deutscher kongress der orthopäden und unfallchirurgen

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Deutscher Kongress der Orthopäden und Unfallchirurgen © ref348985/Shutterstock DKOU auch 2013 in der Erfolgsspur Der Deutsche Kongress der Orthopä- den und Unfallchirurgen (DKOU) ist die Nummer 1 in Europa. Mit dem Motto „Menschen bewegen – Erfolge erleben“ lockte er 2013 etwa 12.000 Teilnehmer nach Berlin, die 1.810 Vorträge zur Aus- wahl hatten. In diesem Jahr galt der in- ternationale Austausch den Gastnatio- nen Österreich und Spanien. Aber auch China war mit einer großen Delegation beim DKOU-Kongress vertreten. Für die Orthopädie & Rheuma war Dr. Wiebke Kathmann (wk) vor Ort. Dicke Kinder – neue Kundschaft für Orthopäden Der richtige Lebensstil von Kindesbei- nen an war ein wichtiges Thema des dies- jährigen DKOU-Kongresses. Denn immer mehr zeichnet sich ab, dass die Überge- wichtswelle bei Kindern und Jugendlichen den Orthopäden in Zukunft mehr Patienten bescheren wird. In den vergangenen zehn Jahren hat der Anteil der übergewichtigen Kinder um 60% zugenommen. Der Körper wird zur Belastung für Knochen und Gelen- ke, wie Prof. Dr. Georg Matziolos von der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Waldkrankenhaus Eisenberg, betonte. Dies gelte umso mehr, als sich immer weni- ger Kinder regelmäßig bewegen. Eine Stunde Bewegung pro Tag sollte in Kindergärten und Schulen Pflicht sein, for- derten die Experten. Nur dann lasse sich den Folgen, beispielsweise in Form eines etwa dreifach erhöhten Arthroserisikos, aber auch von Unfällen in Folge der gerin- geren Beweglichkeit oder von Fehlbela- stungen des Haltungs- und Bewegungsap- parates, vorbeugen. „Ein guter Trainingszu- stand mit koordinierten Bewegungen schont die Gelenke, insbesondere den Knorpel,“ so Matziolos. Übergewicht stellt aber nicht nur eine bio- mechanische Herausforderung dar, son- dern auch eine biochemische. Durch die Freisetzung von Zytokinen wie Adiponektin, Leptin oder Resistin wird die Apoptose von Knorpelzellen angestoßen – ein weiterer Schritt in Richtung Arthrose. wk P.A.R.T.Y. in der Unfallchirurgie Alkohol- und Drogenkonsum, aber auch Selbstüberschätzung und riskantes Fahrver- halten sind häufige Gründe für Verkehrsun- fälle jugendlicher Lenker von Autos, Mofas oder Motorrädern. Da weder Moralpredigten mit erhobenem Zeigefinger noch gut gemeinte Ratschläge von Eltern oder Lehrern die Zahl der jungen Unfallopfer und -toten in den vergangenen Jahren maßgeblich reduzieren konnten, hat das Team von Prof. Bertil Bouillon, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttrau- matologie der Klinken der Stadt Köln gGmbH, einen anderen Weg beschritten. Mit dem Präventionsprogramm P.A.R.T.Y. (Prevent Alcohol and Risk Related Trauma in Youth) haben sie eine Idee aufgegriffen, die sich beispielsweise in Kanada schon als ef- fektiv erwiesen hat: Sie laden Schulklassen in die Unfallchirurgie ein, wo die Schüler, gleichsam als „Unfallopfer“ den Rettungs- weg von der Notaufnahme über den Schockraum, die Intensivstation, den Ope- rationssaal bis hin zur Rehaklinik durchlau- fen. In Vorträgen vermitteln die Ärzte, wie die Jugendlichen Unfälle verhindern bzw. sich schon im Vorfeld umsichtiger verhalten können. Das Projekt P.A.R.T.Y. sucht Nachahmer und Mitkämpfer in anderen deutschen Städten. Informationen finden Interessierte im Inter- net unter www.partyprogram.de. wk Vorsicht mit Steroiden bei Achillodynie Spät berufene Marathonläufer, aber auch viele andere Breitensportler und Übergewichtige klagen über schmerzhafte Probleme mit der Achillessehne, die aus der Überlastung resultieren. Eine Spritzenbe- handlung in und um die Sehne sei in diesen Fällen meist der falsche Weg, betonte Prof. Michael Bohnsack, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, DIAKO Bremen, bei der DKOU-Sitzung „Schmerzen – wann welche Spritze?“. Stattdessen sollten die Folgen des überschießenden Heilungsversuchs in Form von Kollagenablagerungen, chondrogener Dedifferenzierung der Sehne und Einwan- derung von Typ-IV-Nervenfasern durch konsequentes exzentrisches Training für die Dauer von zwölf Wochen ausgeglichen werden. In 70–80% der Fälle käme es da- durch zur Ausheilung, so Bohnsack. Führt diese konservative Strategie nicht zum Erfolg, kann mit vergleichbaren positi- ven Ergebnisraten operativ vorgegangen werden. Je nachdem, ob die Beschwerden vom Achillessehnenansatz ausgehen oder nicht, ist eher eine offene Achillessehnen- einkerbung oder die Einkerbung der Gast- roknemiussehne unter Spannung zu erwä- gen. wk 48 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2013; 16 (6) Medizin aktuell

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Deutscher Kongress der Orthopäden und Unfallchirurgen

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DKOU auch 2013 in der Erfolgsspur

Der Deutsche Kongress der Orthopä-den und Unfallchirurgen (DKOU) ist die Nummer 1 in Europa. Mit dem Motto

„Menschen bewegen – Erfolge erleben“ lockte er 2013 etwa 12.000 Teilnehmer nach Berlin, die 1.810 Vorträge zur Aus-wahl hatten. In diesem Jahr galt der in-ternationale Austausch den Gastnatio-nen Österreich und Spanien. Aber auch China war mit einer großen Delegation beim DKOU-Kongress vertreten. Für die Orthopädie & Rheuma war Dr. Wiebke Kathmann (wk) vor Ort.

Dicke Kinder – neue Kundschaft für Orthopäden

— Der richtige Lebensstil von Kindesbei-nen an war ein wichtiges Thema des dies-jährigen DKOU-Kongresses. Denn immer mehr zeichnet sich ab, dass die Überge-wichtswelle bei Kindern und Jugendlichen den Orthopäden in Zukunft mehr Patienten bescheren wird. In den vergangenen zehn Jahren hat der Anteil der übergewichtigen Kinder um 60% zugenommen. Der Körper wird zur Belastung für Knochen und Gelen-ke, wie Prof. Dr. Georg Matziolos von der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Waldkrankenhaus Eisenberg, betonte. Dies gelte umso mehr, als sich immer weni-ger Kinder regelmäßig bewegen. Eine Stunde Bewegung pro Tag sollte in Kindergärten und Schulen P�icht sein, for-

derten die Experten. Nur dann lasse sich den Folgen, beispielsweise in Form eines etwa dreifach erhöhten Arthroserisikos, aber auch von Unfällen in Folge der gerin-geren Beweglichkeit oder von Fehlbela-stungen des Haltungs- und Bewegungsap-parates, vorbeugen. „Ein guter Trainingszu-stand mit koordinierten Bewegungen schont die Gelenke, insbesondere den Knorpel,“ so Matziolos. Übergewicht stellt aber nicht nur eine bio-mechanische Herausforderung dar, son-dern auch eine biochemische. Durch die Freisetzung von Zytokinen wie Adiponektin, Leptin oder Resistin wird die Apoptose von Knorpelzellen angestoßen – ein weiterer Schritt in Richtung Arthrose. wk

P.A.R.T.Y. in der Unfallchirurgie

— Alkohol- und Drogenkonsum, aber auch Selbstüberschätzung und riskantes Fahrver-halten sind häu�ge Gründe für Verkehrsun-fälle jugendlicher Lenker von Autos, Mofas oder Motorrädern. Da weder Moralpredigten mit erhobenem Zeige�nger noch gut gemeinte Ratschläge von Eltern oder Lehrern die Zahl der jungen Unfallopfer und -toten in den vergangenen Jahren maßgeblich reduzieren konnten, hat das Team von Prof. Bertil Bouillon, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttrau-matologie der Klinken der Stadt Köln gGmbH, einen anderen Weg beschritten. Mit dem Präventionsprogramm P.A.R.T.Y. (Prevent Alcohol and Risk Related Trauma in Youth) haben sie eine Idee aufgegri�en, die sich beispielsweise in Kanada schon als ef-fektiv erwiesen hat: Sie laden Schulklassen in die Unfallchirurgie ein, wo die Schüler, gleichsam als „Unfallopfer“ den Rettungs-weg von der Notaufnahme über den Schockraum, die Intensivstation, den Ope-rationssaal bis hin zur Rehaklinik durchlau-fen. In Vorträgen vermitteln die Ärzte, wie die Jugendlichen Unfälle verhindern bzw. sich schon im Vorfeld umsichtiger verhalten können. Das Projekt P.A.R.T.Y. sucht Nachahmer und Mitkämpfer in anderen deutschen Städten. Informationen �nden Interessierte im Inter-net unter www.partyprogram.de. wk

Vorsicht mit Steroiden bei Achillodynie

— Spät berufene Marathonläufer, aber auch viele andere Breitensportler und Übergewichtige klagen über schmerzhafte Probleme mit der Achillessehne, die aus der Überlastung resultieren. Eine Spritzenbe-handlung in und um die Sehne sei in diesen Fällen meist der falsche Weg, betonte Prof. Michael Bohnsack, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, DIAKO Bremen, bei der DKOU-Sitzung „Schmerzen – wann welche Spritze?“. Stattdessen sollten die Folgen des überschießenden Heilungsversuchs in Form von Kollagenablagerungen, chondrogener Dedi�erenzierung der Sehne und Einwan-

derung von Typ-IV-Nervenfasern durch konsequentes exzentrisches Training für die Dauer von zwölf Wochen ausgeglichen werden. In 70–80% der Fälle käme es da-durch zur Ausheilung, so Bohnsack. Führt diese konservative Strategie nicht zum Erfolg, kann mit vergleichbaren positi-ven Ergebnisraten operativ vorgegangen werden. Je nachdem, ob die Beschwerden vom Achillessehnenansatz ausgehen oder nicht, ist eher eine o�ene Achillessehnen-einkerbung oder die Einkerbung der Gast-roknemiussehne unter Spannung zu erwä-gen. wk

48 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2013; 16 (6)

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