die erzählerin

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Die Erzählerin Geschichten, die bewegen und berühren Was nützt es? Vom Sinn und Unsinn zu helfen Seite 3 Manchmal wird es nicht mehr gut, weil es nicht gesehen wird. Seite 4 Frag-los Es bedarf manchmal keiner Worte, um sich zu verstehen Seite 5

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Von Tieren und Menschen in all ihrer Verletzlichkeit, denn das Leben hat immer Vorrang.

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Die Erzählerin Geschichten, die bewegen und berühren

Was nützt es?

Vom Sinn und Unsinn zu helfen

Seite 3

Manchmal wird

es nicht mehr gut, weil es nicht

gesehen wird.

Seite 4

Frag-los

Es bedarf manchmal keiner Worte, um sich zu

verstehen

Seite 5

Momentaufnahmen in DIN A4

Ausschnitte, nichts weiter, als Schnipsel, viele kleine Schnipsel, vom Blick ins Auge des Anderen, doch jeder einzelne dieser Schnipsel kann manchmal die

ganze Welt bedeuten.

1. Was nützt esNiemals kann allen geholfen werden, und wenn man sich darauf einlässt, dann sieht man immer mehr Elend, so viel, dass es einen überwältigt und fragen lässt ob es Sinn macht überhaupt anfzufangen.

S. 3

2. Manchmal wird es nicht mehr gutMenschen leben ohne nebeneinander her ohne sich füreinander zu interes-sieren, bis es zu spät ist.

S. 4

1. Frag-losEs gibt sie, die Begegnungen, die ohne Worte zu einem Verstehen führen.

S.5

Impressum:Herausgeber und Verantwortliche für den InhaltDaniela NoitzSatzgasse 23A-7202 Bad SauerbrunnE-Mail: [email protected]

Kinder leben auf der Straße. Überall auf der Welt. Verstoßen, vertrieben, miss-handelt. Übersehen und vergessen. Viele sehen weg, weil sie es nicht sehen, nicht wahrhaben wollen oder weil sie immer noch genug eigene Probleme haben – doch wenn wir hinsehen, was nützt es?

Was nützt es ein Kind zu retten, aus dem Elend, wegzuholen von der Straße, aus der Kanalisation, aus einem Milieu voller Gewalt, Drogen und Armut? Was nützt es einem Hund eine Heimat zu geben, wenn Millionen andere weiterhin vagabundieren, in Käfigen gehal-ten, ausgebeutet, für Kämpfe missbraucht, für Textilien gehäutet und misshandelt werden? Was nützt es zu helfen, ob der ungeheuren Zahl derer, denen man nicht helfen kann, überhaupt zu helfen?

Wenn man durch die Straßen von Bukarest geht, auch heute noch, speziell rund um Nord-bahnhof, dann kann man sie sehen. Elende, verdreckte, mit Grätze überzogene, mit Flöhen und Läusen übersäte Gestalten. Wie Ratten leben sie in der Kanalisation oder in Abbruch-häusern oder in stillgelegten Waggons. Viele von ihnen haben ein Sackerl in der Hand, gefüllt mit Lack, an dem sie schnüffeln und deren Dämpfe das Nerven-system schädigen. Doch es hilft ein wenig zu vergessen, das Elend und die Schmer-zen, den Hunger und die Armut. Ausgesetzt von den eigenen Eltern, weggeworfen wie Lumpen, entsorgt und gedemütigt. Andere sind davonge-laufen vor den Auswirkungen, die der Alkohl auf ihre Eltern zeigte, die selbst zu verzweifelt waren um sich um ihre Kinder zu kümmern. Ausgeris-sen aus Heimen, die ihnen ebenso wenig Schutz vor Gewalt und Misshandlung bieten konnten wie die eigenen Eltern. Und manche von ihnen sind erst fünf Jahre alt. Fühf Jahre, und doch schon ohne jegliche Perspektive, chancenlos. Ohne die Möglichkeit eine Schule zu besuchen, geschweige denn sie abzuschließen. Ohne die geringste Hoffnung später einen Arbeitsplatz zu bekommen oder je ein geregeltes Leben zu füh-ren. Und nicht nur in Bukarest ist es so.

Überall auf der Welt finden sich Kinder, die keiner haben will. Kinder, die niemand vermisst, wenn sie nicht mehr da sind. 100.000.000 solcher Kin-der soll es weltweit gegeben, Schätzungen zu Folge, und wenn man zu ihnen hinabsteigt, hi-nab in die Kanalisation, zu sehen wie sie leben. Und wenn man dann ein paar mitnimmt, ihnen ein zu Hause und Wärme und Geborgenheit gibt, dann rettet man zwar so viele, wie es die eigenen Möglichkeiten erlauben, doch noch viel mehr muss man zurücklassen. Man muss zuse-hen, dass diese anderen keinen Ausweg haben. Was ist das schon zehn oder hundert gegenüber all den anderen, denen man nicht helfen kann?

Was nützt es?Und wenn es ein einziges Kind ist, ein kleines Mädchen oder ein kleiner Junge, ein einziges Kind gegenüber 100.000.000, dann ist es ein gerettetes Leben.

Und wenn man dieses Kind wieder lachen sieht und spielen, wie alle anderen Kinder, die sich keine Sorgen machen müssen ob sie einen Unterschlupf haben für die Nacht oder etwas zu essen, dann ist es ein gerettetes Leben.

Und wenn man dieses eine Kind wieder voll Hoffnung sieht, voller Pläne für die Zukunft, die es vorher nicht hatte, dann ist es ein gerettetes Leben.

Es nützt diesem einen Kind, das nun wieder Kind sein darf und nochmals eine Chance bekommt und Möglichkeiten sein Leben zu gestalten. Es nützt diesem einen Kind, auch wenn es allen an-deren nicht nützt, dann diesem einen Kind.

Und wenn Dich dieses eine Kind ansieht, wenn Du es lächeln siehst und es Dich umarmt, dann weißt Du, es ist nur eines unter vielen anderen, aber eines mehr, als es zuvor waren. Das nützt es.

Manchmal wird es nicht mehr gut

Mitten unter uns spielen sich Tragödien, ganz leise, hinter ver-schlossenen Türen. Und wenn es zu spät ist, dann wird darüber gerätselt, wie es so weit kom-men konnte. Niemand hat etwas gewusst. Niemand hat etwas gesehen.

Es war ein wunderschöner Tag im Oktober. Au-ßerordentlich warm war es für diese Jahreszeit. Dennoch sollte man es nicht unterschätzen. Auch wenn tagsüber die Sonne schien, nachts wurde es schon bitter kalt. Besonders in die-sen Breitengraden. Die Sonne war zu sehen. Die wärmenden Strahlen spürte man auf der Haut. Um 11.00 Uhr vormittags auf jeden Fall. Die Käl-te der Nacht war gerade nicht präsent, aber sie hatte sie gespürt, als sie während der letzten Nacht auf den Balkon trat um frische Luft zu schnappen. Die Erschöpfung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Wie viele Nächte waren es jetzt, dass sie keine Ruhe fand? Es war nicht nur die Ungewissheit, die sie umtrieb. Auch nicht nur die Einsamkeit, die sie überfiel wie ein hung-riger Wolf, umzingelt von tausenden Menschen, eingepfercht in Menschenställen.

Kaum Platz zum Atmen. Kein Platz zum Leben.

In der Wohnung über ihr, da wohnte eine Familie mit vier Kindern. Unter ihr lebte ein Mann, der regelmäßig trank und seine Frau verprügelte. All das wusste sie. Jeder wusste es. Niemand sagte etwas. Niemand mischte sich ein. Jeder hatte dieselben Sorgen und Probleme. Würde man morgen noch Arbeit haben? Arbeit, die so viel einbrachte, dass man gerade nicht verhungerte. Aber Leben? Immer noch besser als gar nichts. Nicht besser als gar nichts? Wer jeden Tag ums Überleben kämpfen muss, begehrt nicht auf. Er hat keine Zeit. Er hat keine Kraft. Er lernt sich zu ducken. Und sie duckte sich immer. Doch selbst das hatte nichts geholfen. Sie wurde trotzdem entlassen. Rationalisierung, hatte es geheißen. Und nun verlor sie auch die Wohnung. Dann würde sie das Brüllen der Kinder über ihr und die Schreie der Frau unter ihr nicht mehr hören müssen. Dennoch war es kein Trost. Sie dachte nicht an die ober ihr und nicht an die unter ihr. Sie kannte sie nicht.

Nur das Brüllen und Schreien. Wenn sie die Treppe hinunterhuschte und jemand begegnete, achtete sie sorgfältig darauf sich so nahe wie möglich an der Mauer entlangzubewegen. Den Blick hielt sie gesenkt. Die Mauer gab ihr Halt. Sie war wie ein Schatten. Abgemagert und kontu-renlos. Die Sonne schien trotzdem. Nicht für sie. Aber es war ein wenig warm. In ihrer Wohnung war es immer kalt gewesen.

Sorgfältig wickelte sie noch einen Stoff um das Bündel, das vor ihr auf dem Tisch lag. Was soll-te sie mitnehmen? Sie hatte nicht viel. Das was sie hatte war nicht wert mitgenommen zu wer-den. Das Bündel nahm sie in den Arm. Heute würden sie kommen und sie aus diesem Loch schmeißen, dass sie Wohnung genannt hatte. Aber es war immerhin ein Dach über dem Kopf gewesen. Jetzt hatte sie nicht einmal mehr das. Da war auch niemand, an den sie sich wenden konnte. Sorgfältig schloss sie die Türe hinter sich. Es war nicht notwendig abzuschließen. Das Bündel trug sie im Arm. Die Treppe hinunter, an die Wand gedrückt, doch es war niemand da. Ungesehen verließ sie das Haus und ging weiter, und weil sie nicht wusste wohin, einfach gerade-aus. Sie ging und ging. Einfach einen Fuß vor den anderen stellen. Bis sie nicht mehr konnte. Auf einer Bank machte sie Rast und legte das Bündel auf den Boden. Inmitten von achtlos hingewor-fenem Müll. Dann ging sie weiter. Und das Herz war ihr schwer.

Als man das Bündel drei Tage später fand, waren die Menschen nicht die ersten. Die streunenden Hunde waren schneller ge-wesen und hatten den Inhalt angekna-bbert. Feines Fleisch. Doch der Tod kam nicht durch die Hunde, sondern durch die Nacht, denn es war erfro-ren. Es konnte höchstens eine Wo-che alt gewesen sein, als es starb. Niemand wusste wem es gehörte. Niemand vermisste es. Die Mutter war gegangen. Das Herz war ihr schwer. Sie war gegangen bis sie nicht mehr konnte. Dann legte sie sich nieder, un-geschützt. Und die Hunde fanden sie, vor den Menschen.

Zwei Wesen, die sich zufällig treffen, völlig unterschiedlich, und doch gibt es etwas was sie verbindet und zueinander finden lässt –

der Wille zum Leben. Nichts weiter.

Frag-los

Es geschah an keinem besonderen Tag irgendwo in den Weiten Irlands in der Nähe des Meeres. Der alte Esel graste friedlich, doch besonnen. Auf Eselart. Er wusste nicht wo er hinsoll-te. Das grasen half. Es war etwas Vertrautes, und Esel mögen Vertrautes. Es ist wie eine kleine Meditation über das Leben. Sacht ab-zupfen, zermahlen, hinun-terschlucken. Immer im selben Rhythmus. Er hatte nun kein zu Hause mehr. Alt war er geworden und nicht mehr belastbar, doch er war ein Nutztier, das be-lastbar sein muss.

Ab und an hob er den Kopf und ließ ihn übers Meer wandern, doch das war nicht vertraut. Das verunsi-cherte ihn, denn von seiner Weide aus hatte er das Meer nicht sehen können. Nur das Grasen, das war wie zu Hause. Es war Leben um ihn gewesen, doch jetzt war er alleine. Es waren ihm Schafe begegnet, doch diese interessierten sich nicht für ihn. Sie blieben für sich. Wohl hatten sie ihn beäugt. Wahrscheinlich hat-ten sie sich gefragt was der auf ihrer Weide verloren hatte, doch dann wandten sie sich auch schon wieder ab, fressend, kauend, sich in die Herde fügend, und er ging weiter, suchte sich einen Platz für sich alleine, als ihn ein Geräusch aufsehen ließ. Es war nicht unge-wohnt, doch hier hatte er es nicht vermutet.

Ein kleiner schwarz-weißer Border-Collie war aufgetaucht. Ungestüm sprang er über die Wiese, und als er ein einzelnes Schaf ent-deckte, das unweit des Esels stand, hielt er es offenbar für seine Pflicht dieses vereinzel-te Schaf zu seiner Herde zurück zu treiben. Immer und immer wieder lief er neben dem Schaf auf und ab, das sich auch tatsächlich in Bewegung setzte, aufgewühlt durch das rast-lose Herumgehüpfe und –gelaufe. Doch es lief in die falsche Richtung. Sofort stellte sich der Collie dem Schaf in den Weg, um es umzudi-rigieren. Wieder ein paar Schritte des Scha-fes, immer noch in die falsche Richtung. Das konnte er nicht hinnehmen. So schnappte er sich das vordere Bein, um es noch eindringli-cher dirigieren zu können. Endlich gelang es und das Schaf trottete zu den anderen, wo es hingehörte. Dann wandte der Hund sich dem Esel zu, nachdem er ihm sein Können auf so eindrucksvolle Weise gezeigt hatte. Doch der Esel blieb gleichmütig.

Zuerst war er noch gelau-fen, doch jetzt verlangsam-te der Hund seinen Schritt. Vorsichtig, ja behutsam fast näherte er sich dem

grauen Esel an, der ihn still beobachtete, die Ohren gerade aufgerichtet, aufmerksam und interessiert. Dann war er so nahe, dass sich ihre Nasen beinahe berührten. Eine Eselnase. Eine Hundenase. Ausgiebig beschnupperten sie einander. Der Hund war auch schon alt. So wie der Esel, doch das hatte seine Lebens-freude nicht gedämpft.

Der Esel zupfte ein paar Grashalme ab, das Ver-traute mit dem Unvertrauten in Einklang brin-gend. Die Ruhe mit der Unruhe. Dann sah er den Hund wieder an. Ob er auch Fliegen verscheu-chen wollte, weil er so mit dem Schweif wedel-te? Langsam trottete der Esel weiter, nur ein paar kleine, tänzelnde Schritte. Der Hund blieb um ihn. Und in der Abenddämmerung, als sich die Sonne blutrot am Himmel niederließ, konnte man sehen – so man gerade in der Gegend und aufmerksam war – wie ein Hund und ein Esel gemeinsam voranschritten. Der Esel bedächtig. Auf Eselart. Der Hund springend und schwanz-wedelnd. Auf Hundeart.

So führte der Collie seinen neuen Freund in sein zu Hause, in dem der alte Esel Aufnahme fand. Es tut nichts zur Sache ob Du ein Esel bist oder ein Hund. Auch nicht ob Du Dich nach Eselart benimmst, weil Du ein Esel bist oder nach Hun-deart, weil Du ein Hund bist. Beides ist neben-einander möglich und bereichert unser Leben. Keiner von beiden fragte ob sich der andere nicht ändern sollte, denn es wäre nicht passend gewesen. Der eine bereicherte den anderen, auf je seine Art, und nachts – und das hättest Du auch nicht sehen können, wenn Du zufällig in der Gegend gewesen wärst – da schlich sich der Hund aus dem Haus und legte sich neben seinen neuen Freund in den Stall. Und da waren Esel- und Hundeart gleich.

Autorin & Texterin & Ghostwriterin aus PassionDaniela Noitz

www.die-erzaehlerin.euwww.die-erzaehlerin.blogspot.co.atwww.mustermannshausen.blogspot.co.atwww.umbau-unseroesterreich.at

Geschichten von Menschen und Tieren

Die Pianobar

ISBN 978-3-7347-6812-5184 Seiten € 8,90

Anonym – Begegnungen (Kurzgeschichten)

ISBN 978-3-7386-0856-4

208 Seiten € 9,90

Die Zauberfeder

ISBN: 9781 482301 533

250 Seiten € 15,50

Kinder weinen leise

ISBN-13: 978-1493548378

250 Seiten € 16,50

Die Heilerin

ISBN-13: 978-1493548378

210 Seiten € 12,50

Niemand weiß, wohin es ihn trägt Fünf Hundeschicksale stellver- tretend für das Leid Millionen anderer

ISBN-9783739201030

204 Seiten € 9,90