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Nadja Dobesch, FH München Masterstudiengang Social Work in Mental Health Modul 8a: Strategische und operative Planung, Finanzierung und interne Budgetierung, Qualitätsmanagement Studienarbeit im WS 2006/07 bei Herrn Dipl. Volkswirt Martin Spuckti Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen Managements unter besonderer Berücksichtigung der Lern- und Entwicklungsperspektive in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe Vorgelegt von Nadja Dobesch

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Page 1: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

Nadja Dobesch,

FH München

Masterstudiengang Social Work in Mental Health

Modul 8a: Strategische und operative Planung, Finanzierung und interne

Budgetierung, Qualitätsmanagement

Studienarbeit im WS 2006/07

bei Herrn Dipl. Volkswirt Martin Spuckti

Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen Managements unter besonderer Berücksichtigung der Lern- und

Entwicklungsperspektive in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe

Vorgelegt von

Nadja Dobesch

Page 2: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

1 Einführung ................................................................................................... 2

2 Aspekte des strategischen Sozialmanagements ......................................... 2

3 Die Balanced Scorecard .............................................................................. 4

3.1 Grundlagen.................................................................................................. 4

3.2 Vision und Mission....................................................................................... 5

3.3 Strategische Ziele ........................................................................................ 6

3.4 Die Perspektiven der Balanced Scorecard .................................................. 7

3.4.1 Die Kunden- oder Klientenperspektive ........................................................ 7

3.4.2 Die interne Prozessperspektive ................................................................... 7

3.4.3 Die Finanzperspektive ................................................................................. 8

3.4.4 Die Lern- und Entwicklungsperspektive....................................................... 8

4 Mögliche Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive in einer

Einrichtung der Wohnungslosenhilfe für Frauen.......................................... 9

4.1 Ausgangslage.............................................................................................. 9

4.2 Das Betreute Einzelwohnen für psychisch kranke Frauen in besonderen

sozialen Schwierigkeiten ........................................................................... 10

4.3 Ziele des Betreuten Einzelwohnens........................................................... 12

4.4 Ursache- /Wirkungsbeziehungen............................................................... 13

4.5 Messgrößen und Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive ..... 15

5 Resümee ................................................................................................... 17

1

Page 3: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

1 Einführung

Aufgrund des steigenden Wettbewerbs und Kostendrucks im Sozial- und

Gesundheitswesen ist die Steuerung sozialer Organisationen zunehmend von

zentraler Bedeutung für den Erhalt und Ausbau von sozialen Einrichtungen. Erst

seit Ende der 80er Jahre wird versucht, mit der Einführung des Sozialmanage-

ments und der Suche nach geeigneten Management-Instrumenten den

veränderten Anforderungen gerecht zu werden.

Kaplan/Norten entwickelten zu Beginn der 90er Jahre die Balanced Scorecard als

Antwort auf die Managementdefizite erwerbswirtschaftlicher Organisationen. Es

zeigte sich, dass die Balanced Scorecard aber auch ein geeignetes Instrument zur

Strategieentwicklung in sozialen Organisationen sein kann1.

Diese Studienarbeit zeigt zunächst Aspekte des strategischen Managements in

sozialen Organisationen auf. Danach werden die wesentlichen Merkmale der

Balanced Scorecard beschrieben. Schließlich werden am Beispiel des Betreuten

Einzelwohnens einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe Ursache-

/Wirkungsbeziehungen dargestellt und zuletzt mögliche Kennzahlen für die Lern-

und Entwicklungsperspektive erstellt.

2 Aspekte des strategischen Sozialmanagements

Soziale Organisationen unterscheiden sich von rein auf monetären Gewinn

ausgerichteten Unternehmen. Sie werden deshalb auch als „Not-for-Profit-

Organisationen (NPO)“2 bezeichnet, deren Hauptzweck die Erbringung von

sozialen Dienstleistungen zur Bedarfsdeckung oder Problemlösung Dritter ist.

Daneben können sie aber auch z.B. zur Wachstumsfinanzierung begrenzt

Gewinne erzielen. Die Aufgaben und Funktionen des Managements können

1 z.B. Stoll, 2003; Reisner, 2003 2 Stoll, 2003, S. 22

2

Page 4: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

demnach für beide Arten von Betrieben folgendermaßen beschrieben werden:

Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Controlling.

Dabei befasst sich das strategische Management mit den generellen, langfristigen

Perspektiven, die es in diesen Bereichen zu entwickeln gilt. „Strategien zu

entwickeln bedeutet im betriebswirtschaftlichen Sinn Grundsatzentscheidungen zu

treffen, die sämtliche Unternehmensstrategien tangieren. Durch Strategien werden

wesentliche unternehmerische Absichten in die Realität umgesetzt.“3 Die

Unterschiede des strategischen Managements zwischen NPO und

gewinnorientierten Unternehmen liegen nach Stoll4 in der Auswahl und

Ausgestaltung von Management-Instrumenten, den komplexeren Problem-

stellungen von NPO und den daraus resultierenden Anforderungen. In NPO

stehen qualitative Ziele im Vordergrund, deren oberstes Ziel als Mission

bezeichnet wird5. Diese Mission bestimmt damit die gesamte Ausrichtung der

Organisation.

Nach Engelhardt umfasst „Sozialmanagement alle Bemühungen, unter bewusster

Einbeziehung ethischer Aspekte, der Besonderheiten der sozialen Einrichtung und

der Fähigkeiten aller Beteiligten Ziele und darauf bezogene Arbeitsabläufe

(Schlüsselprozesse) einer Einrichtung zu optimieren“6. Steuerung und

Koordinierung aller Aktivitäten eines Unternehmens stehen somit im Mittelpunkt

des Sozialmanagements. Mit seinem Hinweis auf ethische Aspekte unterstreicht

Engelhardt den besonderen Auftrag von sozialen Organisationen.

Das strategische Management in NPO sieht sich nach Stoll7 einer Reihe von

Aufgaben und Funktionen gegenüber gestellt. Dabei ist seine Hauptfunktion die

langfristige Bestandssicherung der Organisation unter Berücksichtigung ihrer

grundlegenden Ziele. Daraus leiten sich als Aufgaben die Analyse der

Unternehmenslage und die Entwicklung von langfristigen Konzepten ab. Darüber

3 Ehrmann, 2002, S. 25 4 Stoll, 2003, S. 71 5 ebd., S. 25 6 http://bidok.uibk.ac.at/library/gl1-99-wozu.html, Stand: 11.03.07 7 Stoll, 2003, S. 71

3

Page 5: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

hinaus übernimmt das strategische Management eine Koordinationsfunktion über

die Ausrichtung vielfältiger Entscheidungen und über den Ressourceneinsatz in

Bezug auf die Organisationsziele.

Die strategischen Ziele sind auch als Grundlage für die Erfolgsmessung zu

betrachten und verfügen somit über eine Evaluationsfunktion. Die Reflexions- und

Klärungsfunktion dient zur Entwicklung von weiteren Zielen und deren möglichen

Konsequenzen. Schließlich ist noch die Integrationsfunktion zu nennen. Die

gemeinsame Klärung von Organisationszielen kann zu einer besseren

Verständigung von Leitung und Mitarbeitern führen.

Strategisches Management wird als Prozess verstanden und kann nach Gmür8 in

fünf Abschnitten beschrieben werden: Klärung der grundlegenden Ziele,

strategische Analyse, Strategieentwicklung, Strategieverankerung und Evaluation.

Der Klärung der grundlegenden Ziele auf dem Hintergrund der Mission der

sozialen Organisation ist für die Strategieentwicklung von besonderer Bedeutung.

Welche Leistungen zur Bedürfnisbefriedigung der Stakeholder nötig sind,

beschreiben dabei die Leistungserbringungsziele. Die dafür erforderlichen Mittel

und Kapazitäten werden in den Potenzialzielen und die zur Umsetzung

ausschlaggebenden Vorgangsweisen in den Verfahrenszielen benannt.9

Die Balanced Scorecard setzt an der Operationalisierung dieser strategischen

Ziele an. Sie will die Umsetzung der Strategien im operativen Geschäft fördern.

3 Die Balanced Scorecard

3.1 Grundlagen Kaplan/Norton entwickelten Anfang der 90er Jahre die Balanced Scorecard

(ausgewogener Berichtsbogen)10 als Antwort auf die Unzufriedenheit mit den bis

8 Gmür zit.n. Stoll, 2003, S. 73 9 vgl. ebd., S. 76 10 ebd., S. 78 ff

4

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dahin vorherrschenden rein auf finanziellen Größen beruhenden Kennzahlen-

systemen, die sich auf die Analyse vergangener Geschäftsvorgänge

konzentrierten und somit einen operativen Fokus hatten. Die Balanced Scorecard

erweitert diese retrospektive Sichtweise um eine zukunftsbezogene Perspektive

auf leistungstreibende Faktoren. Sie verfügt über eine multidimensionale

Sichtweise aus Früh- und Spätindikatoren und geht somit weit über die bisherigen

Kennzahlensysteme hinaus. Nicht nur finanzielle Kennzahlen werden durch sie

erfasst, sondern auch die aus der Vision und Strategie abgeleiteten Ziele und

Kennzahlen, die sich auf Kunden, auf interne Prozesse und auf die Lern- und

Entwicklungsperspektive der Organisation beziehen. Da sie auch subjektive und

qualitative Erfolgskriterien miteinbezieht, wird die Balanced Scorecard zu einem

strategischen Management-Instrument, das gerade auch für soziale Einrichtungen

besonders interessant ist.

Abbildung 1: Die Balanced Scorecard Quelle: wikipedia11

3.2 Vision und Mission

Den Ausgangspunkt für jede strategische Entscheidung bilden die Vision und die

Mission eines Unternehmens. Während die Vision dabei eine Wunschvorstellung

über die zukünftige Entwicklung des eigenen Unternehmens beschreibt, bezieht

11 http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Balanced_Scorecard.png, Stand: 12.03.07

5

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sich die Mission auf die Außenwirkung des Unternehmens.12 Beide sollen

prägnant formuliert sein und den Rahmen für die Zielvorstellungen darstellen.

Eine klar formulierte und kommunizierte Vision stellt für die Mitarbeiter eine

erhebliche Motivation dar, insbesondere wenn daraus strategische Ziele abgeleitet

werden, die jedem Mitarbeiter den Zweck des Unternehmens und seine eigene

Bedeutung auf dem Wege zur Erreichung dieses Zwecks erkennen lassen.

3.3 Strategische Ziele

Die Balanced Scorecard geht von vorhandenen übergeordneten Strategien aus,

die bereits auf dem Hintergrund von Vision und Mission entwickelt wurden. Sie

unterstützt dabei die Operationalisierung von Vision und Strategie, die

Kommunikationsprozesse, die Entwicklung und Verknüpfung von strategischen

Zielen und Maßnahmen und sie verhilft zu einem verbesserten strategischen

Feedback und Lernen13.

Die strategischen Ziele werden dabei mit Kennzahlen und Zielwerten verknüpft.

Anhand dieser Einflussgrößen kann zunächst verdeutlicht werden, woran sich die

Umsetzung von Zielen ablesen lässt. Daraus lassen sich konkrete Maßnahmen

ableiten. Der Grad der Zielerreichung erlaubt wiederum wichtige Rückschlüsse für

den Erfolg einer Strategie und kann den Auslöser für notwendige

Strategieveränderungen bilden. Der sozialen Organisation ist es durch diese

regelmäßige Überprüfung möglich, sich an veränderte Umweltbedingungen und

Strukturen anzupassen.

12 vgl. Ehrmann 2002, S. 21 ff 13 vgl. Stoll 2003, S. 82

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3.4 Die Perspektiven der Balanced Scorecard

3.4.1 Die Kunden- oder Klientenperspektive

Während bei gewinnorientierten Unternehmen die Finanzperspektive das

wichtigste Element der Balanced Scorecard ist, steht bei NPO die Kunden- oder

besser: die Klientenperspektive im Vordergrund. Die Erbringung von sozialen

Dienstleistungen für Menschen, die sich in einer von ihnen aus eigener Kraft nicht

zu bewältigenden Not- oder Belastungssituation befinden, ist zentraler

Gegenstand von Sozialer Arbeit14. Ziele sind Verhaltens- oder Zustands-

änderungen dieser Menschen. Die zu beratenden Menschen stehen im Mittelpunkt

des gesamten Geschehens und alle Aktivitäten der Sozialen Organisation haben

sich direkt oder indirekt auf die Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen

zu beziehen und müssen sich von ethischen Gesichtspunkten leiten lassen.

Zunächst ist die Frage zu stellen, an welche spezifische Kunden- oder

Klientengruppe sich die Soziale Organisation wenden will. Neben den

eigentlichen Adressaten können auch Angehörige, Zuweiser oder Kostenträger zu

den Kunden gerechnet werden.

Wünsche und Zufriedenheit des Klientels mit der Erbringung der Leistung, dem

Beratungs- oder Therapieangebot sollen mittels Kennzahlen erfasst werden. Dies

kann beispielsweise durch Klientenbefragungen oder in der Einrichtung und

Auswertung eines Beschwerdemanagements geschehen.

3.4.2 Die interne Prozessperspektive

Die interne Prozessperspektive legt ihr Augenmerk auf die interne

Ablauforganisation der Einrichtung oder des Unternehmens, deren Ausgestaltung

mit die größte Auswirkung auf die Klientenzufriedenheit hat. Vor allem diese

14 vgl. Schellberg, 2004, S. 31

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Perspektive macht deutlich, dass soziale Dienstleistungen Leistungen sind, an

deren Erstellung der Klient beteiligt ist. Die transparenten Beratungs- und

Betreuungsprozesse, die Kommunikations- und die jeweiligen

Überleitungsprozesse zwischen den Schnittstellen sollen optimal ablaufen, damit

die strategischen Ziele erfüllt werden können. Dabei werden nicht alle

vorhandenen Prozesse berücksichtigt, sondern nur die kritischen Prozesse, die

ausschlaggebend für die Leistungswirkung sind.

Eine weitere Funktion der Prozessperspektive liegt in der Entwicklung von

Kennzahlen für Innovationsprozesse der Organisation.

3.4.3 Die Finanzperspektive

Die Finanzperspektive spielt in NPO zwar nicht die herausragende Rolle wie in

erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, gewinnt jedoch aufgrund des

Kostendrucks, der auf sozialen Organisationen lastet, zunehmend an Bedeutung.

Insbesondere kann die Finanzperspektive Ziele und Kennzahlen zu

Wirtschaftlichkeit, Budget, Fallkosten, Auslastung, etc. umfassen und sich

teilweise mit den Zielen des Controllings decken, sofern sich dieses Controlling

auf strategische und nicht auf rein diagnostische Kennzahlen bezieht15.

3.4.4 Die Lern- und Entwicklungsperspektive

Die Lern- und Entwicklungsperspektive wird auch als Mitarbeiter- oder

Potenzialperspektive bezeichnet und zielt auf langfristiges Wachstum und

Verbesserung. Sie bezieht sich einerseits auf die Entwicklung und Qualifizierung

von Mitarbeitern, die ein wesentlicher Produktionsfaktor sind. Im Rahmen der

Lern- und Entwicklungsperspektive werden Kennzahlen für Aus-, Fort- und

Weiterbildung als Frühindikatoren entwickelt. Wachstumskennzahlen sind

Frühindikatoren. Sie werden deshalb auch als Leistungstreiber bezeichnet, die 15 Stoll, 2003, S. 101

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sich auf frühe Phasen betriebswirtschaftlicher Prozesse beziehen16. Aber auch

fachliche Information und Austausch sollen gemessen werden. Zu den

Spätindikatoren, die am Ende betriebswirtschaftlicher Prozesse erstellt werden17,

zählen Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeitertreue oder Mitarbeiterproduktivität.

Andererseits umfasst die Lern- und Entwicklungsperspektive auch den Blick auf

die Infrastruktur der Organisation wie etwa die Ausstattung eines Arbeitsplatzes.

Die in diesem Kapitel beschriebenen Perspektiven stehen nicht isoliert neben-

oder übereinander, sondern sie bilden mehrstufige Ursache- Wirkungsketten, die

sich gegenseitig beeinflussen und den Erfolg einer Organisation bedingen. Dies

soll anhand eines praktischen Beispiels im folgenden Kapitel verdeutlicht werden.

4 Mögliche Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe für Frauen

4.1 Ausgangslage

Psychisch kranke, wohnungslose Menschen rücken seit den 80er Jahren immer

mehr in den Blickwinkel der Wohnungslosenhilfe. In Deutschland geht man davon

aus, dass bei ca. 60 – 80% aller Wohnungslosen psychische Erkrankungen

vorliegen18. Neben den gravierenden sozialen Problemlagen finden sich

schizophrene Erkrankungen mit ca. 30%, affektive Störungen mit bis zu 50% und

Suchterkrankungen mit bis zu 90%19. Die zugrunde liegenden Untersuchungen

setzten sich dabei in erster Linie mit männlichen Wohnungslosen auseinander.

Greifenhagen/Fichter zeigten 1998 mit ihrer Studie „Ver-rückt und obdachlos –

psychische Erkrankungen bei wohnungslosen Frauen“20, dass das Risiko an einer

psychischen Erkrankung zu leiden für obdachlose Frauen im Vergleich zu Frauen

mit Wohnungen mit dem Faktor 3,7 deutlich erhöht ist. Auch die praktischen

16 vgl. Ehrmann, 2002, S. 186 17 ebd., S. 197 18 vgl. Schönell, Müller, Hesse-Lorenz, 2002, S. 4 19 ebd. 20 Greifenhagen/Fichter, 1998, S. 89

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Erfahrungen in den Münchner Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe für Frauen

bestätigten diese Ergebnisse der Arbeit von Greifenhagen/Fichter.

Jedoch scheitert die Inanspruchnahme der sozialpsychiatrischen Versorgung

dieses Klientels teils an dem krankheitsbedingten abwehrenden Verhalten

(fehlende Krankheitseinsicht und non-compliance) der betroffenen Frauen und

teils an den relativ hochschwelligen Zugängen zu den jeweiligen

sozialpsychiatrischen Diensten und Einrichtungen. Die betroffenen Frauen suchen

vorrangig in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe Beratung und

Unterstützung.

Ende der 90er Jahre begann in München die Wohnungslosenhilfe für Frauen mit

der Einrichtung von speziellen Angeboten für psychisch kranke, wohnungslose

Frauen.

4.2 Das Betreute Einzelwohnen für psychisch kranke Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten

Wohnungslosigkeit ist nur ein Merkmal unter den zahlreichen sozialen

Schwierigkeiten, der den fokussierten Personenkreis kennzeichnet. Der Begriff

„besondere soziale Schwierigkeiten“ lehnt sich an die gesetzlichen Vorgaben im

Rahmen des Achten Kapitels, SGB XII: „Hilfe zur Überwindung besonderer

sozialer Schwierigkeiten“ an und ist somit ein juristisches Konstrukt. § 67 SGB XII

wendet sich an „Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen

Schwierigkeiten verbunden sind“. Gemeint sind hier vor allem Frauen, die von

Wohnungslosigkeit und/oder Straffälligkeit und/oder gewaltgeprägten

Lebensverhältnissen und/oder anderen sozialen Schwierigkeiten betroffen oder

bedroht sind. In jedem Falle handelt es sich um eine Kumulierung sozialer

Schwierigkeiten.

Das Betreute Einzelwohnen für Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten,

die auch von einer psychischen Erkrankung betroffen sind, wird seit 2001 vom

10

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Evangelischen Beratungsdienst für Frauen unter dem Namen „1-2-3 Wohnen

Beratung Betreuung“ angeboten. Die anfänglich 16 konzipierten Plätze wurden

2006 um weitere 8 auf insgesamt 24 Plätze erweitert. Der Betreuungsschlüssel

liegt bei 1:6. Es handelt sich um ein langfristiges Hilfeangebot.

Alle Klientinnen leben in einer von ihnen selbst oder vom Träger – dem

Evangelischen Hilfswerk München gGmbH – angemieteten Wohnung. Die Arbeit

mit den betroffenen Frauen ist vorwiegend zugehend. Das Leben dieser Frauen ist

gekennzeichnet durch gewaltgeprägte Lebensumstände, in vielen Fällen bereits

von Kindheit an. Aufenthalte in der Psychiatrie bereits während der Adoleszenz,

unvollständige Schul- und Erwerbsbiografien, Suchtmittelmissbrauch, Kriminalität,

somatische Erkrankungen und Beziehungsabbrüche sind die Stationen und

Erfahrungen, die diese Frauen auf ihren Weg in die psychische Erkrankung und

Wohnungslosigkeit begleiten. Die fehlende familiäre Einbindung und die

mangelnde Inanspruchnahme anderer Netzwerke (z.B. Selbsthilfegruppen)

bewirken die oft sehr vereinsamte Situation dieser Frauen.

Sie leiden unter fast permanenten existentiellen Ängsten, da sie kaum über

eigenes Einkommen verfügen. Sie sind in den meisten Fällen dauerhaft abhängig

von ALG II- oder Sozialhilfeleistungen. Einige der Frauen erhalten

Opferentschädigungs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten.

Zuweisende Stellen für das Betreute Einzelwohnen sind die Ambulante

Beratung/Freie Straffälligenhilfe, das Wohnheim, das Dezentrale Stationäre

Wohnen und die Wohngemeinschaften des Evangelischen Beratungsdienstes.

Alle Bereiche arbeiten im engen Verbund zusammen.

11

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4.3 Ziele des Betreuten Einzelwohnens

Oberstes Ziel der Einrichtung des Betreuten Einzelwohnens für psychisch kranke

Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten war es, ein niedrigschwelliges

Angebot zur Verbesserung der Lebensqualität dieses äußerst benachteiligten

Personenkreises zu schaffen.

Kostenträger dieser Maßnahme ist in der Regel der Bezirk Oberbayern, der im

Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII dieses Angebot unterstützt

und – durch die gesetzlichen Vorgaben festgelegt – folgende Ziele verfolgt:

„Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.“ [§53 (3) SGB XII]

Aus diesem Gesetz entwickelte der Evangelische Beratungsdienst für Frauen als

Maßnahmeträger seine Leistungsbeschreibung, in der die Ziele des Betreuten

Einzelwohnens genauer ausgeführt werden. Leistungswirkungsziele des Betreuten

Einzelwohnens sind Wohnungserhalt, Existenzsicherung, Förderung der

alltagspraktischen Kompetenzen, Verbesserung der psychischen und somatischen

Gesundheit, Vermittlung in Arbeit, in Maßnahmen der Arbeitsförderung oder in

tagesstrukturierende Angebote und der Aufbau befriedigender sozialer Kontakte.

Aus den oben beschriebenen Zielen ergibt sich eine Reihe von neuen

Anforderungen an die in der Einrichtung beschäftigten Sozialarbeiterinnen, die

bisher hauptsächlich über Erfahrungs- und Handlungswissen aus dem Bereich der

Wohnungslosenhilfe verfügen. Wohnungserhalt, Ausbildung, Arbeit, Aufbau

sozialer Kontakte, aber auch die Bearbeitung persönlicher Schwierigkeiten stehen

dort im Vordergrund. Bei der Arbeit mit psychisch kranken Frauen in besonderen

sozialen Schwierigkeiten kommt selbstverständlich ein weiterer Bereich von

12

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fachspezifischem Wissen über psychische Erkrankungen zur Erweiterung der

Handlungskompetenzen hinzu.

4.4 Ursache- /Wirkungsbeziehungen

Für den Bereich des Betreuten Einzelwohnens sollen in diesem Kapitel

ausgehend von der Mitarbeiterinnen-Perspektive mehrstufige Ursache-

Wirkungsbeziehungen, die sich auf die Verwirklichung des obersten Zieles dieses

Geschäftsbereiches beziehen, beschrieben werden.

Welchen Einfluss kann der Blick auf Mitarbeiterinnen-Perspektive für die

erfolgreiche Umsetzung der Maßgabe „Verbesserung der Lebensqualität von

psychisch kranken Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten“ haben?

Gaupp/Romaus haben in ihrer qualitativen Studie „Psychisch Kranke in der

Wohnungslosenhilfe“21 die Interaktionsprobleme zwischen Personal und

psychisch auffälligen Bewohnern in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe

untersucht. Sie fanden drei als typisch bezeichnete Verhaltens- bzw.

teraktionsmuster:

oder Personal und

aggressive Interaktionsstile22

Maßnahme durch die Klientin oder zu einer Erkrankung oder Kündigung der

In

• sozialer Rückzug bzw. Flucht aus sozialen Bezügen

• Belästigung von Mitbewohnern

Obwohl sich auch diese Studie auf Männereinrichtungen bezieht, finden sich diese

Phänomene auch bei dem oben beschriebenen weiblichen Personenkreis wieder.

Ohne ausreichenden Erwerb sozialpsychiatrischer Erkenntnisse und

Zusammenhänge führt die Arbeit mit diesem Personenkreis oft zu massiven

Enttäuschungen auf Seiten des Klientels, aber auch auf Seiten der

Mitarbeiterinnen und schlimmstenfalls kommt es dabei zu einem Abbruch der

21Gaupp/Romaus, 2003 22ebd., S. 2

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Mitarbeiterin. Auf beiden Seiten finden sich Wut, depressive Gefühle, Gefühle der

Ohnmacht und des Scheiterns.

Ein vertieftes Verständnis der Entstehung, des Verlaufs und der Dynamik

psychischer Störungen, sowie mögliche Behandlungsformen und Therapien sind

Voraussetzung für einen adäquaten Umgang mit psychisch kranken Menschen in

besonderen sozialen Schwierigkeiten.

Strategische Ziele der Mitarbeiterperspektive sind demnach die fachliche

Qualifizierung durch Fort-, bzw. Weiterbildung und die fachliche Reflexion im

Rahmen der Supervision durch psychiatrisch qualifizierte SupervisorInnen.

Die durch verbesserte Kenntnisse im sozialpsychiatrischen Bereich ermöglichte,

veränderte Haltung im Umgang mit psychisch kranken Frauen in besonderen

sozialen Lebenslagen kann zu einer verbesserten Prozessqualität führen. Die

Mitarbeiterin wird in die Lage versetzt, das Erleben und Verhalten der betroffenen

Frauen besser zu verstehen. Die Qualität der Beratung wird sich erhöhen.

Dadurch wird die Zufriedenheit der Klientin mit der Beratung gesteigert. Sie fühlt

sich verstanden und wertgeschätzt, lässt sich auf den Beratungsprozess ein und

kann so Schritte erlernen, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Eine zufriedene Klientin wird das Betreute Einzelwohnen, das ihr unter subjektiven

und objektiven Gesichtspunkten geholfen hat, auch anderen Betroffenen

empfehlen, die dann als potenzielle Nachfragerinnen auftreten. Durch die

gesteigerte Nachfrage kann die Einrichtung eine Vollbelegung erreichen und

möglicherweise das Angebot ausweiten. Somit sind die Auswirkungen der

Zusatzqualifikation der Mitarbeiterinnen im sozialpsychiatrischen Bereich auch auf

die in der Finanzperspektive entwickelten Ziele von großer Bedeutung.

Abbildung 2 zeigt eine vereinfachte Darstellung der Ursache- /Wirkungs-

beziehungen.

14

Page 16: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

Finanzperspektive

Kundenperspektive

Vollbelegung

höhere Klientenzufriedenheit, geringe Abbrecherquote

verbesserte Beratungsprozesse

erhöhte Mitarbeiter-zufriedenheit

Weiterempfehlung: Zuwachs an Bewerbern

fachspez. Supervision zur Verbesserung des Prozessverständnisses

fachspez. Weiter-bildung zur Erhöhung der Fachkompetenz

Wachstum

Prozessperspektive

Lern- und Entwicklungs-perspektive

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung der Ursache- /Wirkungsbeziehungen 4.5 Messgrößen und Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive

Für die strategischen Ziele der Mitarbeiterperspektive, nämlich die

sozialpsychiatrische Qualifizierung und Reflexion, und die daraus abgeleiteten

Maßnahmen Fortbildung und Supervision sind als nächster Schritt zur

Konkretisierung der Balanced Scorecard geeignete Messgrößen und Kennzahlen

zu entwickeln.

Ehrmann beschreibt für die Entwicklung von Kennzahlen mehrere Kriterien, die zu

berücksichtigen sind23: Ihre Ermittlung darf nicht zu kompliziert sein, damit ihre

Aussagefähigkeit und Akzeptanz und somit ihre Motivationsfähigkeit für die

Mitarbeiter erhalten bleiben. Darüber hinaus dürfen Kennzahlen nicht vorrangig

zur Leistungsüberprüfung oder als Leistungsanreiz für Mitarbeiter dienen. Sie

sollen wirtschaftlich zu ermitteln sein, nach Möglichkeit sollen die Daten aus

23 Ehrmann, 2002, S. 54 ff

15

Page 17: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

bereits vorliegenden Informationen gewonnen werden. Es sind Verantwortliche für

die jeweiligen Kennzahlen zu bestimmen, um durch eine klare Zuständigkeit die

Entwicklungen zu fokussieren. Weiter darf zur Erhaltung von Transparenz und

Übersichtlichkeit die Anzahl der Kennzahlen nicht zu groß sein. Und Früh- und

Spätindikatoren sollen gleichermaßen in den Kennzahlen abgebildet werden,

damit Aussagen über eingeleitete Maßnahmen und deren Erfolg aufeinander

bezogen werden können.

Geeignete Messgrößen für das Beispiel der Lern- und Entwicklungsperspektive

des Geschäftsfeldes „Betreutes Einzelwohnen für Frauen in besonderen sozialen

Schwierigkeiten“ mit dem neuen Schwerpunkt „psychische Erkrankungen“ sind

demnach die Anzahl der darauf bezogenen Fort- und Weiterbildungen und

Supervisionen, an denen jede Mitarbeiterin pro Jahr teilnimmt.

Sehr viel schwieriger ist es, die Kennzahlen für die Qualität der Fort- und

Weiterbildung und Supervision zu finden. Ehrmann empfiehlt für den

Weiterbildungsbereich eine Zeitgröße, welche die Dauer der Einheiten angibt, die

eine Mitarbeiterin braucht, um zu einer gewünschten Qualifikation zu kommen.24

Dies erscheint mir nicht völlig ausreichend. Vielmehr müsste man hier neben der

Dauer auch Bezug nehmen auf die Qualifikation und Erfahrung der Anbieter von

Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, auf die vermittelten Lerninhalte und auf die

Formen der Qualifikationsnachweise.

Für die Arbeit mit Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, die auch von

einer psychischen Erkrankung betroffen sind, geht eine einseitige Sichtweise an

den Bedarfen des Klientels vorbei. Die Betrachtung von nur sozialen

Gesichtspunkten vernachlässigt den seelischen Gesundheitszustand der

Betroffen. Und ein ausschließliches Eingehen auf die psychische Verfassung

leugnet soziale Realitäten. Für eine geeignete Fortbildung müssten Qualifikationen

des Referenten in beiden Bereichen vorliegen. So müsste also z.B. ein Psychiater,

24vgl. Ehrmann, 2002, S. 126

16

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der über psychische Erkrankungen referiert, auch über Wissen und Erfahrungen

in der Wohnungslosenhilfe verfügen.

Fort- und Weiterbildungen sowie Supervision sollen dabei von einem psychiatrisch

qualifizierten Referenten durchgeführt werden, der mindestens über 3 Jahre

Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen in besonderen sozialen Lebenslagen

verfügt. Die Kennzahl lautet also > 3, die Messgröße ist die Erfahrung in der

Wohnungslosenhilfe in Jahren.

Eine weitere Kennzahl für den Bereich Fortbildung in sozialpsychiatrisch

relevanten Bezügen wird mit fünf Tagen pro Jahr pro Mitarbeiterin vorgegeben.

Für Weiterbildungen ist eine mögliche Kennzahl die Dauer der Maßnahme bis zum

Erwerb einer Qualifikation. Als Beispiel lässt sich der Masterstudiengang

„Sozialarbeit in der Psychiatrie“ an der Fachhochschule München mit einer Dauer

von 2,5 Jahren bis zum Abschluss „Master of Social Work in Mental Health“

anführen.

Für die Supervision kann die Kennzahl und Messgröße mit einer

Gruppensupervision pro Monat angegeben werden.

Ein Soll/Ist-Vergleich kann notwendige Maßnahmen in den genannten Bereichen

insbesondere dann anstoßen, wenn sie mit weiteren Anreizen verknüpft sind wie

etwa zusätzliche Freistellungen für Weiterbildungen oder höhere Bezahlung

aufgrund gestiegener Qualifikation.

5 Resümee

Die vorliegende Studienarbeit zeigt die wesentlichen Elemente der Balanced

Scorecard auf. Anhand des Betreuten Einzelwohnens konnten Beispiele für die

umfassenden Ursache- /Wirkungsbeziehungen der einzelnen Perspektiven der

17

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Balanced Scorecard skizziert werden. Messgrößen und Kennzahlen der Lern- und

Entwicklungsperspektive wurden abschließend entwickelt.

Wesentlich scheint mir zu sein, dass zunächst Vision und Mission einer sozialen

Organisation eindeutig benannt werden müssen. Die Leitungs-, bzw.

Geschäftsführungsebene einer solchen Organisation muss dafür über umfassende

Managementkompetenzen und den Willen zur Strategieorientierung verfügen.

Moos stellt gerade in diesem Bereich einen „erheblichen Nachholbedarf“25 für

soziale Organisationen fest. In vielen sozialen Organisationen finden sich zwar

Leitbilder, die sich mit der Frage nach der Identität der sozialen Organisation

beschäftigen, die aber keine Ausrichtung auf grundlegende Strategien erkennen

lassen und somit die wichtige Frage nach der Zukunftsfähigkeit einer Organisation

außer Acht lassen. Oder wie Moos es ausdrückt: „Eine ‚Branche’, die in ihren

Leitbildern sehr gut die Frage behandelt hat: ‚Wer wollen wir sein?’ hat

unterschätzt, dass sich hieraus nicht die Frage beantworten lässt: ‚Gibt es uns

morgen noch?’“26

Der Einsatz der Balanced Scorecard als Instrument des strategischen

Managements im sozialen Bereich kann, wie diese Studienarbeit zeigt,

gewinnbringend sein, setzt aber einen hohen Wissenstand, Lernbereitschaft und

Motivation auf der Führungsebene voraus.

25Moos, 2004, S.198 26ebd.

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Page 20: Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen ... · Abbildung 1: Die Balanced Scorecard . Quelle: wikipedia. 11. 3.2 Vision und Mission . Den Ausgangspunkt für jede strategische

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Greifenhagen, Annette/Fichter, Manfred in wohnungslos,

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Schellberg, Klaus (2004): Betriebswirtschaftslehre für Sozialunternehmen,

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Schönell, Helmut/Müller, Ulrich/Hesse-Lorenz, Helma in: Kerbe, Forum für

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Stoll, Bettina (2003): Balanced Scorecard für Soziale Organisationen,

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Internetquellen:

http://bidok.uibk.ac.at/library/gl1-99-wozu.html, Stand: 11.03.07

http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Balanced_Scorecard.png, Stand: 12.03.07