die bedeutung der eosinophilen leukozyten bei der leukose des rindes

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Zbl. Vet. Med. B, 18, 312-325 (1971) @ 1971 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg Aus der Bundesforschungsanstalt fiir Viruskrankheiten der Tiere in Tubingen und der Abt. fiir Veterinarmedizin des Max von Pettenkofer-Instituts im Bundesgesundheitsnmt, Berlin Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes') Von R. J. LORENZ, 0. C. STRAUB und E. WBINHOLD Mit 6 Abbildungen und 2 Tabellen (Eingegangen am II. Marz 1971) Einleitung Die verschiedenen Leukoseformen haben ihre entsprechenden hamatolo- gischen und histologischen Ausdrucksformen, die sich bei der Rinderleukose uberwiegend in Lymphadenose aui3ern. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um enzootische Form der Erwachsenen-Leukose vom multizentrischen Typ. Die diagnostisch wichtigen qualitativen und quantitativen Veranderun- gen der zelligen Bestandteile des Blutes beziehen sich auf die Gesamtmenge der weii3en Blutelemente und die Anzahl der Lymphozyten. Nach SEILS (7) sind am Gesamtablauf der leukotischen Erkrankung Aes Rindes ofienbar auch eosinophile Granulozyten beteiligt. In mehrjahrigen hamatologischen Untersuchungen eines Rinderbestandes stellte er die laufende Zunahme des Verseuchungsgrades mit der lymphatischen Form der Rinder- leukose fest. An Hand von rund 700 Blutbildern wurde ermittelt, dai3 es bei 72 O/o solcher Tiere, die hamatologisch nach dem Leukoseschlussel als ,normal" oder ,,verdachtig" beurteilt werden mufiten, zu einer Eosinophilie mit oft mehr als 1000 Eosinophilen/mm3 im Blut kam. Bei den Tieren, die ,,krank- haft erhohte" Leukozytenzahlen aufwiesen und mithin als leukosepositiv zu keurteilen waren, lag die Zahl der Eosinophilen i. a. unter 1000, oft aber auch uber dem als normal angesehenen Wert von 300 Eosinophilen/mms. Auch andere Untersuchungen zeigten, dai3 Rinder, die spater hamatologisch fur Leukose positive oder verdachtige Blutbilder hatten, vorher stets uber erhohte Eosinophilenwerte verfugten (9). Eine Bestatigung dieser Befunde wurde bedeuten, dai3 eine Leukoseerkrankung wahrend der Inkubationszeit*) I) Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2, Unter Inkubationszeit wird in dieser Arbeit das Stadium nach der Infaktion mit normalem Blutbild und ohne klinische Anzeichen verstanden; im Unterschied hierzu wird irn Schrifttum der Terminus ,,praleukotische Phase" auf eine hamatologisch positive, aber anatomisch-pathologisch negative Phase der Erkrankung angewendet.

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Page 1: Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes

Zbl. Vet. Med. B, 18, 312-325 (1971) @ 1971 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg

Aus der Bundesforschungsanstalt f i ir Viruskrankheiten der Tiere in Tubingen und der Abt . f i ir Veterinarmedizin des Max von Pettenkofer-Instituts im

Bundesgesundheitsnmt, Berlin

Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes')

Von

R. J. LORENZ, 0. C. STRAUB und E. WBINHOLD

M i t 6 Abbildungen und 2 Tabellen

(Eingegangen am II. M a r z 1971)

Einleitung Die verschiedenen Leukoseformen haben ihre entsprechenden hamatolo-

gischen und histologischen Ausdrucksformen, die sich bei der Rinderleukose uberwiegend in Lymphadenose aui3ern. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um enzootische Form der Erwachsenen-Leukose vom multizentrischen Typ. Die diagnostisch wichtigen qualitativen und quantitativen Veranderun- gen der zelligen Bestandteile des Blutes beziehen sich auf die Gesamtmenge der weii3en Blutelemente und die Anzahl der Lymphozyten.

Nach SEILS (7) sind am Gesamtablauf der leukotischen Erkrankung Aes Rindes ofienbar auch eosinophile Granulozyten beteiligt. In mehrjahrigen hamatologischen Untersuchungen eines Rinderbestandes stellte er die laufende Zunahme des Verseuchungsgrades mit der lymphatischen Form der Rinder- leukose fest. An Hand von rund 700 Blutbildern wurde ermittelt, dai3 es bei 72 O/o solcher Tiere, die hamatologisch nach dem Leukoseschlussel als ,normal" oder ,,verdachtig" beurteilt werden mufiten, zu einer Eosinophilie mit oft mehr als 1000 Eosinophilen/mm3 im Blut kam. Bei den Tieren, die ,,krank- haft erhohte" Leukozytenzahlen aufwiesen und mithin als leukosepositiv zu keurteilen waren, lag die Zahl der Eosinophilen i. a. unter 1000, oft aber auch uber dem als normal angesehenen Wert von 300 Eosinophilen/mms. Auch andere Untersuchungen zeigten, dai3 Rinder, die spater hamatologisch fur Leukose positive oder verdachtige Blutbilder hatten, vorher stets uber erhohte Eosinophilenwerte verfugten (9). Eine Bestatigung dieser Befunde wurde bedeuten, dai3 eine Leukoseerkrankung wahrend der Inkubationszeit*)

I) Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2, Unter Inkubationszeit wird in dieser Arbeit das Stadium nach der Infaktion mit

normalem Blutbild und ohne klinische Anzeichen verstanden; im Unterschied hierzu wird irn Schrifttum der Terminus ,,praleukotische Phase" auf eine hamatologisch positive, aber anatomisch-pathologisch negative Phase der Erkrankung angewendet.

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Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes 313

mit grofler Regelmafligkeit von einer Eosinophilie begleitet ist, im akuten Stadium dagegen nicht.

Auch andere Autoren fanden bei ihren Untersuchungen uber die Leukose des Rindes erhohte Werte fur die eosinophilen Granulozyten (1 , 4, 5, 6). Eine Korrelation zwischen den Eosinophilen- und den Lymphozytenzahlen konnte dagegen nicht nachgewiesen werden (1 5). In anderen Versuchen wurde ebenfalls festgestellt, da8 bei Leukose-positiven Blutbefunden die Eosi- nophilwerte durchschnittlich niedriger als bei verdachtigen oder negativen Befunden waren (12).

Hinsichtlich der von SEILS ermittelten Eosinophilie wahrend der Inkuba- tionszeit wurde die Hypothese aufgestellt, da8 es sich hierbei um eine erste Auseinandersetzung des Organismus mit dem zu vermutenden Leukoseagens handele (7, 9). Jedenfalls hatte die Tatsache einer solchen Eosinophilie fur die Beurteilung einer Leukoseinfektion des Rindes einen nicht geringen Wert. Es konnte z. B. eine Leukoseinfektion moglicherweise schon fruhzeitig erkannt werden.

Fur eine Priifung der Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes boten sich zwei unabhangige Gruppen von Rindern an, die seit 1961 in Berlin und in Tubingen im Leukose-Infektionsversuch stehen. Diese Tiere sind parasitenfrei und werden nur im abgeschlossenen Stall gehal- ten (13).

Material und Methoden Die hamatoiogische Beurteilung der Rinder basiert auf der absoluten

Anazhl von Lymphozyten/mms Blut. Nach dem Gottinger Leukoseschlussel (3) wird zwischen normalen, mai3ig erhohten und krankhaft erhohten Lym- phozytenwerten unterschieden. Die Rinder selbst sollen hier entsprechend auch als ,,Leukose-negativ", ,,Leukose-verdachtig" bzw. ,,Leukose-positiv" bezeich- net werden.

Berliner Tiere Es standen zur Verfugung a) 6 nichtinfizierte und von ihrer Geburt an gesunde Rinder als Kon-

b) 9 infizierte und hamatologisch positive Rinder (8 d, 1 9) (hiervon starben spater 6 an Leukose; in allen Fallen handelte es sich um eine auch histologisch esicherte Lymphadenose),

c) 5 in a zierte und hamatologisch verdachtige Rinder (3 d, 2 9) (h' iervon starb ein Tier an ausgedehnter Leukose),

d) 14 infizierte und hamatologisch negative Rinder (6 d, 8 9). Alle infizierten Tiere waren mit Organmaterial von drei leukosekranken

Rindern auf verschiedene Weise infiziert worden (13, 14). Alle Rinder sind schwarzbunt; ihre Herkunft ist teilweise seit mehreren Generationen bekannt. Die langjahrige Wberwachung und separierte Haltung garantierten die Frei- heit von Ekto- und Endoparasiten. Im Winter wurden die Tiere mit Heu, Ruben, Gemengeschrot, Malzkeimen und Zuckerschnitzeln, im Sommer rnit Gras, Gemengeschrot und Trockenkleie gefuttert.

trollen (4 d, 2 $?),

Tubingen Tiere Es standen zur Verfugung a) 19 nichtinfizierte und gesunde Rinder als Kontrollen (9 d, 10 ?), b) 15 hamatologisch positive Rinder (6 6, 9 9) nach naturlicher (ver-

tikaler) Ubertragung,

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314 LORENZ, STRAUB und WEINHOLD

Phase I I Monate Vu. - Mittel- breite wert

(11)' i11,O)

5-29 17,O

4-30 17,3 1 3 5 - 3 W (36,5)

11-41 21,5 1-86 37.5

c) 9 hamatologisch positive Rinder (1 6, 8 0) nach experimenteller Obertragung,

d) 4 hamatologisch verdachtige Rinder (3 6, 1 9) nach naturlicher (vertikaler) Obertragung,

e) 9 hamotologisch verdachtige Rinder (1 d', 8 9) nach experimenteller Ubertragung.

Alle Tiere wurden unter gleichen und gleichbleibenden Bedingungen (Temperatur usw.) parasitenfrei in Isolierstallen gehalten. In der warmen Jahreszeit bestand die Futterung aus Gras, im Winter aus Heu, Kraftfutter unter Zusatz von Mineralsalzen. Zum Begriff der experimentellen bzw. ver- tikalen Obertragung vgl. (1 1 , 13).

Unsere hamatologisch positiven Versuchstiere durchliefen zunachst eine Phase mit Leukose-negativem Blutbild (Inkubationszeit) und gingen uber eine Zwischenphase mit mai3ig erhohten Lymphozytenwerten in die eigentliche hamatologisch-leukosepositive Phase uber. Die Verweildauer in den beiden ersten Phasen (bei Leukose-verdachtigen Rindern in der ersten Phase) schwankte von Tier zu Tier. Hamatologisch verdachtige Tiere sind solche, die zwar in die zweite, aber nie in die dritte Phase eingetreten sind. Die Varia- tionsbreiten und Mittelwerte der Phasenlangen sind in Tabelle 1 zusammen- gestellt.

Tabelle 1 Variationsbreiten und Mittelwerte der Phasenlaneen

Phase 11 I Monate I Var.- Mittel- breite wert

1361' 136,O) - -

1-22 9,6 - - 11-48 21,O - -

Phase I : Inkubationszeit Phase I1 : Mai3ig erhohte Lymphozytenwerte ] In Mo;laten

Phase 1 I Monate) Vu.- Mittel- breite wert

2-12 5,3

7 - 9 8,O

4-28 13,7 8-29 17,O I1)X 11,Ol

143Ix (43,O)

BERLINER TIERE

lnfizierte (positivl Inf iz ierte lwrdachtig 1

Vertikale ubertr. lpos.) I lverd.)

Experim. ubertr. (pos.) II u lverd.)

TuBlNGER TIERE

Phase 11 I Monate 1 Var.- Mittel- breite wert

2- 18 7 3 - -

1-18 4,4 - - 121 2,o - -

x = beruht auf einer einzelnen Beobachtung xx = beruht auf lediglich zwei Beobachtungen

Zihlung der Blutkorperchen Nach der experimentellen Infektion, die bis zum 5. Lebenstag erfolgte,

wurden die Tiere zunachst in zwei-, spater in vierwochigem Abstand unter- sucht. Die Blutproben wurden in der Regel vormittags aus der V. jugularis entnommen, mit Titriplex 111-Losung (2,O ml Titriplex + 18,O ml Blut) bzw. mit Natriumzitrat ungerinnbar gemacht und innerhalb der nachsten 4 Stunden verwertet. Von jeder Probe wurde ein Ausstrih angefertigt und nach PAPPEN- HEIM gefarbt; dann wurden jeweils 100 Blutkorperchen differenziert. Die Gesamtleukozytenzahl (Leu) wurde in Berlin mit einem Partikelzahlgerat, in Tubingen mit Hilfe der Zahlkammer nach BURKER festgestellt (10).

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Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes 315

Mit [Ly] bzw. [Eo] sei die Anzahl der Lymphozyten bzw. der Eosino- philen unter 100 differenzierten Leukozyten bezeichnet. Die Schatzwerte fur die Gesamtzahl der Lymphozyten (Ly) bzw. der Eosinophilen (Eo) pro mm3 Blut wurden wie folgt berechnet:

(Leu) - [ Eo] 100 (Eo) = -

Der Fehler bei der (Ly)- bzw. (Eo)-Schatzung setzt sich aus zwei unab- hangigen Anteilen zusammen: 1. dem Fehler bei der Shatzung der Gesamt- leukozytenzahl/mm3, d. h. von (Leu); 2. dem F.ehler bei der Schatzung des prozentualen Anteils der Lymphozyten bzw. der Eosinophilen im Differential- blutbild, also von [Ly]/lOO bzw. von [Eo]/l00. Der groi3te Anteil am Gesamtfehler beruht auf der zweiten Komponente. Geht man von 5 O / o

Eosinophilen unter den Leukozyten aus, dann betragt bei Diff erenzierung von 100 Leukozyten der prozentuale Fehler der [Eol-Bestimmung rund 45 O/o.

Ober den unter 1. genannten Fehler siehe (10); dieser ist relativ zu dem beim Diff erenzieren enstehenden Fehler gering, wobei es auch keine groi3e Rolle spielt, ob die Gesamtleukozytenzahl mit einem Zahlgerat oder mit der Zahl- kammer bestimmt wird. Die Berliner und Tubinger Eosinophilenwerte sind daher hinsichtlich ihrer Genauigkeit annahernd aquivalent. Der prozentuale Fehler bei einer einzelnen Shatzung der Anzahl Eosinophiler pro mm3 Blut kann jedoch bis zu 50 O/o betragen.

Nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz ergibt sich der prozentuale Fehler fur die Bestimmungen von (Eo) naherungsweise aus der Formel

Hierbei bedeuten S2(Leu) und S ~ [ E ~ I die Varianzen bei der Bestimmung von (Leu) und [Eo]. Nun ist (Leu) = 25 X n, wobei n die Gesamtzahl der in der Zahl- kammer gezahlten Leukozyten ist (9). Aus der Theorie der Poisson-Verteilung (2) ergibt sich, dai3 S(Leu) = 25 x Vn und mithin

ist. Legt man fur die Anzahl der Leukozyten pro mm3 Blut die GroBen- ordnung (Leu) = 5000 zugrunde, d. h. n = 200, dann ergibt sich s(Leu)2/(Leu)2 = 1/200 = 0,005. Der prozentuale Fehler selbst betragt 100 X V0,OOS = 100 X 0,0707 = 7 O/o.

Auf Grund der Eigenschaften der Binomialverteilung (2) ist ferner S ~ I E ~ I = 100 X p X (1-p), wobei p der wahre Anteil der Eosinophilen an den Leukozyten bedeutet, also p = [Eo]/100. Daher ist fur p = 0,05

- 0,190 95 100 P o l 500

- 1 100 - [Eo] - S2[Eol ___ - - .

Der prozentuale Fehler der [Eol-Bestimmung betragt 100 X V0,190 =

Fur den prozentualen Fehler bei der Bestimmung von (Eo) ergibt s i h 100 X 0,436 = 44 O / o (gegenuber 7 O / o bei der Bestimmung von (Leu)).

skliei3lik

-. S(Eo)

(Eo) 100 = 100 I/0,005 + 0,190 = 44,2 O/O.

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316 LORENZ, STRAUB und WEINHOLD

Ergebnisse 1. Eosinophilenwerte bei gesunden Kontroll-Rindern

Fur jedes Tier wurde uber einen Zeitraum von der Geburt bis z 5.-7. Lebensjahr monatlich einmal das Blutbild bestimmt. Die Sequen der monatlichen Eosinophilenwerte fur die einzelnen Tiere weisen eine sta und anscheinend regellose Fluktuation auf. Abbildung 1 zeigt je eine Eosi philen-Zeitkurve aus dem Berliner und dem Tubinger Bestand. Die absoh Esosinophilenzahlen erstrecken sich bei nicht leukosekranken Kontrolltic von Null bis 1000, jedoch kommen gelegentlich Spitzenwerte bis zu 2000 i daruber vor. Da aber der Fehler bei der Bestimmung der absoluten An? eosinophiler Granulozyten pro ml auf Grund des Diff erentialblutbildes betrachtlich ist, mui3 davon ausgegangen werden, dai3 ein groi3er Anteil Fluktuation zahltechnisch bedingt und zufallig ist.

Bei den beiden weiblichen Berliner Kontrolltieren traten nach dem er! Lebensjahr abnorm hohe Werte auf (4300 und 2900 Eosinophile/mms; Abb. 1, oberer Teil), die selbst bei leukosepositiven Tieren (s. u.) nie erre wurden. Eine Erklarung hierfur kann nicht gegeben werden.

1 , , ,,;, , , , , , , , , , , , , , ( , , , , , ( , , , , J / , ( , , , , , ( , , ( , , I , , , , , , , , , , 1

Abb. 1. Anzahl Eosionophile/ml bei zwei gesunden Kontrolltieren

Die Zeitreihen aller Einzeltiere, deren Wiedergabe hier nicht mog ist, vermitteln den Eindruck, dai3 die Eosinophilenzahlen in den Win monaten mit groi3er Regelmaaigkeit einen Spitzenwert annehmen bzw. einem hoheren Niveau fluktuieren als in den ubrigen Jahreszeiten. Der ol Teil von Abb. 1 stellt ein typisches Beispiel dar.

2. Jahreszeitliche Schwankungen der Eosinophilenwerte Die jahrlichen Spitzenwerte der absoluten Eosinophilenzahlen wer

in der Regel in einem bestimmten Wintermonat angenommen. Bisw.eilen tr( zwei Spitzen in dicht benachbarten Monaten auf. Die Lage der Spii

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Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes 317

schwankt beim Einzeltier von Jahr zu Jahr und ebenso von Tier zu Tier. Daruber hinaus scheint bei manchen Tieren auch ein temporarer Anstieg im Fruhjahr oder Sommer vorzuliegen, der jedoch weniger deutlich ausgepragt ist; ein gesicherter Nachweis auf der Grundlage des vorliegenden Daten- materials ist allerdings nicht moglich. Nach Ablauf des 4. oder 5. Lebens- jahres verliert sich der Rhythmus, entweder weil Spitzen uberhaupt nicht mehr oder nur in regellosen Abstanden - und dann mit abgeschwachter Ampli- tude - auftreten.

Unabhangig von der Zufallsfluktuation und einer eventuellen Periodizi- tat scheint in den ersten 2 bis 3 Lebensjahren ein schwach ansteigender Trend der Eosinophilenwerte - bei Null beginnend - vorzuliegen.

Um den zahltechnisch bedingten Schwankungsanteil zu vermindern, wur- den fur jeden Beobachtungszeitpunkt die Eosinophilenwerte der Einzeltiere einer Gruppe gemittelt. Auf diese Weise ergab sich fur jede Gruppe eine Mittelwertkurve, die i. a. ausgeglichener ist als die Zeitkurve eines Einzel- tieres. Damit jedoch durch die Mittelung nicht auch die vermuteten jahreszeit- lichen Schwankungen sowie der Anfangstrend eliminiert wurden, muf3ten die Einzel-Zeitkurven so ubereinander gelegt werden, daf3 die Mittelungen uber tatsachlich vergleichbare Einzelwerte erfolgen konnten. Diese sind nicht genau die Werte bei gleichen Lebensaltern der Tiere. Verwendet wurde eine in Monate unterteilte Jahresskala, beginnend mit dem nullten Jahr (Geburtsjahr). Der Anfangspunkt jeder Einzel-Zeitkurve wurde in den Geburtsmonat des nullten Jahres dieser Skala gelegt. Auf diese Weise traten die periodischen Jahreschwankungen tatsachlich deutlich hervor, im Gegensatz zu probeweise durchgefuhrten Mittelungen uber die Blutwerte bei exakt gleichen Lebens- altern.

Abbildung 2 zeigt die Mittelwertskurven fur die negativen Kontrollen, fur die infizierten, aber leukosefreien Tiere sowie fur die Leukose-positiven Tiere in der Teilgruppe der mannlichen Berliner Tiere. Bei allen 3 Gruppen zeigen sich deutliche Wintermaxima nach dem 1.: 2. und 3. Jahr. Fur die Gruppe der weiblichen Berliner Tiere wurde auf eine graphische Darstellung verzichtet, da nur ein positives Tier und zwei Kontrollen zur Verfugung stan- den. In Abbildung 3 (oberer Teil) sind die Mittelwertskurven fur die negativen Kontrollen und die Leukose-positiven Tiere nach vertikaler Ubertragung bei den Tubinger Tieren dargestellt, im unteren Teil die entsprechenden Kurven

Abb. 2. Mittelwertskurven fur die Anzahl Eosionophile/ml bei mannlichen Berliner Tieren Leukose-positive Tiere (n = 9) .................. infizierte, Leukose-negative Tiere (n = 6)

----------- -gesunde Kontrolltiere (n = 4)

Zbl. Vet. Med., Reihe B, Bd. 18, Heft 4 22

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318 LORENZ, STRAUB und WEINHOLD

fur die Leukose-positiven weiblichen Tubinger Tiere nach vertikaler und experimenteller Ubertragung (bei den mannlichen Tieren gab es nach experi- menteller Ubertragung nur ein positives Rind, daher keine Darstellung). Auch bei den Tubinger Tieren ist ein jahreszeitlicher Rhythmus erkennbar, wenn auch mit einer wesentlich geringeren Amplitude. Die Unterschiede im Gesamt- erscheinungsbild der Kurven, verglichen mit dem Berliner Material, sind nicht zu ubersehen. Als mogliche Ursache sind untershiedliche Haltungs- und Futterungsbedingungen in Betracht zu ziehen.

Zur statistischen Absicherung der Jahresperioden wurden fur ein groi3e Zahl von Einzel- wie Gruppen-Zeitkurven die Autokorrelationsfunktionen berechnets). Bei Vorliegen eines Jahresrhythmus mui3ten diese Funktionen ein relatives Maximum fur die Zeitdifferenz von 12 Monaten haben. Aller- dings ist zu beriicksichtigen, dai3 der zeitliche Abstand der Winterspitzen in der Regel nicht genau 12 Monate betrug, sondern zufallig schwankte. Unter diesen Umstanden sollte immerhin erwartet werden, dai3 der Korrelationswert fur 12 Monate, wenn schon nicht regelmai3ig signifikant, so doch in der uber- wiegenden Mehrzahl der Falle wenigstens einen positiven Wert annimmt. Das trifft fur die Berliner Tiere tatsachlich zu. Bei 25 von 33 Tieren war der Korrelationswert positiv; unter den positiven waren uberdies vier signifi- kant. Die entsprechenden Korrelationswerte der Mittelwertskurven fur funf Tiergruppen waren samtlich positiv und signifikant. Dies kann als ausreichende Bestatigung fur das Vorhandensein einer jahresperiodischen Schwankungs- komponente angesehen werden. Bei den Tubinger Tieren waren hingegen nur 16 von 27 Korrelationswerten positiv, davon einer signifikant. Die Korrelationswerte von vier Gruppen-Zeitkurven waren zwar samtlich positiv, aber nur einer von ihnen war auch signifikant. Die jahresperiodische Kom- ponente ist also bei den Tubinger Tieren nur sehr schwach ausgebildet.

3. Esoinophilenwerte bei Leukose-negativen und -positiven Tieren In Abbildung 2 sind die Mittelwertskurven fur die negativen Kontrol-

len, fur die infizierten, aber Leukose-negativen sowie fur die Leukose-positi- ven Tiere in der Teilgruppe der mannlichen Berliner Tiere dargestellt. Es ist deutlich, dai3 die mittleren Eosinophiknwerte der Leukose-positiven Tiere bis etwa zum Ende des 3. Jahres zum weitaus uberwiegenden Teil uber den mittleren Werten der Leukose-negativen Tiere liegen. Die Schlui3folgerung auf das Vorliegen einer Eosinophilie beruht auf dem Argument, dai3 bei Fehlen einer Eosinophilie zu erwarten ware, dai3 die Mittelwerte der Leukose- positiven Tiere in regelloser Weise ober- und unterhalb der Mittelwerte fur die negativen Tiere liegen. Das ist bis zum Ende des 3. Jahres offensichtlich n ih t der Fall, wohl aber vom 4. Jahr an. Wendet man dasselbe Kriterium auf die Mittelwertskurven fur die infizierten, aber leukosefreien Tiere an, so 1ai3t sich feststellen, dai3 sich die Eosinophilenwerte dieser Tiere wie die der Kontrollen verhalten.

Dieser Befund bedeutet jedoch keineswegs eine Bestatigung der Beobach- tung; nach der Leukosetiere wahrend der Inkubationszeit eine Eosinophilie zeigen, die bei Eintritt in die akute Erkrankungsphase wieder verschwindet. Da die Leukose-positiven Tiere durchschnittlich schon nach 5 Lebensmonaten die erste Phase verlassen (s. Tab. l), ist ein stichhaltiger Vergleich der in Betracht kommenden Werte schon aus technischen Grunden kaum moglich. Um sicher zu gehen, wurden 7 Zeitpunkte (5. bis 11. Monat des nullten

a) Die Rechnungen wurden auf der CDC 3300-Rechenanlage des Zentrums fur Daqen- verarbeitung der Universitat Tubingen durchgefuhrt.

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Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes 3 19

Monrt

sptiter leukosepos. Tiere ln.7)

Kontrollen (n = 4)

Jahres) ausgewahlt und eine Stichprobe von 7 spater an Leukose erkrankten Tieren verwendet, die zu diesen Zeitpunkten noch samtlich in der ersten Phase waren. Der Vergleich dieser Mittelwerte mit den entsprechenden Kon- trollen fiihrt zu folgenden Werten:

5 6 7 8 9 10 11

310 135 118 61 69 24 265

175 125 79 151 171 248 384

Nur in 2 von 7 Fallen ubertrifft der Mittelwert der spater Leukose- positiven Tiere den der Kontrollen.

Demgegenuber kann festgestellt werden, dai3 die Eosinophilie der posi- tiven Tiere jedenfalls im Durchschnitt bis in die akute Phase der Leukose hinein anhalt: die 3. Phase beginnt im Durchschnitt im letzten Drittel des 1 . Jahres. Die Eosinophilie endet jedoch erst mit dem 3. Jahr.

Bei den Tiibinger Tieren treten die Verhaltnisse etwas deutlicher hervor. In Abbildung 3 sind die Mittelwertskurven der Eosinophilenwerte fur die Leukose-positiven Tiere nach vertikaler Ubertragung und fur die Kontrollen dargestellt. Fur beide Geschlechter zeigt sich von Anfang an eine deutliche Eosinophilie. Dasselbe gilt fur die Gruppe der spater Leukose-positiven Tiere n a h experimenteller Obertragung (Abb. 3 unten; hier nur fur die weiblichen Tiere dargestellt; bei den mannlichen gab es nur ein Leukose-positives Tier). Der Vergleich der beiden Gruppen Leukose-positiver weiblicher Tiere zeigt

Abb. 3. Mittelwertskurven fur die Anzahl Eosinophile/ml bei dcn Tiibinger Tieren Oberer Teil: Mannliche Tiere

________-___ gesunde Kontrolltiere (n = 9) Unterer Teil: Weibliche Tiere

.................. Leukose-positive Tiere nach experimenteller Ubertragung (n = 8) -----____--_ gesunde Kontrolltiere (n = 10)

Leukose-positive Tiere nach vertikaler Ubertragung (n = 6)

Leukose-positive Tiere nach vertikaler Ubertragung (n = 9)

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320 LORENZ, STRAUB und WEINHOLD

im ubrigen, dai3 zwischen der vertikalen und der experimentellen Uber- tragung hinsichtlich der Eosinophilenwerte kein Unterschied besteht.

Urn einen Eindruck von der Variabilitat der Eosinophilenwerte zu geben, sind in Abbildung 4 die Schwankungsbreiten (Differenz aus groi3tem und

3000

2000

kleinstem beobaXteten Wert) fur die Leukose-positiven mann- lichen Tubinger Tiere und fur die entsprechenden Kontrollen dargestellt; die zugehorigen Mit- telwertskurven sind die in Ab- bildung 3 (oberer Teil) angege- ben.

Abb. 4. Schwankungsbereiche der An- zahl Eosinophilen in den Gruppen der Leukose-positiven Tiere nach ver- tikaler Ubertragung (n = 6) und der Kontrollen (n = 9); mannliche TU-

binger Tiere

Bei den durch vertikale Obertragung infizierten Leukose-positiven weib- lichen bzw. mannlichen Tubinger Tieren endete die erste Phase im Mine1 nach 17 (14) Lebensmonaten bzw. mit Ende des 1. Jahres (in der Mitte des 1. Jahres unserer Zeitskala. In Abbildung 5a (5b) ist die Mittelwertskurve fur eine Teilstichprobe von 6 (3) Tieren gezeichnet, die sich ausschliefllich in der ersten Phase befanden. Der Vergleich mit den Kontrollen spricht deutlich fur eine Eosinophilie in der ersten Phase. Die akute Phase der Erkrankung beginnt in dieser Gruppe im Mittel in der Mitte (am Ende) des 2. Jahres, spatestens im 1. Drittel des 3. Jahres. Die Mittelwertskurven fur die Kon- trollen enden bereits in der Mine (am Ende) des 3. Jahres, so dai3 ein gesicher-

Abb. 5. Mittlere Eosionophilenwerte bei Leukose-positiven Tieren wahrend der Inkubations- zeit (Tiinbinger Tiere)

a)

b)

4

positive weibl. Tiere nach vertikaler Obertragung (n = 6)

positive mannl. Tiere nach vertikaler Obertragung (n = 3)

positive weibl. Tiere na& experiment. Obertragung (n = 8)

_____-------. gesunde Kontrolltiere (n = 10)

____--------. gesunde Kontrolltiere (n = 9)

------------ gesunde Kontrolltiere

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Die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten bei der Leukose des Rindes 321

I I I I I 1

I , . - I ~ ~ ' ~ ~ " " " I ' " " ~ " ~ " ~ " " ~ ' ~ " ' ~ ' ' ~ ~ " " ' ~ ~ ' ~ ~ ~ ~ " ' ~ ~ " ' 0. 1. 2. 3. 4. 5. Jahr

- 1000

-

Abb. 6. Mittlere Anzahl Leukozyten/ml und Eosinophile/ml bei mannlichen Berliner Kontrolltieren (n = 4)

ter Vergleich der Eosinophilenwerte in der akuten Erkrankungsphase bei den Tubinger Tieren nicht moglich ist.

Fur die verschiedenen Gruppen der Leukose-verdachtigen Tiere (d. h. infizierte Tiere, die nur die 2. Phase mit mai3ig erhohten Lymphozyten- werten, nicht aber die akute Erkrankungsphase erreicht haben) gilt folgendes: Bei den Berliner Tieren verhalten sich die Mittelwertskurven der Eosinophilen- werte wie die der Leukose-positiven Tiere, und zwar bei beiden Geschlechtern. Bei den Leukose-verdachtigen weiblichen Tubinger Tieren nach experimenteller Ubertragung und bei den Leukose-verdachtigen mannlichen Tieren nach vertikaler Ubertragung verhalten sich die Zeitreihen der mittleren Eosinophi- lenwerte dagegen wie die der negativen Kontrollen. Bei den mannlichen Tieren fnarh exnerimenteller IIhertramnPI h7w. den weihlichen Tieren lnach vertiki- ,---- * ---=--------------- - --- ---- ~ - - -~, -- .. . .. - --- -_- ,--- ~- . -- ------ ler Ubertragung) wurden keine Vergleiche durchgefuhrt, da nur jeweils ein Leukose-verdachtiges Tier vorhanden war.

Diskussion Angesichts der praktischen Bedeutung ware zunachst zu fragen, wie die

teilweise widersprechenden Befunde verschiedener Autoren hinsichtlich der Anzahl der Eosinophilen bei Leukose erklart werden konnen. Leider geben nicht alle Autoren mit hinreichender Deutlichkeit an, ob ihre Aussagen auf den Prozent- oder den Absolutzahlen der Eosinophilen beruhen. Im ersten Fall ware eine Eosinopenie bei Leukose-positiven Rindern leicht als eine scheinbare zu erklaren: Denn selbst wenn die Eosinophilen uberhaupt nicht am Leukosegeschehen beteiligt waren, mui3te natiirlich ihr prozentualer Anteil an der Gesamtleukozytenzahl abnehmen, sobald die Zahl der Lymphozyten ansteigt. Abgesehen hiervon ist eine kritische Wurdigung der Literaturangaben ohne Berucksichtigung der statistischen Schwankungen der Original-Blutwerte kaum moglich. Diese stehen dem Leser zumeist nicht zur Verfugung.

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Es ist jedoch bekannt, dai3 die Zeitkurve der Eosinophilenwerte eines Einzeltieres mit erheblichen Fluktuationen behaftet ist (intraindividuelle Variabilitat). Daruberhinaus bestehen starke Unterschiede zwischen verschie- denen Tieren (interindividuelle Variabilitat). Ein betrachtlicher Streuungs- anteil bei beiden Variabilitatsarten durfte auf zufalligen Zahlfehlern beruhen, die bei der Umrechnung von den (in der Regel sehr kleinen) Prozentwerten im Differentialblutbild auf absolute Zahlen besonders groi3 ausfallen. Selbst wenn dieser Streuungsanteil durch eine Verfeinerung der Zahltechnik stark reduziert werden konnte, wurde eine intra- wie auch eine interindividuelle Restvariabilitat ubrigbleiben. Diese ware dann jedoch hauptsachlich auf exo- gene Faktoren (Umweltschwankungen) und endogene Faktoren (biologische Variabilitat) zuruckzufuhren und wurde daher jedenfalls die Variabilitat des tatsachlichen Blutbildes widerspiegeln.

In jedem Falle ergibt sich aus dem Vorhandensein beider Variabilitats- arten ein Risiko, aus beobachteten, zufallsbedingten Unterschieden bei pra- leukotischen und bei Kontrolltieren irrtiimlich auf das Vorhandensein einer Eosinophilie zu schlieflen, insbesondere dann, wenn nur wenige Tiere zur Verfugung stehen. Es besteht aber auch das umgekehrte Risiko, auf Grund der Variabilitat eine tatsachliche Eosinophilie zu iibersehen.

Sowohl aus dem Berliner wie auch aus dem Tubinger Datenmaterial geht hervor, dai3 die Leukose-Infektion mit einer Erhohung der (absoluten) Eosinophilen-Zahl in Zusammenhang steht. An den Tubinger Tieren konnte gezeigt werden, dai3 Tiere, die spater akut erkrankten, im Verlauf ihrer Inku- bationszeit im Durchschnitt erhohte Eosinophilen-Zahlen aufweisen. Bei den Leukose-positiven Berliner Tieren liei3 sich jedoch eine Eosinophilie bis tief in die Phase der akuten Erkrankung hinein nachweisen. Die Beobachtung von SEILS (7), dai3 eine Leukose-Erkrankung in der Inkubationsphase mit groi3er Regelmai3igkeit von einer Eosinophilie begleitet ist, im akuten Stadium dage- gen nicht, mui3 daher entsprechend erganzt werden.

Infizierte, aber nicht an Leulrose erkrankte Tiere verhielten sich hinsicht- lich der Eosinophilie im Durchschnitt wie die negativen Kontrolltiere. Bei den infizierten, aber hamatologisch nur leukoseverdachtigen Rindern ergab sich kein einheitliches Bild.

Es ist zu beachten, dai3 wegen der starken Streuung der Einzelwerte eine Eosinophilie nicht durchweg bei jedem Einzeltier nachgewiesen werden konnte, sondern nur an Gruppen. won Tieren. Es lai3t sich daher nicht entscheiden, ob die durchschnittliche Erhohung auf einer Eosinophilie beim Einzeltier oder nur bei einem Teil der Leukose-Tiere beruht. Damit sind der praktischen Aus- nutzung dieser Eosinophilie im Sinne einer Fruhdiagnose Grenzen gesetzt.

Ein betrachtlidier Anteil der Streuung der Eosinophilenwerte durfte auf zufalligen Zahlfehlern beruhen, die bei der Umrechnung von den (in der Regel sehr kleinen) Prozentwerten im Diff erentialblutbild auf abolute Zahlen besonders groi3 ausfallen. Eine Reduzierung dieses Streuungsanteils und damit eine Glattung der Zeitreihen liei3e sich nur durch eine betrachtliche Erhohung der Anzahl differenzierter Blutkorperchen oder aber durch Zahlung der Eosinophilenzahlen allein erreichen. Selbst dann bliebe jedoch eine merkliche Restvariabilitat zwischen den Tieren.

Eine zusatzliche Erschwerung bei der diagnostischen Einschatzung der Eosinophilenzahlen beim Einzeltier ergibt sich aus einem jahreszeitlichen Rhythmus, der allerdings n i h t bei allen Tieren gleich deutlich ausgepragt ist und uberdies hinsichtlich der Lage und Amplitude der Winterspitzen noch zufalligen Einflussen unterliegt. Das Alter der Tiere kommt in der Haupt-

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sache in Gestalt eines bis zum Ende des 2. Lebensjahres leicht ansteigenden Trends zum Ausdruck. Die Vernachlassigung der Jahresrhythmik und des anfanglihen Trends durfte in der Regel zur Gegenuberstellung nicht ver- gleichbarer Werte fuhren. Als Konsequenz konnen ganz unterschiedliche Schlui3folgerungen entstehen. So ist denkbar, dai3 eine tatsachliche Eosinophilie iibersehen, oder dai3 eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Eosinophilie (oder Eosinopenie) irrtiimlich behauptet wird.

Schon NIEPAGE (zit. nach THIELSCHER, 12) hat beobachtet, dai3 die Eosinophilen im Sommer durchschnittlich in geringerer Zahl vorliegen als im Herbst und Winter; eine statistische Absicherung war jedoch nicht moglich. Die Analyse des uns vorliegenden Materials fuhrte zu der Hypothese, dai3 die Eosinophilen-Zeitkurve eines einzelnen Tieres aus der Superposition fol- gender Komponenten resultiert:

1. Ein steigender Trend, der etwa bis zum Ablauf des zweiten Lebens- hares anhalt.

2. Eine rhythmische Komponente mit einer ausgepragten Spitze im Winter und evtl. einer weiteren, schwacheren Spitze im Fruhjahr bis Sommer; die Amplitude der Winterspitze ist im bzw. nach dem ersten Lebensjahr noch nicht so stark ausgepragt wie in den folgenden Jahren. Da diese aui3erdem auf dem steigenden Trend ,sitzt", ist die erste Spitze jedenfalls niedriger als die folgenden. Auch hangt die Auspragung der ersten Winterspitze vermutlich davon ab, in welcher Jahreszeit das Tier geboren wurde. Die Jahresrhythmik verliert sich nach dem 4. bis 5. Lebensjahr.

3. Eine Zufallskomponente, in der u. a. der auf dem Zahlfehler beruhende Streuungsanteil enthalten ist.

Die Konstruktion von Mittelwertskurven fur die Eosinophilenwerte ver- schiedener Tiere ist daher nur unter Berucksichtigung der ersten beiden Kom- ponenten sinnvoll. Legt man die Zeitkurven verschiedener Tiere nur unter Berucksichtigung ihres Alters ubereinander und mittelt uber die Einzelwerte bei demselben Alter, dann kommt der Rhythmus nicht zum Vorschein.

Auch die Gesamtzahl der Leukozyten enthalt eine jahreszeitliche Kom- ponente. In Abbildung 6 sind die Mittelwertskurven fur die Leukozytenzahl und die Anzahl Eosinophiler fur die Gruppe der mannlichen Berliner Kon- trolltiere dargestellt. Es ist offensichtlich, dai3 die wesentlich ausgepragtere Rhythmik der Eosinophilenwerte nur zu einem sehr geringen Teil durch die Rhythmik der Leukozytengesamtzahl erklart werden kann. Die Korrelation zwischen dem Eosinophilenwert und der Leukozytengesamtzahl erweist sich als dementsprechend gering.

Zusammenfassung Es wurden die Bedeutung der eosinophilen Leukozyten fur die Leukose

des Rindes bei 33 Leukose-positiven, 18 Leukose-verdachtigen, 14 Leukose- negativen infizicrten und an 25 gesunden Kontroll-Rindern untersucht. Bei Tieren, die spater an Leukose erkrankten, konnte wahrend der Inkubations- zeit eine Eosinophilie festgestellt werden, die sich weit in die eigentliche Erkrankungsphase hinein erstreckt. Ferner wurde ein jahreszeitlicher Rhyth- mus der Eosinophilenzahl mit einem deutlichen Maximum im Winter und einem schwacheren Maximum im Fruhjahr bis Sommer festgestellt, und zwar sowohl bei gesunden als auch bei leukosekranken Tieren. Der praktische Wert dieser Eosinophilie fur eine Fruhdiagnose am Einzeltier ist jedoch wegen der starken Merkmalsschwankungen sehr gering.

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Summary The significance of eosinphil leucocytes in bovine leucosis

The significance of eosinophil leucocytes in bovine leucosis was studied in 33 leucosis-positive cattle, 18 leucosis-suspected, 14 leucosis-negative-infec- ted and 25 healthy control animals. In animals which later went down with leucosis eosinophilia could be detected in the incubation period and persisted was also found, with a clear maximum in winter and a smaller peak in right into the true disease phase. A seasonal rhythm of eosinophils spring-summer. This seasonal rhythm was found both in healthy and affected cattle. The practical value of this eosinophilia for early diagnosis in the in- dividual animal is however very slight because of marked individual varia- tion.

Resume La signification des leucocytes Cosinophiles dans la leucose bovine

On recherche la signifikation des leucocytes kosinophiles dans la leucose bovine chez 33 bovins leuxose-positifs, 18 bovins suspects de leucose, 14 bovins infectks leucose-nkgatifs, avec 25 animaux tkmoins sains.

Chez les animaux infectks, une kosinophilie se manifeste pendant la pkriode &incubation et subsiste jusqu’h un stade avanck de la maladie.

De plus, on observe un rythme saisonnier du nombre des kosinophiles, avec un maximum kvident en hiver et un maximum plus faible du printemps h l’ktk, ceci chez les animaux sains et chez les animaux atteints de leucose.

La valeur pratique de cette kosinophilie pour un diagnostic prkcoce sur I’animal individuel n’est que faible, du fait des fortes variations des carac- tkristiques.

Resumen La importancia de 10s leucocitos eosin6filos en la leucosis bovina

Se estudib el significado de 10s leucocitos eosinbfilos para la leucosis bovina en 33 reses vacunas leucosis-positivas, 18 leucosis-sospechosas, 14 leu- cosis-negativas infectadas y en 25 controles sanas. En animales, que mds adelante enfermaron de leucosis, se pudo comprobar durante el period0 de incubacibn una eosinofilia, la cual se extiende ampliamente dentro de la fase de enfermedad propiamente dicha. Ademds se aprecib un ritmo estacional del nGmero de eosinbfilos con un mdximo patente en el invierno y un mdximo mds dkbil en la primavera hasta entrado el verano, a saber tanto en 10s animales sanos como en 10s leuc6sicos. Sin embargo, el valor prdctico de esta eosinofilia es bien escaso en atencibn a las oscilaciones considerables de la caracteristica.

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Anschrift der Verfasser: Dr. R. J. Lorenz und Dr. 0. C, Straub, 74 Tubingen, Post- fach 1149; Dr. E. Weinhold, 1 Berlin 33, Unter den Eichen 82/84.