dienstag, 24. juni, 20 uhr helmut-list-halle orpheus ... · largo e piano allegro henry purcell...
TRANSCRIPT
Dienstag, 24. Juni, 20 UhrHelmut-List-Halle
Orpheus britannicus
Henry Purcell (1659 –1695)Suite aus „Dioclesian“
First Musick – Second Act Tune – The Chair Dance (Gigue) – Third Act Tune – First Act Tune – Hornpipe – Fourth Act Tune – Country Dance – Butterfly Dance – Dance of the Furies – Symphony for Trumpets and Violins – Trumpet Tune Second Musick
Aus den Fantasien für Streicher Fantazia No. 12, 13, 14 & 15
Fantazia in D: Three parts upon a ground
Pavane und Chaconne in g
Georg Friedrich Händel (1685 –1759)Concerto grosso in a, op. 6/4, HWV 322
Larghetto affettuosoAllegroLargo e pianoAllegro
Henry Purcell Sonata für Trompete und Streicher in D
AllegroAdagioPresto
Henry Purcell Suite aus „King Arthur“
Overture in d – Air in d – Overture in D – Symphony in g – Air in G – Hornpipe in g – Air in d – Air in a – Song Tune in a – Chaconne in d – Symphony in C – Trumpet Tune in C
Concentus Musicus WienLeitung: Andrea Bischof, Violine
Orpheus britannicus
Den Ehrentitel eines britannischen
Orpheus verliehen die Engländer des
Barock nur zwei Komponisten: ihrem
Landsmann Henry Purcell und dem
Deutschen Georg Friedrich Händel,
der 1727 per Parlamentsbeschluss ein
gebürgert wurde. Beide Musiker rühren
in ihrer Streichermusik Saiten an,
deren magische Wirkung an die Lyra
des Orpheus erinnert.
Ad notam
Orchestersuiten für einen Duke
UNTER DEN HOCHADLIGEN DER PURCELLZEIT MIT IHREM ausgeprägten Standesbewusstsein in Samt und Seide war keiner eitler als Charles Seymour, der sechste Duke of Somerset, den man schlicht den „Proud Duke“ nannte, den „stolzen Herzog“. Neben seinem vornehmsten Titel führte er noch drei weitere: „Earl of Hertford, Viscount Beauchamp of Hache, Baron Seymour of Trowbridge“. Außerdem war er Kanzler der Universität Cambridge und bekleidete etliche andere Ämter und Würden. Robert Crawley, der Earl of Grantham aus der Fernsehserie „Downton Abbey“, hätte neben ihm wie ein Schuljunge ausgesehen!
Im Jahre 1697 durfte der Duke seinen Namen und alle seine Titel auf einer bedeutenden musikalischen Sammlung lesen: den Orchestersuiten des zwei Jahre zuvor verstorbenen Henry Purcell. Dessen Witwe Frances hatte jene „Collection of Ayres, compos’d for the Theatre, and upon other Occasions“ („Sammlung von Tänzen, komponiert fürs Theater und andere Gelegenheiten“) herausgegeben. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes versuchte sie, aus seinen nachgelassenen Manuskripten Kapital zu schlagen. Sie wusste um die anhaltende Popularität der Tänze und anderen Orchestersätze, die er in so großer Zahl für die Bühnen Londons komponiert hatte. Gewissenhaft wählte sie aus den Schauspielmusiken, vor allem aber aus den drei großen Wer
ken „King Arthur“, „The Fairy Queen“ und „Dioclesian“, Orchestersuiten aus, die in Tonart und Aufbau zusammenpassten und die besten Stücke in sich vereinten. Diese bedeutende Sammlung wurde so schön und sauber in Orchesterstimmen gestochen, dass man noch heute daraus musizieren kann. Die Suiten aus „Dioclesian“ und „King Arthur“ dienten dem Concentus Musicus als Vorbild für die beiden großen Orchestersuiten unseres heutigen Programms.
Dass Frances Purcell diese Sammlung ausgerechnet dem „Proud Duke“ Charles Seymour dedizierte, hing mit „Dioclesian“ zusammen, der ersten „SemiOpera“, die Purcell in London 1690 herausbrachte. Sie war das prachtvollste Bühnenspektakel, das die Londoner seit der „Glorious Revolution“ 1688 zu sehen bekamen. Purcell widmete das Werk nicht zufällig dem Duke of Somerset, dem Günstling des neuen Königspaares, Queen Mary und King William III. Im Vorwort zur Suitensammlung spielte seine Witwe sieben Jahre später darauf an und unterstrich die Be deutung adliger Mäzene für Purcells Musik:
„Die günstige Aufnahme, welche die folgenden Kompositionen im Theater gefunden haben, lassen mich hoffen, dass sie auch in gedruckter Form bereitwillig angenommen werden. Und da ich mir bewusst bin, wie sehr dergleichen Werke nicht allein von ihrem inneren Wert abhängen, sondern auch vom Mäzenatentum hochgestellter und verständiger Persönlichkeiten, so konnte ich keinen finden, auf den der Titel eines wahren Mäzens besser passen würde als Ihro Gnaden, keinen, der einen größeren Anspruch auf diese Stücke erheben könnte, die nun – zu meinem großen Unglück – vaterlos geworden sind. Ich will aber hoffen, dass sie nicht ohne Freunde bleiben werden, jetzt, da sie unter dem glücklichen Einfluss des Schutzes von Ihro Gnaden stehen ... Vor einiger Zeit hatte es Ihro Gnaden gefallen, die Widmung der Musik in ‚Dioclesian‘ anzunehmen, die Sie in Auszügen in diesen Musikblättern wiederfinden werden, nebst einigen anderen Kompositionen. Daher steht die Widmung der ganzen Sammlung berechtigterweise Ihro Gnaden zu, da Sie
meinen Mann so nachhaltig zu seinen Aufführungen ermuntert haben. So wie Sie ihn zu Lebzeiten mit Ehrenbezeugungen überhäuften, so geleiten Sie nun seine Werke in die Unsterblichkeit und ehren damit sein Andenken.“
Suite aus „Dioclesian“
UM DIE SUITE AUS „DIOCLESIAN“ ZU BEGINN UNSERES Programms richtig zu verstehen, müssen wir uns einen Moment ins „Dorset Garden Theatre“ zurückversetzen, ins damals prachtvollste Londoner Theater. Kein schnöder Pausengong rief die Zuschauer dort auf ihre Plätze, sondern Musik: Die „First Musick“ und „Second Musick“ wurden noch vor der eigentlichen Ouvertüre gespielt, wie ein Vorfilm im Kino. Überhaupt hatte ein solcher Abend viel Ähnlichkeit mit dem Besuch eines FantasyFilms heutzutage: An „Special effects“ auf der Bühne wurde nicht gespart, für „Action“ sorgten allein schon die Tänzer, durch die Musik wurde die gesprochene Handlung zum Breitwandkino gesteigert – durch einen „Sound Track“ der Superlative aus Arien, Chören und aller möglichen Orchestermusik.
Die „First Musick“ beginnt wie eine französische Ouvertüre mit schweren punktierten Rhythmen im pathetischen cMoll. Statt einer Fuge aber folgt darauf ein ganz kurzer, simpler Tanz im Dreiertakt. Für solche Überraschungen liebten die Londoner ihren Purcell. Das zweite Stück wechselt ins scheinbar freundliche CDur, in Wahrheit muss man sich diesen Tanz als ein Lied triumphierender Soldaten vorstellen. Diocletian hat seinen Konkurrenten besiegt und erschlagen. Seine Truppen jubeln in Arien und Chören, deren Melodie Purcell als Zwischenaktmusik nach dem zweiten Akt wiederholte (als „Second Act Tune“). Es folgt ein „Chair Dance“, ein „Stuhltanz“ – nicht das, was man sich heute darunter vorstellt, wenn eine schöne Tänzerin ihre langen Beine lasziv um die Rückenlehne eines Stuhls schlingt. Purcells Tänzer führten eine Groteske auf, wie man der Musik unschwer anhören kann: Sie klingt so englisch bodenständig, wie eben nur
eine „Jig“ klingen kann, das englischirische Vorbild für die französische „Gigue“. Es folgen zwei Tänze in dMoll, die „Tune“ nach dem dritten Akt und eine Hornpipe. Kein Tanz war im England des Barock so populär wie dieser: Allein 35 Hornpipes von Purcell veröffentlichte John Playford in seinen Sammlungen, die zum Gebrauch der Tänzer bestimmt waren. Auch Purcells Witwe Frances nahm in ihre Suitensammlung sämtliche Hornpipes ihres Mannes auf, die sie finden konnte. So sehr riss man sich um diese rustikalen Tänze mit ihren kräftigen Synkopen im Dreihalbetakt.
In der „Fourth Act Tune“, der vierten Zwischenaktmusik, hat Purcell den militärischen Glanz der Trompeten effektvoll eingesetzt, im folgenden „Country Dance“ hat er sein Publikum aufs Land entführt. Im vierten Akt durften die Zuschauer einen „Butterfly Dance“ bestaunen, einen Schmetterlingstanz, der vermutlich von Kindern ausgeführt wurde. Für erwachsene Tänzer dagegen war der „Furientanz“ bestimmt, der furiose Höhepunkt des zweiten Aktes. Zunächst hatte hier ein Monster auf der Bühne zu erscheinen, wozu Purcell eine langsame Einleitung in merkwürdig verqueren Harmonien geschrieben hat. Plötzlich verwandelte sich das Untier in eine Schar von Furien. Die wilden Läufe und scharf punktierten Rhythmen der Streicher untermalten die bizarren Bewegungen der Tänzer, die mit Schlangen in den Haaren und Fackeln in den Händen die Rachegöttinnen imitierten. Nach dieser HorrorEinlage versöhnen unsere Musiker das Publikum mit dem Glanz der Pauken und Trompeten. Zuerst hören wir eine konzertante Sinfonia im italienischen Stil, dann das prachtvolle, mehrchörige Wechselspiel der „Second Musick“. Was in unserer Aufführung die Suite krönt, stellte Purcell ganz an den Beginn seines Opernabends. Auf die prunkvollen Trompeten wollte er sein Publikum nicht lange warten lassen, waren es doch die berühmten Shores, die hier brillierten: Von ihrem Vater, Sergeant Matthias Shore, hatten die Brüder William und John das Spielen der hohen Clarintrompeten erlernt. John Shore war jener virtuose Solist, dem Purcell seine schwersten Trompetensoli anvertraute.
Fantasien und Grounds
HÄTTE PURCELL NUR EINGÄNGIGE SONGS UND SWINGENDE Tanzweisen fürs Theater geschrieben, er wäre ein Paul McCartney des Barock geblieben, mehr nicht. Die Bewunderung der Engländer für ihren größten Komponisten reichte aber viel tiefer. Sie wussten, dass er als Organist der Königlichen Kapelle und der Westminster Abbey auch ein Meister der Kirchenmusik und des Kontrapunkts war. In seiner Kindheit hatte Purcell selbst als Chorknabe in der Chapel Royal gesungen und dort die strenge Anleitung in allem erfahren, was in der Musik unverwechselbar englisch war. Dazu gehörten auch zwei Gattungen der Instrumentalmusik, in denen es um kontrapunktisches Können ging: die „Fantazia“ und der „Ground“.
Purcell war erst 21 Jahre alt, als er im Sommer 1681 sein kompositorisches Gesellenstück in Form von 18 Fantasien für Streicher ablieferte. Zwar hatte sein königlicher Förderer Charles II. Alte Musik bei Hofe eigentlich verboten, da ihm der Sinn nach den leichten Tanzmelodien Frankreichs stand. Die Meister der „Chapel Royal“ aber dachten wie traditionsbewusste Engländer und schulten ihren Meisterschüler Purcell in der ehrwürdigen Form der „Fantazia“. So nannte man seit den glorreichen Zeiten von Queen Elizabeth einsätzige Streicherstücke, in denen die Komponisten ihre ganze kontrapunktische Kunst zeigten, verbunden mit dem freien Flug der Fantasie. Dem jungen Purcell ist diese Synthese aus Strenge und Freiheit glänzend gelungen. Er komponierte drei Fantasien zu drei Stimmen, zwölf zu vier Stimmen, zwei so genannte „In Nomine“ und die „Fantazia upon one note“. Jede Stimmenzahl brachte ihre eigenen Probleme mit sich, doch alle wurden von ihm souverän gelöst. Dass ihn seine Lehrer vor allzu großer „variety“ in den Modulationen gewarnt hatten, spornte ihn eher an, als ihn zu irritieren. Es sind gerade die überraschenden harmonischen Brüche, die an seinen Fantasien faszinieren, verbunden mit dem fließenden Übergang zwischen kontrastierenden Abschnitten: Schnelle fugierte Teile werden von herben langsamen Abschnitten verdrängt, in denen
„Querstände“ und „süße Dissonanzen“ herrschen, woran sich wiederum beschwingte tänzerische Teile anschließen.
Purcells Kunst des Kontrapunkts und sein untrügliches Gespür für „sweet dissonances“ regiert auch in der Gattung des „Ground“. So nannte man in England Kompositionen über ein ständig wiederkehrendes Bassmotiv, einen Basso ostinato. Eines der glänzendsten Beispiele ist die Chaconne in DDur für drei Violinen und Bass, „Three parts upon a ground“ genannt. Purcell schrieb „Fantazia“ über dieses Stück, denn wie seine Fantasien für Streicher besteht es aus mehreren Abschnitten in verschiedenen Taktarten, in denen er die unterschiedlichsten kontrapunktischen Techniken erprobte, besonders diverse Kanons. Zusammengehalten wird das Ganze durch das Dreiermetrum und durch den ewig gleichen Bass von sechs Noten, der sich an den italienischen CiacconaBass anlehnt. Er wird insgesamt 30 mal gespielt (auch von den Oberstimmen im Kanon) und mit solcher Kunst variiert, dass man die Fülle der Einfälle nicht genug bewundern kann, das dichte Stimmengewebe und die überraschenden „Pointen“ in der harmonischen Umdeutung des Basses. Der generelle Eindruck ist aber der eines unwiderstehlichen „Drive“, der aus dem ChaconneRhythmus entsteht.
Dieser typische Rhythmus beherrscht auch die berühmte „Chacony“ in gMoll, geschrieben für vierstimmiges Streichorchester mit Bratschen. Hier hat Purcell einen „Ground“ von acht Takten verwendet, der zwanzig Mal auftritt, zunächst nur im Bass in gMoll, dann in den zweiten Geigen in dMoll, endlich auch in den ersten Geigen und Bratschen modulierend bis nach BDur und cMoll, bevor er vom Bass in gMoll bestätigt wird. Mindestens so wichtig wie die Varianten des Basses ist das, was sich darüber abspielt: ein Kompendium an schmerzlichen Vorhaltsdissonanzen, „sprechenden“ Motiven und swingenden Rhythmen. Das ganze Stück entfaltet eine Sogwirkung ohnegleichen, die Purcell durch subtile Steigerung bis zum Ende unterstrichen hat. Außer Bach in seiner dMollChaconne für Violine solo hat kein anderer Komponist eine Streicherchaconne von solcher
Tiefe und Ausdrucksfülle komponiert. Erst 1931 stellte ein deutscher Herausgeber diesem Meisterwerk eine Pavane in gMoll als langsame Einleitung voran, obwohl die beiden Stücke in den Originalquellen in keiner Weise zusammenhängen und unterschiedlich besetzt sind. Freilich bilden die scharfen Dissonanzen dieser langsamen Pavane einen würdigen Vorspann zur schmerzlich bewegten „Chacony“.
Der Orpheus aus Halle
GERNE MOKIEREN SICH ENGLISCHE FORSCHER DARÜBER, wenn die Deutschen allen Ernstes behaupten, Georg Friedrich Händel sei ein Deutscher gewesen. Schon die deutsche Schreibung seines Namens empfinden sie als Barbarei, war es doch „George Frideric Handel, Esquire“, der von seinem Haus in der Lower Brook Street aus das Londoner Musikleben über Jahrzehnte hinweg dominierte. 1752 schrieb der Organist Charles Avison aus Newcastle, Händel habe „über 30 Jahre hinweg die Stadt mit musikalischer Unterhaltung jeglicher Art versorgt“. Dazu gehörte auch jede Form von Instrumentalmusik.
Obwohl Händel seine Instrumentalwerke nur zwischendurch komponierte, wenn ihm die anstrengenden Opernspielzeiten ausnahmsweise eine Atempause gönnten, hat er mit ihnen doch Epoche gemacht: Zwei Bände Triosonaten brachte sein Verleger John Walsh in London auf den Markt (Opus 2 und 5), zwei Bände mit Concerti grossi (Opus 3 und 6) und zwei Bände Orgelkonzerte (Opus 4 und 7). Etliche Solosonaten für Flöte, Oboe oder Violine und Continuo bildeten das inoffizielle Opus 1, andere berühmte Werke wie die „Wassermusik“ oder „Feuerwerksmusik“ trugen keine Opuszahlen, obwohl sie Stadtgespräch waren und in diversen gedruckten Ausgaben erschienen. Händels Opernouvertüren waren ebenso beliebt wie seine Cembalosuiten. Seine Menuette tanzte man bei Hofe wie in Tavernen, und viele seiner Opernarien kursierten in den abenteuerlichsten Bearbeitungen. Wenn die „Gentlemen“ aus Englands High Society Er
holung auf dem Lande suchten oder sich zum Musikgenuss in die stille Kammer zurückzogen, durfte die Sammlung „The Delightful Pocket Companion“ nicht fehlen, der „vergnügliche Taschenbegleiter“. In dieser mehrbändigen Ausgabe waren Händels berühmteste Arien und Tänze auf den kleinsten Nenner einer galanten Unterhaltungsmusik für eine bis zwei Traversflöten reduziert worden. Selbst in dieser Miniaturversion durften Sätze aus seinen Concerti grossi nicht fehlen.
Concerto grosso
„HANDEL LOVED STRONG BANDS“, „HÄNDEL LIEBTE GROSSE Orchester“. Das gab kein Geringerer als der englische Musikhistoriker Charles Burney zu Protokoll, der noch selbst als junger Mann in Händels Oratorienorchester mitgespielt hatte. Händel frönte seiner Vorliebe für groß besetzte und entsprechend laute Orchester nicht nur im „Messiah“ und in den anderen Oratorien, sondern auch in Orchesterwerken wie der „Water Musick“, der „Musick for the Royal Fireworks“ und in den zwölf „Grand Concertos“ seines Opus 6.
Letztere kann man ohne Umschweife als die Krönung seines Londoner Instrumentalschaffens bezeichnen. Ende September 1739 setzte sich Händel an seinen Schreibtisch und begann mit einem Zyklus von zwölf Concerti grossi nach dem Vorbild Arcangelo Corellis, einen Monat später waren alle zwölf Stücke fertig. Durchschnittlich drei bis vier Tage brauchte der Meister für jedes dieser Werke, wohl versorgt mit Kaffee und Speisen, vor allem aber ungestört von Opernproben. Händel hatte sich für die Spielzeit 1739/40 vorgenommen, der Oper fernzubleiben und stattdessen eine Saison ausschließlich mit Oratorien zu bestreiten. Für diese Werke brauchte er dringend instrumentale Zwischenaktmusiken – ein Brauch, der letztlich auf die „Act Tunes“ der Purcellzeit zurückging.
In diesem Fall entschied er sich für Concerti grossi im italienischen Stil, also für Werke, in denen ein „Concertino“ aus zwei
Soloviolinen und Solocello mit dem Tutti des großen Streichorchesters konzertiert. Nach seinem ersten Schlaganfall 1737 mochte sich Händel der Anstrengung nicht mehr unterziehen, bei jeder Oratorienaufführung Orgelkonzerte als Zwischenaktmusiken selbst zu spielen. Außerdem hatten Concerti grossi einen angenehmen Nebeneffekt: Die Engländer waren süchtig danach. Seit Corellis berühmtes Opus 6 die Insel erreicht hatte, konnten sie davon gar nicht genug bekommen. Dringend wurde Nachschub benötigt, und wer hätte ihn besser liefern können als Händel, der in seinen römischen Jugendjahren Corelli und dessen Orchester selbst erlebt hatte? Natürlich ging der geborene Musikdramatiker aus Halle über die klassisch ebenmäßigen Concerti des Feingeistes aus Rom weit hinaus. Händels Concerti grossi Opus 6 sind ungleich dramatischer, abwechslungsreicher, opernhafter, auch galanter als die des corellischen Opus 6, obwohl sie im Detail immer noch zahllose Reminiszenzen an das große Vorbild enthalten.
Das aMollKonzert, die „Number 4“ der Serie, begann Händel am 6. Oktober 1739, schon zwei Tage später war es fertig: „Fine. G.F.Handel. October 8. 1739“ steht am Ende des Manuskripts und ein Mondzeichen als Symbol für den Montag. Das Concerto hat nur vier Sätze und ist damit kürzer als die meisten anderen des Zyklus, außerdem verzichtet es auf lange, virtuose Soloabschnitte, deshalb wohl brauchte Händel ein bis zwei Tage weniger als für die anderen Werke. Mit weniger Liebe als die anderen Concerti hat er es jedoch nicht geschrieben, im Gegenteil: Es beginnt mit einem der ausdrucksvollsten langsamen Sätze, die er jemals komponiert hat. Dieses „Larghetto affettuoso“ ist wahrhaft „affektvoll“ und rührend, dabei hochmodern in den melodischen Wendungen, die an Pergolesi und Hasse erinnern. Über dem absteigenden Bass spielen die ersten Geigen lauter Seufzermotive. Immer wieder von neuem setzen sie an, holen Atem zu einer weiteren rührenden Wendung der Melodie – wie im schmerzlich bewegten Arioso einer Primadonna. Auf den singenden Stil dieses Satzes folgt eine strenge vierstimmige Fuge, deren Thema gleich mit einer Synkope einsetzt, woran sich fast
bizarre Achtelwendungen anschließen. Selten hat Händel ein so mürrisches Thema so streng durch die vier Orchesterstimmen geführt. Zwar lockern die Solisten den Gang der Fuge etwas auf, sie bleibt aber für Händels Verhältnisse ungewöhnlich hermetisch. Im folgenden „Largo e piano“ gönnte er den Zuhörern eine Atempause im pastoralen FDur und im reinen Corellistil: Die Geigen türmen süße Dissonanzen auf, während ein „gehender Bass“ den Dreiertakt auf majestätische Weise durchschreitet. In dieser Art hatte Corelli schon 80 Jahre früher langsame Sätze in seinen Triosonaten geschrieben. Nach diesem römischen Intermezzo kehrte Händel im Finale zum düsteren Mollton der ersten beiden Sätze zurück. Wieder schrieb er einen Satz im galanten Stil, dieses Mal tänzerisch, von einer Art polnischem Rhythmus durchzogen. Die melodische Keimzelle dieses Satzes übernahm er aus seiner damals noch nicht vollendeten Oper „Imeneo“.
King Arthur
DAS FINALE UNSERES PROGRAMMS FÜHRT UNS ZURÜCK ins Dorset Garden Theatre mit seiner aufwändigen Bühnenmaschinerie, dem prachtvollen Proszenium und dem Orchestergraben, in dem Purcell 1691 wieder einmal ein Riesenorchester versammelt hatte. Zusammen mit John Dryden, dem Dichterfürsten des damaligen England, brachte er „King Arthur“ heraus, eine Verherrlichung des englischen Nationalhelden und mythischen Königs Artus. Bei den Salzburger Festspielen 2004 stellten Nikolaus Harnoncourt und Jürgen Flimm ihre Version dieses barocken Bühnenspektakels vor. Natürlich spielte der Concentus Musicus. Die Suite des heutigen Abends erklingt zwar ohne Nikolaus Harnoncourt am Pult, aber im Geist der Salzburger Auf führung.
Die Auswahl aus Purcells überreicher Partitur fällt hier besonders schwer, doch diente wieder die Orchestersuite aus der Sammlung von 1697 als Vorbild. Am Anfang erklingen die kraftvollen punktierten Rhythmen der Ouvertüre, doppelchörig ver
teilt auf Oboen und Streicher – ein rechtes Bild des stolzen Königs Artus. Es folgen verschiedene Airs in dMoll, GDur und aMoll, mal weich schwingend im MenuettRhythmus, mal pfiffig bewegt wie die fantastischen Gestalten, die Drydens Drama bevölkern. Auch hier darf eine Hornpipe nicht fehlen wie in „Dioclesian“ – es ist eine der schönsten, die Purcell geschrieben hat. Eine „Trumpet Tune“ und diverse „Symphonies“ geben den Trompetern Gelegenheit zum martialischen Einsatz. Die Krönung der Suite ist aber zweifellos die lange Chaconne in FDur, das elegante, unbeschwerte, höfische Gegenstück zur „Chacony“ in gMoll.
Weitere Kommentare zu dieser wunderbaren Musik erübrigen sich. Abschließend sei nur ein Satz noch zitiert, den Purcells früherer Kollege Henry Hall 1695 geschrieben hat, nach dem Tod des Meisters:
„Sometimes a hero in an age appears,But scarce a Purcell in a thousand years.“
„Manchmal wird in einem Menschenalter ein Held geboren, Doch kaum jemals ein Purcell in tausend Jahren.“
Josef Beheimb
Die Interpreten
Andrea Bischof, Violine & Leitung
GEBOREN IN VORARLBERG, STUDIERTE ANDREA BISCHOF in Wien bei Grete Biedermann und Thomas Christian. Zwölf Jahre lang war sie Konzertmeisterin und Solistin bei den „Österreichischen Bachsolisten“. Bei der Zusammenarbeit im Concentus Musicus Wien, wo sie ständiges Mitglied ist, lernte sie auch Christophe Coin, Erich Höbarth und Anita Mitterer kennen, gemeinsam gründeten die vier Musiker 1987 das Quatuor Mosaïques. Andrea Bischof unterrichtet Kammermusik an der Universität für Musik in Wien.
Concentus Musicus Wien
NIKOLAUS HARNONCOURT, DER DAS ENSEMBLE VON DER Gründung 1953 an bis 1987 vom Cello aus leitete und bis heute künstlerischer Leiter ist, rief den Concentus Musicus Wien mit einigen Musikern aus den Reihen der Wiener Symphoniker als Spezialensemble für Alte Musik auf Originalinstrumenten ins Leben.
Mehr als vier Jahre lang verbrachten die Musikerinnen und Musiker des Ensembles zunächst ausschließlich mit Probenarbeit, bis sie 1957 im Wiener Palais Schwarzenberg erstmals an die Öffentlichkeit traten, wo von da an jährliche Konzertreihen mit dem Concentus Musicus stattfanden. 1963 wurden die ersten Werke für Teldec eingespielt. Etwa zur gleichen Zeit führten
Konzert reisen das Ensemble durch ganz Westeuropa. Auf dem Programm standen unter anderem Bachs Brandenburgische Konzerte und österreichische Barockmusik. 1966 unternahmen sie ihre erste Tournee in die Vereinigten Staaten und nach Kanada.
1970 begann der Concentus Musicus Wien mit der Gesamteinspielung der Kantaten von Bach, ein beeindruckendes Projekt, das 1989 abgeschlossen wurde und mit einem Gramophone Award ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig wurden die eigenen Konzert reihen im Wiener Musikverein ausgebaut und Werke von Monteverdi, Purcell, Bach, Händel und Mozart eingespielt. Durch diese unzähligen Einspielungen und Konzertreisen ist der Concentus Musicus Wien zum Inbegriff des Musizierens auf historischen Instrumenten geworden. Auch bei Opernproduktionen und einspielungen wirkt das Ensemble regelmäßig in Wien (Theater an der Wien), Graz (styriarte) und Salzburg (Salzburger Festspiele) mit. In den letzten Jahren erschienen die bei der styriarte eingespielte CD mit Haydns „Orlando Paladino“ und eine Einspielung von Mozarts „Zaïde“.
Zuletzt kam eine DoppelCD mit Musik von Mozart, Lanner und Strauß heraus: „Walzer Revolution“ sowie die Einspielung von „Timotheus oder Die Gewalt der Musik“ (Händel/Mozart) von der 200JahrFeier des Wiener Musikvereins. Als DVD liegt die styriarte Festival Edition „Idomeneo“ aus 2008 auf, bei der Nikolaus Harnoncourt gemeinsam mit seinem Sohn Philipp selber Regie führte.
Besetzung:
Violinen: Andrea Bischof (Leitung), Maria Bader-Kubizek, Christian Eisenberger, Karl Höffinger, Barbara Klebel-Vock, Veronica Kröner, Peter Schoberwalter jun., Peter Schoberwalter sen., Irene Troi, Florian Schönwiese
Violen: Ursula Kortschak, Pablo de Pedro, Dorothea Sommer
Violoncelli: Rudolf Leopold, Dorothea Schönwiese
Kontrabass: Andrew Ackerman
Blockflöten & Oboen: Heri Choi, Marie Wolf
Fagott: Alberto Grazzi
Trompeten: Andreas Lackner, Herbert Walser-Breuss
Cembalo: Stefan Gottfried
HAUS DER KUNSTGalerie Andreas Lendl.
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