dieselmotoren mit niederdruck-abgasrückführung abgasrückführung

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Dieselmotoren mit Niederdruck- Abgasrückführung Herausforderungen an den Turbolader Gute Fahrleistungen und ein geringer Kraftstoffverbrauch machen den Dieselmotor zu einer attraktiven Antriebs- einheit für den Straßenverkehr. Zur Erreichung der künftig geforderten Verbrauchsziele ist er ein unentbehrlicher Baustein. Nachteilig für den Selbstzünder sind neben den Kosten die funktionsbedingt hohen Stickoxid- und Partikelemissionen; die Erfüllung künftiger Emissionsstufen stellt ihn vor eine technologische Herausforderung. Durch experimentelle und numerische Arbeiten hat Borg-Warner Turbo & Emission Systems die relevanten Ein- flussgrößen der niederdruckseitigen Abgasrückführung für den Turbolader eruiert und gezielt Maßnahmen zum Schutz der strömungsführenden Bauteile entwickelt, die den Serieneinsatz der niederdruckseitigen Abgasrück- führung als Beitrag zur weiteren Schadstoffreduktion des Dieselmotors sehr realistisch erscheinen lassen. ENTWICKLUNG MTZ 02I2008 Jahrgang 69 124 Aufladung

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Page 1: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

Dieselmotoren mit Niederdruck-

Abgasrückführung

Herausforderungen an den TurboladerGute Fahrleistungen und ein geringer Kraftstoffverbrauch machen den Dieselmotor zu einer attraktiven Antriebs-einheit für den Straßenverkehr. Zur Erreichung der künftig geforderten Verbrauchsziele ist er ein unentbehrlicher Baustein. Nachteilig für den Selbstzünder sind neben den Kosten die funktionsbedingt hohen Stickoxid- und Partikelemissionen; die Erfüllung künftiger Emissionsstufen stellt ihn vor eine technologische Herausforderung. Durch experimentelle und numerische Arbeiten hat Borg-Warner Turbo & Emission Systems die relevanten Ein-flussgrößen der niederdruckseitigen Abgasrückführung für den Turbolader eruiert und gezielt Maßnahmen zum Schutz der strömungsführenden Bauteile entwickelt, die den Serieneinsatz der niederdruckseitigen Abgasrück-führung als Beitrag zur weiteren Schadstoffreduktion des Dieselmotors sehr realistisch erscheinen lassen.

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Page 2: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

1 Einleitung

Die Rückführung von Abgas in den Brennraum ist eine erprobte Maßnahme zur Stickoxidminderung. Bislang wird das Abgas hochdruckseitig – das heißt dem Krümmer entnommen und nach dem Verdichter eingeleitet – zurückge-führt. In bestimmten Bereichen des Mo-torkennfeldes können Vorteile erzielt werden [1,2,12], wenn das Abgas nieder-druckseitig rückgeführt wird; dazu wird das Abgas nach der Abgasreinigungsket-te entnommen und vor dem Verdichter der Einlass-Strecke zugeführt. Vorteilig wirken sich hier vor allem der höhere Massenstrom durch die Turbine mit den damit verbundenen höheren Wirkungs-graden, das über einen weiten Bereich vorhandene Druckgefälle zur Rückfüh-rung und die homogenere Durchmi-schung des Abgases mit der Frischluft aus. Allerdings konnte bislang wegen der hohen Belastung des Verdichters die nie-derdruckseitige Abgasrückführung nicht zuverlässig realisiert werden.

2 Belastungskollektiv und Lösungsansätze

2.1 Erhöhtes Temperaturniveau und Strömungsverhältnisse am VerdichtereintrittDurch die Eindüsung des Abgases erge-ben sich trotz dessen Kühlung erhöhte Verdichtereintrittstemperaturen, die zu überproportionalen Verdichtungsend-temperaturen führen. Die Auslegung des Laders, die Welle-Nabe-Verbindung des Verdichterrades oder die eingesetzten Werkstoffe müssen gegebenenfalls an die veränderten thermischen Randbedin-gungen angepasst werden.

Bei der Eindüsung des rückgeführten Abgases entstehen je nach Impulsver-hältnis der beiden Stoffströme und der Geometrie der Einmischstrecke heiße

Strähnen, die thermodynamische wie auch thermomechanische Auswir-kungen auf die Verdichterkomponenten haben. Aufgrund begrenzter Platzver-hältnisse im Motorraum kann die Ver-mischung in praxi nur auf möglichst kurzer Strecke erfolgen. Von entschei-dender Bedeutung dabei sind die Druck-verluste, die einen negativen Einfluss auf den Gesamtwirkungsgrad, die ther-modynamischen Zustandsgrößen am Verdichteraustritt und die Ölleckage des Laders haben.

Mit numerischen Methoden wurden verschiedene Mischergeometrien hin-sichtlich ihrer prinzipiellen Eignung untersucht. Dabei ist von besonderem Interesse nach welcher Wegstrecke sich eine hinreichende Mischungsgüte bei möglichst geringen Druckverlusten ein-stellt. Zur Beurteilung der Mischung dient die lokale Mischungsgüte i [3], die ein Maß für die lineare Abweichung der lokalen Temperatur Ti in der einzelnen Zelle von der adiabaten Mischtempera-tur Tadb ist:

i = { Ti – TAb _______ Tadb – TAb für TAb < Ti < Tadb

__________________ Ti – TFl

_______ Tadb – TFl für Tadb < Ti < TFl

Gl. (1)

Tadb = m.

FL · TFl + m.

Ab · TAb _____________ m

. Fl + m

. Ab

Gl. (2)

Die globale Mischungsgüte gestattet ei-ne Aussage über die Mischungsgüte i in einer Querschnittsebene.

= 1 __ n · n

i=l i Gl. (3)

Da bei den untersuchten Strömungen kein homogenes Geschwindigkeitsprofil vorliegt, werden die lokalen Mischungs-güten i mit den Massenströmen in den einzelnen Zellen gewichtet.

=

n

i=l i m

. i

_____ n

i=l m

. i

Gl. (4)

Die Autoren

Dr. Stefan Münz ist Leiter Neue Tech-

nologien bei der Borg-

Warner Turbo Systems

Engineering GmbH in

Kirchheimbolanden.

Christiane Römuss ist Entwicklungs-

ingenieurin Neue Tech-

nologien bei der Borg-

Warner Turbo Systems

Engineering GmbH in

Kirchheimbolanden.

Peter Schmidt ist Leiter der Brennkam-

merprüfstände bei der

BorgWarner Turbo Sys-

tems Engineering GmbH

in Kirchheimbolanden.

Kai-Henning Brune m.sc ist wissenschaftlicher Mit-

arbeiter des Fachgebietes

für Gasturbinen, Luft- und

Raumfahrtantriebe im

Fachbereich Maschinen-

bau der TU Darmstadt.

Prof. Dr. Heinz-Peter Schiffer ist Leiter des Fachge-

bietes für Gasturbinen,

Luft- und Raumfahrt-

antriebe im Fachbe-

reich Maschinenbau

der TU Darmstadt.

Betriebspunkt TFl

TAb

AGR-Rate

1 20 °C 200 °C 33 %

2 20 °C 200 °C 20 %

3 20 °C 200 °C 10 %

Tabelle 1: Betriebspunkte

MTZ 02I2008 Jahrgang 69 125

Page 3: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

m = 1 bedeutet in diesem Zusammenhang eine vollständige und m = 0 keinerlei Ver-mischung. Die Druckverluste werden durch die dimensionslose Kennzahl cpl be-trachtet. cpl =

ptot,ref – ptot,i ________ ptot,ref

Gl. (5)

ptot,ref = ∫AAb

ptot · · u ·dA + ∫AFl

ptot · · u ·dA

_____________________ ∫AAb

· u ·dA + ∫AFl

· u ·dA Gl. (6)

ptot,i = ∫A

ptot · · u · dA

__________ ∫A

· u · dA Gl. (7)

ptot,ref ist ein massengewichteter Druck, der sich aus den Totaldrücken ptot,Fl und ptot,ab in den beiden Leitungen vor der Mischstelle zusammensetzt, ptot,i ist der massengewichtete Totaldruck in den je-weiligen Ebenen. Je größer die Druckver-luste, desto größere Werte nimmt cpl an. Den Berechnungen liegen die in Tabelle 1 aufgelisteten Werte zugrunde.

Vereinfachend werden beide Stoffströ-me zunächst als trockene Luft behandelt. Um in der Simulation realitätsnahe Rand-bedingungen einzustellen, liegt strom-auf der Mischstelle ein Krümmer, dessen Sekundärwirbelstruktur auf die Vermi-schung einen positiven Einfluss hat. In der ersten untersuchten Variante, Bild 1, wird der AGR-Strom senkrecht dem Frisch-luftstrom zugemischt [4].

Der Verlauf der Totaltemperatur wird als Indikator für die Mischungsgüte he-rangezogen. Die Mischungsgüte m, Bild 2, über der Mischstrecke x/D zeigt einen sehr flachen Verlauf, das heißt ei-ne geringe Zunahme der Mischungsgü-te m mit der Laufkoordinate. Je nach Massenstromverhältnis (Tabelle 1), das heißt Impulsverhältnis, bilden sich ver-schieden stark ausgeprägte heiße Sträh-nen in der Mischstrecke. Das Impulsver-hältnis ist einer der bestimmenden Pa-rameter bei dieser Art der Einmischung

(„Jet in Crossflow“) [5, 6]. Mit dieser ein-fachen stumpfen Eindüsung lässt sich keine ausreichende Vermischung auf kurzen Strecken und geringen Druck-verlusten erreichen. Bei dem Radial-mischer (RM), Bild 3, schmiegt sich um das Frischluftrohr eine Ringkammer; das Abgas wird über verschiedene Boh-rungen am Umfang eingedüst [7]. Der Blütenmischer (BM), Bild 4, besteht aus kreisförmig angeordneten Falten, die den Kernstrom nach außen und den Mantelstrom nach innen leiten, wo-durch große Scherflächen zwischen bei-den Stoffströmen geschaffen werden.

Die Varianten RM und BM zeigen im Vergleich zur SE einen deutlich stärke-

ren Anstieg der Mischungsgüte, Bild 2, mit der Laufkoordinate. Dabei erweist sich der BM hinsichtlich der Mischungs-güte als weniger abhängig vom Massen-stromverhältnis als der RM. Bei beiden Mischern treten deutlich weniger ausge-prägte Strähnen und damit eine wesent-lich homogenere Strömung am Verdich-tereintritt auf. Bereits nach einer Lauflän-ge von x/D=1 treten je nach BP und Mischer Mischungsgüten größer 80 % auf. Der BM weist dabei die niedrigsten Druckverluste auf. Tabelle 2 zeigt einen qualitativen Vergleich der untersuchten Mischergeometrien. Nachteilig für den BM wirkt sich aus, dass er als Einbauteil auch in Betriebspunkten ohne nieder-druckseitige Abgasrückführung konti-nuierlich die Strömung beeinflusst.

In der Praxis wird sich eine Serienlö-sung als Kompromiss an den zur Verfü-gung stehenden Platzverhältnissen, den Druckverlusten und nicht zuletzt an den Kosten orientieren. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich Strömungsinho-mogenitäten im Allgemeinen durch den Verdichter hindurch fortpflanzen und nach dem Verdichter weiterbestehen. Die thermomechanischen Auswirkun-

Bild 1: Verteilung der Totaltemperatur für senkrechte Eindüsung (SE)

Bild 2: Mischungsgüte m und Druckverlustkoeffizient cpl für verschiedene Mischer

Bild 3: Verteilung der Totaltemperatur für den Radialmischer (RM)

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MTZ 02I2008 Jahrgang 69126

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Page 4: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

gen der heißen Strähnen auf das Ver-dichterrad und auf das -gehäuse bleiben unter den vorherrschenden Randbedin-gungen unkritisch [8].

2.2 Bestandteile des AbgasluftgemischesDas zu fördernde Gasgemisch enthält neben der angesaugten Frischluft mit ihrer Feuchte Abgas, das im Wesent-lichen aus dem Restsauerstoffgehalt, den Verbrennungsprodukten H2O und CO2 sowie den je nach Brennstoff, Brenn-verfahren und Abgasnachbehandlung in geringen Bestandteilen enthaltenen Schadstoffen (NOx, SO2, CO, unverbran-nte Kohlenwasserstoffe) und Rußparti-keln. Auch das durch eine geschlossene Kurbelgehäuseentlüftung in den An-saugtrakt eingebrachte Motoröl muss berücksichtigt werden.

Das Abgas kann zudem Partikel mit sich führen, die nicht dem Verbren-nungsprozess, sondern Komponenten der Abgasreinigungsstrecke entstam-men, beispielsweise der keramischen Matrix des Dieselpartikelfilters oder dem Fertigungsprozess dieser Bauteile. Diese Partikel treten zwar in vergleichs-weise geringen Mengen auf, dies aber über den gesamten Lebenszyklus der Komponenten, und zumindest partiell in Formen und Größen, die Schäden verursachen können. Über die Rück-führstrecke werden diese Partikel auf die Saugseite gespült.

2.2.1 Tropfenschlag durch Auskondensation von WasserJe nach Prozessführung, Betriebszustand des Motors und anderer Randbedingun-gen kann der enthaltene Wasserdampf bei Unterschreitung des Taupunktes an den zahlreich vorhandenen Keimen kon-densieren. Je nach Umgebungsbedingun-gen können diese Tropfen wachsen, mit anderen Tropfen koagulieren oder auch verdunsten. Es können sich flüssige Wandfilme bilden, in die Tröpfchen ein-treten, aus denen aber auch Tropfen he-rausgerissen werden können.

Diese Vorgänge sind in praxi sehr komplex. Treffen Tropfen mit hoher Re-lativgeschwindigkeit oder unter ungüns-tigen Winkeln auf metallische Oberflä-chen, so haben diese eine stark erosive

Mischer Mischungs-

güte

Druckverlust Betriebspunkt-

unabhängigkeit

Aufwand

SE – + – ++

RM ++ – – +

BM ++ ++ ++ –

Tabelle 2: Bewertung der Mischer

Bild 4: Verteilung der Totaltemperatur für den Blütenmischer (BM)

Page 5: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

Wirkung, was als „Tropfenschlag“ be-zeichnet wird.

Von großer Bedeutung ist, unter wel-chen Randbedingungen sich flüssige Pha-se aus dem Abgas/Frischluftgemisch bil-den kann. Um den Wassergehalt des Ab-gases zu bestimmen, wurde eine Verbren-nungsrechnung durchgeführt. Aus einer relativen Feuchte der umgebenden Frischluft von 60 % bei einer Umge-bungstemperatur Tum = 20 °C und einem Verbrennungsluftverhältnis von = 1,4 ergibt die Verbrennungsrechnung für das Abgas eine absolute Feuchte von etwa 6,4 %. Mit diesen Angaben konnte der relative Feuchtegehalt eines sich homogen ver-mischenden Abgas/Frischluftgemischs bestimmt werden. Bild 5 zeigt die relative Feuchte über der adiabaten Mischtem-peratur Tadb bei einer AGR-Rate von 33 % und einer Lufttemperatur TFl von 20 °C.

Die Sättigung, das heißt eine relative Feuchte = 1 der gemischten Gase, wird bei einer Temperatur TMisch ≈ 27 °C erreicht, was einer Abgastemperatur Tab = 40 °C ent-

spricht, Bild 5. Bei einer Abgastemperatur Tab = 40 °C beträgt die relative Feuchte im Abgas bereits = 1,4, was eine Auskonden-sation vor der Einmischung zur Folge ha-ben würde. Ausfall flüssiger Phase durch die Vermischung der beiden Massenströ-me und der damit verbundenen Tempera-turabsenkung ist demnach bei entspre-chender Abgastemperatur TAb als unkri-tisch zu betrachten. Im Hinblick auf die Tröpfchenschlaggefahr muss eine Abgas-temperatur TAb unterhalb von 40 °C ver-mieden werden.

Dieser Betrachtung liegt eine homo-gene Vermischung der beiden Teilmassen-ströme zugrunde. Um zu klären, ob sich auf Grund von Strömungsinhomogeni-täten lokal Stellen ausbilden an denen die Strömung übersättigt ist, wurde ein Luft-Wasserdampf-Gemisch betrachtet und die Abgastemperatur bei konstanter Frisch-lufttemperatur (TFl = 298 K) variiert. Die Ergebnisse sind in Bild 6 dargestellt. Sie zeigen die Verteilung der relativen Feuch-te für den RM im BP1, Tabelle 1.

Trotz inhomogener Strömung treten in der Mischstrecke keine Werte von ≥ 1 auf. Ist aber das Abgas gesättigt bezie-hungsweise übersättigt, stellen sich auch in der Mischstrecke Werte von ≥ 1 ein. Nach der Einmischstelle sinkt die relative Feuchte . Bei entsprechender Auslegung und Regelung der Rückführstrecke kann Tropfenschlag im durchgewärmten Be-trieb vermieden werden. Lediglich im Kaltstartbetrieb und bei extrem tiefen Umgebungstemperaturen kann flüssige Phase aus der Niederdruckabgasrückfüh-rung auftreten.

2.2.2 Partikelschlag Bild 7 zeigt die Beschaufelung eines Ver-dichterrades aus Aluminium nach einem Einsatz an einem Motor mit Niederdruck-abgasrückführung. Bereits ohne Vergrö-ßerung sind deutliche Schäden erkenn-bar, die in dieser Intensität die Aerodyna-mik des Rades beeinflussen. Bei genauer Analyse des Schadensbildes unter dem Rasterelektronenmikroskop wird deut-lich, dass praktisch alle Schäden an der Vorderkante der vorstehenden Schaufeln mit steigender Intensität in Richtung der Schaufelspitze auftreten.

Diese Schäden wurden durch Einschlä-ge von Partikeln verursacht. Je größer die Partikel, desto weniger sind sie aufgrund ihrer Trägheit in der Lage, der Strömung zu folgen. Dadurch treffen sie unter ver-schiedenen Winkeln auf die Schaufeln. Nach Analyse der Geschwindigkeitsver-hältnisse wird deutlich, dass man weniger von einem Beschuss des Verdichters durch Partikel, sondern vielmehr von einem Her-ausschlagen der Partikel aus dem Ansaug-strom durch die Schaufelvorderkanten sprechen muss. Dies erklärt, warum prak-tisch alle durch Partikel verursachten Schäden an den Kanten der vorstehenden Schaufeln gefunden werden.

Bild 5: Relative Feuchte des Abgas-Frischluftgemischs

Bild 6: Relative Feuchte für verschiedene Abgastemperaturen

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MTZ 02I2008 Jahrgang 69128

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Page 6: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

Ein Schwerpunkt bei der Entwicklung wirksamer Schutzmechanismen lag nicht zuletzt aus Kostengründen auf der Beibe-haltung des eingesetzten Werkstoffes, so dass das Hauptaugenmerk auf einer geeig-neten Beschichtung lag. Es wurden Alumi-niumräder mit unterschiedlichen Metall, Keramik-, Kunststoff- und Nanotechnolo-gie-Beschichtungen versehen und dabei auch Bi- und Tri-Schichtsysteme unter-sucht. Der Fokus lag neben der Bewertung der Haftfestigkeit durch Schleuderver-suche auf dem Beschuss der bei hoher Drehzahl rotierenden Verdichterräder mit geeigneten Materialien definierter Zusam-mensetzung und Korngrößenverteilung (Arizona Staub SAE J 726 und kugelför-mige Einzelpartikel). Diese Materialien wurden über eine Dosiereinrichtung der Verdichterströmung definiert zugegeben und der Zustand der Oberfläche des Rades, der Wirkungsgrad und der Wuchtzustand des Laufzeuges vor und nach dem Beschus-sereignis bewertet.

Bild 8 (A) zeigt eine Schaufelvorderkante im Ursprungszustand. Bild 8 (B) zeigt eine mit Al2O3, Bild 8 (C) eine mit Nickel-Phos-phor beschichtete Schaufel, jeweils nach einem Beschussversuch mit 4 x 0,25 g „Ari-zona Staub“. Während die nickelbeschich-tete Schaufel (C) lediglich geringe Ge-brauchsspuren einer sonst intakten und geschlossenen Schichtoberfläche zeigt, die ohne Folgen für Funktion und Zuverlässig-keit sind, ist die Schicht bei (B) im Bereich der Vorderkante komplett abgetragen. 1 mm große Einzelpartikel durchschlagen auch die Nickel-Phosphor-Schicht, Bild 8 (D), und verursachen plastische Verfor-mungen an den Schaufelkanten.

Die Nickel-Phosphor-Schicht erwies sich in den experimentellen Untersuchungen als bestgeeignet für das Verdichterrad. Die-se bleifreie Beschichtung wird bei 90 °C ohne Einwirkung einer äußeren Strom-

quelle durch Reduktion aus in wässriger Lösung vorliegenden Nickelionen erzeugt. Reaktionspartner dabei sind Hydrophos-phit-Ionen, die auch für den Phosphorge-halt der fertigen Schicht verantwortlich sind. Durch den Phosphorgehalt werden die relevanten Eigenschaften – Oberflä-chenhärte und Duktilität – maßgebend beeinflusst [9,10]. Die außenstromlose Ab-scheidung gewährleistet – bei definierter Bad-Zusammensetzung – eine homogene Schicht konstanter Dicke an allen Stellen der Oberfläche und eine hervorragende Abbildung der Kanten, was im Hinblick auf die Aerodynamik und den Wuchtgüte des Rades von besonderer Bedeutung ist.

Die eingesetzte Nickel-Phosphor-Be-schichtung erträgt Mehrfacheinschläge bis zu einer Partikelgröße von etwa 200 μm in in praxi vorkommender Anzahl ohne Degradation des Wirkungsgrades, ohne unzulässige Änderung des Wuchtzu-standes des Rades und bei Beibehaltung des Korrosionsschutzes (Abschnitt 2.3.3).

Partikel ab einer Größe von etwa 200 μm an müssen durch andere geeignete Maß-nahmen vom Verdichter fern gehalten werden.

2.2.3 Korrosion durch SäurekondensatDie Zusammensetzung des Abgaskonden-sates und der Taupunkt des Abgases hän-gen von der Kraftstoffzusammensetzung, dem Verbrennungsverfahren, dem Luft-verhältnis, der Last des Motors sowie von der Abgasnachbehandlung ab. Kommt es zur Kondensatbildung, so lösen sich im Abgas enthaltene Schadstoffe und es ent-stehen starke Säuren, die einen korrosiven Angriff der metallischen Oberflächen be-wirken. Kritisch sind vor allem Zustände, in denen flüssiges Säurekondensat auf den Bauteilen verweilen und trocknen kann. In Grundlagenversuchen (Kester-nichtest nach DIN 50018, Bewertung nach DIN EN ISO 10289) wurden verschiedene Beschichtungen auf Ihre Korrosionsbe-ständigkeit geprüft, Tabelle 3.

Bild 7: Partikelschlagschäden am Verdichterrad

Bild 8: Schaufelvorderkanten vor und nach Partikelbeschuss

MTZ 02I2008 Jahrgang 69 129

Page 7: Dieselmotoren mit Niederdruck-Abgasrückführung Abgasrückführung

Zwar erreicht die für das Verdichter-rad eingesetzte Nickel-Phosphor-Schicht nicht die Korrosionsbeständigkeit des Nanolackes, jedoch weist dieser keine ausreichende Beständigkeit gegen Parti-kelschlag auf. Wegen der hervorragen-den Korrosionsschutzeigenschaften und der günstigen Verarbeitbarkeit wird der Nanolack aber für alle strömungsführen-den Oberflächen des Gehäuses einge-setzt. Dieser Lack wird nach einer spezi-ellen Vorbehandlung der Oberfläche auf die komplex geformten Bauteile aufge-spritzt und erhält in einem anschließen-den Temperprozess seine endgültigen Eigenschaften [11].

2.2.4 Harzartige Ablagerungen auf den BauteilenRückgeführte Abgasbestandteile und das durch nicht ausreichende Abscheidung eingebrachte Öl aus der geschlossenen Kurbelgehäuseentlüftung können in Ver-bindung mit dem erhöhten Temperatur-niveau am Verdichterein- beziehungswei-se -austritt harzartige, sehr fest haftende Ablagerungen bilden. Diese Ablagerun-gen wären sehr unerwünscht, weil sie die Strömungsquerschnitte verringern oder bewegliche Bauteile in Ihrer Funk-tion hemmen können. Aus dem Bereich der Nanotechnologie gibt es Ansätze durch gezieltes Einbringen von bestimm-ten Elementen geeignete Oberflächen-

strukturen zu schaffen, die eine oleopho-be Wirkung haben, und damit ein An-haften der klebrigen Abgasbestandteile verhindern sollen.

3 Ergebnis und Synthese

Reflektiert man die beschriebenen zusätz-lichen Belastungen an den bisherigen Randbedingungen bei der Auslegung von Turboladern, nämlich einer homogenen einphasigen Zuströmung zum Verdichter, wird die Tragweite der niederdrucksei-tigen Abgasrückführung für den Turbola-der deutlich.

Die theoretisch und experimentell ge-fundenen Lösungsansätze für den abgas-resistenten Verdichter wurden im 300-Stunden-Motortest in verschiedenen Be-triebspunkten dem realen Belastungskol-lektiv unterworfen.

Das Ergebnis bestätigt die in den Grundlagenversuchen erarbeiteten Maß-nahmen. Das Rad weist wenige trockene, nicht fest haftende Ablagerungen auf, die die Funktion des Verdichters nicht beein-trächtigen, Bild 9. Die Rückprüfung des Wuchtzustandes des Läufers und die des Verdichterwirkungsgrades ergaben keine unzulässigen Veränderungen gegenüber den ursprünglichen Werten. Die REM-Analyse des Verdichterrades zeigt gering-fügige Partikelspuren an den Schaufelvor-

derkanten, die Beschichtung an diesen höchstbeanspruchten Stellen ist aber ge-schlossen und damit intakt. Weder am Verdichterrad noch am -gehäuse wurden Korrosionsspuren gefunden.

Durch intensive experimentelle und numerische Arbeiten konnten die rele-vanten Einflussgrößen der niederdruck-seitigen Abgasrückführung für den Tur-bolader eruiert und gezielt Maßnahmen zum Schutz der strömungsführenden Bauteile entwickelt werden, die den Serie-neinsatz der niederdruckseitigen Abgas-rückführung als Beitrag zur weiteren Schadstoffreduktion des Dieselmotors sehr realistisch erscheinen lassen.

Literaturhinweise[1] Müller, V.; Christmann, R.; Münz, S.; Gheorgiu, V.:

„System Structure and Controller Concept for an

Advanced Turbocharger/EGR System for a Tur-

bocharged Passenger Car Diesel Engine.“ In: SAE

2005-01-3888

[2] Tietze, T.; Lautrich, G.; Sommer, A.; Jeckel, D.;

Ferrari, S.; Cancalon, P.J.: „Frischer Wind für den

Pkw-Dieselmotor in Nordamerika: Niederdruck-

Abgasrückführung als ein Baustein zur Bewälti-

gung der Abgasemissionsvorschriften“ In:

11. Aufladetechnische Konferenz 2006, Dresden

[3] Dörr, T.: „Ein Beitrag zur Reduzierung des Stick-

oxidausstosses von Gasturbinen-Brennkammern.“

Dissertation, TU-Darmstadt, 1995

[4] Brune, K.-H.; Stoffel, B.; Matyschok, B.; Münz, S.

CFD-analysis of the flow consisting of two mass

flows with different temperatures and/ or two

phases in a turbocompressor FEDSM2006-98027

[5] Holdeman, J.D. Mixing of Multiple Jets With A

Confined Subsonic Crossflow. Prog. Energy Com-

bust Sci. 1993; Vol 19, pp31-70

[6] Oechsle; V.L.; Mongia, H.C.; Holdeman, J.D.:

“A Parametric Numerical Study of Mixing in a

Cylindrical Duct”. In: AIAA 92-3088, 1992

[7] Junfei Y.; Deschatrettes, N.; Ocean H.; Renaud, P.:

“Compact Long-Route Exhaust Gas Recirculation

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[8] Münz, S.; Römuss, C.; Schmidt, P.; Brune, K-.H.;

Schiffer, H.-P. „Turbolader für Emissionskonzepte

mit niederdruckseitiger Abgasrückführung –

Grundlagenuntersuchungen und Maßnahmen zur

Ertüchtigung des Laders“. In: 12. Aufladetech-

nische Konferenz, 2007, Dresden

[9] Die AHC-Oberfläche – Handbuch für Fertigung und

Konstruktion, 4. Auflage, 1999

[10] Holländer, A.: „Bleifreie Chemisch-Nickel-Verfah-

ren und Ihre Eigenschaften“. In: MO Metallober-

fläche, Ausgabe 01-02, 2004

[11] Wagner, G.: „Nanotechnologie in modernen Be-

schichtungsmaterialien aus lackchemischer Sicht“.

In: Phänomen Farbe, Ausgabe unbekannt

[12] Weber, O; Jörgl, V.; Shutty, J.; Wenzel, W.: “Taming

the Complexity of Future Air Breathing Systems by

Smart Engineering” In: 7. Internationales Stuttgar-

ter Symposium, März 2007

Beschichtung ertragene Zyklenzahl bis zum Auftreten

von definierten Korrosionsspuren

Nickel-Phosphor (stromfrei abgeschieden) 10

Al2O

3 (elektrolytisch abgeschieden) 4

Nanolack (aufgespritzt & getempert) 30

Tabelle 3: Ergebnis Kesternichtest

Bild 9: Gefrästes beschichtetes Verdichterrad nach 300 Stunden Motorlauf mit ND-AGR

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