten, was wiederum zu großen Zugbeanspruchungen in
den Verbindungsmitteln führt. Weiterhin sind breite Auflagerflächen im Sinne des
konstruktiven Holzschutzes als ungünstig anzusehen, da dadurch eine große
Oberfläche des Hauptträgers nicht hinterlüftet wird.
d) Wird der Bohlenbelag durch schwere Einsatz- und Lieferfahrzeuge befahren, ist für
die Bemessung der Verbindungsmittel zwischen Bohlen und Hauptträger oft die
Bremslast aus einer Einzelachse maßgebend. Da selbst bei schweren Lastwagen
die Radaufstandsfläche in Fahrtrichtung nur eine Länge von 20 cm besitzt, muss
bei breiten Bohlen damit gerechnet werden, dass die Last aus einer Achse durch
eine einzige Bohle abzutragen ist.
5. Folgerungen für die Planung von neuen Brücke
Für einen Neubau bzw. die Sanierung einer bestehenden Brücke können aus den Er-
kenntnissen der vorgestellten Brückenuntersuchungen Lösungsansätze für den Anschluss
des Bohlenbelages an die Hauptträger abgeleitet werden. Hinweise zu diesem Thema
liefert auch eine Veröffentlichung aus der Reihe Informationsdienst Holz [6].
Abbildung 10: Bohlenbefestigung gemäß [6], Bild 3.6 mit Radlasten aus Nachrechnungsklasse 9/9 nach [2]
Für die Sanierung einer bestehenden Brücke dient der Ausführungsvorschlag, der in [6],
Bild 3.6 für die Auflagerung von Bohlen auf breiten Hauptträgern angegeben ist, als Basis
der weiteren Überlegungen. Unter der Vorgabe, dass für die Bemessung die Radlast eines
9-Tonners (kleines Feuerwehrfahrzeug) zu berücksichtigen ist (vgl. Abbildung 10), erge-
ben sich folgende Lösungsansätze:
a) Um eine Hinterlüftung des Hauptträgers unter der Verblechung zu erreichen, wird ein
Lagerholz angeordnet. Die gewünschte schmale Form des Lagerholzes ist nur bei der
Verwendung von Laubholz möglich. Bei Nadelhölzern ist die Querdruckfestigkeit zu
gering, um die Radlast durchzuleiten.
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Zur Verdeutlichung wird die Pressung unmittelbar in der Radaufstandsfläche berech-
net:
, 2 2
94,50,16
600Radpressung d
kN kNq
cm cm
Tatsächlich befindet man sich damit bereits in der Größenordnung der Bemessungs-
festigkeit bei Nadelholz für Druck quer zur Faser. Zusätzlich ist hier zu berücksichti-gen, dass für die voll bewitterte Bohle ein Modifikationsbeiwert von kmod = 0,7 gilt,
was nach DIN 1052 [1] zu einer herabgesetzten Bemessungsfestigkeit führt. Die
Verwendung von Laubholz in der Belagsebene ist daher unter den Ansatz von LKW-
Verkehrslasten unabdingbar.
b) Um abhebende Kräfte aus der Durchlaufträgerwirkung der Bohle in den Hauptträger
zu leiten, sind lange Holzschrauben erforderlich, die die Zuglast direkt von der Bohle
in den Hauptträger leiten. Maßgebend für diesen Nachweis wird hier in der Regel der
Kopfdurchzug der Schraube durch die Bohle. Hier bietet es sich an, den Durchmesser
des Schraubenkopfes durch das Unterlegen einer Beilagscheibe zu erhöhen. Bei der
Anordnung einer Schraubengruppe kann es sinnvoll sein, ein Stahlblech mit entspre-
chenden Bohrungen für die gesamte Schraubengruppe unterzulegen. Der Schrauben-
kopf samt Unterlegscheibe bzw. –blech muss in der Bohle versenkt werden.
c) Die horizontalen Bremslasten werden von den Schrauben über Scherkraft in den
Hauptträger geleitet. Das Lagerholz ist dazu unbedingt kraftschlüssig mit einer aus-
reichenden Bemessungskraft an den Hauptträger anzuschließen. Andernfalls wird die
Befestigungsschraube, die von Bohlenoberkante durch das Lagerholz in den Haupt-
träger eingedreht ist, über die Dicke des Lagerholzes auf Schraubenbiegung bean-
sprucht.
d) Zwischen der Unterseite der Bohle und dem Lagerholz befinden sich zum einen die
Blechabdeckung des Hauptträgers und zum anderen ein Neoprenstreifen. Wie bereits
unter c) erläutert, erzeugen diese Zwischenschichten bei Scherbeanspruchung
Schraubenbiegung. Im Stahlbau muss nach DIN 18800-1, Element (512) die Schrau-
benbiegung nicht nachgewiesen werden, sofern die Zwischenschicht maximal 6 mm
dick ist. Allerdings bezieht sich die genannte Regelung auf eine Zwischenschicht aus
Stahlfutterblechen. Aus diesem Grunde sollten im vorliegenden Fall die 6 mm nicht
vollständig ausgenutzt werden. Die Materialstärken sollten so gewählt werden, dass
das Abdeckblech und die Neoprenschicht in der Summe 3 mm nicht überschreiten.
Ein Sanierungsvorschlag unter Berücksichtigung der beschriebenen Überlegungen ist in
Abbildung 11 dargestellt.
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Abbildung 11: Sanierungsvorschlag für bestehende Brückenkonstruktion für Nachrechnungsklasse 9/9
Für neue Brücken mit Holzbohlenbelag sollte aus Sicht des Verfassers ein anderes Kon-
zept verfolgt werden. Dieses Konzept fand beim Neubau der Fuß- und Radwegbrücken für
die Landesgartenschau 2010 in Rosenheim seine Anwendung (vgl.
Abbildung 12). Dabei wird die tragende Brückenkonstruktion durch eine flächige Abdich-
tungsebene komplett geschützt. Der Bohlenbelag wird dann schwimmend auf die Abdich-
tungsebene aufgelegt, ohne dass Befestigungsmittel die Dichtungsebene durchdringen.
Zur Ableitung der horizontalen Bremslasten werden die Bohlen seitlich an die Geländer-
oder auch Schrammbordkonstruktion angeschlossen, von wo die Horizontallasten nach
unten in die Haupttragkonstruktion geleitet werden.
Bei dieser Variante bietet es sich an, einige Bohlen zu einem Rost zu verschrauben und
den Rost auf die Abdichtungsebene aufzulegen. Um das Abfließen des Wassers auf der
Abdichtungsebene zu ermöglichen, muss der Rost punktuell auf Elastomerlagern aufge-
legt werden. Die Lastweiterleitung im Bohlenrost zu den Elastomerlagern und die Pres-
sung der Lager auf die darunterliegenden Konstruktionselemente stellen dann jedoch die
kritischen, statischen Nachweise dar. Die Verkehrslasten müssen sich daher bei diesem
Konzept auf leichte Dienst- und Notfallfahrzeuge beschränken.
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Abbildung 12: Schwimmend verlegter Bohlenbelag mit seitlichem Anschluss an Geländerprofil
Da der Bohlenbelag bei dieser Ausführungsvariante vom Haupttragwerk entkoppelt ist,
kann er nicht die Funktion eines Querträgers zwischen den Hauptträgern übernehmen.
Bei den Rosenheimer Brücken dient ein blockverleimter Brettschichtholzträger als tra-
gendes Element. Hier übernimmt der Hauptträger selbst die Querlastverteilung. Tatsäch-
lich wäre jedoch auch eine Brettsperrholzplatte über parallel verlaufende Einzelträger als
querlastverteilendes Element möglich. Bei Verklebung der Platte mit den Einzelträgern
könnte für die Haupttragrichtung ein Plattenbalkenquerschnitt angesetzt werden (vgl.
Abbildung 13).
Abbildung 13:Ausführungsvorschlag für den Schutz der Hauptträger durch abgedichtete Belagsebene
Bei der Zufahrtsbrücke zum Schloss Hohenkammer wurde bei der Sanierung ein anderer
Weg eingeschlagen (vgl. Abbildung 14). Da die Brücke ein starkes Längsgefälle aufweist,
wünschte der Bauherr anstatt des bestehenden Bohlenbelages einen beheizten Asphalt-
belag, um den Winterdienst zu vereinfachen. Nach Entfernung des Bohlenbelages und der
Blechabdeckung der Brettschichtholzträger, wurde eine Stahlbetonplatte aufgebracht.
Der Verbund zwischen Holz und Stahlbeton wird durch spezielle nichtrostende Schrauben
hergestellt. Auf der Abdichtungsebene über dem Stahlbeton ist der beheizte Asphaltbelag
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angeordnet. Durch den Einbau der Stahlbetonplatte können die Radlasten des Dienst-fahrzeuges (QRad,k = 40 kN, DIN Fachbericht, 5.6.3) ohne Probleme abgeleitet werden.
Abbildung 14:Nachträgliche Anordnung einer Stahlbetonfahrbahnplatte über bestehenden BSH-Trägern
6. Zusammenfassung
Auf Bohlenbelägen von Fuß- und Radwegbrücken ist bei den Verkehrslasten häufig ein
Dienst- oder Notfallfahrzeug zu berücksichtigen. Untersuchungen an bestehenden Brü-
cken zeigen oft Schäden im Belag und an der Befestigung des Belags auf den Hauptträ-
gern. In vielen Fällen sind die Bohlen direkt auf den Hauptträgern aufgelegt und stehen
somit der Ausbildung eines konstruktiven Holzschutzes im Wege.
Aus der Analyse der Schadensbilder werden Ausführungslösungen erarbeitet, die die Ab-
leitung der Radlasten in statisch zulässiger Weise ermöglichen und zusätzlich einen aus-
reichenden konstruktiven Holzschutz bieten.
7. Literatur
[1] DIN 1052: Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauwerken, Beuth,
12/2008.
[2] DIN 1072: Straßen- und Wegbrücken, Lastannahmen, Beuth Verlag, Dezember
1985.
[3] DIN 1074: Holzbrücken, Beuth, 9/2006.
[4] DIN 18800-1: Stahlbauten - Bemessung und Konstruktion, Beuth , 11/2008.
[5] DIN-Fachbericht 101: Einwirkungen auf Brücken, Beuth, 3/2009.
[6] Informationsdienst Holz, Details für Holzbrücken, DGfH Innovations- und Service
GmbH (Hrsg.), 12/2000