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16. Tagung „Zahnriemengetriebe“
am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design
der TU Dresden
Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden)
PD Dr.-Ing. Thomas Nagel (TU Dresden)
Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung
1. Motivation
2. Analogiebeziehung FEM – Praktischer Verschleiß
3. Validierung des ps-Wertes
4. Kantenoptimierung
5. Auswertung der optimierten Kantengeometrie
6. Zusammenfassung
16. Tagung „Zahnriemengetriebe“
am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012
J. Schirmer, T. Nagel:
Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)
1. Motivation
In Zeiten zunehmender Ressourcenknappheit steigt einerseits die Nachfrage nach
Konsumgütern, andererseits sind Werkstoffe wie Erze und Erdöl beschränkt. Weltweit sind
daher Naturwissenschaftler und Ingenieure angehalten, nachhaltige Konzepte z. B. in der
Energiebranche, in der Werkstofftechnik und in der Produktentwicklung voranzutreiben. Ein
Schwerpunkt liegt dabei in der Konzeption von Maschinen und Baugruppen mit immer
höheren Lebenszeiten und Leistungsvermögen, bei gleichzeitig reduzierten Belastungen für
Mensch und Umwelt. Parallelen sind dabei auch in der Antriebstechnik sichtbar, so
publizierte das Technologieunternehmen ContiTech bereits im Jahre 2010 im Rahmen des
BlueConcept´s den ersten rußfreien Riemen /1/. Weitere Trends im Bereich der
Riemengetriebe sind:
Übertragung größerer Lastmomente,
Verkleinerung des Bauraumes,
Reduktion der Betriebsgeräusche,
ein gegen Umgebungsbedingungen robuster Riemen,
(temperaturbeständig, medienbeständig),
ein gegen Montageabweichung robuster Riemen,
garantierte Lebensdauer und
Zustandsüberwachung bzw. Parameterüberwachung.
Vor allem Industriezahnriemen werden in ausgewählten Einsatzgebieten schnell an ihre
Belastungsgrenzen gefahren. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von Zahnriemen in der
Hochregaltechnik, wo Achsabstände von 16 m möglich sind. Aufgrund der hier notwendigen
hohen Vorspannkraft, kombiniert mit den unvermeidlich auftretenden Toleranzen im
Riementrieb und der Regalanlage, ist die Möglichkeit vorhanden, dass dieser deutlich vor der
zu erwartenden Laufzeit verschleißen kann. Ein hierfür typisches Verschleißbild ist der
Kantenverschleiß, welcher sich aufgrund nichtfluchtender Achsen einstellt.
Seit 2010 arbeitet das IFTE in enger Kooperation mit der Firma BRECO Antriebstechnik
BREHER GmbH & Co. KG (Breco) an einem derartigen Projektthema. Im Rückblick auf die
Ergebnisse der gemeinsamen Untersuchungen bezüglich des Kontaktes Bordscheibe-Riemen
bei Wellenschiefstand mit Hilfe von 3D-FEM-Simulationen aus dem Jahre 2011 /2/, ist der
oben beschriebene Kantenverschleiß als logische Folgeerscheinung einzuordnen. Gezeigt
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am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012
J. Schirmer, T. Nagel:
Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)
wurde damals, dass sich bereits bei geringem Wellenschiefstand vom An- und Abtrieb die
maximalen Zug- und Druckspannungen im Riemen sehr stark vergrößern.
Aus dem Wunsch heraus, selbst für derart diffizile Anwendungsbereiche den oben genannten
Trends folgen zu können, ergeben sich im aktuellen Projekt folgende wissenschaftlichen Ziele
für das IFTE im Bereich der Zahnriemenforschung:
Beschreibung des Verschleißmechanismus: Kantenverschleiß
Simulation des Einflusses von Montageabweichungen
Analogiebeziehung zwischen FEM-Größen und Verschleiß herstellen
Experimentelle Verschleißanalyse
Optimierung der Seitenkante
Ziele für das Produkt:
1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw.
kleinere Riemendimensionen bei gleichen zu übertragenden Leistungen
2. Ein gegen Montageabweichungen robusterer Riemen
2. Analogiebeziehung: FEM – Praktischer Verschleiß
Aus den typischen Ergebnisgrößen einer finiten Elemente Simulation kann nicht ohne
Weiteres auf den tatsächlichen Verschleiß geschlossen werden. Für die Spezifik eines
Zahnriemengetriebes wurde vom IFTE der Begriff der flächenspezifischen Reibarbeit
eingeführt. Dieser beschreibt die verrichtete Arbeit pro definierte Kontaktfläche auf der
Riemenoberfläche nach Gleichung 1 und ist scheinbar eine gute Vergleichsbasis für das
Verschleißverhalten. Für eine quasistatische (zeitunabhängige) und materialunabhängige
Analyse ergibt sich aus Gleichung 1 der sogenannte ps-Wert, welcher sich nach Gleichung 2
errechnet. Dieser Parameter trifft eine Aussage zur Verschleißwahrscheinlichkeit für jeden
einzelnen Knoten des Zahnriemen-FE-Modells.
W Arbeit
A Kontaktfläche
µ Reibwert (1)
p Kontaktdruck
ds differentieller Weg
p1 Anfangsdruck (2)
p2 Enddruck
s1 Reibort Beginn
s2 Reibort Ende
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3. Validierung des ps-Wertes
Der Gesamt-ps-Wert eines Riemengetriebes wird durch den Autor wie folgt definiert:
Betrachtet wird ein Riemenzahn mit allen dazugehörigen Kontaktknoten. Für eine komplette
Riemenumdrehung werden die einzelnen ps-Wert-Anteile eines jeden Kontaktknotens
aufsummiert. Am Ende sind alle Teilsummen zu addieren, wodurch sich der Gesamt-ps-Wert
ergibt.
Um eine Aussage über die Orte mit hoher Verschleißwahrscheinlichkeit eines Zahnriemens
treffen zu können, kann der Gesamt-ps-Wert in zweierlei Hinsicht grafisch aufbereitet
werden. Einerseits identifiziert man die Zahnbereiche andererseits die Knoten am Zahn mit
den höchsten Verschleißanteilen. Im Folgenden wird ein Riemengetriebe zu Grunde gelegt,
bei dem An- und Abtriebswelle zueinander seitlich versetzt sind. Um die Modellgröße und
damit die Rechenzeit in Grenzen zu halten kommt zunächst ein Zahnriemen mit einer
Riemenbreite von nur 10 mm zum Einsatz (vgl. Bild 1).
Bild 1: Betriebszustand: Seitlicher Versatz mit 10 mm breiten Zahnriemen
Auf Zahnnummer bezogen:
Betrachtet werden lediglich je 17 Zähne am Antrieb und am Abtrieb (Zahnscheibe mit 24
Zähne, 12 davon im Eingriff sowie je 2,5 Zähne davor und dahinter, welche mit der
Bordscheibe interagieren). Zähne im Leer- und Lasttrum werden wegen Irrelevanz
vernachlässigt (stehen nicht im Kontakt mit der Bordscheibe und leisten daher keinen Beitrag
zum ps-Wert).
Sehr eindrucksvoll lassen sich nun diejenigen Bereiche verdeutlichen, welche unter
besonderer Beachtung stehen sollten (vgl. Bild 2). Sowohl die Riemenvorder- als auch die
Riemenhinterkante tragen den größten Teil des Gesamt-ps-Wertes. Hinzu kommt, dass genau
diejenigen Zähne die höchste Verschleißwahrscheinlichkeit innehaben, welche sich im Ein –
bzw. im Auslauf befinden. Da im normalen Betrieb jeder Zahn diese Positionen fortlaufend
einnimmt, sensibilisiert diese Darstellungsform lediglich über die Kernproblemzonen.
Abtrieb: Hinterkante wird beansprucht
Antrieb: Vorderkante wird beansprucht
0 mm
10 mm
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Bild 2: ps-Wert-Verteilung – auf Zahnnummer bezogen
Auf Knoten bezogen:
In einer zweiten Darstellungsform des Gesamt-ps-Wertes werden dessen Anteile auf die
einzelnen im Kontakt stehenden Knoten aufgeteilt. Hierdurch ergibt sich eine Verteilung der
Verschleißwahrscheinlichkeit, welche konkret die Stellen am Riemenzahn benennt, an denen
in der Praxis Verschleißerscheinungen zu erwarten sind. Durchgeführte praktische Versuche
mit den gleichen Betriebsparametern zeigten eine sehr gute Übereinstimmung zwischen dem
Maxima der ps-Wert-Verteilung und dem tatsächlichen aufgetretenen Verschleiß
(vgl. Bild 3). Für die praktischen Tests wurde eine sogenannte Opferschicht auf die
Riemenkante aufgebracht, welche je nach Grad der Belastung abgetragen wurde. Diese sehr
einfache und anschauliche Methode hat lediglich den Nachteil, dass die
Verschleißfortpflanzung (realer, fortschreitender Materialabtrag) nicht differenziert analysiert
werden kann. Jedoch spielt der Materialabtrag bzw. die Verschleißfortpflanzung auch in den
derzeitigen FEM-Analysen zunächst noch keine Rolle.
Bild 3: ps-Wert-Verteilung auf der Vorderkante – auf Knotennummer bezogen
mittlere Verschleißwahrscheinlichkeit
hohe Verschleißwahrscheinlichkeit
Gesamt-ps-Wert-Verteilung - seitlicher Versatz
pro Riemenumlauf - auf Zahnnummer bezogen
Originaler Zahnriemen
ps-
We
rt [
µJ/
mm
2 ]
Rie
me
nb
reit
e [
mm
]
Zahnnummer
Antrieb
1
17 18
34
Abtrieb
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4. Kantenoptimierung
Mit dieser erarbeiteten Analogiebeziehung zwischen dem aufgetretenen Verschleiß und den
Ergebnisgrößen einer FEM-Rechnung ist die Grundlage für eine Optimierung für denkbare
Betriebsfälle von Zahnriemengetrieben geschaffen.
Mit dem Wissen um verschleißgefährdete Zahnbereiche kann nun nach einer verbesserten
Geometrie gesucht werden. Dies erfolgt mittels Optimierungsrechnungen, die eine direkte
Ableitung einer Designverbesserung aus den Berechnungsergebnissen einer FEM-Simulation
erlauben. Eine hierdurch abgeleitete erste Designverbesserung gilt es automatisch auf ihre
Güte zu bewerten. Ziel ist es, mit Hilfe möglichst weniger Iterationen eine Geometrie
abzuleiten, deren Güte sich bis an die Grenzen einer zuvor definierten Abbruchbedingung
dem Optimum annähert. Bei den konkreten Arbeiten am Zahnriemen wurde ein heuristisches
Optimierungsverfahren gewählt, die sogenannte Formoptimierung.
Dabei steht die Variation der Oberfläche eines Bauteils mit dem Ziel im Vordergrund,
Oberflächenspannungen zu homogenisieren. Je nach Abhängigkeit der auftretenden
mechanischen Spannungen am betroffenen Kontaktknoten findet dabei ein adaptives
Wachsen bzw. ein adaptives Schrumpfen der Form statt. Vorreiter auf dem Gebiet der
homogenen Oberflächenspannungen war Prof. Matthek /3/. Mit seiner Methode der
Zugdreiecke verstand er es, durch einfachste geometrische Abhandlungen Spannungsspitzen,
insbesondere an Kerben zu reduzieren. Seine Grundlagenarbeiten flossen maßgeblich in die
Entwicklung der Softwaretools CAO (Computer Aided Optimization) und SKO (Soft Kill
Option) ein, welche heute in jedem größeren Konstruktionsbüro Stand der Technik sind.
Als Gütekriterium zur Optimierung des Gesamt-ps-Wertes eines Zahnriemens bietet sich der
Kontaktdruck an. Hier versagen kommerziell erhältliche CAO-Tools, da diese nicht ohne
Weiteres den Kontaktdruck optimieren können. Daher musste der Autor ein eigenes
Optimierungstool entwickeln. Mit Hilfe eines einfachen Beispiels: zentrale Belastung eines
Radiergummis soll hier die prinzipielle Herangehensweise veranschaulicht werden.
Bild 4: Ausgangssituation des Anschauungsbeispiels
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Ein Radiergummi wird mittig belastet, sodass sich im Kontaktbereich zwischen Unterlage
(z. B. ein Tisch) und Radiergummi eine Druckverteilung gemäß Bild 4 rechts einstellt. Ziel
der bevorstehenden Optimierung sei es, eine homogene Verteilung des Kontaktdruckes auf
der gesamten Kontaktfläche zu erreichen.
Bild 5: Ergebnisse der Formoptimierung am Anschauungsbeispiel: zentrale Belastung eines Radiergummis
Aus den Ergebnissen des selbst entwickelten Optimierungstools ist ableitbar, dass sich durch
relativ kleine Formänderungen der Kontaktfläche des Radiergummis das Maximum des
Kontaktdruckes um rund 90 % reduzieren lässt (vgl. Bild 5). Damit wurde ein Werkzeug
geschaffen, welches für beliebige Kontaktdruck-Probleme einsetzbar ist. Folglich ist nun auch
das Problem der Optimierung einer Interaktion von Bordscheibe zu Riemen eines
Zahnriemengetriebes z. B. bei Wellenschiefstand lösbar.
Optimierungstool:
Im Bild 6 ist die prinzipielle Herangehensweise des am IFTE entwickelten Optimierungstools
skizziert. Modular werden die Funktionsblöcke: Input/CAD-FEM, Optimierung, Solver,
Postprocess und Output abgearbeitet. Nachfolgend werden die prinzipiellen Inhalte der
Funktionsblöcke kurz vorgestellt.
Bild 6: Prinzip des Optimierungsalgorithmus
Neue Form der Unterfläche:
Entwicklung der Druckverteilung:
Vorher Nachher
niedrig
hoch
Input/ CAD-FEM
Optimierung
Postprocess
Output
Solver
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Input/ CAD-FEM:
Zu Beginn ist der reale Betriebsfall für Zahnriemengetriebe zu abstrahieren und schließlich in
ein CAD – Modell zu überführen. Im Anschluss erfolgt die Vernetzung, die Einbringung von
zuvor definierten Kräften und Lastmomenten, ehe sich die eigentliche FEM-Simulation
anschließt /4/. Im Anschluss erfolgt eine Verschleißanalyse, wobei der exakte Ort, und die
Lage des Riemens zur Borscheibe für den maximalen ps-Wert im Getriebe bestimmt werden.
Ein Vorschlag zur erfolgreichen Herangehensweise wurde auf der 15. Zahnriementagung
vorgestellt /2/.
Optimierung:
In einem nächsten Schritt sind diejenigen Oberflächenknoten zu definieren, welche in ihrer
Lage manipuliert werden können. Für diese sogenannten Designknoten wird der jeweilig
aktuelle Kontaktdruck ausgelesen. Aus diesem Wert und der aktuellen Knotenposition im
Geometrieverbund werden dann sowohl die Verschiebungsrichtung, als auch der
Verschiebungsbetrag errechnet. Beide Werte sind abschließend in die Database einzutragen.
Solver:
Die aktualisierte Verschiebungsmatrix wird dem Solver übergeben, welcher eine erste
Iterationsrechnung durchführt. Durch Auflösung der FEM - Gleichungssysteme können nun
wie gewohnt Kräfte, Spannungen und Drücke abgeleitet werden. Abschließend wird eine
Ergebnisdatei erstellt, welche wiederum dem Funktionsblock Optimierung zugeführt wird.
Diese Iterationsschleife wiederholt sich solange, bis eine zuvor definierte Abbruchbedingung
erfüllt wird.
Postprocess:
Durch Auslesen der generierten Ergebnisdateien besteht wie gewohnt die Möglichkeit, den
Optimierungsvorgang zu visualisieren. Aussagen zu maximalen Knotenverschiebungen sind
nun genau so leicht zu treffen, wie die Beurteilung der resultierenden Kontaktdruckverteilung
im jeweiligen Betriebsfall.
Output:
Für abschließende Analysen können am Ende sowohl der Optimierungsverlauf (Verlauf der
Optimierungsgüte) als auch die sich resultierende Endgeometrie ausgegeben werden.
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Anwendung der Formoptimierung auf ein Zahnriemengetriebe:
Durch Anwendung der Formoptimierung sind nun sämtliche theoretische Überlegungen auf
deren Praxisrelevanz des bisher betrachteten Betriebsfalls zu prüfen. Hierzu wird in einem
ersten Schritt der Ort und die Lage des Riemens für die Optimierung festgelegt,
Optimierungsparameter kalibriert, die Kontaktdruckoptimierung am Simulationsmodell
vollzogen und schließlich eine optimierte Geometrie abgeleitet. Als Ergebnis lässt sich
festhalten, dass sich eine verschleißoptimierte Seitenkante phänomenologisch stark von der
Originalkante unterscheidet, jeweils abhängig von den angenommen Betriebsparametern und
den eingetragenen Montageabweichungen (vgl. Bild 7). Das neue Design galt es praktisch
umzusetzen, in Betrieb zu nehmen, zu vermessen und auszuwerten.
Bild 7: Formoptimierung der Zahnriemenseitenkante (Prinzipdarstellung)
5. Auswertung der optimierten Kantengeometrie
Auch wenn an dieser Stelle keine detaillierten Aussagen über das Ergebnis der
Seitenkantengeometrie erfolgen darf, sollen in diesem Kapitel dennoch die Auswirkungen
bezüglich der Laufruhe, der Entwicklung des ps-Wertes und der praktischen Relevanz im
Mittelpunkt stehen.
Die Laufruhe:
Herkömmliche Zahnriemen neigen bei seitlichem Versatz dazu, auf die angrenzende
Bordscheibe mehr oder minder stark hochzulaufen. Dieser pulsierende Vorgang wiederholt
sich einmal pro Riementeilung. Nachteilig ist die damit verbundene Belastungsverlagerung
weg von der Lauffläche und hin zur Seitenkante, was zu mechanischen
Spannungsüberhöhungen am Zahnkopfrand führt. Riemen mit der formoptimierten
Kantengeometrie:
Original Kantenoptimiert
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Seitenkante laufen hingegen nicht mehr teilungsabhängig hoch. Somit bleibt die Lauffläche
über den gesamten Einzahnprozess des Riemens gleichbleibend tragend. Nicht nur, dass somit
mechanische Spannungsüberhöhungen an der Riemenkante minimiert werden, es verkleinert
sich zudem auch der Schwingungseintrag durch den Einzahnprozess, wodurch eine höhere
Laufruhe erreicht wird (vgl. Bild 8).
Bild 8: Vergleich des kontaktbedingten Hochlaufens zwischen einem Riemen mit originaler und
kantenoptimierter Seitenkante
Der ps-Wert:
Ein Riemen mit optimierten Seitenkanten erzeugt einen Gesamt-ps-Wert, der ca. 72 Prozent
kleiner ist, als bei einem Riemen mit herkömmlichen geraden Seitenkanten (vgl. Bild 9).
Diese Größe schwankt je nach gewähltem Betriebszustand (Art der Montageabweichung),
Vorgabe des maximalen Fehlerwinkels für An- und Abtrieb und verwendeten
Betriebsparametern (eingreifende Zähnezahl, Lastmoment, Vorspannkraft), bleibt jedoch in
dieser beachtlichen Größenordnung. Damit weist die theoretisch ermittelte Verbesserung des
Gesamt-ps-Wertes auf eine signifikante Verkleinerung des zu erwartenden praktischen
Kantenverschleißes hin.
Diesem Argument folgend wurden erste Riemen mit modifizierter Seitenkante hergestellt,
welche in nun laufenden Verschleißversuchen auf ihre Praxisrelevanz geprüft werden.
Original-Zahnriemen:
Kantenoptimierter Zahnriemen:
t=t0+1/3 Zahn
t=t0
t=t0+2/3 Zahn
t=t0+1/3 Zahn
t=t0
t=t0+2/3 Zahn
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Bild 9: Vergleich des ps-Wertes zwischen originaler und kantenoptimierter Seitenkante
Praktische Relevanz:
Zurzeit liegen lediglich einzelne praktische Testreihen vor, welche keinerlei statistische
Sicherheiten aufweisen. Jedoch zeigen diese Ergebnisse bereits einen beachtlichen Trend. In
Tabelle 1 sind die Ergebnisse der durchgeführten praktischen Verschleißuntersuchungen
übersichtlich aufbereitet.
Tendenziell verschleißt demnach ein seitenkantenoptimierter Riemen im Mittel nur halb so
stark, wie die derzeitigen Referenz-Zahnriemen.
Tabelle 1: Ergebnisse der durchgeführten Verschleißuntersuchungen
Original (Referenz) Kantenoptimiert Vergleich zum
Original in % Abrieb in mm
2 mm
2
nach einem Tag 0,85 0,08 ↓ 90
nach zwei Tagen 1,57 0,95 ↓ 40
nach drei Tagen 1,81 0,84 ↓ 53
Gesamt-ps-Wert-Verteilung - seitlicher Versatz
pro Riemenumlauf - auf Zahnnummer bezogen
Original-Zahnriemen Kantenoptimierter Zahnriemen
ps-
Wer
t [m
J/m
m2]
900
0
900
0
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6. Zusammenfassung
Selbst bei kleinen Montageabweichungen finden moderate Erhöhungen von Zug- und
Druckspannungen in bestimmten Bereichen des Zahnriemengetriebes statt. Aus diesem Grund
können Zahnriemen in ausgewählten Einsatzgebieten (mit den dort relativ häufig auftretenden
Montageabweichungen, z. B. Hochregallager) verhältnismäßig früh verschleißen. Die am
IFTE erfolgreich durchgeführten FEM-Simulationen von möglichen Betriebsfällen (so auch
dem des seitlichen Versatzes) beschreiben die Ursachen und die Auswirkungen für möglichen
Verschleiß. Hierfür konnte mit der Herleitung des sogenannten ps-Wertes eine
Analogiebeziehung zwischen den typischen FEM-Größen und dem Begriff Verschleiß
aufgestellt werden. Der ps-Wert hebt die Orte am Zahnriemen hervor, welche einer erhöhten
Verschleißwahrscheinlichkeit unterliegen, was sich auch in den praktisch durchgeführten
Versuchen bestätigte. Eine sich anschließende Formoptimierung der Riemenkante soll den
Kantenverschleiß signifikant verkleinern. Hierzu wurde ein Algorithmus entwickelt, welcher
das Gütekriterium eines gleichmäßigen Druckes im Kontaktbereich von Riemen zur
Bordscheibe anstrebt. Damit wurde nicht nur für die Spezifik von Montageabweichungen die
Voraussetzung einer Formoptimierung geschaffen, sondern diese Optimierung lässt sich auch
auf viele weitere Betriebsfälle mit nicht konstanten Druckbelastungen anwenden.
Der durch Formoptimierung aufgefundene Designvorschlag einer neuen Seitenkante,
reduziert den ps-Wert im aktuellen Beispielgetriebe um 72 Prozent. Diesem Konzept folgend
konnten erste Riemen mit modifizierten Seitenkanten hergestellt werden. Im Versuchstand
stellte man ein Rückgang des experimentell ermittelten Verschleißes um mindestens 50
Prozent fest. Aufgrund der geringen Prüfanzahl ist dieser Wert zwar derzeit lediglich als
Tendenz zu verstehen, lässt aber große Hoffnungen für den praktischen Einsatz zu.
16. Tagung „Zahnriemengetriebe“
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J. Schirmer, T. Nagel:
Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)
Literatur
/1/ Dirk Bartsch-Kuszewski: Effizienz und Nachhaltigkeit in der modernen
Riemenentwicklung: Rußfreie Riemen aus natürlichen Rohstoffen; 14. Internationale
Fachtagung Zahnriemengetriebe, TU-Dresden, 2010 (ISBN 978-3-00-031707-1)
/2/ Jens Schirmer: 3D-FEM-Simulation des Kontaktes Bordscheibe Riemen bei
Wellenschiefstand; 15. Internationale Fachtagung Zahnriemengetriebe, TU-Dresden,
2011 (ISBN 978-3-00-034753-5)
/3/ Claus Matthek: Design in Nature – learning from trees; Springer-Verlag Berlin
Heidelberg New York, 1998 (ISBN 3-540-62937-8)
/4/ Sebastian Fraulob: Ergebnisse einer FEM-Analyse eines PKW-Nockenwellen-
Steuertriebes; 13. Internationale Fachtagung Zahnriemengetriebe, TU-Dresden, 2008