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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität DFG-Forschungsbericht Theatralität der Bamberger Historischen Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Inszenierungsstrategien von Musik und Theater und ihre Wechsel- wirkungen Martin Zenck – Tim Becker – Raphael Woebs I. Entstehung und Verlauf des Theatralitätsprojekts Im Jahr 1995 wurde ein durch Erika Fischer-Lichte 1 (Theaterwissenschaftliches Institut FU Berlin), zusammen mit den Initiatoren Hans-Georg Soeffner (Soziologie, Universität Konstanz), Klaus-Peter Köpping (Ethnologie, Universität Heidelberg) und Gerhard Neumann (Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Universität München) gestellter Antrag auf Bewilli- gung eines Schwerpunktprogramms (SPP) mit dem Thema „Theatralität als kulturelles Modell für die Kulturwissenschaften“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) genehmigt. Im gesamten Förderungszeitraum von sechs Jahren haben sich insgesamt ca. 16 Disziplinen an diesem SPP beteiligt, unter ihnen - neben der Bamberger Persönlichkeitspsychologie (Lo- thar Laux, Karl-Heinz Renner) - die Bamberger Historische Musikwissenschaft als einzige Vertreterin dieses Fachs in der Bundesrepublik über die ganzen sechs Jahre (Die Mainzer Mu- sikwissenschaft war für zwei Jahre mit einem Teil-Projekt 2 beteiligt). Das bewilligte Antrags- volumen umfasste zu Beginn des SPP 6 Mio. DM. Zur Erarbeitung eines umfassenden Begriffs von „Theatralität als kulturelles Modell in den Kulturwissenschaften“ wurden sechs thematische Aspekte ausgewählt und in Form von je- 1 Vgl. neben dem ausführlichen Antragstext die Kurzbeschreibung dieses SPP „Theatralität“: Erika Fischer-Lich- te: I. Das DFG-Schwerpunktprogramm „Theatralität“, in: Inszenierung von Authentizität , hg. v. Erika Fischer- Lichte und Isabel Pflug (= Theatralität, Bd. 1), Tübingen und Basel 2000, S. 11-13. 2 Vgl. Christoph-Hellmut Mahling und Arno Mungen: Erforschung der Zusammenhänge von untermalender Mu- sik zu Sonderformen des Theaters und frühen Filmen Mitteleuropas und Nordamerikas in der Zeit von 1820- 1910. 1

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

DFG-Forschungsbericht Theatralität

der Bamberger Historischen Musikwissenschaft

mit dem Schwerpunkt Inszenierungsstrategien von Musik und Theater und ihre Wechsel-

wirkungen

Martin Zenck – Tim Becker – Raphael Woebs

I. Entstehung und Verlauf des Theatralitätsprojekts

Im Jahr 1995 wurde ein durch Erika Fischer-Lichte1 (Theaterwissenschaftliches Institut FU

Berlin), zusammen mit den Initiatoren Hans-Georg Soeffner (Soziologie, Universität

Konstanz), Klaus-Peter Köpping (Ethnologie, Universität Heidelberg) und Gerhard Neumann

(Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Universität München) gestellter Antrag auf Bewilli-

gung eines Schwerpunktprogramms (SPP) mit dem Thema „Theatralität als kulturelles Modell

für die Kulturwissenschaften“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) genehmigt.

Im gesamten Förderungszeitraum von sechs Jahren haben sich insgesamt ca. 16 Disziplinen

an diesem SPP beteiligt, unter ihnen - neben der Bamberger Persönlichkeitspsychologie (Lo-

thar Laux, Karl-Heinz Renner) - die Bamberger Historische Musikwissenschaft als einzige

Vertreterin dieses Fachs in der Bundesrepublik über die ganzen sechs Jahre (Die Mainzer Mu-

sikwissenschaft war für zwei Jahre mit einem Teil-Projekt2 beteiligt). Das bewilligte Antrags-

volumen umfasste zu Beginn des SPP 6 Mio. DM.

Zur Erarbeitung eines umfassenden Begriffs von „Theatralität als kulturelles Modell in den

Kulturwissenschaften“ wurden sechs thematische Aspekte ausgewählt und in Form von je-

1 Vgl. neben dem ausführlichen Antragstext die Kurzbeschreibung dieses SPP „Theatralität“: Erika Fischer-Lich-te: I. Das DFG-Schwerpunktprogramm „Theatralität“, in: Inszenierung von Authentizität, hg. v. Erika Fischer-Lichte und Isabel Pflug (= Theatralität, Bd. 1), Tübingen und Basel 2000, S. 11-13.2 Vgl. Christoph-Hellmut Mahling und Arno Mungen: Erforschung der Zusammenhänge von untermalender Mu-sik zu Sonderformen des Theaters und frühen Filmen Mitteleuropas und Nordamerikas in der Zeit von 1820-1910.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

weils in Berlin stattfindenden Jahres-Kolloquien (Theaterwissenschaftliches Institut der FU)

entwickelt. Zu diesen zentralen Perspektiven zählten: „Inszenierung von Authentizität“, „Ver-

körperung“, „Medialität und Wahrnehmung“, „Performativität und Ereignis“, „Rituale und

Grenze“ (die Bamberger Musikwissenschaft hat innerhalb dieses Symposions den Workshop

„Life-Cycle-Rituals“ in eigener Regie entwickelt und durchgeführt), sowie „Theatralität“. In

diesem gesamten Rahmen sind bisher die Bände I bis IV in der Reihe „Theatralität“ (hg. v.

von Erika Fischer-Lichte) im Francke-Verlag Tübingen und Basel erschienen. Die Bände V

und VI stehen unmittelbar vor der Veröffentlichung.

Neben diesen thematisch übergreifenden Jahreskolloquien wurden darüber hinaus Teilprojek-

te zwischen einzelnen Disziplinen verwirklicht, die aufgrund ihrer Nähe und auch ihrer

Distanz ihre Zusammenarbeit einem intensiven und ertragreichen Austausch zuführen und

diese fruchtbare Kooperation durch eigene Publikationen dokumentieren konnten. Innerhalb

dieser interdisziplinären Vernetzungen hat die Bamberger „Historische Musikwissenschaft“

mit der Ethnologie (Klaus-Peter Köpping, Heidelberg; Burkhard Schnepel, Halle) Philosophie

und Zeichentheorie (Gernot Böhme, Berlin; Hartmut Böhme, Berlin; Dieter Mersch, Darm-

stadt, Kiel), Theaterwissenschaft (Hans-Thies Lehmann, Frankfurt; Günther Heeg, Mainz und

Leipzig), Literatur- und Theaterwissenschaft (Gabriele Brandstetter, Basel und Gerhard Neu-

mann, München) und Medienwissenschaften /Philosophie (Petra Maria Mayer,

Düsseldorf/Köln) und der Kunstgeschichte (Elisabeth Oy-Marra, Bamberg) kooperiert. Es

wurden Teilkolloquien veranstaltet, die zu eigenen, bereits vorliegenden, oder im Druck sich

befindenden Veröffentlichungen geführt haben: so z.B. erstens das Heidelberger Kolloquium

westeuropäische Rituale in der Perspektive imaginärer Ethnographie (mit Beiträgen u.a. von

Klaus-Peter Köpping: Ritual Transgression Between Primitivism and Surrealism: Tauroma-

chia and the Ethnographic Imagination und Martin Zenck: Ritual Self-Staging in Everyday

Life and in Music Theater. A Comparison of the Turning Points in History Around the Year

1900 and 2000); zweitens die Hamburger Kolloquien Figura (mit Beiträgen u.a. von Dieter

Mersch, Gabriele Brandstetter, Sybille Peters, Martin Schäfer, sowie Martin Zenck: Die mehr-

fache Codierung der Figur: Ihr defigurativer und torsohafter Modus bei Johann Sebastian

Bach, Helmut Lachenmann und Auguste Rodin) und Luigi Nono (mit Beiträgen u.a. von Jürg

Stenzl, Lydia Jeschke und Martin Zenck: Luigi Nonos „Sphären“ und „Atmosphären“. Die

Grenzen der Herstellbarkeit von Szene und ihrer medialen Präsentation in der „azione sceni-

ca“ ‚Al gran sole carico d’amore’); sowie drittens das Mainzer Kolloquium Stillstand und

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Bewegung (mit Beiträgen u.a. von Günther Heeg, Hans-Thies Lehmann und Martin Zenck:

Dialektik im Stillstand. Zur Konzeption des „Tableaus“ in der Neuen Musik und in musik-

theatralen Werken von Paul-Heinz Dittrich, Wolfgang Rihm und Helmut Lachenmann und

von Elisabeth Oy-Marra: Bild - Text - Raum. Zur Zeit und Raumkonzeption der römischen

Fresko-Malerei des 17. Jh. zwischen Textbezug und theatralischem Ereignis). Darüber hinaus

seien insbesondere die Bamberger Projekte angeführt:

Publikation Music, the Arts and Ritual (mit Beiträgen u.a. von Gerhard Neumann,

Gabriele Brandstetter und Klaus-Peter Köpping);

Kolloquium Liebe gestern, Liebe heute. Darstellung und Inszenierung des Erotischen in

den Kulturen, den schönen und nicht mehr schönen Künsten (u.a. mit Beiträgen von Max

Peter Baumann und Linda Fujie, Barbara Finster, sowie Heinz Gockel und Roland Simon-

Schäfer);

Kolloquium Rituale (u.a. mit einem Beitrag von Tim Becker und Raphael Woebs: „Back

to the Future“: Hearing, Rituality and Techno; mit weiteren Beiträgen von Linda Fujie,

Elisabeth Oy-Marra, Max Peter Baumann, Heinz Gockel, Lothar Laux, Karl-Heinz

Renner);

Abschlusskolloquium Theatrale Körperinszenierungen in den Künsten, der Literatur und

in den Medien (mit Beiträgen u.a. von Petra Maria Meyer, Elisabeth Oy-Marra, Tim Be-

cker, Günther Heeg, Raphael Woebs und Martin Zenck).

Die letztgenannten Projekte beabsichtigten vor allem die Forschungsintegration der Bam-

berger Disziplinen in den Diskurs des SPP „Theatralität als Modell der

Kulturwissenschaften“. Daraus sind gerade unter der Perspektive der notwendigen Öffnung

der Geisteswissenschaften hin zu den Kulturwissenschaften nicht zuletzt im Bereich der Lehre

entscheidende Vorlesungen und Seminare entstanden, um diesen Schwerpunkt innerhalb aller

universitärer Ebenen zu vermitteln. Dabei ist die Auffassung entscheidend, dass Wissenschaft

selbst eine Form der Praxis, auch eine „Lebensform“ im Sinne von Jürgen Mittelstraß ist, d.h.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

dass die Praxis3 ihren Ort nicht nur außerhalb der Universität hat, und wenn, bedürfte sie ge-

rade dort der Selbstreflexion. Es versteht sich, dass solche neuen Forschungsintegrationen und

entsprechende Diskursformen auch aus hochschulpolitischen Gründen nur schwer durchzu-

setzen sind. Zwar wird immer noch oder erneut von der Notwendigkeit inter- und transdiszi-

plinärer Forschung gesprochen, in der Hochschulpraxis wird sie kaum durchgeführt und

wenn, verfolgt sie eher eine stabilisierende Selbstbehauptung der einzelnen Disziplin oder

strategische Interessen, die der Vernetzung von interfakultativen Disziplinen innerhalb der

Universität oder mit anderen Universitäten dienen. Inhaltliche Diskurse, bei denen die einzel-

ne Disziplin die vollständige Sachkompetenz einer anderen erwirbt und vice versa und da-

durch jeweils die Bedingung der Möglichkeit für Transdisziplinarität erlangt, sind äußerst

selten und entsprechen nur wenig den machtpolitischen Hierarchien der Universitäten.

II. Thematische Konzeption der „Theatralität“

Die Alltagssprache kennt bereits Redewendungen wie „mach bloß kein Theater! / keine

Szene!“, womit Verhaltensweisen gekennzeichnet werden, die in ihrer Übersteigerung und

Verdichtung an theatrale Handlungen auf der Bühne erinnern (nicht im Sinne einer Steige-

rung, aber als mediale Komplementarität hat Kant den Begriff der „theatralischen

Darstellung“ (Kritik der Urteilskraft § 524) auf die Künste bezogen, die etwa bei den zu-

sammengesetzten Künsten des Melodrams und der Oper zusammenwirken). Zugleich

benennen diese alltäglich habituellen und vergleichsweise theatralen Verhaltensweisen5 die

doppelte Perspektive von der sozialen Normerwartung eines Publikums auf eine besondere äs-

thetisch ausgezeichnete der Szene (des Theaters, dem Szenarium einer Versammlung, Podi-

umsdiskussion oder eines Fernsehduells zwischen Politikern), wie umgekehrt bereits in den

frühen Theaterkonzeptionen die Szene in ihrer Ausrichtung auf den Rezipienten in die

Wirkung einbezogen wurde, sodass gewissermaßen das auf der Bühne gespielt wurde, was die

3 Vgl. Pierre Bourdieu: Esquisse d’une théorie de la pratique (Deutsche Ausgabe: Entwurf einer Theorie derPraxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1976.4 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft (1790), Hamburg 1963, S. 182.5 Vgl. dazu Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag (amerikanische Erstaus-gabe New York 1959), München 1969.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

Schauspieler von den Zuschauern empfangen hatten. Zentral für diesen Austausch von Reali-

tät und Fiktionalität ist die Tatsache, dass etwa das barocke Welttheater sich auch immer als

Schaubühne auf öffentlichen Plätzen verstand (wie heute noch - allerdings ziemlich depraviert

- die obligatorischen Jedermann-Aufführungen bei den Salzburger Festspielen, neuerdings so-

gar besetzt mit Veronica Ferres; vgl. die Kritik in der FAZ im Feuilleton vom 30. Juli 2002).

In diesem Zusammenhang sind auch die ersten entscheidenden Veröffentlichungen sowohl

von Seiten der Theateranthropologie (Richard Schechner, Eugenio Barba, Victor Turner), der

Mediensoziologie (Erving Goffman) und der Organisationssoziologie und Gesellschaftsphi-

losophie (Niklas Luhmann, Hans-Georg Soeffner) entstanden, die in ihren Forschungen das

interaktive Aushandeln sozialer und individueller Identitäten zumindest teilweise vor dem

Hintergrund der theatralen und medialen Selbstinszenierung herausgearbeitet haben. - Von

diesen Modellen ausgehend, hat die Berliner Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte

(vgl. ihr Standard-Werk „Semiotik des Theaters“ I-III6) ein umfassendes interkulturelles Inter-

pretationsmodell unter dem Begriff der „Theatralität“ (als Modell der Kulturwissenschaften)

entwickelt, das sie als inszenierende Selbstdarstellung sozialer Gruppen oder einzelner Per-

sonen in öffentlichen oder geschlossenen Räumen versteht, (vgl. insbesondere den In-

szenierungsbegriff mit Blick auf „Authentizität“7,) also beispielsweise die mediale

Selbstinszenierung von Politikern oder die theatrale und mediale Inszenierung der Räume in

der Transplantationsmedizin8, die teilweise die Theatralisierung der Anatomie9 seit der Re-

naissance fortsetzte. Obwohl dieser Sachverhalt „Theatralität“ den entscheidenden Ansatz-

und Ausgangspunkt des gleichnamigen SPP der DFG darstellt, ist er aus guten Gründen erst

nach fünf Jahreskolloquien im Juni 2002 zum ausschließlichen und abschließenden Thema in

Berlin gemacht worden. Nachdem also zuvor zentrale Aspekte der „Theatralität“ unter den

Begriffen der „Inszenierung“, der „Verkörperung“, der „Medialität“, der „Performativität“

und des „Rituals“ thematisiert worden sind, wurde erst in diesem Jahr anhand von Bilanzen

6 Erika Fischer-Lichte: Semiotik in drei Teilbänden. Bd. 1: Das System der theatralischen Zeichen. Bd. 2: Vom„künstlichen“ zum „natürlichen“ Zeichen. Bd. 3: Die Aufführung als Text, Tübingen 1983ff.7 Erika Fischer-Lichte: Theatralität und Inszenierung, in: Inszenierung von Authentizität, hg. v. Erika Fischer-Lichte und Isabel Pflug (= Theatralität, Bd. 1), Tübingen und Basel 2000, S. 13-23.8 Vgl. Anna Bergmann: Wissenschaftliche Authentizität und das verdeckte Opfer im medizinischen Erkennt-nisprozeß, in: Inszenierung von Authentizität, a. a. O., S. 323-350; vgl. weiter dies.: Zerstückelter Körper – zer-stückelter Tod: Verkörperung und Entleiblichung in der Transplantationsmedizin, in: Verkörperung, hg. v. ErikaFischer-Lichte, Christian Horn und Matthias Warstat (= Theatralität, Bd. 2), Tübingen und Basel 2001, S. 143-169; vgl. schließlich Ulrike Baurethel und Anna Bergmann: Herzloser Tod. Das Dilemma der Organspende,Stuttgart 1999.9 Vgl. Anatomie-Vorlesung in Leiden. Kupferstich nach Johannes Woudanus, 1609 (Preußischer Kulturbesitz,Berlin).

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

und einzelnen Workshops der mögliche Facettenreichtum des Generalthemas erfasst. Dies

auch mit der positiven Auswirkung, dass einzelne Disziplinen die genannten Forschungsper-

spektiven weiterhin fruchtbar zu machen haben, und andere Disziplinen, wie bspw. die Kunst-

geschichte und Romanistik, die Bedeutung dieses performativ turn, der den des linguistic turn

längst überrundet hat, erst noch in seiner möglichen Wirksamkeit erkennen müssen (so ist es

der DFG lediglich einmal gelungen, die Kunstgeschichte für eines ihrer Jahreskolloquien zu

gewinnen: Vortrag Elisabeth Oy-Marra, Bamberg: Tote Körper und kulturelles Gedächtnis.

Humanistengrabmäler und ihre Begräbniszeremonien im Florenz des 15. Jh.). Es ist bezeich-

nend, dass der Berliner Kulturanthropologe Hartmut Böhme gerade in der Perspektive einer

sich durchsetzenden „performativen Wende“ in seiner Bilanz soweit ging, Theatralität als

einen „Modus einer elementaren Performativität“ zu nennen, die sowohl „zu den Grundme-

chanismen der mythisch-oralen Stammeskulturen“, als auch der „schriftlich-literalen Hoch-

kulturen“10 gehöre.

III. Der Begriff der szenischen Musik: Zusammenfassung eines Forschungsberichts un-

ter dem systematischen Aspekt der „Theatralität“

Es wäre allzu einfach und auch zu billig zu behaupten, dass das Thema der „Theatralität“

nicht wenigstens im eingeschränkten Sinn Gegenstand der musikwissenschaftlichen For-

schung11 gewesen wäre. Dennoch hat sie als Kriterium für „Theatralität“ diese allzu strikt an

die geschlossenen Räume des Theaters, genauer der Bühne und der Szene12 gebunden, ohne

10 Hartmut Böhme: Kulturgeschichtliche Grundlagen der Theatralität (erscheint, in: Theatralität, hg. v. ErikaFischer-Lichte u. a., Theatralität, Bd. 6, Tübingen und Basel 2003).11 Vgl. zum Stand der musikwissenschaftlichen und musiktheaterwissenschaftlichen Erforschung des „Musik-theaters“ exemplarisch drei neuere Kongressberichte: Petersen 1988, Bayerndörfer 1999, vgl. schließlich der imDruck befindliche Kgr. -Ber. Danuser/Kassel 2002. Vgl. Sacher 1985; vgl. schließlich den immer noch aus-stehenden Kgr. -Ber. Mainz 1994 mit dem Thema Zwischen Tradition und Experiment. Zum Musiktheater zwi-schen ca. 1960-1980. (vgl. dort meinen Beitrag: „Entgrenzung der Gattungen Kammermusik und Szene in Wer-ken von Michael von Biel, Mauricio Kagel, Bernd Alois Zimmermann und Luigi Nono“).12 Wie problematisch der Begriff der Szene prinzipiell ist, auch der der dramatischen und musikalischen Szenesowie der szenischen Komposition im Musiktheater, dokumentieren etwa der Band Musik und Szene (Appel2001); vgl. weiter die spezifischen theaterwissenschaftlichen und historischen Aspekte der Kategorie der„Szene“: Brandstetter 1999; vgl. weiter zur Rahmung der Szene durch das Bild (Tableau): Heeg 1999; vgl. zurmusikwissenschaftlichen Diskussion: Fischer 1999; vgl. schließlich Musiktheater, Szenische Komposition als Teildes Artikels „Neue Musik“, MGG (= Danuser 1996). Neben dem Problem der „Rahmung“ der Szene, ist auch

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

dabei zu sehen, dass diese Bestimmungen nicht weniger problematisch sind als die der „Thea-

tralität“ selbst. Denn wenn, wie wir sehen werden, mit „Theatralität“ ästhetische und mediale

Inszenierungen von Wirklichkeit gemeint sind und damit das weiterreichende Thema der

„Theatralisierung der Realität“13 bezeichnet ist, also der Begriff der „Theatralität“ über die ge-

schlossenen Räume des Theaters hinaus weisende Formen der Aneignung von Wirklichkeit

umfasst, dann wird deutlich, dass der scheinbar klare Begriff der Szene, genauer der der mu-

sikalischen Szene so entwickelt werden muss, dass er eben nicht nur die musikalisierten Vor-

gänge auf der Bühne umfasst, sondern ebenso innere Zustände nicht handelnder Personen in

einer Dialektik des Stillstands im Tableau14. Es will also das Cliché der Opposition von

dramatischem, die Handlung vorantreibendem Rezitativ und Melodram und statisch, selbst-

reflexiver und sich verinnerlichender Arie keineswegs bestehen können, vor allem dann, wenn

Nietzsches Kritik am äußerlichen Handlungsbegriff des Dramas berücksichtigt wird, das er

über das dorische ‚dran‘ als innere Handlung, als „Geschehen“-Lassen15 verstanden haben

will. So zeigt die szenische Analyse sogenannter kontemplativer Arien16, dass die sich in ihr

vollziehenden Selbstvergewisserungen einer gleichsam stehenden Figur für die sich dann aus

diesem Zustand ergebenden äußeren Handlungen um vieles folgenreicher sind als die Tat-

handlungen selbst, welche nur Konsequenzen eben aus diesen inneren Zuständen sind. Diese

Vorgänge werden noch deutlicher, wenn die entscheidenden dramatischen Gattungen sowohl

das des performativen Grundzugs der Musik und der szenischen Musik zu wenig beachtet worden. Dieser wirdnicht erst in der Aufführung wirksam, sondern geht als corporale Einschreibung in die Notation der Partitur ein.Wichtige Modelle sind hierfür etwa das Theater der Dichtung von Karl Kraus und die Zusammenarbeit zwischender Schauspielerin Albertine Zehme und Arnold Schönberg im Pierrot Lunaire (Zenck/Buhr 2001); vgl. auch zudiesem Zusammenhang: Metzger/Riehn 2001.13 Vgl. den Beitrag von Hans-Georg Soeffner Die Realität der Theatralität unter einem anderen, eigens zu disku-tierendem Vorzeichen in: Theatralität, hg. v. Erika Fischer-Lichte u. a., Tübingen und Basel 2003 (Druck in Vor-bereitung).14 Zenck 2002a.15 Vgl. Friedrich Nietzsche, Der Fall Wagner (Nietzsche 1966, S. 921.): „Es ist ein wahres Unglück für die Äs-thetik gewesen, daß man das Wort Drama immer mit ‚Handlung ‚ übersetzt hat. Nicht Wagner allein irrt hierin;alle Welt ist noch im Irrtum; die Philologen sogar, die es besser wissen sollten. Das antike Drama hatte großePathosszenen im Auge - es schloss gerade die Handlung aus (verlegte sie vor den Anfang oder hinter die Szene).Das Wort Drama ist dorischer Herkunft: und nach dorischem Sprachgebrauch bedeutet es ‚Ereignis‘, ‚Gesichte‘,beide Worte in hieratischem Sinne. Das älteste Drama stellte die Ortslegende dar, die ‚heilige Geschichte, auf derdie Gründung des Kultus ruhte (- also kein Tun, sondern ein Geschehen: dran heißt im Dorischen gar nicht ‚tun‘).“ 16 Um nur ein Modell für diese These auszuwählen, sei an Ferrandos Arie „un aura amorosa“ aus Mozarts „Cosifan tutte“ (I,17) erinnert. Sie formuliert eben über den Transmitter der Luft Ahnungen von einer künftigen Liebe,von der welcher der Verstand noch nichts weiß, wohl aber der Körper des Amante. In einem deutlichen Sinnzeichnet sich hier der Schnittpunkt der „inneren Handlung“ ab, durch den sich die Liebenden ihrer neuen Liebezuwenden, ohne am Schluss des „dramma giocoso“ zu den alten Beziehungen zurückzukehren oder der neuenwirklich fähig zu sein (vgl. Zenck 2001, vgl. dort den Abschnitt: „Authentizität als Inszenierung: Das Finale IIaus Mozarts opera buffa in der Münchner Inszenierung von Dieter Dorn“, S. 350f.).

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

des „dramma per musica“17 als auch die der „azione scenica“18, sowie des „Tableau“19 und des

„instrumentalen Theaters“20 (M. Kagel: Sur Scène und Scenario) in die Diskussion einbezogen

werden. Denn diese weisen, vereinfacht und zugespitzt formuliert darauf hin, dass sich eben

das äußere und innere Drama in der Musik, in der durch die Musik bestimmten Szene voll-

zieht und nicht, wie vielleicht in der Tradition der Operngeschichte aus der Dramaturgie des

Libretto, genauer aus der Abfolge und Konstellation der Monologe, Dialoge, Ensembleszenen

und ihrer Synthesis zu einzelnen Akten. Versucht man diese Vorgänge systematisch und auch

historisch zusammenzufassen, so kann insgesamt vom Szenisch-Werden der Musik gespro-

chen werden, die sich wie aus einem geschlossenen Kreis (dem Aufführungsort der fürstlichen

Kammer) zur Szene hin emanzipiert, also vom monodisch und implizit theatral konzipierten

Madrigal von Gesualdo und Monteverdi zum explizit theatralen „dramma per musica“ bei Ja-

copo Peri, Cavalieri und Monteverdi, um sich dann wieder mit Wagner21 von ihr zurückzuzie-

hen mit dem Ziel, die Musik selbst zum Drama zu machen, di e äußere, handlungsorientierte

Szene auf der Bühne durch eine nach innen in die Musik hin ein genommene reine „mu-

sikalische Szene“ zu ersetzen. Das absolut gesetzte Tableau in Wolfgang Rihms Théâtre de

Séraphin und Adriana Hölszkys Tragodia, von Werken also, die jeglicher szenographischer

oder narrativer Einschreibung entbehren, kann als radikaler Endpunkt der vollkommenen Ent-

literarisierung und De-Theatralisierung verstanden werden: ein kritisches, weil sprachlos und

bilderloses Gegenbild zur vollkommen medial inszenierten Theatralität der Wirklichkeit: also

eine „Sichtblende gegen das Bombardement der Bilder außerhalb des Theaters.“22 Als These

formuliert: dem Prozess der Theatralisierung durch die Exterriorisierung der absoluten Musik

korrespondiert ein Prozess der De-Theatralisierung durch die szenische Reduktion, durch wel-

che die Musik selbst szenisch wird (die äußere Bewegungsform, Gestik, Mimik, Proxemie,

Sprache, Ausdruck, Figur23, Double24, Figuration und Konfiguration, also alle Parameter der

17 Vgl. den ausführlichen und vorzüglichen Artikel von Reinhard Strohm: Dramma per musica (Strohm 1996).18 Vgl. diesen Terminus und seine entsprechende musiktheatrale Bezeichnung bei Luigi Nono und die Diskussiondieses Begriffs: Stenzel 1981 und Zenck 1999. 19 Vgl. systematisch zu diesem Typus szenischer Rahmung: Lehmann 1999; vgl. dazu Heeg/Mungen 2002.20 Vgl. Metzger 2002/200321 Vgl. zum Vorgang nach dem „verdeckten Orchester“ auch noch die Bühne zumindest weitgehend still zustellen und sie darin zu de-theatralisieren, vor allem die ingeniöse Inszenierung von Tristan und Isolde durchHeiner Müller: Zenck 2002b.22 Vgl. diese Formulierung mit Bezug auf Heiner Müllers Bildbeschreibung bei Heeg 1988, S. 155.23 Vgl. dazu Zenck 2002c.24 Das kompositorische Verfahren Wolfgang Rihms, Akkordblöcke und Klangzustände wie Figuren und Doubleszu behandeln, wie der Komponist es in Klangbeschreibung I realisierte, geht auf seine intensive Befassung mitanalogen Verfahren in Heiner Müllers Hamletmaschine zurück (vgl. Zenck, 2002f. ).

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

theatralen Szene sind an die Nerven und an die Hautspannungen der Musik übergegangen: an

ihre Textur, Struktur und inneren Spannungs- und Aggregatszustände).

Bereits anhand dieser historischen und systematischen Problem-Skizze zur Bestimmung des

Begriffs „Szene“ zeigt sich die Schwierigkeit, zureichende Kriterien für die Fixierung einer

verbindlichen Rahmung25 zu gewinnen. Erst wenn eine mehrfache Rahmung aufgesucht wird,

die sich zu einer Wirklichkeit hin öffnet, die ihrerseits in ihrer Konstitution als „imaginär“

ausgewiesen werden kann, wird aus dieser dergestalt verfassten Realität rückwirkend eine Be-

stimmung der „Szene“ möglich sein, die über das Scharnier eines doppelt „Imaginären“ läuft.

(Entsprechende Konsequenzen über den Bezug der Wirklichkeit zum Theater im „theatrum

mundi“ und einer im Sinne von Castoriadis gefassten „imaginären Gesellschaft“ zum Musik-

theater finden sich an anderer Stelle26 ausgeführt).

*

Exkurs über ein „on dit“, oder was Oper und Musiktheater sei

Hier möchte ich eine Anekdote einfügen, welche, wie wir von einschlägigen Ausführungen

von Burkhard Schnepel27 über Anekdoten wissen, gerade in der beiläufigen Über- und Unter-

treibung stets einen Wahrheitskern haben. Im letzten November fand in Basel ein Kongress

über „Musiktheater heute - eine Standortbestimmung“28 statt. Dort hatte ich mit Wulf Ko-

nold,29 dem Verfasser einschlägiger Artikel und Bücher über das gegenwärtige Musiktheater

und Intendant der Oper Nürnberg, eine kleine, aber heftige Diskussion, die leider nicht ausge-

tragen werden konnte, weil Konold mitten in ihr den Raum verlassen musste, um sein Flug-

zeug noch rechtzeitig von Basel nach Nürnberg zu erreichen. In seinem Vortrag über

25 Vgl. hierzu prinzipiell Lehmann 1999, S. 289f. und S.292f..26 Vgl. Martin Zenck: Der Begriff des „Imaginären“ und die Theatralität der Musik. Wirkungen des Theatrali-tätskonzepts in der Musikwissenschaft (erscheint, in: Theatralität, Bd. 6, hg. v. Erika Fischer-Lichte u. a., Tü-bingen und Basel 2003).27 Vgl. Schnepel, 2002.28 Ein entsprechender Kongressbericht wird noch in diesem Jahr unter dem gleichen Titel mit Beiträgen u. a. vonErika Fischer-Lichte, Gabriele Brandstetter, Heinz-Klaus Metzger und Martin Zenck erscheinen (Danuser/Kassel2002).29 Konold 2002/2003.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

Grundstrukturen des Musiktheaters von 1950 bis heute hat er denn auch das allseits bekannte

„on dit“ wissenschaftlich zu bewahrheiten versucht, dass die Oper als Gattung und das Musik-

theater generell ein Anathema der Darmstädter und Kölner seriellen Avantgarde nach 1950

gewesen sei. Auf meine Einwürfe, dass es sowohl von Boulez als auch von Nono -

Stockhausen hätte ich noch mit seiner Kölner Messe des Gesangs der Jünglinge einschließen

können - zumindest Musik zu Bühnenwerken gegeben habe: nämlich die durchkomponierte

Musik zu Barraults Orestie (1954), das Fragment Marges (1961-68) nach Artaud von Boulez

und von Nono die Musik zur Choreographie Der rote Mantel (1953) nach Lorca und den drei-

teiligen Lorca-Epitaph (1952) - ganz zu schweigen etwa von Luciano Berios Thema -

Ommaggio a Joyce (1956), also alles Werke aus den frühen und mittleren fünfziger Jahren,

der Glanzzeit dieser Epoche der Avantgarde, hat er mir als Antwort gegeben, dass dies doch

keine veritablen Werke des Musiktheaters‘ wären. Schlagartig wurde mir hier deutlich, dass

die Musikwissenschaft cum grano salis Unterschiede zwischen impliziter und expliziter Thea-

tralität, angewandtem und autonomem Musiktheater nicht zulässt, um gegebenenfalls einer-

seits die Spuren, die von der verdeckten Szene zur wirklichen führen zu verfolgen, anderer-

seits gerade unter der Konzeption von „Theatralität“ ganz andere konstituierende Aspekte wie

die der „Theatralität der Realität“, der „Ritualität“ und des „Imaginären“ geltend zu machen,

um dadurch auch zu einem veränderten Begriff auch des Musiktheaters zu gelangen. - Im

Verhältnis zu dieser Fragestellung sind von unserem Teilprojekt im DFG-SPP „Theatralität“

zahlreiche Beiträge geliefert worden, die diese veränderten Perspektiven der „Theatralität“ für

eine Neu-Bestimmung des Begriffs vom „Musiktheater“30 fruchtbar gemacht haben.

30 Vgl. Fischer-Lichte 2003 und Zenck 2002d.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

IV. Musikwissenschaftliche Fragestellung und Konsequenzen

Im oben erwähnten Kontext der Konzeption von „Theatralität“ (II.) vollzieht die musik-

wissenschaftliche Erforschung von „Theatralität“ unter der Teilprojektthematik „In-

szenierungsstrategien von Musik und Theater und ihre Wechselwirkungen“31 keine historisch-

systematische Trennung von mythisch-oraler und schriftlich-literaler Kultur, sondern akzentu-

iert vielmehr den Aspekt der vor-artikulatorischen und antezivilisatorischen Form der Kom-

munikation mittels oral-lautlich-phonetischer, mimisch-gestischer und proxemischer Verkör-

perung, die einen durchgehend performativen Anteil des Musik-Theaters ausmacht, so wie es

vor allem bei der Schriftfrage deutlich wird. Streng genommen ist die musikalische Notation

lediglich in metaphorischer Hinsicht eine Schrift, d.h. eine Verschriftlichung von korporal-ak-

tionsmäßigen Vorgängen, die durch die Notation eben nicht im Sinne einer Schriftsprache de-

notiert werden können - was sie ausdrückt, geht aus einem System von Konnotationen hervor.

Deutlicher als die Schrift macht die Notation und der Theatertext die Tatsache einsichtig, dass

Partituren und Schauspieltexte eingefrorene Handlungen sind, die durch die Aufführung

wieder zurück an den Körper der Spieler gerichtet und durch ihn verlebendigt werden (es wird

im gewissen Sinne die performative Intention vor ihrer Verschriftlichung wiederhergestellt,

auch wenn die Performance dann doch wieder etwas grundsätzlich Neues gegenüber der hand-

lungsmäßig vorgestellten Inszenierung darstellt). In diesem performativen Grundzug der dar-

stellenden Künste (Theater / Musiktheater, bildende Kunst und Skulptur, Choreographie,

land- und performance art) werden also ganz alte Formen non-verbaler Kommunikation wirk-

sam, die durch den Abstraktionsprozess der Schrift, welcher auch immer präskriptive Ak-

tionsanweisung war, zunehmend verdeckt wurde. Kant hatte in der „Kritik der Urteilskraft“ (§

5132) diesen handlungstheoretisch rhetorischen Aspekt der Schrift: des philosophischen

Diskurses, der Rede und der Musik festgehalten, dass die Schrift immer von demjenigen in-

szeniert wird, der sie unter Einbeziehung der Repräsentation, der anderen Sinne des Zeigens,

des Sich-Zeigens (eventuell in Abweichung von der Intention der Rede; deiktischer und nicht-

deiktischer Gestus) und des Verdeutlichens spricht. So stellt das Gedenkstück mit dem Titel31 Vgl. meinen entsprechenden Antragstext für die Aufnahme in den DFG-SPP „Theatralität“ aus dem Jahre 1996(abrufbar unter....) und meinen damals (1994) grundlegenden Beitrag: Entgrenzung der Gattungen Kammermu-sik und Szene in Werken von Michael von Biel, Mauricio Kagel, Bernd Alois Zimmermann und Luigi Nono (vgl.Zenck, unter Fußnote 8 ).32 Kant, a. a. O. S. 176; vgl. dazu Dieter Mersch: Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis, München 2002,S. 100.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

„rituel in memoriam Bruno Maderna“ (1974/75) von Pierre Boulez33 zwar eine äußerst kom-

plexe Partitur dar: eine jede Aufführung ist aber eine gleichsam szenische Wiederherstellung

der Begräbniszeremonie zu Ehren seines Freundes Bruno Maderna, dem er auch in den

kompositorischen Verfahrensweisen gedenkt. Dadurch entsteht zwar ein Tombeau, das die

Vergänglichkeit ästhetisch auf Dauer stellt, aber im performativen Vollzug der Aufführung,

die mit dem Konzert vorüber ist, wird auf die Ephemerität sowohl des verstorbenen Freundes,

als auch auf den initialen Impuls der Komposition zurückverwiesen. Ironisierend verfährt hin-

gegen Adriana Hölszky in ihrem Bühnenstück „Message für Mezzosopran, Bariton, Sprecher,

diverse Klangrequisiten und Live-Elektronik“ (1990/91)34 zu Texten von Ionesco, in dem sie -

die Hörgewohnheiten des Publikums irritierend - eine gleichsam erwartete Ursprungsintention

der Komponistin ins Leere laufen lässt und somit den rituellen Handlungszwang innerhalb der

dargestellten Gesellschaft und ihrer sich selbst auferlegten sozialen Norm außer Kraft setzt.

Ein besonders spannender Zusammenhang ergab sich zwischen der Persönlichkeitspsycholo-

gie (Lothar Laux, Karl-Heinz Renner, Universität Bamberg) und der Historischen Musik-

wissenschaft im Aspekt der Authentizität, genauer einer sich als authentisch gebenden Figur

im Alltagsleben und auf der Bühne. Gewöhnlich wird diese vermeintliche Echtheit mit einer

fixierten und fest umrissenen Persönlichkeit verbunden, die so überzeugend wirkt, weil sie

sich gar nicht anders verhalten kann, als sie ist. Authentizität, die eigenartige und einzigartige

Unverstelltheit des Ich, gibt sich aber im Rahmen eines Spiels von Selbstdarstellung und

Fremderwartung als bewusste Selbstinszenierung zu erkennen. Es wird mit verschiedenen

Möglichkeiten der Ich-Präsentation experimentiert und dabei getestet, wie das Ich auf andere

wirkt und bei positiver Auswirkung im gegebenen Fall die Rolle eines sich durch die Rezepti-

on ergebenden „positiven“ Ichs angenommen. Dadurch entstehen Grenzbereiche, auch Trans-

gressionen, die nicht selten zur multiple identities führen. Dieses Rollenspiel ist in der

komponierten und inszenierten Verdichtung dem Musiktheater durchaus vertraut. So möchte

Leporello im „Don Giovanni“ zwar wie sein Herr ein genialer Verführer bei Nacht sein, er ist

aber nur ein Voyeur, der die Anzahl seiner Verführungen auf einem Leporello verzeichnet.

Der ins Maßlose gesteigerten Zahl der „flachgelegten“ Frauen (in Spanien sind es schon 1003)33 Vgl. dazu Martin Zenck: Transgressionen von Leben und Werk. Pierre Boulez‘ „rituel in memoriam BrunoMaderna“, in: Ritual und Grenze, hg. v. Erika Fischer-Lichte u. a. (= Theatralität, Bd. 5), Tübingen und Basel2002 (Druck in Vorbereitung).34 Vgl. dazu Becker, Tim; Woebs, Raphael: Adriana Hölszkys „Message“- oder von der frischen Luft ans Reiß-brett...(= Vortrag auf der Jahrestagung des DFG-Schwerpunktprogramms „Theatralität als Modell der Kultur-wissenschaft“ zum Thema „Ritualität und Grenze“ in Berlin, Mai 2001), erscheint in: Fischer-Lichte, Erika (Hg.):Ritualität und Grenze (=Theatralität, Bd. 5), Francke Verlag Tübingen und Basel.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

gilt ganz und gar nicht Don Giovannis Interesse. Er ist kein Buchhalter seiner gelungenen

Verführungen, sondern ein Mann, der im Augenblick vollkommen wahrhaft und authentisch

zu lieben glaubt, obwohl er dabei schon an die Nächste denkt, also verliebt ist in das Verliebt-

Sein - und nicht in eine konkrete Person. Daraus ergibt sich auch eine persönlichkeitspsycho-

logisch interessante Unschärfe und Verwischung von Figuren, die entweder wie Leporello

glauben, eine andere zu sein, obwohl sie nichts anderes sind als die Projektion einer dunklen

Seite ihrer Selbst oder eine ursprüngliche Echtheit wie Don Giovanni35 behaupten, die sie

noch im Augenblick der Erfüllung überschreiten. (Das mögliche Double, die Transfiguration

der Figuren, die ähnlichen Registerlagen und Timbres der Stimmen von Leporello und Don

Giovanni hat Peter Sellars in seiner ingeniösen Inszenierung des „Don Giovanni“ durch die

farbigen Zwillingsbrüder Eugene und Herbert Perry verwirklicht. Dadurch konnten die beiden

Figuren auch vom Stimmtimbre und vom Optischen her als vertauschbar gelten und die Täu-

schung von Donna Elvira glaubhaft machen. Die szenische Realisierung von Wolfgang Rihms

„Theater des Seraphin“36 hat bekanntlich in der Stuttgarter Inszenierung durch Peter Mussbach

zumindest für die Szene eine vergleichbare Lösung durch dies Double gesucht. Es ist das

Verfahren, durch deutliche Ähnlichkeiten wirkliche Unterschiede zwischen Personen und Fi-

guren wirksam werden zu lassen).

*

Es versteht sich, dass aus der thematischen Potentialität der „Theatralität“ noch zahlreiche

Forschungsaktivitäten hervorgehen werden. So plant die Historische Musikwissenschaft der

Universität Bamberg - über ein von der Ständigen Kommission für Forschung und Wissen-

schaftlichen Nachwuchs (FNK) bewilligtes Sondierungsprojekt und über einen neuerlichen

Antrag auf die Gewährung eines Vorbereitungsprojektes -, in ein neues Schwerpunktpro-

gramm der DFG mit dem Thema „Soziale Konstruktionen der Grenze von Leben und Tod.

Lebenskonzepte im Lichte historischer und kultureller Wandlungsprozesse“ mit einem

35 Vgl. dazu Martin Zenck: Nono – Mozart. Das Verstehbare und Nicht-Verstehbare ihrer Kunst, in: Kunst-Ver-stehen – Musik-Verstehen, hg. v. Siegfried Mauser, Laaber 1993, S. 230-234.36 Vgl. Martin Zenck: Die ästhetische Produktivkraft des Phantastischen und des Wahnsinns im Gesamtwerk vonWolfgang Rihm. Die Spuren Artauds, Heiner Müllers und Adolf Wölflis. (erscheint, in: Wolfgang Rihm. EinKongreß, hg. v. Hans-Klaus Jungheinrich und Walter Hofer, Mainz 2003).

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

eigenen Teilprojekt „Gesellschaftliches und kulturelles Gedächtnis in den Life-Cycle-Rituals

der Künste“ aufgenommen zu werden. Dies Projekt versteht sich als komplementäres zum

bioethischen Diskurs der Stammzellenforschung. Aus anderer als aus dieser bioethischen Per-

spektive, die der Frage der Grenzziehung von Leben und Tod gilt, sucht unser Ansatz, dieses

Bewusstsein des Lebenslimits kulturwissenschaftlich aus der Thanatologie und aus der jewei-

ligen Konzeption des kulturellen Gedächtnisses heraus zu entwickeln.

V. Paradigma „Theatralität“ im Gesamtwerk von Pierre Boulez

Obwohl sich seit einigen Jahren auch in der Musikwissenschaft ein veränderter Begriff von

Theatralität und von musikalischer Szene durchzusetzen beginnt, verstellt die einseitige

Orientierung am überkommenen oder neu bestimmten Gattungs- , Werk- und Partitur-Begriff

als einer ersten und letzten auctorialen Instanz den umgekehrten Blick von der Bühne/Szene

auf die Partitur. Noch die „Enzyklopädie des Musiktheaters“ verbannt die Kategorie der Auf-

führung in den Bereich der „Wirkung“ und gelangt dabei kaum durch Inszenierungsanalysen

zu einer Konzeption der „Aufführung als Text“, die sich bei aller Problematik in den

Theaterwissenschaften längstens durchgesetzt hat.( Nicht die Partitur einer Oper schließt alle

Möglichkeiten ihrer Inszenierungen ein, sondern die realisierten Inszenierungen weisen der

Partitur diese Potentialitäten als Sinnzuschreibungen zu). So wird im Folgenden am Paradig-

ma vom Gesamtwerk von Pierre Boulez ansatzweise zu zeigen versucht , was das Theatrali-

tätskonzept nicht nur im Hinblick auf normativ gattungsästhetisch bestimmte Werke des Mu-

siktheaters zu leisten vermag, sondern auch im Hinblick auf scheinbar rein abstrakte, a-corpo-

rale und strukturbestimmte Werke von Boulez, die sich durch ihr Prinzip von Intertextualität

ohnehin von einem Komponieren in den Gattungen der Kammer-, Ensemble-, Vokal-, und Or-

chester- und Theater-Musik (Oper, Musiktheater) gelöst haben. Dies kann mit literaturwissen-

schaftlichen Einsichten etwa in die spatial und theatral verfasste Poetik von Mallarmé37 nicht

37 Vgl. Dominique D. Fisher: Staging of Language and Language (s) of the Stage. Mallarmé’s Poem critiqueand Artaud’s Poetry-minustext, New York 1994; vgl. dazu explizit den Hinweis von Mallarmé auf sein Gedicht„Igitur“:“...le lecteur qui met les choses en scène, elle-même.“ (vgl. die Angabe und die Diskussion der Textstelleim Zusammenhang meiner Interpretation „Artaud – Mallarmé – Boulez – Derrida“, in ders.: Antonin Artaud –Pierre Boulez – Wolfgang Rihm. Zur Re- und Transritualität im europäischen Musiktheater (erscheint in: Musik-

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

weniger in Verbindung gebracht werden als mit dem „Theater der Dichtung“ von Karl

Kraus.38 Wird gewöhnlich Lyrik, vor allem die hermetische Dichtung von Mallarmé, gattungs-

ästhetisch klar von der Epik und vor allem dem Drama und seiner verwandten theatralen

Gattungen unterschieden, so zeigt sich bei anderer Perspektive der Verräumlichung und der

Performanz der explizit theatrale Ansatzpunkt der Lyrik Mallarmé’s und der Vorträge von

Dichtung durch Karl Kraus. Bei Mallarmé, Karl Kraus und bei der oralen Poesie von Ossip

Mandelstam39 ist im Zusammenhang mit der Musik vor allem daran zu erinnern, dass Musik

nicht erst in einem performativen Kontext gerät, wenn sie gespielt und öffentlich in einem

konzertanten oder theatralen Raum aufgeführt wird, (obwohl der Aufführungsort etwa des

Theaters vor allem bei der Uraufführung Beethovenscher Sinfonien40 und Klavierkonzerte bei-

spielsweise im Hofburgtheater oder im Theater an der Wien bereits bezeichnend ist), sondern

dass dieser performative Grundzug durch das beim Komponieren relevante Körperwissen und

Körpergedächtnis zum integralen Vorgang des Erfindens von Musik gehört (vgl. die Bedeu-

tung des Klavierspielens bei Beethoven41 und bei Pierre Boulez42 für die Komposition ihrer

Klavierwerke).

Bei Boulez wäre es zunächst einmal sinnvoll, Mallarmé’s Konzeption des „Livre“, eines um-

fassenden, niemals abschließbaren Kunstbuchs oder die Idee der „prolifération“43 (der Wu-

cherung) seinem Werk zugrunde zu legen, um unter Beweis zu stellen, wie die Gattungstheo-

rie vom Prinzip der Intertextualität abgelöst worden ist. Aber wie wir sehen werden, ist die

Anwendung der neuen theatralen Perspektive auf sein Oeuvre nicht weniger spannend und

theater heute – eine Standortbestimmung, hg. v. Hermann Danuser und Matthias Kassel, Mainz 2003).38 Vgl. dazu meine Ausführungen in der Angabe unter Fußnote 11.39 Vgl. dazu Martin Zenck: Mandelstam – du Bouchet. Celans Übersetzungen in der Musik von Klaus Huber undAndré Boucourechliev, in: Celan-Jb. 7 (1997/98), hg. v. Hans-Michael Speier, S. 145f.40 Die Theatralität etwa der Gattung der Sinfonie bei Beethoven wäre dabei ein eigenes Thema. Es wäre nicht nurim Hinblick auf die theatralen und szenischen Diskurse und der dramentheoretischen Termini von Bedeutung,sondern ebenso im Bezug auf die Schauspiel- und Ballettmusiken Beethovens, etwa des „Egmont“ und der „Ge-schöpfe des Prometheus“.41 Vgl. dazu den Beitrag von Richard Cramer: Op. 90 und die Fenster zur Vergangenheit, in: Beethoven und dieRezeption der alten Musik, Kgr.-Ber. Bonn, hg. v. Hans-Werner Küthen, Bonn 2002 (Druck in Vorbereitung);vgl. insbesondere diesen thematischen Zusammenhang in op. 110: Martin Zenck: Körperreflex – Körpergedächt-nis –Formierter Körper. Körpererfahrungen an Beethovens Klaviersonate op. 110 (erscheint, in: Martin Zenck(Hg.): Körpermusik. Kunstkörper. Körpertheater. Körperinszenierungen in den schönen und in den nicht mehrschönen Künsten, München 2003).42 Vgl. insbesondere zur ersten Klaviersonate und den „Douze Notations“ von Pierre Boulez:: Christine Fesefeldt:Körpergestiken in den Klavierwerken von Pierre Boulez (erscheint, in: Martin Zenck (Hg.): Körpermusik..., a. a.O.).43 Vgl. den Begriff bei Boulez und seine systematische Ausarbeitung bei Gilles Deleuze: Logique du sens, Paris1969 (Deutsche Ausgabe: Logik des Sinns. Aesthetica, Frankfurt am Main 1993, Kap. 5, 1.und 2. Teil: Die unbe-stimmte Wucherung – Die sterile Verdopplung, S. 48-52.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

aufschlussreich. Sie ist speziell im Hinblick auf die serielle Musik der fünfziger Jahre und im

Hinblick auf Boulez‘ früheres Werk zwischen 1945 und 1961/68 notwendig, weil sich immer

wieder das alte Argument unüberprüft wiederholt findet, der Serialismus sei theater- und

wirklichkeitsfremd gewesen. Der Hintergrund dafür war der immer wieder zitierte, aber nicht

verstandene Spiegel-Artikel von 1968 „Sprengt die Opernhäuser in die Luft“, womit Boulez

dies nicht generell meinte, sondern auf die Häuser anspielte, die immer das gleiche Repertoire

in den immer gleichen veralteten Inszenierungen spielen (vgl. Wolfgang Wagners „Parsifal“

in Bayreuth und viele der uralten Zefirelli-Inszenierungen an der Wiener Staatsoper); zugleich

bezog sich diese Kritik auf das angeblich neue Musiktheater, das Boulez im Repräsentanten

Hans-Werner Henze nicht gerade neu fand und wie wir sehen werden, hatte er als mu-

sikalischer Leiter der Theatertruppe der „Compagnie Renaud/Barrault genügend einschlägige

Erfahrungen, um vom Schauspiel der damaligen Avantgarde, welches Uraufführungen von

Genet, Ionesco, Beckett spielte und unter dem Eindruck von Antonin Artaud einen neuen, von

Jean-Louis Barrault44 begründeten Inszenierungsstil praktizierte, diese Kritik am kon-

ventionellen Musiktheater begründet vortragen zu können.

Unter folgenden generellen und partiellen Aspekten lässt sich das vorläufige Gesamtwerk von

Boulez im Hinblick auf das Paradigma der „Theatralität“ untersuchen: erstens im Hinblick auf

die von Boulez eingerichteten oder betreuten Schauspielmusiken in der Compagnie

Renaud/Barrault; zweitens hinsichtlich der von Boulez komponierten Bühnenmusiken;

drittens mit Blick auf ursprüngliche oder fragment gebliebene Werk-Konzeptionen; viertens

im Hinblick auf nicht realisierte Opernprojekte; fünftens mit Bezug auf einzelne Werke oder

Werkgruppen, nicht zu sprechen von den zahlreichen theoretischen und musikästhetischen

Texten zu Werken des Musiktheaters und von den einschlägigen Aufführungen musiktheatra-

ler Werke des 19. und 20. Jahrhunderts.

1. Unter den zahlreichen Bearbeitungen von Boulez sind die der „Chansons de Bilitis, Musi-

que de scène“ von Debussy hervorzuheben und die Einrichtung der Schauspielmusiken

von Honegger zu Claudel’s „Tête d’or“, von Kosma zu Kafkas „Le Procès“ und von

44 Vgl. zur Zusammenarbeit von Pierre Boulez und der Compagnie Renaud/Barrault: Martin Zenck: „L’Orestie“– „Marges“. Zu den frühen rituellen musiktheatralen Projekten von Pierre Boulez, in: Mitteilungen der Paul Sa-cher Stiftung, No. 15, April 2002, S. 20-27. Dieser Thematik widmet sich ein eigenes von der DFG gefördertesForschungsprojekt an der BNF (Paris) und in der Paul Sacher Stiftung (Basel) im Herbst 2002 und Frühjahr2003.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

Tschaikowskys „Dornröschen zu Tchechovs „La Cerisaie“ („Der Kirschgarten“). –

Ergänzt werden müsste diese Liste durch die Bühnenwerke, deren Bühnenmusiken Boulez

in der Endfassung und als Dirigent in der Compagnie Renaud/Barrault betreut hatte: vor

allem Darius Milhauds Musik zu Claudel’s „Christoph Colomb“. Hinzugezogen werden

müssten noch die von Jean-Louis Barrault inszenierten Opern „Carmen“, „Wozzeck“ und

„Faust“ (Gounod), deren mir en scène Boulez vermutlich mitgetragen hatte.

2. Es gibt in diesem Zusammenhang Boulez‘ eigene, aus dem Jahre 1954 stammende und

umfassende, teils durchkomponierte Schauspielmusik zu Aischylos‘ Trilogie der

„Orestie“45, die im Verhältnis von vier Stunden Spieldauer eine Stunde Musik enthält und

schließlich Boulez‘ Musik für Sopran und Orchester zur dramatisierten Fassung von

Nietzsches „Ainsi parla Zarathoustra“ („Also sprach Zarathustra“), die Barrault 1974 für

die Bühne eingerichtet hatte (das gesamte Material zu diesem Werk-Komplex liegt teil-

weise in der Paul Sacher Stiftung in Basel ( „Sammlung Boulez“) oder im „Département

des Arts du spectacle der BNF (Bibliothèque Nationale de France; Inventaire „Barrault“.

Ebenso liegen dort die bedeutsamen Correspondances Boulez-Barrault/Barrault-Boulez.

Es gilt also festzuhalten, dass Boulez als musikalischer Leiter der Bühnentruppe der

„Compagnie Renaud/Barrault“ zwischen 1946-1955 ständig als Experte für Bühnenmu-

siken zur Verfügung stand und sich daraus sein später immer zentraler werdendes Inter-

esse für die Oper erklärt und zwar für das Repertoire zwischen Wagner bis hin vor allem

zur „Lulu“ und zu „Moses und Aaron“ und für sein eigenes Opernprojekt, das nach 1968

mit dem Brief an Pierre Souvtchinsky immer genauere Konturen annahm und mit Heiner

Müller seit 1993 verwirklicht werden sollte.

3. Deutlich zeigen einzelne Fragment gebliebene Werke von Boulez die immer wieder auf-

genommene Arbeit an musiktheatralen Werken. Es versteht sich, dass sich die Aneignung

und Beherrschung neuer Kompositionstechniken und der veränderten Behandlung der

Singstimme zunächst auf kleiner besetzte Werke der Kammermusik beschränken musste,

bis entsprechende kompositorische Konzeptionen auch in groß besetzter und theatraler

Musik möglich wurde. Dies gilt für das große Artaud-Projekt „Marges“, dessen

Realisierung Boulez immer wieder zwischen den Jahren 1961- 1968 beschäftigte. Hiervon

45 Vgl. die Angabe zu meiner Darstellung dieser Bühnenmusik von Boulez unter Fußnote 44.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

liegen Skizzen46 mit Materialdispositionen, Besetzung, Verteilung der Instrumente im

Raum und brieflich immer wieder Hinweise auf auszuwählende Texte von Artaud,

Michaux und Rimbaud vor. Gerade die Auswahl des Pejotls-Ritus aus den „Tarahumaras“

von Artaud macht auf einen Zusammenhang aufmerksam, dem der Komponisten Wolf-

gang Rihm, ohne dieses Skizzenmaterial von Boulez zu kennen, später im Ballett „Tutu-

guri“ und im Musiktheater der „Eroberung von Mexiko“ folgte.

4. Im Brief an Pierre Souvtschinsky vom 17. April 1968 hatte Boulez davon gesprochen,

dass die Würfel noch nicht gefallen seien, um eine Oper zu schreiben („Quant au projet de

l’opéra, il est encore beaucoup trop ‚aléatoire‘ pour permettre un aléa veritable“). Der Plan

ein entsprechendes Opernprojekt zu verwirklichen, schien 1993 greifbar nahe, als es zur

Zusammenarbeit mit Heiner Müller kommen sollte. Wie die Übersetzungen der „Orestie“

und die szenische Einrichtung von Müller zeigen, waren dessen Vorbereitungen viel wei-

ter in Richtung „Oper“ gediehen, als es Boulez gegenüber Rihm zu verstehen gab. Es wäre

ein Werk des Musiktheaters47 entstanden, welches Boulez‘ unter Barrault und unter der

Nachwirkung Artauds 1954 komponierte Bühnenmusik durch die Auseinandersetzung mit

der Wildheit und der Technik der „Übermalung“ der Müllerschen Konzeption auf eine

grundsätzlich neue Stufe gehoben hätte.

5. Betrachtet man nun das vorläufige Gesamtwerk von Boulez, ohne von diesen theatralen

Rahmenbedingungen seiner Produktion zu wissen, würde man zunächst nicht leicht auf

den Gedanken verfallen, sein Oeuvre unter dem Paradigma von „Theatralität“ zu untersu-

chen. Die Vertikalisierung jedoch und das Konzept der Extensionalisierung durch das

Verfahren der „Prolifération“ zeigt eine unverkennbare Tendenz zur Verräumlichung. Seit

den dreißiger Jahren wurde diese zunehmend (Artaud, „Les Cenci“ und „Espace“ von

Varèse) durch im Saale aufgestellte Lautstärker und die Verwendung von „Ondes Marte-

nots“ verwirklicht, die dann in Messiaens „Turangalila-Symphonie“ eine so bedeutende

Rolle einnehmen sollten. Boulez plante bereits vor Messiaen (1950) sowohl seine zurück-

gezogene Sonate für zwei Klaviere (1948) ursprünglich als „Quatuor pour 4 Ondes Marte-

not“ (1945/46) als auch die Erstfassung von „Le visage Nuptial“ einer elektronischen Ver-

räumlichung zu unterziehen. Ohne zu übertreiben, kann man dann in diesem Zusammen-

46 Vgl. ausführlich zum Skizzenmaterial von „Marges“: Martin Zenck: Antonin Artaud – Pierre Boulez – Wolf-gang Rihm. Zur Re- und Transritualität im europäischen Musiktheater (erscheint, in: Musiktheater heute – eineStandortbestimmung, a. a. O.).47 Vgl. dazu entsprechende Ausführungen unter der Angabe 46

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

hang behaupten, dass die wohl von Varèse herrührende ideelle und reale Spatialisierung

des Klangs später bei Boulez im Triptychon seines „Rituel“ („Espace“ – „rituel in memo-

riam Bruno Maderna“, 1974775)48 seine wohl entschiedenste Realisierung gefunden hat,

die mit der Tiefe des Raums auch die Tiefenperspektive der Vergangenheit und Geschich-

te erfassen sollte; also eine durchaus romantische Konzeption, die räumliche Distanz zwi-

schen zwei Punkten zugleich als ein Abstand zwischen auseinanderliegenden Zeiten von

Vergangenheit und Gegenwart darzustellen. - Im Folgenden seien einige Werke von Bou-

lez ausgewählt, um an ihnen explizite oder implizite Formen der „Theatralität“ aufzu-

zeigen. Veräußerlichung und imaginäre Räumlichkeit und Beziehungen zu einschlägigen

Theaterwerken stellen dabei nur mögliche Kriterien solcher „Theatralisierung von Musik“

dar. Sie entsteht wesentlich auch durch die Gegenmaßnahme der „absoluten Musik“, die

losgelöst von vorgestellter und äußerer Wirklichkeit eine vollkommen eigene Wirklichkeit

für sich zu sein behauptet. Dazu gehört die bis heute unabgeschlossene und wohl auch un-

abschließbare Livre-Konzeption seines Streichquartetts, dem er erst später den Titel eines

„Livre pour Quatuor“ gegeben hat. Es ist ein einzigartiges Kunstbuch wie auf andere, aber

vergleichbare Weise die dritte Klaviersonate ein Buch der Betrachtung ist: Augenmusik

also, die sich in der reinen Contemplation erfüllen kann; bei der die klangliche

Realisierung immer auch ein Verrat einer im Inneren sich verschließenden Musik ist. Je

mehr sie sich gegenüber Auswendigem, der Wirklichkeit abschließt, desto mehr behauptet

sie in ihrem Inneren, keiner bloßen Attitüde von Machtgeschütztheit, ihre eigene

Wirklichkeit. – Hier also treffen bei Boulez die Wirklichkeiten aufs Schärfste aufeinander:

seine Artaud-Konzeption in „Marges“, seine Bayreuther Ring-Konzeption mit Patrice

Chéreau, deren radikale Wirklichkeiten der äußeren Realität einen Spiegel noch vorhalten

konnten und seine nur auch lesbaren und betrachtbaren Partituren der „Improvisations sur

Mallarmé“, dem „Livre pour Quatuor“ und der „Troisième Sonate pour piano“, die eben

bei der Betrachtung zum Spiegel nicht von äußeren Wirklichkeiten, sondern gegebenen-

falls von ungeheueren inneren Ich-Welten werden können. Wenn also alles zur Imaginati-

on wird, gibt es keine Grenzen mehr, hinter denen oder vor denen Wirklichkeit wäre. Sie

selbst, die Imagination ist ein vollkommen ausgefüllter und ausgemessener Raum,

außerhalb dessen nichts existiert als wir und die Musik – oder vielleicht nur noch die Vor-

stellung dieser Musik. - Eine corporal-gestische Seite, welche durch Artaud vermittelt ist,48 Vgl. Martin Zenck: Transgressionen von Leben und Werk: Pierre Boulez‘ „rituel in memoriam Bruno Mader-na“, a. a. O.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

findet sich in der zweiten Klaviersonate (1946/48). Der vierte Satz verzeichnet die schein-

bar pianistisch zunächst ganz unrealisierbare Anweisung „pulvériser le son“49, eine Ato-

misierung sowohl des einzelnen Tons als auch seiner Verwischung durchs rasende Tempo.

Aber eben nicht nur Schumanns „Schneller als möglich“, das dem Ton und den Tönen

alles Distinkte und artikuliert Abgesetzte nimmt und damit gleichsam ins „Waldes-

rauschen“ übergeht, sondern die Zerschlagung des einzelnen Tons in sämtliche seiner

gleichsam mikrotonalen Bestandteile, was am Klavier bekanntlich schwer nur sich ma-

chen lässt. Hier also ein Zerstäuben des Tons gleich dem „rejaillir le phonème“, das Bou-

lez mit Artaud gefordert hatte, um den Klang des Sprachlauts endlich von der Bedeutung

des einzelnen Wortes zu befreien. Also in einer ersten Hochrechnung zwischen Boulez

und Artaud „Körpertheater“: das Zerschlagen und Auflösen des bedeutenden Zeichens der

Sprache in die reine Bewegung des Körpers, der im Gegensatz zu sonst, zu keinem artiku-

lierten, sondern herausgestoßenen Laut führt. - Auf „Marges“ als einem rituell-musikthea-

tralem Entwurf zu einem neuen Musiktheater war bereits eingegangen worden. Ab-

schließend seien noch zwei Werke herangezogen, um an ihnen die hinter ihnen stehende

Konzeption von „Theatralität“ aufzuzeigen. So gibt es in jedem Theaterstück zu den origi-

nalen Figuren Doubles, die nötig sind, wenn die Originale ausfallen. Dann müssen sie ran

wie Stuntmans. Auch können sie wie bei Boulez gleich an die erste Stelle treten, um ihre

Abhängigkeit von den Elementarfiguren nicht aufkommen zu lassen. Bei Boulez treten sie

auf im Orchesterwerk der „Figures – Doubles – Prismes“ (1963/68), von Anbeginn an der

Auftritt der Varianten, nicht der Themen, auf die sie dann in entsprechender Ableitung

folgen müssten. Also zuerst die Doppel- und Wiedergänger, dann das weniger bedrohliche

Original. Damit spielt Boulez auf die kompositionsästhetische Diskussion einer Partitur

der Varianten an, wie sie mit Blick auf Liszt und Mahler geführt wurde, wo eben nichts

am Anfang thematisch Gesetztes variiert wird, sondern die Variante bereits die Idee der

Idee ist, weil es keine primäre gibt. Zum anderen wird auf instrumentale und ensemblemä-

ßig festgelegte Figuren angespielt, die gegenüber den Figuren auf der Bühne durchaus rea-49 Pierre Boulez: Deuxième Sonate pour piano, I. Mouvement, S. 47.; vgl. weiter Martin Zenck: „Rejaillir lephonème ...Pulveriser le son“. Die Entdeckung der Körpers in der Neuen Musik, in ders.: Musikkörper – Kunst-körper – Körpertheater, S. 167-172; vgl. auch Thomas Bösche (Auf der Suche nach dem Unbekannten oder ZurDeuxième Sonate 1946-1948) von Pierre Boulez und der Frage nach der seriellen Musik, in: Die Anfänge derseriellen Musik, Hofheim 1999, S. 96) mit Blick auf ein Gedicht von René Char, das den Titel Le poème pulve-risé“.(René Char: Oeuvres complètes, Paris 1983, S. 247).hat; diesen Hinweis hatte bereits Boulez selbst gege-ben: Ästhetik und Götzendienst, in ders.: Werkstatt-Texte, hg. und übersetzt von Josef Häusler, Frankfurt 1972, S.231).

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

le und ernst zu nehmende Figuren sind. Auch könnte schließlich über das theatrale Spiel

der Figuren im Graben und auf der Bühne hinaus an Zusammenhänge mit der Choreo-

graphie gedacht werden, wo die Proxemie der Figuren und die Gänge und Schrittfolgen

einzeln figuriert als auch im Ensemble der Figuren konfiguriert werden (vgl. Zenck mit

Blick auf Brandstetter, Art. „Figura“). Dieser theatrale und choreographische Kontext

findet sich schließlich im nach den „Domaines“ für Klarinette solo (1961/68) und in

„Domaines“ für Klarinette und 21 Instrumente (1961/68) im wohl berühmtesten Stück von

Boulez mit dem Titel „Dialogue de l’ombre double“ für Klarinette und Tonband (1984),

das einerseits auf die einschlägige Schattenszene in Claudel’s „Le soulier de satin“ („Der

seidene Schuh“) anspielt, bei dem es eben um den doppelten Schatten geht, auch um den

des Todesschattens, der bekanntlich nicht mehr geworfen wird, andererseits choreo-

graphische Assoziationen zwischen Figur und Double und ihrem Dialog weckt, von Asso-

ziationen, die bisher auch mehrfach konkret im Ballett verwirklicht worden sind.

VI. Buchprojekt Körpermusik

Das bereits zur Hälfte fertiggestellte Buch mit dem Titel: „Körpermusik - Kunstkörper - Kör-

pertheater. Körperinszenierungen in den schönen und in den nicht mehr schönen Künsten“ be-

teiligt die Disziplinen der Historischen Musikwissenschaft, der Theaterwissenschaft, der

Kunstgeschichte und der Philosophie/der Medienwissenschaften. Es enthält neben einer Ein-

leitung mit dem Thema „Körperreflex - Körpergedächtnis - Formierter Körper - Körpererfah-

rungen an Beethovens Klaviersonate op. 110“ zwei Teile, von denen der erste die theore-

tischen Grundlagen darstellt, der zweite, der an einzelnen Modellen der verschiedenen Künste

die theoretischen Grundlagen zur Anwendung und zur kritischen Diskussion bringt. Die bis-

her vorgelegten Beiträge zu den beiden Teilen sind der Versuch von den Künsten aus, den

Diskurs eines eigenmächtigen oder transversalen Körperwissens wenn nicht zu eröffnen, so

doch ihn in neuer Weise nach den zahlreichen und gerade erschienen Sammel50- und Einzel-50 Vgl. Fischer-Lichte, Erika u. Fleig, Anne (Hrsg.): Körperinszenierungen. Präsenz und kultureller Wandel, Tü-bingen 2000; vgl. weiter Gestik. Figuren des Körpers in Text und Bild, hg. v. Gabriele Genge, Tübingen und Ba-sel 2000; vgl. schließlich Lobe, Michael: Die Gebärden in Vergils ‚Aeneis’. Zur Bedeutung und Funktion vonKörpersprache im römischen Epos, Frankfurt am Main 1999.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

publikationen51 weiterzuführen. Dieser Diskurs nimmt nach einem einführenden Einleitungs-

text in einem fundierenden Theorieteil Gestalt an, in dem Autorinnen und Autoren von ihrer

Disziplin aus einen entsprechenden interdisziplinären Diskurs zwischen der Philosophie,

Kultursoziologie, Kultursemiotik, den Kunst-, Literatur-, Theater- und Medienwissenschaften

entwickelt haben. In den folgenden Kapiteln, in denen die zuvor etablierten Theorien zum

„Körperwissen“ an einzelnen Modellen weiter entwickelt werden, zeigt sich dann die Be-

grenztheit dieser Theorien. Nach gängiger Vorstellung müssen sich die Theorien an den

Modellen bewähren. Hier müssen die Modelle aber in den Theorien nicht ihre Bestätigung

finden, sondern die Eigenmächtigkeit und das transversale Vermögen des Körperwissens ist in

den Künsten ohne die bändigende Vernunft unter Beweis zu stellen.

VII. Publikationen

Becker, Tim: Das Szenisch-Werden des Körpers in Alban Bergs Lyrischer Suite (=Vortrag auf

dem interdisziplinärem Kolloquium „Korporalität“ in Bamberg, Februar 2002), er-

scheint in: Zenck, Martin; Becker, Tim; Woebs, Raphael (Hg.): Körpermusik, Kunstkör-

per, Körpertheater. Körperinszenierungen in den schönen und in den nicht mehr schö-

nen Künsten, Fink-Verlag (Reihe Text und Bild), München.

Becker, Tim; Woebs, Raphael: „Back to the Future“: Hearing, Rituality and Techno. the

world of music 41, VWB - Verlag für Wissenschaft und Bildung 1999(1):59-71.

Becker, Tim; Woebs, Raphael: Adriana Hölszkys „Message“- oder von der frischen Luft ans

Reißbrett...(= Vortrag auf der Jahrestagung des DFG-Schwerpunktprogramms „Thea-

tralität als Modell der Kulturwissenschaft“ zum Thema „Ritualität und Grenze“ in Ber-

lin, Mai 2001), erscheint in: Fischer-Lichte, Erika (Hg.): Ritualität und Grenze (=Thea-

tralität, Bd. 5), Francke Verlag Tübingen und Basel

51 Heeg, Günther: Das Phantasma der natürlichen Gestalt. Körper, Sprache und Bild im Theater des 18. Jahr-hunderts, Frankfurt am Main und Basel 2000.

22

Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

Becker, Tim; Woebs, Raphael: „Alsdann, ... soll er uns etwas denken!“ Der Körper als Ana-

thema in der Musikwissenschaft (=Inner- und Interdisziplinärer Grundlagenvortrag auf

der Abschlusstagung des DFG-Schwerpunktprogramms „Theatralität als Modell der

Kulturwissenschaft“ in Berlin, Juni 2002), erscheint in: Zenck, Martin; Becker, Tim;

Woebs, Raphael (Hg.): Körpermusik, Kunstkörper, Körpertheater. Körper-

inszenierungen in den schönen und in den nicht mehr schönen Künsten, Fink-Verlag

(Reihe Text und Bild), München.

Oy-Marra, Elisabeth: Bild - Text - Raum. Zur Zeit und Raumkonzeption der römischen

Fresko-Malerei des 17. Jh. zwischen Textbezug und theatralischem Ereignis, in: Heeg,

Günther (Hg.): Stillstand und Bewegung. Studien zur Theatralität von Text, Bild und

Musik, München: epodium 2002.

Oy-Marra, Elisabeth: Tote Körper und kulturelles Gedächtnis. Humanistengrabmäler und ihre

Begräbniszeremonien im Florenz des 15. Jh. (= Vortrag auf der Jahrestagung des DFG-

Schwerpunktprogramms „Theatralität als Modell der Kulturwissenschaft“ zum Thema

„Ritualität und Grenze“ in Berlin, Mai 2001), erscheint in: Fischer-Lichte, Erika (Hg.):

Ritualität und Grenze, Francke Verlag Tübingen und Basel

Woebs, Raphael: Die Stimme in der Apokalypse oder der inskribierte Körper in der 'Gesangs-

szene' von Karl Amadeus Hartmann (=Vortrag auf dem interdisziplinärem Kolloquium

„Korporalität“ in Bamberg, Februar 2002), erscheint in: Zenck, Martin; Becker, Tim;

Woebs, Raphael (Hg.): Körpermusik, Kunstkörper, Körpertheater. Körper-

inszenierungen in den schönen und in den nicht mehr schönen Künsten, Fink-Verlag

(Reihe Text und Bild), München.

Zenck, Martin: Antragstext für des SPP „Theatralität“ der DFG: Inszenierungsstrategien von

Musik und Theater und ihre Wechselwirkungen.

Zenck, Martin: „Entgrenzungen der Gattungen Kammermusik und Szene in Werken von Mi-

chael von Biel, Mauricio Kagel, Bernd Alois Zimmermann und Luigi Nono“, erscheint

in: Zwischen Tradition und Experiment. Zum Musiktheater zwischen ca. 1960 und 1980

(= Kongressbericht Mainz 1994).

Zenck, Martin: Becker, Tim; Woebs, Raphael: Freisetzung des Ereignisses im performativen

Ritual? Zu Tadashi Suzukis Nô-Theater-Inszenierung von Shakespeares King Lear

23

Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

(1998/99) und zur musik-theatralen Komposition Vision of Lear von Toshio Hosokawa

(1998/99) (=Vortrag auf der Jahrestagung des DFG-Schwerpunktprogramms „Theatrali-

tät als Modell der Kulturwissenschaft“ zum Thema „Performativität und Ereignis“ in

Berlin, Juni 2000) erscheint in: Fischer-Lichte, Erika (Hg.): Performativität und Ereignis

(=Theatralität, Bd. 4), Francke Verlag Tübingen und Basel.

Zenck, Martin (Guest Editor): Music, the Arts and Ritual. the world of music 40/1, VWB -

Verlag für Wissenschaft und Bildung 1998(1).

Zenck, Martin: Die doppelte Übermalung der „Alkestis“ von Euripides und Gluck in der In-

szenierung von Robert Wilson und in der „Klangbeschreibung I-III“ von Wolfgang

Rihm (= Vortrag am Bochumer Schauspielhaus am 24.03.2001 innerhalb des internatio-

nalen Heiner-Müller-Symposiums „Ende der Vorstellung. Heiner Müller: Bild-

beschreibung“, Leitung: Ulrike Haß); erscheint im Suhrkamp-Verlag Frankfurt a.M..

Zenck, Martin: Transgression von Lebenszyklus und Lebenswerk: Pierre Boulez' „rituel in

memoriam Bruno Maderna“ (1974/75), erscheint in: Fischer-Lichte, Erika (Hg.): Ri-

tualität und Grenze (=Theatralität, Band 5,), 2002.

Zenck, Martin: Artaud - Boulez - Rihm - Hosokawa. Zur Re- und Trans-Ritualität im euro-

päischen Musiktheater des 20. Jahrhunderts (=Vortrag im Kolloquium „Musik-Theater

heute - eine Standortbestimmung“, vom 21.24. November 2001 in Basel), erscheint in:

Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung, Mainz 2002.

Zenck, Martin: Orphée, Tristan, Hamlet, Prométhée. Les configurations musicales d'une

figure mythique chez Heiner Müller et Wolfgang Rihm, in: Théâtre/Public 160-161.

Sonderband „Heiner Müller. Généalogie d'une oeuvre à venir. (2001), Nr. 160-161, S.

58-63

Zenck, Martin: Authentizität als Inszenierung in den Kafka-Fragmenten von György Kurtág,

in: Fischer-Lichte, Erika; Pflug Isabel (Hg): Inszenierung von Authentizität (= Theatrali-

tät, Bd. 1), A. Francke Verlag, Tübingen 2000, S. 129-146.

Zenck, Martin (u.a.): Gestisches Tempo. Die Verkörperung der Zeit in der Musik - Grenzen

des Körpers und seine Überschreitung, in: Fischer-Lichte, Erika; Horn, Christian;

24

Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

Warstat, Matthias (Hg.): Verkörperung (=Theatralität, Band 2), Tübingen und Basel

2001, S. 345-368.

Zenck, Martin (u.a.): Die Atmosphären der Künste und ihre Wahrnehmung, in: Fischer-Lich-

te, Erika; Horn, Christian; Umathum, Sandra; Warstat, Matthias (Hg.): Wahrnehmung

und Medialität (=Theatralität, Band 3), Tübingen und Basel 2001, S. 337-356.

Zenck, Martin: Der Begriff des „Imaginären“ und Theatralität der Musik. Wirkungen des

Theatralitätskonzepts in der Musikwissenschaft, erscheint in: Fischer-Lichte, Erika

(Hg.): Theatralität (=DFG-Kolloquiumsband Theatralität, Band 6,), 2003.

Zenck, Martin: Die mehrfache Codierung der Figur: Ihr defigurativer und torsohafter Modus

bei Johann Sebastian Bach, Helmut Lachenmann und Auguste Rodin, erscheint in:

Brandstetter, Gabriele; Peters, Sybille (Hg.): Figura, Text und Bild, Fink Verlag 2002.

Zenck, Martin: Luigi Nono und Alban Berg: Die musikalische Dramaturgie der konzertanten

Fassungen der Opern „Al gran sole carico d’amore“, „Wozzeck“ und „Lulu“, in: Schä-

fer, Thomas (Hg): Luigi Nono. Aufbruch in Grenzbereiche, Pfau Verlag, Saarbrücken

1999, S.44-52

Zenck, Martin: Luigi Nonos „Sphären“ und „Atmosphären“. Die Grenzen der Herstellbarkeit

von Szene und ihrer medialen Präsentation der „azione scenica“ „Al gran sole carico

d’amore“, in: Schäfer, Thomas (Hg): Luigi Nono. Aufbruch in Grenzbereiche, Pfau

Verlag, Saarbrücken 1999, S.114-123.

Zenck, Martin: Dialektik im Stillstand. Zur Konzeption des „Tableaus“ in der Neuen Musik

und in musiktheatralen Werken von Paul-Heinz Dittrich, Wolfgang Rihm und Helmut

Lachenmann, in: Heeg, Günther (Hg.): Stillstand und Bewegung. Studien zur Theatrali-

tät von Text, Bild und Musik, München: epodium 2002, S. 117-127.

Zenck, Martin: Beckett after Kurtág: Towards a Theory of Theatricality of a Non-theatrical

Music. In: Studia Musicologica Academicae Scientiarum Hungaricae 43 (2002), Nr.

43/3-4, S. 411-420

Zenck, Martin: L’Orestie - Marges. Zu den frühen rituellen musiktheatralen Projekten von Pi-

erre Boulez, in: Mitteilungen der Paul Sacher Stiftung, Nr. 15, April 2002, S. 20-27.

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Zenck – Becker – Woebs: Theatralität

Zenck, Martin (Hg.): Körpermusik - Kunstkörper - Körpertheater. Körperinszenierungen in

den schönen und in den nicht mehr schönen Künsten, Fink-Verlag (Reihe Text und

Bild), München 2003.

Zenck, Martin: Die ästhetische Produktivkraft des Phantastischen und des Wahnsinns im

Werk Wolfgang Rihms - Spuren von Antonin Artaud und Heiner Müller (=Vortrag am

14. September in der Alten Oper Frankfurt), erscheint in: Hofer, Wolfgang (Hg.): Wolf-

gang Rihm. Ein Symposium, Mainz 2003.

Zenck, Martin: Pierre Boulez‘ „Orestie“ (1955“-1995?). Das unveröffentlichte Manuskript der

158 Seiten umfassenden szenischen Musik zu Jean-Louis Barraults Inszenierung der

Trilogie der „Orestie“ im Théâtre de Marigny (erscheint, in: AfMw H. 2, 2003).

Zenck, Martin: Pierre Boulez‘ Oper „Orestie“. Die Bühnenmusik von Pierre Boulez zu einer

„Orestie“ (1955) und das Opernprojekt einer „Orestie“(1995) von Heiner Müller und Pi-

erre Boulez (Vortrag gehalten am 29. 1. 2003 in der Hessischen Theaterakademie an der

Universität Frankfurt am Main, Leitung: Hans-Thies Lehmann).

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