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erwachsenenbildung.atDossier
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta, Karl BäckFebruar 2019
Barrierefreie Erwachsenenbildung
AutorInnen:Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta, Karl Bäck
Februar 2019
Online verfügbar unter:
https://erwachsenenbildung.at/themen/barrierefreie-erwachsenenbildung
Zitierhinweis:Text: CC BY Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta, Karl Bäck (2019)
erwachsenenbildung.atDossier
Barrierefreie Erwachsenenbildung
01Barrierefreiheit ist „mehr wert“
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
01
02Die Geschichte der inklusiven Bildung
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
07
03Praxis: barrierefreie Bildungs- und Beratungsangebote
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta, Karl Bäck
13
04MitarbeiterInnen schulen
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
32
05Barrierefreie Öffentlichkeitsarbeit: Präsentation nach außen
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
35
06Umsetzung der barrierefreien Erwachsenenbildung im deutschsprachigen Raum
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
40
07Informationsmaterial, Quellen und Kontakte
Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
45
Inhaltsverzeichnis
https://erwachsenenbildung.at/themen/barrierefreie-erwachsenenbildung
01
Personen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen benötigen häufig
Hilfestellungen und Informationen, um Zugang zu (Erwachsenen-)Bildung
zu bekommen bzw. daran teilnehmen zu können. Das Dossier zur barrie-
refreien Erwachsenenbildung stellt Beispiele vor, wie Barrierefreiheit in
der Praxis umgesetzt werden kann – vom Bildungsangebot über die Wei-
terbildung von MitarbeiterInnen bis zur Präsentation nach außen. Außer-
dem bietet es einen Überblick über gesetzliche Grundlagen und die
Geschichte der inklusiven Bildung.
In der gesamtgesellschaftlichen Diskussion wird die
Umsetzung der Barrierefreiheit häufig nur unter
dem Aspekt der Kosten bzw. unter dem Aspekt
der großen und mühseligen Herausforderung für
all jene, die sie umsetzen müssen, diskutiert. Dass
sich hinter der Forderung nach Barrierefreiheit der
Versuch verbirgt, für mehr Gleichberechtigung
unter den Menschen zu sorgen, wird dabei häufig
vergessen.
Im Ursprung dient die Forderung nach Barriere-
freiheit der Herstellung von Chancengleichheit
zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen.
Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung,
sollen durch die Realisierung der Barrierefreiheit
ausgeglichen werden. Die Forderung nach Barri-
erefreiheit ist damit zugleich die Forderung nach
Antidiskriminierung. Es geht also um die Umsetzung
von europäischen Grundwerten. Darüber hinaus
bietet die Umsetzung der Barrierefreiheit auch
für jene, die sie umsetzen (müssen), viele Vorteile.
Auch das wird in der gesamtgesellschaftlichen
Diskussion häufig übersehen. Als Einstieg in ein
großes und häufig zu wenig bekanntes Thema wer-
den daher in diesem Abschnitt folgende Themen
behandelt:
Gesetzliche Grundlagen einer Zugänglichkeit für alle
Die gesetzlichen Grundlagen einer Zugänglichkeit
für alle und damit für die Umsetzung der barri-
erefreien Erwachsenenbildung sind mittlerweile
vielfältig. Allen voran ist hier die Österreichische
Verfassung zu nennen. Diese beinhaltet im Artikel
7.1 ein Diskriminierungsverbot: „Alle Staatsbürger
sind vor dem Gesetz gleich. (...) Niemand darf wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Daneben
gibt es noch weitere gesetzliche Regelungen. Der
nachfolgende Abschnitt behandelt deshalb wesent-
liche Begrifflichkeiten und Dokumente dazu:
• Gleichbehandlung vs. Gleichstellung: das Bild
vom Elefanten, der Schlage, dem Affen und der
Giraffe
• Das Bundes-Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz
(BGStG): der Unterschied zwischen unmittelbarer
und mittelbarer Diskriminierung
• Das Erwachsenenbildungs-Gesetz: die Förderungs-
verpflichtung des Bundes
• Das bio-psycho-soziale Modell von Behinderung
und dessen Konsequenzen für die Wahrnehmung
der gesellschaftlichen Verantwortung
Barrierefreiheit ist „mehr wert“Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
02
• Umfassende Teilhabe als Menschenrecht: die
Forderungen der UN-Konvention über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen
Gleichbehandlung vs. Gleichstellung: das Bild vom Elefanten, der Schlange, dem Affen und der Giraffe
Im Zusammenhang mit den Rechten behinder-
ter Menschen müssen zwei Begriffe sorgsam
voneinander getrennt werden: Gleichbehandlung
und Gleichstellung. Während Gleichbehandlung
die wirklich gleiche Behandlung aller Menschen
meint – dadurch können beispielsweise für behin-
derte Menschen erst wieder Nachteile entstehen
– meint Gleichstellung eine Berücksichtigung der
unterschiedlichen Voraussetzungen und Möglich-
keiten von Menschen. Ein relativ bekanntes Bild
für diesen Unterschied ist der Cartoon, in dem
einem Elefanten, einer Schlange, einem Affen und
einer Giraffe die Aufgabe gestellt wird, auf einen
Baum zu klettern. Das entspricht einer Gleichbe-
handlung, denn alle bekommen dieselbe Aufgabe
gestellt, unabhängig von ihren individuellen Vo-
raussetzungen. Wie in diesem Bild deutlich wird,
können natürlich nicht alle diese Aufgabe gleich
gut bewältigen. Gleichstellung meint, es müssen
Hilfestellungen und Unterstützungsmaßnahmen
angeboten werden, um etwaige Benachteiligungen
so weit als möglich auszugleichen. Als Beispiel wä-
ren etwa individuell angepasste Dienstleistungen
denkbar. Sie könnten einen Grad an Lebensqualität
für behinderte Menschen anvisieren, wie er für
nichtbehinderte Menschen selbstverständlich ist.
(Vgl. Biewer 2017)
Das Bundes-Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz (BGStG): der Unterschied zwischen unmittel-barer und mittelbarer Diskriminierung
Verschiedene europäische Länder haben in den
letzten Jahren Gleichstellungsgesetze beschlossen.
In Österreich trat mit 1.1.2006 das Bundesbehinder-
ten-Gleichstellungs-Gesetz (BGStG) in Kraft. Dieses
enthält ein Diskriminierungsverbot, die Herstellung
der Barrierefreiheit in öffentlichen Räumen ist das
Ziel des Gesetzes. Es beinhaltet Beschwerdemöglich-
keiten gegen Barrieren, aber keinen Rechtsanspruch
auf Barrierefreiheit. Aus diesem Grund wurde von
Interessensverbänden das Fehlen wichtiger Inhalte
von Anfang an kritisiert. (Vgl. Biewer 2017)
Einige wesentliche Aspekte dieses Gesetzes sollen
in diesem Anschnitt kurz erklärt werden. Es ist
nicht möglich, das Gesetz in all seinen Details zu
erörtern, die Auswahl beschränkt sich auf jene Be-
reiche, die für die Realisierung einer barrierefreien
Erwachsenenbildung von Bedeutung sind. Zunächst:
die Definition von Barrierefreiheit sowie der Un-
terschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer
Diskriminierung.
Die Definition von Barrierfereiheit im BGStG
Das Bundes-Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz
definiert Barrierefreiheit wie folgt: „Barrierefrei
sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmit-
tel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der
Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete
Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behin-
derungen in der allgemein üblichen Weise, ohne
besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne
fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind“ (BGStG,
§ 6, Abs. 5).
Diese Definition macht deutlich, dass der Begriff
Barrierefreiheit weitaus mehr Bereiche mitein-
schließt als ausschließlich den baulichen Bereich.
Verkürzt gesagt, sind all jene Lebensbereiche, die
vom Menschen geschaffen wurden (in Abgrenzung
zur Natur), von der Forderung nach der Umset-
zung der Barrierefreiheit betroffen. Außerdem ist
ein wichtiger Aspekt dieser Definition der, dass
es um die selbstständige Nutzung ohne fremde
Hilfe geht. Dieser Aspekt wird in der Praxis häufig
übersehen, wenn zum Beispiel gesagt wird, „wenn
eine behinderte Person zu uns kommt, dann helfen
wir ihr ganz einfach“. Diese Aussage ist aus einer
zwischenmenschlichen Perspektive betrachtet
nachvollziehbar, dennoch ist zu beachten, dass
die rechtlichen Bestimmungen darüber hinaus
gehen.
Die unmittelbare Diskriminierung
Eine unmittelbare Diskriminierung liegt nach dem
BGStG dann vor, wenn „eine Person auf Grund
einer Behinderung in einer vergleichbaren Situ-
ation eine weniger günstige Behandlung erfährt,
als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder
03
erfahren würde“, wenn also eine behinderte Person
bewusst und absichtlich schlechter behandelt wird
als eine nicht behinderte Person. Eine unmittelbare
Diskriminierung ist immer verboten, es gibt hier
keine sachliche Rechtfertigung dafür. Unmittelbare
Diskriminierungen kommen aber nicht sehr häufig
vor. Die meisten Diskriminierungen passieren aus
Unachtsamkeit bzw. Unwissenheit und sind damit
Gegenstand mittelbarer Diskriminierungen. Das
kann der Übersicht über die erfolgten Schlichtun-
gen auf der Seite der Behindertenanwaltschaft
Österreich entnommen werden.
Die mittelbare Diskriminierung
Eine mittelbare Diskriminierung liegt dann vor,
wenn „dem Anschein nach neutrale Vorschriften,
Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalte-
ter Lebensbereiche, Menschen mit Behinderungen
gegenüber anderen Personen in besonderer Weise
benachteiligen können“. Es geht hierbei also um
Regelungen, die grundsätzlich alle Menschen be-
treffen, es wird also nicht vorsätzlich eine behin-
derte Person schlechter gestellt, diese wird aber
de facto dennoch benachteiligt. Diese Definition
ist deswegen sehr wichtig, weil sie erklärt, warum
Barrieren Merkmale mittelbarer Diskriminierungen
sein können. Eine Stufe (=Merkmal eines gestalteten
Lebensbereichs), zum Beispiel, ist für alle Menschen
da, sie wurde nicht mit dem Ziel gebaut, um einen
Menschen im Rollstuhl zu benachteiligen. Aber
de facto tut sie das. Ein Film ohne Untertitel be-
handelt ebenfalls vermeintlich alle ZuseherInnen
gleich, denn niemand sieht Untertitel. Für hörbeein-
trächtigte und/oder gehörlose Menschen entsteht
dennoch eine besondere Benachteiligung. Um nicht
mittelbar zu diskriminieren, müssen daher gemäß
dieses Gesetzes Barrieren abgebaut werden.
Eine Einschränkung muss hinzugefügt werden: eine
mittelbare Diskriminierung ist zulässig, wenn „die
betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren
sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche durch
ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt [sind,
Anmerkung EMS] und die Mittel sind zur Erreichung
dieses Zieles angemessen und erforderlich“. Ein Bei-
spiel dafür wären Brandschutztüren. Diese lassen
sich häufig schwer öffnen, weil sie in einem Brand-
fall gut abschließen müssen. Neben dieser ersten
Einschränkung ist noch eine weitere Einschränkung
von Bedeutung: eine mittelbare Diskriminierung
ist auch keine Diskriminierung, „wenn die Beseiti-
gung von Bedingungen, die eine Benachteiligung
begründen, insbesondere von Barrieren, rechtswid-
rig oder wegen unverhältnismäßiger Belastungen
unzumutbar wäre“. Diese Unzumutbarkeit meint
zum Beispiel unverhältnismäßig hohe Kosten für die
Beseitigung der Barriere. Dieser Hinweis ist insofern
wichtig, um damit das Vorurteil zu entkräften, dass
jemand wegen der Umsetzung der Barrierefreiheit
in Konkurs gehen müsse. Das ist schlichtweg falsch.
Das Gesetz berücksichtigt von Anfang an, dass nicht
jede Barriere – ungeachtet der entstehenden Kosten
für die Beseitigung – beseitigt werden kann. Es muss
immer im Einzelfall geprüft werden, was möglich ist.
Die Rechtsfolgen
Wenn sich eine behinderte Person diskriminiert
fühlt, wird zunächst ein Schlichtungsverfahren
beim Sozialminsterium-Service (SMS) eingelei-
tet. In diesem wird mit Mediation versucht, eine
gütliche Lösung für beide Parteien zu finden. Nur
wenn im Zuge des Schlichtungsverfahrens keine
Lösung gefunden wird, kann eine Klage vor Gericht
eingebracht werden. Im Falle einer Klage wegen
Barrieren als Gegenstand mittelbarer Diskriminie-
rung gibt es in Österreich keinen Rechtsanspruch
auf die Beseitigung der Barriere. Wenn der Klage
stattgegeben wird, dann bekommt die behinderte
Person Schadenersatz zugesprochen.
Jene Bereiche, die nicht über das BGStG geregelt
werden, werden von landesspezifischen Antidiskri-
minierungs-Gesetzen geregelt.
Das Erwachsenenbildungsgesetz: die Förderungsverpflichtung des Bundes
Schon nach 1945 wurden zahlreiche Versuche un-
ternommen, den Zustand der Gesetzlosigkeit für die
Erwachsenenbildung zu beenden. Mehr als 10 Ge-
setzesentwürfe wurden vorgelegt, aber erst ab 1970
rückte diese Diskussion wieder mehr den Mittelpunkt.
1973 konnte das Erwachsenenbildungsfördergesetz
verabschiedet werden. Damit wurde die Erwachse-
nenbildung in Österreich aus dem gesetzesfreien
Raum, in dem sie sich bis 1973 befand (der Begriff
Erwachsenenbildung war der österreichischen
Rechtsordnung bis dato nicht bekannt), gehoben.
04
Dieses Gesetz brachte erstmals eine Förderungs-
verpflichtung des Bundes. Als Mangel kann dem
Gesetz angelastet werden, dass weder die Bindung
der Förderung an eine bestimmte Subventionshöhe
noch die Kompetenzen im Bereich der Erwachse-
nenbildung klar geregelt sind. Die Hauptbelas-
tung der Erwachsenenbildungsausgaben liegt
bei den Gemeinden. Die Bundesausgaben stellen
das Schlusslicht dar. Die KEBÖ (Konferenz der Er-
wachsenenbildung Österreichs) fordert neben der
verfassungsmäßigen Verankerung der Freiheit der
Erwachsenenbildung auch die Verankerung einer
angemessenen Förderungsverpflichtung von Bund,
Ländern und Gemeinden.
Erwachsenenbildung und Inklusion
Es gibt keine gesetzliche Verankerung des aus-
drücklichen Rechtes behinderter Menschen
auf Erwachsenenbildung. Das bis heute einzige
Erwachsenenbildungsförderungsgesetz ist aller-
dings so gefasst, dass Angebote für Menschen mit
Behinderungen und integrative Angebote nicht
auszuschließen sind.
Das bio-psycho-soziale Modell von Behinderung und dessen Konsequenzen für die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung
Im Zusammenhang mit körperlicher Behinderung
gab es in der amerikanischen Sonderpädagogik be-
reits in den 1960er Jahren den Versuch, somatische,
personale und soziale Aspekte von Behinderung glei-
chermaßen zu betonen. Eine sonderpädagogische
Publikation von Stevens unterschied bereits 1962
zwischen „impairment“, „disability“ und „handicap“.
Die Unterscheidung dieser drei Dimensionen wurde
von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihre
Klassifikation von Behinderung aufgenommen und
als „bio-psycho-soziales Modell von Behinderung“
bezeichnet.
Ein Beispiel soll diese Dreiteilung von Schädigung,
Beeinträchtigung und Benachteiligung verständlich
machen: eine schwangere Frau erkrankt an Röteln.
Dadurch werden die sich bildenden Gehörnerven
des Kindes geschädigt (impairment). Als Folge kann
es später nicht hören (disability). An der lautsprach-
lichen Kommunikation seiner Umgebung kann es
nur wenig teilnehmen und ist damit von vielen
Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen
(handicap). Impairment und Disability können von
der Umwelt nicht oder nur bedingt behoben oder
ausgeglichen werden, handicaps aber durchaus. Im
Sinne der Gleichstellung meint nun die Forderung
nach Barrierefreiheit, die jeweiligen handicaps der
Betroffenen so weit als möglich zu reduzieren. (Vgl.
Biewer 2017)
Warum ist diese Unterscheidung so wichtig? Diese
Unterscheidung ist deshalb so wesentlich, weil es
im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der ge-
sellschaftlichen Verantwortung einen großen Unter-
schied macht, ob eine Behinderung ausschließlich
als „körperliche Schädigung“ definiert wird, oder
ob auch der soziale und psychische Aspekt mitein-
bezogen wird. Das früher dominante, medizinisch
begründete Defizitmodell von Behinderung, sah die
Behinderung ausschließlich in der körperlichen oder
geistigen Einschränkung begründet. Mit dem bio-
psycho-sozialen Modell von Behinderung ist man
dazu übergegangen, die körperliche Behinderung
als den somatischen Grund für die Behinderung zu
sehen, nicht weniger wichtig ist aber der Umgang
der Umwelt mit der Behinderung. Nicht alleine
die körperliche (oder geistige) Beeinträchtigung
macht die Behinderung aus, sondern es geht auch
darum, wie die Umwelt diese Beeinträchtigungen
abfedert – oder eben nicht. Der Slogan aus der
Behindertenbewegung, „Ich bin nicht behindert,
ich werde behindert“ umschreibt diese Situation.
Um bei dem oben genannten Beispiel zu bleiben:
wenn es – wie in der Inklusionsbewegung lang-
fristig angestrebt – an österreichischen Schulen
eine Selbstverständlichkeit wäre, dass es auch
LehrerInnen gibt, die die Gebärdensprache be-
herrschen, so könnte das Handicap dieses Kindes
gut ausgeglichen werden. Wenn es darüber hinaus
ebenfalls eine Selbstverständlichkeit wäre, dass
alle Kinder in der Schule als Zweitsprache die ös-
terreichische Gebärdensprache lernen, dann wäre
langfristig gesehen, kein gehörloses Kind mehr aus
dem schulischen Geschehen – und in weiterer Folge
aus dem gesellschaftlichen Leben – ausgeschlos-
sen. Es wäre auch eine große Erleichterung für
gehörlose Personen, wenn auf Ämtern, Behörden
und in Bildungseinrichtungen zumindest einzelne
Ansprechpersonen der Gebärdensprache mächtig
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wären. Im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben wäre es auch eine
denkbare Variante, dass gehörlose Personen bei
allen Terminen – und nicht nur bei Arztbesuchen
oder Vorstellungsgesprächen – Gebärdensprachdol-
metscherInnen gestellt bekommen. Diese Beispiele
sollen nur einen ersten Eindruck vermitteln. Die
Möglichkeiten der Umsetzung von Barrierefreiheit
sind vielfältig und müssen auch für verschiedene
andere Behinderungsformen bedacht werden.
Umfassende Teilhabe als Menschenrecht: die Forderungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Das jüngste Dokument, das im Zusammenhang mit
der Teilhabe am öffentlichen und gesellschaftlichen
Leben für Menschen mit Behinderungen hervor-
gebracht wurde, ist die UN-Konvention über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie
betont verschiedene Lebensbereiche, das Thema
Bildung nimmt dabei einen zentralen Stellenwert
ein. Generell wird die Teilhabe am gesellschaftlichen
und öffentlichen Leben in der UN-Konvention von
der Menschenwürde abgeleitet, Fragen der Teilhabe
behinderter Menschen am gesellschaftlichen Le-
ben werden zunehmend mit den Menschenrechten
argumentiert.
Am 13. Dezember 2006 wurde der Generalversamm-
lung der Vereinten Nationen die Convention on
Rights of Persons with Disabilities vorgelegt und
beschlossen. Das umfangreiche Dokument umfasst
insgesamt 50 Artikel. Mit der Unterzeichnung des
Fakultativprotokolls unterwerfen sich die Vertrags-
staaten internationalen Kontrollmechanismen, die
die Umsetzung der Konvention überprüfen. Ös-
terreich hat die Konvention über die Rechte von
behinderten Menschen und das Fakultativprotokoll
2007 unterschrieben, am 26. Oktober 2008 ist sie
in Kraft getreten. Durch die Ratifizierung hat sich
Österreich verpflichtet, die Forderungen der Kon-
vention in nationalstaatliche Gesetze einfließen zu
lassen. (Vgl. Biewer 2017)
Der Zugang zu Bildung ist in der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
umfassend geregelt. Einige Auszüge aus dem Artikel
24 der Konvention sollen das verdeutlichen (Vgl.
Biewer 2017):
• Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um
dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der
Grundlage der Chancengleichheit zu verwirk-
lichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein
inklusives Bildungsssytem auf allen Ebenen
• Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die
Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Be-
hinderungen gleichberechtigt mit anderen in der
Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem
inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen
Unterricht an Grundschulen und weiterführen-
den Schulen haben
• Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit
Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten
und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre
volle Teilhabe gleichberechtigt mit anderen an
der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft
zu erleichtern. Zu diesem Zweck erleichtern sie
das Erlernen von Brailleschrift, alternativer
Schrift, ergänzenden und alternativen Formen,
Mitteln und Formaten der Kommunikation
• Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizu-
tragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete
Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften,
einschließlich solcher mit Behinderungen, die in
Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet
sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen
Ebenen des Bildungswesens
• Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen
mit Behinderungen ohne Diskriminierung und
gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemei-
ner tertiärer Bildung, Berufsausbildung, Erwach-
senenbildung und lebenslangem Lernen haben
Werden diese Forderungen ernst genommen, so ist
das ein hoher Anspruch an alle Bildungseinrichtun-
gen in Österreich. Es wird deutlich, dass es bei der
Realisierung eines inklusiven Bildungssystems um
einen radikalen Totalumbau der Bildungslandschaft
gehen würde. Von der Realisierung dieser umfassen-
den Forderungen sind wir aus heutiger Sicht noch
weit entfernt.
Nutzen barrierefreier Bildungsangebote
In Zeiten, in denen auch von Bildungseinrichtungen
zunehmend Effizienz und ökonomische Sparsamkeit
06
eingefordert werden, ist es häufig nicht so einfach,
Maßnahmen zur Erhöhung der Barrierefreiheit
umzusetzen. Das liegt zum einen daran, dass nach
wie vor das Vorurteil besteht, dass die Umsetzung
von Barrierefreiheit teuer sein muss. Zum ande-
ren stehen Kriterien der Barrierefreiheit, wie zum
Beispiel ein langsames Vorgehen, bei dem alle Teil-
nehmerInnen gut mitkommen und viel Zeit für Wie-
derholungen und Fragen gegeben ist, der Forderung
nach Effizienz und Sparsamkeit diametral entgegen.
Umso wichtiger scheint es, den Fokus darauf zu
lenken, welche Vorteile barrierefreie Bildungsan-
gebote – abseits von der Umsetzung gesetzlicher
Vorgaben – mit sich bringen.
Erweiterung des TeilnehmerInnenkreises
Barrierefreie Bildungsangebote erhöhen das Poten-
zial, lerninteressierte Menschen zu erreichen. In
der Mikrozensuserhebung 2015 kam die Statistik
Austria zu dem Ergebnis, dass in österreichischen
Privathaushalten 1,3 Millionen Menschen mit einer
dauerhaften Beeinträchtigung leben. Das entspricht
etwa 18,4% der österreichischen Gesamtbevölke-
rung. Werden dazu noch jene Personen gerechnet,
die in Behindertenbetreuungs-Einrichtungen un-
tergebracht sind, so steigt die Zahl noch weiter
an. Dasselbe gilt, wenn hochaltrige Personen dazu
gerechnet werden, die durch das Fortschreiten
körperlicher Einschränkungen ebenfalls von barri-
erefreien Angeboten profitieren. Insgesamt ergibt
sich daraus ein großes Potenzial an Lernenden für
Einrichtungen der Erwachsenenbildung – es wird
von etwa 40% der österreichischen Bevölkerung
ausgegangen.
Schaffung eines Wettbewerbsvorteils
Auch wenn die allgemeine Erwachsenenbildung
mittlerweile ohne Einschränkung auch für behin-
derte Menschen zugänglich sein sollte, so sind wir
von dem Ideal der inklusiven Bildung noch weit
entfernt (Gründe dafür werden unter anderem im
Abschnitt Die Geschichte der inklusiven Bildung
behandelt). Tatsache ist, dass zurzeit jene Bil-
dungseinrichtungen, die auf Barrierefreiheit setzen,
noch eine Vorreiterrolle einnehmen und sich so
relativ leicht einen Wettbewerbsvorteil gegen-
über anderen Bildungseinrichtungen verschaffen
können.
Erweiterung der sozialen Kompetenz der gesamten Organisation
Wie in den Abschnitten Barrierefreiheit in der Praxis
und Schulung der MitarbeiterInnen herausgearbei-
tet wird, ist ein wesentlicher Teil der Umsetzung von
Barrierefreiheit der Umgang der MitarbeiterInnen
mit den behinderten Lernenden. Eine barrierefreie
Bildungseinrichtung muss ein hohes Potenzial an
sozialer Kompetenz aufweisen. Auch das hebt die
Einrichtung von konkurrierenden Einrichtungen
ab. Durch die laufende Personalentwicklung bleibt
eine barrierefreie Bildungseinrichtung ein aufge-
schlossenes, modernes Unternehmen mit einem
innovativen Profil. Diese Maßnahmen bringen auch
grundlegende interne Veränderungen mit sich. Bar-
rierefreiheit in der Bildungseinrichtung kann nur
dann effektiv umgesetzt werden, wenn sich die Or-
ganisation intensiv mit den eigenen Möglichkeiten
beschäftigt. Dieser ausgeprägte Fokus nach innen
verbessert auch das Management.
Vielfalt im Angebot
Ein barrierefreies Bildungsangebot ist ein vielfältiges
Bildungsangebot: die Umsetzung barrierefreier Ange-
bote erhöht das Bildungsangebot und die Dienstleis-
tungen in der Bildungseinrichtung. Durch die Vielfalt
im Angebot und die hohe soziale Kompetenz der
MitarbeiterInnen wird die Flexibilität im Umgang mit
verschiedenen Herausforderungen und Anfragen und
damit auch die Qualität der Kurse erhöht.
Vermeidung von Diskriminierungstatbeständen
Ganz pragmatisch gesprochen, reduziert die Er-
höhung der Barrierefreiheit die Gefahr von Diskri-
minierungserfahrungen und daraus resultierenden
Schlichtungen und/oder Klagen.
Erhöhung des Imagewertes
Menschen mit Behinderungen tauschen sich unter-
einander aus. Gerade weil es noch nicht so viele
barrierefreie Bildungsangebote gibt, werden die,
die es gibt, gerne untereinander weiterempfohlen.
Durch die Umsetzung der Barrierefreiheit lässt sich
diese Weiterempfehlungsrate und damit der eigene
Imagewert erhöhen. Indirekt wird damit die eigene
Öffentlichkeitsarbeit verbessert.
07
Im nachfolgenden Abschnitt wird in aller Kürze die Geschichte der inklu-
siven Pädagogik im deutschsprachigen Raum – mit Schwerpunkt auf
Österreich - nachgezeichnet, um die historisch begründete Erklärung für
die heutige Situation der barrierefreien (Erwachsenen-) Bildung zu liefern.
Zwei kurze Vorbemerkungen scheinen dazu nötig: die nachfolgend geschil-
derten geschichtlichen Entwicklungen können in Anbetracht der Fülle an
Informationen nur äußerst verkürzt dargestellt werden. Die Ausführungen
zur Geschichte der inklusiven Pädagogik müssen in diesem Sinne als eine
Auswahl jener „Highlights“ verstanden werden, die für die Beschreibung
der heutigen Situation barrierefreier (Erwachsenen-)Bildung entscheidend
sind. Sie sind insofern erwähnenswert, als sie die Entstehung inklusiver
Bildungsangebote entscheidend beeinflusst haben, positiv wie negativ.
Der gesamte Abschnitt wird aus Gottfried Biewers „Grundlagen der Heil-
pädagogik und Inklusiven Pädagogik“ (2017) zitiert. Wer sich mit der
Geschichte der inklusiven Pädagogik also näher befassen möchte, dem/
der sei dieses Werk ans Herz gelegt.
Frühe Geschichte: Die „Entdeckung“ der Bildsamkeit behinderter Menschen
Die Geschichte der Erziehung und Bildung behin-
derter Menschen ist eng mit der Geschichte der
schulischen Bildung von behinderten Kindern ver-
knüpft. Die Anfänge der Überlegungen behinderte
Menschen, „trotz“ ihrer Behinderung zu unterrich-
ten, bezogen sich in erster Linie auf Kinder und
Jugendliche und nicht auf erwachsene Menschen.
Die Anfänge: 16.-18. Jahrhundert
Die ersten Überlegungen zur Bildung behinderter
Menschen gehen historisch sehr weit zurück. So
reichen die allerersten Bemühungen zur Bildung ge-
hörloser Kinder zurück bis ins 16. Jhdt. Das Zeitalter
der Aufklärung brachte einen pädagogischen Opti-
mismus mit sich, der im 18. Jhdt. dazu führte, dass
mit Methoden experimentiert wurde, die Kindern
zugutekamen, die bis dahin von Bildungsangeboten
ausgeschlossen waren. Der Priester Charles Michel
de l‘Epée und Jakob Pereira entwickelten etwa zeit-
gleich in Frankreich unterschiedliche Methoden zur
Kommunikation mit gehörlosen Kindern. In Wien
wurde 1779 ein „Taubstummeninstitut“ eingerichtet,
das zunächst mit Methoden von l‘Epée arbeitete,
dann zum Unterricht in Lautsprache wechselte.
Auch die ersten Versuche zur Bildung blinder Kinder
entstammen dem Frankreich dieser Zeit. Valentin
Haüy gründete in Paris die erste Blindenschule. Sein
Gedanke, den Gesichtssinn durch den Tastsinn zu er-
setzen ist bis heute der wesentlichste Grundgedanke
bei der Bildung blinder Menschen. Im Weiteren löste
Die Geschichte der inklusiven BildungBeatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
08
sich die Pädagogik für hörbeeinträchtigte Kinder
aus den Ursprungsüberlegungen zur Bildung ge-
hörloser Kinder heraus, jene für sehbeeinträchtigte
Kinder aus jenen der Bildung blinder Kinder. Diese
Entwicklungen fanden Anfang des 20. Jh. statt.
Weiterentwicklungen im 19. Jahrhundert
Heimerziehungsprojekte für verwahrloste Kinder
und Jugendliche können als die Anfänge für eine
Pädagogik bei Verhaltensauffälligkeiten gesehen
werden. Die ersten Projekte wurden bereits Anfang
des 19. Jh. durchgeführt. Die ersten Hilfs- und Bil-
dungsmaßnahmen für körperbehinderte Menschen
waren als orthopädische Anstalten vordergründig
medizinisch orientiert. Die erste Einrichtung die-
ser Art wurde von Johann Georg Heine 1816 in
Würzburg eingerichtet. Die Versorgung mit Hilfs-
mitteln und Geräten stand im Vordergrund, aber
es gab auch schon Aktivitäten, die bereits als eine
Form von Unterricht verstanden werden konnten.
Die erste Schule für körperbehinderte Kinder war
die „Krüppelschule“ von Johann Nepomuk Edler von
Kurz in München. Auch die ersten Bildungsanstalten
für Menschen mit geistiger Behinderung entstanden
bereits in der ersten Hälfte des 19. Jh. Sie nannten
sich Anstalten für Kretine, Blödsinnige und Idioten.
Dazu muss festgehalten werden, dass diese Begriffe
damals nicht die negative Konnotation aufwie-
sen, die sie heute haben. Gotthard Guggenmoos
unternahm ab 1816 in Hallein bei Salzburg erste
Bildungsversuche mit geistig behinderten Kindern.
Von ihm wurde erstmals eine Art Lehrplan für den
Unterricht mit geistig behinderten Kindern kon-
zipiert. Der Taubstummenlehrer Heinrich Ernst
Stötzner, der zeitweise in sogenannten „Idioten-
anstalten“ arbeitete, verfasste mit seiner Schrift
„Schulen für schwachbefähigte Kinder“ jenen Text,
der heute noch als programmatischer Entwurf für
die Entstehung der Allgemeinen Sonderschule (ASO)
in Österreich gilt. Er war der erste, der sich für
die Einrichtung eigenständiger Institutionen für
behinderte Kinder aussprach.
„Heilpädagogik“
Der Begriff „Heilpädagogik“ wurde 1861 von Jan
Daniel Georgens und Heinrich Marianus Deinhardt
eingeführt. 1856 eröffneten sie gemeinsam in
einer Villa in Baden bei Wien die „Heilpflege- und
Erziehungsanstalt Levana“. Das Angebot umfasste
Beschäftigung, Spiel und Gymnastik. Es dauerte
einige Zeit, bis das Angebot tatsächlich genutzt
wurde, aber ab Juni 1856 erfreute sich das Angebot
so großer Beliebtheit, dass ein größerer Standort
gesucht werden musste, der schließlich in Schloss
Liesing gefunden wurde. In der Einrichtung lebten
und arbeiteten ÄrztInnen, LehrerInnen, KünstlerIn-
nen und ErzieherInnen. Georgens wollte Schloss
Liesing zu einer Musteranstalt ausbauen, die eine
Gesunden- und eine Krankenabteilung umfasste. Zu
gewissen Zeiten hatte die Einrichtung 30 Zöglinge
zu betreuen, nur etwa ein Drittel davon war behin-
dert. Georgens großes Verdienst liegt darin, dass er
schon damals festestellte, dass heilpädagogische
Maßnahmen im Unterschied zur Gesundenerziehung
individualisierend vorgehen müssen. Außerdem
hielt er fest, dass der Umgang der behinderten
Kinder („Idioten“) mit den gesunden Kindern eine
positive Wirkung auf ihren Heilungsprozess hatte.
Es finden sich hier – umgelegt auf den heutigen
Sprachgebrauch – also bereits erste Gedanken zu
den Vorteilen eines inklusiven Settings.
Beginn des 20. Jahrhunderts – die Hilfsschulen
Das ausgehende 19. Jahrhundert und das erste
Drittel des 20. Jahrhunderts waren geprägt von
einem kontinuierlichen Ausbau vergleichbarer
Einrichtungen und der weiteren fachlichen Entwick-
lung. Für das Verständnis der heutigen Situation
inklusiver Bildung im deutschsprachigen Raum ist
es wichtig, auch die Entstehung der Hilfsschulen zu
berücksichtigen. Diese entwickelten sich aus den
sogenannten „Idiotenanstalten“. Die Einführung
der allgemeinen Schulpflicht brachte es mit sich,
dass die Klassenzimmer übervoll waren und die
LehrerInnen mit der zunehmenden Heterogenität
unter den SchülerInnen nicht mehr zurechtkamen.
Als Hilfe für die „geistig schwachen“ Schüler und
Schülerinnen und als Entlastung für die allgemei-
nen Volksschulen wurden eigene Einrichtungen
für behinderte Kinder gegründet. Es ist bemer-
kenswert, dass mit derselben Argumentation auch
heute noch gegen inklusive Schulen argumentiert
wird. Während damals Schulen für Kinder mit Sin-
nesbehinderungen durchaus von pädagogischen
Zielsetzungen geprägt waren, verfolgten Schulen
für geistig behinderte Kinder eher den Anspruch der
Verwahrung.
09
Das Dritte Reich und Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg
Im deutschsprachigen Raum stellt das Dritte Reich
und seine Auswirkungen für den Umgang mit be-
hinderten Menschen eine nicht zu unterschätzende
Zäsur dar, die auch heute noch Auswirkungen hat.
Das Dritte Reich und seine Auswirkungen
Die heutige Situation inklusiver Bildung im deutsch-
sprachigen Raum kann ohne die Bezugnahme auf die
Geschehnisse im Dritten Reich nicht ausreichend
verstanden werden. Ab Anfang der 1940er Jahre
fand systematischer Massenmord behinderter
Menschen statt. Die Grundsteine dafür wurden
schon früher gelegt, eugenisches Gedankengut
war schon um 1900 weit verbreitet. Ende des 19.
Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts gab
es in vielen europäischen Staaten Überlegungen zu
starken und weniger lebensfähigen Rassen. Dieses
Gedankengut führte in der NS-Zeit schrittweise
zur Euthanasie von behinderten Menschen. Bereits
1933 wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkran-
ken Nachwuchses“ beschlossen. Dieses schrieb die
Zwangssterilisation bei Erbkrankheiten vor, so auch
beim „angeborenen Schwachsinn“. Nachdem in den
Hilfsschulen viele behinderte Menschen unterrich-
tet wurden, hatte man dort umfassenden Zugriff
auf Menschen, die zwangssterilisiert werden sollten.
Es wird angenommen, dass in der NS-Zeit 350.000
Zwangssterilisationen durchgeführt wurden. Die
Euthanasiemaßnahmen begannen um 1939. Mit
der „Aktion T4“ sollten alle Insassen von Heil- und
Pflegeanstalten beseitigt werden. Um dieses Ziel zu
erreichen, wurden Ärzte mit umfangreichen Be-
fugnissen ausgestattet. Sie entschieden bisweilen
innerhalb von ein paar Tagen über die Leben meh-
rerer hundert Menschen. Sechs Heime im ganzen
Reich wurden gezielt für die Tötung umgerüstet.
1942 ging ein Erlass an Anstalten, ihre Insassen un-
terschiedlich zu verpflegen. Das führte dazu, dass
viele BewohnerInnen mit schweren Behinderungen
an Entkräftung starben oder verhungerten. Auch
der Kreis jener Menschen, die ermordet werden
sollten, wurde stetig erweitert. Hatte man anfangs
Menschen mit einer starken körperlichen oder
geistigen Behinderung bzw. Menschen mit psychi-
schen Erkrankungen im Visier, so kamen nach und
nach immer mehr Gruppen dazu. 1945 reichte an
manchen Orten bereits ein schlechter Herz- oder
Lungenbefund, um potentielles Euthanasieopfer
zu werden. Nur wenige Menschen mit geistiger
Behinderung, die außerhalb ihrer Familien lebten,
überlebten das NS-Regime. In der Bundesrepublik
Deutschland blieb auch nach Ende des NS-Regimes
noch lange der Begriff der „Bildungsunfähigkeit“ im
Reichschulpflichtgesetz von 1938 erhalten. Gemäß
dieser gesetzlichen Bestimmung waren Kinder mit
geistiger Behinderung nicht schulpflichtig. Das
Recht auf einen Schulbesuch konnte für diese Kinder
in Österreich erst in den 1960er und 1970er Jahren
durchgesetzt werden.
Auch die Erwachsenenbildung musste nach dem
Krieg erst wieder neu aufgebaut werden, die Ein-
bindung von behinderten Menschen war zu diesem
Zeitpunkt aber noch kein Thema.
Heilpädagogische Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg
Nach diesem immensen und desaströsen Eingriff der
Nazis, konnte die Entwicklung der Heilpädagogik
weder im Deutschland noch in Österreich an die
Entwicklungen von 1920 anschließen. Die Schweiz
war das erste deutschsprachige Land, in dem sich
eine akademische Heilpädagogik etablierte. Die
in Wien vertretene österreichische akademische
Heilpädagogik war sehr stark medizinisch geprägt.
Wichtige Vertreter waren Theoder Heller und Hans
Asperger. In Deutschland gab es im Unterschied zu
Österreich schon in der Weimarer Republik erste
Versuche, die Zusatzausbildungen für Sonderschul-
lehrerInnen an die Universitäten anzubinden. Die
erste deutschsprachige universitäre Sonderpäda-
gogInnenausbildung, die nachhaltig Bestand hatte,
begann im Wintersemester 1947 an der Humboldt-
Universität in Berlin. Mit dem Ausbau der universi-
tären Sonderpädagogik in Deutschland kam es auch
zu einer inhaltlichen Ausdifferenzierung. So gab
es Lehrstühle für Gehörlosen- und Schwerhörigen-
pädagogik, Blinden- und Sehbehindertenpädagogik,
Körperbehindertenpädagogik, Geistigbehinderten-
pädagogik, Lernbehindertenpädagogik etc.
Ab den 1980er Jahren wurde im Zuge des Ausbaus
der Diplomstudiengänge für SonderpädagogInnen
in außerschulischen Feldern das Aufgabenfeld der
Fachrichtungen zunehmend auch im Bereich der
10
lebenslangen Entwicklung gesehen. In Deutschland
wurde es in den 1960er Jahren üblich, zwischen
„Sonderpädagogik“ für den schulischen Bereich
und „Heilpädagogik“ für den außerschulischen
Bereich zu unterscheiden. In Österreich und in der
Schweiz konnte sich diese Begriffsunterscheidung
nicht durchsetzen. Nach wie vor gibt es unter-
schiedliche Bezeichnungen für das Fachgebiet.
Es steht allerdings nicht mehr in Frage, dass die
Heilpädagogik ein Teil der Pädagogik ist. Auch
dieser Begriff wurde mittlerweile in „Bildungswis-
senschaften“ umgewandelt. Diese Veränderung
kann ebenfalls mit der Ausweitung der Aufgaben-
stellung des Fachgebietes auf alle Lebensalter – Er-
wachsene werden nicht mehr „erzogen“ – erklärt
werden. (Vgl. Biewer 2017) Der sonderpädagogi-
sche Blick wurde also erst ab den 1980er Jahren
umfassender auf den außerschulischen Bereich
gelegt.
Paradigmatische Umbrüche ab den 1970er Jahren
Die Konzepte der Integration und Inklusion und ihre Auswirkungen auf die barrierefreie Erwachsenenbildung heute
In diesem Abschnitt sollen die verhältnismäßig
jungen und neuen Entwicklungen im Umgang mit
behinderten Menschen nachgezeichnet werden. Erst
seit knapp 40 Jahren gibt es Bestrebungen, Men-
schen mit Behinderungen nicht mehr in eigenen
Einrichtungen „gesondert“ unterzubringen, sondern
sie wie alle Menschen in den regulären (Erwachse-
nenen-)Bildungseinrichtungen teilhaben zu lassen.
Die Tatsache, dass auch heute noch Sonderschulen
existieren, verweist darauf, dass dieser Prozess noch
nicht abgeschlossen ist.
Integration als Abkehr von Sondereinrichtungen
Pädagogische Sondereinrichtungen für Menschen
mit Behinderungen wurden noch in den 1970er Jah-
ren ausgebaut, mit SpezialistInnen für verschiedene
Funktionsbereiche versehen und zum Teil materiell
sehr gut ausgestattet. Es wurde üblich, die Einrich-
tungen für Menschen mit Behinderungen nach ver-
schiedenen Behinderungsformen zu differenzieren:
Einrichtungen für Menschen mit Lernbehinderun-
gen, für Menschen mit Sprachbehinderungen, für
Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten, für Men-
schen mit Körperbehinderungen und Einrichtungen
für Menschen mit Sinnesbehinderungen. Diese
kategoriale Einteilung betraf die Sonderschulen,
aber auch die Einrichtungen der Kleinkindbe-
treuung und Einrichtungen für erwachsene
Menschen.
Ab den 1970er/1980er Jahren, fanden im pädagogi-
schen Bereich mehrere paradigmatische Umbrüche
statt. Unter dem Schlagwort der „Normalitätsde-
batte“ wurden – zunächst in den skandinavischen
Ländern – Stimmen laut, die ein möglichst normales
Leben für behinderte Menschen und eine Hebung
ihrer sozialen Rolle forderten. Daraus leitete sich
in weiterer Folge die Forderung nach Integration
behinderter Menschen ab. Der Begriff „Integra-
tion“ leitet sich vom lateinischen Wort „integer“
ab, was so viel wie „heil, vollständig, ganz“ be-
deutet. Inte gration im pädagogischen Verständnis
meint im Sinne einer Einbeziehung eine gemein-
same Erziehung und Bildung von behinderten und
nichtbehinderten Menschen. Der Deutsche Bil-
dungsrat verstand unter Integration den Anspruch,
behinderte und nichtbehinderte Kinder so weit als
möglich gemeinsam zu unterrichten. Behinderte
Kinder, für die ein gemeinsamer Unterricht nicht
als sinnvoll erachtet wurde, sollten dennoch soziale
Kontakte mit nichtbehinderten Kindern ermöglicht
werden. In Österreich wurde das Recht behinderter
Kinder auf den Besuch der Regelschule erst in den
1990er Jahren durchgesetzt. Integration soll sich
nicht nur auf die Bildungseinrichtung, sondern
auch auf Wohnen, Freizeit und Arbeit beziehen.
(Vgl. Biewer 2017)
Inklusion als Umbau der Regeleinrichtungen
In jüngeren Veröffentlichungen ist zunehmend
nicht mehr von „Integration“ die Rede, sondern
von „Inklusion“. Der wesentlichste Unterschied
zwischen den beiden Konzepten liegt darin, dass
im Integrationsansatz die Bildungseinrichtung weit-
gehend unverändert bleibt, im Fall einer Aufnahme
eines behinderten Kindes, werden integrative Hilfs-
dienste eingesetzt. Im inklusiven Ansatz wird eine
grundlegende Neuorganisation von Schule – und
Gesellschaft – angestrebt.
11
Die Bedeutung der UNESCO
Das Konzept der inklusiven Bildungseinrichtung
findet seinen Ausgang in US-amerikanischen Dis-
kussionen zur Bildungspolitik, für seine weltweite
Verbreitung spielten britische WissenschafterInnen
und die Aktivitäten der UNESCO eine bedeutende
Rolle. Wesentliches Element dabei war die Erklärung
von Salamanca 1994. In dieser wird in Abschnitt
2 für Kinder mit speziellem Erziehungs- und Bil-
dungsbedarf der Zugang zur Regelschule gefordert.
Durch eine kindzentrierte Pädagogik soll diese dem
speziellen Bedarf nachkommen. Regelschulen mit
dieser inklusiven Ausrichtung werden als Mittel zum
Kampf gegen Vorurteile und Ausgrenzung gesehen.
Mit dem Aktionsrahmen, der zur Erklärung gehört,
wurde ein bildungspolitisches Programm mit kon-
kreten Handlungsvorschlägen dargelegt. In diesem
werden inklusive Schulen als Schulen definiert,
die alle Kinder aufnehmen, unabhängig von ihren
körperlichen, intellektuellen, sozialen und sprach-
lichen Voraussetzungen. Damit sind behinderte
Kinder ebenso gemeint, wie hochbegabte Kinder.
Die Aufnahme von Kindern in Sonderschulen soll
eine möglichst zu vermeidende Ausnahme bleiben.
Jene seltenen Fälle, die dennoch in Sonderschulen
beschult werden, sollen zumindest während eines
Teils der Zeit am Unterricht in der Regelschule teil-
nehmen. Um all dies zu ermöglichen, muss wie wei-
ter oben schon angesprochen, Schule komplett neu
gedacht werden. Es werden höhere Qualitätsstan-
dards gefordert, ebenso wie SpeziallehrerInnen und
mobile Unterstützungspersonen. Die Einbindung
der Gemeinden, Teamarbeit unter den LehrerInnen
und Mitarbeit der Eltern sind weitere geforderte
Merkmale. Die Verschiedenheit der SchülerInnen
stellt somit für die inklusive Schule den Ausgangs-
punkt dar. Diese Verschiedenheit wird als positiver
Wert und nicht als Problem gesehen. Die inklusive
Schule orientiert sich darüber hinaus nicht nur an
den Bedarfen behinderter Schülerinnen und Schüler,
in ihr wird die gesamte Heterogenität in den Blick
genommen, auch geschlechtliche, ethnische, religi-
öse und soziale Verschiedenheit soll berücksichtigt
werden. In diesem Sinne sollen sowohl die Lehr- und
Lernprozesse, aber auch die Organisationsform der
Schule grundlegend verändert werden. In einer in-
klusiven Schule sollen alle Kinder effektiv und gut
lernen können.
Die inklusive Schule wird in diesem Sinne auch als
Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft gesehen.
Inklusion wird als Prozess des Eingehens auf die
Verschiedenheit aller Lernenden gesehen, durch
den die Teilhabe an Lernprozessen, an Kultur und
Gemeinschaft erhöht werden soll, und durch
den Ausschlüsse aus dem Bildungswesen künftig
vermieden werden sollen. Der inklusive Ansatz
entstand zwar im schulischen Bereich, wurde
aber inzwischen zu einem Konzept für alle Alters-
gruppen und viele verschiedene Lebensbereiche.
(Vgl. Biewer 2017)
Barrierefreie Erwachsenenbildung heute
Wie der historische Abriss gezeigt hat, ist die Forde-
rung behinderten Menschen den gleichberechtigten
Zugang zu Bildung zu ermöglichen, in Österreich
(aber auch in anderen deutschsprachigen Ländern)
noch verhältnismäßig jung: noch vor 80 Jahren
wurde im Dritten Reich behinderten Menschen ihr
Lebensrecht zur Gänze abgesprochen, das Recht
auf den Schulbesuch in Sonderschulen wurde erst
in den 1960er und 1970er Jahren durchgesetzt, das
Recht auf den Besuch der Regelschule überhaupt
erst in den 1990er Jahren.
Im Lichte dieser Entwicklungen muss auch die
Situation der barrierefreien Erwachsenenbildung
in Österreich verstanden werden: die Entwicklung
eines differenzierten Sonderschulwesens erklärt die
mangelnde Erfahrung mit inklusiven Bildungsange-
boten. Das trifft, noch stärker als auf den schuli-
schen Bereich, auch auf die Erwachsenenbildung
zu. Es konnte sich in Österreich bis dato keine
Selbstverständlichkeit im Umgang mit Hilfsmitteln
und Hilfestellungen für behinderte Menschen ent-
wickeln. Viele der Möglichkeiten, „handicaps“ der
behinderten Menschen auszugleichen und ihnen
damit die Teilhabe an allgemeinen und öffentlichen
Kursen zu ermöglichen, sind bis dato noch weitge-
hend unbekannt. So erklärt sich, warum die gleich-
berechtigte Teilhabe von behinderten Menschen an
Kursen der Erwachsenenbildung noch relativ wenig
ausgeprägt ist.
Erst mit Beginn der Diskussion um die „inclusive
education“ ab den 1990er und 2000er Jahren, tritt
auch Inklusion in der Erwachsenenbildung zu-
nehmend in den Fokus. Mit der Ratifizierung der
12
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen 2008 wurde erstmals ein Dokument
unterzeichnet, das ein Recht auf inklusive Bildung
für erwachsenen Menschen betont. Die Ausführun-
gen zum Bundesbehinderten-Gleichstellungsgesetz
und v.a. zu den Forderungen der UN-Konvention
über die Rechte der Menschen mit Behinderungen
haben deutlich gemacht, dass sich Österreich erst
vor etwa 10 Jahren dazu verpflichtet hat, (Erwach-
senen-) Bildung in Österreich inklusiv zu gestalten
und Teilnahmebarrieren für behinderte Menschen
abzubauen.
Es braucht daher nach wie vor umfassende In-
formation und Sensibilisierung zum Thema der
barrierefreien Erwachsenenbildung in Österreich.
Praktische Beispiele sowie Hinweise zur konkreten
Umsetzung von barrierefreien Bildungsangeboten
sind notwendig. Die Entstehung des vorliegenden
Dossiers ist ein wichtiger Schritt im Rahmen dieser
Aufgabe.
13
In der Praxis umfasst die Umsetzung von Barrierefreiheit in einer Bildungs-
einrichtung mehrere Ebenen und Bereiche. Zum einen geht es um Maß-
nahmen, die von der Bildungseinrichtung als Institution getroffen werden
müssen. Das umfasst beispielsweise die Analyse der Barrierefreiheit vor
Ort, sowie die Schaffung von Voraussetzungen und ggf. die Veränderungen
von Rahmenbedingungen. Diese Punkte werden unter „Barrierefreiheit in
der Bildungseinrichtung“ behandelt. Davon abzugrenzen ist die konkrete
Gestaltung von barrierefreien Kurs- und Seminarmodellen. Unter „Inklusive
Kurs- und Seminarmodelle“ werden Hinweise von der Konzeption der
Veranstaltung bis zur konkreten Durchführung gegeben. Neben dem
konkreten Umgang mit behinderten Menschen werden unter diesem Punkt
auch Hinweise zu den jeweiligen Hilfsmitteln für behinderte Menschen
gegeben. Ein weiterer Bereich ist die persönliche Bildungsberatung ohne
Hindernisse. Unter diesem Punkt werden Hinweise zu einer möglichst
barrierefreien Face-to-Face-Bildungsberatung gegeben. Zuletzt wird das
Thema der barrierefreien Online-Bildungsberatung behandelt.
Einen Überblick über die wesentlichen Themen und
Stellungnahmen betroffener Personen mit unter-
schiedlichen Behinderungen bietet die Broschüre
Erwachsenenbildung barrierefrei. Leitfaden für ein
gemeinsames Lernen ohne Hindernisse.
Barrierefreiheit in der Bildungseinrichtung
Die Umsetzung der Barrierefreiheit innerhalb einer
Bildungseinrichtung umfasst verschiedene (bauliche
und/oder organisatorische) Maßnahmen. Es ist nicht
möglich, an dieser Stelle alle erforderlichen Maßnah-
men im Detail darzustellen, da das den Rahmen bei
weitem übersteigen würde. Die Tipps müssen daher
als „must haves“ verstanden werden, es handelt
sich um jene Maßnahmen, die priorisiert umgesetzt
werden sollten.
Eine speziell dafür entwickelte Checkliste ermög-
licht eine überblicksartige Überprüfung, ob bzw.
inwieweit die erforderlichen Maßnahmen in einer
Bildungseinrichtung bereits umgesetzt sind. Neben
der Abfrage von baulichen Gegebenheiten, können
mit dieser Checkliste auch Angebote einer ersten
Überprüfung unterzogen werden. Die Maßangaben,
die in der Checkliste abgefragt werden, sollten
wirklich abgemessen werden, um verlässliche Aus-
sagen machen zu können. Da wo keine Maßangaben
zu finden sind, sollten die Vorgaben der ÖNORM
B1600ff. so weit als möglich beachtet werden. Diese
Praxis: barrierefreie Bildungs- und BeratungsangeboteBeatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta, Karl Bäck
14
wurden in Zusammenarbeit mit behinderten Men-
schen erstellt und sind daher so gut wie möglich an
deren Bedarfen ausgerichtet. Leider können sie hier
nicht direkt verlinkt werden, da sie kostenpflichtig
zu bestellen sind.
Je nachdem, was die Überprüfung mit der Checkliste
ergeben hat, sollte die ehrliche Beschreibung der
Gegebenheiten vor Ort im Kursprogramm und auf
der Webseite zu finden sein (siehe Punkt „Präsen-
tation nach außen“). Damit wird deutlich, dass das
Thema in der Bildungseinrichtung angekommen ist
und mitgedacht wird, Menschen mit Behinderungen
fühlen sich so wahr- und ernstgenommen.
Die Auseinandersetzung mit der Barrierefreiheit in
der eigenen Bildungseinrichtung sollte daher mit
der Erhebung des Ist-Zustandes beginnen. Dazu ist
es notwendig, die Bedarfe der verschiedenen Behin-
derungsformen zu kennen.
Maßnahmen für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen
Für hörbeeinträchtigte Menschen stellt die induk-
tive Höranlage das Hilfsmittel für eine barrierefreie
Kommunikation dar. Sie erleichtert TrägerInnen von
Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten das Verstehen
enorm, besonders bei größeren Gruppen. Vereinfacht
erklärt, übertragen solche Anlagen alles, was in ein
Mikrofon gesprochen wird, direkt in die Hörgeräte
der NutzerInnen. Störende Nebengeräusche werden
dadurch ausgeblendet. Solche Anlagen können fix
in einen Veranstaltungsraum eingebaut werden, sie
können aber auch für einzelne Veranstaltungen
ausgeliehen werden. Da die fix installierten Anlagen
besser funktionieren, da sie ideal an die Umgebungs-
situation angepasst und eingestellt werden, ist es
empfehlenswert, zumindest einen Raum mit einer
solchen fixen Anlage auszustatten. Auch Anmeld-
ebereiche und dgl. sollte mit kleineren Varianten
dieser Anlage ausgestattet werden.
Zusätzlich kann für hörbeeinträchtigte Menschen
der Einsatz von SchriftdolmetscherInnen hilfreich
sein. Diese tippen alles, was im Rahmen der Veran-
staltung gesprochen wird, simultan mit. Der Text
wird an die Wand projeziert. Der ausschließliche
Einsatz von Schriftdolmetschung stellt häufig keine
ausreichende Unterstützung dar, weil man nicht
so schnell mitlesen kann, wie gesprochen wird.
Bei dieser Variante gehen daher zumeist trotzdem
Informationen verloren. Der kombinierte Einsatz
von induktiver Höranlage und Schriftdolmetsch hat
sich als sehr nützlich erwiesen. Kontaktadressen zu
Anbietern finden Sie im Kapitel Informationsmaterial,
Quellen und Kontakte.
Abseits von technischen Hilfsmitteln kann die Raum-
akustik auch durch eingezogene Akustikdecken, Zim-
merpflanzen und/oder Teppiche verbessert werden.
Für hörbeeinträchtigte Menschen ist darüber hinaus
eine gute – aber nicht blendende – Ausleuchtung
des Raumes wesentlich, da sie so bestmöglich von
den Lippen des/der Vortragenden ablesen können.
Maßnahmen für gehörlose Menschen
Gehörlose Menschen brauchen fast immer Gebär-
densprachdolmetscherInnen. Wenn sie mit der
Gebärdensprache groß geworden sind, ist das ihre
Muttersprache, die österreichische Lautsprache ist
dann ihre erste Fremdsprache. Wie alle Menschen,
tun sich auch gehörlose Menschen sehr viel leichter,
Inhalte in ihrer Muttersprache verstehen. Die Kos-
ten für GebärdensprachdolmetscherInnen fallen oft
recht hoch aus, weil diese anstrengende Tätigkeit
bereits ab etwa einer Stunde von zwei Personen ab-
wechselnd ausgeführt werden muss, wenn ein hohes
Niveau beibehalten werden soll. Informationen zu
Anbietern sowie zu Stellen, die Gebärdensprach-
dolmetscherInnen vermitteln, finden Sie im Kapitel
Informationsmaterial, Quellen und Kontakte.
Maßnahmen für Menschen mit Sehbehinderungen und blinde Menschen
Da sich die Bedarfe von sehbeeinträchtigten und
blinden Menschen zum Teil überschneiden, werden
sie hier gesammelt dargestellt. Es wird darauf geach-
tet, zu erläutern, welche Maßnahmen für welche
Zielgruppe gedacht ist.
Damit sich Menschen mit Sehbehinderungen mög-
lichst gut in der Bildungseinrichtung zurechtfin-
den, ist es wichtig, alle potenziellen Hindernisse
zu entfernen bzw. entsprechend zu markieren. So
sollten beispielsweise auf Glastüren kontrastreiche
Markierungen angebracht werden, damit diese
von sehbeeinträchtigten Menschen entsprechend
15
wahrgenommen werden können. Stiegen können für
sehbeeinträchtigte Menschen Gefahrensituationen
darstellen. Daher ist dort eine kontrastreiche Mar-
kierung der Stufenkanten wesentlich. Kontrastreiche
Bodenmarkierungen erleichtern die Orientierung.
Für blinde Menschen sollten tastbare Bodenmarkie-
rungen angebracht werden, die sie vom Eingang bis
zur ersten Ansprechperson leiten, die weiterhelfen
kann.
Gibt es einen Aufzug, sollten dort die Stockwerke
sowohl in tastbarer Brailleschrift als auch in tastba-
rer Schwarzschrift (=Normalschrift) markiert sein, so
dass auch sehbeeinträchtigte und blinde Menschen
sich gut zurechtfinden. Für beide Zielgruppen ist eine
akustische Ansage der Stockwerke von Bedeutung.
Maßnahmen für Menschen mit Lernschwierig-keiten/kognitiver Behinderung
Ein wichtiger Aspekt der Barrierefreiheit ist die
Orientierung vor Ort. Für alle Menschen, aber im
Besonderen für Menschen mit Lernschwierigkeiten,
sind gut lesbare und kontrastreiche Orientierungs-
tafeln, die eine möglichst einfache Orientierung an
einem neuen und unbekannten Ort ermöglichen,
besonders wesentlich.
Darüber hinaus kann es für Menschen mit Lern-
schwierigkeiten hilfreich sein, wenn sie für den
Kursbesuch Unterstützung durch eine Lernassistenz
bekommen. Die Möglichkeiten, LernassistentInnen
einzusetzen, sollten bereits im Vorfeld einer Veran-
staltung oder eines Kurses abgeklärt werden.
Maßnahmen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen
Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind in
ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und be-
nötigen zum Ausgleich Hilfsmittel, wie Gehstöcke,
Rollatoren oder auch Rollstühle. Für sie ist daher
die Umsetzung baulicher Barrierefreiheit besonders
wesentlich. Schon eine kleine Stufe kann ein großes
Hindernis darstellen. Zur Herstellung der baulichen
Barrierefreiheit muss möglicherweise Beratung in
Anspruch genommen werden. Die Praxis zeigt, dass
immer noch sehr häufig falsche bauliche Maßnah-
men gesetzt werden und/oder die getroffenen Maß-
nahmen nicht korrekt umgesetzt werden. Wenn das
passiert, ist es schade um die getätigte Investition
und es stellt für alle Beteiligten eine unangenehme
Enttäuschung dar.
Es empfiehlt sich daher – so weit möglich – zusätz-
lich zu einer Beratung selbst die ÖNORMEN B1600ff.
zu beziehen und zu studieren. Diese wurden in Zu-
sammenarbeit mit behinderten Menschen erstellt
und sind daher so gut als möglich an deren Bedarfen
ausgerichtet. Leider können sie hier nicht direkt
verlinkt werden, da sie kostenpflichtig zu bestellen
sind. AnprechpartnerInnen zur Umsetzung baulicher
Barrierefreiheit finden Sie im Kapitel Informations-
material, Quellen und Kontakte.
Folgende Maßnahmen sind für mobilitätseinge-
schränkte Personen besonders wichtig:
• Sofern es einen Parkplatz gibt, sollte es auch
eine ausreichende Zahl barrierefreier Stellplätze
geben.
• Der Zugang vom Haupteingang bis zum Kursraum
und weiter zur barrierefreien Toilette sollte mög-
lichst schwellenlos sein. Es kommt immer wieder
vor, dass zwar der Zugang zu einem Gebäude
und vielleicht sogar zum Kursraum entspricht, es
dann aber keine barrierefreie Toilette gibt bzw.
diese nicht erreichbar ist. Eine gleichberechtigte
Teilhabe an der allgemeinen Erwachsenenbildung
ist für mobilitätseingeschränkte Personen nur
dann möglich, wenn alle notwendigen Berei-
che selbstständig erreicht und genutzt werden
können.
• Türbreiten und Gänge sollten einen entspre-
chende Breite aufweisen (siehe Checkliste).
• Eine barrierefreie Toilette gemäß ÖNORM B1600.
• Wenn es keinen Aufzug gibt, dann sollten or-
ganisatorische Maßnahmen getroffen werden,
so dass es nicht notwendig ist, das Stockwerk
zu wechseln. Sollte es einen Aufzug geben,
muss überprüft werden, ob dieser ausreichend
groß ist (siehe Checkliste). Bei Treppenliften
ist Vorsicht geboten. Diese sind nicht das
erste Mittel der Wahl, da sie verhältnismäßig
teuer in der Herstellung und aufwändig in der
Nutzung sind. Falls die Überwindung einer
Zugangsbarriere nicht anders erreicht werden
kann, sollte in diesem Fall im Besonderen eine
umfassende Beratung in Anspruch genommen
werden.
16
• Eine einfache Maßnahme sind Garderoben in
einer Höhe, die auch für kleine Menschen und
Menschen im Rollstuhl selbstständig zu erreichen
sind.
• Zumindest ein Seminarraum in entsprechender
Lage sollte mit Tischen ausgestattet werden, die
unterfahrbar sind. Das erfordert eine bestimmte
Höhe und Tiefe.
Inklusive Kurs- und Seminarmodelle
Inklusive Kurse und Seminare unterscheiden sich
nicht grundlegend von Kursen der allgemeinen Er-
wachsenenbildung. Als barrierefrei gelten Methoden,
wenn sie auf die Bedürfnisse aller TeilnehmerInnen
abgestimmt werden. Tipps zu diesen Themenberei-
chen können auch in der Broschüre Bildungsveran-
staltungen barrierefrei nachgelesen werden.
Barrierefreie Veranstaltungen konzipieren und leiten
Die Konzeption eines barrierefreien Kurs- und
Seminarmodells erfordert schon im Vorfeld einige
zusätzliche Überlegungen und Planungsschritte.
Dazu gehören zum Beispiel:
Festlegung der Gruppengröße
Bei barrierefreien Veranstaltungen ist auf eine ent-
sprechende Gruppengröße zu achten. Um gezielt auf
die einzelnen TeilnehmerInnen und deren Bedarfe
eingehen zu können, ist eine Gruppengröße von
sechs bis zehn Personen empfehlenswert.
Erstellung von Skripten
Es ist hilfreich, wenn Skripten zur Verfügung gestellt
werden, damit die TeilnehmerInnen nicht mitschrei-
ben müssen. Das hilft im Besonderen jenen Men-
schen, die sich mit dem Schreiben schwertun. Aber
auch für viele andere Menschen ist es angenehm,
die volle Aufmerksamkeit auf das Geschehen vor Ort
richten zu können und sich nicht auf eine Mitschrift
konzentrieren zu müssen. Wenn es Skripten und
andere Materialien gibt, ist es gut, das gleich zu
Beginn der ersten Einheit bekannt zu geben. Wichtig
ist, darauf zu achten, dass manche Unterlagen ggf.
vorab umgearbeitet werden müssen, so dass sie
auch für behinderte TeilnehmerInnen gut nutzbar
sind. Das betrifft zum Beispiel Schriftart und -größe,
Symbole, einfache Sprache oder digitale Aufberei-
tung. Informationen dazu, welche Zielgruppe welche
Materialien benötigt, finden Sie unter Barrierefreie
Materialien und Hilfsmittel: wer braucht was? Tipps
für den Seminaralltag. Diese Umarbeitung kostet
Zeit und muss daher ggf. fristgerecht in Angriff
genommen werden.
Durchführung von Planungsgesprächen
Wenn sich für einen Kurs auch ein/e TeilnehmerIn mit
Behinderung angemeldet hat, ist es empfehlenswert,
ihm/ihr vor der ersten Einheit ein Gespräch anzubie-
ten, um die jeweiligen Bedarfe direkt zu erfragen und
in der Planung darauf Rücksicht nehmen zu können.
Organisation von Assistenzpersonen
In einigen Situationen kann der Einsatz von Assis-
tentInnen hilfreich sein, die während des Kurses
behinderte TeilnehmerInnen auf unterschiedliche
Art und Weise unterstützen (das können Hand-
reichungen sein, das Anfertigen von Notizen, das
Wegräumen von Hindernissen...). Es sollte daher
schon im Vorfeld einer Veranstaltung mitbedacht
werden, was es braucht, wenn Assistenzpersonen
eingesetzt werden sollen.
Erstellung von Evaluierungs-Bögen
Bei barrierefreien Veranstaltungen ist es – mehr
noch als bei allen anderen Veranstaltungen der Er-
wachsenenbildung – wichtig, diese zu evaluieren.
Die Evaluierungsbögen sollten konkrete Fragen zur
Umsetzung der Barrierefreiheit enthalten bzw. Ver-
besserungsvorschläge abfragen. Nur so ist es möglich,
laufend dazu zu lernen und Veranstaltungen von Mal
zu Mal zu verbessern und weiterzuentwickeln.
Barrierefreie Materialien und Hilfsmittel: wer braucht was? Tipps für den Seminaralltag
Ja nach Art der Behinderung, haben die Menschen
unterschiedliche Bedarfe an Hilfsmitteln und sons-
tigen Unterstützungsangeboten. Wie bereits an
anderer Stelle festgehalten, können auch hier nicht
alle möglichen Tipps und Hinweise berücksichtigt
werden. Die Auswahl beschränkt sich auf einige
17
besonders wichtige Maßnahmen und erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit.
Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen
Für Menschen mit Hörbeeinträchtugung empfehlen
sich folgende Unterstützungsangebote:
Der Einsatz einer induktiven Höranlage: Wenn es
in der Bildungseinrichtung einen Raum mit einer
induktiven Höranlage gibt, sollte für Veranstaltun-
gen, die auch von hörbeeinträchtigten Menschen
besucht werden, dieser Raum genutzt werden. Ist
keine solche Anlage vorhanden, sollte abgeklärt
werden, ob es (finanziell) möglich ist, eine Anlage
für den jeweiligen Kurs auszuleihen.
Der Einsatz von SchriftdolmetscherInnen: Für
hörbeeinträchtigte Menschen kann der Einsatz von
SchriftdolmetscherInnen hilfreich sein.
Das Lippenlesen erleichtern: Im direkten Umgang
mit einer hörbeeinträchtigten Person ist es wichtig,
auf eine gute Ausleuchtung im Raum zu achten. Es
sollte direkter Sichtkontakt zu hörbeeinträchtigten
Person aufgebaut werden, um das Lippenlesen so
einfach wie möglich zu machen Die Möglichkei-
ten, gesprochene Worte von den Lippen abzule-
sen, sind ohnedies sehr beschränkt, es ist daher
wichtig, die bestmöglichen Rahmenbedingungen
herzustellen. Daher ist es wichtig, nicht vor einem
Fenster zu stehen, es sollte langsam, deutlich und
in normaler Lautstärke gesprochen werden. Laut
zu sprechen bringt häufig nichts und verzerrt das
Mundbild. Kurze und klare Sätze, das Vermeiden
von Fremdwörtern und Fachausdrücken helfen beim
Verstehen.
Schwerpunkt auf visuellen Informationen: Opti-
sche Informationen stellen für hörbeeinträchtigte
Menschen eine Erleichterung dar. Wichtiges sollte
daher zusätzlich aufgeschrieben werden. Wesent-
lich ist bei der Verwendung von Tafeln, Flipcharts
oder einer Pinwand, dass zuerst geschrieben
bzw. gepinnt wird und erst weitergesprochen
wird, wenn der Blickkontakt mit der hörbeein-
trächtigen Person wiederhergestellt ist. Skripten
sind für hörbeeinträchtigte Menschen ebenfalls
hilfreich.
Unterstützungsmöglichkeiten für gehörlose Menschen
Für gehörlose Menschen sollten folgende Unterstüt-
zungsangebote realisiert werden:
Einsatz von GebärdensprachdolmetscherInnen:
Gehörlose Menschen brauchen fast immer Gebär-
densprachdolmetscherInnen. Das erfordert sowohl
organisatorische als auch zeitliche Ressourcen. Die
DolmetscherInnen müssen fristgerecht angefragt
werden, und es müssen ihnen etwaige Skripten und
Unterlagen vorab zukommen gelassen werden, damit
sie sich entsprechend auf die jeweiligen Inhalte der
Veranstaltung vorbereiten können. Insofern muss
dabei – je nach Umfang der Veranstaltung – eine
entsprechende Vorbereitungszeit für die Dolmet-
scherInnen miteingeplant werden. Im Gespräch mit
einer gehörlosen Person mit DolmetscherIn ist es
wichtig, die gehörlose Person als GesprächspartnerIn
zu fokussieren. Das mag ungewöhnlich sein, da die
gehörlose Person selbst eher den/die DolmetscherIn
anschauen wird, zeigt aber von Verständnis für die
Situation. Gehörlose Personen brauchen ausreichend
Raum und Zeit, um Fragen zu stellen.
Das Lippenlesen erleichtern: Vor Ort sind gute
Lichtverhältnisse im Raum wichtig. Im Gespräch mit
einer gehörlosen Person ist nicht notwendig lauter
zu sprechen und auch Gestik und Mimik werden
wie gewohnt eingesetzt. Es ist wichtig, darauf zu
achten, dass die Hände nicht vor dem Mund stehen
bleiben, damit die gehörlose Person so viel als mög-
lich von den Lippen ablesen kann. Es ist gut, auf eine
deutliche Aussprache zu achten und beispielsweise
nicht Kaugummi zu kauen, da dies das Mundbild
verzerrt.
Optische Hilfsmittel einsetzen: Optische Infor-
mationen stellen eine Erleichterung für gehörlose
Menschen dar, Wichtiges sollte daher zusätzlich
aufgeschrieben werden. Dabei ist es wesentlich, bei
der Verwendung von Tafeln, Flipcharts oder einer
Pinnwand zuerst zu schreiben bzw. zu pinnen und
erst dann weite rzusprechen, wenn der Blickkontakt
mit der gehörlosen Person wiederhergestellt ist. Bei
einem Wechsel des Mediums (z.B. vom Beamer aufs
Flipchart) ist es möglicherweise notwendig, dass sich
die gehörlose Person und ihre DolmetscherInnen
umsetzen.
18
Um die Aufmerksamkeit einer gehörlosen Person zu
erregen, tippt man ihr auf die Schulter, stampft fest
auf den Boden oder schaltet das Licht an und aus.
Informationen in Leichter Sprache: Skripten sind
für gehörlose Menschen ebenfalls hilfreich. Fallweise
sollten diese in Leichter Sprache verfasst sein, da
sich die österreichische Gebärdensprache, was die
Grammatik betrifft, deutlich von der Lautsprache
unterscheidet. Da das Umschreiben von Skripten in
Leichte Sprache einen gewissen organisatorischen
Aufwand bedeutet, sollte am besten noch vor Be-
ginn des Kurses mit der gehörlosen Person abgeklärt
werden, in welcher Form sie die Skripten benötigt.
Unterstützungsmöglichkeiten für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen
Für sehbeeinträchtigte und/oder blinde Menschen
bieten sich folgende Unterstützungsmaßnahmen an:
Screenreadertaugliche Unterlagen: Menschen mit
starker Sehbehinderungen und blinde Menschen
nutzen häufig einen so genannten Screenreader. Das
ist ein Computerprogramm, mit dem sie sich alle
Inhalte, die sehende Menschen auf ihrem Computer-
bildschirm sehen, vorlesen lassen können. Damit der
Screenreader Dokumente entschlüsseln kann, müs-
sen diese auf eine bestimmte Art und Weise erstellt
werden. AnsprechpartnerInnen, die Ihnen bei der
Erstellung von screenreadertauglichen Dokumenten
behilflich sein können, finden Sie unter Informa-
tionsmaterial, Quellen und Kontakte. Sollte noch
ein Sehrest vorhanden sein, kann es ausreichend
sein, Unterlagen in einer größeren Schrift und mög-
licherweise auch einem stärkeren Kontrast als üblich
zur Verfügung zu stellen. Was die Person im Detail
braucht, sollte vorab direkt mit ihr besprochen
werden. Die Erstellung von gut nutzbarem Materi-
alien für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen
erfordert möglicherweise zusätzliche Zeit und muss
daher fristgerecht in Angriff genommen werden.
Materialien und Unterlagen vorab: Abseits von
der konkreten Gestaltung von Dokumenten, hilft es
sehbeeinträchtigten und blinden Menschen, wenn
sie die Unterlagen schon im Vorfeld erhalten. So
können sie noch vor Kursbeginn ausprobieren, ob
der Screenreader die Dokumente entschlüsseln kann
und sich schon einlesen.
Steckdosen-Plätze: Im Seminarraum vor Ort kann es
hilfreich sein, darauf zu achten, dass sehbeeinträch-
tigte oder blinde TeilnehmerInnen einen Sitzplatz in
der Nähe einer Steckdose bekommen, damit sie im
Fall den Laptop mit dem Screenreader auch vor Ort
nutzen können.
Sensibilität bei der Auswahl von Übungsaufgaben:
Bei der Auswahl von Übungsaufgaben muss darauf
geachtet werden, dass diese auch von sehbeein-
trächtigten und/oder blinden Personen mitgemacht
werden können.
Sprechen: Wenn ein/e TeilnehmerIn mit Sehbeein-
trächtigung zum ersten Mal in einen Kurs kommt,
kann es hilfreich sein, ihm oder ihr eine genaue
Beschreibung des Raumes zu geben: wo steht was?,
welche Hindernisse sind vorhanden?, … Mögli-
cherweise ist auch eine gemeinsame Begehung des
Raumes notwendig. Jede Kurseinheit sollte ggf. mit
einer Einstiegsrunde mit Namensnennung begonnen
werden. Somit weiß auch die sehbeeinträchtigte/
blinde Person, wer anwesend ist und wer in etwa
wo sitzt. Wenn neue Personen den Raum betreten,
sollte darauf Bezug genommen werden. Inhalte und
Übungen müssen für sehbeeinträchtigte oder blinde
Menschen klar und detailliert beschrieben werden.
Ansprechpersonen definieren: Es gibt Sicherheit,
wenn zu Beginn des Kurses eine Person definiert wird,
die die Person mit Sehbeeinträchtigung unterstützt,
falls das Gebäude in einem Notfall rasch verlassen
werden muss (z.B. bei einem Feueralarm).
Blindenführhunde nicht stören: Sollte ein Blinden-
führhund im Kurs anwesend sein, so darf er nicht
gestreichelt oder abgelenkt werden.
Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten/kognitiver Behinderung
Für diese Personengruppe sind folgende Unterstüt-
zungsangebote wichtig:
Auf Formulierungen achten: Der vielleicht wichtigste
Hinweis im Umgang mit Menschen mit Lernschwierig-
keiten ist jener, dass sie als „Menschen mit Lernschwie-
rigkeiten“ bezeichnet werden wollen. Formulierungen
wie „Menschen mit geistiger Behinderung“ sind nicht
mehr zeitgemäß und in der Zielgruppe unerwünscht.
19
Informationen in Leichter Sprache: Menschen mit
Lernschwierigkeiten brauchen Informationen in
Leichter Sprache. Das betrifft einerseits die Unter-
lagen, aber auch die verwendete Sprache im Kurs.
Leichte Sprache ist ein Fachterminus, der auf be-
sonders leichte Verständlichkeit abzielt. Die Regeln
für Leichte Sprache werden vom Verein „Netzwerk
Leichte Sprache“ herausgegeben. Sie umfassen neben
Sprachregeln auch Rechtschreibregeln und Empfeh-
lungen zur Schriftart und Schriftgröße.
Hinweise und Tipps zur Verwendung von Leichter
Sprache finden Sie im Internet. Bei der Gestaltung
der Unterlagen für das Seminar ist es wesentlich,
den erhöhten Zeitaufwand zu berücksichtigen, der
benötigt wird, um Unterlagen in Leichte Sprache
umzuschreiben. Das ist schwieriger als man vielleicht
glaubt und nimmt einiges an Vorbereitungszeit in
Anspruch. Die Verwendung von entsprechenden
Bildern und/oder Piktogrammen kann für diese
Zielgruppe ebenfalls hilfreich sein.
Faktor Zeit: Generell sollte in barrierefreien Kursen
auf eine großzügige Zeitplanung geachtet werden,
da behinderte TeilnehmerInnen und im Besonderen
TeilnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten möglicher-
weise mehr Zeit benötigen, um sich gut auszudrü-
cken bzw. um Fragen zu stellen.
Einladen, Fragen zu stellen: Es ist für diese Ziel-
gruppe wesentlich, sie regelmäßig einzuladen und zu
ermuntern, ihre Fragen zu stellen. Dabei erleichtern
Formulierungen wie, „Habe ich mich verständlich
genug ausgedrückt?“ manchen TeilnehmerInnen das
Nachfragen, weil diese Formulierung impliziert, dass
der Fehler bei dem/der Vortragenden liegt, wenn
er/sie nicht verstanden wurde. Im Gegensatz dazu
können Formulierungen wie, „Haben Sie mich ver-
standen?“ verunsichern.
Auf Wiederholungen achten: Wie vielen anderen
Menschen auch, hilft es Menschen mit Lernschwie-
rigkeiten wenn Inhalte auf verschiedene Art und
Weise aufbereitet und öfter wiederholt werden.
Übungen in Kleingruppen bzw. in Zweiergruppen
bieten sich für diese Zielgruppe besonders an.
AnsprechpartnerInnen und Unterstützungsperso-
nen definieren: Für Menschen mit Lernschwierig-
keiten ist es ideal, wenn es ein/e AnsprechpartnerIn
für alle Fragen (inhaltlich wie organisatorische)
gibt, damit diese sofort geklärt werden können. Es
kann außerdem hilfreich sein, eine Lernassistenz
zu bekommen. Es sollte bereits im Vorfeld eines
Kurses abgeklärt werden, ob das notwendig sein
wird und ggf. die notwendigen Schritte eingeleitet
werden.
Begegnungen auf Augenhöhe: Wenn eine Person
mit Lernschwierigkeiten mit einer Assistenzperson
unterwegs ist, sollte darauf geachtet werden, dass
man direkt mit der Person mit Lernschwierigkei-
ten spricht und nicht mit der Assistenzperson. Die
Person mit Behinderung ist der/die Gesprächs-
partnerIn und sollte auch entsprechend behandelt
werden.
Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Menschen mit psychischer Erkrankung werden
beim Thema Barrierefreiheit häufig noch nicht mit-
gedacht. Dabei gehören psychische Erkrankungen
zu den dringlichsten Gesundheitsproblemen der
Bevölkerung. Aber da diese Erkrankungen nicht
sichtbar sind, werden sie häufig übersehen. Es
sollte daher immer im Hinterkopf behalten werden,
was für diese Zielgruppe getan werden kann. Dazu
gehören:
Klare und eindeutige Informationen: Für Men-
schen mit psychischer Erkrankung sind klare und
eindeutige Informationen zur Veranstaltung und
zu den Rahmenbedingungen wesentlich. Gene-
rell sind Einfachheit und Unkompliziertheit, so-
wohl im institutionellen wie räumlichen Umfeld,
aber im Besonderen im persönlichen Umgang
entscheidend.
Freundliche und warme Lernatmosphäre: Ein
heller und freundlicher Kursraum unterstützt
eine freundliche und warme Lernatmosphäre.
Generell, aber im Speziellen im Hinblick auf diese
Zielgruppe, sollte auf einen wertschätzenden
Umgang, auch unter den TeilnehmerInnen, ge-
achtet werden. Transparenz und Übersichtlichkeit
bezüglich der Inhalte und hinsichtlich des Auf-
baus der Veranstaltung sind für diese Zielgruppe
wichtige Kriterien, ebenso wie Verlässlichkeit und
Kontinuität.
20
Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen
Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind in
ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und be-
nötigen zum Ausgleich Hilfsmittel, wie Gehstöcke,
Rollatoren oder auch Rollstühle. Für sie ist daher die
Umsetzung baulicher Barrierefreiheit besonders we-
sentlich. Aber auch im direkten Umgang miteinander
und im Kursgeschehen gibt es einiges, was beachtet
werden kann:
Schwellenloser Zugang: Der Kursraum, sollte so
ausgewählt werden, dass dieser – und auch die bar-
rierefreie Toilette – möglichst schwellenlos erreicht
werden kann. Wenn zur Erreichung des Kursraumes
ein Treppenlift benötigt wird, sollte darauf geachtet
werden, dass die Ansprechperson, die sich damit
auskennt, zur Verfügung steht und ihn bedient.
Ausreichend Platz: Bei der Wahl des Kursraumes
sollte weiterhin darauf geachtet werden, dass er so
groß ist, dass sich auch eine Person im Rollstuhl gut
darin fortbewegen kann. Die freie Platzwahl im Raum
sollte gegeben sein, Tische müssen unterfahrbar sein.
Gang- und Türbreiten spielen ebenfalls eine Rolle.
Sollte es notwendig sein, den Raum zu wechseln,
muss auch der neue Raum den Erfordernissen der
Barrierefreiheit entsprechen.
Sensibilität bei der Auswahl von Übungsaufgaben:
Bei der Auswahl von Übungsaufgaben muss darauf
geachtet werden, dass diese auch von mobilitätsein-
geschränkten Personen mitgemacht werden können.
AnsprechpartnerInnen definieren: Es gibt Sicher-
heit, wenn zu Beginn des Kurses eine Person definiert
wird, die die Person mit Mobilitätseinschränkung
unterstützt, falls das Gebäude in einem Notfall rasch
verlassen werden muss (z.B. bei einem Feueralarm).
Servicehunde nicht stören: Sollte ein Servicehund
im Kurs anwesend sein, so darf er nicht gestreichelt
oder abgelenkt werden.
Barrierefreie Methoden sind allgemeine Methoden
Als barrierefrei gelten Methoden, wenn sie auf
die Bedürfnisse aller TeilnehmerInnen abgestimmt
werden. Abseits dieser sehr allgemeinen Formulie-
rung können dennoch ein paar konkrete Vorschläge
zu Methoden für barrierefreie Veranstaltungen zu-
sammengefasst werden:
Auf Blickkontakt achten: Eine Sitzordnung, bei der
alle TeilnehmerInnen Blickkontakt zueinander haben
ist optimal und für gehörlose oder hörbeeinträch-
tigte Personen zwingend notwendig.
Errichtung einer Fragewand: Eine einfache Me-
thode, die vielen Menschen hilft, ist die Errichtung
einer Fragewand. An diese Fragewand können Kurs-
teilnehmerInnen Fragen pinnen, die ihnen wichtig
sind. Zu Beginn eines Kurses bietet die Fragewand
für die Kursleitung den Vorteil, dass sie alle Fragen,
aber auch Erwartungen, die an den Kurs gestellt
werden, auf einen Blick sieht. Die Fragewand sollte
während des gesamten Kurses stehen bleiben. So
erfüllt sie zwei Funktionen gleichermaßen: einerseits
bleiben dort jene Fragen, die gestellt wurden, aber
aus verschiedenen Gründen noch nicht beantwortet
wurden (weil der Zeitpunkt nicht passend war, weil
man sich selbst erst erkundigen muss...) erhalten und
sichtbar, so dass sie nicht vergessen werden können,
bis der richtige Zeitpunkt für ihre Beantwortung
gekommen ist. Andererseits haben so die Teilneh-
merInnen jederzeit die Möglichkeit, neue Fragen
zu deponieren, ohne sich zwangsläufig vor allen
zu Wort melden zu müssen. Das ist besonders für
TeilnehmerInnen hilfreich, die sich nicht gerne in der
Gruppe äußern. Im Lauf der Zeit ist es so möglich,
TeilnehmerInnen diesbzgliche Ängste zu nehmen und
sie werden ermutigt, ihre Fragen zu stellen.
Methoden- und Medien-Mix: Es sollten verschie-
dene Methoden – nicht nur – mit kommunikativen
Elementen verwendet werden. Darüber hinaus emp-
fiehlt sich die Verwendung verschiedener Medien:
visueller, auditiver, taktiler, etc. Dabei sollte immer
das so genannte 2-Sinnes-Prinzip im Hinterkopf
behalten werden: je nachdem welches Medium an-
geboten wird, sollte es jeweils noch eine Alternative
geben, die einen anderen Sinn anspricht. Wenn also
zum Beispiel eine Hörübung stattfindet, sollte der
Text für hörbeeinträchtigte oder gehörlose Teilneh-
merInnen auch in Schriftform angeboten werden.
Wenn zum Beispiel visuelle Informationen angeboten
werden, sollten diese für blinde TeilnehmerInnen
zusätzlich verbal erläutert werden und so weiter. Das
21
erfordert in manchen Situationen ein grundlegendes
Umdenken.
Darüber hinaus ist es empfehlenswert, die Teilneh-
merInnen regelmäßig in Kleingruppen zusammen-
arbeiten zu lassen. Bei Übungen, die es notwendig
machen, sich im Raum zu bewegen darauf, muss
darauf geachtet werden, dass diese auch für Perso-
nen im Rollstuhl und blinde Menschen selbstständig
durchführbar sind und keine Hindernisse im Weg
sind. Bei Unsicherheiten, ob eine konkrete Methode
eingesetzt werden kann, ist es am besten direkt bei
dem/der behinderten TeilnehmerIn nachzufragen.
Dasselbe gilt auch für den Einsatz von Hilfsmitteln
oder Unterstützungsangeboten.
Angst- und stressfreie Lernatmosphäre: Barriere-
freie Bildungsangebote erfordern eine angst- und
stressfreie Lernatmosphäre. Damit ist u.a. gemeint,
dass Tempo und Erklärungen an die Gruppe ange-
passt werden müssen. Mehr noch als in anderen Kurs-
und Seminarangeboten braucht es Zeit für Fragen,
Wiederholungen und Pausen. Es ist wichtig, darauf
zu achten, dass alle aktiv mitarbeiten und Fragen
stellen können. Schüchterne TeilnehmerInnen sollten
ohne Druck regelmäßig dazu eingeladen werden,
Fragen zu stellen. Formulierungen wie, „Habe ich
mich verständlich genug ausgedrückt?“ erleichtern
TeilnehmerInnen das Nachfragen, weil diese For-
mulierung impliziert, dass der Fehler bei dem/der
Vortragenden liegt, wenn er/sie nicht verstanden
wurde. Die Frage „Haben Sie mich verstanden?“ kann
im Gegensatz dazu manche TeilnehmerInnen verun-
sichern. Für viele TeilnehmerInnen ist es hilfreich,
wenn sie Lernform, Ziele und Themen des Kurses – je
nach ihren individuellen Möglichkeiten – mitgestal-
ten können.
Barrierefreie persönliche Bildungsberatung
Für eine barrierefreie persönliche Bildungsberatung
sind viele der Tipps und Hinweise bedeutend, die
unter „Barrierefreiheit in der Bildungseinrichtung“
und „Inklusive Kurs- und Seminarmodelle“ behandelt
wurden. Darüber hinaus gehend gibt es noch weitere
konkrete Empfehlungen, die die Beratungssituation
als solche betreffen. Diese sollen nachfolgend be-
handelt werden.
Eine detaillierte Darstellung der Bereiche ist auch in
der Broschüre Bildungsberatung barrierefrei. Leitfa-
den für Bildungs- und BerufsberaterInnen zu finden.
Menschen mit Benachteiligungen in der Bildungsberatung
Wie unter Barrierefreiheit in der Bildungseinrichtung
und Inklusive Kurs- und Seminarmodelle bereits
ausführlich dargestellt wurde, ist die Gruppe der
Menschen mit Behinderungen eine sehr heterogene
Gruppe. Neben den spezifischen Anforderungen, die
die jeweilige Behinderung mit sich bringt, sind in der
Bildungsberatung natürlich auch die individuellen
Bedürfnisse jeder einzelnen Person zu berücksichti-
gen. Durch die Verschiedenheit der Menschen kann
es nicht „die Bildungsberatung“ für Menschen mit
Behinderungen geben. Dennoch gibt es ein paar
allgemeine Hinweise, die in der Bildungsberatung
behinderter Menschen wesentlich sind.
Bildungsberatung und Begleitung bedeuten für die
BeraterInnen, sich der Lebenswelt der KundInnen
anzunähern, sie bei deren Gestaltung zu begleiten
und Raum für Lern- und Entwicklungsmöglichkei-
ten zu schaffen. Ein hilfreicher Zugang und eine
unterstützende Haltung sind dann gegeben, wenn
BeraterInnen
• die Person ganzheitlich betrachten.
• auf die persönlichen Ressourcen der KundInnen
vertrauen. Damit ist zum Beispiel gemeint, den
Umgang der jeweiligen Person mit ihrer Problem-
lage als Kompetenz anzuerkennen und entspre-
chend in der Bildungsberatung zu nutzen.
• sich mit Normen und Abweichungen
auseinandersetzen.
• unterschiedliche Individuen akzeptieren und ver-
stehen. Damit ist zum Beispiel gemeint, auffälliges
und abweichendes Verhalten der KundInnen als
Signale zu verstehen und zum Thema zu machen.
• den Dialog und die Selbstbestimmung fördern.
Das gelingt umso eher, als es der/dem BeraterIn
gelingt, den/die KlientIn als ExpertIn für für sein/
ihr Leben, seine/ihre Wünsche und Anliegen
und seine/ihre Behinderung zu sehen. Der/die
BeraterIn selbst ist ExpertIn für den Beratungs-
prozess und für die Informationsvermittlung. Das
„Modell der geteilten Expertenschaft“ sieht die
Bildungsberatung als ein ExpertInnen-Gespräch
22
zu einem bestimmten Thema, wo alle Beteiligten
ihre jeweiligen Kompetenzen, Erfahrungen und
ihr Wissen einbringen.
• Lebensumstände und Lebensstil berücksichigen.
Damit ist zum Beispiel gemeint, sich mit der Le-
bensgeschichte der KundInnen auseinanderzu-
setzen und individuelle Ressourcen zu erarbeiten
und zu berücksichtigen.
Wie in allgemeinen Beratungen auch, sind in einer
barrierefreien Bildungsberatung u.a. folgende Kri-
terien wesentlich:
• vertrauensbildende Maßnahmen, Anlaufzeit
• Zeit und Vertrauen, bis das eigentliche Thema
angesprochen werden kann
• klare Rolle der/des BeraterIn
• erkennbare Abläufe und Strukturen
• ausreichend Zeit zum Verstehen, Nachdenken
und Lernen
• konkrete Informationen
• anschauliche, konkrete und einfache Sprache
• mehrmaliges Wiederholen der Informationen
• ausreichend Zeit zur persönlichen und inhaltli-
chen Orientierung
• Akzeptanz einer vielleicht „unsichtbaren“ Behin-
derung durch den/die BeraterIn
• Sicherheit, richtig verstanden zu werden
• Vertraulichkeit bezüglich der persönlichen Um-
stände und der besprochenen Inhalte
Spezifische Herausforderungen einer barriere-freien Bildungsberatung
Eine barrierefreie Bildungsberatung bringt mögli-
cherweise spezifische Herausforderungen für die
BeraterInnen mit sich. Es ist wichtig, diese anzuer-
kennen und ihnen entsprechend zu begegnen.
Über die Behinderung oder eine Erkrankung sprechen
BeraterInnen sind in Beratungssituationen mit
behinderten Menschen häufig unsicher, ob sie die
Behinderung ansprechen sollen oder nicht. Es gibt zu
dieser Frage verschiedene Überlegungen: der Vorteil
im Ansprechen liegt darin, dass damit die gesamte
Lebenssituation der/des KlientIn wahr- und ernstge-
nommen wird, der Nachteil liegt in der Gefahr der
Reduktion des Themas auf die Behinderung.
Wird das Thema nicht von Seiten des/der BeraterIn
angesprochen, bleibt es dem/der KlientIn selbst
überlassen, ob bzw. inwieweit die Behinderung the-
matisiert werden soll. Umgekehrt bleiben bei einem
Nicht-Ansprechen auch viele wesentliche Aspekte
der persönlichen Lage der KundInnen ausgeblendet
und es besteht die Gefahr, dass sich daraus erge-
bende Hindernisse und Barrieren nicht thematisiert
werden.
Es empfiehlt sich daher, sich die Behinderung von
dem/der KlientIn erklären zu lassen. Indem er/sie,
„das Problem“ in seinen/ihren Worten und seiner/
ihrer Sprache beschreibt, lassen sich Möglichkeiten
und Hindernisse viel besser erfassen. Es muss be-
dacht werden, dass die Beratungssituation durch das
Ansprechen der Behinderung komplexer und damit
auch (zeit)aufwändiger wird.
Klärung des Beratungsauftrags
Viele behinderte Menschen prüfen den/die BeraterIn
zunächst auf Wertschätzung und Akzeptanz, bevor
sie mit dem eigentlichen Thema beginnen. Es ist
daher in barrierefreien Bildungsberatungen – mehr
noch als in allgemeinen Beratungen – wesentlich,
die Erwartungen des/der KundIn zu klären und den
Beratungsauftrag zu definieren. Im Zuge dessen ist es
möglicherweise auch notwendig, eine klare Grenze
zu einem Therapiegespräch zu ziehen.
Das Thema Behinderung rückt ins Zentrum der Bildungsberatung
Manchmal passiert es bei der Beratung von behinder-
ten KundInnen, dass das Thema der Behinderung ins
Zentrum der Bildungsberatung rückt und das eigent-
liche Beratungsthema in den Hintergrund gedrängt
wird. In so einer Situation ist es wichtig, (erneut)
klarzustellen, was die Beratungsstelle anbieten kann
und welche Themen in der Bildungsberatung behan-
delt werden können. Der Beratungsauftrag muss
eventuell neuerlich geklärt werden und ggf. sollten
neue Beratungsziele definiert werden. Es kann in
solchen Situationen auch hilfreich sein, zu erfragen,
welche anderen Stellen (Beratungen, Ämter...) schon
kontaktiert wurden und was dort erreicht wurde.
Möglicherweise ist es notwendig, (gemeinsam)
weitere spezialisierte Stellen zu recherchieren und
Kontakt aufzunehmen.
23
Allgemeine Lebensprobleme stehen der Bildungsberatung (zunächst) im Weg
Probleme, die sich als direkte oder indirekte Folge
der Behinderung ergeben oder auch ganz grundle-
gende Lebensprobleme der/des KlientIn können die
eigentliche Bildungsberatung zunächst blockieren.
In solchen Situationen ist es häufig nötig, zuerst
diese allgemeinen Probleme zu behandeln, bevor
die eigentlichen Themen bearbeitbar werden. Das
erfordert ggf. einen längeren zeitlichen Rahmen.
Es muss geklärt werden, ob es möglich ist, diesen
zeitlichen Rahmen zur Verfügung zu stellen.
Koordination und Vernetzung mit anderen Beratungsangeboten
Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der He-
rausforderungen, denen sich behinderte Menschen
gegenüber sehen, und die sich zum Teil gegenseitig
bedingen und beeinflussen, ist es für eine barriere-
freie Bildungsberatung besonders wesentlich, auch
andere Einrichtungen und Stellen zu kennen, die
möglicherweise zusätzlich zur Bildungsberatung
herangezogen werden können. Barrierefreie Bil-
dungsberatung erfordert in diesem Sinne:
• eine gute Vernetzung und Zusammenarbeit mit
anderen regionalen Beratungsstellen und die
Bereitschaft zusammenzuarbeiten
• Kenntnisse über Anlauf- und Kontaktstellen
der psychosozialen Angebote (regional und
österreichweit)
• ausreichend Zeit und personelle Ressourcen zur
Zusammenarbeit mit Institutionen des Arbeits-
marktes und der psychosozialen Versorgung
(AMS, Fachberatungen, Bildungsanbieter, Be-
hindertenorganisationen, Selbsthilfegruppen...)
Der/die BeraterIn fühlt sich ratlos
Mitleid und/oder Sorge um den/die KlientIn können
in Bildungsberatungen mit behinderten Menschen
speziell spürbar werden. Das kann Zweifel an der
eigenen Kompetenz nach sich ziehen. Manchmal
entsteht das Gefühl, der Situation nicht gewach-
sen zu sein. Es kann auch passieren, dass „nega-
tive“ Bilder zur Behinderung den Beratungsverlauf
beeinträchtigen. In solchen Situationen sollten
die eigenen Gefühle dem/der KlientIn gegenüber
vorsichtig angesprochen werden. Es ist wichtig,
möglichst offen und ehrlich zu sein und deutlich
zu machen, dass es sich um die eigenen Gedanken
und Gefühle handelt. Ratlosigkeit sollte als solche
eingestanden werden. Auf diesem Weg kann es gelin-
gen, gemeinsam mit dem/der KlientIn die Sachlache
genauer zu klären, was sich wiederum positiv auf
den weiteren Beratungsverlauf auswirken kann.
Außerdem kann es in solchen Situationen hilfreich
sein, sich im Bedarfsfall externe Unterstützung und
Hilfsmöglichkeiten zu suchen.
Rahmen und Setting anpassen
Wenn für eine angemessene, ausführliche Bildungs-
beratung die Zeit fehlt oder der Beratungsrahmen
(Raum, Ungestörtheit...) nicht optimal ist, wird eine
gute Beratung kaum möglich sein. In solchen Situ-
ationen ist es empfehlenswert, sehr klar auf diese
Begrenzungen hinzuweisen und deutlich zu machen,
was in der vorhandenen Zeit bzw. im gegebenen Set-
ting möglich ist. Wenn es möglich ist, die Beratung
auf mehrere Termine aufzuteilen, kann das sinnvoll
sein, auch eine Veränderung anderer Rahmenbedin-
gungen kann hilfreich sein. Möglicherweise ist es
notwendig, (sofern möglich) die Beratung an eine/n
KollegIn abzugeben.
Umgang mit schwierigen und/oder kritischen Beratungssituationen
Viele Menschen mit Behinderungen haben in ih-
rem Leben schon zahlreiche Barrieren – bauliche,
bürokratische und soziale – vorgefunden bzw.
überwinden müssen. Diese Erfahrungen können
unter Umständen den Verlauf der Bildungsberatung
beeinflussen und zu schwierigen Situationen führen.
Anzeichen dafür können sein: das Gespräch beginnt
zu stocken, der/die KundIn wirkt unzufrieden, das
Thema entgleitet, das Beratungsziel scheint weit
entfernt, der/die BeraterIn fühlt sich überfordert,
das Gespräch ist anstrengend...
In solchen Situationen ist es für BeraterInnen wich-
tig, die eigene Rolle zu reflektieren. Folgende vier
Fragen sollten dann für sich beantwortet werden:
• Was steht gerade (für mich) im Vordergrund?
• Wie klar ist das gemeinsame Ziel? – Was ist mein
eigenes Ziel?
24
• Welche Rolle habe ich hier zugewiesen bekom-
men oder selbst eingenommen?
• Stimmen die Rahmenbedingungen der Bildungs -
beratung?
Je nachdem, welche Schwierigkeiten in der Bildungs-
beratung auftauchen, gibt es unterschiedliche Mög-
lichkeiten darauf zu reagieren:
• im Prozess einen Schritt zurückgehen
• Pausen einlegen, das Gespräch unterbrechen
• das Gespräch neu starten
• das Gespräch verschieben
• Rahmenbedingungen verändern, ggf. die Bera-
tung an eine/n KollegIn übergeben
• die Bildungsberatung beenden
Methoden für Einzelberatungen
Die Bildungsberatung soll für den/die KundIn die
Grundlage für weitere Entscheidungen schaffen. Da-
rüber hinaus gilt es, gemeinsam mit dem/der KundIn
Schritte für die Zeit nach der Bildungsberatung zu
erarbeiten. Für barrierefreie Bildungsberatungen
haben sich folgende methodische Vorgehensweisen
als zielführend erwiesen:
In der „Welt“ der/des KundIn bleiben
In einer barrierefreien Bildungsberatung ist es – mehr
noch als in allgemeinen Beratungen – wichtig, sich
sprachlich an die Ausdrucksweise des/der KundIn
anzupassen. Es sollte mit jenen Begriffen gearbeitet
werden, die auch von dem/der KundIn verwendet
werden. Anliegen, Wünsche und Bedürfnisse der/
des KundIn sollten den thematischen Fokus bilden,
auch wenn es zunächst andere als die eigentlichen
Beratungsthemen zu sein scheinen. Die Beratungs-
sequenzen sollten ggf. kurz sein und dafür ggf.
mehrere Termine umfassen. Der/die KlientIn sollte
als ExpertIn für seine/ihre Behinderung anerkannt
werden und seine/ihre Kompetenzen sollten den
Beratungsverlauf mitbestimmen.
Wenn zunächst einmal an der Erhebung der indivi-
duellen Kompetenzen der/des KlientIn gearbeitet
werden soll, gibt es dafür ein hilfreiches Handbuch:
„Damit ich weiß, was ich kann – Handbuch zur Kompe-
tenzerfassung“ wurde vom biv integrativ entwickelt
und richtet sich an Bildungs- und BerufsberaterInnen
und ist für den Einsatz im Rahmen eines begleitenden
Beratungsprozesses konzipiert. Dieses Handbuch
kann kostenpflichtig beim biv intergrativ (siehe das
Kapitel „Informationsmaterial, Quellen und Kon-
takte“) bestellt werden.
Alternativen zum Gespräch verwenden
In barrierefreien Bildungsberatungen kann es hilf-
reich sein, zusätzlich zum Gespräch auch andere
Ausdrucksformen zu ermöglichen. So kann es zum
Beispiel sinnvoll sein, den KundInnen etwas zum
Angreifen (zum „Begreifen“ im wörtlichen Sinne) zu
geben. Das können zum Beispiel Kärtchen, Skizzen
oder auch Figuren sein. Manchmal ist es auch eine
hilfreiche Variante, den/die KundIn selbst etwas
aufschreiben oder auch zeichnen zu lassen. Hier
muss aber darauf geachtet werden, den/die KlientIn
mit diesem Angebot nicht zu überfordern. Ob diese
Methode passt oder nicht, muss jeweils im Einzelfall
entschieden werden.
Gesprochenes visualisieren
Mehr noch als in allgemeinen Beratungen kann
es in barrierefreien Bildungsberatungen hilfreich
sein, wesentliche Gesprächsinhalte zu visualisieren,
zum Beispiel durch Aufschreiben oder Aufzeichnen.
Auch bestimmte Abläufe oder Zeitpläne werden
möglicherweise besser verstanden, wenn sie visua-
lisiert werden. Generell kann die Verwendung von
Symbolen, Zeichnungen oder auch Bildern hilfreich
sein.
Hausaufgaben
Es empfiehlt sich, den KundInnen „Hausaufgaben“
zu geben, damit auch außerhalb der Bildungsbera-
tungssituation weiter am Thema gearbeitet wird.
Die Ergebnisse können beim nächsten Gespräch oder
telefonisch besprochen werden.
Körpersprache und -signale beachten
In barrierefreien Bildungsberatungen kann es
hilfreich sein, die Körpersprache und -signale der
KundInnen verstärkt zu beobachten und ggf. zum
Thema zu machen. Das kann die emotionale Kom-
ponente der Kommunikation greifbarer machen.
Beispiele dafür wären etwa: „Als Sie soeben über XY
25
gesprochen haben, ist ein Leuchten über Ihr Gesicht
gegangen“ oder „Wie spürt sich dieser Gedanke an?“
und dgl.
Online-Bildungsberatung
Eine barrierefreie Online-Bildungsberatung un-
terscheidet sich hinsichtlich des Umgangs mit
den BeratungskundInnen nicht wesentlich von
der persönlichen Beratung (siehe oben). Es gibt
allerdings ein paar spezifische Charakteristika der
Online-Bildungsberatung, die in diesem Abschnitt
kurz behandelt werden sollen.
Die Broschüre Online-Beratung barrierefrei. Leit-
faden für eine Internet-basierte Bildungsberatung
stellt das hierfür wesentliche Wissen übersichtlich
und detailliert dar.
Formen der Online-Bildungsberatung
Während in der Einzelberatung die BeraterIn und
der/die Ratsuchende zeitversetzt kommunizieren,
findet der Austausch im Einzelchat zeitgleich statt.
Dafür wird meist im Vorfeld ein Chat-Termin ver-
einbart. Chats können außerdem auch in Gruppen
stattfinden. In einem Online-Forum können mehrere
TeilnehmerInnen und ein/e BeraterIn zeitversetzt
miteinander kommunizieren.
Vorteile der Online-Bildungsberatung
Die Online-Beratung bietet mehrere Vorteile im
Vergleich zur persönlichen Beratung: ein wesent-
licher Vorteil liegt darin, dass sie für Menschen
zugänglich ist, die aus unterschiedlichen Gründen
keine Beratungsstelle aufsuchen können oder wollen.
Das kann zum Beispiel auf Personen zutreffen, die
eine Mobilitätseinschränkung haben, die es ihnen
erschwert, persönlich zu einer Beratung zu kommen.
Dies können aber auch Menschen sein, die in eher
entlegenen ländlichen Gebieten wohnen und für die
es eine große Herausforderung darstellen würde, die
Beratungsstelle zu erreichen. Online-Beratung findet
orts- und zeitunabhängig statt. Sie ist rund um die
Uhr erreichbar und es gibt keine Wartezeiten. Außer-
dem ist es in der Online-Beratung möglich, anonym
zu bleiben. Sensible Themen, wie beispielsweise
eine psychische Erkrankung, lassen sich dadurch
manchmal leichter ansprechen. Online-Beratung ist
schriftliche Kommunikation. Das ist ein Vorteil für
Menschen, die persönliche Begegnungen scheuen,
zum Beispiel aufgrund einer Sozialphobie oder
einer Sprachstörung. Zudem kann das Schreiben
dabei helfen, die eigenen Gedanken zu ordnen.
Und die schriftliche Antwort der/s BeraterIn kann
zum besseren Verständnis ggf. mehrmals gelesen
werden.
Anforderungen an die BeraterInnen
Neben den allgemeinen Anforderungen an Mitarbei-
terInnen in der Online-Bildungsberatung, sind bei
der barrierefreien Online-Bildungsberatung weitere
Kompetenzen von Bedeutung:
• Persönliche Erfahrung im Umgang mit behinder-
ten Menschen sowie Wissen über deren Lebens-
bedingungen, Problemlagen und Bedarfe.
• Die Fähigkeit komplexe Sachverhalte einfach
und anschaulich darzustellen und Texte und
Informationsmaterialien in Leichter Sprache zu
verfassen.
• Grundlegendes Wissen zur Computer- und Inter-
netnutzung von Menschen mit unterschiedlichen
Behinderungen.
• Gute Kenntnisse der relevanten Anlaufstellen der
(beruflichen) Rehabilitation, der Behindertenhilfe
und der psychosozialen Versorgung sowie der
rechtlichen Grundlagen.
Niederschwelligkeit
Online-Bildungsberatung sollte niederschwellig sein.
Das bedeutet:
• sie wird kostenlos angeboten
• es sind keine Bedingungen an die Nutzung
geknüpft
• der Ablauf der Beratung wird einfach und über-
sichtlich erklärt
• häufige und grundsätzliche Fragen werden in
einer Liste mit FAQs beantwortet
• die Nutzungsbedingungen sind so kurz als
möglich
Die Bildungsberatung Wien ist eine jener Stellen,
die eine niederschwellige Online-Bildungsberatung
anbieten. Auf ihrer Webseite sind die meisten der
hier angeführten Kriterien umgesetzt.
26
Barrierefreiheit durch Digitalisierung
Menschen mit Einschränkungen sind aufgrund von
vielfältigen Barrieren aus unserer Gesellschaft ausge-
schlossen bzw. können an verschiedenen Aktivitäten
nur eingeschränkt teilnehmen. Oftmals kämpfen sie
mit Informationsbarrieren und haben einen massiv
erschwerten Zugang zu Bildung, Beruf und Kultur.
Das gilt auch für den digitalen Bereich. Hier besteht
die Gefahr, dass die sogenannte digitale Spaltung
(im engl. oft als „digital gap“ oder „digital divide“
bezeichnet) gerade für Menschen mit Einschrän-
kungen immer gravierender wird. Die Digitalisierung
der Bildung kann bewirken, dass sich Menschen,
die Schwierigkeiten haben mit dieser Entwicklung
mitzukommen, auf der anderen Seite der digitalen
Spalte wiederfinden und damit noch stärker vom
Zugang zu Bildung ausgeschlossen werden.
Andererseits bietet aber die Digitalisierung gerade
für Menschen mit Einschränkungen vielfältige Mög-
lichkeiten in Bezug auf die Teilhabe an Bildungs-
maßnahmen. Es hängt damit von allen Beteiligten
ab, ob die digitale Entwicklung zu einem stärkeren
Ausschluss von bestimmten Bevölkerungsgruppen
führt oder für mehr Inklusion genützt wird.
Digitale inklusive Bildung
Digitale Inklusion bedeutet einerseits Inklusion mit
digitalen Medien zu unterstützen bzw. zu ermögli-
chen (z.B. Kommunikation mittels einer App für Men-
schen ohne eigene Lautsprache) und andererseits
Inklusion in die digitale Gesellschaft zu unterstützen
(z.B. durch die Verwendung einer Sprachausgabe
können auch Menschen mit eingeschränktem Seh-
oder Lesevermögen Texte lesen).
Ziel der digitalen Inklusion ist es – mit Unterstüt-
zung von digitalen Medien – allen Menschen zu
ermöglichen, an der digitalen Gesellschaft, an der
Nutzung des Internets und der Nutzung digitaler
Tools und Technik teilhaben zu lassen. Gerade durch
die rapide Verbreitung von mobilen Geräten gibt es
neue Möglichkeiten für die Inklusion in der Bildung.
Innovationen wie Smartphones und Tablets können
das Lernen und Lehren auf verschiedenste Weise
unterstützen, da sie individualisierten und jederzeit
verfügbaren Zugang zu Lernmöglichkeiten für alle
bieten. Für Lernende mit Lernschwierigkeiten und
Behinderungen bieten die neuen Technologien eine
große Hilfe, indem sich Lernmaterialien individua-
lisieren lassen und eine Anpassung an persönliche
Lernstile möglich ist. Aufgrund der eingebauten
Bedienungshilfen in Mobilgeräten sind sie wesent-
lich zugänglicher als Desktop-Rechner. Smartphones
und Tablets sind wesentliche Begleiter für inklusive
Bildung, da sie ein breites Spektrum an Anwendun-
gen für Lernen, Kommunikation und Selbstausdruck
bieten.
Menschen mit Leseproblemen (sei es aufgrund von
Seheinschränkungen oder Leseschwierigkeiten) kön-
nen die Vorlesefunktion der Mobilgeräte nutzen. Nur
durch kleine Änderungen der Einstellungen können
Inhalte aus dem Internet oder digitale Texte vorge-
lesen werden. Mobilgeräte bieten auch für das Sch-
reiben unterstützende Funktionen. Eine seit langem
bekannte Funktion ersetzt falsch geschriebene Texte
automatisch. Zusätzlich gibt es eine Möglichkeit
Texte zu diktieren und die eingebaute Wortvorher-
sagefunktion zu benutzen. Durch die Diktierfunktion
ist es auch für Menschen möglich einen Text zu sch-
reiben, die feinmotorisch eingeschränkt sind. Eine
weitere Möglichkeit, die mobile Endgeräte bieten,
um integratives Lernen zu unterstützen, ist die einfa-
che Möglichkeit, mit Hilfe von Multimedia-Inhalten
klar verständliche Lernmaterialien zu erstellen. Mit
einer App wie Book Creator können einfache Bücher
erstellt werden, welche multimediale Inhalte wie
Bilder, Videos oder Ton enthalten können. Somit
können Lernende unterschiedliche Sinne benutzen
um Inhalte zu verstehen.
Auch Karteikarten können so erstellt werden. Es
gibt mehrere Apps, mit denen Karteikarten erstellt
werden können, die Bilder, Ton und Text beinhalten,
um Lernende mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu
unterstützen.
Bildungsorganisationen haben so die Chance auch
Personen mit Einschränkungen besser zu unterstüt-
zen und damit zu einer inklusiven Bildung beizutra-
gen. ErwachsenenbildnerInnen können damit neue
Kompetenzen zu erwerben, die es ihnen ermöglichen,
die Fortbildungen durch den Einsatz von digitalen
Tools vielfältiger und für alle zugänglicher zu
machen.
27
Universal Design for Learning (UDL)
Das in den USA entwickelte Konzept des Universal
Designs verspricht Vielfalt auch in der Bildung zu
unterstützen. Im Folgenden werden die Prinzipien
des Universal Designs for Learning beschrieben und
dabei speziell die Möglichkeiten, die sich durch die
Digitalisierung ergeben, hervorgehoben. Dabei steht
im Mittelpunkt, wie mit Hilfe des Universal Design
mehr Inklusion erreicht werden kann.
Hinter Universal Design steht ursprünglich die Idee,
Menschen mit Einschränkungen als Teil der Gesell-
schaft zu betrachten und nicht als Gruppe mit Bedarf
an Sonderlösungen. Daher ist Universal Design ein
integrativer Ansatz, der die Bedarfe möglichst vie-
ler Menschen berücksichtigt, statt auf individuelle
Lösungen zu fokussieren. Ein Produkt oder ein Ge-
bäude gemäß den Prinzipien des Universal Designs
zu gestalten bedeutet immer auch Inklusion, soziale
Integration und das Mitdenken von Heterogenität
und Diversität.
Erst in Wechselwirkung mit sozialen Situationen
entsteht aus einer Einschränkung eine Behinde-
rung, welche die Teilhabe der betroffenen Person
einschränkt oder unmöglich macht. Universal Design
lenkt den Blick weg vom Individuum hin zu der ge-
stalteten Umwelt, greift damit den Gedanken des
sozialen Modells von Behinderung auf und zeigt
Lösungswege auf, ohne starre Vorgaben zu machen.
Der Begriff des Universal Design findet sich auch in
Artikel 2 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK):
„[So] bedeutet ‚universelles Design‘ ein Design von
Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleis-
tungen in der Weise, dass sie von allen Menschen
möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder
ein spezielles Design genutzt werden können. ‚Uni-
verselles Design‘ schließt Hilfsmittel für bestimmte
Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit
sie benötigt werden, nicht aus.“
Prinzip 1: Breite Nutzbarkeit
Lehr- und Lernangebote werden so entworfen, dass
sie für Lernende mit unterschiedlichen Fähigkeiten
nutzbar und zugänglich sind. Unterlagen stehen
rechtzeitig zur Verfügung, damit sich Lernende
bei Bedarf die Materialien herunterladen bzw.
einscannen und sich z.B. dann mit einem Programm
vorlesen lassen können.
Prinzip 2: Flexibilität in der Benutzung
Die Fortbildung kommt einer breiten Vielfalt an Fä-
higkeiten entgegen. Die Lernenden können zwischen
verschiedenen Methoden auswählen. Beispiel: Es
werden verschiedene Unterlagen eingesetzt (Schrift-
liche Unterlagen, Videos, Tonaufnahmen, etc.), um
verschiedene Zugänge zum Lernen und das Aufneh-
men von Wissen zu ermöglichen.
Prinzip 3: Einfache und intuitive Benutzung
Unnötige Komplexität wird vermieden. Anleitungen
sind klar und deutlich verständlich, unabhängig von
den Vorerfahrungen, dem Wissen und den sprachli-
chen Fähigkeiten. Beispiel: Die Unterlagen werden
in leicht verständlicher Sprache erstellt.
Prinzip 4: Sensorisch wahrnehmbare Informationen
Die Fortbildung ist so gestaltet, dass die notwendigen
Informationen erfolgreich kommuniziert werden,
unabhängig von den sensorischen Fähigkeiten der
Lernenden. Beispiel: Alle schriftlichen Unterlagen
werden barrierefrei und digital bereitgestellt. So
können sich die Lernenden die Unterlagen im be-
vorzugten Format ausdrucken oder direkt mit Hilfe
von Computern und assistierenden Technologien
(z.B. mit einem Screenreader) darauf zugreifen. Ein
Screenreader ist eine Software, die blinden und seh-
behinderten Menschen die komplett selbständige
Nutzung des Computers ermöglicht.
Prinzip 5: Fehlertoleranz
Die Fortbildung kommt den unterschiedlichen
Lerngeschwindigkeiten und Vorkenntnissen der Ler-
nenden entgegen. Beispiel: Für schriftliche Beiträge
bzw. Rückmeldungen können Textverarbeitungspro-
gramme, die eine Rechtschreibprüfung beinhalten,
eingesetzt werden
Prinzip 6: Niedriger körperlicher Aufwand
Jede nicht unmittelbar erforderliche körperliche
Anstrengung wird vermieden, damit dem Lernen
die größte Aufmerksamkeit gewidmet werden kann.
28
Beispiel: Die Lernenden dürfen eine Textverarbeitung
mit Diktierfunktion nutzen.
Prinzip 7: Größe und Platz für Zugang und Benutzung
In der Fortbildung wird auf angemessene Aus-
stattung für den Zugang, die Erreichbarkeit, die
Handhabung und die Benutzung Rücksicht genom-
men. Z.B. können virtuelle Lernumgebungen dazu
beitragen, dass auch Personen mit Mobilitätsein-
schränkungen an der Fortbildung teilnehmen
können. Diese stellen das digitale Pendant zu den
herkömmlichen Seminarräumen oder Hörsälen dar.
In den Kursräumen können Lerninhalte wie Lern-
videos, Texte oder Bilder zur Verfügung gestellt
werden.
Prinzip 8: Lerngemeinschaft
Die Lernumgebung unterstützt und fördert die Inter-
aktion und Kommunikation zwischen den Lernenden
untereinander und den Lehrenden. Beispiel: Der Aus-
tausch der Lernenden untereinander ist vor allem für
die Integration wichtig. Virtuelle Lernumgebungen
ermöglichen Lernaktivitäten, wie Diskussionen zu
einem Thema oder Einzel-und Gruppenarbeiten
für Personen, denen es nicht möglich ist, an einem
physischen Ort gleichzeitig anwesend zu sein.
Prinzip 9: Lernklima
Die Fortbildung ist einladend und inklusiv gestaltet.
Beispiel: Die Lehrenden weisen in der Übersicht zur
Veranstaltung darauf hin, dass sie von den Lernen-
den Respekt für die Vielfalt der anderen erwarten.
Zugleich werden die Lernenden dazu ermuntert, alle
besonderen Lernbedürfnisse mit der Lehrperson zu
besprechen.
Europäischer Rahmen für die Digitale Kompetenz Lehrender (DigCompEdu)
Die sich kontinuierlich ändernden Anforderungen an
den Lehrberuf erfordern von Lehrenden ein immer
breiteres Spektrum an Kompetenzen. Insbesondere
die Verbreitung digitaler Medien und die Notwendig-
keit, digitale Kompetenzen zu vermitteln, zwingen
Lehrende, ihre eigene digitale Kompetenz zu ent-
wickeln. Der DigCompEdu Kompetenzrahmen zielt
darauf ab, die spezifischen digitalen Kompetenzen,
die Lehrende im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigen,
zu erfassen. Der Kompetenzrahmen richtet sich
an Lehrende aller Bildungsstufen, von der frühen
Abb.1: Europäischer Rahmen für die Digitale Kompetenz Lehrender (DigCompEdu)
Grafik: Alle Rechte vorbehalten, Europäische Kommission, https://ec.europa.eu/jrc/en/digcompedu
29
Kindheit bis hin zur Hochschul- und Erwachsenen-
bildung; er betrifft sowohl allgemeine als auch die
berufliche Bildung, die Sonderpädagogik und alle
nicht formalen Lernkontexte. DigCompEdu stellt ei-
nen allgemeinen Bezugsrahmen zur Entwicklung von
digitalen Kompetenzmodellen zur Verfügung – für
Mitgliedstaaten, regionale Regierungen, nationale
und regionale Agenturen, Bildungsstätten selbst und
öffentliche oder private Berufsbildungsträger.
Nachfolgend sind nur die Kompetenzen an-
geführt, die sich schwerpunktmäßig mit der
Inklusion aller Lernenden beschäftigen und pers-
pektivisch von allen Lehrenden erworben werden
sollten.
Zugang und Inklusion
Gewährleisten, dass alle Lernenden, auch solche
mit besonderen Bedürfnissen, Zugang zu den ein-
gesetzten digitalen Medien und Lernaktivitäten
haben. Die (digitalen) Erwartungen, Fähigkeiten,
Vorkenntnisse und Missverständnisse der Lernenden
berücksichtigen, sowie kontextbezogene, physische
oder kognitive Einschränkungen bei der Mediennut-
zung bedenken.
Differenzierung und Personalisierung
Digitale Medien nutzen, um unterschiedlichen
Lernbedürfnissen Rechnung zu tragen, indem den
Lernenden ermöglicht wird, in ihrem jeweils eigenen
Lerntempo ihr individuelles Lernziel zu erreichen
und individuell unterschiedliche Lernwege zu
beschreiten.
Aktive Beteiligung der Lernenden
Digitale Medien nutzen, um das aktive und kreative
Engagement der Lernenden mit einem Thema zu
fördern. Digitale Medien im Rahmen pädagogischer
Strategien einsetzen, die transversale Fähigkeiten,
tiefgründiges Denken und kreativen Ausdruck för-
dern. Den Unterricht öffnen, um neue, reale Lern-
kontexte zu schaffen die die Lernenden in praktische
Aktivitäten, wissenschaftliche Untersuchungen oder
komplexe Problemlösungen einbeziehen, oder auf
andere Weise die aktive Auseinandersetzung der
Lernenden mit komplexen lebensweltlichen Sach-
verhalten erhöhen.
Leichte Sprache
Ausgangspunkt ist das Recht der Menschen auf ver-
ständliche Information, damit sie ihren Alltag sicher
und selbstbestimmt bewältigen können. Das gilt
natürlich im besonderen Maß auch für die Erwach-
senbildung. Informationen über Bildungsveranstal-
tungen und Bildungsinhalte müssen so aufbereitet
werden, dass sie auch verstanden werden können.
Ebene der Wahrnehmung
Kann ich eine Information sehen, hören, riechen
oder haptisch wahrnehmen? Wenn ich blind bin,
kann ich Schwarzschrift nicht sehen; wenn ich ge-
hörlos bin, höre ich den Feueralarm nicht.
Ebene des Erfassens
Dazu gehört die kognitive Leistungsfähigkeit. Ich
könnte aber auch sehen, dass hier Worte sind,
grundsätzlich auch des Lesens mächtig sein, beherr-
sche aber leider das kyrillische Alphabet nicht. Und
schon wird die Orientierung in der Moskauer Metro
zum Abenteuer. Aber auch das Tempo, in dem ich
eine Information erfassen muss, kann eine Barriere
darstellen.
Ebene des Vorwissens
Was habe ich schon über das Thema gelesen, was
weiß ich schon darüber. Wissen Sie beispielsweise,
was der Satz bedeutet: Schneiden Sie die Rose am
dritten Auge? Selbst wenn Sie gut lesen können,
auch wissen, was Rosen und was Augen sind, hilft
Ihnen das nichts. Sie müssen schon Vorwissen haben,
um diesen Satz zu verstehen. Sie müssen nämlich
wissen, dass man die Stellen an den Rosentrieben,
an denen später die Seitentriebe herauskommen,
„Auge“ nennt.
Kriterien für das Erstellen leicht verständlicher Texte
Folgende Kriterien wurden von Capito erstellt.
Struktur und Satzebene:
• Machen Sie die Funktion des Textes deutlich (Titel,
Überschriften, Erläuterung der Ziele).
30
• Achten Sie auf eine angenehm lesbare Schrift-
größe (A1= 14 pt, A2 mind. 12pt).
• Sorgen Sie für leicht lesbare „Portionen“ (Absätze,
Aufzählungen, Zeilenabstände).
• Schreiben Sie in kurzen Sätzen und vermeiden
Sie Nebensätze. Beispiel: Für A2 sollten die Sätze
nicht länger als 10-12 Wörter sein.
• Bauen Sie Ihre Sätze logisch und einfach struk-
turiert auf.
Wortebene:
• Vermeiden Sie schwer lesbare Wörter. Zusammen-
gesetzte Hauptwörter können mit Bindestrich
getrennt werden.
• Erklären Sie schwierige Begriffe mit konkreten
Beispielen, die zum Text passen.
• Vermeiden Sie Metaphern, Sprichwörter oder
Vergleiche, außer diese sind bei den Zielgruppen
gut bekannt.
• Verwenden Sie die weibliche und männliche
Form.
• Erläutern Sie unbekannte Wörter in einem
Wörterbuch.
Layout:
• Verwenden Sie Bilder nur zielgruppengerecht und
inhaltlich eindeutig zutreffend.
• Achten Sie auf barrierefreie Farbkontraste
(Farbfehlsichtigkeiten).
• Überfrachten Sie die Seite nicht mit Inhalt – las-
sen Sie freie Räume, damit das Auge sich ausru-
hen kann.
Ausgewählte digitale Tools und Einstellungen
Die folgenden Anwendungen können mit allen Gerä-
ten, die mit dem Internet verbunden sind, ausgeführt
werden. Also mit Standgeräten, Laptops, Smartpho-
nes oder Tablets. Bei der ersten Anwendung (Plickers)
braucht nur die Lehrende bzw. der Lehrende ein
Smartphone bzw. Tablet.
Plickers
Plickers erlaubt das Durchführen von Umfragen oder
kurzen Wissensüberprüfungen in einer Fortbildung.
Die Lernenden müssen hierfür keine eigenen Geräte
besitzen, sondern geben Feedback mit Hilfe von
gedruckten Barcodes. Erfasst werden die Antworten
über die Kamera des Smartphones bzw. Tablets.
AnswerGarden
AnswerGarden ist das ideale Web-Tool zum schnel-
len Sammeln von kurzen Antworten, Ideen und
Rückmeldungen der Lernenden. Die Anzeige der
eingegebenen Begriffe erscheint in Echtzeit in Form
einer Wortwolke. Für die Anwendung ist keine Re-
gistrierung nötig.
Webinare mit Zoom oder Skype
Webinare ermöglichen auch Personen, die mobili-
tätseingeschränkt sind, an Fortbildungen teilzuneh-
men. Es gibt verschiedene Tools dafür, wobei Skype
und Zoom zu den bekanntesten gehören.
Bedienungshilfen
In allen gängigen Betriebssystemen (Windows, An-
droid, iOS) gibt es Einstellungsmöglichkeiten, die
die Bedienung des Computers für Menschen mit
Einschränkungen erleichtern bzw. erst ermöglichen.
Dazu gehören verschiedene Möglichkeiten einen
Text zu vergrößern oder sich den Text vorlesen zu
lassen. Auch die Ansteuerung des Computers mit
externen Schaltern ist bei allen Systemen möglich. Im
Betriebssystem iOS (für iPads und iPhones) sind die
Anpassungsmöglichkeiten an die verschiedenen Be-
dürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten und
Behinderungen am besten entwickelt. Im Folgenden
werden einige dieser Möglichkeiten kurz dargestellt.
Sehen: Für blinde Menschen und Personen mit
Seheinschränkungen bietet das Betriebssystem iOS
(für iPad und iPhone) einige sehr unterstützende
Möglichkeiten an (Link zur Anleitung).
Größerer Text und Tastenformen: Es ist auch recht
einfach die Textgröße und die Form der Tasten an-
zupassen (Link zur Anleitung).
Sprachausgabe: Mit der Sprachausgabe können
sowohl einzelne Textabschnitte als auch der Bild-
schirminhalt vorgelesen werden. Das ist sowohl
für Menschen mit Lernschwierigkeiten als auch für
Personen mit Seheinschränkungen hilfreich (Link zur
Anleitung).
31
Schaltersteuerung: Mit der Schaltersteuerung kann
das iPad auch von Personen mit motorischen Ein-
schränkungen genutzt werden. So ist es möglich,
die ganze Oberfläche des iPads für die Bedienung zu
verwenden oder man kann das iPad auch mit einem
externen Taster verbinden und damit steuern (Link
zur Anleitung).
Diktieren und Wortvorhersage: Falls jemand
Schwierigkeiten mit dem Schreiben hat, kann man
Texte auch diktieren (Link zur Anleitung).
Siri: Mit der Sprachsteuerung können Apps geöffnet
und Standardbefehle und Standardabfragen ausge-
führt werden (Link zur Anleitung).
32
Wie unter Barrierefreiheit in der Praxis aus unterschiedlichen Perspektiven
herausgearbeitet wurde, sind die Möglichkeiten für Bildungseinrichtungen,
Barrierefreiheit umzusetzen, sehr vielfältig. Ein weiterer – mindestens
ebenso wichtiger Punkt – ist der Umgang der MitarbeiterInnen mit behin-
derten Menschen. Ein barrierefreies Gebäude und der Einsatz von Hilfs-
mitteln unterschiedlicher Art sind wichtige Aspekte der Umsetzung, eine
offene Haltung gegenüber behinderten Menschen muss sich aber auch im
Verhalten der MitarbeiterInnen widerspiegeln. Barrierefreiheit muss auch
gelebt werden.
Einer der wichtigsten Tipps im diesem Zusammen-
hang lautet, keine Scheu zu haben, Ängste und
Unsicherheiten offen und direkt anzusprechen.
Menschen mit Behinderungen sind die ExpertInnen
in eigener Sache, sie wissen selbst am besten, ob
bzw. welche Hilfe sie benötigen. Wenn man unsicher
ist, ob und wie man helfen kann, ist es am besten,
einfach nachzufragen. Gemeinsam erarbeitete Lö-
sungen sind oft die besten.
Über diesen relativ allgemein gehaltenen Tipp hin-
aus, ist es empfehlenswert, sich regelmäßig mit den
aktuellen Begriffen und Formulierungen zu beschäf-
tigen. Was das betrifft ist das Thema Barrierefreiheit
relativ schnelllebig und es ist wichtig, laufend am
aktuellen Stand zu bleiben. Dabei können auch
Sensibilisierungsworkshops zum Thema helfen. Das
Thema ist zu groß und zu umfangreich, als dass
man sich durch Einlesen mit der gesamten Materie
vertraut machen kann. Darüber hinaus ist es, wenn
es um den Umgang mit behinderten Menschen geht,
auch wichtig, Kontakt mit ihnen zu haben. Nur so
lässt sich im Laufe der Zeit eine gewisse Selbstver-
ständlichkeit im Umgang mit behinderten Menschen
herstellen.
Grundkompetenzen von ErwachsenenbildnerInnen
Neben spezifischen Informationen zum Umgang
mit behinderten Menschen und einem sensiblen
Sprachgebrauch, erfordert die inklusive Erwach-
senenbildung von den ErwachsenenbildnerInnen
bestimmte Grundkompetenzen. Fachorganisationen
von Menschen mit Behinderungen weisen mit Nach-
druck auf folgende sechs Grundkompetenzen hin:
• Fachkompetenz: inklusive Erwachsenenbildung
macht es – mehr noch als die allgemeine Erwach-
senenbildung – notwendig, dass die Erwachse-
nenbildnerInnen in der Lage sind, ihr Fachwissen
inhaltlich strukturiert und gut verständlich
anzubieten. Darüber hinaus brauchen sie ein
Grundwissen zu den unterschiedlichen Bedarfen
behinderter Menschen (siehe Barrierefreiheit in
der Bildungseinrichtung und Inklusive Kurs- und
Seminarmodelle).
• Methodenkompetenz: die Methodenkompetenz
umfasst all jene Fähigkeiten, die das Lehren und
die Organisation von Veranstaltungen betreffen.
Geplante Inhalte werden den individuellen und
MitarbeiterInnen schulenBeatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
33
zielgruppenspezifischen Bedürfnissen gemäß
gestaltet und umgesetzt.
• Sozialkompetenz: Der/die ErwachsenenbildnerIn
respektiert und unterstützt die TeilnehmerInnen
ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend.
Der Umgang miteinander ist durch Achtung,
Respekt, Offenheit und Wertschätzung geprägt.
• Reflexive Kompetenz: Die eigene Reflexions-
bereitschaft ist in der inklusiven Erwachsenen-
bildung wesentlich. Durch Feedback-Runden,
laufendes Nachfragen und schriftliche Evaulie-
rungen können Meinungen und Wünsche aller
TeilnehmerInnen abgefragt und Verbesserungs-
möglichkeiten dementsprechend umgesetzt
werden.
• Gesellschaftliche Kompetenz: die Überwindung
von Barrieren (in den Köpfen) findet u.a. durch
eine aktive Auseinandersetzung mit den Themen,
„Behinderungen, Diskriminierung, Gleichstellung“
und dgl. statt.
• Personale Kompetenz: der/die Erwachsenenbild-
nerIn geht mit Kritik konstruktiv um und besitzt
die Bereitschaft, offen für Neues zu sein und mit
den TeilnehmerInnen zu lernen. Humor, Begeiste-
rungsfähigkeit, das Interesse am Menschen und
Flexibilität sind entscheidende Fähigkeiten in der
inklusiven Erwachsenenbildung.
Diese Aufzählung ist als eine Zusammenfassung der
Mindestanforderung aus Sicht der Betroffenen zu
verstehen. Umfassendere Kompetenzmodelle der
Erwachsenenbildung – wie das Qualifikationsprofil
der wba oder auch die Key Competences for Adult
Learning Professionals – beinhalten weitaus mehr
Kriterien als die hier angeführten. Es geht aber in
diesem Abschnitt nicht darum, die Grundkompe-
tenzen von ErwachsenenbildnerInnen vollständig
darzustellen, es soll überblicksartig herausgearbei-
tet werden, welche Grundkompetenzen – in Abgren-
zung zum spezifischen Fachwissen über Menschen
mit Behinderungen – für eine inklusive Erwachse-
nenbildung von Bedeutung sind.
Tipps für einen wertschätzenden Sprachgebrauch
Zusätzlich zu den Grundkompetenzen von Er-
wachsenenbildnerInnen erfordert der Umgang mit
behinderten Menschen im besonderen Maße einen
wertschätzenden Umgang miteinander. Es ist den
betroffenen Menschen bewusst, dass nicht von
Behinderungen betroffene Menschen nicht alles
zum Thema wissen können und Fehler passieren.
Wenn für die Betroffenen spürbar ist, dass im Ge-
genüber die grundsätzliche Haltung stimmt, dann
wird das positiv gewertet und diskriminierendes
Verhalten, das aus Unwissenheit resultiert, wird
weniger schwerwiegend beurteilt. In einer solchen
Atmosphäre ist es eher möglich, von- und mitein-
ander zu lernen.
Zu einem wertschätzenden Umgang gehört in diesem
Fall auch die Auseinandersetzung mit dem jeweils
aktuellen Sprachgebrauch. In diesem Bereich ist
das Thema Barrierefreiheit relativ schnelllebig.
Begriffe verändern sich laufend, Formulierungen
sind zu einem gewissen Zeitpunkt erwünscht und
später negativ besetzt. Ein Beispiel dafür ist die
begriffliche Veränderung von der Integration zur
Inklusion weiter zur Barrierefreiheit, wie sie im
unter Paradigmatische Umbrüche ab den 1970er
Jahren dargestellt wurde.
Ein paar – zurzeit gültige – Hinweise zu einem wert-
schätzenden Sprachgebrauch werden im Anschluss
dargestellt. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch
an Vollständigkeit, sie soll vielmehr in Form von
Beispielen ein Gespür für die Sache vermitteln.
Menschen mit Behinderungen
Es zeugt von Wertschätzung gegenüber behinderten
Menschen, wenn man, wenn man über sie spricht,
das Mensch-Sein in der Vordergrund stellt. Spricht
man von „den Behinderten“ oder „den Gehörlosen“
etc. reduziert das die Menschen auf ihre Behinde-
rung. Diese stellt aber nur einen einzelnen Teil der
gesamten Persönlichkeit des jeweiligen Menschen
dar, gleichzeitig machen ihn noch viele andere Ei-
genschaften aus. Formulierungen wie, „Menschen
mit Behinderungen“, „behinderte Menschen“ und
ähnliches werden daher bevorzugt.
Menschen mit Lernschwierigkeiten/ kognitiver Behinderung
Ähnliches gilt auch für die Gruppe der Menschen
mit Lernschwierigkeiten. Sie sind diejenigen, die
früher häufig als „geistig behinderte Menschen“
34
bezeichnet wurden. Diese Formulierung wird heute
von vielen Betroffenen diskriminierend aufgefasst.
Der Wunsch, sie nicht mehr zu verwenden und
stattdessen von „Menschen mit Lernschwierigkeiten“
zu sprechen, kommt direkt aus der Zielgruppe der
Betroffenen. Wenn es solche dezidierten Wünsche
gibt, so ist es ein Zeichen von Respekt, diese zu
berücksichtigen und den eigenen Sprachgebrauch
entsprechend anzupassen.
Gehörlose Menschen
Gehörlose Menschen wurden früher als „taubstumm“
bezeichnet. Diese Formulierung wird heute diskri-
minierend aufgefasst. Der Zielgruppe ist es wichtig,
dass anerkannt wird, dass sie zwar im medizinischen
Sinne „taub“ sind, also nicht hören können, dass
sie aber keinesfalls „stumm“ sind. Sie haben eine
Sprache, die Gebärdensprache. Deshalb sollte von
dieser alten Begrifflichkeit Abstand genommen wer-
den und als Zeichen des Respekts von „gehörlosen
Menschen“ gesprochen werden.
Kein falsches Mitleid
Generell ist es empfehlenswert, auf Formulierungen
zu verzichten, die eine mitleidige Grundhaltung
transportieren. Das gehören zum Beispiel Formulie-
rungen, wie „an einer Behinderung leiden“. Gerade
wenn die Behinderung von Geburt an gegeben ist,
„leiden“ die Betroffenen selten darunter. Für sie
ist es der Normalzustand, sie haben kein Leben
ohne die Behinderung kennengelernt und wissen
gar nicht, wie es anders sein könnte. Eine solche
Formulierung stülpt dem behinderten Menschen
die eigene Wahrnehmung – dass es schrecklich sein
muss, eine Behinderung zu haben – unreflektiert
über. Selbstverständlich gibt es auch Menschen,
die unter ihrer Behinderung leiden, insbesondere,
wenn sie mit einem Unfall oder einer Erkrankung
einhergegangen ist, In solchen Fällen dauert es
zumeist ein bisschen, bis sich die Menschen an ihre
neue Lebenssituation gewöhnt haben. Aber auch
dann sollte ihnen nicht von vornherein die eigene
Bewertung der Situation aufgedrängt werden. Jeder
Mensch geht mit seiner/ihrer Behinderung anders
um und es ist ein Zeichen des Respekts, auf die
individuelle Einschätzung der jeweiligen Person
zu reagieren anstatt eigene Vorurteile walten zu
lassen.
Vorsicht mit eigenen Vorurteilen
Ähnliches gilt für die Formulierung, „an den
Rollstuhl gefesselt“. Auch in dieser Formulierung
spigelt sich die eigene Einschätzung wider, dass es
schrecklich sein muss, im Rollstuhl zu sitzen. Für die
meisten mobilitätseingeschränkten Personen stellt
der Rollstuhl aber den Inbegriff von Mobilität dar.
Er ist das Hilfsmittel, mit dem sie (vorausgesetzt
die Umgebung ist entsprechend gestaltet) selbst-
ständig von A nach B kommen. Sie empfinden den
Rollstuhl daher meistens als Befreiung und nicht als
Einschränkung.
Diese Beispiele sollen einen ersten Eindruck davon
vermitteln, worum es bei einem sensiblen Sprach-
gebrauch geht. Weitere Hinweise dieser Art können
auch im Buch der Begriffe nachgelesen werden. Es
muss dabei allerdings beachtet werden, dass sich
auch darin enthaltene Empfehlungen möglicher-
weise schon verändert haben oder verändern
werden. Das Thema kann in Anbetracht der Leben-
digkeit und Veränderung von Sprache niemals als
abgeschlossen betrachtet werden. Wie auch schon
in anderen Zusammenhängen festgehalten, ist es
empfehlenswert, eng mit den Betroffenen selbst
zusammenzuarbeiten und sich laufend rückzuversi-
chern, was aktuell erwünscht oder nicht erwünscht
ist.
Ansprechpersonen finden
Es gibt in allen österreichischen Bundesländern
Organisationen und Vereine, die Informations- und
Sensibilisierungsangebote zu den verschiedenen
Behinderungsformen und den damit einhergehen-
den Bedarfen bzw. zum Thema Barrierefreiheit im
Allgemeinen anbieten. Eine Übersicht über die ver-
schiedenen Anbieter finden Sie nach Bundesländern
geordnet unter Informationsmaterial, Quellen und
Kontakte.
35
Im Abschnitt Barrierefreiheit in der Praxis wurde empfohlen, die Beschäf-
tigung mit dem Thema damit zu beginnen, anhand der Checkliste zu
überprüfen, welcher Handlungsbedarf in der jeweiligen Erwachsenenbil-
dungseinrichtung gegeben ist. Je nachdem, was die Überprüfung mit der
Checkliste ergeben hat, ist es nun empfehlenswert, dieser Ergebnisse nach
außen zu tragen. Behinderte Menschen achten genau darauf, ob sie in
Programmen und/oder auf Webseiten als KundInnengruppe angesprochen
werden und ob sie im Vorfeld Informationen zu den Gegebenheiten vor
Ort finden können. Es kommt hier der bekannte Ausspruch von Paul
Watzlawick zum Tragen: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Was ist
damit gemeint? Wenn sich in der gesamten Broschüre oder auf der gesam-
ten Webseite keinerlei Hinweise finden lassen, die sich explizit an Menschen
mit Behinderungen richten, dann kann das von der Zielgruppe so aufgefasst
werden, dass sie übersehen wurden oder – im schlechtesten Fall – nicht
erwünscht sind.
Damit sich auch behinderte Menschen vom jeweili-
gen Kursangebot angesprochen fühlen, sollten sich
bereits im Programm und der Webseite entspre-
chende Hinweise finden. Es ist das langfristige Ziel
von inklusiven Bildungsangeboten, dass nicht mehr
extra ausgewiesen werden muss, dass Angebote
auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich
sind, von diesem Ziel sind wir zurzeit aber noch weit
entfernt. Wichtig ist bei all den nachfolgenden
Hinweisen, die Empfehlungen, die unter Tipps für
einen wertschätzenden Sprachgebrauch gegeben
wurden präsent zu haben und auf einen aktuellen
und wertschätzenden Sprachgebrauch zu achten.
Barrierefreiheit in Drucksorten
Damit im Bildungsprogramm einer Einrichtung
nicht nur über Barrierefreiheit gesprochen wird,
sondern sie nach Möglichkeit auch gleich im Pro-
gramm direkt umgesetzt wird, sind zunächst Hin-
weise zur Gestaltung von Drucksorten angebracht.
Dazu gehören u.a. Kriterien wie Schriftgröße,
Schriftart und Kontrast. Die Empfehlungen dazu
lauten – in aller Kürze zusammengefasst:
• Schriftgröße mind. 12 Punkt. Für viele Zielgrup-
pen ist eine noch größere Schrift noch besser,
aber in der Praxis kann die Schrift schon alleine
wegen der dann anfallenden Druckkosten häufig
nicht weiter vergrößert werden.
• Keine Serifenschriften, da bei bestimmten Beein-
trächtigungen die Buchstaben nicht eindeutig
voneinander abgegrenzt werden können.
• Ein ausgeprägter Kontrast. Kontraste können
bei der digitalen Erstellung vor dem Druck mit
dem colour contrast analyzer überprüft werden.
Dieses Tool orientiert sich an den Vorgaben der
Barrierefreie Öffentlichkeitsarbeit: Präsentation nach außen Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
36
WCAG-Richtlinien und gibt an, ob bzw. auf wel-
chem Niveau die Kontraste entsprechen.
Neben diesen gestalterischen Kriterien, gilt es die
Barrierefreiheit in Drucksorten auch inhaltlich
umzusetzen. Mehr noch als für alle anderen Ler-
nenden ist es für Menschen mit Behinderungen
wichtig, genaue Informationen dazu zu erhalten,
wo und wie Veranstaltungen angeboten werden,
wer die Ansprechperson vor Ort ist und wo und
wie man sich anmelden kann. Diese Informationen
sollten gesammelt an einem gut ersichtlichen Ort
in der Druckversion zu finden sein. Darüber hinaus
brauchen Menschen mit Behinderungen möglichst
genaue Auskünfte zum Kursort und der räumli-
chen und technischen Ausstattung.
In jeder Druckversion sollten Hinweise enthalten
sein, die sich explizit an Menschen mit Behinde-
rungen richten. Das wird als Wahrnehmung ihrer
Bedarfe erlebt und baut Hemmschwellen, sich
anzumelden, ab. Die Hinweise könnten z.B. lauten:
• „Die barrierefreie Toilette befindet sich im selben
Stock wie der Kursraum.“
• „Im Bedarfsfall kann eine induktive Höranlage
aufgebaut werden“ oder „im Kursraum befindet
sich eine induktive Höranlage. Bitte geben Sie
Ihren Bedarf ggf. bei der Anmeldung bekannt.“
• „Es können Unterlagen in Leichter Sprache/
in Großschrift/in digitaler Form/... angeboten
werden. Bitte lassen Sie es uns wissen, wenn Sie
überarbeitete Unterlagen benötigen.“
Diese Hinweise sind beispielhaft zu verstehen und
müssen auf die realen Gegebenheiten vor Ort ad-
aptiert werden. Es ist in diesem Zusammenhang
außerordentlich wichtig, nur Rahmenbedingungen
anzusprechen, die auch tatsächlich erfüllt werden
können. Es führt zu großer Verärgerung, wenn
man Versprechungen macht, die dann nicht ein-
gehalten werden können.
Hinweise dieser Art gestalten sich in Druckwerken
aus Platzgründen häufig schwierig. Wenn es gar
nicht anders geht, dann reicht ggf. auch ein Hin-
weis der Art, „Wenn Sie noch Fragen haben haben,
melden Sie sich bitte bei uns. Wir sind bemüht, im
Rahmen unserer Möglichkeiten auf die verschie-
denen Bedarfe aller lerninteressierten Personen
Rücksicht zu nehmen“. Eine andere Alternative
wäre es, über einen Internetlink zu zeigen, dass
man sich des Themas bewusst ist. Ein Beispiel da-
für wäre: „Informationen zur Barrierefreiheit vor
Ort finden Sie im Internet unter…“. Eine weitere
platzsparende und leicht verständliche Alternative
ist die Verwendung von Piktogrammen und/oder
Bildern. Hier ist genau darauf zu achten, dass
aussagekräftige Bilder verwendet werden. Bilder,
die keine konkrete Aussagekraft haben, können
mehr verwirren als dass sie helfen.
Für Menschen mit Behinderungen ist es mehr noch
als für andere Lernende wichtig, eine Ansprech-
person für alle auftauchenden Fragen zu haben.
Idealerweise kann diese Person sowohl Fragen
zur Barrierefreiheit als auch zum Kursangebot
selbst beantworten, in der Praxis gibt es oft eine
Ansprechperson für den Kurs, eine andere für die
Barrierefreiheit. Jedenfalls sollten diese Personen
namentlich genannt werden und in allen Me-
dien der Öffentlichkeitsarbeit (Drucksorten und
Webseite) sollte ausdrücklich auf sie hingewiesen
werden.
Barrierefreiheit auf der Webseite
Eine barrierefreie Webseite besteht aus mehreren
Komponenten. Sie muss einerseits barrierefrei pro-
grammiert werden und andererseits redaktionell
so befüllt werden, dass die Barrierefreiheit auch
im laufenden Betrieb gewährleistet bleibt. Dieser
Abschnitt behandelt daher die Themen Menschen
mit Behinderungen im Internet, Gesetze und
Standards, Barrierefreiheit testen und Inhaltliche
Barrierefreiheit auf Webseiten
Menschen mit Behinderungen im Internet
Um zu verstehen, wie barrierefreie Webseiten
aufgebaut sein müssen, ist es wichtig, darüber
Bescheid zu wissen, wie behinderte Menschen das
Internet nutzen. Diese Bedarfe wurden zum Teil
auch schon unter „Barrierefreie Materialien und
Hilfsmittel: wer braucht was? Tipps für den Semi-
naralltag“ behandelt, der Schwerpunkt war aber
dort ein anderer, weshalb die Bedarfe behinderter
Menschen für die Nutzung des Internets in diesem
Abschnitt noch einmal behandelt werden sollen:
37
Blinde PC-NutzerInnen: Blinde PC-NutzerInnen
verwenden den Computer entweder mit einem
Screenreader oder mit einer Braille-Zeile. Der
Screenreader liest ihnen alles, was auf der Web-
seite zu sehen ist vor, die Braille-Zeile „übersetzt“
der Text in tastbare Braille-Schrift. Die Braille-Zeile
sieht aus wie eine Tastatur, der Text wird durch
kleine Stiftchen abgebildet, die sich ertasten lassen.
Sowohl der Screenreader als auch die Braille-Zeile
erfordern eine gewisse Darstellungsform der Texte.
Blinde Menschen verwenden keine Maus, sondern
bedienen den Computer mit der Tastatur. Daher ist
es für diese Zielgruppe wichtig, dass Webseiten so
gestaltet werden, dass alle Unterpunkte auch mit
dem Tabulator erreicht werden können.
Menschen mit Sehbehinderungen und PC-Nutzung:
Menschen mit Sehbehinderungen arbeiten häufig
mit einem großen Bildschirm, größeren Schriften
und/oder anderen Kontrasten. Für sie ist es daher
wichtig, Schriftgröße und Kontrast individuell
anpassen zu können. Damit das möglich ist, müs-
sen die Seiten auf eine bestimmte Art und Weise
programmiert werden. Zusätzlich ist es wichtig,
auf farbcodierte Informationen zu verzichten, da
bei bestimmten Fehlsichtigkeiten Farben nicht ent-
sprechend wahrgenommen werden können. Bei der
so genannten „rot-grün-Blindheit“ beispielsweise
erscheinen die Farben rot und grün als grau. Es ist
es daher besser Formulierungen wie, „Drücken Sie
den roten Knopf“ zu vermeiden und stattdessen
Formulierungen wie, „Drücken Sie den linken/
rechten Knopf“ oder dgl. zu verwenden.
Personen mit motorischen Einschränkungen:
Menschen mit motorischen Einschränkungen
bedienen den Computer meistens mit Hilfsmit-
teln wie einer Kopfmaus, oder einer Mundmaus
oder mit anderen speziellen Eingabegeräten. Bei
einer eingeschränkten Feinmotorik sind kleine
Elemente oder zu geringe Abstände, die eine ge-
naue Bedienung erfordern, ein großes Hindernis.
Auch Zeitbeschränkungen wie beispielsweise beim
Online-Banking können für diese Zielgruppe ein
Problem darstellen.
Gehörlose Menschen: Gehörlose Menschen ha-
ben häufig als Muttersprache die österreichische
Gebärdensprache erlernt. Für sie ist die deutsche
Schriftsprache eine Fremdsprache. Daher sind für
sie in der schriftlichen Kommunikation, Texte in
Leichter Sprache sehr hilfreich. Die beste Lösung
für Webseiten sind Videos in Gebärdensprache.
So können sie wichtige Informationen in ihrer
Muttersprache erfassen, die sie am allerbesten
verstehen.
Menschen mit Lernschwierigkeiten/kognitiver
Behinderung: Menschen mit Lernschwierigkeiten/
kognitiver Behinderung brauchen Informationen
in Leichter Sprache. Auf Webseiten ist darüber
hinaus eine möglichst einfach zu erfassende und
zu verstehende Orientierung und Bedienung von
Bedeutung.
Gesetze und Standards
Wie unter „Gesetzliche Grundlagen einer Zugäng-
lichkeit für alle“ bereits für die Barrierefreiheit im
Allgemeinen ausgeführt, ist auch die Umsetzung
barrierefreier Webseiten keine Sache der Freiwil-
ligkeit mehr. Webseiten richten sich mit ihrem An-
gebot ebenfalls an die Allgemeinheit und müssen
daher genauso wie Geschäfte und Dienstleistungen
für alle Menschen zugänglich und nutzbar sein. Da-
rüber hinaus regelt das e-government-Gesetz, dass
Webseiten von Behörden, Ämtern und Stellen der
öffentlichen Verwaltung barrierefrei zugänglich
sein müssen. Darunter fallen auch die Organisati-
onen und Dienstleistungen, die durch öffentliche
Stellen finanziert werden und ihre Webseiten.
Im Unterschied zur physischen Barrierefreiheit
gibt es zur Umsetzung der Barrierefreiheit im
Internet weltweit gültige Regeln, die so genannten
WCAG-Richtlinien (web content accessibility
guidelines). Diese wurden vom World Wide Web
Consortium (W3C) herausgegeben. Das W3C ist ein
Gremium zur Standardisierung von Techniken, die
das World Wide Web betreffen. Die Web Accessibility
Initiative (WAI) ist eine Arbeitsgruppe des W3C, die
sich mit der Barrierefreiheit im Netz beschäftigt und
die WCAG-Richtlinien herausgegeben hat.
Die in den WCAG-Richtlinien definierten Haupt-
kriterien der Barrierefreiheit sind:
• Wahrnehmbarkeit: alle Informationen sollen mit
Hilfsmitteln über zwei Sinne (Hören und Sehen)
wahrgenommen werden können.
38
• Bedienbarkeit: neben der Maus muss auch die
Bedienbarkeit über die Tastatur oder andere
spezielle Eingabegeräte möglich sein.
• Verständlichkeit: die Texte und die Navigation
müssen klar und leicht verständlich sein.
• Technische Robustheit: eine Webseite muss mit
verschiedenen Browsern, aber auch mit ver-
schiedenen Endgeräten und Technologien immer
gleich gut genutzt werden können.
Diese Hauptkriterien sind in viele weitere Un-
terpunkte untergliedert, die nicht alle erläutert
werden können. Sie können bei Interesse unter den
WCAG-Richtlinien nachgelesen werden.
Barrierefreiheit testen
Im Internet gibt es mittlerweile viele Möglichkei-
ten, verschiedene Aspekte der Barrierefreiheit
einer Webseite zu überprüfen. Ein paar dieser
Möglichkeiten werden nachfolgend dargestellt:
• Die Checkliste der WAI dient dazu, die Zugäng-
lichkeit von Webseiten zu überprüfen
• Das Prüftool wave überprüft die Accessibility
einer Webseite. Wave blendet verschiedene Icons
in die originale Webseite ein, und zeigt damit
potenzielle Accessibility-Probleme auf.
• Der Color Blind Webpage Filter ist ein Online-Tool,
mit dem es möglich ist, eine Webseite auf Lesbar-
keit für Menschen mit verschiedenen Farbsehstö-
rungen hin zu überprüfen.
• Schreiblabor ist ein Online-Tool, mit dem man
testen kann, ob ein Text leicht lesbar ist. Nach
Eingabe des Textes werden lange Wörter, Fremd-
wörter, Füllwörter und zu lange Sätze markiert.
Anhand dieser Auswertung kann der Text noch
einmal überarbeitet werden.
• Kontraste auf Webseiten können mit dem colour
contrast analyzer überprüft werden.
Testung durch betroffene Personen: Neben diesen
Prüftools ist es empfehlenswert, die Webseite auch
von betroffenen Personen testen zu lassen. Bei so
genannten „usability-Tests“ überprüfen Personen
aus den gewünschten Zielgruppen, Webseiten
nach festgelegten Kriterien auf deren Benutz-
barkeit. Die Ergebnisse der Testung werden für
die Anpassung und Weiterentwicklung der Seite
genutzt.
Inhaltliche Barrierefreiheit auf Webseiten
Eine einfache Möglichkeit, um das Thema Barriere-
freiheit inhaltlich über die Webseite zu transpor-
tieren, ist die Einrichtung eines gut ersichtlichen
Menüpunktes mit dem Namen „Barrierefreiheit“.
Unter diesem Punkt können alle wichtigen Infor-
mationen zum Thema zusammengefasst werden,
wie beispielsweise Informationen zum Kursort und
zur räumlichen und technischen Ausstattung. Die-
ses unauffällige Signal erreicht bei der Zielgruppe
eine große Wirkung: es gibt nach wie vor sehr
wenige Webseiten, die diesen Unterpunkt einge-
richtet haben. Es ist kein großer Aufwand, hebt
eine Bildungseinrichtung aber von der Masse ab.
Solche Rubriken sollten immer mit einem Hinweis
der Art geschlossen werden: „Wenn Sie noch Fra-
gen haben, melden Sie sich bitte bei uns. Wir sind
bemüht, im Rahmen unserer Möglichkeiten auf
die verschiedenen Bedarfe aller lerninteressierten
Personen Rücksicht zu nehmen“. Das baut Hemm-
schwellen ab und lädt interessierte Personen aktiv
ein, sich zu melden.
Für Menschen mit Behinderungen ist es mehr
noch als für alle anderen Lernenden wichtig,
eine Ansprechperson für alle auftauchenden
Fragen – sowohl zum Kursangebot als auch zur
Barrierefreiheit – zu haben. Diese Person sollte
sich entsprechend mit dem Thema Barrierefreiheit
und den Bedarfen der verschiedenen Zielgruppen
auskennen. Wenn es in der Bildungseinrichtung
jemanden gibt, der/die diese Aufgabe überneh-
men kann, sollte darauf auch in allen Medien der
Öffentlichkeitsarbeit (Drucksorten und Webseite)
hingewiesen werden. Außerdem sollten genaue
Informationen dazu gegeben werden, wo und wie
Veranstaltungen angeboten werden und wo und
wie man sich anmelden kann.
Bewerbung von Angeboten
Generell ist es bei der Bewerbung von barriere-
freien Bildungsangeboten empfehlenswert, mit
entsprechenden Firmen und/oder Einrichtungen
der Behindertenhilfe Kontakt aufzunehmen. Da
das Angebot an barrierefreien Bildungsangeboten
noch nicht so umfangreich ist, freuen sich die
meisten Einrichtungen, wenn sie Informationen
39
über neue Angebote für ihre MitarbeiterInnen oder
KundInnen erhalten. Neue Angebote werden dann
gerne unter der eigenen Zielgruppe beworben, was
für die Bildungseinrichtung wiederum die Chancen
erhöht, dass (weitere) behinderte Menschen den
Kurs besuchen. Mit jeder erfolgreich durchge-
führten Veranstaltung reduziert sich im weiteren
Verlauf der Organisationsaufwand. Die Firmen und
Einrichtungen kennen den Kursanbieter bereits
und wissen, was sie erwarten können, die Ler-
nenden haben schon eigene Erfahrungen mit dem
Kursanbieter gemacht und kommen – vorausge-
setzt sie waren zufrieden – gerne wieder.
Zertifizierungs-Möglichkeiten
Auch Zertifizierungen sind ein gutes Mittel, um ein
neue KursteilnehmerInnen zu erreichen. Wenn sich
potenzielle TeilnehmerInnen durch ein vergebenes
Zertifikat sicher sein können, dass die Qualität in
einer Bildungseinrichtung entsprechend gegeben
ist, baut das Hemmschwellen ab und die Personen
melden sich eher für einen Kurs oder eine Veran-
staltung an. Wird eine Zertifizierung angestrebt, so
ist gewisse Vorsicht geboten, weil es viele verschie-
dene Zertifikate und viele verschiedene Anbieter
von Zertifizierungen gibt. Stellen, die Zertifikate
vergeben und das Thema Barrierefreiheit ernst
nehmen, sind sich bewusst, dass die Herstellung der
Barrierefreiheit kein Zustand, sondern ein Prozess
ist. Zertifiziert wird daher nicht der Ist-Zustand,
sondern die begonnene Auseinandersetzung mit
dem Thema. Für die Organisation selbst ist die
angestrebte Zertifizierung ein guter Ansatzpunkt,
um damit zu beginnen, sich mit der Barrierefreiheit
in der eigenen Organisation zu beschäftigen. Wenn
ein Zertifikat vergeben wurde, so sollte dieses in
allen Medien der Öffentlichkeitsarbeit entspre-
chend eingebaut werden.
AEMA – das europäisches Zertifizierungsmodell
Das AEMA-Assessment umfasst verschiedene
Indikatoren, um den „Level der Zugänglichkeit“
von Erwachsenenbildungs-Einrichtungen zu über-
prüfen und darzustellen. Ein wesentliches Krite-
rium bei der Überprüfung der Einrichtung ist die
Barrierefreiheit. Die AEMA-Zertifikate werden in
verschiedenen Abstufungen („Levels 1-3“, Expert“)
vergeben.
„Fair für alle“ – das neue organisationsübergreifende Zertifikat für Österreich
Ein ganz neues Projekt, das gerade noch in der
Anlaufphase ist, ist die Zertifizierung „Fair für
Alle“. „Fair für Alle“ ist eine Auszeichnung österrei-
chischer Behindertenorganisationen an alle Unter-
nehmen und Organisationen in Österreich, die sich
nachhaltig mit der umfassenden Barrierefreiheit
Ihrer Güter- und Dienstleistungen befassen. Im
Rahmen eines Audits wird die aktuelle Situation
in Augenschein genommen und gemeinsam mit
VertreterInnen von Behindertenvertretungsorgani-
sationen werden weitere notwendige Maßnahmen
erarbeitet. Am Ende des Prozesses steht die Zerti-
fizierung mit der Plakette „Fair für alle“.
40
Wie unter Geschichte der inklusiven Bildung nachgezeichnet wurde, ist
die Geschichte der barrierefreien Erwachsenenbildung (in Österreich) noch
recht jung. Gute Beispiele der Umsetzung sind daher rar. Nachfolgend
werden ein paar Beispiele vorgestellt. Sie sollen als Inspiration dienen und
einen Eindruck vermitteln, wie man die Umsetzung der barrierefreien
Erwachsenenbildung angehen kann. Wie immer erhebt die Darstellung der
Beispiele keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Beispiele für barrierefreie Angebote in Österreich
Es gibt das vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung geförderte Netzwerk „D.I.E. - Denkwerk-
statt Inklusive Erwachsenenbildung“. Dieses Netz-
werk existiert seit 2003. Der dezidierte Auftrag des
Netzwerkes ist der Austausch und die Vernetzung im
gesamten österreichischen Bundesgebiet. Im Netz-
werk sind aus allen österreichischen Bundesländern
VertreterInnen von Erwachsenenbildungseinrich-
tungen und/oder Behindertenvertretungsorganisa-
tionen vertreten. Gemeinsam wird daran gearbeitet,
Informationen zur Barrierefreiheit in der Erwach-
senenbildung zu sammeln und auszutauschen und
sich gegenseitig über neue Entwicklungen auf dem
Laufenden zu halten. Die nachfolgenden Beispiele
sind jene, die in diesem Netzwerk als Best Practice
Beispiele aus Österreich gesammelt wurden.
Bildungshaus Schloss Retzhof – das erste barrierefreie Bildungshaus Österreichs
Mit dem Bildungshaus Schloss Retzhof hat die
Steiermark das erste barrierefreie Bildungshaus
Österreichs. Schon auf der Startseite der Webseite
von Schloss Retzhof wird die Barrierefreiheit zum
Thema gemacht, es gibt eine Erläuterung dazu, wie
die Piktogramme im Bildungsprogramm zu lesen
und zu verstehen sind. Die Webseite ist generell
übersichtlich gestaltet und man kann sich darin
gut zurechtfinden. Es gibt eine gut auffindbare
und verständliche Wegbeschreibung, wie man zum
Bildungshaus kommt. Viele wichtige Informationen
werden auf der Webseite auch als Gebärdensprach-
Videos zur Verfügung gestellt. Im Seminarprogramm
macht eine Markierung mit Piktogrammen deutlich,
für welche Zielgruppen der jeweilige Kurs offensteht.
Schloss Retzhof muss in diesem Sinne als österrei-
chisches Best-Practice-Beispiel bezeichnet werden.
Es empfiehlt sich, sich bei der Auseinandersetzung
mit der Barrierefreiheit in der eigenen Bildungsein-
richtung an dem Bildungshaus zu orientieren und
ggf. Kontakt aufzunehmen.
Bildungsnetzwerk Steiermark
Das Bildungsnetzwerk Steiermark hat in den ver-
gangenen Jahren zwei Mal Lehrgänge zum Thema
„Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung“
Umsetzung der barrierefreien Erwachsenenbildung im deutschsprachigen RaumBeatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
41
durchgeführt. Die Lehrgänge waren in Form eines
inklusiven Angebots offen für Menschen mit und
ohne Behinderungen und wurden vom Land Stei-
ermark gefördert. Zusätzlich wurde ein Lehrgang
„Bildungsberatung für ein aktives Altern“ angeboten.
Im Herbst wird ein neuer Lehrgang mit dem Thema
„Vielfalt.Training“ angeboten. Darüber hinaus wird
die Steirische Weiterbildungsdatenbank neu ent-
wickelt. Es wird noch daran gearbeitet, ob und wie
einzelne Veranstaltungen als barrierefrei gekenn-
zeichnet werden können.
biv – die Akadamie für integrative Bildung
Im biv werden einerseits Kurse für Menschen mit
Behinderungen angeboten. Andererseits erfüllt das
biv eine wichtige Vernetzungsfunktion zwischen
Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Behin-
dertenvertretungsorganisationen. In den letzten
Jahren sind verschiedene Broschüren entstanden,
die EB-Einrichtungen dabei unterstützen sollen,
Barrieren abzubauen. Alle diese Broschüren sind
auch unter Informationsmaterial und Broschüren
verlinkt.
Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) St. Wolfgang
Am bifeb in Strobl wird bereits seit einigen Jahren
intensiv daran gearbeitet, alle Kurse und auch die
Kursräumlichkeiten für alle Menschen zugänglich
zu machen. Das bifeb umfasst eine große Fläche in
Hanglage, insofern ist die Herstellung der baulichen
Barrierefreiheit nicht ganz einfach zu umzusetzen.
So weit als möglich, wurde die Zugänglichkeit zu
den Räumlichkeiten aber bereits mittels Rampen
und einem Treppenlift realisiert. Seit zehn Jahren
werden im Bundesinstitut für Erwachsenenbildung
„Kreative Bildungstage“ angeboten. Im Rahmen
dieser viertägigen Veranstaltung können sieben
Workshops von Menschen mit und ohne Behinde-
rung besucht werden.
VHS Meidling
In Wien bietet die Volkshochschule Meidling (in
Kooperation mit der biv – Akademie für integra-
tive Bildung) Kurse für Menschen mit und ohne
Behinderungen an. Dafür wurde ein eigenes leicht
verständliches Bildungsprogramm geschaffen. Die
KursleiterInnen für diese Kurse sind speziell geschult
und haben mittlerweile eine langjährige Erfahrung
bei der Umsetzung von inklusiven Bildungsangebo-
ten. Das allgemeine Kursangebot der VHS Meidling
kann, so gewünscht, mit Lernassistenz besucht
werden. Auf der Webseite der Volkshochschulen
Wiens erleichtert ein Farbleitsystem zu den ver-
schiedenen Kursinhalten das Verständnis und die
Orientierung.
Wissensturm in Linz
In Linz ist vor allem die VHS-Bibliothek, genannt der
„Wissensturm“, bestrebt, Angebote inklusiv anzubie-
ten, und auf persönliche Bedürfnisse einzugehen. Das
passiert u.a. durch die Zusammenarbeit mit anderen
Organisationen (z.B. der Diakonie). Es gibt vor Ort
ein Blindenleitsystem und diverse Schalterbereiche
sind mit induktiven Höranlagen ausgestattet. Durch
die verschiedenen Themenbereiche der Bibliothek
führt ein Farbleitsystem, es gibt Kopierstationen,
die auf eine niedrige Höhe herabgesetzt sind, so dass
sie für kleine Menschen und Menschen im Rollstuhl
selbstständig zu bedienen sind. Das Lernzentrum
LeWis im Wissensturm bietet Unterstützung für
Menschen mit Lernschwierigkeiten durch eigens
ausgebildete Lerncoaches. Die Webseite informiert
auf einer Seite zu Barrierefreiheit über die Rahmen-
bedingungen vor Ort.
VHS Salzburg
In der Volkshochschule Salzburg wurde im vergan-
genen Jahr in Kooperation mit der Diakonie ein
Sensibilisierungslehrgang für KursleiterInnen durch-
geführt. In Zukunft sollen in Kooperation mit der
Lebenshilfe Salzburg inklusive Kurse angeboten wer-
den. In Kooperation mit SIS werden Deutschkurse
für hörbehinderte oder gehörlose AsylwerberInnen
durchgeführt.
Beispiele für barrierefreie Angebote in Deutschland
Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über Beispiele
aus dem deutschsprachigen Raum. Auch diese
Auswahl wurde vom österreichweiten Netzwerk
„D.I.E. – Denkwerkstatt Inklusive Erwachsenen-
bildung“ getroffen. Mit einigen der angeführten
42
Organisationen und Institutionen wurde im Rah-
men von grenzübergreifenden Projekten schon
zusammengearbeitet.
Deutscher Volkshochschul-Verband (DVV)
Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) hat
für alle seine Mitglieder Empfehlungen zur Umset-
zung der Zugänglichkeit von VHS herausgegeben.
In diesem achtseitigen Dokument finden sich viele
wertvolle Hinweise zum Abbau von Barrieren in
Volkshochschulen. Die Herausgabe dieses Dokuments
ist insofern bemerkenswert, als es nicht alltäglich ist,
dass Verbände für ihre Mitglieder derart praxisnahe
Tipps ausarbeiten und damit auf die Umsetzung der
Barrierefreiheit und der UN-Behindertenrechts-
konvention drängen. Die nachfolgenden Beispiele
verschiedener VHS in Deutschland zeigen, dass diese
Empfehlung eine Wirkung in der Praxis hat.
VHS Bamberg
Die Volkshochschule Bamberg wird seit Herbst 2014
durch das von der Aktion Mensch und von der Ober-
frankenstiftung geförderte Projekt „Inklusion in
Weiterbildung und Kultur“ bei der Umsetzung ihres
barrierefreien Bildungsangebotes unterstützt. Das
macht sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Sowohl
das Bildungsprogramm als auch die Webseite wer-
den durch ein Farbleitsystem für die verschiedenen
Arten von Kursen leichter verständlich. Die Web-
seite beinhaltet die Seite Inklusive Volkshochschule
Bamberg, in der Menschen mit Behinderungen direkt
als KundInnen angesprochen werden. In der VHS
Bamberg gibt es für Menschen mit Behinderungen
Unterstützung bei der Auswahl von Lernangeboten
und bei der Anmeldung. Das Anmeldeformular bietet
die Möglichkeit anzukreuzen, wenn man Unter-
stützung benötigt, z.B. eine induktive Höranlage,
barrierefreie Zugänge oder Gebärdensprachdolmet-
scherInnen. Es gibt eine Ansprechpartnerin für alle
auftauchenden Fragen (rund um die Barrierefreiheit).
Es empfiehlt sich, sich bei der Umsetzung eigener
Projekte an dieser Volkshochschule zu orientieren
und ggf. Kontakt aufzunehmen.
VHS Berlin
Die Berliner Volkshochschulen bieten auf ihrer Web-
seite unter VHS inklusiv Informationen zu ihren
Kursen bzw. Informationen in Leichter Sprache. Es
gibt ein außerordentlich gut und übersichtlich ge-
staltetes Kursprogramm in Leichter Sprache. Neben
einem einschlägigen Kursangebot für Menschen mit
Behinderungen wird auch versucht, das allgemeine
Kursprogramm für alle Menschen gleichermaßen
zugänglich zu machen. Auf der Webseite gibt es den
ausdrücklichen Hinweis, dass man sich melden soll,
wenn man Unterstützung beim Kursbesuch braucht.
VHS Freiburg
Die Volkshochschule Freiburg hat eine übersicht-
liche und leicht verständliche Webseite. Ein Farb-
leitsystem führt durch die verschiedenen Arten von
Kursen. Unter Menschen mit Behinderungen und
Lernschwierigkeiten wird aktiv darauf hingewiesen,
dass das gesamte Kursangebot auch für Menschen
mit Behinderungen offensteht. Die potenziellen
TeilnehmerInnen werden eingeladen, sich zu melden,
wenn sie Unterstützungsbedarf haben. Es werden
namentlich Ansprechpersonen genannt, an die man
sich wenden kann.
VHS München
Die Volkshochschule München hat auf ihrer Website
unter Barrierefrei lernen ihr barrierefreies Ange-
bot zusammengefasst. Hier findet man nicht nur
Kurse für Menschen mit (und ohne) Behinderungen
sowie das Programmheft, sondern z.B. auch ein
Informations-Video, wie man als RollstuhlfahrerIn
zur VHS kommt und wo sich der entsprechende
Eingang befindet. Solche Maßnahmen machen
deutlich, dass man sich in der VHS bereits inten-
siv mit dem Thema beschäftigt hat. Durch solche
Hinweise und Informationen werden behinderte
Menschen aktiv als potenzielle KursteilnehmerInnen
angesprochen.
VHS Nürnberg
Die Volkshochschule Nürnberg/Bildungszentrum
Nürnberg hat mittlerweile schon lange ein inte-
gratives Kursangebot. Wie es das Wunschziel der
inklusiven Bildung ist, werden Kurse nicht mehr
extra als für behinderte Menschen zugänglich
ausgeschildert, sondern es gibt einen allgemeinen
Hinweis dazu, dass das Kursprogramm grundsätz-
lich für alle Menschen offensteht und man sich
43
im Bedarfsfall jedenfalls mit den VeranstalterInnen
in Verbindung setzen soll. Darüber hinaus gibt es
einen genauen Lageplan, in dem die verschiedenen
Veranstaltungsorte eingezeichnet sind. Jene, die
rollstuhlgerecht sind, sind entsprechend markiert,
jene, wo eine induktive Höranlage vorhanden ist,
ebenfalls. Es gibt eine TeilnehmerInnen-Vertretung,
an die man sich mit allen Anliegen wenden kann
und die die Interessen der TeilnehmerInnen vertritt.
Aktueller Schwerpunkt ist lt. Webseite die „bar-
rierefreie Teilnahme“ an Kursen. Die Webseite ist
übersichtlich gestaltet und ermöglicht eine einfache
Orientierung und Navigation. Das Bildungspro-
gramm macht hinsichtlich der Gestaltung und der
Formulierungen deutlich, dass das Thema Barrie-
refreiheit in der Bildungseinrichtung angekommen
ist. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer, aber
die Webseite und/oder das Bildungsprogramm der
VHS Nürnberg sind gute Beispiele dafür, wie man es
angehen könnte.
Kooperationspartner finden und Ressourcen nutzen: Finanzierungs-möglichkeiten
Seit das Bundes-Behinderten-Gleichstellungsgesetz
in vollem Umfang in Kraft getreten ist, gibt es kaum
noch Förderungen für die Umsetzung der Barriere-
freiheit. Sie ist gesetzlich geboten und damit nur
mehr bedingt förderungswürdig. In der Praxis
hat sich gezeigt, dass der Förderung individueller
TeilnehmerInnen oder auch einzelner Projekte eher
stattgegeben wird.
(Bildungs-)Förderungen beantragen
Eine Möglichkeit, um Fördergelder zu generieren, ist
die Kontaktaufnahme mit den Sozialabteilungen der
jeweiligen Landesregierungen. Darüber lassen sich
manchmal Förderungen für einzelne TeilnehmerIn-
nen organisieren. Da diese Fälle aber Einzelfälle dar-
stellen, sollte auch in andere Richtungen gedacht
werden. Empfehlenswert sind Kurs- und Bildungs-
förderungen im Allgemeinen, wie beispielsweise die
Bildungsförderung oder auch der AK-Bonus. Um
solche Unterstützungen in Anspruch nehmen zu
können, braucht es seitens der Bildungseinrichtung
ein fundiertes Wissen über die Förderlandschaft des
jeweiligen Bundeslandes.
Beteiligung an Ausschreibungen für Preise und Auszeichnungen
Eine weitere Möglichkeit liegt darin, nach Aus-
schreibungen für Preise und Auszeichnungen Aus-
schau zu halten. Das klingt banal, kann aber ein
vielversprechender Weg sein, um an zusätzliche
Gelder und auch Bewerbungskanäle zu kommen.
Behindertenvertretungsorganisationen, wie bei-
spielsweise die Lebenshilfe Österreich verleihen
jährlich Preise wie den Inklusionspreis. Solche
Ausschreibungen für Preise und Auszeichnungen
gibt es immer wieder. Sie können neben einem mög-
licherweise zu generierenden Preisgeld u.a. auch
die Aufmerksamkeit auf ein Projekt erhöhen, was
möglicherweise die Teilnahme (weiterer) behinderter
Menschen zur Folge hat. Es zahlt sich daher aus, zu
Beginn eines neuen Vorhabens eine Recherche zu
aktuellen Ausschreibungen anzustellen.
Kooperationen anstreben
Eine Möglichkeit, um kostenseitig zu sparen ist
die Kooperation mit entsprechenden Firmen und
Einrichtungen. Wenn beispielsweise für einen Kurs
eine induktive Höranlage benötigt wird, ist es sinn-
voll mit Firmen Kontakt aufzunehmen, die diese
verleihen und Kooperationsmöglichkeiten auszu-
loten. Möglicherweise kann ein günstigerer Preis
angeboten werden, wenn dafür das Logo der Firma
in der Kursbroschüre abgedruckt wird. Ähnliche
Möglichkeiten bieten sich auch für die Organisation
anderer Hilfsmittel an.
Wenn sichergestellt ist, dass eine bestimmte Ziel-
gruppe den Kurs ohne Hindernisse besuchen kann,
ist es in einem weiteren Schritt empfehlenswert,
mit einschlägigen Vereinen und Organisationen
Kontakt aufzunehmen. Um bei diesem Beispiel zu
bleiben: wenn eine induktive Höranlage vor Ort ist
und im Kurs verwendet wird, bietet es sich an, mit
Vereinen und Organisationen Kontakt aufzunehmen,
die hörbeeinträchtigte Menschen zur Zielgruppe
haben. Das Angebot wird unter diesen Bedingun-
gen sicher gerne unter der Zielgruppe verbreitet.
Das wiederum erhöht die Chancen, dass weitere
hörbeeinträchtigte Personen teilnehmen, wodurch
a) die Kosten, die der Einsatz der induktiven Hör-
anlage mit sich bringt, eher gerechtfertigt werden
können, b) möglicherweise höhere Einnahmen über
44
Teilnahmegebühren erzielt werden können und so-
mit der Kosten-Nutzen-Faktor insgesamt verbessert
wird.
Mit jeder erfolgreich durchgeführten Veranstal-
tung reduziert sich im weiteren Verlauf der Orga-
nisationsaufwand. Die Firmen und Einrichtungen
kennen den Kursanbieter bereits und wissen, was
sie erwarten können. Die Aushandlung von Koope-
rationsmöglichkeiten muss nicht jedes Mal neu
stattfinden, man kann auf vergangene Erfahrungen
zurückgreifen und darauf aufbauen, was den Prozess
beschleunigt.
Kontakte zu entsprechenden Firmen und Organisati-
onen finden Sie unter Kontakte und Informationen.
45
Nachfolgend findet sich eine Auflistung von Literatur, Handbüchern und
anderen Informationsquellen über barrierefreie Bildung bzw. Erwachse-
nenbildung sowie Kontaktstellen für Informationen zur Barrierefreiheit
in den Bundesländern.
Informationsmaterial und Broschüren
Austrian Standards (2017): ÖNORMEN B1600 ff. (kostenpflichtig im Internet zu bestellen).
Biewer, Gottfried (2017): Grundlagen der Heilpädagogik und Inklusiven Pädagogik. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. UTB: Wien.
biv – die Akademie für integrative Bildung (Hg.) (2011): Bildungsberatung barrierefrei. Leitfaden für Bildungs- und Berufsberate-rInnen. Wien.
biv – die Akademie für integrative Bildung (Hg.) (2012): Bildungsveranstaltungen barrierefrei. Leitfaden für methodisches Arbeiten in der Erwachsenenbildung. Wien. pdfs/bildungsveranstaltungen_barrierefrei.pdf
biv – die Akademie für integrative Bildung (Hg.) (2007): Erwachsenenbildung barrierefrei. Leitfaden für ein gemeinsames Lernen ohne Hindernisse. Wien.
biv – die Akademie für integrative Bildung (Hg.) (2014): Online-Beratung barrierefrei. Leitfaden für eine Internet-basierte Bildungsberatung. Wien.
Brantner, Ulrike/Paulweber, Ute/Platter, Martina (2016): Barrierefreiheit in der SeniorInnenbildung. Checkliste. Herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Wien.
Brünig, Gerhild/Kuwan, Helmut (2002): Benachteiligte und Bildungsferne – Empfehlungen für die Weiterbildung. Herausgegeben vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung. Bielefeld: wbv.
Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Hg.) (o.J.): Häufig gestellte Fragen zu „Barrierefreiheit“. Wien.
Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Hg.) (2016): Bericht der Bundesregierung über die Lage der Menschen mit Behinderungen in Österreich 2016. Wien.
Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (2017): Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in Österreich. Leicht zu lesen. Leicht zu verstehen. Für alle, die es brauchen. Wien.
Redaktion impulse (2005): Checkliste für die Weiterbildung für Menschen mit Behinderungen. In: impulse 35/2005, S. 32-33.
Netzwerk Erwachsenenbildung Intergrativ (NetzwebIn) (Hg.): Wie barrierefrei ist Ihre Bildungseinrichtung? Checkliste. Wien.
Firlinger, Beate (2003): Buch der Begriffe. Sprache, Behinderung, Integration. Herausgegeben von Integration:Österreich. Wien.
Firlinger, Beate/Braunreiter, Michaela/Aubrecht, Brigitta (2005): MAINual – Handbuch Barrierefreie Öffentlichkeit. Information. Kommunikation. Inklusion. Herausgegeben von MAIN_Medienarbeit Integrativ. Wien.
Grill, Isabell (2005): Inklusive Bildung. Erste Schritte zu einer gemeinsamen Erwachsenenbildung für behinderte und nichtbehinderte Menschen. Wien.
Informationsmaterial, Quellen und KontakteBeatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta
46
Heiserholt, Michael (2005): Events für Alle – Qualitätsstufen für barrierefreie Veranstaltungen“. Herausgegeben vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit. Erfurt.
Klingler, Reinhold (2004): Teilnehmernahe Erwachsenenbildung. Von den Bildungsfernen zu den Teilnehmernahen“. Innsbruck.
Paulweber, Ute/Platter, Martina (2016): Factsheet: Barrierefreiheit in der SeniorInnenbildung. Herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
Platte, Andrea/Seitz, Simone/Terfloth, Karin (Hrsg.): Inklusive Bildungsprozesse. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Schöler, Jutta (Hrsg.) (2000): Integrative Erwachsenenbildung für Menschen mit Behinderung. Praxis und Perspektiven im internationalen Vergleich“. Neuwied/Berlin: Luchterhand.
Stadtbaudirektion Graz, Referat Barrierefreies Bauen (2006): Barrierefreies Bauen für ALLE Menschen. Planungsgrundlagen“. Graz.
Kontaktstellen für Informationen zur Barrierefreiheit
Es gibt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Netzwerk D.I.E. – Denkwerkstatt
Inklusive Erwachsenenbildung. Dieses Netzwerk existiert seit 2003. Der dezidierte Auftrag des Netzwerkes
ist der Austausch und die Vernetzung zu Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung im gesamten öster-
reichischen Bundesgebiet. Im Netzwerk sind aus allen österreichischen Bundesländern VertreterInnen von
Erwachsenenbildungseinrichtungen und/oder Behindertenvertretungsorganisationen vertreten. Gemeinsam
wird daran gearbeitet, Informationen zur Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung zu sammeln und
auszutauschen und sich gegenseitig über Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Die nachfolgenden
Kontaktadressen sind jene, die in diesem Netzwerk als AnsprechpartnerInnen für die verschiedenen Bun-
desländer gesammelt wurden.
• Kontaktadressen für Wien
• Kontaktadressen für Niederösterreich
• Kontaktadressen für Oberösterreich
• Kontaktadressen für Burgenland
• Kontaktadressen für Steiermark
• Kontaktadressen für Salzburg
• Kontaktadressen für Kärnten
• Kontaktadressen für Tirol
• Kontaktadressen für Vorarlberg
Dr.in Beatrix Eder-Gregor
Foto
: K. K
.Beatrix Eder-Gregor studierte Psychologie und Sportwissenschaften. Von 1984 bis 1988 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sportwissenschaften der Uni Wien, bis 1994 Lektorin am Institut für Sportwissenschaften. Seit 1992 unterrichtet sie an der Schule für Sozialbetreuungsberufe und ist als Erwachsenenbildnerin tätig. 1997 gründete sie gemeinsam mit Ilona Weigl biv – die Akademie für integrative Bildung, in der sie seither als Geschäftsführerin und pädagogische Leiterin tätig ist. Seit 2011 führt sie eine eigene Praxis für Craniosacrale Biodynamik und psychologische Beratung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Barrierefreie Bildung, Persönlichkeitsbildung für Menschen mit (kognitiver) Behinderung, pädagogisches und methodisches Arbeiten mit Menschen mit Behinderung sowie Stressmanagement, Burnout Prophylaxe, ressourcenorientiertes Arbeiten, Bewegung und Meditation.
[email protected]://www.biv-integrativ.at
+43 (0)1 8921504
Mag.a Eva-Maria Speta
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: K. K
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Eva-Maria Speta studierte Pädagogik an der Universität Wien. Nach ihrem Studium war sie langjährige Projektmitarbeiterin im Bereich Barrierefreie Erwachsenenbildung, wodurch sie einen fundierten Einblick in den Alltag von Menschen mit Behinderung bekommen hat. Sie absolvierte eine umfassende Weiterbildung zur Erstellung von Texten in Leichter Sprache und begleitete und leitete den Lehrgang „Barrierefreiheit“. Seit August 2017 ist sie freiberuflich tätig u.a. im Auftrag für biv – Akademie für integrative Bildung.
[email protected]+43 (0)680 3163664
Mag. Karl Bäck
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: Age
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Karl Bäck ist Experte für digital inklusiv Bildung und assistierende Technologien. Er hat die erste Diplomprüfung für Informatik in Wien absolviert und anschließend Erziehungswissen-schaften in Graz studiert. Unter den zahlreichen Auslandsaufenthalten ist eine 4-monatige Assistenztätigkeit am RIX Research an Media Institut an der Universität von Ostlondon besonders erwähnenswert. Seit 2002 arbeitet er bei atempo im Bereich der Qualifizierung von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderung. Weiters ist er seit vielen Jahren in europäischen Projekten mit dem Fokus der digitalen Inklusion aktiv. Ein besonderes Anliegen ist ihm die Fortbildung von Fachkräften im Behindertenwesen, ErwachsenbildnerInnen und LehrerInnen mit dem Fokus auf inklusive Bildung.
[email protected]://www.atempo.at
+43 (0)660 3247762
https://erwachsenenbildung.at/themen/barrierefreie-erwachsenenbildung
Impressum/Offenlegung
Dossier erwachsenenbildung.at
Die Themenreihe mit fundierten Hintergrundinformationen
Gefördert aus Mitteln des BMBWF
Online: https://erwachsenenbildung.at/themen
ISBN: 978-3-9504562-2-6
Projektträger
CONEDU – Verein für Bildungsforschung und -medien Marienplatz 1/2/L, A-8020 Graz ZVR-Zahl: 167333476
Medieninhaber und Herausgeber
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Minoritenplatz 5, A-1014 Wien
AutorInnenBeatrix Eder-Gregor (biv – die Akademie für integrative Bildung)Eva-Maria Speta (BHW Bildungs- und Heimatwerk Niederösterreich GmbH)Karl Bäck (atempo)
Online-RedaktionKarin Kulmer, MSc MA (Verein CONEDU)
Satz und Design
Design Karin Klier (tür 3))) DESIGN) angepasst von Mag.a Sabine Schnepfleitner (Verein CONEDU)
Website
wukonig.com | Wukonig & Partner OEG
Medienlinie
https://erwachsenenbildung.at ist das Portal für Lehren und Lernen Erwach-sener des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. In der Rubrik „Themen“ beschreiben ausgewiesene Exper-tinnen und Experten anhand umfangreicher Dossiers aktuelle Themen der Erwachsenen- und Weiterbildung. Ziel eines jeden Dossiers ist es, zu einem bildungspolitisch, wissenschaftlich und/oder didaktisch relevanten Themen-kreis einen Überblick zu geben, fundierte Hintergrundinformationen aufzu-bereiten, den Diskurs abzubilden und mit zahlreichen Links und Hinweisen
eine weiterführende Recherche zu ermöglichen. Die Dossiers richten sich an Personen, die in der Erwachsenenbildung und verwandten Feldern tätig sind, insbesondere an Studierende und BerufseinsteigerInnen. Parallel zur Website erscheinen diese Ausarbeitungen auch für den Druck oder elektronische Lesegeräte aufbereitet in der Reihe „Dossier erwachsenenbildung.at“. Alle Publikationsformate sind unter https://erwachsenenbildung.at/themen kostenlos verfügbar.
Urheberrecht und Lizenzierung
Dieses „Dossier erwachsenenbildung.at“ ist unter CC BY 4.0 International lizenziert und erschien zuerst auf https://erwachsenenbildung.at.
BenutzerInnen dürfen den Inhalt zu den folgenden Bedingungen vervielfäl-tigen, verbreiten und öffentlich aufführen:
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Im Falle der Wiederveröffentlichung oder Bereitstellung auf Ihrer Website senden Sie bitte die URL und/oder ein Belegexemplar elektronisch an [email protected] oder postalisch an die angegebene Kon-taktadresse.
Zitierhinweis:
Kontakt und Hersteller
https://erwachsenenbildung.at p. A. CONEDU – Verein für Bildungsforschung und -medien Marienplatz 1/2/L, A-8020 Graz [email protected]
Text: CC BY Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta, Karl Bäck (2019), auf https://erwachsenenbildung.at
Personen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen benötigen häufig Hilfestellungen und Informationen, um Zugang zu (Erwachsenen-)Bildung zu bekommen bzw. daran teilnehmen zu können. Das Dossier zur barrierefreien Erwachsenenbildung stellt Beispiele vor, wie Barrierefreiheit in der Praxis umgesetzt werden kann - vom Bildungsangebot über die Weiterbildung von MitarbeiterInnen bis zur Präsentation nach außen. Außerdem bietet es einen Überblick über gesetzliche Grundlagen und die Geschichte der inklusiven Bildung.
https://erwachsenenbildung.at ist das Portal für Lehren und Lernen Erwachsener des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. In der Rubrik „Themen“ behandeln ausgewiesene Expertinnen und Experten in umfangreichen und fundierten Dossiers aktuelle Themen der Erwachsenenbildung – ideal, um sich einzulesen und einen Überblick zu verschaffen, mit zahlreichen Links für eine eigenständige weiterführende Auseinandersetzung. Die Dossiers richten sich an Personen, die in der Erwachsenenbildung und verwandten Feldern tätig sind, aber auch an Studierende und BerufseinsteigerInnen. Neuere Dossiers stehen zudem als Druckversion sowie als E-Book zum kostenlosen Download unter https://erwachsenenbildung.at/themen bereit.
Gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
Gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung,
ISBN 978-3-9504562-2-6