die anbindung von bundeswehr- standorten an das eisenbahnnetz · the connection of federal armed...

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ANBINDUNG BUNDESWEHR-STANDORTE INFRASTRUKTUR & BAU www.eurailpress.de/etr ETR | Juni 2019 | NR. 6 49 Die Anbindung von Bundeswehr- Standorten an das Eisenbahnnetz Für Militärtransporte ist die Eisenbahn ein unverzichtbares Verkehrsmittel. Die Anbindung militärischer Standorte in Deutschland trägt dieser Wichtigkeit jedoch nur bedingt Rechnung. Der vorliegende Beitrag analysiert die Anschlussqualität und beleuchtet Herausforderungen beim Transport von Kettenfahrzeugen. Einleitung Fragen der Logistik sind für Streitkräfte von hoher Wichtigkeit. Der regelmäßige Trans- port schwerer Lasten, häufig unter Zeit- druck, weist der Eisenbahn dabei seit jeher eine Schlüsselrolle zu. [1] Insbesondere die Zeiten großer Truppenbewegungen sind auf der Schiene jedoch vorbei, Fragen der Materiallogistik stehen im Vordergrund. Beispielsweise besteht an Flughäfen die Notwendigkeit der Versorgung mit Be- triebsstoffen und Einsatzorte oder Übungs- plätze müssen mit Munition versorgt werden. Hier sind Eisenbahntransportleis- tungen relevant; dieser Beitrag befasst sich jedoch schwerpunktmäßig mit den Heraus- forderungen des Fahrzeugtransports. Nahezu jede Heeresformation ist heut- zutage motorisiert ausgelegt, verfügt also über Fahrzeuge, die ihre Beweglichkeit im Einsatz gewährleisten sollen. In Deutsch- land sind dies beispielsweise der Kampf- panzer „Leopard 2“ und der Transportpan- zer „GTK Boxer“. Hinzu kommen diverse Unterstützungsfahrzeuge, vom handels- üblichen Geländewagen bis zu speziellen Pionierfahrzeugen. Notwendigkeit der Eisenbahn Zwecks höherer Flexibilität und Wider- standsfähigkeit sind Panzer in der Regel als Kettenfahrzeuge ausgelegt. [2] Es ist unwahrscheinlich, dass sich dies, wie auch die enormen Ausmaße der Fahrzeuge, zu- künftig ändern wird, was u. a. an den militä- rischen Anforderungen (Mobilität, Schutz, Feuerkraft) und an den konstruktiven Gren- zen eines Fahrzeugs mit Radantrieb liegt. [3] Philipp Schneider, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Schienenfahr- wege und Bahnbetrieb der TU Berlin [email protected] Grundsätzlich wäre natürlich auch der Selbsttransport der Fahrzeuge „im Land- marsch“ zu ihrem Einsatzort möglich, im- merhin erreicht ein schwerer Kampfpanzer eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h. Dass dies aber kaum geschieht und stattdessen über große Distanzen entweder auf Eisen- bahn oder Tieflader zurückgegriffen wird, liegt im hohen Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge und in der Materialbelastung begründet. Letzteres gilt für die Straßen, deren Oberflächen gerade in Kurven durch das Lenkprinzip eines Kettenfahrzeugs (Dre- hung um die Fahrzeugmitte) stark angegrif- fen werden, der übermäßige Verschleiß be- trifft aber auch das Fahrzeug selbst. Bei der Bundeswehr wird für jede Trans- portleistung separat entschieden, welcher Verkehrsträger der zweckmäßigste und wirtschaftlichste ist. Für die Eisenbahn resultieren daraus ca. 200 primär inner- deutsche Transporte pro Jahr. Fragen der Logistik werden nicht etwa direkt in den jeweiligen Teilstreitkräften (z. B. dem Heer) entschieden, sondern sind in großen Teilen in die „Streitkräftebasis“ ausgegliedert. Die- ses Organisationsmodell ist international recht unüblich, hat sich aber anscheinend bewährt. [4] Logistisch-technische Rahmenbedingungen Betrachtet man Maße und Massen der Transportgüter sowie Tragfähigkeiten von Güterwagen und Infrastruktur fallen ten- denziell zwei Problemstellen auf: die Breite der schweren Panzer und ihre Masse. Län- ge und Höhe der Fahrzeuge stellen keine grundsätzlichen Probleme dar. Im Folgen- den wird der Leopard 2 als Referenzfahr- zeug zurate gezogen, zum einen wegen seiner Ausmaße, zum anderen aber auch wegen seiner hohen Verbreitung: Nach ei- nem gegenwärtig laufenden Modernisie- rungs- und Aufstockungsprogramm sollen zukünftig bis zu 304 dieser Kampfpanzer in Dienst sein. [5] Eine umfassende Analyse müsste jedoch auch die Vielfalt [6] an Fahr- zeugen von Bündnispartnern einschließen, da deren Transport im Krisenfall mindes- tens genauso wichtig ist. Mit einer Breite von 3760 mm überragt ein Leopard 2 die in Deutschland und den meisten anderen europäischen Staaten gültige Fahrzeugumgrenzungslinie in der Horizontalen deutlich. Diese lässt von der Gleismitte 1760 mm zu, was sich aus dem eigentlichen Lademaß sowie Zuschlägen für Bögen und Unregelmäßigkeiten zu- sammensetzt. Unter der Annahme eines Gleisabstandes von 4 m, wie er bei den meisten Strecken üblich ist, ergibt sich daraus eine Lademaßüberschreitung (Lü) Berta, bei geringeren Gleisabständen und Engstellen gegebenenfalls auch Lü Cäsar (siehe Bild 1). Die Folge sind betriebliche Einschränkungen in Form von partiellen Begegnungsverboten. [7] Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für TU Berlin / Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten genehmigt von DVV Media Group, 2019

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    www.eurailpress.de/etr ETR | Juni 2019 | NR. 6 49

    Die Anbindung von Bundeswehr- Standorten an das Eisenbahnnetz

    Für Militärtransporte ist die Eisenbahn ein unverzichtbares Verkehrsmittel.

    Die Anbindung militärischer Standorte in Deutschland trägt dieser Wichtigkeit

    jedoch nur bedingt Rechnung. Der vorliegende Beitrag analysiert die

    Anschlussqualität und beleuchtet Herausforderungen beim

    Transport von Kettenfahrzeugen.

    Einleitung

    Fragen der Logistik sind für Streitkräfte von hoher Wichtigkeit. Der regelmäßige Trans-port schwerer Lasten, häufig unter Zeit-druck, weist der Eisenbahn dabei seit jeher eine Schlüsselrolle zu. [1] Insbesondere die Zeiten großer Truppenbewegungen sind auf der Schiene jedoch vorbei, Fragen der Materiallogistik stehen im Vordergrund. Beispielsweise besteht an Flughäfen die Notwendigkeit der Versorgung mit Be-triebsstoffen und Einsatzorte oder Übungs-plätze müssen mit Munition versorgt werden. Hier sind Eisenbahntransportleis-tungen relevant; dieser Beitrag befasst sich jedoch schwerpunktmäßig mit den Heraus-forderungen des Fahrzeugtransports.

    Nahezu jede Heeresformation ist heut-zutage motorisiert ausgelegt, verfügt also über Fahrzeuge, die ihre Beweglichkeit im Einsatz gewährleisten sollen. In Deutsch-land sind dies beispielsweise der Kampf-panzer „Leopard 2“ und der Transportpan-zer „GTK Boxer“. Hinzu kommen diverse Unterstützungsfahrzeuge, vom handels-üblichen Geländewagen bis zu speziellen Pionierfahrzeugen.

    Notwendigkeit der Eisenbahn

    Zwecks höherer Flexibilität und Wider-standsfähigkeit sind Panzer in der Regel als Kettenfahrzeuge ausgelegt. [2] Es ist unwahrscheinlich, dass sich dies, wie auch die enormen Ausmaße der Fahrzeuge, zu-künftig ändern wird, was u. a. an den militä-rischen Anforderungen (Mobilität, Schutz, Feuerkraft) und an den konstruktiven Gren-zen eines Fahrzeugs mit Radantrieb liegt. [3]

    Philipp Schneider, M.Sc.Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb der TU [email protected]

    Grundsätzlich wäre natürlich auch der Selbsttransport der Fahrzeuge „im Land-marsch“ zu ihrem Einsatzort möglich, im-merhin erreicht ein schwerer Kampfpanzer eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h. Dass dies aber kaum geschieht und stattdessen über große Distanzen entweder auf Eisen-bahn oder Tieflader zurückgegriffen wird, liegt im hohen Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge und in der Materialbelastung begründet. Letzteres gilt für die Straßen, deren Oberflächen gerade in Kurven durch das Lenkprinzip eines Kettenfahrzeugs (Dre-hung um die Fahrzeugmitte) stark angegrif-fen werden, der übermäßige Verschleiß be-trifft aber auch das Fahrzeug selbst.

    Bei der Bundeswehr wird für jede Trans-portleistung separat entschieden, welcher Verkehrsträger der zweckmäßigste und wirtschaftlichste ist. Für die Eisenbahn resultieren daraus ca. 200 primär inner-deutsche Transporte pro Jahr. Fragen der Logistik werden nicht etwa direkt in den jeweiligen Teilstreitkräften (z. B. dem Heer) entschieden, sondern sind in großen Teilen in die „Streitkräftebasis“ ausgegliedert. Die-ses Organisationsmodell ist international recht unüblich, hat sich aber anscheinend bewährt. [4]

    Logistisch-technische Rahmenbedingungen

    Betrachtet man Maße und Massen der Transportgüter sowie Tragfähigkeiten von Güterwagen und Infrastruktur fallen ten-denziell zwei Problemstellen auf: die Breite der schweren Panzer und ihre Masse. Län-ge und Höhe der Fahrzeuge stellen keine grundsätzlichen Probleme dar. Im Folgen-

    den wird der Leopard 2 als Referenzfahr-zeug zurate gezogen, zum einen wegen seiner Ausmaße, zum anderen aber auch wegen seiner hohen Verbreitung: Nach ei-nem gegenwärtig laufenden Modernisie-rungs- und Aufstockungsprogramm sollen zukünftig bis zu 304 dieser Kampfpanzer in Dienst sein. [5] Eine umfassende Analyse müsste jedoch auch die Vielfalt [6] an Fahr-zeugen von Bündnispartnern einschließen, da deren Transport im Krisenfall mindes-tens genauso wichtig ist.

    Mit einer Breite von 3760 mm überragt ein Leopard 2 die in Deutschland und den meisten anderen europäischen Staaten gültige Fahrzeugumgrenzungslinie in der Horizontalen deutlich. Diese lässt von der Gleismitte 1760 mm zu, was sich aus dem eigentlichen Lademaß sowie Zuschlägen für Bögen und Unregelmäßigkeiten zu-sammensetzt. Unter der Annahme eines Gleisabstandes von 4 m, wie er bei den meisten Strecken üblich ist, ergibt sich daraus eine Lademaßüberschreitung (Lü) Berta, bei geringeren Gleisabständen und Engstellen gegebenenfalls auch Lü Cäsar (siehe Bild 1). Die Folge sind betriebliche Einschränkungen in Form von partiellen Begegnungsverboten. [7]

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    Die Masse eines Leopard 2 beträgt ca. 60 t, abhängig von der jeweiligen Aus-stattungsvariante auch mehr. Die Trag-fähigkeit der Infrastruktur kann aus der Streckenklasse abgelesen werden, die wie-derum auf den Kriterien Achslast (Belast-barkeit des Oberbaus; Anteil der Fahrzeug-gesamtmasse, der vom Fahrzeug über eine

    Achse auf den Fahrweg aufgebracht wird) und Meterlast (Belastbarkeit von Brücken; Gesamtgewicht geteilt durch Fahrzeuglän-ge) beruht. Die meisten Hauptbahnen in Deutschland verfügen über die Strecken-klasse D4, was eine Achslast von 22,5 t und eine Meterlast von 8 t/m impliziert. [8] Unter der Annahme des Einsatzes von Gü-

    terwagen der Bauart Samms oder Rlmmps (6- bzw. 4-achsig) [9] ergibt sich mithin auf den meisten Strecken kein Konflikt. Dieser kann nur bei niedrigeren Streckenklassen und/oder 2-achsigen Güterwagen auf-treten.

    Wenn möglich, wird die Bundeswehr dabei auf eigene Wagen zurückgreifen, von denen sie etwa 280 vorhält. [10] Es handelt sich überwiegend um Wagen der Bauart Rlmmps, deren maximale Zuladung ca. 60 t beträgt, was die Masse des Leopard 2 schon weitgehend ausreizt bzw. nicht jede Ausstattungsvariante und auch nicht die neueste Version „A7V“ zulässt. Eine Alter-native sind Wagen der Bauart Samms, die deutlich höhere Lasten tragen.

    Einige weitere Flachwagentypen sind für den Transport von (Ketten-)Fahrzeugen ebenfalls geeignet; insgesamt sind die Ka-pazitäten aber natürlich beschränkt, auch weil seit Ende des Kalten Krieges und der Bahnreform viele Wagen ausgemustert wurden. [11] Wichtig ist beim Wagenein-satz eine durchgängige Befahrbarkeit der Ladefläche.

    Infrastrukturseitig bedarf es für die Verladung von Fahrzeugen auf Flachwa-gen passender Zugangsstellen. Befestigte, tragfähige Flächen neben den Gleisen (La-destraßen) machen diese zugänglich und bieten Aufstellflächen. Über Laderampen, idealerweise als Kopframpe, können Fahr-zeuge höhengleich auf die Wagen umge-schlagen werden. [12] Solche Zugangsstel-len gehörten früher zur Grundausstattung vieler – auch kleiner – Bahnhöfe, werden heute aber durch sich wandelnde struktu-relle Rahmenbedingungen im Güterver-kehr seltener vorgehalten. Mit mobilen Kopframpen können Be- und Entladung aber auch andernorts durchgeführt wer-den (siehe Bild 2). Wechselhaft sind auch die schienenseitigen Anbindungen von Ka-sernen, wie später gezeigt wird.

    Sicherheitspolitische Herausforderungen

    Bundeswehr wie auch NATO und EU als Bündnissysteme finden sich heute in einer anderen Rolle wieder als vor 10 oder 20 Jah-ren. Nach dem „Einstreichen der Friedensdi-vidende“ in Form allgemeiner Abrüstung in den 1990er Jahren und dem Umbau der Bun-deswehr zu einer Armee für Auslandseinsät-ze, speziell in den 2000er Jahren [13], wurde diese Entwicklung insbesondere durch das Verhalten Russlands in Georgien, der Ostuk-raine und auf der Krim partiell konterkariert. [14] Ein Resultat dieser Entwicklung sind ro-

    1: UICLademaß GA (grau) mit Leopard 2 (grün) und SammsGüterwagen (blau) im Querschnitt (Maße in mm; vereinfachte Darstellung) Quelle: Autor

    2: (Beinahe entglittene) Verladung eines Leopard 2 in Veitshöchheim

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    tierende NATO-Verbände im Baltikum („En-hanced Forward Presence“). [15]

    Um ihren Verpflichtungen im Falle ei-ner Krise nachkommen zu können, sind Armeen auf funktionierende Verkehrswe-ge angewiesen. Zwar können insbesonde-re auf dem Luftweg kurzfristig Verbände in das potentielle Einsatzgebiet gebracht werden; schweres Gerät und die Versor-gung mit Betriebsstoffen und Nachschub ist allerdings im erforderlichen Umfang nur auf dem Landweg möglich. [16] Interopera-bilitätsprobleme im Eisenbahnbereich sind dabei bekannt und oft dokumentiert. [17]

    Generell ergibt sich bei militärischen Ei-senbahntransporten eine rechtliche Lücke: Während im Krisenfall über entsprechende rechtliche Klauseln unkompliziert Trans-portkapazitäten herangezogen werden und im Regelfall Transporte weit im Voraus geplant werden können, erscheinen Span-nungssituationen nur unflexibel handhab-bar. [1] Zuletzt hat die Bundeswehr mit DB Cargo einen Rahmenvertrag für Trans-portdienstleistungen über zwei Jahre mit Verlängerungsoptionen abgeschlossen, der verschiedene Anforderungsszenarien abdecken soll. [10]

    Standorte der Bundeswehr

    Dass die Eisenbahn insgesamt strategisch wieder eine größere Rolle spielen könn-te, ist angesichts der Wieder-Betonung klassischer Landesverteidigung als sicher-heitspolitischer Maxime [18] und der Auf-stockung der Streitkräfte eine plausible An-nahme. Diese Aufstockung hat allerdings die Vorgeschichte einer starken Schrump-fung seit Ende des Kalten Krieges. Noch 2011 wurde im Rahmen eines Stationie-rungskonzeptes die Schließung oder Redu-zierung zahlreicher Standorte bekanntge-geben. [19]

    In welcher Qualität die verbliebenen Standorte an das öffentliche Eisenbahn-netz angebunden sind, soll im Folgenden näher betrachtet werden. Diese Betrach-tung wird auf den Bereich des Heeres und hier auf Verbände mit schwerem Gerät eingegrenzt, bei denen also ein hoher Be-darf an Transportkapazitäten besteht. Dies trifft für Panzer-, Panzergrenadier- und Jä-gerbataillone ebenso zu wie für Material-lager, dies gilt jedoch beispielsweise nicht für Einheiten der „Division Schnelle Kräfte“. Ebenfalls in die Betrachtung einbezogen werden einige Standorte verbündeter Streitkräfte. Bei der Analyse musste auf öf-fentlich zugängliche Quellen zurückgegrif-

    fen werden, was naturgemäß zu Unschär-fen führen dürfte.

    Insgesamt verbleiben somit 45 Stand-orte in der Analyse, wovon 42 zur Bun-deswehr gehören sowie drei den ameri-kanischen (Mannheim, Grafenwöhr) bzw. britischen (Sennelager) Streitkräften (siehe Bild 3). Die Bundeswehrkasernen befinden sich verteilt über das ganze Land, wenn-gleich diese Verteilung recht heterogen ist: Während Brandenburg gar keinen Standort aufzuweisen hat, befinden sich gleich 15 in Bayern, wobei die Größe der einzelnen Standorte variiert. Partiell werden auch 10 Standorte in die Untersuchung einbe-zogen, die im Rahmen des Stationierungs-konzeptes ab 2011 geschlossen bzw. deren relevante Verbände aufgelöst/verlegt wur-den; Beispiele hierfür sind die Graf-Stauf-fenberg-Kaserne in Sigmaringen und die Schill-Kaserne in Lütjenburg. [20]

    Zehn der aktiven Standorte verfügen über einen eigenen Gleisanschluss, wei-

    tere 19 liegen in unmittelbarer Nähe (bis zu 3 km) einer Verladestelle. Von den ge-schlossenen Einrichtungen verfügte keiner über einen eigenen Gleisanschluss (siehe Bild 4).

    Im Mittel sind die aktiven Standorte ca. 5,4 km vom nächsten Gleisanschluss entfernt, wobei einzelne Ausreißer diesen Wert nach oben treiben – der Median liegt bei 3 km. Bei den geschlossenen Standor-ten waren die Werte gemittelt leicht höher.

    Betrachtet man die strategische Netz-anbindung am jeweiligen Verladebahnhof, zeigt sich, dass die Mehrzahl der Standorte nur an eine Strecke angebunden ist. Darun-ter fallen auch zehn Standorte, die an eine Stichstrecke angebunden sind, wo also nur eine Abfuhrrichtung existiert. 18 Standorte liegen an Netzknoten mit mindestens zwei Strecken (siehe Bild 5).

    Dabei muss die Bundeswehr mit ver-schiedenen Eisenbahninfrastrukturun-ternehmen (EIU) zusammenarbeiten. Ob-

    3: Untersuchte Standorte und ihre Verlademöglichkeiten Quelle: Autor

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    Summary

    The connection of Federal Armed Forces locations to the railway system

    The railway as a transport mode for armed forces plays an important role as its mass capacity, especially the transport of track vehicles, is hardly to replace in emergency situations. So, it is therefore all the more important to quickly perform shipments and ideally on own property: while some German locations have recourse to their own sidings, elsewhere long distances have to be covered.

    gleich die meisten Strecken der DB Netz AG (bzw. einer anderen DB-Tochter) gehören, gibt es immerhin sechs andere EIU, die re-levante Strecken betreiben.

    Vor dem Hintergrund der EU-Strategie der „Military Mobility“ ist auch die Anbin-dung an das Transeuropäische Netzwerk (TEN) interessant. Es zeigt sich, dass nur 15 von 45 Standorten unmittelbaren Zugang zu TEN-Strecken haben, die perspektivisch die Interoperabilität in Europa verbessern sollen.

    Eine relativ hohe Zahl an Anbindungen ist nur eingleisig und nicht elektrifiziert (jeweils 64 %). Beide Werte sind höher, als man es vor dem Hintergrund der Statistik der DB AG [21] erwarten würde. Dass viele der Kasernen aber in relativ schlecht ange-schlossenen Regionen liegen und/oder die Strecken von kleinen EIU betrieben wer-den, macht diesen Sachverhalt nachvoll-ziehbar.

    Auch die Streckenklasse D4 wird an re-lativ wenigen Anschlussstrecken, nämlich 30 von 45, erreicht. Öfter tauchen auch die Streckenklassen CE und CM4 auf, auch je einmal an Orten, die gegenwärtig zur Verladung von Panzerverbänden benutzt werden (Sennelager bzw. Sondershausen). Diese Streckenstandards erzwingen für den Leopard 2 unter Umständen die Ver-wendung von Schwerlast-Flachwagen der Bauart Samms. Je einmal wurden die Stre-ckenklassen C2 und A vorgefunden.

    Analyse und Fazit

    Idealerweise verfügt ein Militärstützpunkt über einen Gleisanschluss – insbesondere, wenn er, wie die hier untersuchten, von motorisierten Verbänden genutzt wird. Ein eigener Gleisanschluss ermöglicht eine schnelle Verlegung und erhöht so die Mo-

    bilität. Auch macht man sich so unabhän-gig vom öffentlichen Straßenraum und verfügt über ein höheres Maß an Sicherheit beim Verladeprozess, sowohl nach innen (besserer Arbeitsschutz bspw. durch nächt-liche Beleuchtung) als auch nach außen (höheres Maß an Diskretion und Möglich-keit der Absicherung).

    Die ideale Anbindung verfügt ferner über ein hohes Maß an Resilienz im Netz, d.h. zweigleisige Strecken und mehrere Ab-fuhrrichtungen, so dass sich Ausfälle ein-zelner Kanten weniger stark auswirken. [22] Tatsächlich sind relativ viele der aktiven Standorte bzw. ihre präferierten Verlade-bahnhöfe ungünstig in das Netz eingebun-den. Diese Problematik gilt im Falle eines kaserneneigenen Anschlusses auch für das Anschlussgleis selbst: Ausweichstandorte sollten angesichts der Anfälligkeit einzel-ner Kanten und Knoten in der Planung stets Berücksichtigung finden.

    Unter Interoperabilitätsgesichtspunk-ten sollten Standorte an eine TEN-Strecke angebunden sein und über Streckenklas-se D4 verfügen. Auch eine Elektrifizierung ist hier von Vorteil, wenngleich diese den Betrieb auch anfälliger machen kann.

    Von diesem Anforderungsprofil sind viele Standorte relativ weit entfernt. Ins-besondere die geringe Zahl eigener Gleis-anschlüsse ist nachteilig: Durchschnittlich sind 5,4 km „im Landmarsch“ zurückzule-gen, bevor mit der Bahnverladung begon-nen werden kann. Bei sieben Standorten sind es sogar über 10 km. Zwar kann die ganze Geschichte geschlossener Standorte hier nicht rekonstruiert werden, es deutet sich allerdings an, dass der Aspekt kurzer Wege zum Eisenbahnnetz beim Stationie-rungskonzept 2011 zumindest teilweise Berücksichtigung fand, die Problematik unzureichender Bahn-Anschlüsse mithin einen älteren Ursprung hat.

    4: Distanz zur nächstgelegenen Verlademöglichkeit je Standort 5: Anzahl Abfuhrrichtungen je Standort

    Angesichts des Versuches, hier über Statistiken Verallgemeinerungen zu treffen, ist aber auch Vorsicht geboten: Letztend-lich würde jeder der betrachteten Stand-orte eine eigene Fallstudie verdienen, die sich mit Fragen der straßenseitigen Anbin-dung, der heute und potentiell zukünftig stationierten Einheiten, der Einbindung ins Netz, nahegelegenen Knotenbahnhö-fen und vielem mehr beschäftigen müsste. Exemplarisch dafür steht die gegenwärtig schlecht angebundene Kyffhäuser-Kaserne in Bad Frankenhausen, deren Anbindung sich künftig aber – auf Bundeswehrkosten – verbessern soll. [23]

    Verallgemeinernd kann vielleicht das Ziel eines möglichst hohen Maßes an Resi-lienz formuliert werden: Im Falle einer Krise muss ein Verkehrsträger möglichst schnell, unkompliziert und robust Transportkapazi-täten bereitstellen können.

    Die Eisenbahn muss für diese Aufgabe vorbereitet werden, was auf europäischer Ebene mit dem „Action Plan on Military Mobility“ auch Anerkennung zu finden scheint. H

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    www.eurailpress.de/etr ETR | Juni 2019 | NR. 6 53

    Literatur

    [1] Schneider, Philipp; Beck, Christian: Ein (fast) normaler Kunde. ETR – Eisenbahntechnische Rundschau, 01 02/2018, S. 35 f.[2] Hornback, Paul: The Wheel Versus Track Dilemma. Armor, 03/042018, S. 34.[3] Hilmes, Rolf: Zur Zukunft des Kampfpanzers. Vortrag im Deutschen Panzermuseum Munster, 2018. https://www.youtube.com/watch?v=sT7XR7X2MRM [03.01.2019].[4] Lange, Philipp: Neues NATOKommando in Deutschland – Die Streitkräftebasis als Vorbild? Arbeitspapier Sicherheitspolitik, Nr. 10/2018. https://www.baks.bund.de/sites/baks010/files/arbeitspapier_sicherheitspolitik_2018_10.pdf [03.01.2019].[5] Lobitz, Frank: Der Kampfpanzer Leopard 2 A7V. Europäische Sicherheit & Technik, 07/2017, S. 68.[6] Munich Security Conference (Hrsg.): Munich Security Report 2017. http://report2017.securityconference.de/ [03.01.2019], S. 21.[7] Jelitto, Marcell: Außergewöhnlich unterwegs. Deine Bahn 1/2014, S. 41 f.[8] Janicki, Jürgen: Systemwissen Eisenbahn. Berlin 2011, S. 192.[9] Carstens, Stefan et al.: Güterwagen. Fürstenfeldbruck 2013, S. 294 bzw. 237.[10] RailBusiness 5152/2018, S. 2: DB Cargo bekommt Bundeswehrvertrag.

    [11] Fischer, Roland; Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Eisenbahnverkehr 2003. Wirtschaft und Statistik 5/2004. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/Verkehr/Eisenbahnverkehr2003_52004.pdf?__blob=publicationFile [18.01.2019], S. 547.[12] Berndt, Thomas: Eisenbahngüterverkehr. Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden 2001, S. 94.[13] Fleckenstein, Bernhard: 50 Jahre Bundeswehr. Aus Politik und Zeitgeschichte 21/2005, S. 13 f.[14] Sokolsky, Richard: The New NATORussia Military Balance: Implications for European Security. https://carnegieendowment.org/files/3817_Richard_Sokolsky_Russia_Military_Balance.pdf [23.04.2019].[15] Bundeswehr (Hrsg.): Fragen und Antworten zur Enhanced Forward Presence. http://www.bundeswehr.de/portal/poc/bwde?uri=ci:bw.bwde.aktuelles.aus_der_truppe&de.conet.contentintegrator.portlet.current.id=01DB170000000001|AJCF22225DIBR [03.01.2019][16] Shurkin, Michael: The Abilities of the British, French and German Armies to Generate and Sustain Armored Brigades in the Baltics. Report for RAND Corporation. https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/research_reports/RR1600/RR1629/RAND_RR1629.pdf [03.01.2019], S. 3.[17] Jänsch, Eberhard: Interoperabilität des Transeuropäischen Bahnsystems. In: Handbuch – Das System Bahn. Hamburg 2016. S. 635 – 658.

    [18] Bundesministerium der Verteidigung: Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin 2016, S. 138.[19] Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Bundeswehr soll weiter wachsen. https://www.bmvg.de/de/aktuelles/bundeswehrsollweiterwachsen29414 [03.01.2019].[20] Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Die Stationierung der Bundeswehr in Deutschland. Berlin 2011, S. 17.[21] DB AG (Hrsg.): Infrastrukturzustands und entwicklungsbericht 2017. Berlin 2018. https://www.eba.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Finanzierung/IZB/IZB_2017.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [18.01.2019].[22] In diese Richtung ging auch die strategische Netzplanung der DDR, gut illustriert in: Bley, Peter: DDRReichsbahn und „Vorbereitung“. Berlin 2017.[23] RailBusiness 19/2018, S. 5: Kyffhäuserbahn: Sanierung wegen Panzerverladung.

    Für Ihre Werbeplanung – die kommenden Ausgaben im Überblick

    • Bahnprojekte international: China, Schweden, Österreich, Mexiko

    • Luftwiderstand und Energieverbrauch

    • Innovativer Güterwagen• Nachbericht transport logistic

    Tim Feindt • 040/23 714-220 • [email protected]

    THEMEN

    7+8/20199/2019

    Erscheinungstermin: 06.09.2019Anzeigenschluss: 08.08.2019 Druckunterlagenschluss: 14.08.2019

    Erscheinungstermin: 07.08.2019Anzeigenschluss: 10.07.2019 Druckunterlagenschluss: 17.07.2019

    • Digitalisierung im Schienenverkehr

    • IT-Projekte• Erheben von Daten und

    Auswerten• Automatisiertes Fahren• Bautechnik• Oberbauforschung• Mit ETR-Austria 3/2019

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