die formenbildung des präsens im makedonischen - sebastian kempgen

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 DIE FORMENBILDUNG DES PRÄSENS IM MAKEDONISCHEN 1 Im Makedonischen ist diejenige Teilmenge aller finiten Verbformen, die die grammatische Bedeutung „Präsens“ ausdrücken, u.a. bezüglich der beiden grammatischen Kategorien „Person“ und „Numerus“ gekenn- zeichnet 2 . Auf der Inhaltsebene kann man sich jede Form aus dieser Menge als eine Kombination der nichtgrammatischen (oft „lexikalisch“ genannten) Bedeutung des gegebenen Verbs, der grammatischen Bedeu- tung „Präsens“ der grammatischen Kategorie „Tempus“ sowie je einer grammatischen Bedeutung der beiden schon genannten grammatischen Kategorien „Person“ und „Numerus“ vorstellen. Da die grammatische Kategorie „Person“ drei Bedeutungen – „1.“, „2.“ und „3. Person“ - und die grammatische Kategorie „Numerus“ zwei Bedeutungen – „Singular“ und „Plural“ – aufweist und da sich jede Bedeutung der einen Kategorie mit jeder Bedeutung der jeweils anderen Kategorie verbinden kann, wird das Inhaltsparadigma des Präsens durch die sechs möglichen verschiede- nen Kombinationen gebildet: 1. Ps. Sg. 1. Ps. Pl. 2. Ps. Sg. 2. Ps. Pl. 3. Ps. Sg. 3. Ps. Pl. Um diese sechs Kombinationen voneinander zu unterscheiden, würde es rein theoretisch genügen, wenn das Makedonische für jede der gram- matischen Bedeutungen (bzw. für jede der sechs Kombinationen) über genau ein Ausdrucksmittel verfügte, ein Suffix etwa, wobei sich diese Ausdrucksmittel mit dem Ve rbstamm als dem Träger der nichtgramma- 1  Diese Arbeit setzt die schon vorliegenden Untersuchungen slavischer Sprachen fort, vgl. Lehfeldt (1978a), Lehfeldt (1978b) und Kempgen, Lehfeldt (1978). Auf prin- zipielle Fragen wird deshalb hier oft nur kurz eingegangen; eine Ausnahme bildet die Herleitung des Informationsbegriffes, die hier ausführlicher erfolgt. 2  Die Begriffe „grammatische Bedeutung“, „nichtgrammatische Bedeutung“ und „grammatische Kategorie“ werden hier in Anlehnung an Mel’cˇuk (1961, 1974) ge- braucht, vgl. ähnlich auch Zaliznjak (1967).

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Im Makedonischen ist diejenige Teilmenge aller finiten Verbformen, die die grammatische Bedeutung „Präsens“ ausdrücken, u.a. bezüglich der beiden grammatischen Kategorien „Person“ und „Numerus“ gekennzeichnet. Auf der Inhaltsebene kann man sich jede Form aus dieser Menge als eine Kombination der nichtgrammatischen (oft „lexikalisch“ genannten) Bedeutung des gegebenen Verbs, der grammatischen Bedeutung „Präsens“ der grammatischen Kategorie „Tempus“ sowie je einer grammatischen Bedeutung der beiden schon genannten grammatischen Kategorien „Person“ und „Numerus“ vorstellen.

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  • DIE FORMENBILDUNG DES PRSENSIM MAKEDONISCHEN1

    Im Makedonischen ist diejenige Teilmenge aller finiten Verbformen, diedie grammatische Bedeutung Prsens ausdrcken, u.a. bezglich derbeiden grammatischen Kategorien Person und Numerus gekenn-zeichnet2. Auf der Inhaltsebene kann man sich jede Form aus dieserMenge als eine Kombination der nichtgrammatischen (oft lexikalischgenannten) Bedeutung des gegebenen Verbs, der grammatischen Bedeu-tung Prsens der grammatischen Kategorie Tempus sowie je einergrammatischen Bedeutung der beiden schon genannten grammatischenKategorien Person und Numerus vorstellen. Da die grammatischeKategorie Person drei Bedeutungen 1., 2. und 3. Person - unddie grammatische Kategorie Numerus zwei Bedeutungen Singularund Plural aufweist und da sich jede Bedeutung der einen Kategoriemit jeder Bedeutung der jeweils anderen Kategorie verbinden kann, wirddas Inhaltsparadigma des Prsens durch die sechs mglichen verschiede-nen Kombinationen gebildet:

    1. Ps. Sg. 1. Ps. Pl.2. Ps. Sg. 2. Ps. Pl.3. Ps. Sg. 3. Ps. Pl.

    Um diese sechs Kombinationen voneinander zu unterscheiden, wrdees rein theoretisch gengen, wenn das Makedonische fr jede der gram-matischen Bedeutungen (bzw. fr jede der sechs Kombinationen) bergenau ein Ausdrucksmittel verfgte, ein Suffix etwa, wobei sich dieseAusdrucksmittel mit dem Verbstamm als dem Trger der nichtgramma-

    1 Diese Arbeit setzt die schon vorliegenden Untersuchungen slavischer Sprachenfort, vgl. Lehfeldt (1978a), Lehfeldt (1978b) und Kempgen, Lehfeldt (1978). Auf prin-zipielle Fragen wird deshalb hier oft nur kurz eingegangen; eine Ausnahme bildet dieHerleitung des Informationsbegriffes, die hier ausfhrlicher erfolgt.

    2 Die Begriffe grammatische Bedeutung, nichtgrammatische Bedeutung undgrammatische Kategorie werden hier in Anlehnung an Melcuk (1961, 1974) ge-braucht, vgl. hnlich auch Zaliznjak (1967).

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    tischen Bedeutung durch bloes Aneinanderfgen verbinden knnten.In diesem Falle wrde zwischen der Inhalts- und der Ausdrucksebene ei-ne (ein-)eindeutige Beziehung bestehen.

    Anders als andere (slavische) Sprachen weicht das Makedonische vondiesem Extremfall tatschlich nur geringfgig ab. Um eine finite Ver-balform des Prsensparadigmas hinsichtlich der Kategorien Person undNumerus zu charakterisieren, lassen sich fr das Makedonische zweiArten von Ausdrucksmitteln konstatieren:(1) verschiedenartige Flexionsendungen;(2) verschiedenartige morphonologische Vernderungen des

    Verbalstammes.Akzentkonfigurationen, wie sie in anderen slavischen Sprachen vorkom-men, spielen im Makedonischen bekanntlich keine Rolle.

    1. Analyse der Ausdrucksmittel

    Jedes Prsensparadigma eines Verbs soll zunchst im Hinblick auf diesebeiden Typen von Ausdrucksmitteln untersucht werden. Um sich einemglichst genaue Vorstellung ber die Struktur aller dieser Ausdrucks-paradigmen zu verschaffen, ist es hilfreich, zunchst jeweils die Aus-drucksmittel innerhalb jeder der beiden Gruppen und unabhngig zu be-trachten.(1) Flexionsparadigma

    Auf der Ausdrucksebene lt sich im Makedonischen genau ein Fle-xionsparadigma, das kurz als F bezeichnet werden soll, feststellen, das in bezug auf die Gesamtheit aller Ausdrucksmittel als Ausdrucks-subparadigma bezeichnet werden kann3:

    F1. Ps. Sg. -am 1. Ps. Pl. -me2. Ps. Sg. -s 2. Ps. Pl. -te3. Ps. Sg. - 3. Ps. Pl. -at

    3 Wir folgen hier der Analyse von Lunt (1951, 1952), nicht der von Usikova(1964, 1967), da sich so die einfachste Darstellung ergibt. Eine weitere Beschreibungfindet sich z.B. bei Vidoevski (1950).

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    (2) Morphonologische Paradigmen Zum Ausdruck des Prsensinhaltsparadigmas tragen ferner einige

    morphonologische Paradigmen bei. Unter morphonologischen Alterna-tionen sind solche Vernderungen im Phonembestand einer Wortform zuverstehen, die nicht durch Regelhaftigkeiten der Phonemdistribution be-schrieben werden knnen, d.h. solche Alternationen, bei denen jeweilsdie beiden fraglichen Phonemkombinationen phonologisch-distributio-nell mglich sind. Um solche morphonologischen Alternationen be-schreiben zu knnen, bedarf es einer Bezugsform, die Basisform heiensoll (zu ihrer Bestimmung vgl. unten). Im Makedonischen lassen sichzwei Arten von morphonologischen Alternationen unterscheiden, undzwar:(a) Eliminierung des Endvokals der Basisform;

    Beispiel: Basisform nosi- nos-.(b) Erweiterung der Basisform um -j-. Diese Alternation tritt nur nach

    vorhergehender Eliminierung des Basisendvokals auf;Beispiel: Basisform broi- bro- broj-.

    Selbstverstndlich ist dies nicht als Behauptung zu verstehen, Sprecherdes Makedonischen leiteten die einzelnen Prsensformen wirklich vondieser Basisform ab; deren Auswahl ist vielmehr deskriptiven Gesichts-punkten verpflichtet, da sie der Bedingung gengen soll, da bei Kennt-nis eines oder mehrerer Strukturmerkmale der Basisform die Verwen-dung aller, nicht nur der morphonologischen Ausdrucksmittel mglichstsicher vorausgesagt, prdiziert, werden kann. Es ist bekannt, da dieForm der 3.Ps. Sg. Prsens diesen Forderungen gengt4. Drei weitereFormen sind dieser Form prinzipiell jede fr sich gleichwertig, nmlichdie 2. Ps. Sg., die 1. Ps. Pl. und die 2. Ps. Pl. Da aber die Form der 3.Ps. Sg. eine Nullendung aufweist, ist es heuristisch gesehen ameinfachsten, diese Form als Basisform zu whlen. Hinzu kommt derpragmatische Gesichtspunkt, da diese Form auch als Lexikoneintrag be-nutzt wird.

    Unter Bezugnahme auf die so angesetzte Basisform lassen sich dreimorphonologische Paradigmen formulieren, die gleichfalls jeweils analog zu dem Flexionsparadigma als Ausdruckssubparadigma be-zeichnet werden:

    M1: Der Endvokal der Basisform wird in der 1.Ps. Sg. eliminiert.Beispiel: Basisform gleda-, 1.Ps. Sg. gled-am.

    4 Vgl. Lunt (1952, 73).

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    M2: Der Endvokal der Basisform wird in der 1. Ps. Sg. und in der 3.Ps. Pl. eliminiert.Beispiel: Basisform nosi-, 1. Ps. Sg. nos-am,

    3. Ps. Pl. nos-at.M3: Der Endvokal der Basisform wird in der 1. Ps. Sg. und in der

    3.Ps. Pl. eliminiert. Der verbleibende Teil der Basisform wird indiesen Formen um -j- erweitert.Beispiel: Basisform cue-, 1. Ps. Sg. cuj-am,

    3. Ps. Pl. cuj-at.

    Da das Makedonische zwar mehrere morphonologische Paradigmen,aber nur ein Flexionsparadigma aufweist, ist es anders als in anderenslavischen Sprachen keine Frage einer empirischen Untersuchung,welche Kombination je eines Ausdruckssubparadigmas aus den beidenTypen von Ausdrucksmitteln realisiert werden und somit einAusdrucksparadigma bilden. Denn diese Frage ist logisch klar: Da jedesWort Flexionsendungen aufweist und per definitionem in e i nAusdrucksparadigma jeweils nur ein morphonologisches Paradigmaeingehen kann, existieren genau drei Kombinationen von Ausdruckssub-paradigmen:

    (1) (F, M1), Beispiel: Basisform gleda-, 1. Ps. Sg. gled-am.(2) (F, M2), Beispiel: Basisform padne-, 1. Ps. Sg. padn-am,

    3. Ps. Pl. padn-at.(3) (F, M3), Beispiel: Basisform pie-, 1. Ps. Sg. pij-am,

    3. Ps. Pl. pij-at.

    Da in dieser Beziehung im Makedonischen ein Extremfall vorliegt,kommt auch zum Ausdruck, wenn der Wert des Maes der Verbunden-heit berechnet wird. Wenn man die Maximalzahl von Kombinationendurch Kmax, die Minimalzahl durch Kmin und die wirklich beobachteteZahl durch Kreal symbolisiert, so ist dieses Ma in allgemeiner Form de-finiert als:

    M V( )L = maxK realKmaxK minK

    Durch Einsetzen ergibt sich fr das Makedonische:

    M V( )M = 3 33 3 = (def )1

  • Formenbildung des Prsens im Makedonischen 59

    da die minimale, die tatschliche sowie die maximale Anzahl mglicherKombinationen allein durch die Zahl der morphonologischen Paradig-men (3) bestimmt wird. Weil die Werte dieses Maes in das Intervall fallen (und der Wert fr das Makedonische definitorisch als 1festgesetzt wurde), knnen seine Werte zum Sprachvergleich benutztwerden. So hat sich ferner ergeben5, da M(V)Russ. = 0.750,M(V)Serbokr. = 0.719 und M(V)Slovak. = 0.667.

    Obwohl in dieser Hinsicht im Makedonischen also ein Extremfallvorliegt, ist damit noch nicht unbedingt etwas ber die Beziehungenzwischen der Basisform und den (drei) Ausdrucksparadigmen gesagt.Die Basisform war ja mit dem Anspruch bestimmt worden, da es mg-lich sein solle, aufgrund einiger ihrer Merkmale die Verwendung derAusdrucksmittel mglichst genau vorherzusagen. Dieser Anspruch muerhrtet werden, bzw. es mu przisiert werden, in welchem Mae einesolche Prdikation mglich ist. Dabei zeigt es sich, da fr das Makedo-nische vollkommene Eindeutigkeit erreicht werden kann, wenn man Be-zug auf den (oder die beiden) letzten Laute der Basisform nimmt. Es er-geben sich drei Regeln, die hierarchisch geordnet sind:

    (1) -a- (F, M1). Endet die Basisform auf -a-, so kommt das erstemorphonologische Paradigma zur Anwendung.

    Beispiel: Basisform gleda-, Prsens gled-am gleda-megleda-s gleda-tegleda- gleda-at

    (2) -{e/a/K}V- (F, M2) (V a). Steht vor dem Endvokal der Ba-sisform, wobei nur solche Basisformen bercksichtigt werden, dienicht schon unter (1) fallen, ein -e-, ein -a- oder ein beliebigerKonsonant (K), so findet das zweite morphonologische ParadigmaAnwendung.Beispiele:

    Basisform pee-, Prsens pe-am pee-mepee-s pee-tepee- pe-at

    Basisform trae-, Prsens tra-am trae-metrae-s trae-tetrae- tra-at

    5 Siehe dazu die unter 1 angegebene Literatur.

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    Basisform padne-, Prsens padn-am padne-mepadne-s padne-tepadne- padn-at

    Basisform nosi-, Prsens nos-am nosi-menosi-s nosi-tenosi- nos-at

    (3) -{i/o/u}V- (F, M3) (V a). Steht vor dem Endvokal der Basis-form ein -i-, ein -o- oder ein -u-, wobei wiederum nur solche Ba-sisformen in Betracht kommen, die nicht auf -a- enden und somitunter Regel (1) fallen, so findet das dritte morphonologische Para-digma seine Anwendung. Beispiele:

    Basisform pie-, Prsens pij-am pie-mepie-s pie-tepie- pij-at

    Basisform broi-, Prsens broj-am broi-mebroi-s broi-tebroi- broj-at

    Basisform cue-, Prsens cuj-am cue-mecue-s cue-tecue- cuj-at

    Von diesen Regelhaftigkeiten gibt es nur drei Abweichungen:(a) Zur Basisform dade- lautet die 1. Ps. Sg. dam (neben zu erwarten-den, regelmigem dadem);(b) Zur Basisform znae- lautet die 1. Ps. Sg. znam (statt des zu erwar-tendem znaam);(c) Das Prsensparadigma von e- fllt teils wegen der Suppletivfor-men, teils wegen anderer Flexionsendungen ganz aus den angefhrtenRegeln heraus:

    Basisform e-, Prsens sum smesi stee se

    2. Funktion der Ausdrucksmittel

    Jedes der drei fr das Makedonische festgestellten Ausdrucksparadigmen(F, M1), (F, M2) und (F, M3) ist eine Realisierung des anfangs genann-

  • Formenbildung des Prsens im Makedonischen 61

    ten Inhaltsparadigmas, so da die drei Ausdrucksparadigmen in dieserHinsicht als funktionell quivalent betrachtet werden knnen. Da sie sichaber eben dadurch berhaupt erst konstituieren, da sie das gleiche In-haltsparadigma materiell jeweils (wenigstens z.T.) anders ausdrcken, istes eine sinnvolle Frage, ob die Ausdrucksmittel die Elemente des In-haltsparadigmas in jeweils gleichem Mae unterscheiden oder nicht, undin welchem Mae sie das tun. Unter diesem Aspekt sollen die im Make-donischen festgestellten Ausdrucksmittel fr das Prsensinhaltsparadig-ma jetzt funktionell untersucht werden.

    Bei der Bestimmung der diskriminatorischen Strke oder auch desInformationsgehaltes einzelner Ausdrucksmittel mu man sich immerauf eine Klasse von Fllen beziehen, da eine solche Untersuchung nur inbezug auf einen solchen Rahmen sinnvoll ist. Diese Klasse ist hier durchdas Prsensparadigma gegeben, dessen Umfang mit n bezeichnet werdensoll, so da n=6. Zur Funktionsuntersuchung innerhalb eines Paradig-mas wird vorausgesetzt, da das Paradigma mindestens zwei Formenumfat, d.h. n>1. Die Zahl der Flle, in denen im Rahmen des gegebe-nen Paradigmas eine einzelne Flexionsendung bzw. ein einzelnes Alter-nationsglied auftritt, soll durch m symbolisiert werden. Wenn eine Alter-nation etwa in allen Formen eines Paradigmas auftritt (m = n = 6), lei-stet sie offenbar keinen Beitrag zur Unterscheidung einzelner Formenaus diesem Paradigma, d.h. ihre diskriminatorische Strke bzw. ihr In-formationswert ist gleich Null. Umgekehrt liefert ein spezielles Aus-drucksmittel offenbar dann seine grte Information, wenn es nur in ge-nau einer Form auftritt und sie somit eindeutig kennzeichnet (m = 1).Das Ma der diskriminatorischen Strke bzw. des Informationsgehaltesverhlt sich demnach umgekehrt proportional zur (absoluten) Auftre-tenshufigkeit des jeweiligen Ausdrucksmittels:

    I' = 1 - mn

    - nn

    - mn

    = n mn

    Um die diskriminatorische Strke einzelner Ausdrucksmittel miteinandervergleichen zu knnen, soll der Wert dieses Maes auf sein Maximum,das durch (n-1)/n gegeben ist, bezogen werden, so da sich durch Um-formung ergibt:

    I = I'n 1

    n

    = n mn

    / n 1n

    = n mn

    nn 1

    = n mn 1

  • 62 Sebastian Kempgen

    I ist also der Beitrag, den ein spezielles einzelnes Ausdrucksmittel lie-fert, um die Form(en), in der (denen) es realisiert wird, von den brigenFormen des Paradigmas zu unterscheiden. Die Werte dieses Maes lie-gen in dem Intervall .

    Beispielsweise ergibt sich fr das Makedonische, da jede Flexions-endung ihre funktionelle Aufgabe maximal erfllt, da jede nur einmalauftritt (m = 1), woraus sich ein Informationswert oder funktionellesGewicht von (6 1)/(6 1)=5/5=1 ergibt. Beim ersten morphonolo-gischen Paradigma wird der Vokal nur in der 1. Ps. Sg. apokopiert, soda sich hier ebenfalls ein funktionelles Gewicht von 5/5=1 ergibt. Diebrigen fnf Formen sind in diesem Falle morphonologisch gemeinsamnicht voneinander unterschieden, so da sich fr jede von ihnen ein Wertvon (6 5)/(6 1)=1/5=0.2 ergibt. Das zweite und das dritte mor-phonologische Paradigma unterscheiden sich in ihrer diskriminatorischenStrke nicht voneinander. Da die gleiche(n) Alternation(en) jeweilssowohl in der 1. Ps. Sg. wie in der 3. Ps. Pl. auftreten, ergibt sich frdiese beiden Formen jeweils ein Informationswert der Ausdrucksmittelvon (6 2)/(6 1)=4/5=0.8. Fr die brigen vier Formen des Para-digmas liegt die diskriminatorische Strke bei (6 4)/(6 1)=2/5=0.4.

    Es ergibt sich somit folgendes Bild:

    F M1 M2, M31. Ps. Sg. 1.0 1.0 0.82. Ps. Sg. 1.0 0.2 0.43. Ps. Sg. 1.0 0.2 0.41. Ps. Pl. 1.0 0.2 0.42. Ps. Pl. 1.0 0.2 0.43. Ps. Pl. 1.0 0.2 0.8

    Da ein jedes Ausdrucksparadigma als aus zwei Komponenten beste-hend gedacht wird, nmlich aus dem Flexionsparadigma und einem derdrei morphonologischen Paradigmen, liefern die Ausdruckssubparadig-men jeweils nur einen Beitrag zu der gesamten funktionellen Informati-on. Man kann diese als eine Summierung der einzelnen Informationsbei-trge verstehen. Diese Summe der funktionellen Gewichte wird durchdie Anzahl der Summanden, d.h. durch die Anzahl der Ausdruckssubpa-radigmen pro Ausdrucksparadigma dividiert, damit die Mewerte nachwie vor im Intervall < 0;1> liegen. Da das zweite dem dritten morpho-

  • Formenbildung des Prsens im Makedonischen 63

    nologischen Paradigma quivalent ist, ergeben sich im Makedonischennur zwei Flle:

    (F, M1) (F, M2) bzw. (F, M3)

    1. Ps. Sg (1.0+1.0)/2 = 1.0 (1.0+0.8)/2 = 0.92. Ps. Sg. (1.0+0.2)/2 = 0.6 (1.0+0.4)/2 = 0.73. Ps. Sg. (1.0+0.2)/2 = 0.6 (1.0+0.4)/2 = 0.71. Ps. Pl. (1.0+0.2)/2 = 0.6 (1.0+0.4)/2 = 0.72. Ps. Pl. (1.0+0.2)/2 = 0.6 (1.0+0.4)/2 = 0.73. Ps. Pl (1.0+0.2)/2 = 0.6 (1.0+0.8)/2 = 0.9

    Da die analytisch einzeln beschriebenen Ausdrucksmittel in der Kommu-nikation immer nur zusammen auftreten, sind diese zuletzt berechnetenWerte die eigentlich interessierenden. Sie knnen als die Funktionsvek-toren (FV) der drei Ausdrucksparadigmen bezeichnet werden:

    I (F, M1) [1.0, 0.6, 0.6, 0.6, 0.6, 0.6]II (F, M2) [0.9, 0.7, 0.7, 0.7, 0.7, 0.9]

    (F, M3) [0.9, 0.7, 0.7, 0.7, 0.7, 0.9]

    Um diese beiden Funktionsvektoren ganzheitlich zu kennzeichnen, sollenzwei Kenngren berechnet werden. Mit dem geometrischen Mittel solldas durchschnittliche funktionelle Gewicht eines solchen Vektors erfatwerden. Es berechnet sich als

    G jFV( ) =i=1

    n

    ai

    1n

    wobei ai das i-te Glied des Funktionsvektors symbolisiert. Fr das Make-donische erhlt man hier

    G(FVI) = 0.653G(FVII) = 0.761

    Da es sich gezeigt hat, da nicht alle sechs Elemente des Inhaltsparadig-mas in gleichem Mae dirkriminiert werden im Makedonischen wer-den besonders die 1. Ps. Sg. und z.T. die 3. Ps. Pl. hervorgehoben6 ,

    6 Auch hierin unterscheiden sich die slavischen Sprachen voneinander. Vgl. eben-falls die unter 1 angegebene Literatur.

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    ist zum zweiten von Interesse, wie homogen die einzelnen Funktionsvek-toren sind, d.h. inwieweit die Einzelwerte vom durchschnittlichen funk-tionellen Gewicht abweichen. Der Homogenittswert der Funktionsvek-toren wird folgendermaen berechnet:

    H FVj( ) = 1ai( )2

    i=1

    n

    ai

    i=1

    n

    Die Werte liegen im Einheitsintervall . Fr das Makedonischeergibt sich:

    H(FVI) = 0.582H(FVII) = 0.589

    Auch ohne statistischen Test wird man sagen knnen, da die Differenzzwischen diesen beiden Werten nicht als signifikant zu betrachten ist.

    L I T E R A T U R

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