dicke nesthocker an die luft gesetzt - engelglobal.com · kunststoffe 9/2013 3 spritzgiessen keit...

6
Christian Maier, Josef Gießauf und Georg Steinbichler Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt Dickwandige Linsen © Carl Hanser Verlag, München. 2013. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe dieses Sonderdrucks und der Übersetzung behält sich der Verlag vor. ENGEL AUSTRIA GmbH Ludwig-Engel-Straße 1 · A-4311 Schwertberg Tel. +43 50 620 0 · Fax +43 50 620 3009 [email protected] · www.engelglobal.com Sonderdruck aus der Fachzeitschrift Kunststoffe 9/2013 Werkstoffe Verarbeitung Anwendung 2013 Organ deutscher Kunststoff-Fachverbände www.kunststoffe.de

Upload: dokhanh

Post on 15-Aug-2019

221 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt - engelglobal.com · Kunststoffe 9/2013 3 SPRITZGIESSEN keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2). Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt

Christian Maier, Josef Gießauf und Georg Steinbichler

Dicke Nesthockeran die Luft gesetztDickwandige Linsen

© Carl Hanser Verlag, München. 2013. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen

Wiedergabe dieses Sonderdrucks und der Übersetzung behält sich der Verlag vor.

ENGEL AUSTRIA GmbHLudwig-Engel-Straße 1 · A-4311 SchwertbergTel. +43 50 620 0 · Fax +43 50 620 [email protected] · www.engelglobal.com

Sonderdruck aus der Fachzeitschrift Kunststoffe 9/2013

Werkstoffe � Verarbeitung � Anwendung

2013Organ deutscher Kunststoff-Fachverbände www.kunststoffe.de

Page 2: Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt - engelglobal.com · Kunststoffe 9/2013 3 SPRITZGIESSEN keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2). Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt

CHRISTIAN MAIERJOSEF GIEßAUF

GEORG STEINBICHLER

Die Märkte für Kunststoffoptikenzeigen regional große Unterschie-de. Während in Asien abbildende

optische Bauteile für mobile Endgerätedominieren, werden in Europa vor allemdickere Linsen für LED-Beleuchtungenhergestellt. Da die Kühlzeit beim Spritz-gießen mit dem Quadrat der Wanddickezunimmt, besteht die größte Herausfor-derung darin, wirtschaftliche Prozesse zu

entwickeln. Bei einer für Automobil-Frontscheinwerferlinsen typischen Dickevon 30 mm sind mit herkömmlichenSpritzgießverfahren Zykluszeiten vonmindestens 20 min zu erwarten [1].

Eine Möglichkeit zur Zykluszeitreduk-tion bietet die Mehrschichttechnik, beider dickwandige Bauteile aus mehrerenaufeinander folgenden Schichten gefer-tigt werden. Der mehrschichtige Aufbaukann entweder durch einseitiges oderbeidseitiges Überspritzen einer erstenSchicht erzeugt werden oder durchnachträgliches Verbinden zweier zuvorunabhängig voneinander hergestellterSchichten mit einer Zwischenschicht(Bild 1).

In der Regel werden die einzelnenSchichten allesamt auf derselben Spritz-gießmaschine gefertigt. Der Einsatz sepa-rater Spritzaggregate für die drei Schich-ten ist bereits ein erster Schritt in Richtungkurze Zykluszeiten. Damit wird gewähr-leistet,dass die Prozessschritte Einspritzen,Nachdrücken und Dosieren gleichzeitigund unabhängig voneinander erfolgen.

Was bringt dieMehrschichttechnik?

Aus theoretischen Überlegungen lassensich Näherungsformeln für die Kühlzeitund die Produktivität ableiten (siehe Kas-ten S. 6) und die Ergebnisse in Abhängig-

Dickwandige Linsen.

Bei der Fertigung an-

spruchsvoller optischer

Kunststoffteile wie LED-

Linsen für Automobil-

Frontscheinwerfer mit To-

leranzen im Mikrometer-

bereich stellt das Spritz-

gießen erneut seine

Anpassungsfähigkeit un-

ter Beweis. Eine Weiter-

entwicklung der Mehr-

schichttechnik erlaubt es,

die Produktivität bei der

Herstellung dickwandiger

Linsen noch einmal deut-

lich zu steigern.

Dicke Nesthockeran die Luft gesetzt

LED-Frontscheinwerfer der Mercedes S-Klasse2013. Die Linsen werden in 3-Schicht-Sand-wich-Technik auf einer SpritzgießmaschineEngel duo 600 WP pico combi hergestellt (Bild: Automotive Lighting Reutlingen)

2 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 9/2013

SPR I T ZG I E S S EN

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.deDokumenten-Nummer KU111447

Page 3: Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt - engelglobal.com · Kunststoffe 9/2013 3 SPRITZGIESSEN keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2). Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt

3Kunststoffe 9/2013 www.kunststoffe.de

SPR I T ZG I E S S EN

keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2).Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt sichjedoch, dass diese Faustformeln zur Ab-schätzung der Kühlzeitersparnis zu opti-mistische Ergebnisse liefern.

Die Mehrschichttechnik bietet aller-dings die Möglichkeit, die Werkzeugbe-reiche für jene Oberflächen, die späternoch einmal überspritzt werden, kälter zutemperieren, denn die Oberflächenqua-lität von innen liegenden Schichten be-einflusst im Idealfall nicht die Qualität derfertigen Linse. Nutzt man dieses Potenzi-al für die Herstellung des Vorspritzlingsaus, so stimmt die Abschätzung der Kühl-zeitersparnis recht gut mit Ergebnissenaus Simulation und Praxis überein. ZurOptimierung der Schichtdickenauftei-lung empfiehlt es sich, Simulationsrech-nungen durchzuführen.

Aus Bild 2 lassen sich folgende Aussa-gen ableiten:� Für die Kühlzeit pro Kavität ist es uner-

heblich, ob einseitig oder beidseitigüberspritzt wird. Sie sinkt mit zuneh-mender Schichtenanzahl im selbenMaße.

� Das einseitige Überspritzen verlangtgegenüber der beidseitigen Variante ei-ne höhere Kavitätenzahl und damitauch mehr Platz im Werkzeug.

� Eine geeignete Kennzahl für einenWirtschaftlichkeitsvergleich stellt dieProduktivität dar, weil sie die Annah-me gleicher Kavitätenzahlen beinhal-tet.

� Erst bei einer Vielzahl von Schichtenerhöht das einseitige Überspritzen dieProduktivität in nennenswertem Um-

fang. Allerdings leidet die tatsächlicherzielbare Produktivität durch den hiernicht berücksichtigten Einfluss der Zei-ten für Öffnen, Schließen, Umsetzen/Drehen und Einspritzen.

� Hingegen erhöht das beidseitige Über-spritzen die Produktivität schon bei ei-nem Dreischicht-Aufbau deutlich.

Die Sandwich-Variante ist demzufolgegegenüber der einseitigen Überspritzungim Vorteil. Diese Variante verbessertaußerdem die Konturtreue, da schwin-dungsbedingte Einfallstellen des Vor-

spritzlings beim Überspritzen ausgegli-chen werden. Somit ist nur die Schwin-dung der dünneren Außenschichten fürdie Konturtreue verantwortlich. DieserEffekt ist beim einseitigen Überspritzenebenfalls vorhanden, naturgemäß abernur auf einer Seite. Die Qualität der an-deren Oberfläche muss deshalb sofort denAnforderungen entsprechen, da sie keinekorrigierende Deckschicht erhält.

Wo Licht ist, ist auch Schatten: Bei al-len Vorteilen der Sandwich-Variante darfnicht übersehen werden, dass sie einekomplexere Werkzeugtechnik bean-sprucht. Das Halten der Vorspritzlinge inder Kavität und das Transportieren voneiner Kavität zur anderen sind mitgroßem Aufwand verbunden, währendbeim einseitigen Überspritzen ein Dreh-tisch genügt. Das gleichzeitige Füllen derAußenschichten will gut balanciert sein –Druckunterschiede zwischen den Deck-

schichten können zum Bruch des Vor-spritzlings führen.

Beide Varianten können weitere Plus-punkte anführen. Kaltkanal-Angüsseoder dünnwandige Außenbereiche limi-tieren die maximal mögliche Nachdruck-dauer. Bei sehr dickwandigen Teilen kannden Einfallstellen somit nur noch mit stei-gender Nachdruckhöhe entgegengewirktwerden. Dafür sind wiederum Maschinenmit höheren Schließkräften erforderlich.Extreme Wanddickenverhältnisse könnenunter Umständen erst durch die Mehr-

Bild 1. Mögliche Schichtfolgen am Beispiel einer aus drei Schichten aufgebauten dickwandigenLinse. Links: Vorspritzling 1 nacheinander einseitig überspritzt mit den Schichten 2 und 3; Mitte: Vorspritzling 1 gleichzeitig beidseitig überspritzt mit den Schichten 2 und 2´ (Sandwich-Variante);rechts: Vorspritzlinge 1 und 1´ verbunden durch Einspritzen einer Zwischenschicht 2 (Bild: Engel)

Schichten

100

%

80

70

60

50

40

30

20

10

0

200

%

180

170

160

150

140

130

120

110

1001

Kühl

zeit

Prod

uktiv

ität

2 3 4 5 6

Kühlzeit pro WerkzeugstationProduktivität pro Kavität – einseitige ÜberspitzungProduktivität pro Kavität – beidseitige Überspitzung

Bild 2. Kühlzeit pro Station im Werkzeug in Abhängigkeit der Schichtenanzahl nach Gleichung 4, so-wie Produktivität gemäß den Gleichungen 6 und 7 (siehe Kasten auf Seite 6). Als Vergleichsbasis(100 %) für die abgebildeten Ergebnisse zum einseitigen und beidseitigen Überspritzen dient jeweilsdas einschichtige Bauteil (Bild: Engel)

© Kunststoffe

Page 4: Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt - engelglobal.com · Kunststoffe 9/2013 3 SPRITZGIESSEN keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2). Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt

4Kunststoffe 9/2013 www.kunststoffe.de

SPR I T ZG I E S S EN

schichttechnik realisiert werden. Die De-signfreiheit wird dadurch größer.

Mit der Zykluszeit sinkt auch die Ver-weilzeit des Materials im Massezylinderund Heißkanal. Die Folge sind geringereGelbfärbung und damit höhere Trans-mission. Die von den Materialherstellernempfohlenen maximalen Verweilzeitenkönnen eingehalten werden. Das Titelbildzeigt eine Serienanwendung des 3-Schicht-Sandwich-Verfahrens, die Her-stellung von LED-Frontscheinwerferlin-sen bei der Automotive Lighting Reutlin-gen GmbH.

Kürzere Zykluszeit danklängerer Kühlzeit

Untersuchungen haben gezeigt, wie dieMehrschichttechnik die Wirtschaftlich-keit bei der Herstellung dickwandigerBauteile erhöhen kann. Man macht sichdabei die Tatsache zu Nutze, dass mehre-re dünne Schichten in Summe schnellerabkühlen als eine dicke Schicht. So kanndie Produktivität annähernd um den Fak-tor 2 gesteigert werden. Die resultieren-den Kühlzeiten von mehreren Minutensind jedoch für die Spritzgießverarbei-tung noch immer vergleichsweise lang.

Überlegungen zur Schichtenaufteilunggingen generell davon aus, dass bei einem3-Schicht-Sandwichaufbau sowohl derVorspritzling als auch die Deckschichtenam Ende der Kühlzeit unter die Glasüber-gangstemperatur abgekühlt sein müssen.Versuche haben nun jedoch gezeigt, dassder Vorspritzling schon zu einem wesent-lich früheren Zeitpunkt entnommen wer-

den kann. Es muss lediglich gewährleis-tet sein, dass seine eingefrorenen Rand-schichten ausreichend stark ausgeprägtsind, um dem inneren Druck standzuhal-ten und eine Deformation während derEntnahme zu verhindern. Würde manden Vorspritzling sofort in der nächstenStation überspritzen, wäre damit keinZykluszeitgewinn zu erzielen, im Gegen-teil: Die noch heißen Bereiche im Inne-ren wären nun noch weiter von der Werk-zeugwand entfernt und die Kühlzeit wür-de verlängert.

Ein neues Verfahren sieht daher eineKühletappe zwischen den Spritzvorgän-

gen außerhalb des Werkzeugs vor.Das Ab-kühlen an der Luft dauert zwar länger alsim Werkzeug, beeinflusst aber nicht dieZykluszeit. Je nach Dauer der externenKühlung kann der Vorspritzling beimÜberspritzen eine geringere mittlere Tem-peratur haben als ein Vorspritzling bei derherkömmlichen Sandwich-Technik. AlsFolge entzieht der Vorspritzling den Deck-schichten mehr Wärme und reduziert da-mit zusätzlich die Kühlzeit. Dieser Effektlässt sich noch verstärken, indem der Vor-spritzling dicker und die Deckschichtendünner ausgeführt werden.

Verfahrensablauf mit externer Kühlung

Der neue Verfahrensablauf gestaltet sichwie folgt: Ein für einige Zyklen extern aufeine definierte Temperatur abgekühlterVorspritzling wird wieder in das Werk-zeug eingelegt und überspritzt. Dabeiwird – je nach Anzahl der Spritzaggrega-te – gleichzeitig oder danach ein neuerVorspritzling gefertigt. Nach dem Öffnendes Werkzeugs werden ein fertiges Bau-teil sowie ein Vorspritzling entnommenund wieder ein zuvor zwischengekühlterVorspritzling eingelegt. Der entnomme-ne Vorspritzling wird in einer Kühlsta-tion abgelegt (Bild 3).

Um die Zykluszeitersparnis durch dieKühlung außerhalb des Werkzeugs bezif-fern zu können, hat die Bayer Material-Science AG, Leverkusen, für ein 20 mmdickes, quaderförmiges Bauteil aus Poly-carbonat (PC) thermische Simulationendurchgeführt (Bild 4). Dabei verglichen die

Einspritzen

Einspritzen

Überspritzen

Überspritzen Entformen

EntformenEinlegen

Zwischenkühlung außerhalb des Werkzeugs

Entformen

Zeit

UmsetzenEinspritzen

Einspritzen

Überspritzen

Überspritzen Entformen

EntformenEinlegen

Zwischenkühlung außerhalb des Werkzeugs

Entform

Zeit

Umsetzen

Z

T > Tg

T < Tg

Bild 3. Zeitliche Abfolge der Prozessschritte bei der konventionellen 3-Schicht-Sandwichtechnik(oben) und bei der Variante mit externer Zwischenkühlung (unten). Die Darstellung zeigt schema-tisch, wie sich aus der unterschiedlichen Temperatur bei der Entformung des Vorspritzlings (Tg:Glasübergangstemperatur) und der unterschiedlichen Schichtenaufteilung die Gesamtzykluszeitdeutlich verkürzt (Bild: Engel)

© Kunststoffe

Bild 4. Für den Verfahrensvergleich wurde ein quaderförmiges Polycarbonat-Bauteil (40 x 38 x20 mm) herangezogen (Bild: Bayer MaterialScience)

Page 5: Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt - engelglobal.com · Kunststoffe 9/2013 3 SPRITZGIESSEN keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2). Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt

5 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 9/2013

SPR I T ZG I E S S EN

Spezialisten ein 1-Schicht-Verfahren, ein3-Schicht-Sandwich-Verfahren und ein3-Schicht-Sandwich-Verfahren mit ex-terner Zwischenkühlung miteinander.Die Schichtdickenverteilung wurde je-weils an das Verfahren angepasst. Sobenötigen die 4 mm dicken Deckschich-ten beim 3-Schicht-Sandwich-Verfahrendie gleiche Kühlzeit wie der Vorspritzling

mit 12 mm Dicke. Bei der Variante mitexterner Zwischenkühlung wurde eineDicke von 12,8 mm für den Vorspritzlingangenommen, jene der Deckschichtenbetrug 3,6 mm. Bild 5 zeigt den zeitlichenVerlauf der höchsten im Bauteil auftre-tenden Temperatur. Während bei derEinschicht-Variante die höchste Tempe-ratur immer im Kern des Bauteils anzu-

treffen ist, ändert sich der Ort des Maxi-mums bei den beiden Mehrschicht-Ver-fahren.

Das Kriterium für die Berechnung derKühlzeit des fertigen Teils lautet: Alle Be-reiche des Bauteils müssen bis unter dieGlasübergangstemperatur von 150 °C ab-gekühlt sein. Bei der Variante mit exter-ner Zwischenkühlung wird der Vorspritz-ling schon zu einem Zeitpunkt entnom-men, an dem eine 2,4 mm dicke einge-frorene Randschicht ausgebildet ist, dieKerntemperatur aber noch 220 °C be-trägt. Auf diese Weise kann das neue Ver-fahren die Gesamt-Kühlzeit im Werkzeugnochmals fast halbieren. Da die Anzahlder erforderlichen Kavitäten gegenüberdem bekannten Sandwich-Verfahrengleich bleibt, steigt nun die Produktivitätum denselben Faktor, um den die Kühl-zeit sinkt.

Die schnelle Erstarrungsgeschwindig-keit von Polycarbonat begünstigt kurzeZykluszeiten. Berechnungen für Polyme-thylmethacrylat (PMMA) mit angepass-ten Masse- und Werkzeugtemperaturenergaben eine nahezu doppelt so lange Ge-samtkühlzeit von 314 s. Bild 6 stellt dieZykluszeiten und Produktivität der dreiVerfahren bei der Verarbeitung von Poly-carbonat einander gegenüber.

Rekordverdächtige Zykluszeit

Versuche und Simulationsrechnungenbelegen, dass sich bei der Herstellungdickwandiger Bauteile mit externer Zwi-schenkühlung die Kühlzeit im Werkzeug– je nach Geometrie des Bauteils – imVergleich zur herkömmlichenMehrschichttechnik um 25 bis 50 % re-duzieren lässt. Auf der K 2013 wird derSpritzgießmaschinenhersteller Engel ge-meinsam mit seinen ProjektpartnernBayer MaterialScience und der Krall-mann Gruppe das Potenzial dieses Ver-fahren erstmals live unter Beweis stellen:Gezeigt wird die Produktion einer opti-schen Linse aus PC (Typ: Makrolon LED2245) in einer rekordverdächtig kurzenZykluszeit.

LITERATUR1 Pillwein, G.: Maschinen- und Prozesstechnik zur

Herstellung optischer Bauteile. IKV-Seminar:Spritzgießen hochwertiger optischer Komponen-ten, Aachen 2008

2 Zöllner, O.: Kunststoffoptiken im Mehrschicht-spritzguss. Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg 2012

3 Klinkenberg, C.: Clear benefits of multi-layer.Injection World, Ausgabe Oktober 2012

Kühlzeit

300

250

200

150

°C

0

Tem

pera

tur

100 200 300 400 500 s 600

>210 °C190–210°C170–190°C150–170°C130–150°C110–130°C90–110°C70–90°C50–70°C

Kühlzeit

300

250

200

150

°C

0

Tem

pera

tur

100 200164 300 400 500 s 600

Kühlzeit

300

250

200

150

°C

0

Tem

pera

tur

100 200 300 400 500 s 600

Bild 5. Simulierter zeitlicher Verlauf des Temperaturmaximums im Bauteil für ein Einschichtverfah-ren (oben), ein 3-Schicht-Sandwich-Verfahren (Mitte) und das neue 3-Schicht-Sandwich-Verfahrenmit externer Zwischenkühlung (Massetemperatur: 280 °C, Werkzeugtemperatur Außenschichten undEinschichtvariante: 120 °C, Werkzeugtemperatur Innenschichten: 70 °C). Die Grafiken beinhaltenauch die Temperaturverteilung im Bauteilinneren nach 164 s (Bild: Bayer MaterialScience)

© Kunststoffe

100

75

50

25

0

400

300

200

100

0

%%

1 Schicht 3-Schicht-Sandwich

3-Schicht-Sandwich mit

Zwischenkühlung

Kühl

zeit

Prod

uktiv

ität

KühlzeitProduktivität

Bild 6. SimulierteKühlzeit pro Werk-zeugstation unddaraus errechneteProduktivität fürunterschiedlicheHerstellungsverfah-ren (Material: PC).Als Vergleichsbasis(100 %) dient das Ein-schicht-Bauteil (Bild:

Engel)

© Kunststoffe

Page 6: Dicke Nesthocker an die Luft gesetzt - engelglobal.com · Kunststoffe 9/2013 3 SPRITZGIESSEN keit der Schichtenanzahl darstellen (Bild 2). Bei der Literaturrecherche [1–3] zeigt

6 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 9/2013

SPR I T ZG I E S S EN

DIE AUTORENCHRISTIAN MAIER MSC., geb. 1983, ist Projekt-

leiter in der Abteilung Entwicklung Prozesstechnolo-gie der Engel Austria GmbH, Schwertberg/Österreich;[email protected]

DIPL.-ING. JOSEF GIEßAUF, geb. 1968, leitet die Abteilung Entwicklung Prozesstechnologie bei Engel; [email protected]

PROF. DR.-ING. GEORG STEINBICHLER, geb. 1955,ist Leiter Forschung und Entwicklung Technologienbei Engel und Vorstand des Instituts für Polymer-Spritzgießtechnik und Prozessautomatisierung an derJohannes Kepler Universität, Linz/Österreich;[email protected]

SUMMARYEFFICIENT PRODUCTION OFTHICK-WALLED PARTSINJECTION MOLDING OF THICK-WALLED LENSES. In-jection molding is demonstrating its versatility again inthe production of optical plastic parts such as LED lens-es for automotive headlights with tolerances in the mi-cron range. A development allows productivity for theproduction of thick-walled lenses to be increased evenfurther.

Read the complete article in our magazine Kunststoffe international and on www.kunststoffe-international.com

Welche Schichtfolge ist am sinnvollsten, wieviele Schichten sind erforderlich und welchesEinsparpotenzial ist zu erwarten? Diese Fragenlassen sich anhand einfacher Überlegungen be-antworten, die für das einseitige und beidseiti-ge Überspritzen, nicht jedoch für das Verbindenzweier Vorspritzlinge (Bild 1). gelten. Da dieWärmeabfuhr aus der Verbindungsschicht kom-plexeren Gesetzmäßigkeiten folgt, wird auf dieBetrachtung dieser Variante verzichtet.

Zunächst werden zwei Annahmen getroffen:Erstens kommen bekannte Werkzeugkonzepte(Indexplatte, Drehtisch, Schiebetisch) zur An-wendung. Im Idealfall wird gleichzeitig mit demÜberspritzen eines Vorspritzlings ein weitererVorspritzling hergestellt. Daraus folgt die ausdem Mehrkomponenten-Spritzgießen bekannteForderung, dass die Kühlzeiten aller Schichtengleich sein müssen.

Zweitens ist zu beachten, dass nur die zuersthergestellte Schicht an beiden Seiten gekühltwird (Schicht 1 in Bild 1). Die nachfolgendenSchichten haben nur an einer Seite Kontakt zurWerkzeugwand, während an die andere Seiteder Vorspritzling grenzt, der für eine vereinfach-te Betrachtung als idealer Isolator angesehenwird. Um nun in allen Stationen dieselbe Kühl-zeit zu erzielen, dürfen die folgenden einseitiggekühlten Schichten nur noch halb so dick seinwie die erste beidseitig gekühlte Schicht.

Aus der Annahme, dass die erste Schicht ei-nes aus n Schichten hergestellten Bauteils dop-pelt so dick ist wie alle folgenden, können dieSchichtdicken se der ersten Schicht und sf derfolgenden Schichten wie folgt angegeben wer-den, wobei sges die Gesamtdicke des Bauteilsbeschreibt:

(1)

(2)

Die Kühlzeit verhält sich proportional zum Qua-drat der Wanddicke. Für die Kühlzeit te(n) derbeidseitig gekühlten ersten Schicht, die derKühlzeit tf(n) aller weiteren einseitig gekühltenSchichten entspricht, gilt:

(3)

Beim einseitigen Überspritzen sind n Stationenim Werkzeug erforderlich, also so viele Statio-nen wie Schichten. Bei der Sandwich-Variante,bei der ähnlich wie in einem Etagenwerkzeugzwei hintereinander liegende Schichten gleich-zeitig hergestellt werden, sind nur (n+1)/2 Sta-tionen erforderlich, wobei die Anzahl derSchichten n in diesem Fall ungerade sein muss.

Das beidseitige Überspritzen liefert gegen-über dem einseitigen zunächst keine Kühlzeiter-sparnis, aber den „Etagen-Vorteil“, d.h. eineErsparnis an Aufspannfläche und Schließkraft.Die relative Kühlzeit pro Werkzeugstation, alsodie Kühlzeit im Vergleich zu der eines einschich-tigen Bauteils, beträgt:

(4)

Die Teileanzahl T(n) pro Zeit entspricht demKehrwert aus der Zeit pro Teil, also dem Kehr-wert der Zykluszeit. Anstelle der Zykluszeit wirdhier die Kühlzeit verwendet, was für sehr dick-

wandige Teile in erster Näherung zulässig ist.Somit erhält man aus dem Kehrwert der Glei-chung 4 die relative Teileanzahl:

(5)

Kühlzeit oder Teileanzahl allein sind jedoch nurbedingt geeignete Werte für einen Wirtschaft-lichkeitsvergleich. Diese Werte berücksichtigennämlich nicht, dass die Mehrschichtverfahreneine höhere Kavitätenzahl erfordern. Von höhe-ren Kavitätenzahlen darf man aber ohnehin eineErhöhung der Wirtschaftlichkeit erwarten. Hätteman beim Einschichtverfahren beispielsweisedie doppelte Kavitätenzahl zur Verfügung, wür-de sich die Anzahl der Teile pro Zeiteinheitebenfalls verdoppeln.

Daher wird zur weiteren Beurteilung die Pro-duktivität herangezogen. Sie ist definiert alsdas Verhältnis zwischen produzierten Teilen undden dafür notwendigen Produktionsfaktoren,das sind hier die Kavitäten. Um die relative Pro-duktivität der Mehrschichttechnik gegenüberdem Einschichtverfahren zu erhalten, muss nurnoch die Gleichung 5 durch die Anzahl der Ka-vitäten dividiert werden – also durch n bei ein-seitiger und durch (n+1)/2 bei beidseitiger Über-spritzung:

für einseitiges Überspritzen (6)

für beidseitiges Überspritzen (7)

21

)1()( +=n

PnP

2

211

)1()(

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +⋅=n

nPnP

2

21

)()1(

)1()(

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +

==n

ntt

TnT

2

12

)1()(

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

+=nt

nt

22

12)()(:)( gesfe sn

ntntnt ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

+∝==

gesf sn

ns ⋅+

=11)(

gese sn

ns ⋅+

=12)(

Zykluszeit und Produktivität – Überlegungen zum Schichtenaufbau!