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Umwelt Die Auslegung der Definitionen der in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projektkategorien

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Umwelt

Die Auslegung der Definitionen der in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projektkategorien

Schutzvermerk: Diese Leitlinien begründen für die Mitgliedstaaten oder

Projektträger keinerlei Verpflichtung. Die endgültige Auslegung des Unionsrechts

obliegt allein dem Gerichtshof der Europäischen Union.

Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG ......................................................................................................... 5

2 VORGEHENSWEISE BEI DER AUSLEGUNG DER IN DEN

ANHÄNGEN I UND II DER UVP-RICHTLINIE AUFGEFÜHRTEN

PROJEKTKATEGORIEN ............................................................................................ 8

2.1 Verfügbare Informationsquellen ............................................................................... 8

2.2 Der Begriff „Projekt“ ................................................................................................. 9

2.3 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgeleitete Grundsätze ......................... 11

2.4 Screening ................................................................................................................ 13

2.5 Das Verhältnis zwischen UVP-und SUP-Richtlinie.................................................... 17

2.6 Das Verhältnis zwischen UVP-und IE-Richtlinie ....................................................... 18

3 DIE EINZELNEN PROJEKTKATEGORIEN ...................................................19

3.1 Einleitung................................................................................................................ 19

3.2 Projekte des Anhangs I gemäß Artikel 4 Absatz 1 der UVP-Richtlinie ...................... 20

Anhang I Nummer 1: ............................................................................................................. 20

Anhang I Nummer 2 .............................................................................................................. 20

Anhang I Nummer 3 .............................................................................................................. 21

Anhang I Nummer 4 .............................................................................................................. 22

Anhang I Nummer 5 .............................................................................................................. 22

Anhang I Nummer 6 .............................................................................................................. 23

Anhang I Nummer 7 .............................................................................................................. 26

Anhang I Nummer 8 .............................................................................................................. 29

Anhang I Nummer 9 .............................................................................................................. 30

Anhang I Nummer 10 ............................................................................................................ 32

Anhang I Nummer 11 ............................................................................................................ 33

Anhang I Nummer 12 ............................................................................................................ 33

Anhang I Nummer 13 ............................................................................................................ 34

Anhang I Nummer 14 ............................................................................................................ 34

Anhang I Nummer 14 ............................................................................................................ 34

Anhang I Nummer 15 ............................................................................................................ 35

Anhang I Nummer 16 ............................................................................................................ 35

Anhang I Nummer 17 ............................................................................................................ 35

Anhang I Nummer 18 ............................................................................................................ 37

4

Anhang I Nummer 19 ............................................................................................................ 37

Anhang I Nummer 20 ............................................................................................................ 37

Anhang I Nummer 21 ............................................................................................................ 39

Anhang I Nummer 22 ............................................................................................................ 39

Anhang I Nummer 23 ............................................................................................................ 39

Anhang I Nummer 24 ............................................................................................................ 39

3.3 Projekte des Anhangs II gemäß Artikel 4 Absatz 2 der UVP-Richtlinie ..................... 42

Anhang II Nummer 1 Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischzucht ................................. 42

Anhang II Nummer 2 Bergbau ............................................................................................... 48

Anhang II Nummer 3 Energiewirtschaft ................................................................................ 49

Anhang II Nummer 4 Herstellung und Verarbeitung von Metallen ...................................... 51

Anhang II Nummer 5 Mineralverarbeitende Industrie ......................................................... 52

Anhang II Nummer 6 Chemische Industrie (nicht durch Anhang I erfasste Projekte) .......... 53

Anhang II Nummer 7 Nahrungs- und Genussmittelindustrie ................................................ 54

Anhang II Nummer 8 Textil-, Leder-, Holz- und Papierindustrie ........................................... 55

Anhang II Nummer 9 Verarbeitung von Gummi ................................................................... 55

Anhang II Nummer 10 Infrastrukturprojekte ........................................................................ 55

Anhang II Nummer 11 Sonstige Projekte .............................................................................. 61

Anhang II Nummer 12 Fremdenverkehr und Freizeit ........................................................... 62

Anhang II Nummer 13 ........................................................................................................... 64

4 VERZEICHNIS DER RECHTSSACHEN ..........................................................68

5

1 Einleitung

Die Richtlinie 2011/92/EU1 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten

öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) soll sicherstellen, dass Projekte,

bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor der

Genehmigung einer angemessenen Prüfung unterzogen werden. Vor jeder

Entscheidung über die Durchführung eines solchen Projekts müssen die möglichen

Auswirkungen, die es bau- oder betriebsbedingt auf die Umwelt haben kann,

ermittelt und bewertet werden. Die Richtlinie stellt außerdem sicher, dass die

Umweltbehörden und die Öffentlichkeit an umweltbezogenen

Entscheidungsverfahren beteiligt werden. Insbesondere muss Mitgliedern der

betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden, zu einem Vorschlag

Stellung zu nehmen, wenn alle Optionen noch offen stehen, das heißt, bevor die

zuständige Behörde endgültig über einen Genehmigungsantrag entscheidet. Bei der

Genehmigung eines Projekts ist die zuständige Behörde verpflichtet, die Ergebnisse

der Konsultationen zu berücksichtigen und die Öffentlichkeit insbesondere über die

Maßnahmen zu unterrichten, mit denen Auswirkungen auf die Umwelt vermieden,

verringert oder ausgeglichen werden sollen. Die Öffentlichkeit muss über die

Genehmigungsentscheidung informiert werden und kann diese gerichtlich anfechten.

Im Jahr 2014 wurde die UVP-Richtlinie geändert.2 Die Änderungen sollen einen

besseren Schutz der Umwelt bewirken und zugleich – im Einklang mit den

Bestrebungen der Europäischen Kommission um eine intelligentere Regulierung –

den aus den Rechtsvorschriften der EU resultierenden Verwaltungsaufwand

verringern; die in den Anhängen I und II der Richtlinie aufgeführten Projektkategorien

bleiben davon unberührt. Die für den vorliegenden Leitfaden relevanten Änderungen

werden hierin erläutert. Der Leitfaden kann die Mitgliedstaaten somit dabei

unterstützen, die geänderte Richtlinie wie vorgeschrieben bis zum 16. Mai 2017 in

nationales Recht umzusetzen.

In den Anhängen I und II der Richtlinie sind die in ihren Anwendungsbereich

fallenden Projekte aufgeführt. Bei den Projekten des Anhangs I handelt es sich um

solche, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben und die grundsätzlich

einer systematischen Prüfung unterzogen werden sollten (Artikel 4 Absatz 1 der UVP-

Richtlinie). Die Projekte des Anhangs II haben nicht unter allen Umständen

zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt; sie sollten einer Prüfung

1 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die

Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.1.2012, S. 1. 2 Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, ABl. L 124 vom

25.4.2014, S. 1.

6

unterzogen werden, wenn sie nach Auffassung der Mitgliedstaaten möglicherweise

erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben (Artikel 4 Absatz 2 der UVP-

Richtlinie). Nach Artikel 4 Absatz 2 der UVP-Richtlinie kann die Feststellung der

voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen anhand einer

Einzelfalluntersuchung, durch die Festlegung von Schwellenwerten oder Kriterien

oder durch eine Kombination dieser beiden Methoden erfolgen, wobei die in

Anhang III der Richtlinie genannten Auswahlkriterien zu berücksichtigen sind. Die

Mitgliedstaaten haben einen gewissen Ermessensspielraum bei der Festlegung

bestimmter Projektarten, die einer Prüfung zu unterziehen sind, bzw. bei der

Festlegung der anzuwendenden Kriterien und/oder Schwellenwerte. Dieser

Spielraum wird jedoch durch Artikel 2 Absatz 1 der UVP-Richtlinie begrenzt, der

festlegt, dass Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder

ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer

Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen sind.3

Der Begriff „Projekt“ ist in Artikel 1 der UVP-Richtlinie definiert. Jedoch enthält die

UVP-Richtlinie von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen keine Begriffsbestimmungen

oder sonstige Beschreibungen der in den Anhängen I und II aufgeführten

Projektkategorien.4 Auf bestimmte Begriffsbestimmungen, die in anderen EU-

Richtlinien oder in internationalen Übereinkommen enthalten sind, wird in den

Anhängen der UVP-Richtlinie ausdrücklich verwiesen; sie werden in Abschnitt 3

dieses Leitfadens unter den entsprechenden Projektkategorien behandelt. Die bei

der Anwendung der UVP-Richtlinie gesammelte Erfahrung zeigt, dass es in der Praxis

schwierig sein kann, zu entscheiden, ob einzelne Projekte in ihren

Anwendungsbereich fallen. Auf diese Problematik wurde in den 20035 und 20096

veröffentlichten Berichten der Kommission über die Anwendung und Wirksamkeit

der UVP-Richtlinie eingegangen.

Der vorliegende Leitfaden soll dazu beitragen, die Unsicherheiten in Bezug auf die

Auslegung und den Anwendungsbereich bestimmter in der UVP-Richtlinie

aufgeführter Projektkategorien auszuräumen. Zu diesem Zweck wird auf nützliche

Informationsquellen, insbesondere Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union

(Gerichtshof), von den Mitgliedstaaten angewandte Schwellenwerte und Kriterien, in

3 Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, Randnr. 50; C-2/07, Abraham und andere, Randnr. 37; C-

75/08, Mellor, Randnr. 50; C-427/07, Kommission/Irland, Randnr. 41. 4 Zu den Ausnahmen gehören Flughäfen (Anhang I Nummer 7 Buchstabe a) und Schnellstraßen

(Anhang I Nummer 7 Buchstabe b). 5 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung und den

Nutzeffekt der UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG, in der Fassung der Richtlinie 97/11/EG) – Die Erfolge der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der UVP-Richtlinie, KOM(2003) 334 endgültig, 23.06.2003 [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1422441617501&uri=CELEX:52003DC0334]. 6 Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und

Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Anwendung und Wirksamkeit der UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung der Richtlinien 97/11/EG und 2003/35/EG), KOM(2009) 378 endgültig, 23.7.2009, [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52009DC0378].

7

anderen Richtlinien enthaltene Begriffsbestimmungen sowie relevante Leitfäden,

verwiesen. Das vorliegende Dokument bezieht sich auf alle in den Anhängen I und II

der UVP-Richtlinie aufgeführten Projektkategorien. Auslegungshinweise werden

jedoch nur für diejenigen Kategorien bereitgestellt, die Gegenstand von Erwägungen

des Gerichtshofs waren oder für die relevante Informationen zur Verfügung stehen.

Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs einzelner Projektkategorien sollten die

Leser unbeschadet der Auslegung in diesem Leitfaden den umfassenden

Anwendungsbereich und weitreichenden Zweck der Richtlinie sowie ihr

übergeordnetes Ziel – nämlich die Sicherstellung des Schutzes der Umwelt und der

Lebensqualität – berücksichtigen.

Das Verfahren zur Feststellung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die in

Anhang II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekte erforderlich ist („Screening“),

wird in diesem Leitfaden nicht detailliert untersucht oder erörtert. Ziel des Leitfadens

ist es, die zuständigen nationalen Behörden und Interessenträger bei der

Entscheidung der Frage zu unterstützen, ob ein bestimmtes Projekt unter die UVP-

Richtlinie fällt, und nicht, eine Entscheidung darüber vorwegzunehmen, ob Projekte

des Anhangs II einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind.7

Der vorliegende Leitfaden wurde von der Generaldirektion Umwelt der Europäischen

Kommission in Zusammenarbeit mit Experten der Mitgliedstaaten für die

Umweltverträglichkeitsprüfung und die strategische Umweltprüfung (SUP)

ausgearbeitet. Er bringt die Ansichten der Kommissionsdienststellen zum Ausdruck

und ist nicht verbindlich. Der Leitfaden ist nicht als endgültig zu verstehen, sondern

er kann auf der Grundlage künftiger Erfahrungen mit der Umsetzung der UVP-

Richtlinie und im Lichte künftiger Rechtsprechung geändert werden. Es muss betont

werden, dass die Auslegung der Richtlinie letztlich dem Gerichtshof obliegt.

7 Ein von der Kommission herausgegebener Leitfaden zum Screening kann auf der Website der

Kommission zur Umweltverträglichkeitsprüfung abgerufen werden [http://ec.europa.eu/environment/eia/eia-support.htm].

8

2 Vorgehensweise bei der Auslegung der in den

Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten

Projektkategorien

2.1 Verfügbare Informationsquellen

Maßgeblich für die endgültige Auslegung des Unionsrechts sind ausschließlich die

Entscheidungen des Gerichtshofs. Der Gerichtshof hat sich in der Vergangenheit

häufig mit Rechtssachen befasst, die die UVP-Richtlinie betrafen; in einer Reihe von

Fällen ging es dabei um Fragen der Definition, der Beschreibung oder des

Anwendungsbereichs einzelner in den Anhängen I und II aufgeführter

Projektkategorien. Einen Überblick über die wichtigsten Urteile des Gerichtshofs im

Zusammenhang mit den Bestimmungen der konsolidierten UVP-Richtlinie bietet die

Publikation der Kommission „Environmental Impact Assessment of Projects — Rulings

of the Court of Justice“.8

In den Urteilen des Gerichtshofs werden einige allgemeine Grundprinzipien genannt,

die für die Auslegung der in der UVP-Richtlinie aufgeführten Projektkategorien sowie

für die Auslegung des Begriffs „Projekt“ selbst von Nutzen sein können. Diese

Grundsätze werden unter Abschnitt 2.3 erörtert. Die aus der Rechtsprechung des

Gerichtshofs abgeleiteten zusätzlichen Informationen zu einzelnen Projektkategorien

werden in Abschnitt 3 dargelegt.

Die UVP-Richtlinie nimmt ausdrücklich Bezug auf andere Richtlinien und

internationale Übereinkommen. Wo dies der Fall ist, stellen sie verbindliche Quellen

für Definitionen dar, die bei der Auslegung der Projektkategorien in den Anhängen I

und II zu berücksichtigen sind.

Angesichts des breiten Spektrums von Sektoren, die unter die UVP-Richtlinie fallen,

gibt es überdies eine Vielzahl von anderen Richtlinien und Leitfäden auf EU-Ebene,

die sich mit Tätigkeiten befassen, die unter die Anhänge I und II fallen, oder die

Definitionen von Begriffen enthalten, die in den genannten Anhängen vorkommen.

Aus diesen Quellen stammende Begriffsbestimmungen sind für die Zwecke der UVP-

Richtlinie nicht notwendigerweise in vollem Umfang anwendbar. Der Zweck und der

Bezugsrahmen der verschiedenen Richtlinien müssen sorgfältig bedacht werden, da

verschiedene Rechtsakte unterschiedliche Ziele haben können, die wiederum den

8 Environmental Impact Assessment of Projects — Rulings of the Court of Justice (2013),

[http://ec.europa.eu/environment/eia/pdf/eia_case_law.pdf].

9

Anwendungsbereich und die Bedeutung der in ihnen enthaltenen

Projektklassifzierungen und Definitionen beeinflussen können. Die Klassifizierung

eines bestimmten Projekts in einer Richtlinie legt somit nicht zwangsläufig genau

fest, wie dieselbe Projektart im Rahmen einer anderen Richtlinie auszulegen ist.9 Wie

der Gerichtshof festgestellt hat (siehe zum Beispiel die Rechtssache C-227/01,

Kommission/Spanien), müssen Rechtsvorschriften der Union nach dem

Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehören.

In der Praxis können sektorspezifische Rechtsvorschriften und sonstige Leitfäden

jedoch oft aufschlussreiche Hinweise bieten; dies gilt insbesondere, aber nicht

ausschließlich, für eher technische Fachbegriffe.10

2.2 Der Begriff „Projekt“

In Artikel 1 Absatz 2 der UVP-Richtlinie ist „Projekt“ definiert als

„die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,

sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum

Abbau von Bodenschätzen“.

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird der Begriff „Projekt“ breit ausgelegt.11

Gleichwohl vertritt der Gerichtshof in Bezug auf diesen Begriff und insbesondere die

Frage, was einen „Eingriff in Natur und Landschaft“ darstellt, die Auffassung, dass die

Verlängerung einer bestehenden Betriebsgenehmigung für einen Flughafen, wenn sie

nicht mit Arbeiten oder Eingriffen zur Änderung des materiellen Zustands des

Standorts einhergeht, nicht als „Projekt“ eingestuft werden kann.12

Der Begriff „Anlage“ ist in der UVP-Richtlinie nicht definiert. Eine Begriffsbestimmung

findet sich zwar in der Richtlinie über Industrieemissionen13 (IE-Richtlinie), doch wird

diese Definition für die Zwecke der UVP-Richtlinie als nicht geeignet angesehen.

„Anlage“ im Sinne der IE-Richtlinie bezeichnet „eine ortsfeste technische Einheit, in

der eine oder mehrere der in Anhang I oder Anhang VII Teil 1 [der Richtlinie

2010/75/EU] genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene

Tätigkeiten am selben Standort durchgeführt werden, die mit den in den genannten

Anhängen aufgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und

9 Siehe Rechtssache C-486/04, Kommission/Italien, Randnummern 43 und 44.

10 In der Rechtssache C-127/02 („Waddenzee“-Fall) wendete der Gerichtshof die in der UVP-Richtlinie

enthaltene Definition von „Projekt“ auf einen Fall an, der im Zusammenhang mit der Habitat-Richtlinie stand. Der in diesem Leitfaden vertretene Ansatz steht in Einklang mit der Herangehensweise des Gerichtshofs in dieser Rechtssache. 11

Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere. 12

Rechtssache C-275/09, Brussels Hoofdstedelijk Gewest und andere, Randnr. 24; C-121/11, Pro-Braine und andere, Randnr. 31. 13

Richtlinie 2010/75/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung), ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17.

„Projekt“

10

die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können“

(Artikel 3 Absatz 3 der IE-Richtlinie). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich in

der UVP-Richtlinie breiter gefasst. Mobile Anlagen – auch wenn sie in der UVP-

Richtlinie nicht ausdrücklich erwähnt sind – unterliegen ebenso ihren Bestimmungen

wie temporäre Anlagen14. Wenn mobile oder temporäre Anlagen die Merkmale (und

die damit verbundenen Auswirkungen) von Projektkategorien der Anhänge I und II

der UVP-Richtlinie aufweisen, sind sie den Anforderungen der Richtlinie

unterworfen.15 Im Fall einer mobilen Anlage, die an einen anderen Ort transportiert

wird, ist außerdem zu prüfen, ob eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung

erforderlich ist.

Darüber hinaus gibt es Arten von Tätigkeiten, die die Merkmale von mehr als einer

der in der UVP-Richtlinie aufgeführten Projektkategorien aufweisen. Diese

Tätigkeiten können, je nach ihren technischen Merkmalen, ihrer Art oder ihrem

Ergebnis, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden; ein Beispiel hierfür sind

Biogas oder Biokraftstoff betreffende Projekte.16 Die Praxis zeigt, dass je nach

Umfang eines Biogasprojekts verschiedene Projektkategorien relevant sein können,

zum Beispiel:

Anhang I, Nummer 9 oder 10 oder Anhang II, Nummer 11 Buchstabe b (in beiden Fällen entsteht das Biogas bei der Behandlung von Abfall);

Anhang II, Nummer 3 Buchstabe a (Nutzung von Biogas für die Stromerzeugung);

Anhang II, Nummer 10 Buchstabe a (die Biogasanlage kann Teil eines Projekts zur Anlage einer Industriezone sein).

Die Definition des Begriffs „Projekt“ wurde durch den Gerichtshof ergänzt, der

festgestellt hat, dass auch Abbrucharbeiten in den Anwendungsbereich der Richtlinie

85/337 fallen und somit ein „Projekt“ im Sinne ihres Artikels 1 Absatz 2 darstellen

können (Rechtssache C-50/09, Randnummern 86-107). Der Gerichtshof kam zu dem

Schluss, dass Abbrucharbeiten nicht vom Anwendungsbereich der nationalen

Rechtsvorschriften zur Umsetzung der UVP-Richtlinie ausgenommen werden dürfen.

Gestützt auf die Rechtsprechung und zur Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus

für die Umwelt sieht die geänderte UVP-Richtlinie vor, dass die Screening-Verfahren

und die Umweltverträglichkeitsprüfungen die Auswirkungen des gesamten in Frage

stehenden Projekts, soweit relevant, einschließlich der Abrissphase berücksichtigen

14

Des Weiteren schließt Anhang II Nummer 13 Buchstabe b explizit Projekte des Anhangs I ein, die ausschließlich oder überwiegend der Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren oder Erzeugnisse dienen und nicht länger als zwei Jahre betrieben werden. 15

Mobile Anlagen sollten für die Zwecke der UVP-Richtlinie unter anderem in Bezug auf ihren Standort beurteilt werden. 16

Aus Herstellungssicht kann Biogas entweder das Haupterzeugnis einer Tätigkeit oder ihr Nebenprodukt sein. Aus baulicher und wartungstechnischer Sicht gilt zudem, dass die Biogaserzeugung Infrastruktur erfordert, zum Beispiel Rohrleitungen und Lagermöglichkeiten. Um festzustellen, ob ein Biogasprojekt unter die UVP-Richtlinie fällt, muss es daher gründlich und unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte geprüft werden.

11

müssen (Anhang II.A, Nummer 1 Buchstabe a und Anhang IV, Nummer 1 Buchstabe b

sowie Nummer 5 Buchstabe a).

2.3 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs17 abgeleitete

Grundsätze

Der Zweck der UVP-Richtlinie

In seinen Entscheidungen zur UVP-Richtlinie hat der Gerichtshof stets den

wesentlichen Zweck der Richtlinie hervorgehoben, der nach Artikel 2 Absatz 1 darin

besteht, dass die Projekte, „bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe

oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist,

einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre

Auswirkungen auf die Umwelt unterzogen werden“.

Wie der Gerichtshof in der Rechtssache C-420/11, Leth, Randnr. 28, festgestellt hat,

geht aus Artikel 1 Absatz 1 und den Erwägungsgründen 1, 3, 5 und 6 der Richtlinie

85/337 hervor, dass Gegenstand dieser Richtlinie die Umweltverträglichkeitsprüfung

bei öffentlichen und privaten Projekten ist, um eines der Ziele der Gemeinschaft im

Bereich des Schutzes der Umwelt und der Lebensqualität zu verwirklichen. Darauf

beziehen sich nach Auffassung des Gerichtshofs auch die Angaben, die der

Projektträger nach Artikel 5 Absatz 1 und Anhang IV der UVP-Richtlinie vorlegen

muss, und die Kriterien für die Entscheidung, ob weniger bedeutsame Projekte, die

den in Anhang III angeführten Merkmalen entsprechen, einer

Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen.

Ausgedehnter Anwendungsbereich und weitreichender Zweck

Der Wortlaut der UVP-Richtlinie weist auf ihren ausgedehnten Anwendungsbereich

und ihren weitreichenden Zweck hin.

Dies wurde vom Gerichtshof stets hervorgehoben. In der Rechtssache C-72/95,

Kraaijeveld und andere, Randnr. 31, stellte der Gerichtshof fest: „Dem Wortlaut der

Richtlinie lässt sich entnehmen, dass ihr Anwendungsbereich ausgedehnt ist und ihr

Zweck sehr weit reicht. Allein diese Feststellung müsste genügen, um Anhang II

Nummer 10 Buchstabe e der Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter auch Arbeiten

zur Eindämmung von Wasser und zur Verhinderung von Überschwemmungen – und

somit Arbeiten an Deichen – fallen, selbst wenn dies nicht aus allen Sprachfassungen

17

Einige der Urteile, auf die in diesem Leitfaden verwiesen wird, beziehen sich auf die Richtlinie 85/337/EWG in ihrer ungeänderten Fassung, während andere sich auf die Richtlinie 85/337/EWG in der durch die Richtlinie 97/11/EG geänderten Fassung beziehen. Dessen ungeachtet wird die Auffassung vertreten, dass die diesen Entscheidungen und ihren Schlussfolgerungen zugrunde liegenden Grundsätze weiterhin gelten und bei der Auslegung der Richtlinie in ihrer geänderten Fassung nützlich sind.

12

klar hervorgeht." In der Rechtssache C-227/01, Kommission/Spanien, Randnr. 46,

betonte der Gerichtshof abermals den ausgedehnten Anwendungsbereich und den

weitreichenden Zweck der Richtlinie.

Einheitliche Auslegung, verschiedene Sprachfassungen

In der Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, vertrat der Gerichtshof unter

Verweis auf frühere Rechtsprechung die Auffassung, dass die Auslegung einer

unionsrechtlichen (zum damaligen Zeitpunkt gemeinschaftsrechtlichen) Vorschrift

einen Vergleich der Sprachfassungen erfordere. Falls diese Fassungen voneinander

abweichen, verlange das Erfordernis einer einheitlichen Auslegung, dass die fragliche

Bestimmung anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung

ausgelegt wird, zu der sie gehört (Randnr. 28).18 In dem konkreten Fall kam der

Gerichtshof zu dem Schluss, dass der Begriff „Flusskanalisierungs- und

Stromkorrekturarbeiten“ in Anhang II Nummer 10 Buchstabe e der Richtlinie

85/337/EWG (vor der Änderung durch die Richtlinie 97/11/EG) dahin auszulegen ist,

dass darunter auch bestimmte Arten von Arbeiten an einem Deich an Wasserwegen

fallen (Randnr. 35).

Auf diese Thematik wurde erneut im Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-

227/01, Kommission/Spanien, Bezug genommen. Der Gerichtshof stellte fest, dass im

Rahmen der betreffenden Klage nicht darüber entschieden zu werden brauche, ob

alle Sprachfassungen von Anhang I Nummer 7 der Richtlinie 85/337 einen dem

Begriff „Strecken“ (in der spanischen Fassung „vías“) entsprechenden Begriff für

„Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken“ verwenden. Ebenso wenig sei es notwendig,

darüber zu entscheiden, ob die zur Durchführung der Bestimmung erlassene

spanische Regelung, soweit sie den Begriff Linien („líneas“) verwendet, mit der

Richtlinie vereinbar ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei vielmehr klar,

dass die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts

gebietet, dass im Falle von Abweichungen zwischen den verschiedenen

Sprachfassungen einer Bestimmung die fragliche Bestimmung anhand der

allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt wird, zu der sie

gehört (Randnr. 45).

Nach Auffassung des Gerichtshofs verlangen die einheitliche Anwendung des

Unionsrechts und der Gleichheitsgrundsatz außerdem, dass die Begriffe einer

Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung

nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, unter

Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten

Zwecks auszulegen sind (Rechtssache C-287/98, Linster und andere, Randnr. 43;

18

Dieser Grundsatz entspricht der allgemeinen Praxis des Gerichtshofs und ist nicht spezifisch für die UVP-Richtlinie.

13

Rechtssache C-260/11, Edwards und Pallikaropoulous, Randnr. 29; Rechtssache C-

531/13, Kornhuber und andere, Randnr. 21).

2.4 Screening

Die in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Projekte werden nicht automatisch einer

Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Die Mitgliedstaaten können im Einzelfall

oder anhand von Schwellenwerten und/oder Kriterien, die sich zum Beispiel auf die

Größe, den Standort (insbesondere die ökologische Empfindlichkeit des

geografischen Raums) und die potenziellen Auswirkungen (betroffene Fläche, Dauer)

beziehen, über eine Prüfung dieser Projekte entscheiden. Das Verfahren zur

Feststellung, ob ein in Anhang II aufgeführtes Projekt einer Prüfung zu unterziehen

ist, wird als Screening19 bezeichnet.

Bei der Festlegung von Schwellenwerten oder der Beurteilung der Auswirkungen von

Projekten sollten die in Anhang III der Richtlinie aufgestellten relevanten

Auswahlkriterien beachtet werden. Insbesondere sollte das Screening-Verfahren

nicht nur auf ein einziges Kriterium (z. B. die Größe) ausgerichtet sein, sondern es

sollten alle in Anhang III aufgeführten relevanten Auswahlkriterien berücksichtigt

werden (z. B. Größe und Standort des Projekts).

Die Mitgliedstaaten können also, wie in Erwägung 10 der UVP-Richtlinie dargelegt,

„Schwellenwerte oder Kriterien festlegen, um zu bestimmen, welche dieser Projekte

wegen der Erheblichkeit ihrer Auswirkungen auf die Umwelt einer Prüfung

unterzogen werden sollten; die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein,

Projekte, bei denen diese Schwellenwerte nicht erreicht werden bzw. diese Kriterien

nicht erfüllt sind, in jedem Einzelfall zu prüfen.“

Die in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte und

Kriterien sollten klare rechtliche Vorgaben in Bezug auf die Notwendigkeit einer

Umweltverträglichkeitsprüfung enthalten. Zum Beispiel legen manche Länder

Ausschlussschwellenwerte fest, unterhalb derer eine Prüfung nicht erforderlich ist.

Andere legen Schwellenwerte und Kriterien mit Richtwertcharakter fest, die zwar

keine rechtliche Verpflichtung begründen, die jedoch herangezogen werden können,

um im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Prüfung erforderlich ist. Welches Verfahren

ein Mitgliedstaat auch anwendet, um festzustellen, ob ein bestimmtes Projekt einer

Prüfung zu unterziehen ist – sei es durch gesetzgeberische Bestimmung oder

Einzelfalluntersuchung –, das Ziel der Richtlinie darf nicht beeinträchtigt werden.

19

Weitere Informationen zum Screening-Verfahren sind dem 2001 herausgegebenen Leitfaden

„Guidance on EIA – Screening“ zu entnehmen [http://ec.europa.eu/environment/archives/eia/eia-

guidelines/g-screening-full-text.pdf.]. (Eine deutsche Übersetzung wurde 2001 vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Mecklenburg-Vorpommern, angefertigt [www.staedtebauliche-klimafibel.de/pdf/screening.pdf].)

14

Was die Bezugsgrößen betrifft, die für Schwellenwerte verwendet werden, so lässt

sich feststellen, dass in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten u. a. folgende Parameter

verwendet werden20:

– bei Kraftwerken: Leistung in MW;

– bei Deponien nicht gefährlicher Abfälle: Gesamtvolumen (m3) oder

Volumen/Tag, Tonnen/Tag oder Gesamtkapazität in Tonnen;

– bei Einkaufszentren: Fläche in Hektar oder m2 (Erschließungsfläche,

Bruttogeschossfläche);

– bei Straßen: Straßenlänge (in km).

Die Änderung der UVP-Richtlinie im Jahr 2014 hatte Neuerungen für das Screening

zur Folge; der Ansatz für die Festlegung von Schwellenwerten und die Beurteilung

der Auswirkungen von Projekten blieb jedoch unverändert. Die Änderungen in Bezug

auf das Screening umfassen Folgendes: Erstens, Screening-Entscheidungen

(„positive“ wie „negative“) müssen begründet werden und die wesentlichen Gründe

für das Erfordernis oder das Nichterfordernis einer Prüfung angeben. Dies folgt aus

den Rechtssachen C-87/02, Kommission/Italien, und C-75/08, Mellor. Zweitens

wurde der Anhang III mit den Auswahlkriterien, auf die in Artikel 4 Absatz 3 der UVP-

Richtlinie Bezug genommen wird, aktualisiert. Drittens wurde ein neuer Anhang II.A

eingefügt, der eine Aufstellung der Informationen enthält, die der Projektträger der

zuständigen Behörde im Rahmen des Screening-Verfahrens vorlegen muss.

Höhe der Schwellenwerte — Art der zu berücksichtigenden Kriterien

Die UVP-Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der

Festlegung von Schwellenwerten und/oder Kriterien gemäß Artikel 4 Absatz 2

Buchstabe b der Richtlinie ein. Dieser Spielraum wird jedoch dadurch begrenzt, dass

Artikel 2 Absatz 1 die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Projekte, bei denen unter

anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen

Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer

Auswirkungen zu unterziehen (C-244/12, Salzburger Flughafen, Randnummern 29-30;

C-531/13, Kornhuber und andere, Randnummern 40-41). Die Kriterien und

Schwellenwerte sollen die Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projekts

erleichtern, damit festgestellt werden kann, ob es der Prüfungspflicht unterliegt.

Ein Mitgliedstaat, der die Schwellenwerte und/oder Kriterien so festlegt, dass in der

Praxis eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur

Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen ist, überschreitet die Grenzen des

20

Der am 12.11.2012 vorgelegte IMPEL-Bericht („The implementation of the Environmental Impact Assessment on the basis of precise examples“) vergleicht die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Zusammenhang mit der UVP durchgeführten Screening-Verfahren für vier verschiedene Arten von Projekten: Wärmekraftwerke, Deponien, Einkaufszentren und Straßenbauprojekte [http://impel.eu/wp-content/uploads/2013/01/IMPEL-EIA-Report-final.pdf].

15

ihm eingeräumten Ermessensspielraums, sofern nicht aufgrund einer pauschalen

Beurteilung aller Projekte dieser Klasse davon auszugehen ist, dass bei ihnen nicht

mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.21 Ein Mitgliedstaat

überschreitet den Ermessensspielraum, über den er nach Artikel 2 Absatz 1 und

Artikel 4 Absatz 2 der UVP-Richtlinie verfügt, auch dann, wenn er nicht alle in

Anhang III aufgeführten relevanten Auswahlkriterien berücksichtigt.22

In der Rechtssache C-332/04, Kommission/Spanien, hatte sich zum Beispiel die

spanische Regierung dadurch, dass sie die Umweltverträglichkeitsprüfung für

Städtebauprojekte auf Projekte in nichtstädtischen Gebieten begrenzt hatte, auf die

Anwendung des Standortkriteriums beschränkt. Dies ist nur eines der drei in

Artikel 2 Absatz 1 der UVP-Richtlinie aufgeführten Kriterien; die beiden anderen

Kriterien, nämlich die Art und die Größe eines Projekts, wurden von Spanien nicht

beachtet.

Insofern die spanischen Rechtsvorschriften Umweltverträglichkeitsprüfungen nur für

Städtebauprojekte außerhalb von städtischen Gebieten vorsahen, hatte es Spanien

außerdem unterlassen, das Kriterium des Standorts in vollem Umfang anzuwenden.

Tatsächlich gehören die in Anhang III Nummer 2 Buchstaben g und h der UVP-

Richtlinie aufgeführten „Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte“ und „historisch,

kulturell und archäologisch bedeutende Landschaften“ zu den Auswahlkriterien, auf

die in Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie verwiesen sind. Diese Kriterien müssen von

den Mitgliedstaaten bei der Durchführung einer Einzelfalluntersuchung oder bei der

Festlegung von Schwellenwerten oder Kriterien im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 zur

Bestimmung, ob ein Projekt einer Prüfung unterzogen werden sollte, berücksichtigt

werden. Diese Auswahlkriterien beziehen sich überwiegend auf städtische Gebiete.23

In der Rechtssache C-244/12, Salzburger Flughafen, Randnummer 48, befasste sich

der Gerichtshof mit den Maßnahmen eines Mitgliedstaats gemäß Artikel 4 Absatz 2

Buchstabe b der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 97/11 geänderten

Fassung in Bezug auf Projekte des Anhangs II. Der Gerichtshof stellte hierzu fest, dass

die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 sowie von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a

und Absatz 3 der UVP-Richtlinie unmittelbare Wirkung haben, wenn ein

Mitgliedstaat einen mit den Verpflichtungen aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 4

Absatz 3 der Richtlinie unvereinbaren Schwellenwert festlegt. Das bedeutet, dass die

zuständigen nationalen Behörden sicherstellen müssen, dass zunächst geprüft wird,

ob die betreffenden Projekte möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die

21

Rechtssache C-392/96, Kommission/Irland, Randnr. 53; Rechtssache C--72/95, Kraaijeveld und andere, Randnr. 53; Rechtssache C-435/97, WWF und andere, Randnr. 38; Rechtssache C-392/96, Kommission/Irland, Randnr. 75; Rechtssache C-66/06, Kommission/Irland, Randnr. 65; Rechtssache C-427/07, Kommission/Irland, Randnr. 42. 22

Rechtssache C-392/96, Kommission/ Irland, Randnummern 65, 72; Rechtssache C-66/06, Kommission/Irland, Randnr. 64; Rechtssache C-255/08, Kommission/Niederlande, Randnummern 32-39; Rechtssache C-435/09, Kommission/Belgien, Randnummern 52, 55. 23

Rechtssache C-332/04, Kommission/Spanien, Randnummern 75-79.

16

Umwelt haben, und wenn ja, sodann eine Umweltverträglichkeitsprüfung

durchgeführt wird.

Abschließend ist zu betonen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 Absatz 3 der

UVP-Richtlinie verpflichtet sind, bei der Festlegung entsprechender Kriterien oder

Schwellenwerte die in Anhang III der Richtlinie aufgeführten relevanten

Auswahlkriterien zu berücksichtigen.24

Mehrstufiges Genehmigungsverfahren

Der Gerichtshof hat auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Projekten

verwiesen, die einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren unterliegen25, und die

Notwendigkeit betont, solche Projekte insgesamt zu prüfen. Wenn ein mehrstufiges

Genehmigungsverfahren vorgesehen ist, bei dem zunächst eine

Grundsatzentscheidung ergeht und sodann eine Durchführungsentscheidung

getroffen wird, die nicht über die in der Grundsatzentscheidung festgelegten

Vorgaben hinausgehen darf, ist die zuständige Behörde unter bestimmten

Umständen verpflichtet, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Projekt

durchzuführen, auch nachdem der Bauvorbescheid erteilt wurde, wenn für die

vorbehaltenen Punkte später eine Genehmigung erteilt wird.26 Diese Prüfung muss

umfassender Natur sein und all jene Aspekte des Projekts einbeziehen, die noch nicht

beurteilt wurden oder die einer erneuten Prüfung bedürfen.

Ausschluss von Projektaufteilungen und „Salamitaktik“27

In seiner die UVP-Richtlinie betreffenden Rechtsprechung hat der Gerichtshof immer

wieder betont, dass der Zweck der Richtlinie nicht durch die Aufteilung von Projekten

umgangen werden darf. Wenn mehrere Projekte zusammengenommen erhebliche

Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des Artikels 2 Absatz1 der UVP-Richtlinie

haben können, sollten ihre Auswirkungen auf die Umwelt insgesamt geprüft werden.

Projekte müssen insbesondere dann gemeinsam betrachtet werden, wenn sie

miteinander verknüpft sind, aufeinander folgen oder sich ihre Umweltauswirkungen

überschneiden (siehe in dem Zusammenhang Rechtssache C-142/07, Ecologistas en

Acción-CODA, Randnr. 44; Rechtssache C-205/08, Alpe Adria, Randnr. 53). Um eine

Umgehung der Unionsvorschriften durch eine Aufsplitterung von Projekten, die

24

Rechtssache C-66/06, Kommission/Irland, Randnr. 62; Rechtssache C-255/08, Kommission/Niederlande, Randnr. 33; Rechtssache C-435/09, Kommission/Belgien, Randnr. 53; Rechtssache C-531/13, Kornhuber und andere, Randnr. 42. 25

Rechtssache C-201/02, Wells; Rechtssache C-508/03, Kommission/Vereinigtes Königreich; Rechtssache C-290/03, Barker. 26

Rechtssache C-508/03, Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnummern 103 bis 106. 27 Bei der Salamitaktik wird ein bestimmtes Projekt in verschiedene Teilprojekte getrennt, die für sich genommen die festgelegten Schwellenwerte nicht überschreiten und bei Prüfungen im Einzelfall keine erheblichen Auswirkungen haben, d. h. keine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern. Zusammengenommen hätten sie jedoch sehr wohl erhebliche Umweltauswirkungen. (Siehe KOM(2003) 334 endgültig [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52003DC0334]).

17

zusammengenommen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten, zu

verhindern, müssen außerdem die kumulativen Wirkungen solcher in sachlichem und

zeitlichem Zusammenhang stehender Projekte berücksichtigt werden (Rechtssache C-

244/12, Salzburger Flughafen, Randnr. 21).

In seiner Rechtsprechung trat der Gerichtshof für eine weite Auslegung der UVP-

Richtlinie ein und wies Bestrebungen, ihren Anwendungsbereich zu beschränken,

zurück. In der Rechtssache C-227/01, Kommission/Spanien, stellte der Gerichtshof

fest, dass ein sich über eine längere Entfernung erstreckendes Projekt nicht in

mehrere aufeinander folgende kürzere Abschnitte aufgeteilt werden kann, um

sowohl das Projekt als Ganzes als auch die sich aus dieser Aufteilung ergebenden

einzelnen Abschnitte den Vorschriften der Richtlinie zu entziehen (Randnr. 53). Wäre

das möglich, wäre die Wirksamkeit der Richtlinie möglicherweise ernsthaft in Frage

gestellt, da dann die betreffenden Behörden nur ein sich über eine längere

Entfernung erstreckendes Projekt in mehrere aufeinander folgende kürzere

Abschnitten aufzuteilen brauchten, um es den Vorschriften der Richtlinie zu

entziehen (Randnr. 53).

Eine ähnliche Situation ergibt sich, wenn für ein Projekt, das grundsätzlich nicht der

Prüfpflicht unterliegt, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde,

dieses Projekt jedoch eine Änderung oder Erweiterung erfährt, die unter die Anhänge

der Richtlinie fällt. Dies war die Sachlage in der Rechtssache C-2/07, Abraham und

andere. Der Gerichtshof vertrat in diesem Fall die Auffassung, dass „Änderungen

eines Flugplatzes mit einer Start- und Landebahngrundlänge von 2 100 m und mehr

somit nicht nur Arbeiten sind, die eine Verlängerung der Bahn zum Gegenstand

haben, sondern vielmehr alle Arbeiten an Gebäuden, Anlagen oder der Ausrüstung

dieses Flugplatzes, sofern sie, insbesondere aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und

ihrer Merkmale, als Änderung des Flugplatzes selbst anzusehen sind. Das gilt

insbesondere für Arbeiten, die dazu bestimmt sind, die Aktivitäten des Flugplatzes

und den Luftverkehr erheblich zu steigern“ (Randnr. 36). Der Gerichtshof gründete

seine Entscheidung in dieser Rechtssache auf das Erfordernis einer

Gesamtbewertung und das Ziel, die Wirksamkeit der UVP-Richtlinie sicherzustellen.

2.5 Das Verhältnis zwischen UVP-und SUP-Richtlinie

In ihrem Bericht über die Anwendung und Wirksamkeit der UVP-Richtlinie28 stellte

die Kommission 2009 fest, dass es rein theoretisch nicht zu Überschneidungen mit

der Richtlinie 2001/42/EG über die strategische Umweltprüfung (SUP) für bestimmte

28 Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und

Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Anwendung und Wirksamkeit der UVP-

Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG in der durch die Richtlinien 97/11/EG und 2003/35/EG geänderten

Fassung) (KOM(2009) 378 endgültig, 23.7.2009) [http://eur-lex.europa.eu/legal-

content/DE/TXT/?uri=CELEX:52009DC0378].

18

öffentliche Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) kommen dürfte. Es habe sich

jedoch herausgestellt, dass bei der Anwendung der beiden Richtlinien in bestimmten

Bereichen durchaus Überschneidungsmöglichkeiten29 bestehen. Da sich

insbesondere Pläne, Programme und Projekte nicht immer klar voneinander

abgrenzen, könnten Zweifel aufkommen, ob der Prüfgegenstand die Kriterien für die

Anwendung entweder der UVP- oder der SUP-Richtlinie oder beider Richtlinien

erfüllt. Hier seien die Definitionen einiger Projektkategorien, die oft die

Flächennutzung betreffen, nicht klar, was zu Verwechslungen mit der SUP-Richtlinie

führen könnte.

Die Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Ansätze gewählt, um das Problem der

potenziellen Unwirksamkeit aufgrund von Verfahrensüberschneidungen zu lösen.

Viele Mitgliedstaaten vertreten jedoch oft die Auffassung, dass ihnen die Erfahrung

fehlt, um etwaige Überschneidungsprobleme zu identifizieren und ordnungsgemäß

zu prüfen. Aus diesem Grunde haben einige wenige Mitgliedstaaten empfohlen, die

beiden Richtlinien zu konsolidieren. Viele Mitgliedstaaten haben betont, dass jeder

Richtlinienprozess beibehalten und weiterhin separat ablaufen sollte, da es sich um

einander ergänzende Verfahren handelt, die als solche verschiedene Phasen und

Prozesse betreffen. Die Mitgliedstaaten haben auch verlangt, dass Leitfäden erstellt

werden.

Im Jahr 2005 gab die GD Umwelt eine Studie über das Verhältnis zwischen der SUP-

Richtlinie und der UVP-Richtlinie in Auftrag.30 Darin werden Beispiele für mögliche

Ansätze vorgestellt, wie sich die beiden Prüfungen verbinden lassen und wie

gemeinsame Verfahren durchgeführt werden können, die speziell darauf

ausgerichtet sind, die Anforderungen beider Richtlinien gleichzeitig zu erfüllen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 11 der SUP-Richtlinie die

Umweltprüfungen gemäß dieser Richtlinie die Anforderungen der UVP-Richtlinie

sowie anderer Rechtsvorschriften der Union unberührt lassen. Um den Vorschriften

zu entsprechen, müssen die Mitgliedstaaten somit sicherstellen, dass sie die

Anforderungen beider Richtlinien erfüllen, wenn beide anzuwenden sind.

2.6 Das Verhältnis zwischen UVP-und IE-Richtlinie

Die UVP-Richtlinie und die Richtlinie über Industrieemissionen (IE-Richtlinie)

betreffen manchmal dieselben Arten von Tätigkeiten. Es ist jedoch zu beachten, dass

zwischen den Zielen, den Anwendungsbereichen, den Klassifizierungssystemen und

den Schwellenwerten der beiden Richtlinien durchaus Unterschiede bestehen.

29

Beispielsweise wenn Großprojekte aus Teilprojekten bestehen; Projekten, bei denen Änderungen der

Flächennutzungspläne erforderlich sind; Pläne und Programme, die verbindliche Kriterien für die anschließende Projektgenehmigung enthalten; und der hierarchische Zusammenhang von SUP und UVP („tiering“). 30

Imperial College London Consultants (August 2005), „The relationship between the EIA and SEA Directives“, [http://ec.europa.eu/environment/archives/eia/pdf/final_report_0508.pdf].

19

Die IE-Richtlinie regelt die integrierte Vermeidung und Verminderung der

Umweltverschmutzung infolge industrieller Tätigkeiten. Sie sieht auch Vorschriften

zur Vermeidung und, sofern dies nicht möglich ist, zur Verminderung von Emissionen

in Luft, Wasser und Boden und zur Abfallvermeidung vor, um ein hohes Schutzniveau

für die Umwelt insgesamt zu erreichen (Artikel 1 der IE-Richtlinie). Die UVP-Richtlinie

hingegen zielt darauf ab, in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls

die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf Mensch, Fauna

und Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Sachgüter und kulturelles Erbe

und die Wechselbeziehung zwischen den genannten Faktoren zu identifizieren, zu

beschreiben und zu bewerten (Artikel 3 der UVP-Richtlinie).

Bei Überschneidungen von Projektkategorien der UVP-Richtlinie mit

Tätigkeitskategorien in Anhang I der IE-Richtlinie müssen diese anhand der

allgemeinen Systematik und des Zwecks der UVP-Richtlinie ausgelegt werden. Den

Mitgliedstaaten steht es frei, die in Anhang I der IE-Richtlinie festgelegten

Schwellenwerte im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie zu verwenden, sofern sie

den ihnen durch Artikel 2 Absatz 1 der UVP-Richtlinie eingeräumten

Ermessensspielraum nicht überschreiten. Dies verlangt, dass die Projekte, bei denen

unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen

Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre

Auswirkungen unterzogen werden.

3 DIE EINZELNEN PROJEKTKATEGORIEN

3.1 Einleitung

Die in den Anhängen I und II genannten Projekte müssen unter Berücksichtigung des

Begriffs „Projekt“ (Artikel 1 Absatz 2) und der allgemeinen Zielsetzung der UVP-

Richtlinie (Artikel 2 Absatz 1) ausgelegt werden. Die Interpretationen der

Projektkategorien in diesem Leitfaden stützen sich auf den Zweck der Richtlinie, auf

die Erfahrung, die bei ihrer Anwendung gesammelt wurde, und auf die Auslegungen

des Gerichtshofs.

Die Ausführungen in diesem Abschnitt sollen zu einem besseren Verständnis der

Projektkategorien beitragen. Sie stützen sich, wie oben erwähnt, zum überwiegenden

Teil auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf Richtlinien der EU, internationale

Übereinkommen und Leitfäden der Europäischen Kommission. Sofern in der UVP-

Richtlinie explizit auf solche Begriffsbestimmungen Bezug genommen wird, ist dies

unter der entsprechenden Projektkategorie klar angegeben.31 Im Falle sonstiger

Begriffsbestimmungen wird dem Leser empfohlen, sorgfältig zu prüfen, ob diese als

31

In Anhang I Nummer 7 Buchstabe a der UVP-Richtlinie wird zum Beispiel auf die Definition des Begriffs „Flugplatz“ im Abkommen von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation verwiesen.

20

solche im Rahmen der UVP-Richtlinie angewendet werden können. Wie sich aus den

Feststellungen in Abschnitt 2 dieses Leitfadens ergibt, müssen dazu die Ziele der

verschiedenen Rechtsakte berücksichtigt werden.

Zu beachten ist ferner, dass die Definitionen in diesem Leitfaden kein umfassendes

Glossar aller in der UVP-Richtlinie enthaltenen Begriffe darstellen sollen. Auf lange

technische Beschreibungen industrieller Verfahren wurde bewusst verzichtet. Der

Leser wird diesbezüglich auf die potenziell nützlichen Quellen von Definitionen

außerhalb der Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung, wie im Text

angegeben, verwiesen.

Die Ausführungen in diesem Abschnitt folgen der Reihenfolge in den Anhängen der

UVP-Richtlinie, doch enthalten sie nicht zu allen Projektkategorien nähere Angaben.

Die vorgelegten Interpretationen erheben außerdem nicht den Anspruch auf

Vollständigkeit. Trotzdem können die Informationen nützlich sein, um auch

Projektkategorien, die nicht näher erläutert sind, besser zu verstehen.

3.2 Projekte des Anhangs I gemäß Artikel 4 Absatz 1 der UVP-

Richtlinie

Nach Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 4 Absatz 1 der UVP-Richtlinie und unbeschadet

der Ausnahmefälle gemäß Artikel 2 Absatz 4 müssen Projekte, die unter Anhang I der

Richtlinie fallen, als solche und vor der Genehmigung einer systematischen Prüfung in

Bezug auf ihre Umweltauswirkungen unterzogen werden.32 Daraus folgt, dass die

Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht keinen Ermessensspielraum haben.

Es ist ferner zu beachten, dass der Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie

eingeschränkt würde, wenn im Zusammenhang mit Projektkategorien des Anhangs I,

bei denen keine Schwellenwerte vorgesehen sind, Schwellenwerte angewendet

werden.33

Anhang I Nummer 1:

Raffinerien für Erdöl (ausgenommen Unternehmen, die nur Schmiermittel aus Erdöl

herstellen) sowie Anlagen zur Vergasung und zur Verflüssigung von täglich

mindestens 500 Tonnen Kohle oder bituminösem Schiefer

Anhang I Nummer 2

a) Wärmekraftwerke und andere Verbrennungsanlagen mit einer

Wärmeleistung von mindestens 300 MW

32

Siehe diesbezüglich die Rechtssache C-465/04, Kommission/Irland, Randnr. 45, und Rechtssache C-255/05, Kommission/Italien, Randnr. 52. 33

Siehe Rechtssache C-435/09, Kommission/Belgien, Randnummern 86 und 88.

21

Bei der Auslegung dieser Projektkategorie muss die Entscheidung des Gerichtshofs in

der Rechtssache C-431/92, Kommission/Deutschland, berücksichtigt werden.

Nach Anhang I Nummer 2 der Richtlinie sind Projekte von Wärmekraftwerken mit

einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW einer Prüfung zu unterziehen. Diese

Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass solche Projekte geprüft werden müssen,

unabhängig davon, ob sie eigenständig ausgeführt werden, einer bestehenden

Anlage hinzugefügt werden oder mit dieser in einem engen funktionellen

Zusammenhang stehen. Ein solches Projekt kann also, selbst wenn es mit einer

bestehenden Anlage in Zusammenhang steht, nicht in die unter Nummer 13 des

Anhangs II aufgeführte Kategorie „Änderung oder Erweiterung von Projekten des

Anhangs I“ (Nummer 12 in der noch nicht durch die Richtlinie 97/11/EG geänderten

Fassung34) eingestuft werden. Der Grundsatz, der in diesem Urteil zum Ausdruck

kommt, wurde durch die Änderungen, die mit der Richtlinie 2003/35/EG35 eingeführt

wurden, in die UVP-Richtlinie integriert. Danach unterliegt „jede Änderung oder

Erweiterung von Projekten, die in diesem Anhang aufgeführt sind, wenn sie für sich

genommen die Schwellenwerte, sofern solche in diesem Anhang festgelegt sind,

erreicht“ (Anhang I Nummer 24) einer obligatorischen

Umweltverträglichkeitsprüfung.

Es kann nützlich sein, auf die IE-Richtlinie Bezug zu nehmen, in der eine

„Feuerungsanlage“ definiert ist als „jede technische Einrichtung, in der Brennstoffe im

Hinblick auf die Nutzung der dabei erzeugten Wärme oxidiert werden“.

b) Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren einschließlich der

Demontage oder Stilllegung solcher Kraftwerke oder Reaktoren (36) (mit

Ausnahme von Forschungseinrichtungen zur Erzeugung und Bearbeitung

von spaltbaren und brutstoffhaltigen Stoffen, deren Höchstleistung 1 kW

thermische Dauerleistung nicht übersteigt).

Anhang I Nummer 3

a) Anlagen zur Wiederaufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe;

b) Anlagen

i) mit dem Zweck der Erzeugung oder Anreicherung von Kernbrennstoffen;

34

Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 73 vom 14.3.1997, S. 5. 35

Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17. 36

Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren gelten nicht mehr als solche, wenn der gesamte Kernbrennstoff und andere radioaktiv kontaminierte Komponenten auf Dauer vom Standort der Anlage entfernt wurden.

Anhang I Nummer 2

Anhang I Nummer 3

22

ii) mit dem Zweck der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe oder

hochradioaktiver Abfälle;

iii) mit dem Zweck der endgültigen Beseitigung bestrahlter

Kernbrennstoffe;

iv) mit dem ausschließlichen Zweck der endgültigen Beseitigung

radioaktiver Abfälle;

v) mit dem ausschließlichen Zweck der (für mehr als 10 Jahre geplanten)

Lagerung bestrahlter Kernbrennstoffe oder radioaktiver Abfälle an einem

anderen Ort als dem Produktionsort.

Anhang I Nummer 4

a) Integrierte Hüttenwerke zur Erzeugung von Roheisen und Rohstahl

Integrierte Hüttenwerke sind große Industrieanlagen, die durch ein Geflecht

voneinander abhängiger Material- und Energieströme zwischen den verschiedenen

Produktionseinheiten gekennzeichnet sind (einschließlich Sinteranlagen,

Pelletierungsanlagen, Kokereien, Hochofenwerke und Sauerstoffblasstahlwerke mit

anschließendem Gießen).

b) Anlagen zur Gewinnung von Nichteisenrohmetallen aus Erzen,

Konzentraten oder sekundären Rohstoffen durch metallurgische Verfahren,

chemische Verfahren oder elektrolytische Verfahren

Nichteisenmetalle werden aus verschiedenen Primär- und Sekundärrohstoffen

hergestellt. Primärrohstoffe werden aus Erzen gewonnen, die abgebaut und dann

weiter behandelt werden, bevor sie zu Rohmetall verarbeitet werden. Die

Behandlung der Erze erfolgt in der Regel in der Nähe der Abbaustätten.

Sekundärrohstoffe, die zur Herstellung von Nichteisenmetallen verwendet werden,

umfassen Schrott, abgeschöpftes Material, Gicht- oder Filterstäube, Schlacken und

Rückstände.

Anhang I Nummer 5

Anlagen zur Gewinnung von Asbest sowie zur Be- und Verarbeitung von Asbest und

Asbesterzeugnissen: bei Asbestzementerzeugnissen mit einer Jahresproduktion von

mehr als 20 000 t Fertigerzeugnissen; bei Reibungsbelägen mit einer

Jahresproduktion von mehr als 50 t Fertigerzeugnissen; bei anderen

Verwendungszwecken von Asbest mit einem Einsatz von mehr als 200 t im Jahr.

Anhang I Nummer 4

Anhang I Nummer 5

23

Asbest ist in der gesamten Europäischen Union seit dem 1. Januar 2005 verboten.37

Anhang I Nummer 6

Integrierte chemische Anlagen, d. h. Anlagen zur Herstellung von Stoffen unter

Verwendung chemischer Umwandlungsverfahren im industriellen Umfang, bei

denen sich mehrere Einheiten nebeneinander befinden und in funktioneller

Hinsicht miteinander verbunden sind und die Folgendem dienen:

a) der Herstellung von organischen Grundchemikalien;

b) der Herstellung von anorganischen Grundchemikalien;

c) der Herstellung von phosphor-, stickstoff- oder kaliumhaltigen

Düngemitteln (Einnährstoff- oder Mehrnährstoff);

d) der Herstellung von Ausgangsstoffen für Pflanzenschutzmittel und von

Bioziden;

e) der Herstellung von Grundarzneimitteln unter Verwendung eines

chemischen oder biologischen Verfahrens;

f) der Herstellung von Explosivstoffen.

Die Projektkategorie „integrierte chemische Anlagen“ gliedert sich in sechs

Unterkategorien, die den in Anhang I Nummer 4 der IE-Richtlinie aufgeführten

Kategorien nahezu entsprechen.38 Die in Anhang I der IE-Richtlinie aufgeführten

organischen und anorganischen Chemikalien können auch für die Zwecke der UVP-

Richtlinie als eine nicht erschöpfende Aufzählung verwendet werden:

Zu den organischen Chemikalien gehören: a) einfache Kohlenwasserstoffe (lineare

oder ringförmige, gesättigte oder ungesättigte, aliphatische oder aromatische); b)

sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe, insbesondere Alkohole, Aldehyde, Ketone,

Carbonsäuren, Ester und Estergemische, Acetate, Ether, Peroxide und Epoxide; c)

schwefelhaltige Kohlenwasserstoffe; d) stickstoffhaltige Kohlenwasserstoffe,

insbesondere Amine, Amide, Nitroso-, Nitro- oder Nitratverbindungen, Nitrile,

Cyanate, Isocyanate; e) phosphorhaltige Kohlenwasserstoffe; f) halogenhaltige

37

Richtlinie 1999/77/EG der Kommission vom 26. Juli 1999 zur sechsten Anpassung von Anhang I der Richtlinie 76/769/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (Asbest). 38

Es ist darauf hinzuweisen, dass die UVP-Richtlinie nur integrierte Anlagen erfasst, die eine Untergruppe der unter die IE-Richtlinie fallenden Anlagen bilden. Darüber hinaus bestehen einige Unterschiede bei den Beschreibungen. Erstens: In der UVP-Richtlinie wird auf organische und anorganische „Grundchemikalien“ Bezug genommen, während die IE-Richtlinie auf den lediglich der Klarstellung dienenden begrifflichen Zusatz „Grund-“ verzichtet. Zweitens: Anhang I Nummer 6 Buchstabe d der UVP-Richtlinie betrifft die „Herstellung von Grundarzneimitteln unter Verwendung eines chemischen oder biologischen Verfahrens“, während sich die IE-Richtlinie auf die „Herstellung von Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden“ bezieht (Anhang I Nummer 4.4).

24

Kohlenwasserstoffe; g) metallorganische Verbindungen; h) Kunststoffe (Polymere,

Chemiefasern, Fasern auf Zellstoffbasis); i) synthetische Kautschuke; j) Farbstoffe und

Pigmente; k) oberflächenaktive Stoffe und Tenside.

Zu den anorganischen Chemikalien gehören: a) Gase wie Ammoniak, Chlor und

Chlorwasserstoff, Fluor und Fluorwasserstoff, Kohlenstoffoxide,

Schwefelverbindungen, Stickstoffoxide, Wasserstoff, Schwefeldioxid, Phosgen; b)

Säuren wie Chromsäure, Flusssäure, Phosphorsäure, Salpetersäure, Salzsäure,

Schwefelsäure, Oleum, schwefelige Säuren; c) Basen wie Ammoniumhydroxid,

Kaliumhydroxid, Natriumhydroxid; d) Salze wie Ammoniumchlorid, Kaliumchlorat,

Kaliumkarbonat, Natriumkarbonat, Perborat, Silbernitrat; e) Nichtmetalle,

Metalloxide oder sonstige anorganische Verbindungen wie Kalziumkarbid, Silicium,

Siliciumkarbid.

„Integriert“, „nebeneinander“ und „in funktioneller Hinsicht miteinander verbunden“

Die ersten Hinweise zur Auslegung der Begriffe „integriert“, „nebeneinander“ und „in

funktioneller Hinsicht miteinander verbunden“ lieferte die Rechtsprechung (siehe

Rechtssache C-133/94, Kommission/Belgien). Der Gerichtshof stellte fest, dass die

Frage, „ob eine chemische Anlage integriert ist, weder von der

Verarbeitungskapazität noch von der Art der chemischen Stoffe ab[hängt], die in

diesem Anlagentyp verarbeitet werden; sie hängt vom Bestehen von

Produktionseinheiten ab, die untereinander verbunden sind und funktionell eine

einzige Produktionseinheit bilden.“ Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Definition

vor der Änderung des Anhangs I Nummer 6 durch die Richtlinie 97/11/EG zur

Anwendung kam.39

Maßgeblich für die Auslegung des Begriffs „Integration“ wäre somit, dass

verschiedene Produktionseinheiten vorhanden sind und eine Verbindung zwischen

verschiedenen Teilen einer chemischen Anlage besteht. Diese funktionelle

Verbindung dürfte in erster Linie über einen Prozessablauf gegeben sein, d. h. die

verschiedenen Einheiten der Anlage dienen einem gemeinsamen Zweck, indem sie

Zwischenprodukte oder Einsatzstoffe (Vorprodukte, Hilfsmittel etc.) für andere

Einheiten herstellen. Sie tragen somit zur Herstellung eines Fertigerzeugnisses (oder

von Fertigerzeugnissen) bei, obwohl ein Teil der in der Anlage hergestellten

Zwischenprodukte oder Einsatzstoffe auch in Verkehr gebracht werden kann.

Zusätzlich kann eine Verbindung über die Infrastruktur (z. B. zu Energiezwecken)

bestehen, doch stellt dies allein noch keine funktionelle Verbindung dar.

Der Begriff „nebeneinander“ bedeutet gemeinhin „Seite an Seite“ oder „in enger

räumlicher Nähe zueinander“. In Anbetracht des weitreichenden Zwecks der

Richtlinie scheint es jedoch nicht notwendig zu sein, dass sich eine

39

Anhang I Nummer 6 der Richtlinie 85/337/EWG vor der Änderung bezog sich auf „Integrierte chemische Anlagen“.

Anhang I Nummer 6

25

Produktionseinheit in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer anderen befindet, da

Vorprodukte in einem anderen Teil der Anlage hergestellt und über eine Pipeline, ein

Förderband oder ein anderes Transportmittel zum Fertigungs- oder

Weiterverarbeitungsbereich befördert werden können. Solche offensichtlich in

unmittelbarem Zusammenhang miteinander stehenden Tätigkeiten sind in

funktioneller Hinsicht mit den anderen in der Anlage stattfindenden Tätigkeiten

verbunden und könnten Auswirkungen auf die Umwelt haben.

„Herstellung im industriellen Umfang“

Anhang I Nummer 6 enthält keine quantitativen Kapazitätsschwellen, sondern nur

einen Verweis auf den „industriellen Umfang“ der Herstellung.

Anhang I der IE-Richtlinie sieht vor, dass die Kommission Leitlinien zur Auslegung des

Begriffs „industrieller Maßstab“ in Bezug auf die in dem Anhang beschriebenen

Tätigkeiten der chemischen Industrie erstellt.

„Chemische Umwandlungsverfahren“

Anhang I Nummer 6 nimmt Bezug auf die Herstellung von Stoffen unter Verwendung

„chemischer Umwandlungsverfahren“ im industriellen Umfang. Der Begriff

„chemische Umwandlungsverfahren“ impliziert, dass während des

Produktionsprozesses eine Umwandlung durch eine oder mehrere chemische

Reaktionen stattfindet. Dasselbe gilt auch für biotechnologische oder biologische

Verfahren, die meistens mit einer chemischen Umwandlung verbunden sind (z. B.

Fermentierung). Tätigkeiten, die nur eine physikalische Weiterverarbeitung

darstellen (z. B. einfaches Vermischen oder Vermengen von Stoffen, die chemisch

nicht miteinander reagieren, Entwässern, Verdünnen, Umpacken von Säuren/Basen),

würden nicht hierunter fallen.

Im Vergleich dazu definiert die IE-Richtlinie in Anhang I Nummer 4 den Begriff

„Herstellung“ im Sinne der chemischen Industrie als „die Herstellung der [unter

dieser Nummer] genannten Stoffe oder Stoffgruppen durch chemische oder

biologische Umwandlung im industriellen Umfang.“

Verwendung des Begriffszusatzes „Grund-“

Mit dem Begriffszusatz „Grund-“40 werden nicht nur solche Chemikalien bezeichnet,

die eine weitere Verarbeitung erfordern, sondern auch bestimmte chemische

Enderzeugnisse (wie synthetischer Kautschuk, Farbstoffe und Pigmente, Polymere

und synthetische Fasern), die auf andere als chemische Weise weiterverarbeitet

werden können (und in diesem Sinne ein Grunderzeugnis darstellen). Auch die

40

Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Beschreibung der Tätigkeiten in Anhang I Nummer 4 der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen der Begriffszusatz „Grund-“ nicht mehr verwendet wird.

Anhang I Nummer 6

26

Herstellung von Chemikaliengemischen könnte als Herstellung von

„Grundchemikalien“ betrachtet werden. So fällt zum Beispiel Biodiesel, der

hauptsächlich aus einer Mischung von Estern besteht, unter den Begriff „chemische

Grunderzeugnisse“, da sich dies auf die Herstellung von Estern bezieht.

Enderzeugnisse, die nicht als „chemische“ Erzeugnisse betrachtet werden können,

fallen dagegen nicht unter den Begriff. Die Herstellung von Reifen aus Gummi und

anderen Stoffen verlangt zwar eine gewisse chemische Weiterverarbeitung, doch

entsteht dabei kein „chemisches Grunderzeugnis“.

Anhang I Nummer 7

(a) Bau von Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken und Flugplätzen mit einer

Start- und Landebahngrundlänge von 2 100 m und mehr;

Bei der Auslegung des Erfassungsbereichs dieser Projektkategorie in Bezug auf

„Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken“ muss die Entscheidung des Gerichtshofs in der

Rechtssache C-227/01, Kommission/Spanien, berücksichtigt werden.

In seinem Urteil kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass ein Projekt zum Bau einer

zusätzlichen Eisenbahnstrecke von 13,2 km Länge, wovon über einen Abschnitt von

7,64 km eine neue Trasse anzulegen ist, und die Teil einer 251 km langen

Eisenbahnlinie ist, in den Anwendungsbereich von Anhang I Nummer 7 fällt. Anhang I

Nummer 7 ist demnach so zu verstehen, dass er sich auch auf den zweigleisigen

Ausbau einer bereits vorhandenen Eisenbahnstrecke bezieht. Ein solcher Ausbau

kann nicht als bloße Änderung eines früheren Projekts angesehen werden.

Das Projekt war Teil des als „Mittelmeer-Korridor“ bekannten größeren Projekts, das

eine 251 km lange Eisenbahnlinie zwischen Valencia und Tarragona entlang der

spanischen Küste betraf. Die spanische Regierung vertrat die Auffassung, dass die

Prüfpflicht nur für den betreffenden Streckenabschnitt galt und dessen Länge nicht

als „Eisenbahn-Fernverkehrstrecke“ gemäß Anhang I Nummer 7 der Richtlinie 85/337

eingestuft werden könne. Der Gerichtshof wies diese Argumentation

uneingeschränkt mit der Begründung zurück, dass die Wirksamkeit der Richtlinie

ernsthaft in Frage gestellt wäre, wenn „die betreffenden nationalen Behörden nur ein

sich über eine längere Entfernung erstreckendes Projekt in mehrere aufeinander

folgende kürzere Abschnitte aufzuteilen brauchten, um sowohl das Projekt als Ganzes

als auch die sich aus dieser Aufteilung ergebenden einzelnen Abschnitte den

Vorschriften dieser Richtlinie zu entziehen“.

In seinem Urteil stellte der Gerichtshof daher fest, dass es auf den Umstand, dass sich

das Projekt nur auf einen kurzen Abschnitt einer Fernverkehrsstrecke bezieht, nicht

ankomme. Da die neue Strecke unbestreitbar geeignet sei, neue erhebliche

Belästigungen zu verursachen, sei es nicht notwendig, konkrete negative

Anhang I Nummer 7

27

Auswirkungen nachzuweisen – die Möglichkeit negativer Auswirkungen genüge, um

festzustellen, dass das Projekt unter die Bestimmungen von Anhang I fällt.41

Was den Begriff „Flugplätze“ betrifft, so enthält die UVP-Richtlinie eine klare

Definition. In Fußnote 1 der Richtlinie heißt es: „,Flugplatz' im Sinne dieser Richtlinie

ist ein Flugplatz gemäß der Begriffsbestimmung des Abkommens von Chicago von

1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (Anhang 14).“

Diesem Abkommen zufolge bezeichnet der Begriff „Aerodrom“ (Flughafen) „ein

abgegrenztes Gebiet auf dem Land oder einem Gewässer (einschließlich Gebäuden,

Anlagen und Ausrüstung), das entweder ganz oder teilweise für die Ankunft, den

Abflug und die Bewegungen von Luftfahrzeugen am Boden bestimmt ist“.

In der Rechtssache C-2/07, Abraham und andere, prüfte der Gerichtshof die Frage, ob

Arbeiten an der Infrastruktur eines schon erbauten Flugplatzes, dessen Start- und

Landebahn bereits über 2 100 m lang ist, in den Anwendungsbereich von Anhang II

Nummer 12 in Verbindung mit Anhang I Nummer 7 der UVP-Richtlinie (in ihrer

ursprünglichen Fassung) fallen. Anhang I Nummer 7 der Richtlinie betrifft den „Bau

von [...] Flugplätzen mit einer Start- und Landebahngrundlänge von 2 100 m und

mehr“. Die Richtlinie enthält jedoch keine Bestimmungen zur Erweiterung eines

Flugplatzes, insbesondere, wenn bei einer solchen Erweiterung die Länge der Start-

und Landebahn nicht verändert wird. In dem fraglichen Fall betraf das Vorhaben eine

Änderung der Infrastruktur des Flugplatzes, den Bau eines Kontrollturms, neue

Abrollwege und Parkzonen sowie Arbeiten zum Ausbau und zur Verbreiterung der

Start- und Landebahnen, ohne ihre Länge zu verändern. Unter Berücksichtigung

dessen, dass ein solches Projekt erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hätte und

die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit dem

Argument, die Länge der Start- und Landebahn würde nicht verändert, umgangen

würde, stellte der Gerichtshof unter Verweis auf das Erfordernis einer

Gesamtbewertung und im Hinblick auf die Sicherstellung der Wirksamkeit der

Richtlinie 85/337/EWG fest, „dass Änderungen eines Flugplatzes mit einer Start- und

Landebahngrundlänge von 2 100 m und mehr somit nicht nur Arbeiten sind, die eine

Verlängerung der Bahn zum Gegenstand haben, sondern vielmehr alle Arbeiten an

Gebäuden, Anlagen oder der Ausrüstung dieses Flugplatzes, sofern sie, insbesondere

aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und ihrer Merkmale, als Änderung des Flugplatzes

selbst anzusehen sind. Das gilt insbesondere für Arbeiten, die dazu bestimmt sind, die

Aktivitäten des Flugplatzes und den Luftverkehr erheblich zu steigern.“ (Randnr. 36).

Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die zuständigen Behörden die geplante

Steigerung der Aktivitäten eines Flugplatzes berücksichtigen müssen, wenn sie die

Auswirkungen der Änderungen auf die Umwelt prüfen, die an der Infrastruktur dieses

Flugplatzes vorgenommen werden sollen, damit der Zuwachs an Tätigkeit

aufgenommen werden kann. Dieser Ansatz wurde in späteren Urteilen unter Verweis

41

Rechtssache C-227/01, Kommission/Spanien, Randnr. 59: „Im Übrigen ist ein Projekt dieser Art unbestreitbar geeignet, neue erhebliche Belästigungen zu verursachen, und sei es auch nur deshalb, weil die Eisenbahnlinie für einen Verkehr mit Geschwindigkeiten von bis zu 220 km/h ausgebaut werden soll.“

28

darauf, dass die entsprechenden Bestimmungen des Anhangs II der UVP-Richtlinie in

Verbindung mit denen des Anhangs I auch Änderungen der Infrastruktur eines

vorhandenen Flugplatzes umfassen, bestätigt (Rechtssache C-275/09, Brussels

Hoofdstedelijk Gewest und andere, und Rechtssache C-244/12, Salzburger

Flughafen).

Die Rechtsprechung zeigt, wie der Gerichtshof die Bestimmung des Anhangs I

Nummer 7 Buchstabe a im Hinblick auf den Begriff „Bau“ ausgelegt hat. Der

Gerichtshof legt die Formulierung „Bau von Flugplätzen“ unter Berücksichtigung von

Arbeiten und physischen Eingriffen weit aus. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass

der Begriff nicht nur Arbeiten an den Start- und Landebahnen eines Flugplatzes

umfasst, sondern „alle Arbeiten an Gebäuden, Anlagen oder der Ausrüstung dieses

Flugplatzes“ (Rechtssache C-2/07, Abraham und andere, Randnr. 36).

Dagegen kann die Verlängerung einer bestehenden Flughafenbetriebsgenehmigung,

ohne dass Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands des Platzes

stattfinden, nicht als Projekt oder Bau im Sinne der Bestimmungen eingestuft werden

(Rechtssache C-275/09, Brussels Hoofdstedelijk Gewest und andere).

b) Bau von Autobahnen und Schnellstraßen;

Die UVP-Richtlinie enthält eine klare Definition des Begriffs „Schnellstraßen“. In

Fußnote 2 heißt es, dass „Schnellstraße“ im Sinne dieser Richtlinie „eine

Schnellstraße gemäß der Begriffsbestimmung des Europäischen Übereinkommens

über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs vom 15. November 1975“

bezeichnet. Nach dem Übereinkommen sind Schnellstraßen „dem

Kraftfahrzeugverkehr vorbehaltene, nur über Anschlussstellen oder besondere

geregelte Kreuzungen erreichbare Straßen, auf denen insbesondere das Halten und

das Parken verboten sind“.42 Diese Definition schließt innerörtliche Straßen nicht von

vornherein aus. In dem genannten Übereinkommen ist auch der Begriff „Autobahn“

definiert, nämlich unter anderem als eine Straße, die für den Verkehr mit

Kraftfahrzeugen besonders bestimmt und gebaut ist, die keine höhengleiche

Kreuzung mit Straßen, Eisenbahn‑ oder Straßenbahnschienen oder Gehwegen hat

und die als Autobahn besonders gekennzeichnet ist.

42

Dem Übereinkommen zufolge bezeichnet „Autobahn“ eine Straße, die nur für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt und gebaut ist, zu der von den angrenzenden Grundstücken aus keine unmittelbare Zufahrt besteht und die

i) für beide Verkehrsrichtungen – außer an einzelnen Stellen oder vorübergehend – besondere Fahrbahnen aufweist, die durch einen nicht für den Verkehr bestimmten Geländestreifen oder in Ausnahmefällen auf andere Weise voneinander getrennt sind,

ii) keine höhengleiche Kreuzung mit Straßen, Eisenbahn- oder Straßenbahnschienen oder Gehwegen hat und

iii) speziell als Autobahn gekennzeichnet ist.

Anhang I Nummer 7

Buchstabe a

Anhang I Nummer 7

Buchstabe a

Anhang I Nummer 7

Buchstabe b

29

In der Rechtssache C-142/07, Ecologistas en Acción-CODA, stellte der Gerichtshof

fest, dass nicht alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind

und sich dieser Verweis daher auf das Übereinkommen in der Fassung bezieht, die

bei Erlass der Richtlinie 85/337/EWG galt, also diejenige vom 15. November 1975

(Randnr. 30).

Im Einklang mit der Rechtsprechung und dem Ziel der UVP-Richtlinie sind Projekte,

die sich auf „städtische“ Straßen beziehen, als Vorhaben anzusehen, die in den

Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie fallen (Rechtssache C-142/07, Ecologistas en

Acción-CODA, Randnummern 31 bis 37).

In seinem Urteil legte der Gerichtshof außerdem den Begriff „Bau“ weit aus, indem er

die Auffassung vertrat, dass Arbeiten zur Erneuerung einer bestehenden Straße

aufgrund ihres Umfangs und der Art, in der sie durchgeführt werden, dem Bau einer

neuen Straße gleichkommen können (Rechtssache C-142/07, Ecologistas en Acción-

CODA, Randnummer 36).

c) Bau von neuen vier- oder mehrspurigen Straßen oder Verlegung

und/oder Ausbau von bestehenden ein- oder zweispurigen Straßen zu vier-

oder mehrspurigen Straßen, wenn diese neue Straße oder dieser verlegte

und/oder ausgebaute Straßenabschnitt eine durchgehende Länge von

10 km oder mehr aufweisen würde.

Anhang I Nummer 8

a) Wasserstraßen und Häfen für die Binnenschifffahrt, die für Schiffe

mit mehr als 1 350 t zugänglich sind;

b) Seehandelshäfen, mit Binnen- oder Außenhäfen verbundene

Landungsstege (mit Ausnahme von Landungsstegen für Fährschiffe) zum

Laden und Löschen, die Schiffe mit mehr als 1 350 t aufnehmen können.

Die Praxis zeigt, dass die Mitgliedstaaten in der Regel sowohl Binnen- als auch

Seehäfen unter diese Projektkategorie fassen.

Was den in dieser Definition verwendeten Kapazitätsparameter betrifft (Schiffe mit

mehr als 1 350 t), so kann darunter die Tragfähigkeit (Deadweight) verstanden

werden.

Die Tragfähigkeit ist das maximale Gesamtzuladungsgewicht eines Schiffs,

einschließlich Ladung, Fahrgäste, Brennstoff usw.; sie wird durch eine seitliche

Lademarke am Schiffsrumpf angezeigt, die nicht im Wasser verschwinden darf, wenn

das Schiff im Wasser liegt.

Anhang I Nummer 8

30

Anhang I Nummer 9

Abfallbeseitigungsanlagen zur Verbrennung, chemischen Behandlung (gemäß der

Definition in Anhang I Nummer D9 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen

Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle43) oder

Deponierung gefährlicher Abfälle wie in Artikel 3 Nummer 2 der genannten

Richtlinie definiert.

Das Ziel der Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG) ist der „Schutz der

Umwelt und der menschlichen Gesundheit [...], indem die schädlichen Auswirkungen

der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die

Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der

Ressourcennutzung verbessert werden“ (Artikel 1).

Die Richtlinie 2008/98/EG hebt die frühere Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle sowie

die Richtlinien 75/439/EWG und 91/689/EWG über Altöl bzw. gefährliche Abfälle auf.

Die Abfallrahmenrichtlinie, die seit dem 12. Dezember 2010 gilt, hat neue

Bestimmungen eingeführt, die im Einklang mit der Abfallhierarchie (Artikel 4) die

Vermeidung, die Wiederverwendung und das Recycling von Abfall fördern sollen.

Zentrale Begriffe, namentlich die Definitionen von Abfall (Artikel 3 Absatz 1),

Verwertung und Beseitigung, werden erläutert. Die Richtlinie legt außerdem

geeignete Verfahren für Nebenprodukte (Artikel 5) und für Abfälle fest, die nicht

mehr als Abfälle anzusehen sind (Artikel 6). Ein Leitfaden44 zu den wichtigsten

Anforderungen der Abfallrahmenrichtlinie steht zur Verfügung.

„Abfall“ im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie bezeichnet „jeden Stoff oder

Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss“

(Artikel 3 Absatz 1).

Die Begriffe „Verwertung“ und „Beseitigung“ werden in der Abfallrahmenrichtlinie

dahingehend erweitert, dass sie nicht mehr nur die in einem Anhang aufgeführten

Verfahren umfassen. „Verwertung“ ist in Artikel 3 Nummer 15 definiert als „jedes

Verfahren, als dessen Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der

weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere

Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion

verwendet worden wären, oder die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese

Funktion erfüllen.“ Anhang II der Abfallrahmenrichtlinie enthält eine nicht

erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren. Dieses Konzept von Verwertung wird

als „übergreifendes Konzept“ beschrieben, das die Vorbereitung zur

Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige stoffliche Verwertung, z. B. die

energetische Verwertung, umfasst.

43

ABl. L 312 vom 22.11.2008, S. 3.

44 http://ec.europa.eu/environment/waste/framework/pdf/guidance_doc.pdf.

Anhang I Nummer 9

31

„Beseitigung“ ist in Artikel 3 Nummer 19 der Abfallrahmenrichtlinie definiert „als

jedes Verfahren, das keine Verwertung ist, auch wenn das Verfahren zur Nebenfolge

hat, dass Stoffe oder Energie zurückgewonnen werden.“ Anhang I der

Abfallrahmenrichtlinie enthält eine nicht erschöpfende Liste von

Beseitigungsverfahren.

Der Begriff „Behandlung“ ist in Artikel 3 Nummer 14 der Abfallrahmenrichtlinie

definiert als „Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren, einschließlich Vorbereitung

vor der Verwertung oder Beseitigung“.

Eines der Hauptziele der Abfallrahmenrichtlinie besteht darin, eine effizientere

Ressourcennutzung zu fördern, indem dazu angeregt wird, Abfall für nützliche

Zwecke zu verwenden. Hierzu sollen im Einklang mit der Abfallhierarchie bevorzugt

solche Verwertungsverfahren gefördert werden, die nicht lediglich einer sicheren

Entsorgung von Abfall dienen, sondern die dazu führen, dass Abfälle so verwendet

werden, dass sie Primärressourcen ersetzen.

Bei der Entscheidung, ob bestimmte Projekte unter diese Projektkategorie fallen,

kann auf Begriffsbestimmungen im EU-Abfallrecht Bezug genommen werden, sofern

in der UVP-Richtlinie ausdrücklich auf sie verwiesen wird (wie im Fall der Begriffe

„chemische Behandlung“ und „gefährliche Abfälle“). Als Leitprinzip sollte dabei das

allgemeine Ziel der UVP-Richtlinie dienen, das darin besteht, dass Projekte, bei denen

mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug

auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Beseitigung“ im Sinne der UVP-Richtlinie

so ausgelegt wird, dass er auch die „Verwertung“ einschließt. Dies wurde vom

Gerichtshof in der Rechtssache C-486/04, Kommission/Italien, bestätigt, in der er die

Auffassung vertrat, dass „der Begriff der Abfallbeseitigung im Sinne der Richtlinie

85/337 ein eigenständiger Begriff ist, dem eine Bedeutung beizumessen ist, die

geeignet ist, den [...] Zweck dieser Richtlinie in vollem Umfang zu erfüllen. Folglich

muss dieser Begriff, der nicht gleichbedeutend ist mit dem der Abfallbeseitigung im

Sinne der Richtlinie 75/442, in einem weiten Sinne dahin verstanden werden, dass er

die Gesamtheit der Vorgänge umfasst, die entweder zur Beseitigung der Abfälle im

engen Wortsinn oder zu deren Verwertung führen“ (Randnr. 44). Somit umfasst diese

Projektkategorie a) Müllverbrennungsanlagen und b) Anlagen für die chemische

Behandlung, wie in Anhang I Nummer D9 der Abfallrahmenrichtlinie definiert, auch

wenn dabei Abfälle einer Verwertung zugeführt werden.

In der Abfallrahmenrichtlinie wird der Begriff „Verbrennung“ verwendet, aber nicht

definiert. Nach Artikel 3 Nummer 40 der IE-Richtlinie bezeichnet

„Abfallverbrennungsanlage“ „jede ortsfeste oder nicht ortsfeste technische Einheit

oder Anlage, die zur thermischen Behandlung von Abfällen mit oder ohne Nutzung der

Verbrennungswärme mittels Verbrennung durch Oxidation von Abfällen und anderen

thermischen Behandlungsverfahren wie Pyrolyse, Vergasung und Plasmaverfahren

Anhang I Nummer 9

32

eingesetzt wird, wenn die bei der Behandlung entstehenden Stoffe anschließend

verbrannt werden“.

Mitverbrennung ist eine Art der Verbrennung, die in besonderen Anlagen

durchgeführt wird und die somit als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die unter

die UVP-Richtlinie fällt.

Was die „chemische Behandlung“ betrifft, so wird in der UVP-Richtlinie ausdrücklich

auf die Definition in Anhang I Nummer D9 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle

verwiesen: „Chemisch-physikalische Behandlung, die nicht an anderer Stelle in diesem

Anhang beschrieben ist und durch die Endverbindungen oder Gemische entstehen, die

mit einem der unter D1 bis D12 aufgeführten Verfahren entsorgt werden (z.B.

Verdampfen, Trocknen, Kalzinieren usw.)“.

In der Abfallrahmenrichtlinie wird der Begriff „Deponierung“ verwendet, aber nicht

definiert. Nach Artikel 2 Buchstabe g der Richtlinie 1999/31/EG ist eine „Deponie“

„eine Abfallbeseitigungsanlage für die Ablagerung von Abfällen oberhalb oder

unterhalb der Erdoberfläche (d. h. unter Tage), einschließlich

— betriebsinterner Abfallbeseitigungsanlagen für die Ablagerung der Abfälle (d. h. Deponien, in denen ein Abfallerzeuger selbst die Abfallbeseitigung am Erzeugungsort vornimmt) und

— einer auf Dauer angelegten (d. h. für länger als ein Jahr eingerichteten) Anlage, die für die vorübergehende Lagerung von Abfall genutzt wird,

jedoch ausgenommen

— Anlagen, in denen Abfälle abgeladen werden, damit sie für den Weitertransport zur Verwertung, Behandlung oder Beseitigung an einem anderen Ort vorbereitet werden können, sowie

— die in der Regel auf eine Dauer von weniger als drei Jahren begrenzte Lagerung von Abfällen vor der Verwertung oder Behandlung oder

— die auf eine Dauer von weniger als einem Jahr begrenzte Lagerung von Abfällen vor der Beseitigung“.

Bei der Definition gefährlicher Abfälle nimmt die UVP-Richtlinie Bezug auf Artikel 3

Nummer 2 der Abfallrahmenrichtlinie, worin „gefährlicher Abfall“ definiert ist als

„Abfall, der eine oder mehrere der in Anhang III [der Abfallrahmenrichtlinie]

aufgeführten gefährlichen Eigenschaften aufweist“.

Anhang I Nummer 10

Abfallbeseitigungsanlagen zur Verbrennung oder chemischen Behandlung (gemäß

der Definition in Anhang I Nummer D9 der Richtlinie 2008/98/EG) ungefährlicher

Abfälle mit einer Kapazität von mehr als 100 t pro Tag.

Anhang I Nummer 10

33

Zur Definition der Begriffe „Beseitigung“, „Abfall“, „chemische Behandlung“ und

„Verbrennung“ siehe den vorigen Abschnitt zu Anhang I Nummer 9.

Anhang I Nummer 11

Grundwasserentnahme- oder künstliche Grundwasserauffüllungssysteme mit

einem jährlichen Entnahme- oder Auffüllungsvolumen von mindestens 10 Mio. m3.

Im Zusammenhang mit dieser Projektkategorie kann der Verweis auf die

Wasserrahmenrichtlinie45 nützlich sein, in der in Artikel 2 Nummer 2 der Begriff

„Grundwasser“ definiert ist als „alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das

in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht“.

Anhang I Nummer 12

a) Bauvorhaben zur Umleitung von Wasserressourcen von einem

Flusseinzugsgebiet in ein anderes, wenn durch diese Umleitung

Wassermangel verhindert werden soll und mehr als 100 Mio. m3/Jahr an

Wasser umgeleitet werden;

b) In allen anderen Fällen Bauvorhaben zur Umleitung von

Wasserressourcen von einem Flusseinzugsgebiet in ein anderes, wenn der

langjährige durchschnittliche Wasserdurchfluss des Flusseinzugsgebiets,

dem Wasser entnommen wird, 2 000 Mio. m3/Jahr übersteigt und mehr als

5 % dieses Durchflusses umgeleitet werden.

In beiden Fällen wird der Transport von Trinkwasser in Rohren nicht berücksichtigt.

In Artikel 2 Nummer 13 der Wasserrahmenrichtlinie wird der Begriff „Einzugsgebiet“

definiert als „ein Gebiet, aus welchem über Ströme, Flüsse und möglicherweise Seen

der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder

Delta ins Meer gelangt“.

Bei der Auslegung des Begriffs „Einzugsgebiet“ würde ein strenger Verweis auf die in

der Wasserrahmenrichtlinie enthaltene Definition den Anwendungsbereich und den

Zweck der UVP-Richtlinie im Hinblick auf die betreffenden Projekte (Anhang I

Nummer 12 und Anhang II Nummer 10 Buchstabe m) einschränken. Zum Beispiel

könnte auch die Umleitung von anderen Wasserressourcen als Einzugsgebieten, etwa

von Teileinzugsgebieten, erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben und müsste

daher einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.

45

Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1.

Anhang I Nummer 12

Anhang I Nummer 11

34

Anhang I Nummer 13

Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Leistung von mehr als 150 000

Einwohnerwerten gemäß der Definition in Artikel 2 Nummer 6 der Richtlinie

91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem

Abwasser

Was die Definition des in „Einwohnerwerten“ festgelegten Schwellenwerts für

Abwasserbehandlungsanlagen betrifft, so wird in Anhang I Nummer 13 der UVP-

Richtlinie explizit auf die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem

Abwasser46 verwiesen. Nach Artikel 2 Nummer 6 dieser Richtlinie bedeutet „1 EW

(Einwohnerwert)“ die „organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem

biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag“.

Anhang I Nummer 14

Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken mit einem

Fördervolumen von mehr als 500 t/Tag bei Erdöl und von mehr als 500 000 m3/Tag

bei Erdgas.

Anhang I Nummer 14 gilt für Tätigkeiten, die sowohl konventionelles als auch

unkonventionelles Erdgas47, darunter Schiefergas, betreffen und den entsprechenden

Schwellenwert überschreiten. Projekte, die unter Anhang I Nummer 14 fallen und

den Schwellenwert übersteigen, müssen zwingend einer

Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Projekte, die unter diesem

Schwellenwert liegen, sind in der UVP-Richtlinie unter Anhang II Nummer 2

Buchstaben d und e aufgeführt.

In der Rechtssache C-531/13, Kornhuber und andere (Randnummern 23-25), kam der

Gerichtshof zu dem Schluss, dass aus dem Zusammenhang und dem Ziel von Anhang I

Nummer 14 folgt, dass sich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht auf

Aufschlussbohrungen erstreckt. Tatsächlich wird darin die Pflicht zur Vornahme einer

Umweltverträglichkeitsprüfung an die geplanten Fördermengen an Erdöl und Erdgas

geknüpft. Zu diesem Zweck sieht die Bestimmung Schwellenwerte vor, die pro Tag

überschritten werden müssen, was darauf hindeutet, dass sie auf Projekte von

46

Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser, ABl. L 135 vom 30.5.1991, S. 40. 47 Der Begriff „unkonventionell“ bezieht sich in erster Linie auf die Merkmale der die

Kohlenwasserstoffe enthaltenden geologischen Lagerstätten oder Gesteinsformationen, die sich von konventionellen Lagerstätten unterscheiden. Diese unkonventionellen Lagerstätten erstrecken sich oft über sehr große Gebiete und sind durch einen geringen Energiegehalt bezogen auf das Gesteinsvolumen sowie durch eine geringe oder sehr geringe Permeabilität gekennzeichnet. Die wesentlichen Arten unkonventioneller fossiler Brennstoffe sind: eingeschlossenes Erdgas (Tight Gas), Schiefergas, Flözgas, Methanhydrat, Tight Oil, Schieferöl, Ölschiefer und Ölsand. [Quelle: Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Folgenabschätzung (SWD/2014/021 final) http://ec.europa.eu/environment/integration/energy/pdf/swd_2014_22_en.pdf].

Anhang I Nummer 13

Anhang I Nummer 14

35

gewisser Dauer abzielt, die die fortgesetzte Förderung relativ bedeutender Mengen

an Kohlenwasserstoffen ermöglichen.

Im Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im

grenzüberschreitenden Rahmen48 (Espoo-Übereinkommen) ist darüber hinaus in

Anhang I Nummer 15 die Offshore-Kohlenwasserstoffförderung aufgeführt. Für diese

Projektkategorie sieht das Espoo-Übereinkommen keinen Schwellenwert vor. Somit

muss eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt

werden, wenn bei der Offshore-Kohlenwasserstoffförderung mit erheblichen,

grenzüberschreitenden nachteiligen Auswirkungen zu rechnen ist.

Anhang I Nummer 15

Stauwerke und sonstige Anlagen zur Zurückhaltung oder dauerhaften Speicherung

von Wasser, in denen über 10 Mio. m3 Wasser neu oder zusätzlich zurückgehalten

oder gespeichert werden.

Anhang I Nummer 16

Pipelines mit einem Durchmesser von mehr als 800 mm und einer Länge

von mehr als 40 km:

a) für den Transport von Gas, Öl, Chemikalien;

b) für den Transport von Kohlendioxidströmen für die Zwecke der

geologischen Speicherung einschließlich der zugehörigen

Verdichterstationen.

Für diese Projektkategorie sind zwei Schwellenwerte festgelegt, die sich auf den

Durchmesser und die Länge beziehen. Beide müssen kumulativ erfüllt sein, damit

Anhang I und somit die Verpflichtung zur Durchführung der obligatorischen

Umweltverträglichkeitsprüfung zur Anwendung kommt. Andernfalls kommt Anhang II

Nummer 10 Buchstabe i zur Anwendung.

Anhang I Nummer 17

Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Geflügel oder Schweinen mit mehr

als

a) 85 000 Plätzen für Masthähnchen und -hühnchen, 60 000 Plätzen

für Hennen;

48

Beschluss des Rates vom 27. Juni 1997 über den Abschluss des Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen im Namen der Gemeinschaft (Espoo-Übereinkommen) (Vorschlag im ABl. C 104 vom 24.4.1992, S. 5; Beschluss nicht veröffentlicht).

Anhang I Nummer 16

36

b) 3 000 Plätzen für Mastschweine (Schweine über 30 kg) oder

c) 900 Plätzen für Sauen.

Die UVP-Richtlinie enthält keine Definitionen der in Anhang I Nummer 17

verwendeten Begriffe. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs49 sind

Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Recht der Union nicht definiert,

entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter

Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, sowie unter

Einbeziehung der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu

bestimmen (siehe Rechtssache C-585/10, Møller, Randnr. 25). Einige dieser Begriffe

wurden inzwischen in anderen EU-Richtlinien definiert (z. B. in der IE-Richtlinie50) und

in mehreren diesbezüglichen Urteilen des Gerichtshofs ausgelegt.

In der Rechtssache C-585/10, Møller, wurde dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob

der Ausdruck „Plätze für Sauen“ im Kontext der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom

24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der

Umweltverschmutzung (IPPC-Richtlinie, aufgehoben durch die IE-Richtlinie) Plätze für

„Jungsauen“ (weibliche Schweine, die zwar bereits gedeckt wurden, jedoch noch

nicht geworfen haben) umfasst. Der Begriff „Sauen“ war in der IPPC-Richtlinie nicht

definiert, doch enthielt eine andere Richtlinie51 entsprechende Definitionen; diese

trafen eine Unterscheidung zwischen Sauen und Jungsauen. In Bezug auf den

gewöhnlichen Sinn des Begriffs „Sau“ stellte der Gerichtshof fest, dass damit

allgemein weibliche Schweine bezeichnet werden. Aus diesem Grund kann nach

Auffassung des Gerichtshofs, ungeachtet dessen, dass manche Begriffe in

verschiedenen Richtlinien definiert sind, der gewöhnliche Sinn dieses Begriffs durch

die Definitionen nicht ausgehöhlt werden. Der Gerichtshof kam daher zu dem

Schluss, dass der Begriff „Plätze für Sauen“ im Sinne der IPPC-Richtlinie und unter

Berücksichtigung ihres weitreichenden Zwecks dahin auszulegen ist, dass er „Plätze

für Jungsauen“ umfasst. Dieselbe Begründung kann sinngemäß bei der Auslegung des

Ausdrucks „Plätze für Sauen“ in Anhang I Nummer 17 Buchstabe c der UVP-Richtlinie

angewendet werden.

In der Rechtssache C-473/07 entschied der Gerichtshof über den Begriff „Plätze“ in

Anhang I Nummer 6.6 Buchstabe a der IPPC-Richtlinie 96/61/EG.52 Der Gerichtshof

erkannte an, dass der Begriff „Platz“ in Nummer 2 der Einleitung des Anhangs I der

49

Rechtssache C--72/95, Kraaijeveld und andere, Randnr. 38; Rechtssache C--549/07, Wallentin-Hermann, Randnr. 17; Rechtssache C--473/07 Association nationale pour la protection des eaux et rivières und OABA, Randnummern 23 und 24; Rechtssache C-585/10 Møller, Randnr. 25. 50

In Artikel 3 Nummer 24 der IE-Richtlinie ist der Begriff „Geflügel“ unter Verweis auf Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/539/EWG des Rates vom 15. Oktober 1990 über die tierseuchenrechtlichen Bedingungen für den innergemeinschaftlichen Handel mit Geflügel und Bruteiern für ihre Einfuhr aus Drittländern definiert, ABl. L 303 vom 31.10.1990, S. 6. 51

Richtlinie 91/630/EWG des Rates vom 19. November 1991 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen (ABl. L 340 vom 11.12.1991, S. 33). 52

Jetzt Nummer 6.6 in Anhang I der IE-Richtlinie.

Anhang I Nummer 17

37

Richtlinie 96/61/EG nicht definiert ist (dasselbe gilt nunmehr für die IE-Richtlinie,

Absatz 1 der Einleitung des Anhang I). In seinem Urteil wies er jedoch darauf hin, dass

sich die in Nummer 2 der Einleitung des Anhangs I „genannten Schwellenwerte …

allgemein auf Produktionskapazitäten oder Leistungen [beziehen]“ (Randnr. 39).

Tatsächlich ist die Festlegung einer Genehmigungsschwelle nach einer

Tieräquivalente-Methode nur vertretbar, wenn sie mit dem Ziel der IPPC-Richtlinie,

die Umweltverschmutzung durch bestimmte Anlagen zu vermeiden oder zu

vermindern, in Einklang steht.

Anhang I Nummer 18

Industrieanlagen zur Herstellung von:

a) Zellstoff aus Holz oder anderen Faserstoffen;

b) Papier oder Pappe mit einer Produktionskapazität von über 20 t pro

Tag;

Anhang I Nummer 19

Steinbrüche und Tagebau auf einer Abbaufläche von mehr als 25 Hektar oder

Torfgewinnung auf einer Fläche von mehr als 150 Hektar

Anhang I Nummer 20

Bau von Hochspannungsfreileitungen für eine Stromstärke von 220 kV oder mehr

und mit einer Länge von mehr als 15 km

Diese Projektkategorie betrifft Projekte, bei denen die Schwellenwertkriterien

kumulativ erfüllt sein müssen (die also für eine Stromstärke von 220 kV oder mehr

und eine Länge von mehr als 15 km ausgelegt sind). Die Praxis zeigt, dass bestimmte

Projektkategorien unter Umständen nur eines der beiden Kriterien erfüllen, nicht

aber das andere. Solche Projekte unterliegen Anhang II Nummer 3 Buchstabe b der

UVP-Richtlinie.

Die Bestimmungen des Anhangs I Nummer 20 sowie des Anhangs II Nummer 3

Buchstabe b der UVP-Richtlinie wurden in der Rechtssache C-300/1353, Iberdrola

Distribución Eléctrica, ausgelegt. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass ein

Projekt, das nur die Erweiterung einer Umspannanlage betrifft, als solches nicht zu

den unter diese Bestimmungen fallenden Projekten gehört, es sei denn, die

Erweiterung sei Teil eines Projekts, das dem Bau einer Hochspannungsfreileitung

dient, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

53

Rechtssache C-300/13, Iberdrola Distribución Eléctrica.

38

In der Rechtssache C-205/08, Alpe Adria, befasste sich der Gerichtshof mit der

Auslegung des Anhangs I Nummer 20 im Rahmen eines grenzüberschreitenden

Projekts zum Bau einer Hochspannungsfreileitung für eine Stromstärke von 220 kV

oder mehr und mit einer Länge von mehr als 15 km. Auf das Hoheitsgebiet des den

Gerichtshof anrufenden Mitgliedstaats entfiel dabei ein Abschnitt mit einer Länge

von weniger als 15 km.

Konkret betraf das fragliche Projekt die Errichtung einer 48,4 km langen

Stromfreileitung für 220 kV und eine Nennleistung von 300 MVA. Das Projekt fällt

somit unter Anhang I Nummer 20 der UVP-Richtlinie und ist folglich einer

Umweltverträglichkeitsprüfung nach Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 4 Absatz 1 dieser

Richtlinie zu unterziehen.

Wie der Gerichtshof festgestellt hat, darf das Ziel der UVP-Richtlinie nicht durch die

Aufsplitterung eines Projekts umgangen werden. Die Nichtberücksichtigung der

kumulativen Wirkung mehrerer Projekte darf in der Praxis nicht zur Folge haben, dass

die Projekte insgesamt der Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung

entzogen werden, obwohl sie zusammengenommen „erhebliche Auswirkungen auf

die Umwelt“ im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der UVP-Richtlinie haben können.

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten die UVP-Richtlinie so ausführen, dass sie

dabei in vollem Umfang den Anforderungen entsprechen, die die Richtlinie im

Hinblick auf ihr wesentliches Ziel aufstellt, das nach Artikel 2 Absatz 1 darin besteht,

dass Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres

Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung

der Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden

(vgl. in diesem Sinne das Urteil in der Rechtssache Ecologistas en Acción-CODA,

Randnr. 33).

Der Gerichtshof kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die UVP-Richtlinie von

einer Gesamtbewertung der Auswirkungen von Projekten auf die Umwelt ausgeht,

unabhängig davon, ob es sich möglicherweise um ein grenzüberschreitendes Projekt

handelt. Daraus folgt, dass die von Anhang I der Richtlinie 85/337 erfassten Projekte,

die sich auf das Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erstrecken, der Anwendung

dieser Richtlinie nicht aus dem alleinigen Grund entzogen werden können, dass die

Richtlinie keine ausdrückliche Bestimmung über solche Projekte enthält. Eine solche

Ausnahme würde das von der Richtlinie 85/337 verfolgte Ziel stark beeinträchtigen.

Ihre praktische Wirksamkeit wäre nämlich ernsthaft in Frage gestellt, wenn die

zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung über die Frage, ob

ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, den in

einem anderen Mitgliedstaat durchzuführenden Teil des Projekts außer Acht lassen

dürften (vergleiche entsprechend die Rechtssache C-227/01, Kommission/Spanien,

Randnr. 53, und Rechtssache C-205/08, Alpe Adria, Randnummern 54-55).

Anhang I Nummer 20

Anhang I Nummer 20

39

Anhang I Nummer 21

Anlagen zur Lagerung von Erdöl, petrochemischen und chemischen Erzeugnissen

mit einer Kapazität von 200 000 Tonnen und mehr.

Anhang I Nummer 22

Speicherstätten gemäß der Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments

und des Rates vom 23. April 2009 über die geologische Speicherung von

Kohlendioxid.54

Anhang I Nummer 23

Anlagen für die Abscheidung von CO2-Strömen zum Zwecke der geologischen

Speicherung gemäß der Richtlinie 2009/31/EG aus unter diesen Anhang fallenden

Anlagen oder mit einer jährlichen CO2-Abscheidung von insgesamt mindestens

1,5 Megatonnen.

Anhang I Nummer 24

Jede Änderung oder Erweiterung von Projekten, die in diesem Anhang aufgeführt

sind, wenn sie für sich genommen die Schwellenwerte, sofern solche in diesem

Anhang festgelegt sind, erreicht.

Diese Projektkategorie wurde durch die Richtlinie 2003/35/EG eingeführt.

Ursprünglich waren in der Richtlinie 85/337/EWG Änderungen bestehender Projekte

mit Ausnahme des Verweises in Anhang II Nummer 12 („Änderung von Projekten des

Anhangs I sowie Projekten des Anhangs I, die ausschließlich oder überwiegend der

Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren oder Erzeugnisse dienen und nicht

länger als ein Jahr betrieben werden“) nicht explizit erfasst. Richtlinie 97/11/EG zur

Änderung der Richtlinie 85/337/EWG fügte Anhang II Nummer 13 ein, um

Änderungen bestehender Projekte des Anhangs I und II zu erfassen: „Die Änderung

oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der

Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche

nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können.“

Richtlinie 2003/35/EG zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG fügte in Anhang I

Nummer 22 die nachstehende neue Kategorie ein: „Jede Änderung oder Erweiterung

von Projekten, die in diesem Anhang aufgeführt sind, wenn sie für sich genommen die

Schwellenwerte, sofern solche in diesem Anhang festgelegt sind, erreicht.“

Änderungen oder Erweiterungen von Projekten des Anhangs I, die die

Schwellenwerte überschreiten, sind danach einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu

unterziehen. Änderungen oder Erweiterungen bestehender Projekte, die unterhalb

54

ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114.

Anhang I Nummer 24

40

der Schwellenwerte liegen oder für die keine Schwellenwerte bestehen, fallen unter

Anhang II.55

Die Änderungen, die der Wortlaut der UVP-Richtlinie im Laufe der Zeit in Bezug auf

die Änderung von Projekten erfahren hat, spiegeln die Rechtsprechung des

Gerichtshofs zu dieser Thematik wider. Der Gerichtshof hat sich mehrfach mit der

Frage befasst, ob ein Vorhaben als neues Projekt oder als Änderung eines

bestehenden auszulegen ist und in welcher Beziehung das Projekt dann zu den

Anforderungen des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie steht.

In der Rechtssache C-431/92, Kommission/Deutschland („Großkrotzenburg“),

gelangte der Gerichtshof zu dem Schluss, dass das fragliche Projekt – die Errichtung

eines mit einer bestehenden Anlage in Zusammenhang stehenden Wärmekraftwerks

mit einer Wärmeleistung von 500 Megawatt – nicht der Nummer 12 des Anhangs II

(vor Änderung durch die Richtlinie 97/11/EG) zugeordnet werden kann, die

Änderungen von Projekten des Anhangs I betrifft und bei der die Prüfung optional ist.

Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass die Bestimmung in Anhang I Nummer 2,

wonach Projekte von Wärmekraftwerken mit einer Wärmeleistung von mindestens

300 MW einer Prüfung zu unterziehen sind, dahingehend auszulegen ist, dass solche

Projekte geprüft werden müssen, unabhängig davon, ob sie eigenständig ausgeführt

werden, einer bestehenden Anlage hinzugefügt werden oder mit dieser in einem

engen funktionellen Zusammenhang stehen (Randnummern 34-36).

In der Rechtssache C-227/01, Kommission/Spanien, befand der Gerichtshof, dass

Anhang I Nummer 7 der Richtlinie (in Bezug auf „Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken“)

so zu verstehen ist, dass diese Projektkategorie auch den zweigleisigen Ausbau einer

bereits vorhandenen Eisenbahnstrecke einschließt (Randnummer 48). Der

Gerichtshof verwies dazu auf den umfassenden Anwendungsbereich und den

weitreichenden Zweck der Richtlinie sowie auf ihr wesentliches Ziel, das darin

besteht, „dass Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder

ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor

Erteilung der Genehmigung zwingend einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen

unterzogen werden“ (Randnummer 47). In Randnummer 49 des Urteils heißt es

außerdem: „Ein Projekt dieser Art kann nämlich erhebliche Auswirkungen auf die

Umwelt im Sinne dieser Richtlinie haben, da es z. B. geeignet ist, die Fauna und Flora,

die Zusammensetzung der Böden oder die Landschaft nachhaltig zu beeinträchtigen

oder etwa zu beträchtlichen Lärmbelästigungen zu führen; es ist daher in den

Anwendungsbereich dieser Richtlinie einzubeziehen. Es würde einen

schwerwiegenden Verstoß gegen den mit der Richtlinie 85/337 verfolgten Zweck

bedeuten, wenn ein solches Projekt des Baus einer neuen Eisenbahnstrecke, auch

wenn sie parallel zu einer bereits vorhandenen Strecke verläuft, der Verpflichtung zur

55

Projekte des Anhangs I, für die in der Richtlinie keine Schwellenwerte festgelegt sind, werden dagegen nicht von diese Projektkategorie erfasst (Anhang I Nummer 2 Buchstabe b, Nummern 3, 4, 6, 7 Buchstabe a (Eisenbahnen) und Buchstabe b, Nummern 9, 18 Buchstabe a und Nummer 22).

Anhang I Nummer 24

41

Durchführung einer Prüfung ihrer Auswirkungen auf die Umwelt entzogen werden

könnte. Ein solches Projekt kann somit nicht als eine bloße Änderung eines früheren

Projekts im Sinne von Anhang II Nummer 12 dieser Richtlinie angesehen werden.“

Der nachstehende Kasten enthält ein Beispiel für die Erweiterung von Projekten. Das

Projekt entstammt einer Projektkategorie des Anhangs I, für die ein Schwellenwert

festgelegt ist. Das Beispiel soll verdeutlichen, unter welchen Bedingungen ein Projekt

unter Anhang I Nummer 24 beziehungsweise unter Anhang II Nummer 13 der UVP-

Richtlinie fällt.

Kasten 1 Beispiel

1. Ein bestehender Flughafen mit einer Start- und Landebahngrundlänge von mehr als

2 100 m wird umgebaut; eine neue Start- und Landebahn mit einer Länge von mehr als

2 100 m wird hinzugefügt => Anhang I Nummer 24 => UVP.

2. Ein bestehender Flughafen mit einer Start- und Landebahngrundlänge von mehr als

2 100 m wird umgebaut; eine neue Start- und Landebahn mit einer Länge von weniger als

2 100 m wird hinzugefügt und/oder die bestehende Start- und Landebahn wird auf 2 400 m

verlängert => Anhang II Nummer 13=> Screening.

3. Ein bestehender Flughafen mit einer Start- und Landebahngrundlänge von weniger als

2 100 m wird umgebaut; eine neue Start- und Landebahn mit einer Länge von mehr als

2 100 m wird hinzugefügt => Anhang I Nummer 24 => UVP.

4. Ein bestehender Flughafen mit einer Start- und Landebahngrundlänge von weniger als

2 100 m wird umgebaut; die bestehende Start- und Landebahn von weniger als 2 100 m

Länge (1 000 m) wird auf 3 100 m verlängert (die Änderung hat somit einen Umfang von

2 100 m) => Anhang I Nummer 24 => UVP.

5. Ein bestehender Flughafen mit einer Start- und Landebahngrundlänge von weniger als

2 100 m wird umgebaut; die bestehende Start- und Landebahn von weniger als 2 100 m

Länge (1 800 m) wird auf 2 400 m verlängert (die Änderung hat somit einen Umfang von

600 m) => Anhang II Nummer 13 => Screening.

42

3.3 Projekte des Anhangs II gemäß Artikel 4 Absatz 2 der UVP-

Richtlinie

Kasten 2 Die Überschriften der Projektkategorien

Anhang II Nummer 1 Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischzucht

a) Flurbereinigungsprojekte

Die Beschreibungen der unter diese Kategorie fallenden Projekte unterscheiden sich

von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Zur Klarstellung enthalten die Leitfäden einiger

Mitgliedstaaten Beispiele von Projekten, die unter diese Kategorie fallen. So

beschreiben einige Mitgliedstaaten diese Flurbereinigungsprojekte als „Projekte, bei

denen ländlicher Grundbesitz physisch umstrukturiert wird, einschließlich Schaffung

oder Beseitigung von Feldgrenzen und Neumodellierung des Geländes durch

Hinzufügen, Entfernen oder Umverteilen von Erde oder anderem Material.“

Einige Mitgliedstaaten haben Schwellenwerte oder Kriterien für das Screening

solcher Projekte festgelegt. Zum Beispiel unterwerfen sie Flurbereinigungsprojekte

einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn die Änderung der Flurgrenzen einen

Umfang von vier Kilometern oder mehr hat, wenn Erde oder anderes Material mit

einem Volumen von 10 000 m3 oder mehr bewegt wird oder wenn eine Fläche von

100 Hektar oder mehr auf sonstige Weise umstrukturiert wird. Liegt das Projekt in

einem empfindlichen Gebiet, unterliegt es strengeren Auflagen; die Schwellenwerte

verringern sich für Änderungen an Flurgrenzen auf zwei Kilometer oder mehr, für das

Volumen an Erde oder anderem Material auf 5 000 m3 oder mehr und für die von

sonstigen Umstrukturierungen betroffene Fläche auf 50 Hektar oder mehr.

Ein weiteres Beispiel ist das Screening auf Einzelfallbasis, wenn das

Flurbereinigungsprojekt eine Fläche von mehr als 200 Hektar betrifft. Liegt das

Die Überschriften der Kategorien, zu denen die unter Anhang II fallenden Projekte

zusammengefasst sind, bilden keine eigene Projektkategorie und tragen daher nicht zu deren

Definition bei. Sie sind somit als erklärende Überschriften anzusehen, die den Zweck haben,

verwandte Projekte logisch zusammenzufassen. Der Gerichtshof erkannte dies in seinem Urteil

in der Rechtssache C-66/06, Kommission/Irland, an. Darin stellt er fest: „... es ist darauf

hinzuweisen, dass Projekte, die unter Anhang II Nummer 1 Buchstaben a bis c der UVP-Richtlinie

fallen, in der Praxis eng miteinander verwandt sind; so führt die Entwässerung von

Feuchtgebieten häufig dazu, dass naturnahe Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt werden“

(Randnr. 72).

Demnach darf der Umstand, dass Projekte zur „Landgewinnung am Meer“ unter der Überschrift

„Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischzucht“ aufgeführt sind, nicht so ausgelegt werden,

dass Projekte zur Landgewinnung am Meer, die in anderen Bereichen stattfinden, z. B. im

Rahmen von Städtebauprojekten, von der Prüfpflicht ausgenommen sind.

Anhang II

Nummer 1

Buchstabe a

43

Projekt in einem geschützten Gebiet, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung

obligatorisch, wenn es eine Fläche von mehr als 100 Hektar betrifft.

In der Rechtssache C-66/06, Kommission/Irland, prüfte der Gerichtshof die von Irland

für diese Projektkategorie festgelegten Schwellenwerte. Der Gerichtshof kam zu dem

Schluss, dass der Schwellenwert von 100 Hektar im Zusammenhang mit

Flurbereinigungsprojekten und Projekten zur Verwendung von Ödland und

naturnahen Flächen zu intensiver Landwirtschaftsnutzung sowie die Schwellenwerte

von 1 000 Hektar für Flusseinzugsgebiete und 20 Hektar für betroffene Feuchtgebiete

im Zusammenhang mit wasserwirtschaftlichen Projekten in der Landwirtschaft

gemäß Nummer 1 Buchstabe c nicht geeignet sind, erhebliche Auswirkungen auf die

Umwelt, mit denen aufgrund der Art oder des Standorts der Projekte gerechnet

werden muss, zu verhindern, da die Projekte wahrscheinlich beträchtliche oder sogar

irreversible Auswirkungen auf Umweltfaktoren wie die Fauna und Flora sowie das

Natur- und Kulturerbe haben. Die durchschnittliche Feldgröße in Irland zum

damaligen Zeitpunkt belief sich auf rund 2,4 Hektar. Die Festlegung eines

Schwellenwerts von 100 Hektar für Flurbereinigungsprojekte bewirkt nach

Auffassung des Gerichtshofs daher, dass ein Projekt zur Zusammenlegung von rund

40 Feldern, das die Zerstörung zahlreicher Hecken und anderer Abgrenzungen zur

Folge hätte, ohne Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt werden kann, obwohl

es aufgrund seiner Art erhebliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat

(Randnummern 67-70).

b) Projekte zur Verwendung von Ödland oder naturnahen Flächen zu

intensiver Landwirtschaftsnutzung

Die Entscheidung darüber, welche spezifischen landwirtschaftlichen Verfahren und

welche Arten von Flächen unter dieser Projektkategorie erfasst werden, fällt in

Anbetracht der Vielfalt an Landnutzungen und landwirtschaftlichen Verfahren in den

verschiedenen Teilen Europas zwangsläufig von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat

verschieden aus Einige Länder haben in ihre Leitfäden Aufstellungen der relevanten

landwirtschaftlichen Verfahren und Lebensräume aufgenommen, um klarzustellen,

wie diese Kategorie auszulegen ist.

Was den Begriff „intensiv“ im Rahmen dieser Projektkategorie betrifft, so schließt er

alle Verfahren zur signifikanten Verbesserung der Bodenqualität ein, die das Ziel

haben, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern oder zu „intensivieren“. Als

„Ödland“ gelten alle Flächen, die zum Zeitpunkt der Prüfung nicht landwirtschaftlich

genutzt werden. Flächen, die vorübergehend nicht bewirtschaftet werden

(Brachland, Dauergrünland), sind jedoch in der Regel den „landwirtschaftlich

genutzten Flächen“56 zuzurechnen.

56 Diese Flächen kommen für Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates in Betracht. Nach Artikel 6 dieser Verordnung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass

Anhang II

Nummer 1

Buchstabe b

44

Die Definition, was unter „naturnahen Flächen“ zu verstehen ist, wird in Anbetracht

dessen, dass sie sich auf den Schätzwert verschiedenartiger Flächen in der gesamten

EU bezieht, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausfallen. Der Begriff

„naturnah“ weist auf einen gewissen menschlichen Einfluss hin, der (ungeachtet des

Zeitpunkts der Einflussnahme) verhindert, dass eine Fläche „natürlich“ ist, obwohl sie

weiterhin viele natürliche Eigenschaften aufweist. So fallen zum Beispiel in einem

Mitgliedstaat naturnahe Wälder aus einheimischen Bäumen und Gehölzen, die durch

natürliche Regeneration oder Stockausschlag anstatt durch Pflanzung entstanden

sind, unter diese Kategorie. In vielen Mitgliedstaaten dürfte der Begriff „naturnah“

auf einen Großteil des ländlichen Raums anwendbar sein, obwohl sich der Umfang

der Bewirtschaftung unterscheiden wird.

Die Definition, welche Flächen als „naturnah“ gelten, wird in der Praxis

möglicherweise auch davon abhängen, wie die für Biodiversität oder die Ausweisung

von Naturschutzgebieten zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Bedeutung

von Lebensräumen und Gebieten (oder Merkmalen) mit hohem Biodiversitätswert

für die weiträumigere Landschaft (z. B. Teiche, kleine Feuchtgebiete, alte Hecken,

Baumbestandsmuster) bewerten. Weitere potenziell relevante Umweltfaktoren

müssen unter Umständen von anderen Behörden geprüft werden, zum Beispiel von

den mit der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten oder dem Schutz

archäologischer Stätten befassten Behörden. Somit besteht zwar ein gewisser

Ermessensspielraum, doch sollte der Schwerpunkt auf der Ermittlung solcher Gebiete

liegen, in denen sich natürliche Bedingungen widerspiegeln und die einen inhärenten

Wert für den Naturschutz und die Umwelt haben, der durch landwirtschaftliche

Nutzungsvorhaben, die auf eine Intensivierung der landwirtschaftlichen

Bewirtschaftungsverfahren abzielen, verloren ginge. Einen wichtigen Anhaltspunkt

dafür, welche Lebensraumtypen unter den Begriff „naturnahe Flächen“ von hohem

Erhaltungswert fallen können, bieten die unter die Habitatrichtlinie57 fallenden

Lebensraumtypen sowie die Lebensräume der in der Vogelschutzrichtlinie58

ausgewiesenen Arten. Einige Mitgliedstaaten haben für diese Art von Projekten

Schwellenwerte festgelegt. Die Schwellenwerte variieren, je nachdem, ob sich die

Projekte innerhalb oder außerhalb empfindlicher Gebiete befinden.

Zum Beispiel unterliegen Projekte auf Ödland oder naturnahen Flächen einem

Screening, wenn die Fläche des von dem Projekt unmittelbar betroffenen Ödlands

oder die unmittelbar betroffene naturnahe Fläche zwei Hektar oder mehr beträgt.

Die zuständige nationale Behörde kann jedoch entscheiden, dass auch ein Projekt,

das diesen Schwellenwert nicht erreicht, erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt

diese Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten bleiben und dass als Dauergrünland genutzte Flächen als Dauergrünland erhalten bleiben. 57

Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie

der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7, in ihrer geänderten Fassung.

58 Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten,

ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7.

Anhang II

Nummer 1

Buchstabe b

45

hat und daher einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Weitere

Beispiele aus den Mitgliedstaaten zeigen, dass eine Prüfung obligatorisch ist, wenn

die Projekte eine Fläche von mehr als 10 ha Ödland oder naturnaher Flächen

betreffen, sofern diese in Gebieten liegen, die nach nationalen Rechtsvorschriften

geschützt sind, während für dieselben Projekte außerhalb geschützter Gebiete das

Verfahren des Screenings angewendet wird.

c) Wasserwirtschaftliche Projekte in der Landwirtschaft, einschließlich

Bodenbe- und -entwässerungsprojekte

d) Erstaufforstungen und Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in

eine andere Bodennutzungsart

Der Begriff „Umwandlung“ bezieht sich auf jede Flächenumnutzung.

Die von den Mitgliedstaaten für diese Projektkategorie festgelegten Schwellenwerte

weichen aufgrund ihrer unterschiedlichen Auswirkungen auf die Umwelt oftmals

voneinander ab. Zum Beispiel müssen in einem Mitgliedstaat Aufforstungen ab einer

Fläche von 20 ha und Abholzungen ab einer Fläche von 5 ha zwingend einer

Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. In einem anderen Mitgliedstaat

erfordern Abholzungen ab einer Fläche von 20 ha eine obligatorische Prüfung und

Erweiterungen bereits genehmigter Abholzungsprojekte, die eine Fläche von 20 ha

oder mehr betreffen und um eine Fläche von 5 ha oder mehr erweitert werden

sollen, ein Screening. Es können auch noch weitere Kriterien eingeführt werden, die

ein Screening auslösen, zum Beispiel die Empfindlichkeit des Gebiets oder die Art des

Baumbestandes.

Die Flächenumnutzung an sich stellt kein Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie dar, da

ein Projekt die Errichtung von Anlagen oder sonstige Eingriffe impliziert.

e) Anlagen zur Intensivtierhaltung (nicht durch Anhang I erfasste

Projekte)

Diese Projektkategorie umfasst Anlagen zur konzentrierten Tierhaltung in speziell zu

diesem Zweck errichteten Gebäuden oder auf Flächen, die überdacht oder im Freien

für diese Tätigkeit bestimmt sind.

Bei der Auslegung des Begriffs „intensiv“ gelten ähnliche Erwägungen wie im Fall der

intensiven Fischzucht (siehe Anhang II Nummer 1 Buchstabe f).

Da sich die unter Anhang II Nummer I Buchstabe e aufgeführte Projektkategorie auf

keine bestimmte Tierart bezieht, ist ihr Anwendungsbereich nicht auf die in Anhang I

Nummer 17 aufgeführten Tiere, d. h. Schweine und Geflügel, beschränkt. In der

ungeänderten Fassung der Richtlinie 85/337/EWG waren in Anhang II nur „Betriebe

mit Stallplätzen für Geflügel“ (Anhang II Nummer 1 Buchstabe e) sowie „Betriebe mit

Stallplätzen für Schweine“ (Anhang II Nummer 1 Buchstabe f) aufgeführt. Seit den

Änderungen durch die Richtlinie 97/11/EG bezieht sich jedoch Anhang II Nummer 1

Anhang II Nummer 1

Buchstabe e

Anhang II Nummer 1

Buchstabe d

46

Buchstabe e nicht länger auf bestimmte Tierarten, so dass es in Anbetracht des

ausgedehnten Anwendungsbereichs und des weitreichenden Zwecks der Richtlinie59

notwendig sein kann, die Haltung weiterer Tierarten in diese Kategorie

einzubeziehen.60 Die Tierarten werden dabei von den Tätigkeiten abhängen, die in

den Mitgliedstaaten konkret durchgeführt werden.

So beziehen die nationalen UVP-Rechtsvorschriften in mehreren Mitgliedstaaten

explizit die Intensivhaltung von Kälbern und Rindern in diese Kategorie ein. In

mindestens einem Mitgliedstaat umfasst diese Projektkategorie neben anderen

Arten die Haltung von Kaninchen, Enten, Gänsen und Pferden. In einem weiteren

Mitgliedstaat fallen auch Strauße und straußähnliche Vögel unter diese Kategorie.

In letzterem Fall ist ein vollständiges Screening erforderlich, wenn das Projekt

Stallplätze für 1 000 oder mehr Strauße und straußähnliche Vögel betrifft. In

demselben Mitgliedstaat sind auch Projekte mit 60 000 bis 85 000 Stallplätzen für

anderes Geflügel als Hennen einem vollständigen Screening unterworfen. Unterhalb

dieser Schwellenwerte wird ein vereinfachtes Screening durchgeführt.

Unter diese Projektkategorie fallen nur Tätigkeiten, die ein „Projekt“ im Sinne der

UVP-Richtlinie darstellen. In diesem Zusammenhang kann das Urteil des Gerichtshofs

in der Rechtssache C-392/96, Kommission/Irland, aufschlussreich sein, auch wenn

dieser Fall andere Projektkategorien betraf, nämlich Anhang II Nummer 1

Buchstaben b und d der Richtlinie 85/337/EWG vor ihrer Änderung („Projekte zur

Verwendung von Ödland oder naturnaher Flächen zu intensiver

Landwirtschaftsnutzung“ und „Erstaufforstungen, wenn sie zu ökologisch negativen

Veränderungen führen können, und Rodungen zum Zwecke der Umwandlung in eine

andere Bodennutzungsart“). In den Randnummern 80 und 81 des Urteils wertete der

Gerichtshof die Schafhaltung zwar als eine Nutzungsart, die „ungünstige

Auswirkungen auf die Umwelt haben kann“. Doch stellte er weiter fest, dass „die

Kommission nicht den Nachweis erbracht [hat], dass die in Irland praktizierte

Schafhaltung ein Projekt im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie darstellt.“

f) Intensive Fischzucht

Die intensive Fischzucht impliziert die Verwendung von Techniken, die die Produktion

der betreffenden Art bis zur Ernte bzw. zum Fang über das unter natürlichen

Umwelt- und Aufzuchtbedingungen mögliche Maß hinaus steigern sollen.

Typischerweise wird dabei ein Mischfuttermittel zugesetzt, um den durch die

Haltungsdichte bedingten Mangel an natürlich verfügbarer Nahrung auszugleichen.

59

Siehe die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, zum Beispiel in der Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, Randnr. 31. 60

Insbesondere sollte das allgemeine Ziel der Richtlinie beachtet werden, das gemäß Artikel 2 Absatz 1 darin besteht, dass Projekte, „bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, [...] einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.“

Anhang II Nummer 1

Buchstabe f

47

Haltungstechniken, die auch bei nicht intensiver Zucht verwendet werden, darunter

der Einsatz von Arzneimitteln und die Belüftung des Wassers, um den Bedürfnissen

der Tiere gerecht zu werden und ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen

sicherzustellen, können ebenfalls zur Anwendung kommen. Abfallprodukte sollten

ebenfalls auf angemessene Weise behandelt werden. Da die UVP-Richtlinie

diesbezüglich keine Angaben macht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Kategorie

sowohl die Süßwasserfischzucht als auch die Meeresfischzucht umfassen kann.

In der Praxis haben sich Fragen zur Verwendung des Begriffs „intensive Fischzucht“,

zum Verhältnis zwischen intensiver und „extensiver Fischzucht“ sowie zum Begriff

„Aquakultur“ ergeben.

Der Begriff „Aquakultur“ bezieht sich auf die Züchtung von Wasserorganismen in

Meeres- oder Süßwasser in einem allgemeinen Sinne. Dies umfasst Algen,

Weichtiere, Krebstiere und Flossenfische. Die Begriffe „Fischzucht“ und „Aquakultur“

werden synonym verwendet, obwohl ersterer in der Regel die Züchtung von

Flossenfischen bezeichnet. Der Begriff „intensive Fischzucht“ bezieht sich somit auf

eine Untergruppe der Aquakulturtätigkeiten, bei der die erzeugte Biomasse

diejenige, die auf natürliche Weise ohne Zusatz von Futtermittel erzeugt werden

könnte, übersteigt. Viele der in Intensivhaltung gezüchteten Arten können auch

extensiv gehalten werden; dabei werden keine zusätzlichen Futtermittel verabreicht,

die Besatzdichten sind geringer und die Gehege erstrecken sich über größere

Flächen, um es den Tieren zu ermöglichen, ihren Futterbedarf auf natürlichem Weg

zu decken. Diese Methode wird oftmals bei Süßwasserfischen wie Karpfen

angewendet. Die Züchtung von Algen und Weichtieren erfolgt in der Regel in

extensiven Aquakulturen61.

In der Verordnung über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds62 wird ein

„Fisch- und Aquakulturwirtschaftsgebiet“ definiert als „ein vom Mitgliedstaat als

solches ausgewiesenes Gebiet, das an einem Meeres-, Fluss- oder Seeufer liegt oder

Teiche oder ein Flusseinzugsgebiet umfasst und einen hohen Grad an Beschäftigung

in der Fischerei oder Aquakultur aufweist und das aus geografischer, wirtschaftlicher

und sozialer Sicht eine funktional zusammenhängende Einheit bildet“ (Artikel 3

Begriffsbestimmungen).

Einige Mitgliedstaaten wenden Schwellenwerte für diese Projektkategorie an, die

verschiedene Aspekte dieser Tätigkeit betreffen, beispielsweise die Fläche der

Zuchtanlagen (z. B. Anlagen mit einer Fläche von mehr als 5 ha), die

Gesamterzeugungsleistung (z. B. Anlagen mit einer jährlichen Erzeugungsleistung von

61

Leitlinien für nachhaltige Aquakulturtätigkeiten im Rahmen des Natura-2000-Netzes enthält der von der Kommission herausgegebene Leitfaden für Aquakultur und Natura 2000 [http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/Aqua-N2000 %20guide.pdf]. 62

Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2328/2003, (EG) Nr. 861/2006, (EG) Nr. 1198/2006 und (EG) Nr. 791/2007 des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 1255/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates.

48

mehr als 100 Tonnen Fisch), die Erzeugungsleistung pro Hektar (z. B. Karpfenteiche

mit einer Erzeugungsleistung von mehr als 4 Tonnen Karpfen pro Hektar Teichfläche)

oder Futtermittelverbrauch (z. B. Anlagen mit einem Verbrauch von mehr als 2 000

kg Trockenfutter pro Jahr).

g) Landgewinnung am Meer.

Anhang II Nummer 2 Bergbau

a) Steinbrüche, Tagebau und Torfgewinnung (nicht durch Anhang I

erfasste Projekte);

b) Untertagebau;

c) Gewinnung von Mineralien durch Baggerung auf See oder in

Flüssen;

d) Tiefbohrungen, insbesondere:

i) Bohrungen zur Gewinnung von Erdwärme,

ii) Bohrungen im Zusammenhang mit der Lagerung von Kernabfällen,

iii) Bohrungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung,

ausgenommen Bohrungen zur Untersuchung der Bodenfestigkeit;

Anhang II Nummer 2 Buchstabe d der UVP-Richtlinie enthält eine Liste von

Tiefbohrungen, die jedoch lediglich als Anhaltspunkt gedacht ist. Die Verwendung

des Begriffs „insbesondere“ in der Richtlinie weist darauf hin, dass die Aufzählung

Hinweischarakter hat und nicht erschöpfend ist. Sie gilt sowohl für

Aufschlussbohrungen als auch für Bohrungen zur Gewinnung von Rohstoffen. In der

Rechtssache C-531/13, Kornhuber und andere, entschied der Gerichtshof, dass

Aufschlussbohrungen eine Form der Tiefbohrung im Sinne von Anhang II Nummer 2

Buchstabe d darstellen.

Von besonderer Wichtigkeit war die Frage nach der Definition des Begriffs

„Tiefbohrung“ im Zusammenhang mit Projekten zur Exploration und Gewinnung

unkonventioneller Kohlenwasserstoffe, vor allem Schiefergas. Die Europäische

Kommission gab dazu spezielle Leitlinien heraus, die die Anwendung der UVP-

Richtlinie auf Projekte zur Exploration und Gewinnung unkonventioneller

Kohlenwasserstoffe erläutern.63 Danach fallen Projekte im Bereich der

unkonventionellen Kohlenwasserstoffe, die von Tiefbohrungen Gebrauch machen,

unter Anhang II Nummer 2 Buchstabe d.

63

http://ec.europa.eu/environment/integration/energy/pdf/guidance_note.pdf.

Anhang II Nummer 2

49

Die Mitgliedstaaten verwenden unterschiedliche Schwellenwerte, um Tiefbohrungen

zu definieren. Einige Mitgliedstaaten haben einen allgemeinen Schwellenwert

festgelegt, bei dessen Überschreiten Bohrungen als Tiefbohrungen gelten (z. B.

300 m). Andere Mitgliedstaaten haben bei der Festlegung des Schwellenwerts die Art

der Bohrung berücksichtigt (z. B. Bohrungen zur Gewinnung von Erdwärme und

Bohrungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung gelten als tief, wenn sie

500 m überschreiten, während der Schwellenwert für Bohrungen im Zusammenhang

mit der Lagerung von Kernabfällen 100 m beträgt).

Die Tiefe der Bohrung sollte nicht das einzige Screening-Kriterium bei der Beurteilung

der voraussichtlichen Erheblichkeit der Umweltauswirkungen darstellen.64 Das

Screening sollte alle unter Anhang III der UVP-Richtlinie aufgeführten relevanten

Kriterien berücksichtigen. Dabei sind die Merkmale des Projekts insgesamt zu

beurteilen. Selbst ein kleines Projekt (z. B. eine Exploration oder Bohrung mit einer

Reichweite von nur wenigen Metern) kann erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt

haben, wenn es an einem Standort durchgeführt wird, an dem Umweltfaktoren wie

Fauna und Flora, Boden, Klima oder Kulturerbe schon durch kleinste Änderungen

empfindlich beeinträchtigt werden.

Die Wirksamkeit der UVP-Richtlinie wäre außerdem ernsthaft in Frage gestellt, wenn

die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung über die Frage,

ob ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, den in

einem anderen Mitgliedstaat durchzuführenden Teil des Projekts außer Acht lassen

dürften. Aus denselben Gründen kann die Beurteilung der Auswirkungen anderer

Projekte nicht von bestimmten Grenzen (z. B. Gemeindegrenzen) abhängen.65

Im Hinblick auf die Wirksamkeit der UVP-Richtlinie und unter Berücksichtigung des

Vorsorgegrundsatzes könnte schließlich, wie der Gerichtshof erläutert hat66, die

Auffassung vertreten werden, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats

bei Zweifeln in Bezug auf das Fehlen erheblicher Auswirkungen eines Projekts dieses

einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen sollten.

e) oberirdische Anlagen zur Gewinnung von Steinkohle, Erdöl, Erdgas

und Erzen sowie von bituminösem Schiefer.

Anhang II Nummer 3 Energiewirtschaft

a) Anlagen der Industrie zur Erzeugung von Strom, Dampf und

Warmwasser (nicht durch Anhang I erfasste Projekte);

64

Rechtssache C-531/13, Kornhuber und andere, Randnummern 41-47. 65

Ebd. 66

Rechtssache C-127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Randnr. 44.

Anhang II Nummer 2

50

b) Anlagen der Industrie zum Transport von Gas, Dampf und

Warmwasser; Beförderung elektrischer Energie über Freileitungen (nicht

durch Anhang I erfasste Projekte);

In seinem Urteil in der Rechtssache C-300/1367 vertrat der Gerichtshof die

Auffassung, dass die Erweiterung einer Umspannanlage nicht unter diese

Projektkategorie fällt, es sei denn, sie steht im Zusammenhang mit der Errichtung

von Freileitungen zur Beförderung von elektrischer Energie.

Außerdem umfasst diese Projektkategorie diejenigen Projekte, die die in Anhang I

Nummer 20 der UVP-Richtlinie festgelegten kumulativen Schwellenwerte nicht

erreichen.

c) oberirdische Speicherung von Erdgas;

d) Lagerung von brennbaren Gasen in unterirdischen Behältern;

e) oberirdische Speicherung von fossilen Brennstoffen;

f) industrielles Pressen von Steinkohle und Braunkohle;

g) Anlagen zur Bearbeitung und Lagerung radioaktiver Abfälle (soweit

nicht durch Anhang I erfasst);

h) Anlagen zur hydroelektrischen Energieerzeugung;

i) Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung

(Windfarmen);

Die Begriffe „Windfarmen“ und „Windparks“ sind als Synonyme zu verstehen. Nach

allgemeinem Verständnis bestehen Windfarmen (Windparks) aus Windturbinen

(Windrädern). Eine Windfarm erfordert mindestens zwei Windturbinen.

Windfarm-Projekte können erhebliche Auswirkungen auf bestimmte Bereiche der

Umwelt haben, wobei die Tragweite der Auswirkungen von verschiedenen Faktoren,

wie z. B. der Empfindlichkeit des Standorts, abhängt. Insbesondere können solche

Projekte Vögel und ihre Wanderrouten beeinträchtigen sowie die Lärmbelastung für

die Umwelt erhöhen. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Standort von

Windfarmen und ihrer Nähe zu Natura-2000-Gebieten gewidmet werden.68

67

Rechtssache C-300/13, Ayuntamiento de Benferri v Consejería de Infraestructuras y Transporte de la Generalitat Valenciana und Iberdrola Distribución Eléctrica SAU. 68

Nützliche Hinweise dazu, wie am besten sichergestellt werden kann, dass die Errichtung von Windfarmen mit der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie sowie mit der UVP-Richtlinie und der SUP-Richtlinie vereinbar ist, enthält der Leitfaden „Entwicklung der Windenergie und Natura 2000“ http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/Wind_farms_de.pdf.

Anhang II Nummer 3

51

Die von den Mitgliedstaaten für diese Projektkategorie eingeführten Screening-

Schwellenwerte beruhen meist auf den folgenden Kriterien oder einer Kombination

davon:

Anzahl der Windturbinen;

Kapazität (je Turbine und/oder kumuliert);

Größe der Windturbinen.

Ein Mitgliedstaat sieht zum Beispiel vor, dass Projekte mit zwei oder mehr

Windturbinen ein Screening erfordern; in einem anderen Mitgliedstaat liegt die

Schwelle bei fünf oder mehr. In einem dritten Mitgliedstaat müssen Windfarmen mit

einer Kapazität von mehr als 1 MW einem Screening unterworfen werden. Ein

weiteres Beispiel ist die Vorschrift, dass Windfarmen mit mehr als 50 Windturbinen

oder einer Kapazität von mehr als 30 MW sowie Windfarmen, die in einem Abstand

von weniger als 2 km von einer anderen Windfarm errichtet werden, eine

vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern. Im letzteren Fall gelten

niedrigere Schwellenwerte, wenn die Windfarm in einem geschützten Gebiet

errichtet werden soll (10 Windturbinen oder 6 MW). Alle anderen Windfarm-Projekte

mit der Ausnahme von Anlagen zur Eigenversorgung, die weniger als 100 kW

erzeugen, sind in dem betreffenden Mitgliedstaat einem Screening zu unterziehen. In

wieder einem anderen Mitgliedstaat sind die meisten Windfarmen einem

Genehmigungsverfahren gemäß der IE-Richtlinie unterworfen. Außerdem gilt ein

Schwellensystem, das auf der Höhe der Windturbinen und ihrer Kapazität beruht (so

ist z. B. bei einer Turbinenhöhe von 50 m oder mehr eine vollständige

Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben).

Die Schwellenwerte können angepasst werden, falls z. B. das Projekt in einem

geschützten Gebiet oder in der Nähe anderer Windparks angesiedelt ist. Zusätzlich

müssen bei der Prüfung der Frage, ob sogar schon wenige Windturbinen erhebliche

Auswirkungen auf die Umwelt haben können, alle relevanten Kriterien des

Anhangs III berücksichtigt werden, darunter die Entfernung zwischen Projekten und

ihre kumulierten Auswirkungen. Dies gilt insbesondere für Projekte in Gebieten, wo

sich bereits viele kleine Windfarmen (z. B. mit drei Windturbinen) in relativer Nähe

zueinander befinden.

j) Anlagen für die Abscheidung von CO2-Strömen zum Zwecke der

geologischen Speicherung gemäß der Richtlinie 2009/31/EG aus nicht unter

Anhang I dieser Richtlinie fallenden Anlagen.

Anhang II Nummer 4 Herstellung und Verarbeitung von Metallen

a) Anlagen zur Herstellung von Roheisen oder Stahl (Primär- oder

Sekundärschmelzung) einschließlich Stranggießen;

Anhang II Nummer 3

Anhang II Nummer 4

52

b) Anlagen zur Verarbeitung von Eisenmetallen durch: i) Warmwalzen,

ii) Schmieden mit Hämmern, iii) Aufbringen von schmelzflüssigen

metallischen Schutzschichten;

c) Eisenmetallgießereien;

d) Anlagen zum Schmelzen, einschließlich Legieren von

Nichteisenmetallen, darunter auch Wiedergewinnungsprodukte

(Raffination, Gießen usw.), mit Ausnahme von Edelmetallen;

e) Anlagen zur Oberflächenbehandlung von Metallen und

Kunststoffen durch ein elektrolytisches oder chemisches Verfahren;

Bei den Oberflächenbehandlungen von Kunststoffen und Metallen, die unter diese

Kategorie fallen, handelt es sich meist um wasserbasierte Verfahren, wie zum

Beispiel Plattierung, Elektroplattierung, Tauchbeschichtung, autokatalytische

Metallabscheidung, Anodisierung und Phosphatierung, einschließlich verschiedener

Vor- und Nachbehandlungsverfahren.

f) Bau und Montage von Kraftfahrzeugen und Bau von

Kraftfahrzeugmotoren;

g) Schiffswerften;

h) Anlagen für den Bau und die Instandsetzung von Luftfahrzeugen;

i) Bau von Eisenbahnmaterial;

j) Tiefen mit Hilfe von Sprengstoffen;

k) Anlagen zum Rösten und Sintern von Erz.

Das Sintern dient dazu, die Rohstoffe oder die chemische Zusammensetzung so zu

vergrößern, dass sie weiterverarbeitet werden können.

Der Hauptbindemechanismus beim Sintern von Erz beruht darauf, dass das Erz bis zu

einer Temperatur erhitzt wird, bei der das Nichterz zu schmelzen beginnt, wodurch

sich einzelne Partikel verbinden und eine Masse geschmolzener Schlacke bilden.

Anhang II Nummer 5 Mineralverarbeitende Industrie

a) Kokereien (Kohletrockendestillation);

b) Anlagen zur Zementherstellung;

c) Anlagen zur Gewinnung von Asbest und zur Herstellung von

Erzeugnissen aus Asbest (nicht durch Anhang I erfasste Projekte);

Siehe den Abschnitt zur entsprechenden Projektkategorie des Anhangs I oben

(Anhang I Nummer 5).

Anhang II Nummer 4

Anhang II Nummer 5

53

d) Anlagen zur Herstellung von Glas einschließlich Anlagen zur

Herstellung von Glasfasern;

e) Anlagen zum Schmelzen mineralischer Stoffe einschließlich Anlagen

zur Herstellung von Mineralfasern;

Einige Mitgliedstaaten nehmen Bezug auf die in der IE-Richtlinie für diese

Projektkategorie eingeführten Schwellenwerte. In der IE-Richtlinie ist diese Tätigkeit

in Anhang I Nummer 3.4 aufgeführt (Schmelzen mineralischer Stoffe einschließlich

der Herstellung von Mineralfasern mit einer Schmelzkapazität von über 20 t pro Tag).

Im Zusammenhang mit dieser Projektkategorie stellt sich häufig die Frage, ob sie

auch die Asphaltherstellung umfasst. Naturasphalt (Bitumen) ist ein mineralischer

Stoff, und daher fällt seine Herstellung in den Anwendungsbereich dieser

Projektkategorie. Asphaltbeton (eine Mischung aus Asphalt und Zuschlagstoffen) fällt

dagegen nicht unter diese Projektkategorie, da bei dem Mischvorgang aufgrund der

zu geringen Verarbeitungstemperaturen ein Schmelzen mineralischer Stoffe nicht

stattfindet. Asphalt kann außerdem durch das Raffinieren von Öl hergestellt werden,

ein Verfahren, das ebenfalls unter die UVP-Richtlinie fällt.

f) Herstellung von keramischen Erzeugnissen durch Brennen, und

zwar insbesondere von Dachziegeln, Ziegelsteinen, feuerfesten Steinen,

Fliesen, Steinzeug oder Porzellan.

Anhang II Nummer 6 Chemische Industrie (nicht durch Anhang I erfasste Projekte)

a) Behandlung von chemischen Zwischenerzeugnissen und Erzeugung

von Chemikalien;

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung

und Beschränkung chemischer Stoffe ist ein „Zwischenprodukt“ ein Stoff, der für die

chemische Weiterverarbeitung hergestellt und hierbei verbraucht oder verwendet

wird, um in einen anderen Stoff umgewandelt zu werden (nachstehend „Synthese“

genannt).

Unter Berücksichtigung des weitreichenden Anwendungsbereichs der UVP-Richtlinie

ist der Begriff „Behandlung“ so zu verstehen, dass er ein breites Spektrum von

Verfahren erfasst.

b) Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und

pharmazeutischen Erzeugnissen, Farben und Anstrichmitteln, Elastomeren

und Peroxiden;

Der Wortlaut des Anhangs II Nummer 6 macht deutlich, dass diese Kategorie den

gesamten nicht unter Anhang I Nummer 6 erfassten Bereich der chemischen

Industrie abdeckt (d. h. alle chemischen Anlagen, die nicht als „integrierte Anlagen“

gelten). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sollte daher nicht nur im

Anhang II Nummer 6

54

Zusammenhang mit der Herstellung gehandelter Produkte (wie chemische

Grunderzeugnisse, Schädlingsbekämpfungsmittel, pharmazeutische Erzeugnisse,

Farben und Anstrichmittel), sondern auch im Zusammenhang mit der Behandlung

chemischer Zwischenerzeugnisse69 in Betracht gezogen werden.

In Anbetracht dessen, dass die unter Anhang II Nummer 6 Buchstabe b fallenden

Projekte (End-) Erzeugnisse betreffen, die nicht notwendigerweise durch chemische

Umwandlungsverfahren hergestellt werden, erstreckt sich die UVP-Richtlinie auf die

chemische Industrie in einem weiten Sinne. Es können somit auch Anlagen in ihren

Anwendungsbereich fallen, die lediglich chemische Erzeugnisse formulieren oder die

sonstige (nicht chemische) Enderzeugnisse (z. B. Elastomere wie Reifen,

Förderbänder, Gummihandschuhe) aus chemischen Vorprodukten herstellen.

c) Speicherung und Lagerung von Erdöl, petrochemischen und

chemischen Erzeugnissen.

In einem Mitgliedstaat unterliegen Einrichtungen zur Speicherung und Lagerung von

Erdöl, petrochemischen und chemischen Erzeugnissen (Lagerhallen und Lagerplätze)

mit einer Kapazität von mehr als 5 000 t und weniger als 200 000 t einem Screening.

Anhang II Nummer 7 Nahrungs- und Genussmittelindustrie

Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dieser Überschrift in Anhang II der UVP-

Richtlinie aufgeführten Projekte generell mit Erzeugnissen in Zusammenhang stehen

können, die zum menschlichen oder tierischen Verzehr (z. B. Futtermittel) bestimmt

sind.

a) Erzeugung von Ölen und Fetten pflanzlicher und tierischer

Herkunft;

b) Fleisch- und Gemüsekonservenindustrie;

c) Erzeugung von Milchprodukten;

d) Brauereien und Mälzereien;

e) Süßwaren und Sirupherstellung;

f) Anlagen zum Schlachten von Tieren;

g) Industrielle Herstellung von Stärken;

h) Fischmehl- und Fischölfabriken;

i) Zuckerfabriken.

69

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1.

Anhang II Nummer 7

55

Anhang II Nummer 8 Textil-, Leder-, Holz- und Papierindustrie

a) Industrieanlagen zur Herstellung von Papier und Pappe (nicht durch

Anhang I erfasste Projekte);

b) Anlagen zur Vorbehandlung (Waschen, Bleichen, Mercerisieren)

oder zum Färben von Fasern oder Textilien;

c) Anlagen zum Gerben von Häuten und Fellen;

d) Anlagen zur Erzeugung und Verarbeitung von Zellstoff und

Zellulose.

Anhang II Nummer 9 Verarbeitung von Gummi

Erzeugung und Verarbeitung von Erzeugnissen aus Elastomeren

Anhang II Nummer 10 Infrastrukturprojekte

a) Anlage von Industriezonen;

Diese Projektkategorie wird von den Mitgliedstaaten in der Regel unterschiedlich

ausgelegt. Gleichwohl müssen diese Auslegungen mit dem Ziel der UVP-Richtlinie,

insbesondere mit ihrem ausgedehnten Anwendungsbereich und ihrem

weitreichenden Zweck, übereinstimmen.

In dem Bericht der Kommission aus dem Jahr 200370 wird darauf hingewiesen, dass

die Mitgliedstaaten keine konkreten Projektarten festgelegt haben, die in den

Anwendungsbereich dieser Projektkategorie fallen. Viele Mitgliedstaaten haben es

vorgezogen, im Hinblick auf die Beurteilung von Projekten zur Anlage von

Industriezonen die Projektgröße festzulegen (z. B. Flächenbedarf in Hektar). Die von

den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Informationen machen außerdem

deutlich, dass zwischen ihnen kein echter Konsens in Bezug auf die Verwendung des

Begriffs „Industriezone“ besteht. Einige Mitgliedstaaten beispielsweise verwenden

bei der Definition dieser Projektkategorie den Begriff „Industrie- und Gewerbeparks“.

Als kennzeichnend für solche „Parks“ können die folgenden Merkmale angesehen

werden: Es handelt sich um von einem Projektträger erschlossene Gebiete, die über

die erforderliche Infrastruktur für eine gemeinsame gewerbliche oder wirtschaftliche

Nutzung durch mehrere Unternehmen verfügen, die durch räumliche Nähe

gekennzeichnet sind und eine operationelle oder funktionale Einheit bilden. Aus

diesen Gründen ist es fast unmöglich, eine umfassende Liste der potenziell unter

diese Kategorie fallenden Projektarten aufzustellen. Generell können unter diese

Kategorie alle Arten von Projekten fallen, die mit Hightech-Unternehmen,

Lagerhaltung und Handel sowie mit Vertriebs-/Transportunternehmen in

Zusammenhang stehen.

70

KOM(2003) 334 endgültig, 23.6.2013.

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe a

56

Fasst man die von einigen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Informationen71

zusammen, zeichnen sich jedoch einige gemeinsame Merkmale ab, die zur

Beschreibung dieser Projektkategorie verwendet werden können. So kann unter der

Anlage von Industriezonen die Bebauung (Erschließung) einer bestimmten Fläche für

die gewerbliche oder die gemeinsame gewerbliche und wirtschaftliche Nutzung

einschließlich Bereitstellung der dazu erforderlichen Infrastruktur verstanden

werden. Der Begriff „Infrastruktur“ wird weit ausgelegt und umfasst unter anderem

Straßen, Strom und andere Versorgungseinrichtungen, die das Wachstum von

Industrie und Gewerbe fördern sollen.

Bei der Anlage von Industriezonen ist es üblich, dass diese für die gleichzeitige

Nutzung durch mehrere benachbarte Unternehmen ausgelegt sind. Diese

Unternehmen können mit einer Infrastruktur für die gemeinsame gewerbliche oder

wirtschaftliche Nutzung ausgestattet werden.

Bei der Anlage von Industriezonen kann es häufiger als in anderen Bereichen zu den

in Abschnitt 1.4 erwähnten möglichen Überschneidungen zwischen der UVP-

Richtlinie und der SUP-Richtlinie kommen. Solche Projekte unterliegen zwar

Anhang II Nummer 10 Buchstabe a der UVP-Richtlinie, doch fallen Pläne und

Programme für die Anlage von Industriezonen unter die SUP-Richtlinie, wenn sie den

darin enthaltenen Kriterien entsprechen. So werden zum Beispiel Industriezonen im

Rechtssystem eines Mitgliedstaats meist als Bestandteil des Flächennutzungsplans

für ein Gebiet angesehen und einer getrennten strategischen Umweltprüfung

unterzogen.

b) Städtebauprojekte, einschließlich der Errichtung von

Einkaufszentren und Parkplätzen;

In der UVP-Richtlinie sind zwei Beispiele für Projektarten aufgeführt, die dieser

Kategorie zugeordnet werden können, nämlich Einkaufszentren und Parkplätze.

Diese stellen jedoch keine erschöpfende Liste der unter diese Kategorie fallenden

Tätigkeiten dar.

Aus den Informationen über die bestehende Praxis in den Mitgliedstaaten geht

hervor, dass die Auslegungen in Bezug auf den Anwendungsbereich dieser

Projektkategorie auseinander gehen, obwohl die Mitgliedstaaten diese Kategorie in

den meisten Fällen in einem weiten Sinn ausgelegt haben72.

Vor allem Wohnsiedlungen und Sportstadien werden häufig unter der Kategorie

„Städtebauprojekte“ erfasst. In einigen Mitgliedstaaten schließt diese Kategorie auch

Freizeitzentren und Multiplexkinos ein. Ein Mitgliedstaat fasst unter diese Kategorie

außerdem Projekte, die mit Friedhöfen, Humankrematorien, der Erweiterung von

71

Zwei Mitgliedstaaten haben in ihren nationalen UVP-Systemen weitere Klarstellungen im Zusammenhang mit der Beschreibung dieser Projektkategorie vorgenommen. 72

KOM(2003) 334 endgültig.

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe b

57

Freizeit- und Vergnügungsparks sowie mit aufgeständerten Straßen in

Zusammenhang stehen. Ein weiteres Beispiel für Städtebauprojekte ist der Bau von

Parkplätzen für Autos, Busse oder Oberleitungsbusse, Garagenkomplexen,

Sportstadien oder Wellnesszentren (mit einer Baufläche von mehr als 0,5 ha). Ein

Mitgliedstaat führte die folgenden Schwellenwerte ein, bei deren Überschreiten eine

Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss: Einkaufszentren und

Supermärkte mit einer Grundfläche von mehr als 2 500 m2; eigenständige Parkplätze

mit mehr als 300 Stellplätzen; Fußballplätze und Stadien mit mehr als

2 000 Sitzplätzen; Kinokomplexe mit mehr als sechs Leinwänden; Einrichtungen der

höheren Bildung mit einer Kapazität von mehr als 500 Studierenden;

Universitätsgelände sowie Kirchen und andere Orte der Religionsausübung.

Städtebauprojekte in empfindlichen Gebieten müssen sorgfältig auf ihre

Umweltauswirkungen geprüft werden.

Bei der Auslegung des Anwendungsbereichs von Anhang II Nummer 10 Buchstabe b

müssen der ausgedehnte Anwendungsbereich und der weitreichende Zweck der

UVP-Richtlinie73 berücksichtigt werden. In seinem Urteil in der Rechtssache C-332/04,

Kommission/Spanien, befasste sich der Gerichtshof am Beispiel dieser

Projektkategorie mit den in Anhang III aufgeführten Auswahlkriterien für Projekte

des Anhangs II. Konkret ging es um die Errichtung eines Freizeitzentrums

(Kinokomplex) in einem städtischen Gebiet. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss,

dass nationale Rechtsvorschriften, die Städtebauprojekte in städtischen Gebieten

allgemein von dieser Projektkategorie ausnehmen, eine nicht ordnungsgemäße

Umsetzung des Anhangs II Nummer 10 Buchstabe b darstellen. Aufgrund der Größe,

der Art und des Standorts des Freizeitzentrums (Kinokomplex) hätten erhebliche

Umweltauswirkungen dieses Projekts nicht von vornherein ausgeschlossen werden

können. In Bezug auf den Projektstandort ist somit festzuhalten, dass ein

Städtebauprojekt als Vorhaben gesehen werden sollte, das unabhängig vom Standort

seinem Wesen nach städtisch ist.74

Bei der Auslegung dieser Projektkategorie können also u. a. folgende Erwägungen als

Anhaltspunkte dienen:

i) Projekte, die ähnliche Merkmale wie Parkplätze und Einkaufszentren

aufweisen, können als Vorhaben angesehen werden, die Anhang II

Nummer 10 Buchstabe b unterliegen. Dies gilt zum Beispiel für Busgaragen

oder Eisenbahndepots, die zwar nicht ausdrücklich in der UVP-Richtlinie

erwähnt sind, aber ähnliche Merkmale wie Parkplätze aufweisen.

ii) Bauvorhaben wie Wohnsiedlungen, Krankenhäuser, Universitäten,

Sportstadien, Kinos, Theater, Konzerthallen und andere Kulturzentren

73

Dies hat der Gerichtshof in der Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, festgestellt und in nachfolgenden Urteilen immer wieder betont. 74

KOM(2003) 334 endgültig.

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe b

58

können ebenfalls in diese Kategorie einbezogen werden. Ausschlaggebend

hierfür ist, dass alle diese Projektkategorien ihrem Wesen nach städtisch sind

und ähnliche Arten von Umweltauswirkungen haben können.75

iii) Projekte, die sich mit den Begriffen „städtisch“ und „Infrastruktur“

beschreiben lassen, wie zum Beispiel die Errichtung von Wasserversorgungs-

und Abwasserentsorgungsnetzen, können ebenfalls dieser Kategorie

zugerechnet werden.

Projekte zur Verwirklichung integrierter städtischer Verkehrskonzepte (z. B. parallele

Tätigkeiten an verschiedenen Standorten zum Ausbau von Busspuren,

Straßenbahnlinien, Bus-, Straßenbahn- oder U-Bahnstationen) lassen sich ebenfalls

unter diese Projektkategorie fassen.

Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Systemen für die

Umweltverträglichkeitsprüfung beschließen, dass einige der oben genannten

Projekte (z. B. Sportstadien oder Wasserversorgungsnetze76,

Trinkwasseraufbereitungsanlagen und Rohrleitungen zur Beförderung von

behandeltem Trinkwasser77) anderen Projektkategorien des Anhangs II zuzuordnen

sind. Unabhängig davon, welche Kategorie des Anhangs II als die maßgebliche

Projektkategorie angesehen wird, ist die Einhaltung der Richtlinie sichergestellt,

wenn diejenigen Projekte, die zu erheblichen Umweltauswirkungen führen, dem

Anwendungsbereich der Richtlinie nicht entgehen.

Bau von Eisenbahnstrecken sowie von intermodalen Umschlaganlagen und

Terminals (nicht durch Anhang I erfasste Projekte);

d) Bau von Flugplätzen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte);

Diese Projektkategorie kann auch Hubschrauberlandeplätze umfassen.

e) Bau von Straßen, Häfen und Hafenanlagen, einschließlich

Fischereihäfen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte);

In der Rechtssache C-142/07, Ecologistas en Acción-CODA, hielt es der Gerichtshof

für „nicht vertretbar“, städtische Straßen vom Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie

auszunehmen. Was den Begriff der „Straße“ in der UVP-Richtlinie betrifft, so wird in

Bezug auf die Anwendbarkeit der Richtlinie nicht zwischen privaten und öffentlichen

Straßen unterschieden. Es wäre mit dem weiten Anwendungsbereich der Richtlinie

75

Dazu gehören Lärm und verkehrsbedingte Störungen während der Bauphase, Verkehrserzeugung während der Betriebsphase, Flächenverbrauch, Beeinträchtigung der Bodenfunktion aufgrund von Versiegelung sowie optische Auswirkungen. 76

In mindestens einem Mitgliedstaat fallen Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsnetze unter Anhang II Nummer 10 Buchstabe j „Bau von Wasserfernleitungen“. 77

Auch wenn Aufbereitungsanlagen als Projekte im Sinne des Anhangs II Nummer 10 Buchstabe b eingestuft werden können, ist es manchmal vorzuziehen, sie als integralen Bestandteil einer anderen Projektkategorie anzusehen (z. B. Wasserspeicher oder Tiefbohrungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung).

59

unvereinbar, private Straßen auszunehmen. Die Anforderungen der UVP-Richtlinie

müssen in jedem Fall auch auf private Straßen angewendet werden (Rechtssache C-

427/07, Kommission/Irland, Randnr. 28).

f) Bau von Wasserstraßen (soweit nicht durch Anhang I erfasst),

Flusskanalisierungs- und Stromkorrekturarbeiten;

In der Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, hat sich der Gerichtshof zur

Auslegung diese Projektkategorie geäußert. In seinem Urteil kommt er zu dem

Ergebnis, dass der Begriff „Flusskanalisierungs- und Stromkorrekturarbeiten“ dahin

auszulegen ist, dass darunter auch Arbeiten zur Eindämmung von Wasser und zur

Verhinderung von Überschwemmungen – und somit Arbeiten an Deichen an

Wasserwegen – fallen. Wie der Gerichtshof weiter feststellt, ist der Begriff außerdem

so auszulegen, dass darunter nicht nur die Anlage eines neuen Deichs fällt, sondern

auch die Änderung eines bestehenden Deichs durch seine Verlegung, Verstärkung

und/oder Verbreiterung, die Ersetzung eines Deichs durch einen neuen an derselben

Stelle, der unter Umständen stärker und/oder breiter ist als der bisherige Deich, oder

auch eine Kombination mehrerer dieser Sachverhalte.

Die Auslegung des Gerichtshofs, wonach Änderungen an „Flusskanalisierungs- und

Stromkorrekturarbeiten“ ebenfalls unter diese Projektkategorie fallen, muss im

Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Urteils gesehen werden. Zum damaligen

Zeitpunkt enthielt die UVP-Richtlinie noch keine der heutigen Projektkategorie in

Anhang II Nummer 13 Buchstabe a entsprechende besondere Bestimmung zur

Änderung von Projekten des Anhangs II (siehe Anhang II Nummer 13 Buchstabe a).

g) Talsperren und sonstige Anlagen zum Aufstauen eines Gewässers

oder zum dauernden Speichern von Wasser (nicht durch Anhang I erfasste

Projekte);

h) Straßenbahnen, Stadtschnellbahnen in Hochlage,

Untergrundbahnen, Hängebahnen oder ähnliche Bahnen besonderer

Bauart, die ausschließlich oder vorwiegend der Personenbeförderung

dienen;

Es bestehen Fragen in Bezug darauf, wie der Begriff „Hängebahnen oder ähnliche

Bahnen besonderer Bauart“ auszulegen ist und ob diese Projektkategorie

Oberleitungsbusse umfasst.

Unter Anhang II Nummer 10 Buchstabe h sollen offensichtlich Verkehrsmittel erfasst

werden, die ausschließlich oder vorwiegend der Personenbeförderung dienen und

die gewisse Infrastrukturarbeiten erfordern, damit sie an einem starren Seil oder im

Fall von Oberleitungsbussen an einer Oberleitung betrieben werden können. Obwohl

Oberleitungsbusse nicht explizit aufgeführt sind, entspricht es dem Geist der

Richtlinie, Oberleitungsbusse als „ähnliche Bahnen besonderer Bauart“ anzusehen

und Infrastrukturprojekte im Zusammenhang mit Oberleitungsbussen in die

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe f

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe h

60

Projektkategorie des Anhangs II Nummer 10 Buchstabe h einzubeziehen. Ein

ähnlicher Ansatz könnte für städtische Seilbahnen und Standseilbahnen verfolgt

werden.

i) Öl- und Gaspipelines sowie Pipelines für den Transport von CO2-

Strömen für die Zwecke der geologischen Speicherung (nicht durch

Anhang I erfasste Projekte);

j) Bau von Wasserfernleitungen;

Die Mitgliedstaaten legen den Begriff „Fernleitungen“ unterschiedlich aus, was auch

mit der Art der Wasserleitung zusammenhängen kann. Einige Mitgliedstaaten führen

Einzelfalluntersuchungen durch, anstatt Schwellenwerte anzuwenden.

In anderen Mitgliedstaaten wird der Begriff „Fernleitung“ quantitativ bestimmt, zum

Beispiel länger als 2 km oder länger als 20 km. Es kann auch vorkommen, dass zur

Bestimmung der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen sowohl die Länge als auch

der Durchmesser der Leitung herangezogen werden.

In jedem Fall sollten bei der Festlegung von Schwellenwerten oder der Beurteilung

der Auswirkungen von Projekten zum Bau von Wasserfernleitungen die in Anhang III

der Richtlinie aufgestellten relevanten Auswahlkriterien berücksichtigt werden. Das

Screening-Verfahren sollte nicht nur auf der Länge des Bauvorhabens beruhen,

sondern es sollten alle in Anhang III aufgeführten relevanten Kriterien, wie zum

Beispiel die Standortkriterien, beachtet werden.

k) Bauten des Küstenschutzes zur Bekämpfung der Erosion und

meerestechnische Arbeiten, die geeignet sind, Veränderungen der Küste

mit sich zu bringen (zum Beispiel Bau von Deichen, Molen, Hafendämmen

und sonstigen Küstenschutzbauten), mit Ausnahme der Unterhaltung und

Wiederherstellung solcher Bauten;

l) Grundwasserentnahme- und künstliche

Grundwasserauffüllungssysteme, soweit nicht durch Anhang I erfasst;

Zur Auslegung des Begriffs „Grundwasser“ wird auf die Erläuterung im

Zusammenhang mit der Projektkategorie des Anhangs I Nummer 11 oben verwiesen.

In der Rechtssache C-263/08, Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening, befasste

sich der Gerichtshof mit der vorstehenden Projektkategorie und verwies in dem

Zusammenhang auf den weiten Anwendungsbereich und den weitreichenden Zweck

der Richtlinie. Er stellte fest, dass Nummer 10 Buchstabe l des Anhangs II dahin

auszulegen ist, dass darunter alle Grundwasserentnahme- und künstlichen

Grundwasserauffüllungssysteme zu verstehen sind, die nicht durch Anhang I der

Richtlinie erfasst sind, und zwar unabhängig von ihrem Zweck. Daraus folgt, dass

auch Systeme erfasst sind, die keine spätere Verwendung des Wassers einschließen

(Randnr. 30). Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass „ein Projekt wie das im

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe j

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe l

61

Ausgangsverfahren fragliche, das die Ableitung von in einen Stromleitungstunnel

eindringendem Wasser und die Einleitung von Wasser in den Grund oder das Gestein,

um eine etwaige Grundwasserabsenkung auszugleichen, einschließlich der Errichtung

und Unterhaltung von Anlagen zur Ableitung und Einleitung betrifft, unabhängig von

der endgültigen Bestimmung des Grundwassers und insbesondere unabhängig von

einer späteren Verwendung des Grundwassers unter Nummer. 10 Buchstabe l des

Anhangs I der Richtlinie 85/337 fällt“ (Randnr. 31).

m) Bauvorhaben zur Umleitung von Wasserressourcen von einem

Flusseinzugsgebiet in ein anderes, soweit nicht durch Anhang I erfasst.

Zur Auslegung des Begriffs „Flusseinzugsgebiet“ wird auf die Erläuterung der

Projektkategorie des Anhangs I Nummer 12 in diesem Leitfaden verwiesen.

Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung von Kunstschnee oder Kunsteis

unter Entnahme und Umleitung von Wasser können vor der Entscheidung, ob sie

unter Anhang II Nummer 10 Buchstabe l oder m fallen, einem Screening unterworfen

werden. Projekte im Zusammenhang mit Skipisten gemäß Anhang II Nummer 12

Buchstabe a bleiben hiervon unberührt.

Anhang II Nummer 11 Sonstige Projekte

a) Ständige Renn- und Teststrecken für Kraftfahrzeuge;

Die Prüfung der unter diese Kategorie fallenden Projekte kann von der Länge oder

dem Standort der Rennstrecke abhängen. Entsprechend ist in einem Mitgliedstaat

eine Umweltverträglichkeitsprüfung für ständige Renn- und Teststrecken für

Kraftfahrzeuge obligatorisch, wenn die Strecke länger als 2 km ist, während ein

Screening durchgeführt wird, wenn der Standort in einem geschützten Gebiet liegt,

z. B in einem Natura-2000-Gebiet, einem Nationalpark oder einem von der UNESCO

zum Weltnatur- oder Weltkulturerbe erklärten Gebiet.

b) Abfallbeseitigungsanlagen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte);

Zur Auslegung des Begriffs „Abfall“ wird auf die Erläuterung im Zusammenhang mit

der Projektkategorie des Anhangs I Nummer 9 oben verwiesen.

Zur Auslegung des Begriffs „Abfallbeseitigung“ siehe die Erläuterung im

Zusammenhang mit der Projektkategorie des Anhangs I Nummer 10 oben.

Wie der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache C-121/11, Pro Braine und

andere, festgestellt hat, umfasst diese Projektkategorie auch Abfalldeponien.

Bei der Stilllegung oder Sanierung von Deponien ist mit erheblichen Auswirkungen

auf die Umwelt zu rechnen (zum Beispiel durch die Errichtung von physischen

Anlagen oder die Behandlung von Sickerwässern und/oder Deponiegasen wie

Methan). Diese Auswirkungen sollten normalerweise im Bericht der

Anhang II

Nummer 10

Buchstabe m

Anhang II

Nummer 11

Buchstabe a

Anhang II

Nummer 11

Buchstabe b

62

Umweltverträglichkeitsprüfung berücksichtigt sein, der im Rahmen der

ursprünglichen Genehmigung der Deponie ausgearbeitet wurde. Ist das nicht der Fall,

sollte vor der Stilllegung oder Sanierung der Deponie entweder ein Screening oder

eine vollständige Prüfung durchgeführt werden. Diese Verfahren können ein

Bestandteil der nach Artikel 13 der Richtlinie 1999/31/EG über Abfalldeponien

vorgeschriebenen Schlussabnahme und Berichterstattung sein oder damit kombiniert

werden.

c) Abwasserbehandlungsanlagen (nicht durch Anhang I erfasste

Projekte);

d) Schlammlagerplätze;

Die Behandlung und Entsorgung von Schlamm kann als eine unter diese

Projektkategorie fallende Tätigkeit angesehen werden.

e) Lagerung von Eisenschrott, einschließlich Schrottwagen;

f) Prüfstände für Motoren, Turbinen oder Reaktoren;

g) Anlagen zur Herstellung künstlicher Mineralfasern;

h) Anlagen zur Wiedergewinnung oder Vernichtung von

explosionsgefährlichen Stoffen;

i) Tierkörperbeseitigungsanlagen.

Anhang II Nummer 12 Fremdenverkehr und Freizeit

a) Skipisten, Skilifte, Seilbahnen und zugehörige Einrichtungen;

Die Schwellenwerte für diese Projektkategorie beruhen hauptsächlich auf der

Projektgröße (z. B. Grundfläche, Länge der Skipisten oder Beförderungskapazität der

Skilifte und Seilbahnen pro Stunde).

So werden in einem Mitgliedstaat Skipisten, die länger als 1,5 km sind oder sich über

eine Fläche von mehr als 5 Ar (rund 2 Hektar) erstrecken, einer

Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Mechanische Lifte, ausgenommen

Skilifte und Einseilbahnen mit fester Verbindung und einer schrägen Länge von

höchstens 500 m, werden ab einer maximalen Beförderungskapazität von mehr als

1 800 Fahrgästen pro Stunde geprüft. In einem anderen Mitgliedstaat sind Skipisten

und Beschneiungsanlagen einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen, wenn

das Projekt eine unbebaute Fläche von 2 Hektar oder mehr in Anspruch nimmt.

Außerhalb unbebauter Gebiete muss eine Prüfung durchgeführt werden, wenn das

Projekt eine Fläche von 4 Hektar oder mehr in Anspruch nimmt. Unterhalb dieser

Schwellenwerte sind Projekte zur Errichtung von Skipisten und Beschneiungsanlagen

einer Einzelfalluntersuchung unterworfen. Skilifte unterliegen einer Prüfung, wenn

Anhang II

Nummer 12

Buchstabe a

63

sie mehr als 1 500 Fahrgäste pro Stunde befördern können. Unterhalb dieser

Schwelle wird eine Einzelfalluntersuchung durchgeführt.

In einem anderen Mitgliedstaat sind die Schwellenwerte niedriger. Skipisten, Skilifte,

Seilbahnen und zugehörige Einrichtungen sind einer Umweltverträglichkeitsprüfung

unterworfen, wenn sie eine Fläche von mehr als 1 Hektar in der Nähe bebauter

Gebiete oder mehr als 0,5 Hektar außerhalb bebauter Gebiete in Anspruch nehmen.

Für Projekte in geschützten Gebieten ist eine Prüfung ungeachtet der

Schwellenwerte zwingend vorgeschrieben.

In einem weiteren Mitgliedstaat wurde darüber hinaus die Höhe als alternatives Kriterium eingeführt. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wird folglich durchgeführt, wenn die Fläche des Bauvorhabens 1 Hektar oder die Höhe eines Gebäudes oder einer anderen Struktur 15 Meter übersteigt.

b) Jachthäfen;

c) Feriendörfer und Hotelkomplexe außerhalb von städtischen

Gebieten und zugehörige Einrichtungen;

d) ganzjährig betriebene Campingplätze;

e) Freizeitparks.

Die Projektkategorie „Freizeitparks“ gehört zu denjenigen Kategorien, über die kaum

Informationen zu finden sind. Die meisten Mitgliedstaaten haben diese

Projektkategorie gemäß der Definition in der UVP-Richtlinie in nationales Recht

umgesetzt und keine nähere Bestimmung (z. B. im Hinblick auf die Projektgröße oder

den Zweck) vorgenommen.

Wie bereits festgestellt, geht aus dem Wortlaut der UVP-Richtlinie hervor, dass sie

einen ausgedehnten Anwendungsbereich hat und ihr Zweck sehr weit reicht.78 Somit

kann diese Projektkategorie Freizeitparks umfassen, die in Bezug auf Zweck, Größe,

Standort, Umfang der Bodenversiegelung und erwarteter Besucherzahl sehr

unterschiedlich sind.

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein bestimmtes Projekt unter Anhang II

Nummer 12 Buchstabe e fällt, wird empfohlen, Folgendes zu berücksichtigen:

i) Die thematische Ausrichtung bzw. der Zweck des Freizeitparks ist in

der UVP-Richtlinie nicht festgelegt. Unter diese Projektkategorie fallende

Parks können zum Beispiel Erholungs-, Bildungs- oder Informationszwecken

dienen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Projektkategorie

„Freizeitpark“ in Anhang II Nummer 12 unter der Überschrift

„Fremdenverkehr und Freizeit“ genannt ist. So ist zum Beispiel ein Park, der

78

Siehe die Rechtssachen C-72/95, Kraaijeveld und andere, und C-227/01, Kommission/Spanien.

Anhang II

Nummer 12

Buchstabe e

64

ein bestimmtes Motto oder eine oder mehrere Attraktionen hat, wie etwa

ein Vergnügungspark, als Freizeitpark anzusehen. Flächen, die auf der

Grundlage eines bestimmten Sachthemas oder im Zusammenhang mit

diesem zu einer Freizeitattraktion ausgebaut werden sollen, sind ebenfalls

dieser Projektkategorie zuzurechnen. Dazu zählen beispielsweise

Wasserparks und zoologische Gärten79.

ii) Sportstadien fallen eigentlich unter Anhang II Nummer 10

Buchstabe b „Städtebauprojekte“. Bestimmte Mitgliedstaaten können jedoch

im Rahmen ihrer nationalen UVP-Systeme entscheiden, dass Sportstadien

der Kategorie „Freizeitparks“ zuzuordnen sind. Unabhängig davon, welche

Kategorie des Anhangs II als die maßgebliche Projektkategorie angesehen

wird, ist die Einhaltung der Richtlinie sichergestellt, wenn solche Projekte

dem Anwendungsbereich der Richtlinie nicht entgehen.

iii) Anhang II Nummer 12 Buchstabe e kann auch Golfplätze umfassen.

In einigen Mitgliedstaaten sind Projekte im Zusammenhang mit Golfplätzen stets

einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, während in anderen eine

Prüfung oberhalb bestimmter Schwellenwerte vorgesehen ist; die Schwellenwerte

können sich auf die durch das Projekt in Anspruch genommene Fläche oder die

Anzahl der Löcher beziehen (z. B. 10 ha in einem Mitgliedstaat, 45 ha in einem

anderen, oder 18 Löcher). Ein weiteres Beispiel ist die Vorschrift, Golfplätze mit 9

Löchern oder mehr einem Screening zu unterziehen.

Anhang II Nummer 13

a) Die Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder Anhangs II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können.

Änderungen bestehender Projekte waren in der Richtlinie 85/337/EWG mit

Ausnahme der „Änderung von Projekten des Anhangs I sowie Projekten des

Anhangs I, die ausschließlich oder überwiegend der Entwicklung und Erprobung

neuer Verfahren oder Erzeugnisse dienen und nicht länger als ein Jahr betrieben

werden“ (Anhang II Nummer 12) nicht ausdrücklich erfasst.

79

In Artikel 2 der Richtlinie 1999/22/EG des Rates vom 29. März 1999 über die Haltung von Wildtieren in Zoos (ABl. L 94 vom 9.4.1999, S. 24) sind Zoos definiert als „dauerhafte Einrichtungen, in denen lebende Exemplare von Wildtierarten zwecks Zurschaustellung während eines Zeitraums von mindestens sieben Tagen im Jahr gehalten werden; ausgenommen hiervon sind Zirkusse, Tierhandlungen und Einrichtungen, die die Mitgliedstaaten von den Anforderungen der Richtlinie ausnehmen, weil sie keine signifikante Anzahl von Tieren oder Arten zur Schau stellen und die Ausnahme die Ziele der Richtlinie nicht gefährdet“.

65

Durch die Richtlinie 97/11/EG wurde die Richtlinie 85/337/EWG dahingehend

geändert, dass in den Anhang II Nummer 13 Änderungen bestehender Projekte des

Anhangs I oder II aufgenommen wurden: „Die Änderung oder Erweiterung von

bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen

Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die

Umwelt haben können.“

In der am 25. Juni 2005 in Kraft getretenen Richtlinie 2003/35/EG zur Änderung

unter anderem der Richtlinie 85/337/EWG wurde unter Nummer 22 eine neue

Anhang-I-Kategorie80 eingefügt, die jede Änderung oder Erweiterung von Projekten

des Anhangs I umfasst, wenn diese für sich genommen die Schwellenwerte, sofern

solche in Anhang I festgelegt sind, erreicht. Solche Änderungen sind somit gemäß

Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu

unterziehen. Änderungen oder Erweiterungen bestehender Projekte, die nicht in

Anhang I Nummer 22 erfasst sind, unterliegen Anhang II Nummer 13. (Siehe

Kasten 1).

Die Entwicklung des Wortlauts der UVP-Richtlinie in Bezug auf die Änderung von

Projekten spiegelt die diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs wider.

Der Gerichtshof hat sich mehrfach mit der Frage befasst, ob ein Projekt als neues

Projekt oder als die Änderung eines bestehenden anzusehen ist und wie dann

die Anforderungen gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie auf das Projekt

anzuwenden sind.

Als „bereits genehmigt“ im Sinne des Anhangs II Nummer 13 gelten Projekte, für die

eine Genehmigung erteilt wurde.

In der Rechtssache C-2/07, Abraham und andere, kam der Gerichtshof zu dem

Schluss, dass Anhang II Nummer 12 in Verbindung mit Anhang I Nummer 7 der UVP-

Richtlinie (in ihrer ursprünglichen Fassung)81 dahingehend verstanden werden muss,

dass er auch Änderungen eines schon erbauten Flugplatzes erfasst. Änderungen

eines Flugplatzes mit einer Start- und Landbahngrundlänge von 2 100 m und mehr

sind somit nicht nur Arbeiten, die eine Verlängerung der Bahn zum Gegenstand

haben, sondern alle Arbeiten an Gebäuden, Anlagen oder der Ausrüstung dieses

Flugplatzes, sofern sie, insbesondere aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und ihrer

Merkmale, als Änderung des Flugplatzes selbst anzusehen sind. Das gilt insbesondere

80

Aus Anhang I Nummer 22 wurde nach der Änderung der UVP-Richtlinie durch die Richtlinie

2009/31/EG Anhang I Nummer 24.

81 Nummer 12 des Anhangs II der Richtlinie 85/337/EWG hatte folgenden Wortlaut:

„Änderung von Projekten des Anhangs I sowie Projekten des Anhangs I, die ausschließlich oder überwiegend der Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren oder Erzeugnisse dienen und nicht länger als ein Jahr betrieben werden.“ Dieser Wortlaut entspricht teilweise dem Wortlaut des Anhangs II Nummer 13 der geltenden UVP-Richtlinie.

Anhang II Nummer 13

66

für Arbeiten, die dazu bestimmt sind, die Aktivitäten des Flugplatzes und den

Luftverkehr erheblich zu steigern.82

In der Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, stellte der Gerichtshof fest, dass

der Ausdruck „Flusskanalisierungs- und Stromkorrekturarbeiten“ in Anhang II

Nummer 10 Buchstabe e der Richtlinie 85/337/EWG (vor deren Änderung durch die

Richtlinie 97/11/EG) dahin auszulegen ist, dass darunter nicht nur die Anlage eines

neuen Deichs fällt, sondern auch die Änderung eines bestehenden Deichs durch seine

Verlegung, Verstärkung und/oder Verbreiterung, die Ersetzung eines Deichs durch

einen neuen an derselben Stelle, der unter Umständen stärker und/oder breiter ist

als der bisherige Deich, oder auch eine Kombination mehrerer dieser Sachverhalte

(Randnummer 42). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die UVP-Richtlinie zum

Zeitpunkt des Urteils des Gerichtshofs den Anhang II Nummer 13 noch nicht enthielt.

Der Gerichtshof legte aus diesem Grund die Änderung im Kontext der

übergeordneten Projektkategorie, nämlich Anhang II Nummer 10 Buchstabe e, aus.83

Im Zusammenhang mit Anhang II Nummer 13 kann sich die Frage ergeben, wie

Sanierungsarbeiten auszulegen sind und ob solche Maßnahmen gegebenenfalls unter

diese Kategorie fallen. Sanierungsvorhaben können zwei Kategorien zugeordnet

werden.

Die erste Kategorie umfasst jene Fälle, bei denen sich die Sanierung auf die

Erneuerung abgenutzter oder verschlissener Teile beschränkt. Diese Art von

Maßnahme könnte als umfangreichere Wartung betrachtet werden. Nach der

Sanierung befindet sich das Projekt zwar in einem dem Neuzustand vergleichbaren

guten Zustand, doch unterscheidet es sich weder in seiner Art noch in seiner Größe

vom ursprünglichen Projekt. Von zwei Ausnahmen abgesehen, fällt diese Art der

Sanierung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

i) Die erste Ausnahme betrifft die mögliche Verwendung neuer Materialien als

Ersatz für die ursprünglichen, selbst wenn sich die Kapazität des Netzes im Rahmen

der Sanierung nicht ändert. Zum Beispiel könnten statt Eisen-, Kupfer- oder Tonrohre

Zement- oder Kunststoffrohre verwendet werden. Streng genommen, sollte dies als

Änderung des ursprünglichen Projekts angesehen werden.

ii) Die zweite Ausnahme tritt ein, wenn die zur Durchführung des

Sanierungsvorhabens erforderlichen Arbeiten selbst eine ungewöhnliche Belastung

(im Sinne der Screening-Kriterien in Anhang III) darstellen. So kann es zum Beispiel

notwendig sein, einen geschützten Lebensraum zu zerstören, um Zugang zu

unterirdischen Installationen wie Rohrleitungen zu erhalten. Sofern die Habitat-

Richtlinie betroffen ist, käme hier die Prüfung gemäß Artikel 6 zur Anwendung.

82

Rechtssache C-2/07, Abraham und andere, Randnummern 33, 34, 36, 40, Urteil – Teil 2. Diese Auslegung wird keinesfalls dadurch in Frage gestellt, dass die UVP-Richtlinie 97/11 die Nummer 12 in Anhang II der UVP-Richtlinie 85/337 durch eine neue Nummer 13 ersetzt hat. 83

Anhang II Nummer 12 Buchstabe e entspricht nunmehr Anhang II Nummer 12 Buchstabe f.

Anhang II Nummer 13

67

Lebensräume, die nach einzelstaatlichem Recht geschützt sind, können unter

Umständen in einer schwächeren Position sein, und hier könnte tatsächlich die UVP-

Richtlinie geltend gemacht werden, wenn nämlich eine Änderung an dem

ursprünglichen Projekt vorgenommen wird (z. B. Verwendung anderer Arten von

Rohrleitungen).

Die zweite Kategorie von Sanierungsvorhaben kann gewisse Reparaturen und

Instandsetzungsarbeiten (siehe oben) umfassen, doch besteht ihr wesentliches

Merkmal darin, dass sie ein Projekt verändern oder auf irgendeine Weise erweitern.

Zum Beispiel kann ein Abwassersystem ausgebaut werden, es können Pumpwerke

hinzugefügt oder seine Kapazität gesteigert werden. Dies käme einer Änderung oder

Erweiterung gleich, so dass das Projekt in den Anwendungsbereich der Richtlinie fiele

und ein Screening erforderlich würde. Das bedeutet gleichwohl nicht, dass

zwangsläufig eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden

muss. Dies hinge vom Einzelfall ab und müsste unter Berücksichtigung der in

Anhang III aufgeführten Screening-Kriterien geprüft werden.

b) Projekte des Anhangs I, die ausschließlich oder überwiegend der

Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren oder Erzeugnisse dienen und nicht

länger als zwei Jahre betrieben werden.

68

4 Verzeichnis der Rechtssachen Gerichtshof der Europäischen Union

Rechtssache C-431/92, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen

Bundesrepublik Deutschland, EU:C:1995:260

Rechtssache C-133/94, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen

Königreich Belgien, EU:C:1996:181

Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld und andere, EU:C:1996:404

Rechtssache C-392/96, Kommission gegen Irland, EU:C:1999:431

Rechtssache C-435/97, WWF und andere, EU:C:1999:418

Rechtssache C-287/98, Linster und andere, EU:C:2000:468

Rechtssache C-227/01, Kommission gegen Spanien, EU:C:2004:528

Rechtssache C-87/02, Kommission gegen Italien, EU:C:2004:363

Rechtssache C-127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging,

EU:C:2004:482

Rechtssache C-201/02, Wells, EU:C:2003:502

Rechtssache C-290/03, Barker, EU:C:2006:286

Rechtssache C-508/03, Kommission gegen Vereinigtes Königreich,

EU:C:2006:287

Rechtssache C-332/04, Kommission gegen Spanien, EU:C:2006:180

Rechtssache C-255/05, Kommission gegen Italien, EU:C:2007:406

Rechtssache C-66/06, Kommission gegen Irland, EU:C:2008:637

Rechtssache C-2/07, Abraham und andere, EU:C:2008:133

Rechtssache C-142/07, Ecologistas en Acción-CODA, EU:C:2008:445

Rechtssache C-427/07, Kommission gegen Irland, EU:C:2009:30

Rechtssache C--549/07, Wallentin-Hermann, EU:C:2008:771

Rechtssache C--473/07, Association nationale pour la protection des eaux et

rivières und OABA, EU:C:2009:30

Rechtssache C-75/08, Mellor, EU:C:2009:279

69

Rechtssache C-205/08, Alpe Adria Energia, EU:C:2009:767

Rechtssache C-255/08, Kommission gegen Niederlande, EU:C:2009:630

Rechtssache C--263/08, Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening,

EU:C:2009:631

Rechtssache C-50/09, Kommission gegen Irland, EU:C:2011:109

Rechtssache C--275/09, Brussels Hoofdstedelijk Gewest und andere,

EU:C:2011:154

Rechtssache C-435/09, Kommission gegen Belgien, EU:C:2011:176

Rechtssache C-585/10, Møller, EU:C:2011:847

Rechtssache C-121/11, Pro Braine und andere, EU:C:2012:225

Rechtssache C-260-11, Edwards und Pallikaropoulous, EU:C:2013:221

Rechtssache C-420/11, Leth, EU:C:2013:166

Rechtssache C-244/12, Salzburger Flughafen, EU:C:2013:203

Rechtssache C-531/13, Kornhuber und andere, EU:C:2015:79

KH-02-15-353-DE-N

ISBN : 978-92-79-50845-5doi. 10.2779/403098