„Offene Arbeit und
der Sächsische Bildungsplan“
Prof`n. Dr. Marion Musiol
Prof`n. Dr. Marion Musiol,Prorektorin für Studium und Lehre Dresden, Februar 2017
Landeshauptstadt Dresden, am 09. Februar 2017
Offene Arbeit
„Statt zu planen, was laufen sollte müssen Konzeptionen
[...] vor allem Wahrnehmungshilfe leisten für das,
was läuft.
Irgendwas läuft immer – die Frage ist aber, wie groß die
Fähigkeit ist, es produktiv zu nutzen.“
Müller, B. (2013). Siedler oder Trapper? Professionelles Handeln im pädagogischen Alltag der Offenen
Kinder- und Jugendarbeit. In: U. Deinet & B. Sturzenhecker (Hrsg.). Handbuch Offene Kinder- und
Jugendarbeit. (4.Auflage). Springer VS: Wiesbaden, S. 26.
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Offene Arbeit
„Kein Konzept für Siedler,
die ihr Territorium unter Kontrolle wissen wollen!
Offene Arbeit:
Ein Konzept für Trapper, Pfadfinder und Bergführer!?“
Müller, B. (2013). Siedler oder Trapper? Professionelles Handeln im pädagogischen Alltag
der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. In: U. Deinet & B. Sturzenhecker (Hrsg.).
Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. (4.Auflage). Springer VS: Wiesbaden, S. 24.
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Inhaltliche Gestaltung
Ausgangssituation:
- Offene Arbeit war bereits in den 70ger Jahren ein Thema in Deutschland;
- War anfänglich eine Gegenbewegung zum „Leistungsansatz“, der frühzeitig Leistungen bei Kindern bzgl. des Wissenserwerbs messen sollte;
- Bis heute gibt es kein einheitliches Konzept oder „den“ offenen Kindergarten;
- Es gibt einen große Vielfalt an Deutungen und Umsetzungsversuchen in der Praxis;
- Grundsätzlich geht es um die Idee, Offenheit im System der Kindertageseinrichtungen voran zu treiben.
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Moderne pädagogische Konzepte im Diskurs
• Die Reggiopädagogik;
• Der Situationsansatz;
• Der Waldkindergarten,
• Der offene Kindergarten
• (Beispielhafte Auswahl!)
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Allgemeine Aspekte zur offenen Arbeit
• Alle Beteiligten sind aktive Gestalter pädagogischer Prozesse;
• Das Kind ist Akteur seiner selbst, kompetentes und
autonomes Wesen seiner eigenen Entwicklung;
• Das Kind soll kein Objekt eines von Erwachsenen konzipierten
Programms sein;
• Selbstbestimmung und Eigenverantwortung als zentrale
Kategorien pädagogischer Orientierung.
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• Es wird davon ausgegangen, dass auch junge Kinder diese
Aufgaben übernehmen und dadurch ihr Autonomiebestreben,
ihre Lebensfreude sowie ihre Teilhabe am Leben in den
Einrichtungen unterstützt und gefördert wird;
• Starke Orientierung an den Bedürfnissen sowie den
(Bildungs-) Themen des Kindes;
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Der Sächsische Bildungsplan als Orientierung:
• Der Bildungsauftrag steht im Mittelpunkt aller pädagogischer Überlegungen;
• Bildungsverständnis im Kontext einer Professionalisierungsdebatte für pädagogische Fachkräfte;
• Betreuung und Erziehung im Zusammenhang gesellschaftlicher Wandlungsprozesse verstehen und in der täglichen Praxis gestalten;
(Sächsischer Bildungsplan, S. 1- 4)
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Ausgangspunkt ist das Bild vom Kind
• Gesellschaftlicher Wandel, vor allem die veränderten Bedingungen für das Aufwachsen des Kindes, erfordern angemessene Antworten institutioneller BBE;
• Bildung von Anfang an, beinhalte u.a. Teilhabe, Partizipation, Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Geschlecht, dem Alter, der sozialen, religiösen, ethnischen und kulturellen Herkunft des Kindes;
• Das Kind hat ein Recht auf Bildung, Glück, Ausprägungsmöglichkeiten seiner Individualität sowie dem Willen auf die Sozialgemeinschaft.
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• Im Blick steht die hohe Selbstorganisationsfähigkeit des
Kindes;
• Klärung, was unter „Offenheit“ zu verstehen ist, ist
unabdingbar ( Innen und Außen);
• Hohe Bedeutung liegt im Gemeinschaftsleben trotz Offenheit;
• Offenheit besteht u.a. bezüglich der Verschiedenheit (-en)
der Kinder in der Sozialgemeinschaft.
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(Sächsischer Bildungsplan, S. 5 – 7)
Qualitätsstandards Pädagogischen Handelns
Beziehungs- und Interaktionsqualität
• Positive emotionale Beziehungen für kindliche Bildungsprozesse zu allen Zeiten entscheidend
• abhängig von der Interaktionsqualität:
– Zuwendung
– Sicherheit
– Stressreduktion
– Unterstützung der Exploration
– Assistenz(Ahnert 2007, S. 33f.)
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• Besondere Bedeutung der „Peerbeziehungen“ (vgl. Ahnert 2003)
• Beantwortung und Zumutung von Themen
• Dialogische Interaktion (zirkulärer Prozess), geprägt durch:
– Partizipation
– Kongruenz
– Akzeptanz
– Wertschätzung
– Empathie (Weltzien 2014)
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Qualitätsstandards Pädagogischen Handelns
Individuelle Transitionsprozesse gestalten
• der zeitliche und strukturelle Verlauf orientiert sich an den Bedürfnissen und Bedarfen der Kinder und deren Bezugspersonen;
• Entwicklungsaufgaben für die Kinder und Bezugspersonen auf der individuellen, interaktionalen und kontextuellen Ebene ;
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• größtmögliche personelle Kontinuität
• sensibler Übergangsprozess innerhalb des Tages
– Raumwechsel
– Bewusste Begrüßung und Verabschiedung von pädagogischen Fachkräften
(auch nach Schichtwechsel)
…
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Qualitätsstandards Pädagogischen Handelns
Beobachtung, Dokumentation, Erstellung eines individuellen Bildungsbuches
• Grundlage für gelungene Begleitung von individuellen Bildungsprozessen ist die Haltung: „Ich will Dich verstehen und unterstützen“;
• Kontinuierliche v.a. ungerichtete/ gerichtete Be(ob)achtungen in verschiedenen Alltagssituationen;
• Grundlage für das „individuelle Bildungsbuch“/ „Portfolio“
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• 3 Formen:
– Präsentationsportfolio
– Entwicklungsportfolio
– Persönliches Reflexionsbuch/Lerntagebuch
• „Hin- und Her- Buch“
• …
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Qualitätsstandards Pädagogischen Handelns
Kooperation mit den Müttern und Vätern (Eltern) –Bildungs- und Erziehungspartnerschaft
- Eltern als Expertinnen für das Kind wahrnehmen und mit
Wertschätzung und Respekt begegnen;
- Fragen, Anmerkungen, Perspektiven der Eltern ernst nehmen
und wohlwollend berücksichtigen;
- Eltern einbinden, beteiligen an pädagogischen Prozessen des
Alltags;
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Qualitätsstandards Pädagogischen Handelns
Reflexion des pädagogischen Handelns im Dialog
• Grundlage für professionellen Habitus pädagogischer Fachkräfte zu allen Bildungs- und Betreuungszeiten;
• Eigenes pädagogisches Handeln wahrnehmen, kritische Distanz einnehmen, biografische bedingte Handlungsmuster reflektieren und angemessene Handlungsoptionen im Prozess entwickeln
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• Reflexion
– tradierter familiärer Rollenmustern, Orientierungen und Erziehungsauffassungen
– weiblich sozialisierter Denk- und Verhaltensmuster
– bewusst oder unbewusst wirkender psychischer Dynamiken
– hinsichtlich einer angemessenen Konflikt- bzw. Streitkultur(vgl. Schlaghecken 1989)
• Bedeutung der Ko-Konstruktion unter Gleichen im Dialog (vgl. Musiol 2007)
• Forschende Haltung im fachlicher Dialog als Grundlage zur Weiterentwicklung der gesamten Einrichtung als lernende Organisation (vgl. Andres 2007)
• Bedeutung des Dialogs mit sich selbst
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Bedingungen für die Umsetzung
Strukturelle Bedingungen
• offene Gruppen/ Raumgestaltung/ Materielle Welten;
• flexible Tagesablaufgestaltung;
• gleitende Mahlzeiten/ offener Zugang zu Obst und Getränken während des gesamten Tages;
• flexible Dienstplangestaltung
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• klare Vereinbarungen bei Krankheit/Urlaub von pädagogischen Fachkräften;
• qualitativ gut ausgebildetes Personal, die selbst „Offenheit“ wollen und diese leben;
• anderes Informations- und Teamberatungssystem;
• gleiches gilt für Zusammenkünfte mit den Eltern bzw. Bezugspersonen der Kinder;
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Bedingungen für die Umsetzung
Qualitätssicherung – Externe und interne Evaluation
• Tietze (1998)
– Prozessqualität
– Strukturqualität
– Orientierungsqualität
• Bedeutung von Supervision bzw. Beratung
• enger Kontakt zwischen Leitung und Träger
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• Bedeutung von Fach- und Praxisberatung
• neben den Bewertungen der pädagogischen Fachkräfte,
Einbezug der Äußerungen der Kinder und Eltern
• Reflexionstagebuch als Grundlage für interne Evaluation sowie
Selbstevaluation der pädagogischen Fachkräfte
• Erweiterte Perspektive durch die externe Evaluation
• „Experimentierende Evaluation“ (Heiner 1998)
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Was bleibt kontinuierlich?
• Gesetzliche Rahmung;
• Inhalte des Sächsischen Bildungsplanes und deren
Umsetzung;
• Veränderungsprozesse in der Professionsentwicklung;
• Kind- und Familienorientierte, zugewandte Haltung der
pädagogischen Fachkräfte.
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Literaturverzeichnis• Ahnert, L. (2003). Die Bedeutung von Peers für die frühe Sozialentwicklung des Kindes. In: Keller, H. (Hrsg.): Handbuch der
Kleinkindforschung. Bern: Cornelsen, S. 493-528.
• Ahnert, L. (2007). Von der Mutter-Kind- zur Erzieherinnen-Kind-Bindung? In: Beckerstoll, F. & Textor, M.R. (Hrsg.): Die Erzieherin-Kind-Beziehung. Berlin: Cornelsen, S. 31-41.
• Andres, B. (2007). Und woran würde ich merken, dass…? In: Laewen, H.-J. & Andres, B. (Hrsg.). Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit. Bausteine zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Berlin, Düsseldorf, Mannheim: Cornelsen Verlag Skriptor GmbH & Co. KG, S. 341-433.
• Heiner, M. (1998). Lernende Organisation und Experimentierende Evaluation. Verheißungen lernender Organisationen. In:Heiner, M. (Hrsg.). Experimentierende Evaluation. Ansätze zur Entwicklung lernender Organisationen. Weinheim, München:Juventa-Verlag, S. 11-53.
• Musiol, M. (2007). Lebensgeschichte und Identität im Erzieherinnberuf. In: Laewen, H.-J. & Andres, B. (Hrsg.). Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit. Bausteine zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Berlin, Düsseldorf, Mannheim: Cornelsen Verlag Skriptor GmbH & Co. KG, S. 285 - 299.
• Schlaghecken, H. (1989). Lebensgeschichte und Identität im Erzieherinnenberuf. Studien zur biografischen Dimension beruflicher Identität im Wandel der Qualifizierungsprofile als Thema der Erzieherfortbildung. Dissertation Köln.
• Tietze, W. (Hrsg.) (1998). Wie gut sind unsere Kindergärten? Eine Untersuchung zur pädagogischen Qualität in deutschen Kindergärten. Neuwied, Kriftel, Berlin: Luchterhand Verlag.
• Weltzien, D. (2014). Pädagogik: Die Gestaltung von Interaktionen in der Kita. Merkmale – Beobachtung – Reflexion.Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
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Deinet, U. & Sturzenhecker, B. (Hrsg). (2013). Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit.(4. Auflage). Springer VS: Wiesbaden.
Gruber, R. & Siegel, B. (Hrsg. ). (2008). Offene Arbeit in Kindergärten: Das Praxisbuch. Verlag Das Netz: Weimar; Berlin.
Harant, D. (2004). Diplomarbeit: Offene Kinder- und Jugendarbeit im Sozialraum Mitte-Süd-West in der Stadt Neubrandenburg: Interessen uns Perspektiven der Nutzer. Hochschulbibliothek: Neubrandenburg.
Keiner, M. (2013). Bachelorarbeit: Die Praxis der Offenen Arbeit im Kindergarten.Hochschulbibliothek: Neubrandenburg.
Lill, G. (2006). Einblicke in die offene Arbeit. Verlag Das Netz: Weimar; Berlin.
Mienert, H. & Mienert, M. (2013). Den Alltag öffnen - Perspektiven erweitern: offene Arbeit in der Kita nach den Bildungsplänen gestalten. (2. Auflage). Schubi Lernmedien: Schaffhausen.
Regel, G. (2008). Plädoyer für eine offen Pädagogik der Achtsamkeit: zur Zukunft des offenen Kindergartens.EB-Verlag: Schenefeld.
Regel, G. (2014) Offener Kindergarten konkret in seiner Weiterentwicklung; aus der Praxis für die Praxis - 20 Jahre später. (2. Auflage). EB-Verlag: Berlin.
Schmidt, H. (2011). Empirie der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. VS, Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden.
Spiegel, H. (1997). Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel: Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Votum: Münster.
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Literaturverzeichnis