Apparative Diagnostik der Dysphagie mittels FEES
Rainer DziewasKlinik und Poliklinik für Neurologie
Universitätsklinikum Münster
Gliederung
1. Einleitung
2. Untersuchungsablauf und Befundung
3. Fallbeispiele
1988 Susan Langmore: „Fiberoptic endoscopic examination of swallowing safety: a new procedure“ Dysphagia 1988;2:216-219
1997 Akronym FEES® wird urheberechtlich geschützt2001 „Endoscopic Evaluation and Treatment of
Swallowing Disorders“ von Susan Langmore erscheint im Thieme-Verlag
2008 Leitlinie „Neurogene Dysphagie“ der DGN: Die beiden wichtigsten apparativen Methoden sind VFSS und FEES
2010 OPS Kode 1-613: Evaluation des Schluckens mit flexiblem Endoskop
EinleitungFEES Historie
EinleitungDie klinische Motivation
Beispiel Schlaganfall: Dysphagie und Aspiration führen zu Pneumonie,
längerem Krankenhausaufenthalt, erhöhter Mortalität und schlechterem Langzeit-Outcome [Dziewas et al. 2004, Mann et al. 1999, Smithard et al. 1996]
Dysphagie-/Aspirations- Screening reduziert die Pneumonie-rate und führt zu besserem Outcome [Hinchey et al. 2005, Evans et al. 2001]
aber: klinische Dysphagiediagnostik hat unzureichende Sensitivität und Spezifität, stille Aspirationen werden häufig nicht erkannt [Ramsey et al. 2003]
apparative Zusatzdiagnostik erforderlich!
EinleitungVor- und Nachteile
Vorteile: am Patientenbett
verfügbar native Untersuchung
möglich auch bei
eingeschränkter Mitarbeit durchführbar
Nachteile: keine Abbildung aller
Schluckphasen
Velum
Pharynx
Epiglottis
Larynx
Zunge
Trachea
EinleitungKomplikationen?
EinleitungKomplikationen? Kein Laryngospasmus, keine vasovagale Reaktion keine relevante Änderung kardiorespiratorischer
Parameter > 80% der Patienten empfinden Untersuchung als
gar nicht oder nur wenig unangenehm Inzidenz von
selbstlimitierendem Nasenbluten höher als in HNO-Patientenkollektiven (6% vs. 0,4%)
Keine erhöhte Inzidenz von Nasenbluten innerhalb von 24 Stunden nach Thrombolyse
Warnecke et al., Stroke 2009
EinleitungQualität in zahlreichen älteren Studien reproduzierte hohe
Übereinstimmung in der Detektion von Aspirationen zwischen FEES und VFSS [Wu et al. Laryngoscope 1997, Crary et al. Dysphagia 1997, Leder et al. Dysphagia 1998]
in neueren Studien mit simultan durchgeführter VFSS sogar Hinweise für Überlegenheit der FEES im Nachweis von Aspirationen und Residuen (!) [Kelly et al. Laryngoscope 2007, Kelly et al. Clin Otolaryngol 2006]
100% - Interrater-Agreement [Leder et al. Dysphagia 1998]
Warnecke et al. BMC Medical Education 2009
EinleitungErlernbarkeit?
Gliederung
1. Einleitung
2. Untersuchungsablauf und Befundung
3. Fallbeispiele
EndoskopischeUntersuchungspositionen
1 Übersichtseinstellung (“Home position”)
- Valleculae- Sinus piriformes- Larynxeingang
2 Naheinstellung (“Close view”)
- Taschenfalten- Aryknorpel- Stimmbänder und Subglottis
Untersuchungsablauf nachStandard-FEES-Protokoll
1. Anatomisch-physiologische Untersuchung
2. Schluckuntersuchung
3. Effektivität therapeutischer Manöver
4. Zusammenfassende Beurteilung
1. Ruhebeobachtung Spontane Schluckfrequenz: 2-4/Minute Strukturelle Veränderungen:
Speichelansammlung [Murray et al. Dysphagia 1996]
Warnecke et al. Klin Neurophysiol 2009
1. Funktionsprüfungen
Warnecke et al. Klin Neurophysiol 2009
2. SchluckuntersuchungStandard-FEES-Protokoll(1) Wackelpudding(2) Methylenblau – gefärbtes Wasser(3) Brot
Spezielle neurologische Untersuchungsprotokolle FEDSS = „Münsteraner Dysphagie-Score“ FEES-Levodopa-Test FST = FEES-Belastungstest FEES-Tensilon-Test Dekanülierungsprotokoll
Warnecke et al. Klin Neurophysiol 2009
Physiologischer Ablauf des Schluckaktes:
1: Larynx in der Ruheposition
2: Bolus tritt am Ende der oralen Phase in den Oropharynx ein und löst den Schluckreflex aus
3: Pharynxmuskulatur kontrahiert und presst die Endoskopspitze gegen die Schleimhaut, dadurch wird die Sicht kurzzeitig verlegt („Whiteout“)
4: Pharynxmuskulatur erschlafft, Epiglottis noch invertiert, Bolus bereits im Ösophagus, pharyngeale Phase beendet
5: Epiglottis kehrt in Ausgangsposition zurück
1 2 3 4 5
2. Schluckuntersuchung
Warnecke et al. Klin Neurophysiol 2009
2. SchluckuntersuchungEndoskopische Hauptbefunde („salient findings“):
Warnecke et al. Klin Neurophysiol 2009
2. SchluckuntersuchungPrädeglutitive Aspiration:
25% aller Aspirationen [Smith et al. Dysphagia 1999]
Ursachen: Leaking und pathologischer Schluckreflex
Leaking = gestörte orale Phase, z. B.infolge von Zungenparese, Schluckapraxie,Aufmerksamkeitsstörung
Pathologischer Schluckreflex = gestörte pharyngeale Phase, z. B. infolge von Hyposensibilität
2. SchluckuntersuchungResiduen
4. Zusammenfassende Beurteilung
Endoskopischer Hauptbefund:
Pathomechanismus:
Schweregrad und Klassifikation:
Therapieempfehlung:
Postdeglutitive Penetration und Aspiration fester Nahrungsboli
Verminderte Pharynxkontraktion mit Residuen in den Valleculae
Mittelgradige neuromuskuläre Dysphagie
Weiche Kost, leeres Nachschlucken, Erlernen der Mendelsohn-Technik
Gliederung
1. Einleitung
2. Untersuchungsablauf und Befundung
3. Fallbeispiele
Fallbeispiel (1)Anamnese: 70jährige Patientin plötzlich aufgetretener
unsystematischer Schwindel Klinisch-neurologisch: Dysarthrie,
Hornersyndrom rechts, dissozierte Empfindungsstörung linke Körperseite, Gaumensegelparese rechts
MRT: dorsolateraler Medulla oblongata-Infarkt rechts
Fragestellung: Ist eine Oralisierung möglich?
Fallbeispiel (1)FEDSS
Fallbeispiel (2)Anamnese: 73jähriger Patient seit 8 Wochen zunehmende
Schluckstörung, 7 kg Gewichtsverlust Landwirt, wiederholte Zeckenstiche
in den letzten Monaten.Auswärtige Neurologische Klinik: akute Neuroborreliose Beginn einer i.v. Antibiose mit
Ceftriaxon 2g/d keine Besserung nach 10 Tagen
Fragestellung: Ausmaß und Ätiologie der
Dysphagie?
Fallbeispiel (2)FEES-Tensilon-Test
Warnecke et al. J Neurol 2009
Fallbeispiel (3)Anamnese: 68jähriger Patient Morbus Parkinson vom
akinetisch-rigiden Typ seit 14 Jahren
Hoehn und Yahr Stadium IV notfallmäßige stationäre
Aufnahme wegen Nahrungsbolusaspiration und respiratorischer Insuffizinz
Intubation, kontrollierte Beatmung für 3 Tage, dann Extubation
Fragestellung: Ist eine Oralisierung möglich?
Fallbeispiel (4)Anamnese: 63 jährige Patientin Z.n. Radiotherapie eines
zervikalen malignen Melanoms
Seit 12 Monaten zunehmende Schluckstörungen
20 kg Gewichtsverlust 2 x hospitalisiert wegen
PneumonienFragestellung: PEG?
Anamnese: 73jähriger Patient seit 10 Jahren subjektiv
Schluckstörung Gewichtsabnahme, Kleidung
mittlerweile „2 Nummern zu groß“
auswärts V. a. psychogene Dysphagie
klinisch-neurologisch: unauffällig
Fragestellung: Dysphagie?
Diffuse idiopathische Skeletthyperostose =Morbus Forestier
Fallbeispiel (5)
Fallbeispiel (6)Anamnese: 56 jähriger Patient Exazerbierte Schizophrene
Psychose Unter Therapie mit
Haloperidol mehrmalige „Erstickungsanfälle“ beim Essen
Fragestellung: Dysphagie?
Neuroleptika-induzierte Frühdyskineisie
Zusammenfassung FEES ist eine komplikationsarme Methode, die
Aspirationen zuverlässig nachweist und verhältnismäßig leicht erlernbar ist.
Die zusammenfassende Beurteilung einer FEES-Untersuchung sollte bestehen aus endoskopischem Hauptbefund, Pathomechanismus, Schweregrad und Klassifikation der Dysphagie sowie Therapieempfehlung.
Neben dem Standard-FEES-Protokoll sind mittlerweile zusätzliche Untersuchungsprotokolle für spezifische neurologische Fragestellungen verfügbar, z. B. FEDSS, FEES-Tensilon-Test, FEES-Levodopa-Test
Vielen Dank…
Dysphagie-Sprechstunde UKM
Klinik und Poliklinik für Neurologie Ebene 05 West
Termine unter Tel. 0251/8348291
Mitarbeiter: Christina HamacherStephan Oelenberg
Sonja SuntrupInga Teismann
Tobias WarneckeRainer Dziewas