deutschlandreise · 2020-02-25 · 4 5 001 l »kalimandscharo« von zielitz geführte bergtour mit...
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120 besondere Erlebnisse vor unserer Haustür
DEUTSCHLANDREISE
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG
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ALLE ZIELE IM
ÜBERBLICK
Die Kreise geben den ungefähren Ort der nummerierten Ziele an, die Farben verweisen auf die Kapitel.
l Gipfel- und Wipfelglück
l Orte, die Geschichte schrieben
l Deutschland taucht ein
l Fantastische Architektur
l Wissen erleben
l Kaum zu glauben, aber Deutschland
l Waldesrauschen
l Durchatmen und auftanken
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001 l »KALIMANDSCHARO« VON ZIELITZ Geführte Bergtour mit wunderbarem Ausblick 10
002 l NATIONALPARK KELLERWALD-EDERSEE Wandern, Rad fahren und auf Safari gehen 12
003 l NATIONALPARK HAINICH Höhenluft im Baumkronenpfad 16
004 l SÄCHSISCHE SCHWEIZ Auf dem Malerweg durch den Nationalpark 18
005 l DER DRACHENFELS IM SIEBENGEBIRGE Auf dem heiligen Berg der Romantik 22
006 l SEIFFEN IM ERZGEBIRGE In der Werkstatt des Winterzaubers 26
007 l BREMMER CALMONT Klettertour am Weinberg 28
008 l ÖSTLICHER HUNSRÜCK Wander-Geheimtipp Soonwaldsteig 30
009 l SAARSCHLEIFE BEI ORSCHOLZ Der Baumwipfelpfad Saarschleife 34
010 l BAYERISCHER WALD Baumwipfelpfad Neuschönau: Flora und Fauna aus der Nähe 38
011 l SCHWÄBISCHE ALB UND OBERE DONAU Vielfalt der Alb 42
012 l NATURPARK SÜDSCHWARZWALD Auf den Feldberg zum Haus der Natur 46
013 l NATIONALPARK BERCHTESGADEN Ziel für Bergfexe und Talbummler 50
014 l AKTIV IN DEN ALLGÄUER ALPEN Tour auf den Stuiben 54
015 l ZUGSPITZE UND EIBSEE Deutschlands höchsten Berg erobern 56
DIE ZEIT auf Reisen
RÜGEN IN DER NACHT 60
GIPFEL- UND WIPFELGLÜCKAußergewöhnliche Erlebnisse ganz oben
016 l TEXTILINDUSTRIE IN DELMENHORST Das Areal der Nordwolle 64
017 l OSNABRÜCKER RATHAUS Ort des Friedens 66
018 l BERÜHRUNGSPUNKTE MIT DER BERLINER MAUER East Side Gallery und Gedenkstätte Berliner Mauer 68
019 l WASSERBURG HÜLSHOFF & HAUS RÜSCHHAUS Die zwei Orte der Dichterin 72
020 l REICHSABTEI CORVEY Relikt der Karolingerzeit 76
021 l DOMSCHATZ IN QUEDLINBURG Die Reise der Kirchenjuwelen 78
022 l AUF DEN SPUREN MARTIN LUTHERS Die Schlosskirche in Wittenberg 80
023 l GEHEIMNISVOLLES ARTEFAKT IN NEBRA Topmodernes Museum: die Arche Nebra 84
024 l ORT DER WENDE: NIKOLAIKIRCHE IN LEIPZIG Vom Friedensgebet zur Montagsdemo 86
025 l KAROLINGISCHES ERBE IN AACHEN Dom zu Aachen: Reminiszenzen an Byzanz und Konstantinopel 90
026 l WEG DER DEMOKRATIE IN BONN Eindrücke aus der ehemaligen Hauptstadt 94
027 l REVOLUTION IN FRANKFURT Die Paulskirche - »Wiege der deutschen Demokratie« 96
028 l INDUSTRIEKULTUR IM SAARLAND Völklinger Hütte 100
029 l IMPERIALE ROMANTIK IN SPEYER Der Dom von Speyer: Eine Machtdemonstration 104
030 l ROMANTIK UND STUDENTENKULTUR IN HEIDELBERG Das Heidelberger Schloss und das Universitätsleben im 19. Jahrhundert 106
031 l REICHSKLEINODIEN AUF BURG TRIFELS Wanderung zur Reichsburg 110
032 l DEUTSCHE VERGANGENHEITEN IN NÜRNBERG Helle und dunkle Zeiten 112
DIE ZEIT auf Reisen
IN NAHER FERNE 116
ORTE, DIE GESCHICHTE SCHRIEBENSpannende und bedeutende Zeugnisse
der Vergangenheit
033 l AM NORD-OSTSEE-KANAL Shipspotting in Rendsburg 122
034 l PADDELN IM NATURPARK HOLSTEINISCHE SCHWEIZ Sanfter Rhythmus zwischen Lübeck und Kiel 126
035 l WASSERWANDERN IM PEENETAL Gemächlich unterwegs im Nordosten 130
036 l NORDSEEINSEL LANGEOOG Immer am Strand entlang 134
037 l MIT TORFKÄHNEN INS TEUFELSMOOR Ausflug in die Welt der Moor-Bauern 138
038 l ELBTAL-AUEN UND WENDLAND Geheimnisse des Stroms entdecken 140
039 l HAUSBOOTURLAUB IM HAVELLAND Auszeit auf den Seen und Flüssen Brandenburgs 144
040 l SPEKTAKULÄRES GESTEIN IN DER ATTAHÖHLE Bunte Welt der Minerale und Kristalle 148
041 l KANUFAHRT AUF WESER & DIEMEL Im Takt der Paddel 150
042 l GEYSIR VON ANDERNACH Ein physikalisches Spektakel bestaunen 152
043 l DIE BLAUEN AUGEN DER VULKANEIFEL Wanderungen um die Dauner Maare 154
044 l STOCHERKAHNFAHREN IN TÜBINGEN Gemütliche Tour um die Neckarinsel 158
045l TODTNAUER WASSERFÄLLE Genießerpfad zu Deutschlands höchstem Wasserfall 160
046 l BLAUES LAND IN OBERBAYERN Wassersport und Wandern, Kunst und Kultur 162
047l DIE INSELN REICHENAU & MAINAU Perlen im Bodensee 166
DIE ZEIT auf Reisen
LIEBLINGSORTE AN DER KÜSTE 170
DEUTSCHLAND TAUCHT EINParadiesische Orte und Erlebnisse am Wasser
048 l SCHLOSS GLÜCKSBURG Genusstour mit fürstlicher Kaffeetafel 178
049 l ELBPHILHARMONIE IN HAMBURG Elbphilharmonie: 360-Grad-Blick von
der Plaza genießen 180
050 l PLENARSAAL IM SCHWERINER SCHLOSS Besuch im einstigen Audienzzimmer 184
051 l FELIX-NUSSBAUM-HAUS IN OSNABRÜCK Gemalter Widerstand 186
052 l GRÜNE ZITADELLE IN MAGDEBURG Hundertwassers menschenfreundliche Architektur 188
053 l STABKIRCHE IN GOSLAR Gottesdienst im Wikingerstil 192
054 l PER RAD ZU DEN BAUHAUS-BAUTEN Zu den Meisterhäusern und anderen Highlights in Dessau 194
055 l LANDSCHAFTSPARK DUISBURG NORD Schmelzpunkt von Industrie, Kultur & Natur 198
056 l SCHWEBEND ÜBER DIE WUPPER Die Wuppertaler Schwebebahn 200
057 l RESIDENZSCHLOSS IN DRESDEN Zu Hause bei sächsischen Kurfürsten und Königen 202
058 l KRÄMERBRÜCKE IN ERFURT Wo die schlauen Kaufleute wohnten 206
059 l MONSCHAU IN DER EIFEL Spaziergang durch ein Schmuckstück 208
060 l LIMBURG AN DER LAHN Eindrucksvolle Baukunst und mittelalterliches Fachwerk 210
061 l HERBORN AN DER DILL Fachwerk und Fastenbrezeln 212
062 l MATHILDENHÖHE IN DARMSTADT Streifzug durchs Jugendstilquartier 214
063 l KLOSTER MAULBRONN Meisterhafte Zeugnisse aus mehreren Jahrhunderten 216
064 l SCHLOSS LICHTENSTEIN Romantik in der Märchenburg 218
DIE ZEIT auf Reisen
BRUDER-KLAUS-KAPELLE 222 HAUS SCHMINKE 223
FANTASTISCHE ARCHITEKTUREinzigartige Bauwerke und Denkmäler
INHALTSVERZEICHNIS
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081 l AHA-EFFEKT AUF HELGOLAND Entdeckerspaziergang zu den Hummerbuden 276
082 l AN DER STEILKÜSTE AUF RÜGEN Wanderung im Nationalpark Jasmund 278
083 l JAPANISCHE KERAMIK IN CISMAR Zu Besuch bei Jan Kollwitz 282
084 l PARALLELWELT IN POTSDAM Das Holländische Viertel 286
085 l LUFTIGE HÖHEN AN DER RAPPBODETALSPERRE Nervenkitzel über und am Abgrund 288
086 l HINDUTEMPEL IN HAMM Göttliche Segnung beim Tempelfest 292
087 l NEUER ZOLLHOF IN DÜSSELDORF »Flunker-Tour« und andere Erlebnisführungen im Medienhafen 296
088 l MIT DER GONDEL DURCH BAMBERG Romantische Fahrt im Fischerviertel 300
089 l MANDELBLÜTE IN DER SÜDPFALZ Per Rad oder zu Fuß durch die rosa blühende Landschaft 304
090 l WELLENREITEN IN MÜNCHEN Wo urbane Surfer die Welle reiten 308
091 l KÖNIGSHAUS AM SCHACHEN Orientalische Exotik im Hochgebirge 312
DIE ZEIT auf Reisen
REICHT MIR DIESER SCHUHKARTON? 314
KAUM ZU GLAUBEN, ABER DEUTSCHLANDÜberraschende Attraktionen zwischen Alpen und Ostsee
065 l WIKINGER MUSEUM HAITHABU Auf den Spuren der Nordmänner 226
066 l OZEANEUM IN STRALSUND Augenschmaus unter Wasser 228
067 l BALLIN-STADT IN HAMBURG Letzte Station: Veddel 232
068 l MEYER-WERFT PAPENBURG Wo die großen Pötte gebaut werden 234
069 l MUSEUMSINSEL IN BERLIN Entdeckungsmarathon auf der Insel 238
070 l AUTOSTADT IN WOLFSBURG Zu Fuß in die automobile Markenwelt 240
071 l BERGWERK IN RAMMELSBERG Absteigen in die Unterwelt 244
072 l ZECHE ZOLLVEREIN IN ESSEN Spaziergang zwischen Vergangenheit und Zukunft 246
073 l SPINNEREI IN LEIPZIG Am Puls der Kunst 250
074 l LEINWANDSTAR KLOSTER EBERBACH Mit Sean Connery durchs ehrwürdige Gemäuer 254
075 l EXPERIMENTA SCIENCE CENTER IN HEILBRONN Mit Wissen spielen 258
076 l DAS ZKM IN KARLSRUHE Daddeln erlaubt! 260
077 l LIMESEUM BEI WITTELSHOFEN Über die römische Grenzbefestigung Limes 262
078 l FUGGEREI IN AUGSBURG Spaziergang durch die Sozialgeschichte 264
079 l PFAHLBAUMUSEUM UNTERUHLDINGEN Stein- und Bronzezeit am Bodensee 268
080 l VITRA DESIGN MUSEUM WEIL AM RHEIN Meisterwerke im Meisterstück 270
DIE ZEIT auf Reisen
HAND AUFS EIS 272FUSSBALLMUSEUM 273
WISSEN ERLEBENBesondere Gelegenheiten zum Staunen und Mitmachen
INHALTSVERZEICHNIS
108 l EINSAMKEIT IM SYLTER LISTLAND Spaziergang zum Ellenbogen 374
109 l WIND UM DIE NASE AUF PELLWORM Entdeckungen zu Fuß, per Rad oder auf dem Pferderücken 378
110 l OSTFRIESISCHE FESTLANDPERLEN Sich treiben lassen in Neuharlingersiel und Esens 382
111 l DIE ZEIT ANHALTEN IM ALTEN LAND Berauschendes Blütenmeer und prachtvolle Bauernhäuser 386
112 l ERHABENE STILLE IN DER LÜNEBURGER HEIDE Lila Leidenschaften 390
113 l MIT FONTANE IN DER MARK BRANDENBURG Am und im Stechlinsee 394
114 l URBANE OASE: HERRENHÄUSER GÄRTEN Barocke Struktur und »englische« Wildnis in Hannover 398
115 l »NATURMALEREI« IN DEN NEISSE-AUEN Fürst-Pückler-Park Bad Muskau 402
116 l BEFREIT ATMEN IN BAD SALZUNGEN Wohltat im Gradierwerk 404
117 l WOHLFÜHLPROGRAMM IM KLOSTER ARENBERG Rückzugsort in Koblenz 408
118 l GARTENKUNSTWERK IN SCHWETZINGEN Freimaurer im Schlossgarten 412
119 l STAUNEN IM LUFTMUSEUM AMBERG Phänomenale Aha-Effekte 414
120 l SEEJUWEL KLOSTER FRAUENWÖRTH Insel der Nonnen im »bayerischen Meer« 418
DIE ZEIT auf Reisen
NÄCHTE IM NEST 422
DURCHATMEN UND AUFTANKENDie schönsten Rückzugsorte zum Entspannen
092 l URWÜCHSIGER DARSSWALD Waldgebiet im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft 318
093 l ZAUBERHAFTER URWALD HASBRUCH Ursprüngliches Erleben im Urwald Hasbruch 322
094 l WILDE SCHORFHEIDE Wölfe & Co. beobachten 324
095 l DRAMATISCHES VENNER MOOR Mystische Momente im Moor 326
096 l GESCHICHTSTRÄCHTIGER TEUTOBURGER WALD Varus‘ Schlacht und Hermannsweg 328
097 l WANDELBARER HARZWALD Beobachten, wie sich der Wald verändert 332
098 l HEITERER SPREEWALD Mit Kahn oder Kanu im Spreewald 334
099 l MÄRCHENHAFTER REINHARDSWALD Dornröschen im Urwald besuchen 338
100 l EXPERIMENTELLES ROTHAARGEBIRGE Wald und Wisente im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge 342
101 l SPORTLICHER RENNSTEIG Auf dem Rennsteig unterwegs 346
102 l KULINARISCHES AHRTAL Entdeckungen im Tal der Ahr 350
103 l VOM MENSCHEN GEFORMTE RHÖN Große und Lange Steine 352
104 l LABYRINTHISCHE LUISENBURG Klettern und Wandern im Felsenlabyrinth 356
105 l RÄUBER UND KOMÖDIEN IM SPESSART Streifzüge durch den Spessart 358
106 l SAGENUMWOBENER ODENWALD Urzeitliches Felsenmeer 360
107 l ERFRISCHENDER PFÄLZERWALD Burgen und Buntsandstein 364
DIE ZEIT auf Reisen
IM WALD, DA SIND GESPENSTER 368
WALDESRAUSCHENVielseitige Erfahrungen in Deutschlands Wäldern
REGISTER 426
BILDNACHWEISE 430
IMPRESSUM 432
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Außergewöhnliche Erlebnisse ganz oben
GIPFEL- und Wipfelglück
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Der Soonwaldsteig führt auf 85 Wanderkilometern von Kirn an der Nahe nach Bingen am Rhein. Stille Mischwälder bieten Erholung pur,
auch wenn man nur einen Tag hierherkommt.
Östlicher HUNSRÜCK
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GIPFEL- UND WIPFELGLÜCK
typisch genießen
Kunst & Kultur
Familie Schmidt-Herges kultiviert Wein, verarbei-
tet Wein, verkauft Wein und serviert Wein – di-
rekter dran kann man nicht sein. Dass außerdem
ein 600 Jahre altes, ungemein fotogenes Fach-
werkhaus in Bernkastel-Kues dazugehört, ist das
Tüpfelchen auf dem i. Eilige kaufen in der Vinothek
nur ein, Entspannte reservieren vor und genießen
die Winzerplatte.
Karlstr. 13, 54470 Bernkastel-Kues, Tel. 0 65 31/74 76, tgl. ab
15.30 Uhr, www.spitzhaeuschen.de
Im Osten des Hunsrücks breitet sich der kleine Naturpark Soonwald-
Nahe aus – eine ausgesprochen schmucke Gegend, die noch nicht von
vielen Wanderern entdeckt worden ist.
008 l WANDER-GEHEIMTIPP SOONWALDSTEIG
Mit dem Deutschen Wandersiegel hat der Soonwaldsteig die höchste
Auszeichnung bekommen, die ein Fernwanderweg erreichen kann. Und
doch, man staune, ist die insgesamt 85 Kilometer lange Strecke zwischen
Kirn und Bingen so etwas wie ein Geheimtipp unter den Wanderwegen
des Hunsrücks. Wer mal hineinschmecken möchte, kann sich die erste
Etappe (oder einen Teil davon) vornehmen, die mit steilen Felsen, einem
Pfad mit Lehrtafeln, alten Kastanienbäumen und einem grandiosen Blick
ins Hahnenbachtal punktet. Für längere Märsche unbedingt genügend
Wasser und Proviant mitnehmen – knapp die Hälfte des Soonwaldsteigs
verläuft abseits von Ansiedlungen, also ohne Verpflegungsmöglichkeiten.
www.soonwaldsteig.de
BEI WASCHBÄR UND WILDKATZE: WILDFREIGEHEGE WILDENBURG
Keine Sorge: Es heißt zwar Wildfreigehege, man wird aber trotzdem kei-
nem Grauwolf gegenüberstehen. Der Begriff bedeutet vielmehr, dass die
Anlage kein Zoo ist, sondern den – überwiegend heimischen – Tieren
einen so natürlichen Lebensraum wie möglich bietet. Das bedeutet auch,
dass man etwas Zeit mitbringen muss, bis sich das eine odere andere
Exemplar zeigt. Wer nicht so viel Geduld hat, schaut sich eine der täg-
lichen Fütterungen von Waschbären, Marderhunden und Wildkatzen an –
gerade Letztere sind bei uns durchaus heimisch, aber so scheu, dass eine
Sichtung in freier Wildbahn praktisch unmöglich ist. Kinder dürfen auch
Tiere streicheln: Kaninchen und Meerschweinchen, Schaf und Ziege.
Wildenburger Str. 22, 55758 Kempfeld, Tel. 067 86/72 12, tgl. 9–17 Uhr, www.wildfreigehege-wildenburg.de
»HOHER BESUCH« IM HUNSRÜCK: HÄNGEBRÜCKE GEIERLAY
Im Vergleich zur Rappbodetalsperre ist die 360 Meter lange Geierlay-
Hängebrücke bei Mörsdorf beinahe klein. Dafür ist sie aber von allen Sei-
ten von romantischem Wald umgeben, und, für manche ein Vorteil, der
Laufsteg besteht aus Holzplanken, durch die man nicht in den Abgrund
schauen kann. Parken muss man am Besucherzentrum, einen guten Kilo-
meter von der Brücke entfernt. Wer nicht zu Fuß gehen möchte, kann
sich dort ein E-Bike ausleihen, mit dem man dann ganz locker auch die
Umgebung erkunden kann.
Besucherzentrum: Kastellauner Str. 23, 56290 Mörsdorf, www.geierlay.de
Aus 2000 Jahren Weingeschichte gibt es eine
Menge zu erzählen – über Terroirs und Boden-
beschaffenheiten, über die Mosel in der Literatur,
über Aromen und Rebsorten und Rebschnitt ...
Letzteren kann man sogar selbst ausprobieren,
virtuell, versteht sich. Wer nach gestilltem Wis-
sensdurst auch die Kehle benetzen möchte, hat
in den historischen Gewölbekellern des St.-Niko-
laus-Hospitals in der Vinothek mit Bistro die Wahl
zwischen 160 verschiedenen Moselweinen, vom
Hochgewächs bis zum Eiswein.
Cusanusstr. 2, 54470 Bernkastel-Kues, Tel. 0 65 31/41 41,
Mitte April–Okt. tgl. 10–18, Nov., Dez. tgl. 11–17 Uhr,
www.bernkastel.de
Mosel-Weinmuseum
Spitzhäuschen
Die Hängebrücke Geierlay führt luftig über eine waldreiche Senke.
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auf Reisenauf Reisen
RÜGEN IN DER NACHTEin Pfad führt 17 Meter hoch über die Baumkronen der Ostseeinsel. Am schönsten ist die
Wanderung, wenn der Vollmond scheint und eine Klarinette spielt.
Ganz schön laut, diese Blätter. Sie rauschen nicht, sie
brausen und pfeifen, dass es in den Ohren dröhnt. Neben,
über, unter mir flattern Buchenblätter, zittert das Grün
der Eichen. Was für einen Lärm ein Wald machen kann,
wenn man zwischen seinen Wipfeln spaziert. Wind reißt
an meinen Wangen, bis ich den Jackenkragen hochklappe.
Ich laufe über den Baumwipfelpfad der Ostseeinsel Rü-
gen, der sich vier bis 17 Meter hoch über dem Waldbo-
den erhebt. Vor mir geht ein Guide in olivbrauner Hose,
dahinter ein Mann mit Klarinette unterm Arm. Sie haben
zur Führung über den Pfad eingeladen, wollen ihn unserer
Gruppe in besonderer Stimmung zeigen – in einer Voll-
mondnacht.
Noch aber hält der Mond sich hinter Wolken ver-
steckt. Dunkel liegt der Wald unter mir, Blätter, Äste,
Zweige verschwimmen zu einem Einheitsgrau. Ich muss
die Augen zusammenkneifen, um die Details zu erkennen,
auf die mich Markus Matthias, der Guide, hinweist: etwa
die Höhle, die ein Schwarzspecht in einen Baum gehau-
en hat. Von hier kann ich dem Vogel quasi direkt in sein
Wohnzimmer blicken. Dann beuge ich mich auf Geheiß
meines Guides über das Geländer – ich soll versuchen,
einen Baum zum Wanken zu bringen. Energisch stoße ich
gegen eine starke Buche, und tatsächlich, sie schwankt
hin und her, obwohl ich nicht gerade Bodybuilderarme
habe. »Unten am Boden würden Sie das nicht schaffen«,
sagt Markus Matthias. »Hier oben hilft die Hebelwirkung.«
Und die Tatsache, dass Baumstämme flexibel sind. »Des-
halb können sie im Sturm schwanken, ohne umzufallen.«
Ich lehne mich nach vorn und bin beruhigt, dass dieses
Geländer so stabil ist, aus Holz und Stahl gebaut. Vor zwei
Jahren erst hat das Naturerbe Zentrum Rügen bei Prora
eröffnet. Ich stütze mich auf meine Ellenbogen und blicke
hinab in den blauschwarzen Abgrund.
Tagsüber war mehr zu sehen gewesen. Als die Sonne
durch die Kronen blinzelte, die Blätter hellgrün leuchte-
ten, der Zilpzalp sang. Da konnte ich zu meinen Füßen ein
seltenes Ökosystem bestaunen: den »naturnahen Wald«.
Seit zehn Jahren wird er sich selbst überlassen. Allenfalls
holzt man mal eine Fichte ab, die hier nicht hingehört.
Schwächeln Bäume, werden sie nicht gefällt, um ihr Holz
zu verwerten. Sie dürfen in Ruhe sterben. Ich blickte auf
tote Stämme, über und über mit Moos, Flechten, Pilzen
bedeckt, zwischen andere Bäume gestürzt, mit anderen
Stämmen verkeilt. Nationales Naturerbe nennt sich dieser
Teil Rügens. Denn er birgt neben dem Wald auf engstem
Raum noch zwei andere Ökosysteme: Feuchtgebiete wie
den Erlenbruch, von dem jetzt Froschquaken herüber-
schallt. Und das »Offenland«, eine freie Fläche, die weder
Acker ist noch von Büschen und Bäumen bewachsen. Bis
zur Wende übten dort Truppen, fuhren mit Panzern hin
und her und hielten den Bewuchs klein. Ein Job, den heute
Schafe erledigen.
Menschenmengen schoben sich am Nachmittag über
den Pfad, Väter mit Baby in der Bauchtrage, Rentner mit
Krückstock und »Was blüht denn da?«-Buch unterm Arm.
Der Wipfelweg, 1250 Meter lang und mit kinderwagen-
und rollatorgerechter Steigung, ist beliebt. Es läuft so gut,
dass das Naturerbe Zentrum regelmäßig Extratouren an-
bietet – wie die Vollmondwanderung.
Eine ihrer Vorzüge: Wir sind jetzt ganz allein zwischen
den Bäumen. Wir lauschen der Natur – und Andreas Ha-
nebrink, der die Klarinette ansetzt. Er spiele sonst eher
Saxofon, sagt er. Aber das passe nicht. »Das Instrument
muss aus Holz sein, hier im Wald, es soll sich in die Na-
tur einfügen.« Dann atmet er tief ein und stimmt »Blue
Moon« an. Einen Evergreen, der ein seltenes Ereignis
würdigt: dass es in manchen Monaten einen zweiten Voll-
mond gibt, blue moon genannt. Für diesen Monat würde
mir schon ein einziger reichen. Ich drehe und wende den
Kopf, nichts als schwarze Nacht. »Nur Geduld«, sagt un-
ser Guide und marschiert weiter. Der Pfad schraubt sich
nun in engen Kurven wie eine Spirale empor, bildet einen
luftigen Turm, der an einen Adlerhorst erinnern soll. In
seiner Mitte erhebt sich eine alte Buche, der Turm wurde
eigens um sie herumgebaut. Kurve um Kurve laufen wir
nach oben.
Dann stehen wir in 40 Meter Höhe, 82 Meter über dem
Meer. Und schauen auf die Insel herab, die sich riesig und
dunkel unter uns ausbreitet. Graugrün liegt die Ostsee da,
graublau der Bodden, nur da und dort blinkt ein Leucht-
turm, sehen wir die Lampen einer Seebrücke. Auch Bäu-
me wirken anders aus Adlersicht, die Wipfel zerfließen zu
grauschwarzem Blättermeer.
Und dann bläst auf einmal der Wind die Wolken weg.
Der Himmel färbt sich marineblau. Und über der Ost-
see erscheint, riesig und orangerot leuchtend, der volle
Mond. Stumm stehe ich da, betrachte seine Krater und
Täler, die sich deutlich abzeichnen, hier, wo kein Groß-
stadtlicht die Augen ablenkt. Wieder beuge ich mich
übers Geländer, schaue in den Wald hinein, der jetzt nicht
mehr finster wirkt, sondern in sanftes Licht getaucht ist.
Konturen werden sichtbar, da ein knorriger Stamm, dort
ein abgebrochener Ast. Ein Wald, der die Fantasie anregt,
weil er gerade so zu erkennen ist: Ist das dort ein Vogel-
nest oder ein schlafendes Eichhörnchen? Und die Augen,
die da aus dem Gebüsch blinken, gehören die einem Fuchs
oder einem Wildschwein?
Hanebrink setzt sein Instrument an und spielt »Guter
Mond, du gehst so stille«. Dunkel und sanft klingt die Kla-
rinette, ihre Klänge verwehen in der frischen Brise, fügen
sich ein in die Stimmung der Nacht. Dann blickt der Musi-
ker hinauf zum Mond. »Ein Glück, dass er sich heute zeigt.«
Bei der Wanderung gestern habe er sich hinter Wolken
verborgen, die ganze Führung lang. Die Gruppe starrte
in nichts als rabenschwarze Nacht. »Da hilft nur Humor«,
sagt Hanebrink. Er hat für solche Tage einen Papiermond
dabei, eine Laterne. Die hängt er an einen Pfosten. Und
spielt »It’s Only a Paper Moon«.
Von Cosima Schmitt, DIE ZEIT, Nr. 26/2015
Weitere Informationen unter: www.nezr.de
Rügen
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Paradiesische Orte und Erlebnisse am Wasser
DEUTSCHLANDtaucht ein
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Hausbooturlaub im HAVELLAND
Ein Boot? Nein, ein schwimmendes Apartment! Mit dem »BunBo« kann man Brandenburgs Seen und Flüsse mit allemKomfort erkunden, ist aber gleichzeitig mitten in der Natur.
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DEUTSCHLAND TAUCHT EIN
Ein besonderes Schmuckstück ist am ma lerischen Marktplatz das schiefer-gedeckte Rathaus, mit dessen Bau im
späten 15. Jh. begonnen wurde.
Hervorragende indische Küche direkt am Stadt-
kanal - viele Gerichte kommen aus dem Tandoor,
einem original indischen Lehmofen. Von der Ter-
rasse hat man einen herrlichen Blick aufs Wasser.
Täglich ab 17 Uhr Happy Hour mit solider Cock-
tailauswahl.
Potsdamer Str. 2, 14776 Brandenburg/Havel, Tel. 0 33 81/
79 41 12, So-Do 11.30-22, Fr, Sa 11.30-23 Uhr,
www.restaurant- malabar.de
Eine hübsche alte Kastenmühle ist das Wahrzei-
chen Werders. Schon aus der Ferne grüßt sie mit
ihrem markanten Flügelkreuz die Segeljachten,
Motorboote und Kajaks, die aus allen Himmels-
richtungen an der Stadt vorbeigleiten. Denn Wer-
ders Zentrum liegt auf einer Insel, die nicht nur
von der Havel, sondern auch von Schwielowsee,
Glindower See und Großem Plessower See um-
spült wird. Wer an Land geht, findet in der Alt-
stadt neben der Backsteinkirche auch nette klei-
ne Läden, Cafés und Künstlerwerkstätten.
Touristinformation Werder, Kirchstr 6/7, 14542 Werder
(Havel), www.werder-havel.de
Wasserstadt Werder
sehenswert
einkehren
Malabar
Windstill und einsam soll er sein. Aber bitte mit Abendsonne! Vielleicht
da drüben am Schilf? Während die Parkplatzsuche beim Autofahren oft
an den Nerven zehrt, macht sie beim Hausbooturlaub richtig Spaß.
039 l AUSZEIT AUF DEN SEEN UND FLÜSSEN BRANDENBURGS
Vor Anker gehen darf man hier fast überall, und oft fällt es schwer, sich
für einen der vielen traumhaften Liegeplätze inmitten herrlicher Natur
zu entscheiden. Auf besonders romantische Art und Weise durchschip-
pert man Deutschlands wasserreichstes Bundesland mit seinen unzäh-
ligen Seen und Flüssen an Bord eines Bungalow-Hausboots. Die bunten
schwimmenden Würfel bieten allen nur erdenklichen Komfort und sind
neben Bad mit Dusche und WC sowie Küche und Schlafzimmer – inklusive
Mückenschutzgitter – auch mit einer großen Veranda ausgestattet. Hier
hechtet man direkt ins kühle Nass, heizt nach einem gemütlichen Sun-
downer den Grill an und packt nach dem Abendessen die Mundharmonika
aus. Wer Natur und Einsamkeit überdrüssig wird, nimmt mit seinem »Bun-
Bo« einfach Kurs auf eines der schmucken Havelländer Städtchen. Sogar
Fahrräder für Landausflüge können dazugebucht und an Bord verstaut
werden. Doch einen kleinen Haken gibt es da noch: Aus Sicherheitsgrün-
den benötigen Hobbyskipper einen Charterschein, der jedoch vor Ort
nach ein paar Fahrstunden inklusive Theorietest ausgestellt wird.
www.bunbo.de, www.havelland-tourismus.de
BRANDENBURG/HAVEL: ALTSTADTFAHRT MIT DER »HAVELFEE«
Zwei Stunden dauert der Ausflug mit der »Havelfee«, die ihre Gäste, wie
der Name schon verrät, auf dem Wasser rund um die Altstadt schippert.
Gestartet wird unterhalb der Jahrtausendbrücke, auf der sich Haupt- und
Ritterstraße treffen. Dann geht’s gegen den Uhrzeigersinn zum Kleinen
und zum Großen Beetzsee, wo die Fee einen kleinen Schlenker fährt
und durch den Silokanal nördlich des Altstadtkerns nach Westen weiter-
zieht. Quenz- und Breitlingsee werden durchquert, bevor das Schiff auf
der Niederhavel zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Wie wäre es dann mit
einer Stadtbesichtigung zu Fuß? Wichtige Landmarken sind der wuchtige
Plauer Torturm in der Stadtmauer, das Altstädtische Rathaus im Stil der
Backsteingotik mit der riesigen Rolandstatue und der Dom St. Peter und
Paul, das erste vollständig in unverblendetem Backstein ausgeführte Bau-
werk der Mark Brandenburg.
Havelfee: Tickets buchen unter www.fgs-havelfee.de
Tourist-Info: Neustädtischer Markt 3, 14776 Brandenburg (Havel), Tel. 0 33 81/79 63 60, Mai-Sept. Mo-Sa
9-19.30, So 11-14, Okt. Mo-Sa 9-18.30, Nov.-April Mo-Sa 9.30-18.30 Uhr, www.erlebnis-brandenburg.de
Die Dominsel mit dem Dom St. Peter und Paul ist
der älteste Stadtteil Brandenburgs an der Havel.
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170 171
auf Reisenauf Reisen
LIEBLINGSORTE AN DER KÜSTENatürlich kann man Reiseführer wälzen. Aber die persönliche Empfehlung ist immer noch am besten:
13 ZEIT-Mitarbeiter über ihre Ziele an Nord- und Ostsee.
1. Spiekeroog: Die Strandbar
Die Stadt Laramie, Wyoming, USA, war einst der Außen-
posten der Zivilisation am Ende der Union Pacific Rail-
road. Das Old Laramie, Spiekeroog, Ostfriesische Inseln,
liegt am Ende der Museumspferdebahn – und ist die
Mutter aller Strandbars. Schon 1899 wurde das Gebäude
eröffnet, als »Warmbadeanstalt«. Nach einem kriegsbe-
dingten Zwischenspiel als Flughafengebäude ist es nun
schon lange das, was das schöne Wort Ausflugslokal
meinte, bevor es von so einem Speckrand aus Spießig-
keit verunstaltet wurde.
Ins Laramie geht man zum Kaffeetrinken, Käsekuchen-
essen, Kickern, zur Druckbetankung mit Friesisch-Her-
bem und anderen geistigen Getränken, schließlich zu den
Abtanzpartys mit ihrer unnachahmlichen Mischung aus
Jugendkeller, Kiezdisco und Ü-30-Fete. Wobei »gehen«
wörtlich zu nehmen ist: Autos sind auf der Insel verboten,
das Fahrradfahren ist streng reglementiert, also müssen
die zwei Kilometer vom Ort in den wilden Westen zu
Fuß absolviert werden, was vor allem beim frühmorgend-
lichen Rückweg den Barbesuch zum Abenteuertrip er-
weitern kann.
Im Gegensatz zu all den Sansibars dieser Welt ge-
horcht das Laramie keinerlei gastronomischem System;
selbst die Öffnungszeiten sind mitunter fluid. Es ist eine
nie endende Frickelarbeit des gelernten Segelmachers
und Taklers Dirk Nannen. Jedes Frühjahr aufs Neue er-
weckt er den von der Düne liebevoll umarmten Laden
aus dem Winterschlaf, verbaut frisches Treibgut, rührt
aus Rost von einer Feuertonne und Acrylfarbe einen
neuen, unverwechselbaren Anstrich an. Schöneren, ech-
teren Shabby Chic findet man entlang der 1200 Kilome-
ter deutscher Nordseeküste kaum.
Christof Siemes
2. Cuxhaven: Die Elbmündung
Die Kugelbake, ein altes Seezeichen, markiert den Ort,
an dem die Elbe in die Nordsee mündet. Hier in Cux-
haven, sorry, liebe Hamburger, öffnet sich Deutschlands
Tor zur Welt. Schiffe aus aller Herren Länder fahren vor-
bei, grüne Deiche schützen das Land, bei gutem Wetter
sieht man Schleswig-Holstein am gegenüberliegenden
Elbufer.
Über die Nordsee schweift der Blick bis zum Hori-
zont. Die Insel Neuwerk, die zu Hamburg gehört, ist zu
sehen. Atemberaubende Sonnenuntergänge, blauer Him-
mel oder auch gewaltige Wolkengebirge, unter denen das
Wasser kommt und geht. Beim Höchststand reicht es bis
zum Strand, beim niedrigsten Stand zeigt sich das Watt,
eine Mondlandschaft voller Leben, von der UNESCO zum
Weltnaturerbe erklärt. Kinder lachen, Möwen kreischen,
manchmal ist es ganz still. An diesem Ort lässt sich wun-
derbar nachdenken.
Den passenden Sound liefern Otis Reddings »Sittin’ on
the Dock of the Bay« oder – wer es wehmütiger mag –
Hans Albers’ »Ganz dahinten, wo der Leuchtturm steht«.
Thomas Kerstan
3. Scharbeutz: Die Strandkörbe
Das maritime Klima, von dem jetzt keiner glaubt, dass
es das mal gab, also die sprichwörtlichen frischen Brisen
und den berüchtigten kalten Sommerregen, das konnte
einem schon aufs Gemüt schlagen. Seit ich aus Mittel-
deutschland in den Norden gezogen bin, ist mir die Me-
lancholie des nordischsten deutschen Dichters Theodor
Storm nur zu verständlich. Seine ewige Sehnsucht nach
Herzenswärme, seine romantischen Plots von der Liebe,
die durchkreuzt wird, dass die Geschicke der Helden sich
wie von tief hängenden Wolken verdüstern: Storm kam
wahrlich vom Meer.
Aber dasselbe Meer bringt auch das Gegenmittel
zum Kühl-bis-ans-Herz-Klima hervor, eine eigene Güte,
einen Menschenschlag von beständiger Freundlichkeit.
Zum Beispiel Familie Bade. So heißen tatsächlich meine
Strandkorbvermieter in der Lübecker Bucht, dort, wo
das dünengrüne Seebad Scharbeutz in das Dorf Haffkrug
übergeht. Eine weiße Holzhütte, natürlich reetgedeckt,
mit bunten Holzfischen verziert, die Herr Bade selbst
ausgesägt hat. Davor steht Frau Bade und lächelt einem
entgegen wie einem lieben Familienmitglied auf Sonn-
tagsbesuch. Immer! Und immer, auch im Hochsaisontru-
bel, hat sie noch einen Strandkorb übrig.
Was heißt Trubel. Wer die sandigen Planken zu Bades
Strandabschnitt betritt, ist gleich auf einer Insel der Ab-
geschiedenheit. Das liegt nicht nur an den weiß-blauen
Strandkörben, dem tröstlichsten aller Sitzmöbel, Symbol
sturmerprobter Gemütlichkeit. Nicht nur an Kaffee, Kek-
sen, Sekt aus der Vermieterhütte. Es liegt an der bade-
schen Art, die des Horizontes bedürftigen Stadtmenschen
zu betreuen: sich über auflandigen Wind zu freuen, vor ab-
landigen Quallen zu warnen und bei Dämmerung dezent in
den Strandkörben nachzufragen, wie es denn war. Darauf
gibt es stets nur die eine ehrliche Antwort: Wunderbar!
Evelyn Finger
4. Kühlungsborn: Der Westteil
Wer mit kleinen Kindern ein paar schöne Tage am Meer
verbringen will, ist an der Ostsee ganz richtig: Das Meer
ist ruhig und flach, der Sand ist weich, die Preise sind mo-
derat, übrigens umso moderater, je weiter man sich von
Hamburg gen Osten bewegt. Ein perfektes Preis-Leis-
tungs-Verhältnis findet sich im Ostseebad Kühlungsborn
zwischen Wismar und Rostock.
Achtung: Im Ostteil des Badeorts stehen ein paar Bra-
chialbauten herum, die aussehen wie Stein gewordene
Kreuzfahrtschiffe. Zu empfehlen ist deshalb der Westteil
von Kühlungsborn, wo es neben alten Villen im Stil der
Bäderarchitektur auch einen Campingplatz gibt, von dem
aus man das Meer rauschen hört. Man kann mit dem Auto
anreisen, muss es aber nicht. Von Hamburg aus ist Küh-
lungsborn mit Zug und Bus erreichbar (über Rostock) oder
romantisch mit einer Dampf-Schmalspurbahn namens
»Molli« (über Bad Doberan).
Auch abseits des Strands ist in Kühlungsborn genug
geboten, um ein paar schöne Tage zu erleben: Größere
Kinder und schwindelfreie Eltern können den fabelhaften
Kletterwald erkunden, Geschichtsinteressierte können
einen ehemaligen DDR-Grenzturm samt kleinem Museum
besuchen, das mitten in der Idylle nachdenklich macht.
Hervorragende Baiser-Torten gibt es im Café Röntgen,
leicht zu finden, denn es liegt in einem eindrucksvollen
nachgebauten Schlösschen namens Meeresblick an der
Promenade. Ordentlichen Fisch gibt es im Fisch-Hus, Pizza
aus dem Holzofen samt gut gelaunter Bedienung bei Ros-
sini, indisches Essen in gewaltigen Portionen bei Mantra.
Und Appetit, den gibt es jeden Tag kostenlos am Strand,
ehrlich verdient beim Schwimmen, Tunnelgraben und Ver-
steckenspielen in einem Wald aus weißen Strandkörben.
Marc Widmann
5. Wesselburenerkoog: Das Eidersperrwerk
Steht man vor dem Eidersperrwerk, das zur Gemeinde
Wesselburenerkoog gehört, ist man erst einmal über-
wältigt. Wie riesig dieser Wall ist, mit dem das Hinter-
land vor Sturmfluten geschützt wird! Man sollte sich aber
nicht abschrecken lassen von den Massen aus Beton:
Zwischen den gewaltigen Toren des Sperrwerks liegt ein
Fußweg, der einem einen wunderschönen Blick auf die
Nordsee beschert.
Wer so lange bleibt, dass er hungrig wird, kann beim
Imbiss um die Ecke ein Fischbrötchen oder Pommes es-
sen. Man sollte nur ein Auge auf die heimtückischen Mö-
wen haben.
Ein Ausflug lohnt sich besonders bei klarem, sonnigem
Wetter in den Abendstunden, wenn über der Nordsee
die Sonne untergeht. Und wenn es heftig stürmt. Dann
kann man stundenlang beobachten, wie die Wellen gegen
die Deiche und Tore peitschen.
Annabell Mundt
6. Amrum: Der Zeltplatz 2
Der schönste, der wahnsinnigste Moment des Urlaubs:
Man hat sich gegen die Sandwogen gestemmt, ist zur
Dünenkuppe hochgekraxelt, hebt die Augen, und da liegt
sie: eine Endlosigkeit von Strand. Amrum! Der Strand von
Amrum ist Exzess, ein Wahnsinn, der das Herz stocken
Nord- und Ostseeküste
© Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG
Einzigartige Bauwerke und Denkmäler
Fantastische
ARCHITEKTUR
© Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG
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FANTASTISCHE ARCHITEKTUR
Zum Glück konnte der Abriss verhindert werden.
Was hier aus einem stillgelegten Hüttenwerk
entstand, ist ein Landschaftspark, der noch viel
mehr als nur Park und Landschaft ist.
055 l SCHMELZPUNKT VON INDUSTRIE,
KULTUR & NATUR
Der »Watzmann« steht im Ruhrgebiet, er ist aus
Beton und keine 20 Meter hoch, lässt sich aber
beklettern wie der graue Riese am Königssee.
Zusammen mit anderen Türmen im offenen Bun-
ker, weit überragt von Hochöfen und der riesi-
gen Verladebrücke des »Krokodils«, ist er nur ein
winziger Bestandteil des 1985 stillgelegten Thys-
sen-Hochofenwerks, das heute unter dem Na-
men Landschaftspark Duisburg-Nord bekannt ist.
Wildes Grün wuchert zwischen den bizarren In-
stallationen der Industrieanlage, die längst zum
Kulturdenkmal geworden ist. Als schwindelfrei-
er Wanderer erreicht man den »Gipfel« des 70
Meter hohen Hochofens Nummer 5 und genießt
von oben einen spektakulären Blick über das 200
Hekt ar große Gelände. Wieder unten, spaziert
man durch saftiges Grün und bestaunt den Gaso-
meter, der mit Wasser gefüllt und Europas größ-
tes künstliches Tauchsportzentrum ist.
Emscherstr. 71, 47137 Duisburg, www.landschaftspark.de
Landschaftspark DUISBURG NORD
Ein Spirituosenhändler mit Leib und Seele. Ge-
schätzt gibt es hier an die 700 Whiskysorten und
über 3800 andere hochprozentige Köstlichkeiten.
Kreuzeskirchstr. 37, 45127 Essen, Tel. 02 01/24 77 10, Mo-Fr
9.30–19, Sa 10–17 Uhr, www.banneke.com
typisch genießen
Im Dunkeln verwandelt die Lichtinszenierung des Briten Jona-
than Park das Hüttenwerk in eine faszinierend bunte Installation.
055
Banneke Feinkost flüssig
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auf Reisenauf Reisen
BRUDER-KLAUS-KAPELLE
Ein feste Burg ist unser Gott, oder anders gesagt: ein ganz
schön grober Klotz. Steht abweisend herum, fremd und
rätselhaft. Ringsumher Wälder, Felder, sanft geschwun-
gene Hänge am Nordrand der Eifel, und mittendrin, zwölf
Meter steil, ein Zeichen der Uneinnehmbarkeit. Doch soll-
te sich keiner täuschen: Dieser Gott führt ein Doppelle-
ben. Wer hineinschlüpft durch die dreieckige Pforte, für
den zieht sich die Welt zusammen. Abweisende Härte
wird bergende Stille.
Zwanzig Jahre ist es her, dass ein Bauer und seine Frau
auf die Idee verfielen, am Feldrain, zwischen Dinkel und
wilden Malven, mit einem Kapellchen ihre Dankbarkeit zu
bekunden: für ein reiches, behütetes Leben. Sie suchten
einen Architekten und fragten nicht irgendwen, sondern
den Schweizer Peter Zumthor, der oft als Mönch der Mo-
derne beschrieben wurde, als betonverliebter Mystiker.
Anfangs brummelte er streng, das ist so seine Art, doch
irgendwann, als die Bauern schon dachten, es werde wohl
nichts mit ihrem Kirchlein, rückte er seine Entwürfe her-
aus. Sehr eigen, sehr wundersam.
Aus 112 Fichtenstämmen ließ Zumthor eine Art Urhütte
aufstellen, ein Glaubenszelt mit tropfenförmigem Grund-
riss. Dann wuchs, Schicht um Schicht, der äußere Beton-
mantel empor, angerührt mit dem rötlich gelben Sand aus
der Umgebung und auf althergebrachte Weise gestampft.
Viele Freunde und Mitstreiter der Bauern halfen mit, und
als schließlich, für die oberste Schicht, auch der Architekt
Hand angelegt hatte, wurde im Inneren ein Köhlerfeuer
entzündet, das so lange schwelte, bis die Fichtenschalung
halb verkohlt war und man die Stämme leicht herauszie-
hen konnte. Zurück blieb: eine Höhle. Rau und geschwun-
gen die Wände, an denen sich die Abdrücke der Baum-
borke zeigen.
Geweiht ist die Kapelle dem Bruder Klaus, der als Nik-
laus von Flüe im 15. Jahrhundert von sich reden machte, weil
er sein Normalleben verließ, um fürderhin Gott und eben-
so den Menschen zu dienen. Ein Eremit und ein Schlichter,
den man aufsuchte, um politische Streitfälle aufzulösen.
Ein Mann, nicht von dieser Welt und doch mittendrin – und
in dieser introvertierten Extrovertiertheit der Zumthor-
schen Kapelle sehr ähnlich.
Wie gemacht scheint das kleine Bauwerk, um die vie-
len harten Gegensätze der Gegenwart für einen Augen-
blick zu transzendieren. Ein Ort, der auf archaische Weise
modern ist, weich und kantig zugleich, hell und dunkel. Wer
hier eintritt und sich auf dem Bänkchen aus Lindenholz
niederlässt, hält Einkehr bei sich selbst und unwillkürlich
Ausschau nach dem Höheren. Denn die Kapelle hat keine
Fenster und kein Dach, nur ein offenes Himmelsauge. Hier
unten ist man behütet, nicht aber verschluckt.
Dann tritt man hinaus, und wie weit ist mit einem Mal
der Horizont, wie hell der Himmel. Wie schön ist es, in der
Höhle zu sein. Und wie belebend, sie zu verlassen.
Von Hanno Rauterberg, DIE ZEIT, Nr. 17/2019
Bruder-Klaus-Kapelle, Wachendorf, www.feldkapelle.de
Die Vorstellung, jemand will nach Görlitz, Architektur
bestaunen, die herrliche sächsische Renaissance – und
braust an Löbau vorbei und verpasst Haus Schminke!
Schrecklich. Dieses Haus ist ein kleines Wunder der inter-
nationalen Moderne, ein Kunstwerk von Hans Scharoun,
der sich mit Mies van der Rohe, Le Corbusier und Frank
Lloyd Wright ein Nase-an-Nase-Rennen um das erstaun-
lichste Wohnhaus lieferte. Hier: eine Nudelfabrikanten-
villa. Sieht aus wie ein in Sachsen gestrandetes Schiff, das
sich mit Schwung aus dem Garten erhebt und spielerisch
Treppenaufgänge und Decks gegeneinander verschiebt,
als vertreibe es sich auf elegante Weise die Zeit bis zur
nächsten Sintflut. Hans Scharoun war aus Bremerhaven
gebürtig, er liebte nautische Elemente. Virtuos aber bau-
te der Professor aus Breslau fluide, atmende Innenräume.
In diesem Erdgeschoss tobten einst vier Kinder durch
einen großen pulsierenden Raum, der Küche und Ess-
zimmer und Wohnbereich umfasste und von allen Seiten
Licht aus dem Garten empfing, der seinerseits Grüße in
den Wintergarten schickte, wo Pflanzen aus dem Boden
sprossen. Im ersten Stock winzige Rückzugsräume. Sty-
lishes Linoleum, zarte Farben. Ab jetzt können Bewun-
derer diesen restaurierten Klassiker wieder besichtigen,
darin Feste feiern, ja sogar dort nächtigen.
Von Susanne Mayer, DIE ZEIT, Nr. 17/2019
Haus Schminke, Löbau, www.stiftung-hausschminke.eu
HAUS SCHMINKEWachendorf Löbau
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Besondere Gelegenheiten zum Staunen und Mitmachen
Wissen ERLEBEN
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Die Bundesgartenschau Heilbronn 2019 wirkt auch
nach ihrem Ende positiv weiter: Der Neckarbo-
gen wächst zu einem neuen Stadtquartier für ins-
gesamt 3500 Menschen und 1000 Arbeitsplätze.
Viele der für die Bundesgartenschau angelegten
Bereiche wie der Neckaruferpark, der Holzsteg,
die Fuß- und Radwege auf dem Lärmschutzwall,
Spielplätze und Sportanlagen bleiben zur Nah-
erholung für Heilbronn und Umgebung bestehen.
www.heilbronn.de
Bundesgartenschaugelände
sehenswert
Lernen bedeutet an diesem Ort nicht nur In-
formationen aufnehmen, sondern spielend die
eigenen Interessen und Talente entdecken.
075 l MIT WISSEN SPIELEN
In vier aufwendig inszenierten Ausstellungsebe-
nen erlebt der Besucher im Bereich Entdecker-
welten anhand von 150 interaktiven Exponaten
die Bereiche Energie und Umwelt, Technik und
Innovation, Mensch und Kommunikation sowie
Mensch und Freizeit. In den Talentschmieden
können ungeahnte Fähigkeiten entdeckt, entwi-
ckelt und vertieft werden. Nach Herzenslust ex-
perimentieren können Nachwuchsforscher unter
pädagogischer Anleitung in drei Labors und zwei
Ateliers in den Forscherwelten. Dazu gibt es Ex-
perimentaltheater, eine Sternwarte, regelmäßige
Shows zum Mitmachen und Workshops zu den
verschiedensten wissenschaftlichen Themen. So
lassen sich Naturphänomene erklären, wird Abs-
traktes vorstellbar, Technik erlebbar.
Experimenta-Platz, 74072 Heilbronn, Tel. 0 71 31/8 87 95-0, Mo–Fr 9-17,
Sa, So, Fei 10-18 Uhr, www.experimenta-heilbronn.de
Spielen, Probieren, Hantieren – im Science Center
geht es praktisch zu. So macht Lernen Spaß!
Experimenta Scie nce Center in HEILB RONN
075
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auf Reisenauf Reisen
HAND AUFS EISIm Klimahaus Bremerhaven wird der Besucher zum Polarforscher.
»Kinder, Jacken an! Zieh den Reißverschluss bis nach oben
zu, Karla!«, ruft die Expeditionsleiterin besorgt. Ein eisiger
Wind bläst den Teilnehmern ins Gesicht. Die jüngeren
quietschen und schreien und hüllen sich in alles, was sie
wärmen kann. »Mann, ist das kalt!«, murrt auch der alte
Gepäckträger, der zur Truppe gehört. Die Expedition has-
tet an einem Schild mit der Aufschrift vorbei: »Danke, dass
Sie die Eisfläche nicht betreten!« Nach dreißig Sekunden
ist es geschafft. Durch einen Eisgang und dicke Plastikvor-
hänge betritt die Familie aus Oldenburg die wonnig warme
Polarstation. Gerettet!
In Bremerhavens Altem Hafen liegt ein rundliches Ge-
bäude, das an ein gigantisches Schlauchboot erinnert. Das
Klimahaus ist der jüngste Touristenmagnet der Stadt und
nennt sich selbst »wissenschaftliches Ausstellungshaus«. Es
will uns das Klima nahebringen – wie es auf den Menschen
wirkt und wie uns demzufolge auch der Klimawandel und
die Erderwärmung betreffen. Der Besucher soll schlauer
werden; gleichzeitig will man ihn gut unterhalten wie auch
unaufdringlich ermahnen. Der Hit ist eine »klimatische
Weltreise« durch verschiedene Räume, bei der man die
Klimazonen der Erde und ihre Wirkung auf die Menschen
am eigenen Leibe erleben kann. Weil der achte östliche
Längengrad (beinahe) durch Bremerhaven verläuft, bewegt
man sich einfach an ihm entlang, bis man einmal um die Erde
herum ist. Durch die Schweizer Berge mit ihren (melkba-
ren!) Kühen und den schmelzenden Gletschern geht es
über Sardinien in den heißen, staubtrockenen Niger nach
Kamerun. Spätestens hier rinnt dem Besucher im schwülen
Regenwaldklima der Schweiß nur so übers Gesicht.
Bis dann der Saunagang abrupt endet – im Kühlschrank
des Klimahauses: Das antarktische Königin-Maud-Land mit
seinen gefühlt minus 20 Grad haken die Besucher meist
am schnellsten ab. Nur wenige ziehen die in der Polarsta-
tion angebotenen gebrauchten Kälteschutzklamotten an,
die das benachbarte Alfred-Wegener-Institut für Polar-
und Meeresforschung gestiftet hat.
Dabei herrschen in der Bremerhavener Antarktis in
Wirklichkeit bloß drei bis sechs Grad unter Null. So
schützt man die Besucher vor echten Gesundheitspro-
blemen, spart sich einen Aufseher – und reduziert den
eigenen CO₂-Fußabdruck. Das Haus möchte mit gutem
Beispiel vorangehen. Selbst im heißesten Sommer kommt
es durch eine ausgeklügelte Belüftungstechnik ohne Kli-
maanlage aus.
Von der Antarktis führt der achte Längengrad durch die
Südsee ins paradiesisch wirkende, aber vom Klimawandel
bedrohte Samoa über Alaska zur Hallig Langeneß »vor
der eigenen Haustür«. Dort steigt der Wasserspiegel der
Nordsee ebenfalls seit Jahren und betrifft schließlich auch
Bremerhaven. Anderswo im Klimahaus können die Gäste
dann lernen, wie man beim Einkaufen, Autofahren, Heizen
und Duschen »klimabewusst« agiert. Doch was sie nicht
Das WM-Jahr unseres Missvergnügens ist Gott sei Dank
vorbei – Zeit, sich daran zu erinnern, wie unerschütter-
bar vom Versagen in russischen Vorrunden der Fußball
die Alltagskultur prägt und bereichert. Der beste Ort
dafür ist das Deutsche Fußballmuseumam Dortmunder
Hauptbahnhof, die Kathedrale – und ein bisschen auch
die Rumpelkammer – für der Deutschen liebstes Spiel.
Wie im Kölner Dom gibt es sogar eine Schatzkammer,
in der all die WM- und EM-Trophäen in feierlicher Stille
vor sich hinglitzern. Aber das Haus bietet mehr als eine
Devotionaliensammlung (die Handschriften des heiligen
Sepp Herberger, Mario Götzes Schuh aus dem WM-Fi-
nale 2014 mit Original-Rasenspuren). Alle paar Monate
wird hier eine Art Fan-Messe gelesen, mit den schönsten
Stadion-Chorälen zum Mitsingen. »Lieder aus der Kur-
ve« heißt die Reihe, hervorgegangen aus einer Initiative
des Dortmunder Schauspielhauses. Dort lud die eigens
gegründete Band The Mundorgel Project zum Rudel-
singen aus der legendären roten Volksliederbibel. Beim
Liederabend in der Arena des Museums animieren die
vier Musiker das Publikum zu den Klassikern des Genres,
von »Ihr seid nur ein Karnevalsverein« (nach der Melodie
von »Yellow Submarine«) bis zur Regionalligahymne mit
dem unsterblichen Reim »Fußballzeit bei uns im schönen
Wattenscheid«. Volkskulturpflege zum Herzerwärmen.
Wer da beim finalen »You’ll Never Walk Alone« keine
Gänsehaut bekommt, ist schon durch einen KI-Roboter
ersetzt.
Von Christof Siemes, DIE ZEIT, Nr. 17/2019
www.fussballmuseum.de
einmal ahnen: Selbst bei ihrer Reise um die Welt hinter-
lassen sie Spuren. Durch bloßes Ausatmen von nicht ganz
reinem Wasserdampf und weil sie Textil- und Staubparti-
kel verlieren, verdrecken Tausende von Besuchern das Eis
des Königin-Maud-Landes. So, wie Kreuzfahrtschiffe voller
Touristen zum Beispiel die Antarktis verschmutzen. Das
Bremerhavener Eis muss regelmäßig ausgetauscht werden.
Und was zumindest symbolisch zu deuten ist: Viele
Gäste des Klimahauses nutzen die kurze Zeit in der »Ant-
arktis« nur, um ihre Hände aufs Eis zu legen und einen Ab-
druck hineinzuschmelzen. Sie bringen ihre Wärme mit und
tauen es. Wie das eben auch in der Antarktis geschieht,
wo der anthropogen aufgeheizte Ozean schon beängs-
tigend wirkungsvoll von unten am Schelfeis nagt. In den
letzten zehn Jahren hat sich der Eisverlust dort so mehr als
verzehnfacht; 2002 brach eine Eisplatte von der Größe
des Saarlandes ab.
Und Satellitendaten zeigen: Das war keine Episode.
Jährlich verliert die Antarktis ein gewaltiges Stück. Die
Folgen für den Meeresspiegel lehren: Es wird Zeit, dass
wir die Eiseskälte schätzen lernen.
Von Burkhard Straßmann, DIE ZEIT, Nr. 35/2015
www.klimahaus-bremerhaven.de
FUSSBALLMUSEUM
Bremer-
haven
Dortmund
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