hifi& recordshochwertige Musikwiedergabe
Das Magazin für
»Little Darling«:
Falcon Acoustics LS 3/5 A
Sonderdruck Ausgabe 4/2016
L A U T S P R E C H E R
Legenden sind, zumindest dem Wortsinne nach, streng ge-
nommen eine literarische Form, eng verwandt mit dem
Märchen und der Sage. Was bedeutet: Ihr Wahrheitsgehalt
ist nicht verbürgt. Und doch beruht wohl jede gute Geschichte
irgendwie auf einer überlieferten Erzählung, die meist von »sa-
genhaften« Qualitäten oder Taten handelt, welche die Zeiten über-
dauern und forthin Gültigkeit haben. Doch wenn sich eine Legen-
de einmal verselbständigt hat, beginnt sie ein Eigenleben zu
führen – die Geschichte wiederholt und bestätigt sich dann immer
wieder selbst. Es ist wie bei einem Image, das sich in der öffent-
lichen Meinung einmal festgesetzt hat. Gegen das, was doch eh
jeder weiß, kommen auch Popstars und Sportidole selbst mit der
Wahrheit nicht mehr an. Albert Einstein sagte dazu einmal in sei-
ner locker-legeren Art: »Es ist schwieriger, eine vorgefasste Mei-
nung zu zertrümmern als ein Atom.« Tja, auch mit dieser Er-
kenntnis lag der geniale Mathematiker wohl richtig.
Auch im Zuge des immer stärker um sich greifenden »Älter ist
besser«-Vintage-Kults, der sich mittlerweile über erstaunlich viele
Bereiche des Lebens erstreckt, können sich im Web viral selbstver-
stärkende Ansichten über historisches Equipment verbreiten und
verfestigen. Und dann kann man in schöner Regelmäßigkeit im-
mer das gleiche Muster beobachten: Einem winzigen Angebot steht
plötzlich eine gigantische Nachfrage gegenüber – und jede Menge
Geld. Die Preise explodieren, egal ob es sich um eine alte Leica-Ka-
mera, ein Neumann-Röhrenmikrophon oder eine schöne E-Gitar-
re von Gibson oder Fender handelt (für eine gut erhaltene 58er oder
59er Les Paul Sunburst, wie Mark Knopfler sie spielt, wird schon
mal der Gegenwert einer Eigentumswohnung aufgerufen).
Im High End genießen heute praktisch sämtliche alten BBC-
Lautsprecher in weiten Teilen der Welt einen solchen Legenden-
Status, obwohl sicher nicht alles Gold war, was die British Broad-
casting Corporation damals so entwickelt und lizenziert hat. Das
größte Schätzchen der berühmten BBC-Familie ist
zweifellos die kleine LS 3/5 A. Um diesen Lautspre-
cher ranken sich mittlerweile die tollsten Geschich-
ten und beflügeln die Phantasie – und somit die
Preise auf dem Gebrauchtmarkt. 5.000 Euro für
eine Chartwell aus den siebziger Jahren? Kein The-
ma, dem Vernehmen nach sollen solche Raritäten
(Chartwell überlebte nur zwei Jahre) sogar bereits
für fünfstellige Beträge den Besitzer gewechselt ha-
ben. Was bei all diesem geradezu kultischen Treiben
gerne ausgeblendet wird, ist der Zustand der alten
Preziosen. Lautsprecher und Mikrophone aber altern
nunmal, ja an ihnen nagt der Zahn der Zeit sogar be-
sonders gründlich, und es ist eben gerade nicht so,
dass sie im Laufe der Jahre immer besser werden.
Manche Exemplare sind nach vierzig Jahren so un-
brauchbar wie eine abgenudelte und verkratzte LP.
Die Geschichte der LS 3/5 A ist genau genommen
auch nicht die der Lizenznehmer wie Rogers, Chart-
well, Goodmans, Audiomaster, RAM, Spendor oder
Harbeth. Die wesentlichen Akteure sind vielmehr
die BBC (Entwicklung) und KEF (Chassis und spä-
ter auch Weichen). In der Kurzfassung: Die BBC
hatte einen kompakten »Grade 2«-Monitor für die
Verwendung im Nahfeld bei eingeschränkten Platz-
bedingungen entwickelt, die LS 3/5. Rogers hatte
dieses Modell 1974 bereits avisiert, doch dann stell-
te sich heraus, dass KEF die Spezifikationen der ver-
wendeten Chassis (B110 und T27) geändert hatte.
Das machte eine Überarbeitung des Designs not-
wendig, die durch den Anhang »A« dokumentiert
wurde. Dieser Lautsprecher ging bei mehreren Li-
zenznehmern in Serie, die von KEF damals nur die
Treiber bezogen und eigene Frequenzweichen und
Gehäuse gemäß den Vorgaben fertigten, was mög-
liche Unterschiede zwischen den Modellen der er-
sten LS 3/5 A-Generation erklärt.
Ein Dauerthema war die Serienkonstanz der
Chassis. Die ist ja auch für den präzisen Paarab-
gleich enorm wichtig, und die damaligen Möglich-
keiten lagen bei Weitem nicht auf heutigem Ferti-
gungsniveau. Insbesondere eine Sickenresonanz
Schon wieder eine Kopie der legendären LS3/5A?
Nein, die BBC-lizenzierte Falcon Acoustics ist der
seriöse Versuch einer höchst akkuraten Replika.
Test: Lautsprecher Falcon Acoustics BBC LS 3/5A
Little Darling4/2016 hifi & records
L A U T S P R E C H E R
des B110-Tiefmitteltöners streute stark
und erzwang später sogar eine weitere
Überarbeitung (die BBC-Entwickler hat-
ten diesbezüglich vermutlich die besten
Exemplare selektiert, aber dass das Pro-
blem später allen Beteiligten bekannt
war, bezeugt der in dieser kritischen
Zone großzügige Toleranzbereich in den
Lizenzbedingungen). Für die LS 3/5 A-
Modelle der zweiten Generation, die Be-
zeichnung wurde diesmal beibehalten,
lieferte KEF fortan Kits aus gepaarten
Chassis und kompletter Frequenzweiche.
Mit dieser »ıı-Ohm«-Version trat 1988
erstmals auch Harbeth in den Kreis der
Lizenznehmer ein.
Doch bereits Ende der achtziger Jahre
trauerten die ersten LS 3/5 A-Liebhaber
der früheren »ı5-Ohm«-Version nach,
obwohl diese objektiv betrachtet und von
der Serienkonstanz her sicher nicht bes-
ser war. 1999 hat KEF dann die Ferti-
gung der beiden Oldie-Treiber (es gab
damals auch Überlegungen, diese von
Harbeth weiterbauen zu lassen) endgül-
tig eingestellt – die LS 3/5 A war damit
Geschichte, aber die Nachfrage hielt un-
gebrochen an. Vor zehn Jahren erhielt
Stirling Broadcast für eine »v2«-Neu-
konstruktion von Derek Hughes eine
BBC-Lizenz (Heft 2/2006), zuletzt war
dies auch für die Chartwell LS 3/5 ohne
»A« von Graham Audio der Fall. Die soll-
te gar ein Remake des ursprünglichen
Mini-Monitors verkörpern, aber in ihr
steckt eine Ferrofluid-gekühlte 19-Milli-
meter- Metallkalotte, die es so anno 1974
noch gar nicht gab (Heft 2/2016).
Immerhin hatte diese Version wieder
einen Mitteltöner mit Bextren-Membran,
der anderen Nachbauten und LS 3/5 A-Ko-
pien immer fehlte. Denn machen wir uns
nichts vor: Der B110 mit seiner beidseitig
kräftig beschichteten Membran aus die-
sem speziellen Kunststoff verlieh der
LS 3/5 A ihren unnachahmlichen Mittel-
ton und damit auch ihre allseits so hoch-
geschätzte Wiedergabe von Stimmen
(auch der Tiefmitteltöner der gleichfalls
legendären Spendor BC1 war ein Bextren-
Typ). Aber kann man eine möglichst ori-
ginalgetreue Kopie dieses B110 (mit all
seinen Macken) heute wieder herstellen?
Genau hier setzt nun Falcon Acoustics
an. Was zunächst wie eine vermessene
Utopie klingt, macht Sinn, wenn man
weiß, wer hinter dieser hierzulande un-
bekannten Firma steht: Malcolm Jones.
Er war der erste Mitarbeiter, den KEF-
Chef Raymond Cooke einst einstellte
und bis 1974 unmittelbar an den Ent-
wicklungen des B11o und des Hoch-
töners T27 beteiligt. Von daher kennt
Jones diese beiden Chassis aus dem Eff-
eff, bis ins kleinste Detail. Auch mit der
LS 3/5 A ist er bestens vertraut, Falcon
Acoustics lieferte einst die Frequenzwei-
chen für RAM und Goodmans.
Die Falcon Acoustics ist somit keine
LS 3/5 A-Imitation, nein, hier wagt sich
erstmals ein Hersteller an eine unge-
mein liebevoll gemachte, möglichst ori-
ginalgetreue Replika. Und das ist eine
ganz andere Aufgabe, als lediglich den
bekannten und gut dokumentierten
LS 3/5 A-Frequenzgang nachzuahmen.
Labor-Report
Die Falcon Acoustics haben wir auf
Hochtonachse und, wie es sich bei
der LS3/5A gehört, mit Bespannung ge-
messen. Im Frequenzschrieb fallen der be-
kannte (hier leichte) Präsenz-»Hump« um
ein Kilohertz auf (siehe Wasserfall), aber
auch Resonanzen jenseits von 10 Kilo-
hertz. Die Messung im Raum zeigt keine
Bassüberhöhung (die tritt gerne bei Nah-
feldmessungen auf). Das Impedanzmini-
mum liegt bei 8,3 Ohm/157 Hertz, die
Empfindlichkeit bei 82,5 dB (2,83V /1m
und 500-5.000 Hz). Die gemittelte Linea-
rität (0/15/30º) beträgt ± 2,6 dB.
Frequenzgang horizontal 0°/15°/30°
Impedanz Falcon Acoustics BBC LS 3/5 A
Wasserfall Falcon Acoustics BBC LS 3/5 A
Tonale Balance im Raum, auf Achse
Messabstand 1,0 Meter, 1/1 Oktave
Minimum: 8,3 Ω @ 157 Hz
hifi & records 4/2016
Entfernt man von der Fal-
con die »Tygan«-Frontbe-
spannung, die wie gewohnt
dank des Klettverschlusses
nicht so einfach abgeht und
als Bestandteil der Abstim-
mung sowieso immer drauf
bleiben soll, traut man sei-
nen Augen nicht: Das soll
ein Nachbau sein? Unser
Aufmacherphoto zeigt es:
Genau so sahen die 15-Ohm-
LS 3/5 A früher aus.
Malcolm Jones ist längst im
Ruhestand, doch zusammen
mit dem heutigen Falcon-
Chef Jerry Bloomfield hat er
ganze Arbeit geleistet: Der
B110 schimmert wie einst, er hat auch die
bekannte leichte Delle um ein Kilohertz
im Frequenzschrieb. Den T27-Hochtöner
haben die Briten nicht ganz so gut hinbe-
kommen, der neigt in der letzten Oktave
zu deutlichen Resonanzen. Das fällt wohl
weniger stark auf, als es auf dem Papier
aussieht, die Spitzen liegen ja sehr hoch,
und mancher LS 3/5 A-Freak wird dies
sogar als »Lebendigkeit« preisen und als
Vorzug auslegen (ich kenne allerdings
keinen T27, der dieses Verhalten an den
Tag gelegt hätte). Das Mitten-Flair bleibt
davon unberührt, und hier spielt sich ja
der eigentliche »LS 3/5 A-Zauber« bei der
Wiedergabe von Stimmen ab, wenn man
immer wieder dem Eindruck erliegt, da
stünden plötzlich Menschen aus Fleisch
und Blut vor einem und nicht nur akusti-
sche Abziehbilder ohne Seele. Ja, dieser
kleine »Schuhkarton« hat im Laufe sei-
Einmal im HiFi-Leben
muss man die LS3/5A
besessen haben, sagt
man, und wenn es die ursprüngliche 15-
Ohm-Version sein soll, würde ich die neue
Falcon Acoustics jedem Oldie vom Ge-
brauchtmarkt ohne zu zögern vorziehen.
Wenn Falcon jetzt noch den Hochtöner in
den Griff bekommt, wäre das Ergebnis
wohl perfekt. Eine besser gemachte Repli-
ka der ersten LS3/5A hat es bis dato je-
denfalls nicht gegeben. Wilfried Kress
Fazit
ner langen Karriere schon viele Hörer
überrascht; sprechen Lautsprecher-Ent-
wickler über ihn, schwingt da noch heu-
te großer Respekt mit (Craig Milnes von
Wilson Benesch zählt dazu).
Ich bin ja eigentlich ein Freund der
ıı-Ohm-Version (Exemplare von Harbeth
und KEF standen zum Vergleich bereit),
aber die Falcon Acoustics, die hat schon
was. Die LS 3/5 A war ja nie ein perfekter
Lautsprecher, aber ein überaus sympa-
thischer. Meine KEF aus der Raymond
Cooke Signature Edition klang im di-
rekten Vergleich zwar weniger vorlaut
im Hochton, aber auch sachlicher, etwas
nüchterner. Die involvierendere, man
könnte auch sagen »musikalisch an-
sprechendere« Darbietung (sie verleitete
mich mehr zum Mitsingen im Geiste)
würde ich unterm Strich der Falcon
Acoustics zugestehen – faszinierend.
Falcon AcousticsBBC LS3/5A
BxHxT 19 x 30 x 16,5 cm
Garantie 5 Jahre
Preis 2.990 Euro
Vertrieb Gaudios
Brandhofgasse 11
A-8010 Graz
Telefon 0043316 -337175
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