-
Anforderungs- und einsatzgerechte Auslegung
von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen
Von der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik
der Universität Stuttgart
zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte
Abhandlung
Vorgelegt von
Dipl.-Ing. Steffen Häberle
aus Heidenheim a. d. Brenz
Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger
Mitberichter: Prof. Dr. sc. agr. Ludger Frerichs
Tag der mündlichen Prüfung: 23.07.2019
Institut für Agrartechnik
Stuttgart 2019
-
VORWORT
Die vorliegende Arbeit entstand im Wesentlichen während meiner Tätigkeit als wis-
senschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim.
Initiiert, gefördert und fachlich unterstützt wurde dieses Kooperationsprojekt von der
Bosch Rexroth AG in Elchingen. Hierfür möchte ich herzlich danken.
Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr.-Ing. S. Böttinger für die Betreuung der Arbeit
und die konstruktive Unterstützung, auch in Bezug auf Publikationen. Außerdem
möchte ich mich für das entgegengebrachte Vertrauen und den daraus resultieren-
den Freiraum bei der Bearbeitung von Forschungsprojekten bedanken.
Herrn Prof. Dr. sc. agr. L. Frerichs danke ich für die Übernahme des Mitberichts
sowie für die konstruktiven und fachlich fundierten Anmerkungen.
Prof. Dr.-Ing. T. Maier gilt mein herzlicher Dank für die Übernahme des Prüfungs-
vorsitzes.
Allen Kolleginnen und Kollegen des Fachgebiets Grundlagen der Agrartechnik
danke ich für die ständige Hilfsbereitschaft, die tatkräftige Unterstützung, das posi-
tive Arbeitsklima sowie für manch fachliche Diskussion und Anregung. Ebenfalls
möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Werkstatt und Mess-
technik für die technische Umsetzung meiner Ideen bedanken. Gleiches gilt für die
zahlreichen wissenschaftlichen Hilfskräfte, Studentinnen und Studenten, welche
mich mit der Bearbeitung wichtiger Teilaufgaben unterstützt haben. Stellvertretend
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bosch Rexroth AG in Elchingen, die
mich im Rahmen dieser Arbeit unterstützt haben, danke ich Dr.-Ing. S. Mutschler
für die Leitung des Forschungsprojekts.
Ganz besonderer Dank gilt vor allem meiner Frau Daniela. Sie hat mich immer wie-
der motiviert, sich in der Entstehungszeit dieser Dissertation aufopferungs- und lie-
bevoll um unsere beiden Kinder gekümmert und mir damit den Freiraum für einen
erfolgreichen Abschluss dieser Arbeit gegeben.
Herbrechtingen, im September 2019 Steffen Häberle
-
Inhaltsverzeichnis I
INHALTSVERZEICHNIS
FORMELZEICHEN ...................................................................................................... III
INDIZES ................................................................................................................. VIII
ABKÜRZUNGEN ......................................................................................................... X
KURZFASSUNG ....................................................................................................... XII
ABSTRACT ............................................................................................................ XIII
1 EINLEITUNG ........................................................................................................... 1
2 STAND DER FORSCHUNG UND DER TECHNIK ............................................................. 4
2.1 Fahrantriebe mobiler Arbeitsmaschinen ....................................................... 4
2.1.1 Aufbau und Struktur von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen ...... 6
2.1.2 Der hydrostatische Fahrantrieb ......................................................... 10
2.1.3 Anforderungen an Fahrantriebe mobiler Erntemaschinen ................ 12
2.1.4 Funktionen aktueller Fahrantriebe .................................................... 13
2.2 Last- und Leistungskollektive ..................................................................... 15
2.2.1 Klassierverfahren .............................................................................. 16
2.2.2 Lastkollektive von Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen ............ 21
2.3 Effizienzbewertung von Antrieben .............................................................. 29
2.4 Zusammenfassung und Präzisierung der Aufgabenstellung ...................... 42
3 LAST- UND LEISTUNGSANALYSE BEIM MÄHDRESCHER ............................................. 44
3.1 Versuchsträger und Messtechnik ............................................................... 44
3.2 Versuchsdurchführung und Messziele ....................................................... 52
3.3 Einsatzprofile von Mähdreschern ............................................................... 54
3.4 Leistungsverteilung innerhalb des Mähdreschers ...................................... 59
3.5 Lastanalyse im Fahrantrieb des Mähdreschers .......................................... 63
3.5.1 Methode zur Lastanalyse und Übertragbarkeit der Ergebnisse ........ 64
3.5.2 Messungen auf Komponentenebene ................................................ 69
3.5.3 Simulation von Lastkollektiven auf Fahrzeugebene .......................... 79
3.5.4 Diskussion von Lastkollektiven einzelner Teilaufgaben .................... 83
3.6 Zusammenfassung zur Last- und Leistungsanalyse .................................. 86
-
Inhaltsverzeichnis II
4 BEWERTUNG UND OPTIMIERUNG VON FAHRANTRIEBEN ........................................... 87
4.1 Alternative Fahrantriebe für Mähdrescher .................................................. 87
4.1.1 Anforderungsgerechte Auslegung .................................................... 89
4.1.2 Antriebskonzept für eine Referenzmaschine .................................... 92
4.2 Simulation von hydrostatischen Fahrantrieben .......................................... 95
4.2.1 Modellaufbau für Mähdrescherfahrantriebe ...................................... 97
4.2.2 Modellvalidierung ............................................................................ 103
4.2.3 Implementierung eines alternativen Antriebssystems ..................... 110
4.3 Effizienzbewertung des Mähdrescherfahrantriebs ................................... 115
4.3.1 Methodenauswahl für die Effizienzbewertung ................................ 115
4.3.2 Bewertung am Beispiel des Versuchsmähdreschers ...................... 118
4.3.3 Bewertung und Optimierung des Summierungsantriebs ................ 120
4.3.4 Diskussion der Ergebnisse ............................................................. 124
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK .................................................................... 127
6 LITERATURVERZEICHNIS ..................................................................................... 130
7 ANHANG ............................................................................................................ 154
-
Formelzeichen III
FORMELZEICHEN
Formelzeichen Einheit Bezeichnung
𝑎𝐹 m/s2
translatorische Fahrzeugbeschleunigung in Fahrtrichtung
𝐵ℎ l/h absoluter Kraftstoffverbrauch
𝑏𝑒 g/kWh spezifischer Kraftstoffverbrauch
𝑏𝑚 l/t erntemengenbezogener Kraftstoffverbrauch
𝐸𝐺 − Erfüllungsgrad
𝐷 − Schädigungssumme
𝐹𝑎 N Massenträgheitskraft
𝐹𝐿 N Luftwiderstandskraft
𝐹𝑅 N Rollwiderstandskraft
𝐹𝑆𝑡 N Steigungswiderstandskraft
𝐹𝑇 N Triebkraft
�̅�𝑇 N arithmetischer Mittelwert der Triebkraft
𝐹𝑈 N Radumfangskraft
𝐹𝑈,𝑛𝑜𝑟𝑚 − auf Einsatzgewichtskraft normierte Radumfangskraft
�̅�𝑈,𝜏 N zeitlich gewichteter Mittelwert der Radumfangskraft
𝑔 m/s2 Fallbeschleunigung (Ortsfaktor)
𝑔𝐻𝐾 − Gewichtungsfaktor Hauptkriterium
𝑔𝑈𝐾 − Gewichtungsfaktor Unterkriterium
𝑖 − Laufindex, Klasse
𝑖𝐺 − Getriebeübersetzung
𝐽𝑟𝑒𝑑 kg ∙ m2
auf die Raddrehzahl reduziertes Massenträgheitsmoment
-
Formelzeichen IV
𝑗 − Laufindex, Klasse
𝑘𝑚 − Auslegungsfaktor für Fahrantriebe
𝐿10 h Lebensdauer, die von mindestens 90 % der Prüflinge erreicht wird
𝑀 Nm Drehmoment, allgemein
𝑀2,𝑚𝑎𝑥 Nm maximales Abtriebsdrehmoment bei höchstem Förderdruck
𝑀2,𝑛𝑚𝑎𝑥 Nm maximales Abtriebsdrehmoment bei maximaler Abtriebsdrehzahl
𝑚 − Anzahl an Klassen in einem Kollektiv
𝑚𝐹 kg Masse Fahrzeug
𝑚𝐹,𝐸 kg Einsatzmasse Fahrzeug (Leermasse nach DIN 70020 zzgl. vollständige Arbeitsausrüstung)
𝑚𝐹,𝐿 kg Leermasse Fahrzeug nach DIN 70020
�̇�𝐾𝑜𝑟𝑛 t/h Korndurchsatz (Massenstrom)
𝑛 − Stichprobenumfang, Anzahl
𝑛𝐷𝑖𝑒𝑠𝑒𝑙 1/min Abtriebsdrehzahl Dieselmotor
�̅�𝐷𝑖𝑒𝑠𝑒𝑙 1/min arithmetischer Mittelwert der Abtriebsdrehzahl des Dieselmotors
𝑛𝑖𝑠𝑡 1/min Ist-Drehzahl, tatsächliche Drehzahl
𝑛𝑀𝑜𝑡𝑜𝑟 1/min Abtriebsdrehzahl Hydraulikmotor
�̅�𝑀𝑜𝑡𝑜𝑟 1/min arithmetischer Mittelwert der Abtriebsdrehzahl des Hydraulikmotors
𝑛𝑃𝑢𝑚𝑝𝑒 1/min Antriebsdrehzahl Hydraulikpumpe
𝑃 kW Leistung, allgemein
𝑃𝑎𝑢𝑠 kW abgegebene Leistung
𝑃𝐸𝑐𝑘 kW Eckleistung
𝑃𝑒𝑖𝑛 kW zugeführte Leistung, Eingangsleistung
𝑃ℎ𝑦𝑑 kW hydraulische Leistung
-
Formelzeichen V
𝑃𝑁𝑒𝑛𝑛 kW Nennleistung
𝑃𝑁𝑢𝑡𝑧 kW nicht-korrigierte Nutzleistung
𝑃𝑉 kW Verlustleistung
�̅�𝜏 kW zeitlich gewichteter Mittelwert der Leistung
𝑝 bar Druck, allgemein
�̅� bar arithmetischer Mittelwert des Drucks
𝑝𝐴 bar Druck in Arbeitsleitung/Anschluss A (Hochdruck bei Vorwärtsfahrt)
𝑝𝐵 bar Druck in Arbeitsleitung/Anschluss B (Hochdruck bei Rückwärtsfahrt)
𝑝𝑆𝑝 bar Speisedruck
�̅�𝜏 bar zeitlich gewichteter Mittelwert des Drucks
𝑄 l/min Volumenstrom, allgemein
�̅� l/min arithmetischer Mittelwert des Volumenstroms
𝑞 % Steigung
𝑅 − Wandlungsbereich hydrostatischer Rotationsan-triebe mit Verstellmöglichkeit
𝑟𝑑𝑦𝑛 m dynamischer Radhalbmesser (berechnet aus dem Abrollumfang des Reifens)
𝑆 − empirische Standardabweichung
𝑇 K Temperatur, allgemein
𝑇𝑎𝑚𝑏 K Umgebungstemperatur
𝑇𝐿 K Temperatur des Leckageöls
𝑡 s Zeit, allgemein
𝑡0 s Zeitpunkt zum Beginn einer Messung
𝑡𝐸 s Zeitpunkt zum Ende einer Messung
𝑡𝑔𝑒𝑠 s Gesamtzeit
-
Formelzeichen VI
𝑡𝑖 s Verweildauer innerhalb der Klasse 𝑖
𝑡𝑀𝑒𝑠𝑠 s Messzeit
𝑡𝑁𝑢𝑡𝑧 s Nutzungszeit
𝑡𝑣,𝑖 s Zeit für eine einzelne Geschwindigkeitsstufe in einem Histogramm
𝑈𝐵 V Brückenspeisespannung
𝑈𝑀 V Messspannung
𝑉𝑔 cm3 Verdrängungsvolumen, Schluckvolumen
𝑉𝐾 − Variationskoeffizient
𝑣 km/h Geschwindigkeit, allgemein
�̅� km/h arithmetischer Mittelwert der Geschwindigkeit
𝑣𝐹 km/h Fahrgeschwindigkeit
𝑣𝑡ℎ km/h theoretische (schlupffreie) Fahrgeschwindigkeit
�̅�𝑡ℎ,𝜏 km/h zeitlich gewichteter Mittelwert der theoretischen (schlupffreien) Fahrgeschwindigkeit
𝑊𝑁𝑢𝑡𝑧 J Nutzarbeit
𝑊𝑉 J Verlustarbeit
𝑊𝑧𝑢 J zugeführte Arbeit
𝑤𝑈𝐾 − Bewertung des Unterkriteriums für ein Antriebssystem
𝑥𝑖 − Stichprobenwert
�̅� − arithmetischer Mittelwert der Stichprobenwerte 𝑥𝑖
�̃� − Median der Stichprobenwerte 𝑥𝑖
𝛼𝑆𝑡 ° Steigungswinkel
∆ − Differenz
-
Formelzeichen VII
𝜖 ̅ − relative mittlere absolute Abweichung
𝜖�̅�𝑀𝑊 − relative mittlere quadratische Abweichung
𝜀 − Energienutzungsgrad
𝜂 − Wirkungsgrad, allgemein
𝜂𝑘𝑢𝑚 − kumulierter Wirkungsgrad
𝜂𝑚 − mittlerer Wirkungsgrad
𝜂𝑚ℎ − mechanisch-hydraulischer Wirkungsgrad
𝜂𝑇 − Wirkungsgrad gesamter Antriebsstrang (Antriebsstrangwirkungsgrad)
𝜂𝑣𝑜𝑙 − volumetrischer Wirkungsgrad
𝜗𝐴𝑐ℎ𝑠𝑒 °C Temperatur des Getriebeöls in der Achse
𝜗Ö𝑙 °C Temperatur des Hydrauliköls
𝜆 − Nutzbarkeitsbeiwert
𝜆𝑚 − Drehmassenzuschlagsfaktor
𝜌𝑅 − Rollwiderstandsbeiwert
𝜌𝑆 kg/m³ Schüttdichte
𝜏 s Verweildauer
𝜏𝑟𝑒𝑙 − relative Verweildauer
𝜑𝑁𝑢𝑡𝑧 − nutzbares Verlustleistungsreduktionspotential
𝜑𝑡ℎ − theoretisches Verlustleistungsreduktionspotential
𝜒 − allgemeine Messgröße
�̅� − arithmetischer Mittelwert einer allgemeinen Messgröße
�̅�𝜏 − zeitlich gewichteter Mittelwert einer allgemeinen Messgröße
𝜔 1/s Winkelgeschwindigkeit
-
Indizes VIII
INDIZES
Index Bezeichnung
A A-Seite (Hochdruck bei Vorwärtsfahrt)
Achse Antriebsachse, die Antriebsachse betreffend
AF Arbeitsfahrt
ab Abtrieb, abtreibend
abs absolut, tatsächlich
an Antrieb, angetrieben
B B-Seite (Hochdruck bei Rückwärtsfahrt)
Diesel Dieselmotor
DW Dreschwerk
F Funktion, funktional
FA Fahrantrieb
ges gesamt
hr hinten rechts
Last Lastfahrt
LL Leerlast, Leerlastanteil
i Laufindex, Klasse
j Laufindex, Klasse
kum kumuliert
Motor Hydraulikmotor, den Hydraulikmotor betreffend
max maximal, Maximum
mes Messgröße, Messung, gemessen
Nabe Radnabe
-
Indizes IX
Pumpe Hydraulikpumpe, die Hydraulikpumpe betreffend
Rad am Rad, an der Radnabe wirkend
RS Referenzsystem
rel relativ
SG Schaltgetriebe
Soll Sollgröße, Führungsgröße bei Reglern
sim simulierte Größe, Simulation
Tank Hydrauliköltank
th theoretisch
Volllast Volllastkennlinie, die Volllast betreffend
η Wirkungsgrad, den Wirkungsgrad betreffend
+ positiv
- negativ
-
Abkürzungen X
ABKÜRZUNGEN
1D eindimensional
3D dreidimensional
ABS Antiblockiersystem (automatischer Blockierverhinderer)
A/D analog/digital
ASR Anti-Schlupf-Regelung
BSL Best Straight Line (Kleinstwerteinstellung)
BZF Belastungs-Zeit-Funktion
CAE Computer-Aided Engineering
CAN Controller Area Network (serieller Feldbus für Kraftfahrzeuge)
CAPL Communication Access Programming Language
CFD Computational Fluid Dynamics (numerische Strömungssimulation)
CO Kohlenstoffmonoxid
CVR Constant Variabler Ropa-Antrieb
DBU Deutsche Bundesstiftung Umwelt
DIN Deutsches Institut für Normung
DMS Dehnungsmessstreifen
ECU Engine Control Unit (Motorsteuergerät)
EU Europäische Union
FEM Finite Elemente Methode
FFT Fast Fourier Transform (schnelle Fourier-Transformation)
FS Full Scale (Endwert)
FVA Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V.
HC unverbrannte Kohlenwasserstoffe
-
Abkürzungen XI
HCU Hydraulic Control Unit (Hydrauliksteuergerät)
HK Hauptkriterium
HUN Ungarn
HVT Hydromechanical Variable Transmission
KTBL Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V.
MV Mecklenburg-Vorpommern
NMHC Non-Methane Hydrocarbons (Nichtmethan-Kohlenwasserstoffe)
NOx Stickoxide (nitrose Gase mit verschiedenen Oxidationsstufen)
PKW Personenkraftwagen
QFD Quality Function Deployment
ROI Return on Investment (Kapitalrentabilität)
RS Referenzsystem
SAE SAE International (früher: Society of Automotive Engineers)
TCU Transmission Control Unit (Getriebesteuergerät)
UK Unterkriterium
-
Kurzfassung XII
KURZFASSUNG
Fahrantriebe mobiler Erntemaschinen werden im Rahmen einer fortschreitenden
Automatisierung zunehmend zum integralen Bestandteil der Prozessführung. Kom-
plexe Anforderungen, die sich aus deren Einsatz ergeben, haben zu einer Etablie-
rung hydrostatischer Fahrantriebe geführt. Der zunehmende legislative Druck und
die steigenden Vermarktungschancen kraftstoffsparender Technologien rücken die
Effizienzbewertung von Antriebssystemen stärker in den Fokus der Forschung und
Entwicklung. Standardisierte Bewertungssysteme lassen sich bei mobilen Arbeits-
maschinen, wegen deren Heterogenität und Vielfältigkeit ihrer Aufgaben, allerdings
nur schwer umsetzen.
Die vorliegende Arbeit zeigt einen allgemeingültigen methodischen Ansatz zur Effi-
zienzbewertung anhand von Lastkollektiven und eines Simulationsmodells auf. Die-
ser lässt sich auf alle mobilen Arbeitsmaschinen mit quasistationären Lastanteilen
anwenden. Am Beispiel eines Mähdreschers werden typische Einsatzbedingungen
mit gemessenen Einsatzprofilen und Lastkollektiven ermittelt und in den Gesamt-
kontext möglicher Nutzungsszenarien kategorisiert. Mittels eines Antriebsstrangmo-
dells wird damit die Energieausnutzung des Fahrantriebs, entsprechend den Ein-
satzbedingungen, berechnet. Basierend auf diesen Ergebnissen und einer detail-
lierten Anforderungsanalyse sind neue Antriebslösungen erarbeitet und entspre-
chenden Leistungsklassen zugeordnet worden.
Für einen Referenzmähdrescher wird ein methodisch ausgewähltes Fahrantriebs-
konzept, ein sogenannter Summierungsantrieb, ausgelegt und modellbasiert be-
wertet. Die berechneten Ergebnisse der optimierten Antriebsvariante zeigen deutli-
che Verbesserungen der Energieausnutzung bei einem erhöhten Kundennutzen.
Optimierungslösungen zielen, wegen der hohen Zeitanteile im Betrieb, idealerweise
auf den Teillastbereich ab. Mit einer Erhöhung des Mitteldruckniveaus lassen sich
Effizienzverbesserungen in diesem Bereich erreichen. Allerdings führt dies zu einer
Reduzierung der zu erwartenden Lebensdauer, weshalb die Ausfallwahrscheinlich-
keit von Komponenten, im Sinne einer nachhaltigen Lösung, stets mitbetrachtet
werden muss. Insgesamt bieten anforderungs- und einsatzgerechte Fahrantriebe
bei Erntemaschinen noch Potential für Effizienzsteigerungen und höheren Bedien-
komfort. Werden diese Potentiale konsequent ausgeschöpft, sind hydrostatische
Fahrantriebe auch zukünftig konkurrenzfähig.
-
Abstract XIII
ABSTRACT
With the advancement of automation systems, traction drives of mobile harvesting
machines are increasingly becoming an integral part of process management. Com-
plex demands arising from the use of these machines have led to the establishment
of hydrostatic drives. The increasing legislative requirements and the better market-
ing opportunities of fuel-saving technologies are focussing research and develop-
ment on the efficiency evaluation of drive systems. Standardized assessment sys-
tems are difficult to implement for mobile machinery due to their heterogeneity and
diversity of tasks.
This thesis shows a general methodical approach for efficiency evaluation based on
load spectra and a simulation model. This approach can be applied to all mobile
machines with quasi-stationary load points. Using a combine harvester as an exam-
ple, typical use cases with measured operational profiles and load spectra are de-
termined and classified in the overall context of possible use case scenarios. By
means of a drive train model, the energy efficiency of the traction drive is calculated
in accordance with the conditions of use. Based on these results and a detailed
requirement analysis, new drive solutions are developed and assigned to corre-
sponding performance classes.
For a reference combine, a methodically selected traction drive concept, a so-called
summation drive, has been designed and evaluated model-based. The calculated
results of the optimized drive variant show significant improvements in energy utili-
sation with increased customer benefit. Ideally, optimizing solutions aim at the par-
tial load range because of the high time proportions during operation. Increasing the
mean pressure level can improve efficiency in this range. However, this leads to a
reduction in the expected service life, which is why failure probability of components,
in the sense of a sustainable solution, must always be taken into account.
Overall, requirement- and application-specific traction drives for harvesting ma-
chines still offer potential for increased efficiency and greater ease of use. If these
potentials are consistently exploited, hydrostatic traction drives will continue to be
competitive in the future.
-
Einleitung 1
1 EINLEITUNG
Effiziente Maschinen, die für effektiv gestaltete Arbeitsprozesse eingesetzt werden,
nutzen die bereitgestellte Energie in hohem Maße intelligent. Die optimale Strategie
zur Bedarfsminimierung des Produktionsfaktors Energie setzt somit sowohl bei der
Steigerung der Maschinen- als auch bei der Prozesseffizienz an. Logistiksysteme
in der landwirtschaftlichen Produktion, zur Koordination von prozessbeteiligten Ma-
schinen im Feld und außerhalb des Feldes, gewinnen deshalb immer mehr an Be-
deutung [1; 2]. Mit zunehmendem Einsatz intelligenter Assistenzsysteme werden
außerdem die Leistungspotentiale moderner Erntemaschinen besser ausgeschöpft
[3]. Gleichzeitig zeichnet sich bei mobilen Arbeitsmaschinen ein Trend hin zu ener-
gieeffizienten Antrieben ab [4]. Speziell für den Maschineneinsatz ausgelegte An-
triebsstränge bedürfen einer optimierten Betriebsstrategie mit bereits optimierten
Einzelkomponenten [5]. Um eine solche einsatzgerechte Auslegung durchführen zu
können, ist eine möglichst exakte Kenntnis der im Betrieb von mobilen Arbeitsma-
schinen auftretenden Betriebspunkte sowie deren Häufigkeit notwendig. Idealer-
weise werden für solche Betriebspunktanalysen Lastkollektive verwendet, da sich
damit sehr lange Belastungs-Zeit-Funktionen übersichtlich darstellen lassen.
Last- und Leistungskollektive werden klassischerweise für eine betriebsfeste Aus-
legung von Antrieben und Tragstrukturen eingesetzt. Eine exakte Kenntnis der im
Nutzungszeitraum von Maschinen auftretenden Belastungen führt, bei sachgemä-
ßer Auslegung, zu bedarfsgerechten Sicherheitsfaktoren [6] und somit zu einem
idealen Ressourceneinsatz bei hoher Einsatzsicherheit. Gerade bei Erntemaschi-
nen ist eine hohe Verfügbarkeit der Maschine im Ernteeinsatz wichtig für deren wirt-
schaftlichen Betrieb. Ein weiteres Einsatzgebiet für Lastkollektive ist die Effizienz-
bewertung von Maschinen, Baugruppen und Komponenten. Für Erntemaschinen
mit hohen Zeitanteilen quasistationärer Einsatzbedingungen eignen sie sich hervor-
ragend für die Beschreibung relevanter Betriebspunkte für Optimierungsmaßnah-
men. Durch die Identifikation von Leistungsbereichen mit hohen Zeitanteilen und
gleichzeitig hohen Verlustleistungen ist eine zielgerichtete und einsatzgerechte
Auslegung des Fahrantriebs möglich. Standardisierte Prüfzyklen zur Bewertung von
Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen sind derzeit nicht bekannt.
-
Einleitung 2
Bei Erntemaschinen wie Mähdreschern, Feldhäckslern, Rübenrodern und selbst-
fahrenden Mähaufbereitern sind die Fahrantriebe üblicherweise hydrostatisch aus-
geführt. Sie haben sich in diesem Bereich durchgesetzt, da sie die hohen gestellten
Anforderungen wirtschaftlich und mit etablierter Technik erfüllen. Die Möglichkeiten
zur Einbindung in moderne Fahrzeugkommunikationsumgebungen machen diese
Antriebe nach wie vor attraktiv und bieten ein hohes Automatisierungspotential.
Neben der kontinuierlichen Verbesserung bestehender Antriebskonzepte ist es
wichtig, über neue Lösungen nachzudenken. Eine detaillierte Funktions- und Anfor-
derungsanalyse sowie die Kenntnis repräsentativer Einsatzbedingungen und Last-
fälle ermöglichen die technisch-wirtschaftliche Auswahl geeigneter Varianten. Die
Quantifizierung des Energieeinsparpotentials lässt sich im virtuellen Fahr- und Feld-
versuch kostengünstig realisieren. Vor allem bei der finalen Variantenauswahl bietet
die Simulation virtueller Prototypen eine fundierte und belastbare Entscheidungsba-
sis. Wichtig dabei ist die Verwendung von reproduzierbaren Vergleichsgrößen, wel-
che die Nutzungsbedingungen der zu bewertenden Maschine möglichst exakt wi-
derspiegeln [7].
Die vorliegende Arbeit befasst sich im Wesentlichen mit der modellbasierten Effi-
zienzbewertung von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen. Am Beispiel eines Ver-
suchsmähdreschers wird das methodische Vorgehen von der Einsatzprofil- und
Lastkollektiverfassung über die Erstellung und Validierung von Simulationsmodellen
bis hin zur Auswahl, Bewertung und Optimierung einer neuen Antriebslösung auf-
gezeigt. Hierfür wird zunächst der Stand der Forschung und Technik im Bereich der
Fahrantriebe, der Last- und Leistungsanalyse und deren Effizienzbewertung umris-
sen.
Die darauf aufbauenden Untersuchungen an einem Versuchsmähdrescher beinhal-
ten die Versuchsbeschreibung, die Erfassung von Einsatzprofilen und die Analyse
der Leistungsverteilung innerhalb eines Mähdreschers. Basierend auf gemessenen
Lastkollektiven und einem Simulationsmodell wird darüber hinaus eine allgemein-
gültige, teilaufgabenspezifische und übertragbare Methode zur Last- und Leistungs-
analyse beschrieben und exemplarisch auf den Versuchsmähdrescher angewen-
det.
-
Einleitung 3
Aus den gewonnenen Ergebnissen werden im Rahmen einer Bewertung und Opti-
mierung mögliche Fahrantriebslösungen diskutiert. Ein modular aufgebautes und
validiertes Simulationsmodell ermöglicht den direkten Vergleich einzelner Varian-
ten. Die damit durchgeführte Effizienzbewertung nutzt sowohl den Wirkungsgrad als
auch den Zeitanteil eines simulierten Lastpunkts als Bewertungsgröße. Damit wird
der Lasthäufigkeit eines typischen Einsatzes Rechnung getragen. Abschließend
wird die erarbeitete Methode anhand des Vergleichs eines Summierungsantriebs
mit dem Referenzantrieb des Versuchsmähdreschers diskutiert und exemplarisch
dargelegt.
-
Stand der Forschung und der Technik 4
2 STAND DER FORSCHUNG UND DER TECHNIK
Innerhalb dieses Kapitels wird zunächst der aktuelle Stand der Technik im Bereich
von Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen als Kurzübersicht aufgearbeitet. Als
spezielle Untergruppe werden anschließend die Fahrantriebe mobiler Erntemaschi-
nen detailliert beschrieben. Hauptthemengebiete der vorliegenden Arbeit sind unter
anderem Last- und Leistungskollektive sowie die Effizienzbewertung von Mähdre-
scher-Fahrantrieben. Hierzu wird in eigenen Unterkapiteln der aktuelle Stand der
Wissenschaft aufgezeigt.
2.1 Fahrantriebe mobiler Arbeitsmaschinen
Stufenlose Fahrantriebe haben sich bei vielen mobilen Arbeitsmaschinen etabliert.
Sie bieten einen hohen Fahrkomfort sowie das Potential zur Produktivitätssteige-
rung durch eine stufenlose Geschwindigkeitsanpassung an die Umgebungsbedin-
gungen des Arbeitsprozesses und die Möglichkeit zur Prozessautomatisierung. Ist
als Hauptfunktion einer mobilen Arbeitsmaschine die Erzeugung hoher Zug- und
Schubkräfte zu identifizieren, sind rein hydrostatische Antriebslösungen seltener
anzutreffen [8]. In diesem Bereich haben sich bei Traktoren Lastschaltgetriebe und
hydrostatisch-mechanisch leistungsverzweigte Getriebe [9–11] durchgesetzt. Typi-
sche Beispiele leistungsverzweigter Getriebe in Traktoren sind die ausgangsgekop-
pelten Vario-Getriebe (ML70-ML260 und TA400) [9], welche mit dem Modell ML200
von Fendt 1996 in Serie gebracht wurden [12; 13], sowie die eingangsgekoppelten
Baureihen Eccom, S-Matic und Terramatic von ZF. Diese werden unter anderem
von den Herstellern John Deere, Same Deutz-Fahr und Claas verbaut. John Deere
und Claas bieten zudem selbst entwickelte leistungsverzweigte Getriebe in Com-
pound-Bauweise an [9; 14].
Bei Radladern sind häufig rein hydrostatische Antriebe, Lastschaltgetriebe mit hyd-
rodynamischen Wandlern, hydrostatisch leistungsverzweigte Getriebe und hydro-
statische Summierungsantriebe vorzufinden [15–19]. Wobei die Fahrantriebe mit
hydrodynamischen Wandlern, wegen des besseren Betriebsverhaltens und der hö-
heren Leistungsdichte, zunehmend durch die beiden letztgenannten Antriebslösun-
gen substituiert werden [20]. Typische leistungsverzweigte Getriebe für Radlader
-
Stand der Forschung und der Technik 5
sind das ausgangsgekoppelte Getriebe cPower von ZF [21], das eingangsgekop-
pelte Getriebe von Caterpillar [19] und das HVT (Hydro-mechanical Variable Trans-
mission) von Dana Rexroth mit einem rein hydrostatischen Fahrbereich bei niedri-
gen Geschwindigkeiten und zwei leistungsverzweigten Fahrbereichen, welche ein-
gangsgekoppelt sind [22; 23]. Die Entwicklung eines weiteren eingangsgekoppelten
Getriebes mit rein hydrostatischem ersten Fahrbereich wird in [24] vorgestellt. Hyd-
rostatische Summierungsantriebe sind unter anderem bei Radladern des Herstel-
lers Liebherr vorzufinden. Durch zwei Hydroverstellmotoren in Schrägachsenbau-
weise und drei Kupplungen lassen sich insgesamt drei Fahrbereiche realisieren.
Dabei wird im ersten Fahrbereich die Leistung der beiden Verstellmotoren summiert
[15; 25]. Eine weitere Lösung mit zwei Radialkolbenmaschinen wird in [26] und [27]
vorgestellt.
Mobile Arbeitsmaschinen ohne hohe Dauerzugkräfte übertragen im Durchschnitt
nur einen Teil der Leistung des Verbrennungsmotors an den Fahrantrieb [8; 28].
Der Leistungsbedarf für den Fahrantrieb nimmt bezogen auf den Gesamtleistungs-
bedarf nicht den höchsten Stellenwert ein, da ein Großteil der Energie unter ande-
rem für die Verarbeitung von Material aufgewendet wird [28; 29]. Typische Beispiele
sind Erntemaschinen wie Feldhäcksler, Mähdrescher, Rübenroder und selbstfah-
rende Mähaufbereiter. Gleiches gilt auch für Stapler, Teleskoplader und Maschinen-
träger [8]. Beim Mähdrescher werden beispielsweise im Mittel nur 16-40 % der An-
triebsleistung für das Fahren benötigt [28; 30–32]. Der tatsächliche Anteil hängt ne-
ben den Umgebungsbedingungen, wie der Bodenbeschaffenheit und der Topogra-
fie, auch vom spezifischen Leistungsbedarf des verbauten Dresch- und Trennsys-
tems ab. Bei Feldhäckslern liegt der mittlere Leistungsanteil das Fahrantriebs für
die Maisernte bei ca. 10 % [33]. Deshalb fallen bei diesen Maschinen die Energie-
verluste im Bereich des Fahrantriebs bezogen auf die Gesamtverluste nicht so stark
ins Gewicht [8]. Zudem muss der höheren Verlustleistung eine gesteigerte Prozess-
leistung durch eine bestmögliche Anpassung der Fahrgeschwindigkeit gegenüber-
gestellt werden [34]. Insgesamt überwiegen die Vorteile hydrostatischer Fahran-
triebe, sodass sie häufig für Fahrantriebe, die primär der Fortbewegung und Pro-
zesssteuerung dienen, eingesetzt werden. Speziell der Aufbau und die Struktur von
Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen sollen im Folgenden detailliert betrachtet
werden.
-
Stand der Forschung und der Technik 6
2.1.1 Aufbau und Struktur von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen
Fahrantriebe selbstfahrender landwirtschaftlicher Erntemaschinen stellen beson-
dere Anforderungen an deren Aufbau und Funktion. So ist eine Hauptanforderung
die stufenlose Anpassung der Fahrgeschwindigkeit im Erntebetrieb. Ebenso sind
Zugkraftunterbrechungen aus Komfort- und Akzeptanzgründen zu vermeiden [35].
Bei hohem Fahrwiderstand im Feld hätten diese einen sofortigen Stillstand der Ern-
temaschine [18] und somit eine Unterbrechung oder Störung des Ernteprozesses
zur Folge. Die bisher dominierenden rein hydrostatischen Fahrantriebe werden zu-
nehmend durch einsatzgerechte Antriebe, also Antriebe, die sehr spezifisch an die
Einsatzbedingungen der jeweiligen Maschine angepasst sind, ersetzt. Für diesen
hohen Grad der Spezialisierung ist eine genaue Kenntnis der Einsatz- und Nut-
zungsbedingungen sowie der auftretenden Belastungen im Betrieb unabdingbar
[36]. Auf der Suche nach innovativen und zukunftsweisenden Fahrantrieben wurden
bereits erste Untersuchungen zu elektrischen und teilelektrischen Antrieben bei
Erntemaschinen durchgeführt [35; 37–39]. Nach aktuellem technischen Stand sind
dieselelektrische Applikationen für große Erntemaschinen mit langen Volllastzyklen
praktikabel. Batterieelektrische Antriebe hingegen sind derzeit wegen ihrer geringen
Leistungsdichte für aktuell am Markt verfügbare Erntemaschinengrößen nicht sinn-
voll [40]. Beim Einsatz kleiner autonomer Feldroboter, die im Schwarm arbeiten,
scheint ein batterieelektrischer Antrieb geeignet zu sein. [41; 42]
Je nach Antriebsart sind unterschiedliche Topologien denkbar. Die optimale Fahr-
antriebstopologie richtet sich nach den stark variierenden Anforderungen und Ein-
satzbedingungen der einzelnen Erntemaschinen. Drehzahlvariabilität, Übertra-
gungsweg, Antriebsanordnung, Leistungsvermögen und Kosten sind entschei-
dende Faktoren für deren Auswahl [43]. Typische Ausführungen mit einer gelenkten
Achse sind in Bild 1 und mit mehreren gelenkten Achsen in Bild 2 dargestellt.
Fahrantriebe von Rübenrodern sind üblicherweise rein hydrostatisch, mit nachgela-
gertem mechanischen Schaltgetriebe als Zentralantrieb ausgeführt. Typischerweise
werden wegen der hohen Zugkraftanforderungen alle Achsen angetrieben und zu-
sätzlich zur Reduzierung des Wendekreises gelenkt [37; 44; 45]. Ein im vorderen
Bereich der Maschine verbautes Knickgelenk erlaubt zudem die Fahrt im Hunde-
gang zur Bodenschonung durch die Reduzierung des Multipass-Effekts.
-
Stand der Forschung und der Technik 7
Bild 1: Schematische Darstellung typischer Antriebskonzepte mobiler Erntema-schinen mit einer Lenkachse (erweitert nach [43])
Bild 2: Schematische Darstellung typischer Antriebskonzepte mobiler Erntema-schinen mit mehreren Lenkachsen (erweitert nach [43])
Neuere Antriebskonzepte für Rübenroder sind sogenannte Shift on Fly-Lösungen,
welche durch eigene Achsantriebe ein Schalten der Fahrbereiche ohne Zugkraftun-
terbrechung ermöglichen. Die Schaltzeitpunkte zwischen Vorder- und Hinterachse
AchsantriebAchs- und Einzelradantrieb
Einzelrad-
antriebeine Achse zwei Achsen
Mähdrescher
Feldhäcksler
Fahrt-
richtungDifferential
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
ZentralantriebAchsantrieb an
mehreren AchsenEinzelradantrieb
Rübenroderje nach Maschinengröße mit 2 oder 3 Achsen
selbstfahrender
Mähaufbereiter
Fahrt-
richtung
Differential
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
An-
trieb
-
Stand der Forschung und der Technik 8
liegen bei minimal unterschiedlichen Fahrgeschwindigkeiten, sodass es beim
Wechsel zwischen den zwei Fahrbereichen lediglich zu einer Zugkraftreduzierung,
nicht aber zu einer Zugkraftunterbrechung kommt [14; 44]. Zudem ermöglicht das
Konzept des Achsantriebs eine variable Einstellung der Voreilung. Dies erhöht be-
sonders bei Hanglagen die Traktion und führt im Transferbetrieb zu einem reduzier-
ten Verschleiß [14]. Das Shift on Fly-Getriebe ist ein modifiziertes Stillstandsschalt-
getriebe, welches durch ein hydraulisches Abkuppeln einen synchronisierten
Schaltvorgang während der Fahrt mit sehr kurzen Schaltzeiten erlaubt [46]. Ein wei-
teres, innovatives Antriebskonzept für Rübenroder ist das CVR-Getriebe von
ROPA. Es handelt sich um einen Summierungsantrieb mit insgesamt zwei null-
schwenkbaren Hydroverstellmotoren und einem Konstantmotor. Dieser ist als
Zentralantrieb ausgeführt und erlaubt ein stufenloses Durchfahren des Geschwin-
digkeitsbereichs von 0-17,5 km/h im Acker- und 0-40 km/h im Straßenmodus bei
einer Verbrennungsmotorendrehzahl von 1.195 1/min. Aus Sicherheitsgründen wird
Motor 3 im Straßenmodus gegen das Getriebegehäuse blockiert. [45; 47] Bild 3
zeigt den schematischen Aufbau des Getriebes. Der Übersichtlichkeit halber sind
die Ansteuerung der Hydrostaten inklusive deren Druckabschneidung, die Sensorik,
der Kühler, die Filter und die Spülventile nicht dargestellt.
Bild 3: Schematische Darstellung des CVR-Getriebes von ROPA (nach [45])
K1K2
Moto
r 2
160 c
m³
Moto
r 1
0-2
15 c
m³
Motor 3
0-215 cm³
Abtrieb
-
Stand der Forschung und der Technik 9
Feldhäcksler hingegen sind nahezu ausnahmslos allradgetrieben und mit hydrosta-
tischen Fahrantrieben ausgestattet. Es werden Achsantriebe mit zwei bis vier me-
chanischen, im Stillstand schaltbaren Stufen oder Einzelradantriebe mit schaltbaren
Radnabenmotoren bzw. Axialkolben-Verstellmotoren mit Planetenendantrieben
verbaut [48–56]. Neben den bei hydrostatischen Achsantrieben üblicherweise ver-
wendeten Axialkolbenmaschinen in Schrägachsen-Bauart wird in [57] ein „Face-to-
Face“ Doppelmotor in Schrägscheiben-Bauart vorgestellt, welcher bereits bei Feld-
häckslern in Serie verbaut ist [54].
Moderne Hochleistungsmähdrescher werden ausschließlich mit hydrostatisch an-
getriebenen Achsantrieben ausgestattet. Zur Erweiterung des Wandlungsbe-
reichs 𝑅 (Gl. (1) [58]) werden zwei- bis vierstufige Stillstandsschaltgetriebe verbaut.
Der Kunde kann bei allen namhaften Herstellern zwischen Rad- und Bandlaufwer-
ken wählen. Optional werden Allradantriebe angeboten. Diese können als Achs-
oder Einzelradantrieb ausgeführt sein [59–63]. John Deere bietet für Mähdrescher
und Feldhäcksler optional einen hydrostatischen Fahrantrieb in Kombination mit ei-
nem zweistufigen Lastschaltgetriebe an [52; 62; 64].
𝑅 =𝑀2,𝑚𝑎𝑥𝑀2,𝑛𝑚𝑎𝑥
(1)
𝑀2,𝑚𝑎𝑥: größtmögliches Abtriebsmoment bei höchstem Förderdruck
𝑀2,𝑛𝑚𝑎𝑥 : maximales Drehmoment bei maximaler Abtriebsdrehzahl
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der hydrostatische Fahrantrieb die domi-
nierende Technologie im Bereich der Erntemaschinen ist [65]. Er wurde für europä-
ische Mähdrescher 1965 erstmals von Ködel und Böhm vorgestellt und hat die ab
den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts üblichen Keilriemen-Verstell-
getriebe [66; 67] in den Industrieländern, trotz deren Wirkungsgradvorteil [68], voll-
ständig abgelöst. Gründe dafür sind der höhere Bedienkomfort und die gesteigerte
Produktivität durch verschleißfreies Reversieren, Anfahren ohne Fahrkupplung und
durch den etwa dreimal so großen Wandlungsbereich. Zudem ist der Raumbedarf
der Komponenten deutlich geringer [68; 69].
-
Stand der Forschung und der Technik 10
2.1.2 Der hydrostatische Fahrantrieb
Hydrostatische Fahrantriebe von modernen Erntemaschinen werden ausschließlich
im geschlossenen Kreis betrieben. Die Anpassung der Abtriebsdrehzahl und somit
der Fahrgeschwindigkeit erfolgt durch Veränderung der Verdrängungs- und
Schluckvolumina der eingesetzten Pumpen und Motoren. In der Grundform (Bild 4)
wird lediglich die Pumpe verstellt (Primärverstellung). Zur Erweiterung des Wand-
lungsbereichs 𝑅 werden Verstellpumpen und -motoren verbaut (Primär- und Sekun-
därverstellung). Hydrostatische Fahrantriebe ermöglichen eine stufenlose Drehmo-
ment-/Drehzahlwandlung aus dem Stillstand (𝑖𝐺 = ∞, Gl. (2)). Der Wandlungsbe-
reich 𝑅 von primär- und sekundärverstellbaren hydrostatischen Getrieben ist ver-
gleichsweise groß (üblicherweise bis 𝑅 = 15). [69]
𝑖𝐺 =𝑛𝑎𝑛𝑛𝑎𝑏
(2)
Bild 4: Grundschaltplan eines hydrostatischen Fahrantriebs nach [25]
Bild 4 zeigt den Grundschaltplan eines hydrostatischen Getriebes. Der von der Ver-
stellpumpe (1) erzeugte Volumenstrom wird zum Hydromotor (2) geleitet und von
dort aus wieder zurück zur Pumpe (geschlossener Kreislauf). Dadurch ist ein An-
fahren aus dem Stand möglich. Lässt sich die Pumpe durch die Nulllage durch-
schwenken, ist zusätzlich ein verschleißfreies Reversieren möglich. Der Hydromo-
tor kann als Konstant- oder Verstellmotor ausgeführt sein. Das Ölvolumen, welches
durch interne Leckagen und die kontrollierte Entnahme aus dem geschlossenen
(1) (2)(3) (4)
(5)
(6)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(10)
(11)
(11)
(12)
-
Stand der Forschung und der Technik 11
Kreis über das Spülventil (7) zur Kühlung (9) und anschließenden Filterung (5) ab-
fließt, wird durch die Speisepumpe (3) über die Speiseventile (6) hin zur Nieder-
druckseite wieder aufgefüllt. Zusätzlich wird die Speisepumpe (3) häufig als
Hilfsenergieversorger für Niederdruckhydrauliksysteme (12) wie beispielsweise die
Verstelleinrichtung der Pumpe oder Schaltventile am Getriebe verwendet. Der
saugseitige Vordruck an der Pumpe (1) wird über die Druckbegrenzungsventile (4)
und (8) eingestellt. Bei einem Defekt am Speisesystem ermöglichen die Ventile (11)
ein Notansaugen. Die Hochdruckbegrenzungsventile (10) sichern den geschlosse-
nen Kreis gegen Überdruck ab. [25; 69; 58]
Hydrostatische Getriebe im geschlossenen Kreis, welche in modernen mobilen Ern-
temaschinen ausnahmslos zum Einsatz kommen, bieten folgende systembedingte
Vorteile [70; 17; 20; 25; 69; 58; 71; 72]:
keine prinzipbedingten Drossel- oder Volumenstromverluste im Leistungsteil,
großer Wandlungsbereich durch Primär- und Sekundärverstellung,
4-Quadrantenbetrieb mit stetigem Übergang, kein verschleißbehaftetes
Reversiergetriebe notwendig,
stufenlose und feinfühlige Geschwindigkeitsanpassung und -regelung,
hohes Automatisierungspotential,
freizügige Anordnung der Getriebekomponenten,
Möglichkeit zur Rekuperation durch zusätzliche Hydrospeicher,
kleines Öltankvolumen ausreichend,
nur ein Medium für Leistungsübertragung, Kühlung und Schmierung,
sehr günstiges Leistungsgewicht,
geringe Lastabhängigkeit der Übersetzung,
integrierter Überlastschutz durch Druckbegrenzungsventile,
Vielseitigkeit in der Anwendung durch hohe Komponentenvielfalt,
vielfältige Steuer- und Regelmöglichkeiten sowie
gute Bremswirkung durch Schleppen des Dieselmotors.
Ein Nachteil des hydrostatischen Getriebes ist der mäßige Wirkungsgrad verglichen
mit mechanischen Getrieben. Die Bestwerte liegen bei 78-84 % für hydrostatische
Getriebe und bei etwa 90-95 % für vergleichbare Vielstufen-Zahnradgetriebe. Nicht
-
Stand der Forschung und der Technik 12
betrachtet sind hierbei Verlustleistungen in den Achsen und anderen festen Über-
setzungen. [25; 73]
2.1.3 Anforderungen an Fahrantriebe mobiler Erntemaschinen
Die Fahrantriebe aktueller Erntemaschinen sind keinesfalls nur für die Fortbewe-
gung der Maschine zuständig, sie sind vielmehr integraler Bestandteil der Prozess-
führung. Deshalb werden hohe Anforderungen an die Steuer- und Regelbarkeit so-
wie an die Einbindung in aktuell verfügbare Bussysteme gestellt. Ein Beispiel sind
Fahrassistenzsysteme, wie automatische Vorfahrtsregler bei Feldhäckslern und
Mähdreschern. Hier kann der Fahrer verschiedene Fahrstrategien nutzen, um die
Maschine optimal auszulasten [54; 60]. Neben den Vorteilen, die ein hydrostatischer
Fahrantrieb systembedingt mit sich bringt (vgl. Abschnitt 2.1.2) und welche ihn für
selbstfahrende Erntemaschinen prädestinieren, können weitere spezifische Anfor-
derungen an ihn gestellt werden. Diese unterteilen sich in Markt-, Kunden-, Sicher-
heits- und Homologationsanforderungen. Die Markt- und Kundenanforderungen
sind nicht immer scharf trennbar und werden häufig über Recherchen und Befra-
gungen ermittelt. Marktanforderungen ergeben sich hingegen aus dem Wettbewerb
und der auf dem Markt verfügbaren Technik. Sie können aber auch aus legislativen
Anpassungen oder Marktlücken resultieren [74]. Generell sollten sich die Entwick-
lungsschwerpunkte an den Kundenwünschen orientieren. Eine etablierte Methode
zur Schwerpunktfestlegung in der Produktentwicklung ist die des Quality Function
Deployments (QFD) [75]. Sicherheits- und Homologationsanforderungen hingegen
leiten sich aus nationalen und internationalen Richtlinien und Gesetzen ab.
Im Folgenden sollen nur die technischen Anforderungen weiter betrachtet werden.
Nicht-technische wie Kosten und Zuverlässigkeit, welche im Rahmen eines Pro-
duktentstehungsprozesses ebenfalls zu berücksichtigen sind, werden nicht disku-
tiert. Tabelle 1 listet exemplarisch für leistungsstarke Mähdrescher der oberen Leis-
tungsklasse Anforderungen an Fahrantriebe auf.
Weitere Markt- und Kundenanforderungen lassen sich aus den Funktionen aktuell
im Markt befindlicher hydrostatischer Fahrantriebe ableiten. Diese sollen im folgen-
den Unterkapitel gesondert betrachtet und analysiert werden.
-
Stand der Forschung und der Technik 13
Tabelle 1: Ausgewählte Anforderungen an Mähdrescher-Fahrantriebe
Anforderung Wert Quelle
Maximalgeschwindigkeit bei Transferfahrten 40 km/h [60–62; 76]
Volllasttriebstrangwirkungsgrad im Hauptar-beitsbereich zwischen 4 und 8 km/h
≥74 % [35]
Gesamtverzögerung der Betriebsbremse ≥5,0 m/s² [77]
hydrostatische Verzögerung, falls Fahrantrieb als Hilfsbremsanlage genutzt wird
≥2,2 m/s² [77; 78]
geforderte Mindestlebensdauer ≥3.000 h [79]
geforderte nutzbare Maximalleistung 0,4∙PNenn,Diesel [30]
2.1.4 Funktionen aktueller Fahrantriebe
Hydrostatische Fahrantriebe bieten wegen ihrer hervorragenden Steuer- und Re-
gelbarkeit ein hohes Potential für die Umsetzung neuer Antriebsfunktionen und Re-
gelungssysteme [17]. Dabei zählt die aktive Druckabschneidung seit vielen Jahren
zum Stand der Technik. Die als Maximaldruckregelung ausgeführte Funktion redu-
ziert bei steigender Last das Fördervolumen der Pumpe und verhindert somit eine
Überlastung des Fahrantriebs. Der Druckabbau über die Hochdruckbegrenzungs-
ventile und somit eine Überhitzung des hydrostatischen Kreises wird dadurch wir-
kungsvoll vermieden [25; 69]. Wird im Betrieb einer mobilen Arbeitsmaschine die
verfügbare Leistung des Verbrennungsmotors voll genutzt, empfiehlt sich der Ein-
satz einer sogenannten Grenzlastregelung. Diese reduziert bei steigender Last und
zu starker Drückung des Dieselmotors durch ein Rückschwenken der Fahrpumpe
die Leistungsaufnahme des Fahrantriebs. Dadurch ist eine Priorisierung anderer
Funktionen wie beispielsweise die der Lenkung oder die der Arbeitsprozessantriebe
möglich [40; 69; 80]. Eine weitere Art der Leistungsregelung ist die automotive Fahr-
funktion, bei der abhängig vom Fahrerwunsch und dem Fahrzustand das Wand-
lungsverhältnis angepasst wird. Der Dieselmotor ist dabei integraler Bestandteil der
Regelung. Durch die lastdruckabhängige Anpassung der Drehzahl und dadurch
auch der verfügbaren Leistung ist eine verbrauchsoptimierte Fahrweise bei redu-
zierten Geräuschemissionen möglich [50; 65; 69; 80–82]. Die automotive Fahrfunk-
tion ist bei Mähdreschern im Transfermodus teilweise schon Stand der Technik [60].
-
Stand der Forschung und der Technik 14
Für ein sehr feinfühliges Positionieren, wie es beispielsweise bei Radladern oder
Staplern notwendig ist, lässt sich mit einer Inchfunktion der Fahrregler übersteuern.
Dadurch sind hohe Drehzahlen des Dieselmotors für die teilweise leistungsintensive
Betätigung der Arbeitshydraulik bei gleichzeitig niedrigen Fahrgeschwindigkeiten
möglich [81; 82].
Zur Erhöhung der Traktion im Feldeinsatz werden häufig hydrostatische Allradan-
triebe verbaut. Bei Achs- und/oder Einzelradantrieben ist eine Sperrung des hyd-
raulischen Längsdifferentials über Stromventile möglich [69]. Mit einem Zweipum-
pensystem und entsprechender Ventiltechnik lassen sich die Vorder- und die Hin-
terachse getrennt ansteuern. Dadurch werden zahlreiche Fahrbereiche, aber auch
eine variable Voreilung realisiert [48; 83]. Das Querdifferential lässt sich bei Achs-
antrieben mechanisch und bei Einzelradantrieben hydraulisch sperren. Einzelrad-
antriebe bieten darüber hinaus die Möglichkeit einer elektronischen Anti-Schlupf-
Regelung (ASR). Hierfür ist je angetriebenem Rad ein nullschwenkbarer elektro-
proportional verstellbarer Hydromotor mit Drehzahlsensor erforderlich. Sobald ein
einzelnes Rad zu stark beschleunigt, wird das Antriebsmoment und damit der
Schlupf reduziert [80; 84]. Eine Reduzierung des Schlupfes führt zur Bodenscho-
nung, Verschleißreduzierung und Verbesserung des Laufwerkwirkungsgrads [80;
85–88].
Aus Sicherheits-, Komfort- und Verschleißgründen wird häufig ein rein hydrostati-
sches Bremsen ohne den Einsatz der Betriebsbremse verlangt. Trotz steigender
Fahrzeugmassen und höherer Fahrgeschwindigkeiten soll ein Überdrehzahlschutz
des Dieselmotors zu jeder Zeit gewährleistet sein. Allerdings haben das Downsizing
und Optimierungsmaßnahmen moderner Dieselmotoren zu einer Reduzierung des
Reibmitteldrucks und somit zu einem reduzierten Schleppmoment geführt. Da sich
beim Bremsvorgang die Fahrpumpe am Dieselmotor abstützt, muss über spezielle
Bremsventile ein Überdrehen verhindert und gleichzeitig die maximal mögliche Ver-
zögerung erreicht werden. Zusätzlich ist bei Einzelradantrieben die Implementie-
rung einer ABS-Funktion denkbar. [89–92]
Neben den Fahr- und Sicherheitsfunktionen lassen sich mit hydrostatischen Fahr-
antrieben Zusatzfunktionen generieren. Die Tempomatfunktion, automatische Vor-
fahrtregler und eine vom Fahrer einstellbare Maximalzugkraft zählen mittlerweile
-
Stand der Forschung und der Technik 15
zum Stand der Technik [93; 94]. Ebenso lassen sich bei elektrohydraulischen Fahr-
antrieben die Beschleunigungs- und Verzögerungsrampen über die Steuersoftware
konfigurieren [65].
Zusammenfassend bietet der hydrostatische Fahrantrieb alle für Erntemaschinen
notwendigen Funktionen und erfüllt die an ihn gestellten Anforderungen. Dadurch
ist er für den Wettbewerb mit anderen Technologien gut gerüstet. Weitere Effizienz-
steigerungen lassen sich durch eine einsatzgerechte Auslegung sowie Optimierun-
gen an Komponenten und Peripheriesystemen erreichen. [17; 91]
2.2 Last- und Leistungskollektive
Die Entwicklung von ressourceneffizienten und wirtschaftlichen Maschinen erfordert
eine belastungsgerechte Dimensionierung der einzelnen Bauteile und übergeord-
neten Baugruppen [95]. Die Erfahrung des Ingenieurs wird zunehmend durch nu-
merische Berechnungsverfahren, welche sich unter dem Überbegriff CAE (Compu-
ter-Aided Engineering) zusammenfassen lassen, ergänzt. Grundlage für eine be-
triebsfeste Auslegung ist in beiden Fällen die exakte Kenntnis der im Lebenszyklus
von Maschinen auftretenden Belastungen und den daraus resultierenden Bean-
spruchungen [96]. Die Notwendigkeit einer betriebsfesten Auslegung von Bauteilen,
Komponenten und Maschinen ergibt sich meist aus den technischen, wirtschaftli-
chen und haftungsrechtlichen Anforderungen des Lastenhefts. Bereits im Pro-
duktentstehungsprozess müssen geeignete Methoden, Verfahren und Werkzeuge
angewandt werden, um Schwingbruchschäden im Betrieb zu vermeiden [97]. Hier-
von sind vor allem sicherheitsrelevante Bauteile besonders betroffen [98]. Die
Schwingungsbeanspruchung, welche die Grundlage der Lebensdauerberechnung
von dynamisch belasteten Bauteilen und Maschinen darstellt, ist in der Regel ge-
kennzeichnet durch ein zufälliges (stochastisches) Auftreten von Amplitude und
Häufigkeit [97].
Eine Besonderheit bei hydraulischen Antriebssystemen ist, dass standardisierte
Komponenten für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Anwendungen eingesetzt
werden. Für eine optimale Auslegung hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und Effizienz
müssen die Belastungen für jede Anwendung separat analysiert werden [99]. Als
Zuverlässigkeit wird hierbei per Definition die Wahrscheinlichkeit dafür verstanden,
dass ein Produkt während einer definierten Zeitdauer unter gegebenen Funktions-
-
Stand der Forschung und der Technik 16
und Umgebungsbedingungen nicht ausfällt (VDI4001). Der Wahrscheinlichkeitsbe-
griff sagt hierbei aus, dass Ausfälle stochastisch verteilte Ursachen haben und somit
nur mittels Wahrscheinlichkeiten quantitativ beschreibbar sind [100]. Die Belas-
tungs-Zeit-Funktionen (BZF) sind im Falle von mobilen Arbeitsmaschinen ebenfalls
meist stochastisch und somit wegen ihrer Regellosigkeit mathematisch nicht mit
Funktionen oder Reihen beschreibbar, sondern nur durch statistische Methoden
[96]. Für deren Darstellung haben sich Last- und Leistungskollektive etabliert, wel-
che die Häufigkeitsverteilung der im Betrieb auftretenden Lasten darstellen. Deter-
ministische Belastungs-Zeit-Funktionen treten bei sich kontinuierlich wiederholen-
den Arbeitsprozessen unter konstanten Randbedingungen auf und lassen sich des-
halb mit Fourier-Reihen annähern [6; 96]. Die Beanspruchungsgröße und deren
Zeitpunkt können eindeutig angegeben werden. Typische Prozesse mit determinis-
tischem Belastungsverlauf sind das Gesenkschmieden und das Walzen von Bram-
men. Neben der reinen Kenntnis über die Belastungshöhe spielt auch deren Häu-
figkeit eine entscheidende Rolle. Deshalb müssen beispielsweise Zahnräder bei
identischer Belastung aber höherer Drehzahl wegen der höheren Anzahl an Zahn-
lastspielen robuster ausgelegt sein [95].
Im Folgenden werden zunächst die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Klassier-
verfahren zur Berechnung von Lastkollektiven beschrieben, da sie sich zur Darstel-
lung stochastischer Belastungs-Zeit-Funktionen sehr gut eignen. Unter realistischen
Betriebsbedingungen aufgenommene Lastkollektive ermöglichen eine übersichtli-
che Darstellung von Zeit-, Strecken-, Betätigungs-, Last- und Leistungsanteilen
[100]. Im weiteren Verlauf werden dann konkrete Beispiele aus der Literatur zu
Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen diskutiert.
2.2.1 Klassierverfahren
Mittels standardisierter Klassierverfahren werden aus beliebig komplexen Belas-
tungs-Zeit-Funktionen Häufigkeitsverteilungen der Amplituden berechnet. Zwar
stellt die Klassierung eine Datenreduktion und teilweise auch eine Reduktion des
Informationsgehalts dar, dennoch ermöglicht sie eine anschauliche und übersichtli-
che Darstellung der Messdaten. Bei der Verwendung der Zählverfahren ist stets im
Vorfeld zu prüfen, ob im spezifischen Anwendungsfall eine Datenreduktion zulässig
-
Stand der Forschung und der Technik 17
ist. Im Bereich der Betriebsfestigkeit hat sich die zweiparametrische Rainflow-Klas-
sierung etabliert. Allerdings bieten – je nach Einsatzzweck – andere Klassierverfah-
ren wegen der besseren Anschaulichkeit der grafischen Darstellung Vorteile [96;
101].
Um eine Klassierung durchführen zu können, muss zunächst der Messbereich vor-
zugsweise in Klassen gleicher Größe unterteilt werden [102]. Üblicherweise werden
diese fortlaufend mit steigendem Messwert nummeriert [96]. Eine Einteilung positi-
ver und negativer Klassen, ausgehend von einer Bezugslinie (Nulllinie), ist ebenfalls
möglich [102]. Liegt bei der Klassierung ein Wert direkt auf der Klassengrenze wird
dieser der nächst größeren Klasse zugeordnet. Diese Regelung ist zwingend not-
wendig um die Vergleichbarkeit verschiedener Klassierungen sicherzustellen [96;
101]. Die Festlegung der Klassenbreite sollte zudem in einem sinnvollen Verhältnis
zur Messgenauigkeit stehen [96].
Bei ereignisbasierten Klassierverfahren, welche beispielsweise beim Überschreiten
einer Klassengrenze eine Zählung auslösen, werden Schwingungen innerhalb einer
Klasse nicht detektiert. Schwingt ein Messsignal um eine Klassengrenze, wird hin-
gegen bei jedem Überschreiten der Klassengrenze eine Zählung ausgelöst. Da
kleine Schwingungen häufig von Messrauschen hervorgerufen werden oder nicht
schädigungsrelevant sind, werden sie mit der Einführung einer Hysterese unter-
drückt. Diese Hysterese, auch Rückstellbreite genannt, sorgt dafür, dass eine Zäh-
lung erst ab einem festgelegten Amplitudenausschlag ausgelöst wird. Je nach Klas-
siermethode muss die Rückstellbreite klassengrenzenorientiert (Bild 5, links) oder
extremwertorientiert (Bild 5, rechts) festgelegt werden.
Bei der Festlegung der Rückstellbreite muss exakt festgelegt werden, wie groß un-
terdrückte Schwingungen sein dürfen, um das Klassierergebnis nicht zu verfälschen
[97]. Gudehus und Zenner [103] empfehlen eine Rückstellbreite von 2,5 % der ma-
ximalen Schwingbreite oder kleiner.
-
Stand der Forschung und der Technik 18
Bild 5: Exemplarische Darstellung einer klassengrenzenorientierten (links) und einer extremwertorientierten (rechts) Rückstellbreite, nach [96]
Im Folgenden werden die Verweildauer- und die Rainflow-Klassierung detailliert
vorgestellt, da diese für die Analyse des Mähdrescherfahrantriebs im Rahmen der
vorliegenden Arbeit verwendet werden. Andere Klassierverfahren sollen an dieser
Stelle nicht behandelt werden. Es sei hierbei auf die einschlägigen Werke von Köh-
ler [96], Haibach [97], Buxbaum [104], Gudehus und Zenner [103] sowie die Richt-
linie FVA 131 IV der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. [101] und die ver-
altete Norm DIN 45667 [102] verwiesen.
Verweildauer-Klassierung
Die einparametrische Verweildauer-Klassierung ermittelt die Zeiten, die ein Mess-
signal innerhalb der einzelnen Klassengrenzen verweilt. Die Gesamtsumme aller
Verweildauern 𝑡𝑖 entspricht der Messdauer 𝑡𝑀𝑒𝑠𝑠. Als relative Verweildauer 𝜏𝑟𝑒𝑙
(Gl. (3)) wird die Verweildauer je Klasse 𝑖 bezogen auf die Messdauer bezeichnet.
Bild 6 verdeutlicht die Vorgehensweise exemplarisch anhand der Klasse 4. [96;
101]
𝜏𝑟𝑒𝑙,𝑖 =𝑡𝑖
𝑡𝑀𝑒𝑠𝑠=∑ ∆𝑡𝑖,𝑗𝑛𝑗=1
∑ 𝑡𝑖𝑚𝑖=1
(3)
1
2
3
4
5
6
Kla
sse
i
Zeit t
7
8
Zeit t
klassengrenzenorientierte Rückstellbreite extremwertorientierte Rückstellbreite
-
Stand der Forschung und der Technik 19
Bild 6: Exemplarische Darstellung der einparametrischen Verweildauer-Klassierung anhand der Klasse 4, nach [96]
Die statistische Auswertung, die mittels der Verweildauer-Klassierung durchgeführt
worden ist, enthält keine Informationen mehr über die Häufigkeit der Extrema und
somit auch nicht über die Größe und Häufigkeit von Schwingspielen. Die Einführung
einer Rückstellbreite ist nicht sinnvoll, da die Unterdrückung überlagerter Schwin-
gungen mit kleiner Amplitude nicht notwendig ist. Die Verweildauer-Klassierung fin-
det vor allem bei der Erstellung von Betriebsbereichsstatistiken für Drehzahlen,
Drehmomente, Leistungen, Drücke, Geschwindigkeiten und Temperaturen Anwen-
dung. [96; 101]
Analog zur einparametrischen Verweildauer-Klassierung wird die zweiparametri-
sche durchgeführt. Allerdings sind die idealerweise äquidistanten Klassen nicht
mehr eindimensional, sondern zweidimensional. Das Ergebnis der zweiparametri-
schen Verweildauer-Klassierung ist somit eine Matrix. Jeder Eintrag der Matrix
(Klasse) enthält die Verweildauer 𝑡𝑖𝑗, in der zwei Parameter die jeweiligen Klassen-
bedingungen erfüllen. Für die zweidimensionale grafische Darstellung eignen sich
Isohypsen, dreidimensional ist auch eine perspektivische Darstellung möglich. [96]
Die zweiparametrische Verweildauer-Klassierung eignet sich besonders gut für die
Darstellung der Häufigkeitsverteilung von Betriebspunkten. Typische Beispiele sind
die Drehmoment/Drehzahl- oder die Druck/Volumenstrom-Klassierung.
1
2
3
4
5
6K
lasse
i
Zeit t
7
8
Δt4,1 Δt4,2 … Δt4,nrelative Verweildauer τrel
0 5 10 15 20 30%
1
2
3
4
5
6
7
8
-
Stand der Forschung und der Technik 20
Rainflow-Klassierung
Der Algorithmus der Rainflow-Zählung erfasst jeweils geschlossene Hysteresen.
Nicht geschlossene Hysteresen werden als Residuum abgelegt [96]. Jede einzelne
Hysteresenschleife wird durch ihre Umkehrpunkte (lokale Minima und Maxima) ge-
kennzeichnet. Das Ergebnis, die sogenannte Rainflow-Matrix, beinhaltet die Anzahl
der geschlossenen Hysteresenschleifen. Diese Schleifen beginnen in der Start-
klasse, kehren in der Zielklasse um und enden wieder in der Startklasse. Dadurch
ist eine Unterscheidung zwischen hängenden und stehenden Hysteresen möglich.
Dies bedeutet, die Information in welcher Reihenfolge die Belastung auftritt, geht
durch die Klassierung nicht verloren. Bild 7 verdeutlicht das Vorgehen bei der Rain-
flow-Zählung. Die gekennzeichneten und nummerierten Dreiecke stellen soge-
nannte geschlossene Hysteresen dar. Nach der Klassierung verbleibt das Resi-
duum, also alle nicht geschlossenen Hysteresen. Je nach verwendetem Zählalgo-
rithmus ändert sich die Behandlung des Residuums und die Bewertung der Extrema
hinsichtlich der Festlegung geschlossener Hysteresen. [96; 97]
Bild 7: Veranschaulichung des Rainflow-Zählverfahrens (nach [96; 105; 106])
1 2 3 4 5 6
1 1 1
2 2
3 1
4 1
5 1
6
Sta
rtkla
sse
Zielklasse
1
2
3
4
5
6
a
b
c
d
evorderes
Residuum
hinteres
Residuum
Zeit t
Kla
sse
i
Die Residuen (a-b-c und c-d-e) werden je
nach Zählalgorithmus vernachlässigt,
mitgezählt oder separat abgelegt:
1
2
3
4
5
6
1
2 3 4
5
67
Kla
sse
i
a
b
c
d
e
Zeit t
Belastungs-
Zeit-Funktion
(BZF)
geschlossene
Hysterese-
schleife
-
Stand der Forschung und der Technik 21
Die Rainflow-Klassierung gilt als Zählverfahren, welches den Schädigungsinhalt
von Belastungs-Zeit-Funktionen am besten wiedergibt. Zudem lassen sich die Er-
gebnisse einparametrischer Klassierungen aus der Rainflow-Matrix ableiten [96].
Aus diesem Grund sind zweiparametrische Zählverfahren zu bevorzugen [103].
2.2.2 Lastkollektive von Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen
Bereits 1936 beschreiben W. Kloth und Th. Stroppel [107] die Problematik der Deu-
tung und Vergleichbarkeit von Belastungs-Zeit-Funktionen am Beispiel der Zugkraft
eines Pfluges. Stark schwankende Messwerte durch heterogene Bedingungen wer-
fen die Frage auf, ob die Zugkraft durch einen einzigen Zahlenwert beschrieben
werden kann. Wird der Mittelwert verwendet, liegt die Schwierigkeit bei der Ausle-
gung von Bauteilen in der Festlegung eines adäquaten Sicherheitsbeiwertes. Die
Verwendung des Grenzwertes hingegen führt zu einer überdimensionierten Ausle-
gung. Deshalb schlagen sie bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Lastanalysen
von Landmaschinen die Verwendung einer Häufigkeitsverteilung unter Festlegung
fixer Klassenbreiten vor [107]. Der „Pioniercharakter“ dieses Artikels ist daran zu
erkennen, dass die Zweckmäßigkeit der Gegenüberstellung von Lasthäufigkeit und
Wöhler-Kurve beschrieben ist [95]. Unterstützt wird diese Einschätzung außerdem
durch die damals fortschrittliche Unterteilung des Belastungs-Zeit-Verlaufs der Pa-
ckerwelle eines Mähbinders in einzelne Teilaufgaben [107]. Diese differenzierte Be-
trachtungsweise der einzelnen Häufigkeitsverteilungen erlaubt weitreichende Er-
kenntnisse über auftretende Einzelereignisse. Üblicherweise gehen bei der Klassie-
rung von Lastkollektiven die Informationen der zeitlichen Abfolge verloren. Bei einer
deterministischen Belastung können mittels der Unterteilung nach Teilaufgaben im
Verfahrensablauf einzelne Teilsequenzen dennoch gesondert betrachtet werden.
Bereits 1971 beschäftigt sich Müller [108] mit den Getriebebelastungen an mecha-
nischen und hydrostatischen Mähdrescher-Fahrantrieben. In einem theoretischen
Ansatz berechnet er die erforderlichen Abtriebsdrehmomente sowie die auftreten-
den Stoßbelastungen. Lastkollektive werden hier noch nicht verwendet. [108]
Renius [95] beschreibt 1976 den damaligen Forschungsstand im Bereich Lastkol-
lektive und deren Berechnungsgrundlagen zur Auslegung von Traktorgetrieben. Kri-
tisiert wird hierbei besonders, dass trotz vieler Lastkollektivmessungen keine ver-
-
Stand der Forschung und der Technik 22
wendbaren normierten Last- und Geschwindigkeitskollektive für eine praxistaugli-
che Berechnung vorliegen. Für eine betriebsfeste Auslegung von Getrieben wird die
Verwendung von repräsentativen motorseitigen und triebradseitigen Gesamtlastkol-
lektiven sowie eines Geschwindigkeitskollektivs vorgeschlagen. Für eine detaillier-
tere Betrachtungsweise können Einzelkollektive für typische Arbeitsgruppen und
Fahrgeschwindigkeitsbereiche betrachtet werden. Zudem erweitert die mehrpara-
metrische Darstellung den Informationsgehalt von Lastkollektiven. Als besonders
wichtig wird die Verwendung von Klassierverfahren eingeschätzt, welche die Zeit-
anteile beibehalten [95]. 25 Jahre später beschreibt Renius [109], wie sich Lastkol-
lektive bei der Auslegung von Traktorgetrieben etabliert haben. Weiter wird die Me-
thode der Betriebsfestigkeit als „wirtschaftlich und zukunftsträchtig“ beschrieben.
[109]
Im Jahr 1991 hat die Firma CLAAS das vierjährige Projekt Hydrauliköl auf Rapsölba-
sis gestartet. Ziel war die Freigabe von Hydraulikölen auf Rapsölbasis in Mähdre-
schern und Feldhäckslern. In diesem Rahmen sind insgesamt 24 Maschinen mit
Rapsöl befüllt und deutschlandweit getestet worden. Neben den Projektträgern,
dem damaligen Bundesministerium für Landwirtschaft und der Union zur Förderung
von Öl- und Proteinpflanzen, waren Komponenten-, Öl- und Filterhersteller mit am
Projekt beteiligt. Regelmäßige Viskositätsuntersuchungen, die kontinuierliche Über-
wachung der Drücke und Temperaturen sowie die abschließende Demontage und
Untersuchung aller Komponenten, aber vor allem die große Anzahl an Versuchsträ-
gern erlauben weitreichende Rückschlüsse auf die Eignung von Rapsöl in Erntema-
schinen [110]. Wendorff [111] publiziert in einer Ergebnispräsentation exemplari-
sche Lastdruckkollektive eines hydrostatischen Fahrantriebs der A-seitigen Arbeits-
leitung. Als A-Seite wird beim hydrostatischen Fahrantrieb im geschlossenen Kreis
üblicherweise die mit Hochdruck beaufschlagte Leitung bei der Vorwärtsfahrt be-
zeichnet. Grundlage der publizierten Daten sind Messungen an einem CLAAS
Dominator 88 SL, welcher über drei Ernten hinweg insgesamt 1120 Stunden im Ver-
suchseinsatz mit Rapsöl betrieben wurde, Bild 8. Insgesamt wird der Fahrantrieb
bei einem sehr moderaten Druckniveau betrieben. Die längste Verweildauer mit
39,8 % der Gesamtmesszeit liegt im Bereich zwischen 100 und 150 bar [111].
Renius [8] beschreibt den Hochlastanteil des primär verstellten hydrostatischen
Fahrantriebs als „etwas überdurchschnittlich“.
-
Stand der Forschung und der Technik 23
Bild 8: Lastdruckkollektiv des hydrostatischen Fahrantriebs eines Mähdreschers Messzeit: 1120 h, CLAAS Dominator 88 SL nach [111]
Huber [6] hat für seine Lastanalysen am Fahrantrieb eines Teleskopladers eine Ver-
suchsmaschine mit Messtechnik ausgestattet. Erfasst wurden die Drehmomente an
den Kardanwellen des Allradantriebs zur Vorder- und Hinterachse mittels DMS-Ap-
plikationen und einem Sensortelemetriesystem als Übertragungseinheit zwischen
Rotor und Stator. Außerdem sind die Drücke und Volumenströme beider Hydromo-
toren des Fahrantriebs, einem Konstant- und einem Verstellmotor, gemessen wor-
den. Zusätzlich zu den Messstellen konnten die Bediensignale mitgeloggt werden.
Die Randbedingungen, wie Arbeitstätigkeit und Anbaugerät, stellt der Fahrer manu-
ell über ein separates Bedienterminal als zusätzliche Eingangsgrößen bereit. Last-
kollektive und Einsatzprofile konnten auf drei Testbetrieben gemessen werden. Ins-
gesamt fokussiert diese Arbeit sehr stark die Betriebsfestigkeit von Bauteilen und
Baugruppen. Als Auswertemethode wird deshalb die Rainflow-Klassierung verwen-
det. Aus den erstellten Rainflow-Matrizen werden dann in einem zweiten Schritt
Amplitudenkollektive abgeleitet und zu Bemessungskollektiven verrechnet. Bemes-
sungskollektive decken die komplette Nutzungsdauer von Bauteilen ab und werden
meist aus kurzen, repräsentativen Messungen mittels Schätzung eines Einsatzpro-
fils extrapoliert [96]. Die publizierten Lastkollektive zeigen insgesamt einen hohen
Zeitanteil im Bereich der unteren Teillast sowie hohe Stillstandszeiten. [6]
0
100
200
300
400
500
0,01 0,1 1 10 100
Summenhäufigkeit
relative Verweildauer rel
Fa
hra
ntr
ieb
Dru
ck p
A
%
bar
-
Stand der Forschung und der Technik 24
Für Radlader-Fahrantriebe stellt Pfab [15] Last- und Drehzahlkollektive für typische
Einsatzfälle vor. Aus den gemessenen Einzelkollektiven werden unter Berücksich-
tigung des Einsatzprofils Gesamtlastkollektive berechnet [15]. In [112] schlägt
Kunze eine Methode zur Erstellung von Normlastkollektiven für Baumaschinen zur
Verbesserung der Lebensdauerabschätzung vor. Ebenfalls Teil der Methode ist es,
durch Superposition einzelner Rainflow-Matrizen entsprechend eines Einsatzprofils
eine Gesamtmatrix zu berechnen [112].
Lindner et al. beschreiben in [37] die Implementierung eines dieselelektrischen
Fahrantriebs in einen Rübenroder. Für dessen Auslegung wurde eine Verweildau-
erklassierung der hydraulischen Fahrantriebsleistung durchgeführt. Die erfasste Be-
triebszeit liegt bei 200 h und umfasst sowohl Transferfahrten als auch den Erntebe-
trieb zweier Versuchsmaschinen. Die exakten Randbedingungen werden, ebenso
wie der Auswerteumfang des Leistungskollektivs, nicht weiter spezifiziert. Bild 9
zeigt das gemessene Leistungskollektiv für den Rübenroder mit rund 31 t Leer-
masse und ca. 60 t Gesamtmasse.
Bild 9: Leistungskollektiv der hydraulischen Motorleistung im Fahrantrieb eines Rübenroders mit ca. 31 t Leermasse (nach [37])
Speziell im Bereich des Mähdreschers beschäftigte sich Müller [113] intensiv mit
Lastkollektiven sowie der Leistungsverteilung im Mähdrescher. Ziel des For-
50
100
150
200
250
300
00,01 0,1 1 10 100
Summenhäufigkeit
relative Verweildauer rel
hyd
rau
lisch
e L
eis
tun
g a
m F
ah
r-
an
trie
b e
ine
s R
üb
en
rod
ers
Ph
yd
,FA
%
kW
-
Stand der Forschung und der Technik 25
schungsprojektes ist die Bewertung alternativer Antriebssysteme zur Drehzahlent-
kopplung des Dieselmotors vom Antrieb der Arbeitsprozesselemente. Eine Ent-
kopplung der Antriebsdrehzahl bietet im Idealfall die Möglichkeit den Verbrennungs-
motor stets im verbrauchsoptimalen Betriebspunkt zu betreiben [114]. Um eine hohe
Prozessgüte zu erreichen, müssen drehzahlsensitive Arbeitsorgane wie die Rest-
kornabscheidung oder die Reinigungsanlage mit einer möglichst konstanten, den
Randbedingungen angepassten Erregerfrequenz betrieben werden [115–118]. Dies
stellt bei heterogenen Erntebedingungen hohe Anforderungen an das Entkopp-
lungselement bezüglich dessen Regelgüte. Die erforderliche Regelgüte beschreibt
dabei die Anforderungen hinsichtlich Stabilität, Störkompensation, Dynamik und Ro-
bustheit des dafür notwendigen Drehzahlreglers [119]. Zur Systemauswahl und Di-
mensionierung der Drehzahlentkopplung sind Lastkollektive möglichst aller Antriebe
im Mähdrescher erforderlich [120]. Müller [114] hat hierfür einen Versuchsmähdre-
scher des Typs CLAAS Lexion 470 Montana mit Leistungsmessstellen am Dresch-
werk, der Restkornabscheidung, dem Strohhäcksler, dem Fahrantrieb und dem Vor-
gelege des Antriebs für die Vorsatzgeräte ausgestattet. Unter repräsentativen Be-
dingungen konnten dabei Messdaten aus den Ernten 2011 und 2012 aufgezeichnet
und analysiert werden [113; 114]. Die in [113] publizierten Lastkollektive eines Wei-
zenfeldes mit einer Fläche von 3,3 ha weisen im Bereich der Arbeitsantriebe einen
signifikant hohen Anteil an Leerlast auf. Dieser liegt bei über 30 % der Einsatzzeit.
Die von Müller und Häberle in [36] publizierten Lastkollektive sind auf einem Wei-
zenschlag mit 3 ha und einem Durchschnittsertrag von 7,1 t/ha aufgezeichnet wor-
den und weisen ebenfalls einen ähnlichen Leerlastanteil auf. Auffallend ist der hohe
Teillastanteil mit über 70 % der Einsatzzeit.
Im Bereich des Fahrantriebs (Bild 10) liegen die Anteile für den Stillstand deutlich
über 10 % [36]. Wird unterstellt, dass das hydrostatische Bremsen auf einem ebe-
nen Feld und das Rückwärtsfahren vernachlässigt werden können, ist er am
Zeitanteil zu erkennen, welcher im Bereich des Speisedruckniveaus (ca. 0,1 bis
0,15∙ 𝑝𝐴,𝑚𝑎𝑥) liegt. Insgesamt liegen ca. 99 % der Lastpunkte unter 60 % Auslastung
[36]. Dies ist typisch für Mähdrescher-Fahrantriebe, da Leistungsreserven für
schwierige Erntebedingungen und Steigungen vorgehalten werden müssen. Jedoch
muss berücksichtigt werden, dass es sich beim verwendeten Versuchsmähdrescher
-
Stand der Forschung und der Technik 26
um eine Maschine handelt, welche speziell für Hanglagen konzipiert ist. Die leis-
tungsfähigeren Fahrantriebe dieser Mähdrescher weisen deshalb beim Einsatz in
der Ebene höhere Teillastanteile als Standardmaschinen auf.
Bild 10: Gesamtdruckkollektiv am Fahrantrieb für einen 3 ha Weizenschlag (nach [36])
Neben den in [36] publizierten Lastkollektiven wird dort auch ein erster Ansatz zur
Erstellung virtueller Lastkollektive vorgestellt. Hierbei wird das Gesamtkollektiv in
Teilkollektive zerlegt und entsprechend eines neu erstellten Einsatzprofils rekombi-
niert.
Für einen Feldhäcksler des Typs KRONE Big X 1000 hat Heckmann [34; 121] sehr
umfangreiche Last- und Leistungsanalysen im Fahrantrieb durchgeführt. Ziel des
durch die DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) geförderten Projektes [122] war
der Vergleich eines hydraulischen mit einem elektrischen Fahrantrieb. Die durchge-
führten Feldmessungen an der hydrostatisch angetriebenen Hinterachse zeigen
eine überproportionale Häufung der Betriebspunkte im ersten Quadranten des
Drehmoment-Drehzahlkennfeldes mit 87-88 % der Zeitanteile, Bild 11 und Bild 12.
Zudem konzentriert sich der Hauptarbeitsbereich auf ein schmales Betriebskennfeld
im Bereich der unteren Teillast. Die nach dem Klassendurchgangsverfahren
(DIN 45667 [102]) klassierten Lastkollektive sind über die zwei Parameter, dem the-
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
00,01 0,1 1 10 100
Summenhäufigkeit
relative Klassenhäufigkeit
no
rmie
rte
r L
astd
ruck im
Fa
hra
ntr
ieb
pA /
pA
,ma
x
%
-
-
Stand der Forschung und der Technik 27
oretischen Raddrehmoment und der -drehzahl, dargestellt. Das theoretische Rad-
drehmoment 𝑀𝑡ℎ,𝑅𝑎𝑑 errechnet sich dabei aus der gemessenen Druckdifferenz ∆𝑝
und dem eingestellten Schluckvolumen des Radialkolbenmotors 𝑉𝑔, Gl. (4).
𝑀𝑡ℎ,𝑅𝑎𝑑 =𝑉𝑔 ∙ ∆𝑝
2𝜋 (4)
Der Gesamtwirkungsgrad findet dabei keine Berücksichtigung, sodass die darge-
stellten Werte nicht den tatsächlichen Antriebsmomenten entsprechen. Zur Berück-
sichtigung des Gesamtwirkungsgrads sind dreidimensionale Kennfelder erforder-
lich, welche den Differenzdruck, die Drehzahl und das Schluckvolumen berücksich-
tigen. Als Klassenbreite sind 1 kNm für die Raddrehmomente und 2 1/min für die
Raddrehzahlen verwendet worden. [34]
Bild 11: Lastkollektiv Krone Big X 1000 (Serienstand) des rechten Hinterrades für hügeliges Gelände nach [34]
Bild 12: Lastkollektiv Krone Big X 1000 (Serienstand) des rechten Hinterrades für flaches Gelände nach [34]
rela
tive H
äufigkeit
10−4,5
10−4,0
10−3,5
10−3,0
10−2,5
10−2,0
10−1,5
Abbildung 5.1: Lastkollektiv in Form einer Drehmoment-Drehzahl-Verteilung für den rech-
ten Hinterradmotor bei Feldversuchen am 28.09.2009 im tertiären Hügelland
westlich von Freising; verändert auf Basis von [HB10a]
Raddrehzahl nRad
-40 -30 -20 -10 0 10 20 401/min
Raddre
hm
om
ent
Mth
,Rad
0
kNm
4
-4
-8
12
-12
Abbildung 5.2: Lastkollektiv in Form einer Drehmoment-Drehzahl-Verteilung für den rech-
ten Hinterradmotor bei Feldversuchen am 30.09.2009 im komplett flachen
Gelände auf Flächen der Versuchsstation Hirschau der Technischen Univer-
sität München östlich von Freising im Erdinger Moos; verändert auf Basis
von [HB10a]
rela
tive H
äufigkeit
10−4,0
10−3,5
10−3,0
10−2,5
10−2,0
10−1,5
Raddrehzahl nRad
-40 -30 -20 -10 0 10 20 401/min
Raddre
hm
om
ent
Mth
,Rad
0
kNm
4
-4
-8
12
-12
-
Stand der Forschung und der Technik 28
Neben den Feldversuchen unter verschiedenen Einsatzbedingungen sind auch
Prüfstandsuntersuchungen als reproduzierbare Vergleichsbasis des elektrischen
und hydrostatischen Antriebssystems durchgeführt worden. Damit sind präzise Aus-
sagen zu den Gesamt- und Teilsystemwirkungsgraden der Feldhäcksler-Hinter-
achse möglich. Zur Durchführung dieser Messungen ist am Lehrstuhl für Agrarsys-
temtechnik der TU München eigens ein Antriebsstrangprüfstand aufgebaut worden.
[34; 123; 124]
Im Vorgängerprojekt [125] vergleicht Gallmeier [28] elektrische mit hydrostatischen
Baugruppenantrieben am Beispiel des Feldhäckslers KRONE Big X 1000. Mittels
der Monte-Carlo-Methode werden dabei aus Feldmessungen Prüfzyklen für einen
reproduzierbaren Vergleich beider Systeme berechnet. Im Vordergrund steht hier-
bei, neben einer technischen und wirtschaftlichen Bewertung, die energetische Ana-
lyse der Antriebe. [28; 126]
Weitaus intensiver wurden in der Vergangenheit die Fahrantriebe von Traktoren un-
tersucht. Da Traktoren nicht Bestandteil der vorliegenden Arbeit sind, jedoch wich-
tige Parallelen zu Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen gezogen werden kön-
nen, soll eine nicht erschöpfende Auswahl wichtiger Literaturstellen kurz angerissen
werden. Eine bedeutende Zusammenfassung wichtiger Literaturstellen zur Ausle-
gung dynamisch beanspruchter Traktorgetriebe gibt Renius in [95]. Biller [127] hat
im Rahmen seiner Arbeit repräsentative Lastkollektive für einen Traktor, an den un-
terschiedliche Anbaugeräte angebaut wurden, erstellt. Bemerkenswert ist, dass die
Arbeitsgänge nach Hauptarbeit, Leerfahrt sowie Anfahren und Schalten unterteilt
wurden. Zudem sind die Einflussfaktoren Arbeitsverfahren, Fahrgeschwindigkeit,
Bearbeitungsart, Bodenfeuchtigkeit, Fahrbahnart und Betätigungsart der Kupplung
auf das Lastkollektiv untersucht worden [127]. Parallel dazu hat Meiners [128] den
Einfluss einer hydrodynamischen Kupplung beim Traktor anhand von Lastkol-
lektiven untersucht. Vahlensieck [129] hat für die Auslegung eines Getriebes mit
Zugkettenwandler Lastkollektive mit dem sogenannten Münchner Forschungstrak-
tor aufgenommen und analysiert. Zudem wurde eine Lebensdauerschätzung nach
gängigen Schadensakkumulationshypothesen durchgeführt [129]. In einem späte-
ren Artikel merkt Vahlensieck [130] an, dass insgesamt nur wenig Veröffentlichun-
-
Stand der Forschung und der Technik 29
gen zu Standard-Lastkollektiven verfügbar seien und die einzig verfügbaren im Be-
reich der mobilen Arbeitsmaschinen von Traktoren stammen. Dieser Umstand hat
sich nach aktuellem Stand nicht wesentlich verbessert.
2.3 Effizienzbewertung von Antrieben
Bei mobilen Arbeitsmaschinen übersteigen oftmals die variablen Kosten, welche zu
großen Teilen aus den Kraftstoffkosten resultieren, die Anschaffungskosten um ein
Vielfaches, weshalb sich Investitionen in energieeffiziente Antriebe amortisieren [5;
131]. Eine Ausnahme stellt der Mähdrescher dar. Wegen den sehr kurzen jährlichen
Einsatzzeiten übersteigen die nutzungsunabhängigen Fixkosten mit einem Anteil
von ungefähr 66 % die variablen Kosten [132]. Dies ist durch die sehr begrenzten
Erntefenster für Getreide von 3 bis 402 Stunden in Deutschland, je nach Klimagebiet
und Zielfeuchte des Ernteguts [79; 133], begründet. Insgesamt betrachtet hat jedoch
die Energieeffizienz von mobilen Arbeitsmaschinen einen hohen Stellenwert [4]. Vor
allem durch die politische Forderung nach einer höheren Energieeffizienz und somit
der Senkung verbrennungsmotorischer CO2-Emissionen [134], sehen sich die
Landtechnikhersteller mit neuen Herausforderungen konfrontiert [135; 136]. Aller-
dings wird die Umsetzung der Ökodesignrichtlinie [137] für mobile Arbeitsmaschi-
nen sehr kritisch gesehen, da landwirtschaftliche Prozesse sehr heterogen sind und
sich nicht mit einer einzigen Kennzahl, wie bei Energielabeln üblich, abbilden las-
sen. Zudem wird durch den produktzentrierten Ansatz ein sehr viel niedrigeres Ener-
gieeinsparpotential gesehen als bei einem ganzheitlichen prozessorientierten An-
satz [138].
Die bisher geltenden europäischen Abgasstufen I bis IV haben mit der Einführung
der Europäischen Richtlinie 97/68/EG [139], sowie deren Überarbeitung vom
21.04.2004 (2004/26/EG [140]), sukzessive zu einer Verschärfung der Emissions-
grenzwerte im Bereich mobiler Maschinen und Geräte geführt. Aktuell ist jedoch
deren CO2-Ausstoß nicht reglementiert. Tabelle 16 im Anhang listet die Emissions-
grenzwerte der einzelnen Abgasstufen für mobile Maschinen seit deren Einführung
auf. Diese Regulierung der Abgasemissionen (Stufe I bis V) hat in der Leistungs-
klasse von 130 bis 560 kW zu einer Reduzierung der Stickoxidgrenzwerte um
95,7 % und bei den Partikeln um 97,2 % geführt. Zusätzlich wird im dargestellten
file:///C:/Users/has7ec/Documents/Laufwerk%20H/Diss/teilstufenloses%23_CTVL001618e0341a03a4120ad5461adde051f50
-
Stand der Forschung und der Technik 30
Bereich mit Einführung der Stufe V die Partikelanzahl auf 1012 Partikel/kWh be-
grenzt. Außerdem werden Dieselmotoren für mobile Maschinen mit einer Nutzleis-
tung PNutz größer 560 kW erstmals innerhalb der europäischen Abgasgesetzgebung
reglementiert [141].
Der Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030 der Europäi-
schen Kommission sieht die Reduzierung der CO2-Emissionen vor. Nach kommis-
sionseigenen Analysen bedeutet das Treibhausgasemissionsminderungsziel von
40 % eine Energieeinsparung von rund 25 % bis ins Jahr 2030, bezogen auf das
Basisjahr