AS Jungenförderung
TDS Daun, 11.April 2013
Gliederung
• Annäherungen
• Befund und Problemstellung
• Erklärungsansätze
• Beispiel: Lesen
• Lösungsansätze
• Ausblick
Annäherung I
Zitate aus LP-Entwürfen:
• „Die Mädchen leiden häufig unter der Dominanz der Jungen, was sich generell in einer schwächeren mündlichen Beteiligung der Mädchen zeigt.“
• „Viele der z.T. zurückhaltenderen Mädchen fallen positiv durch eine gründliche häusliche Vorbereitung und Anfertigung von HA auf…“
Annäherung II Aus Unterrichtssituationen:
• „Jetzt hätte ich aber auch noch gerne die männliche Sichtweise! Also, wer von den Jungs äußert sich mal?...“
LP-Reflektion:
• „…die Mädels ordneten zunächst ihre Kärtchen sehr sorgfältig, während die Jungs spielerisch drauflos entwarfen…“
Jungen- und Mädchenbilder
• Was macht den Jungen, das Mädchen aus?
• Die Mischform als The right kind of man?
• Also: der gedichtelesende Fußballspieler oder doch der Schiffschaukelbremser in der Kita…
Bestandsaufnahme
Jungen …
• werden später eingeschult
• können schlechter lesen
• bleiben häufiger sitzen
• sind an Förderschulen über- und an Gymnasien unterrepräsentiert
• haben die schlechteren Abschlüsse
• werden öfter disziplinarisch auffällig
Zwischenfazit
„Geschlecht ist somit nach wie vor ein Faktor für Schullaufbahn und Schulerfolg!“ (Kottmann 2006)
Erklärungsansätze
• „Tom Sawyer und Huck Finn bekämen in der heutigen Frauenschule mit Sicherheit Ritalin verabreicht!“ (W. Hollstein, S. 293)
• „Mannsein ist kein naturverursachtes Schicksal“ (Baar, u.a. S. 118)
Soziologiebrille • Seit den 60er Jahren: Erweiterung der
„Lebenbewältigungsstrategien“ von Frauen (3K‘s werden ergänzt…)
• Junge Männer verharren eher im „Rollengefängnis“ und werden Anforderungen mod. Gesellschaften weniger gerecht
• Sozialisationsimpulse von Eltern und Pears bei Jungen eher ungünstig für Schulerfolg (Coolnessfaktor...)
• Jungen haben wenig effiziente Problemlösungsstrategien (Überschätzung, Schuldzuweisung, Aggression, …)
Genderbrille: Ende des Geschlechterkonfliktes?
• „Geschlecht bezeichnet nicht das, was wir sind, sondern, das, was wir tun.“ (Baar, u.a. S. 109)
• „Die nachwachsende Generation in zwei Geschlechter einzuteilen, ist viel zu vereinfachend.“(Baar, u.a. S. 110)
• Gruppenzugehörigkeiten dürfen keine Rolle spielen – das Individuum ist der entscheidende Maßstab
Psychobrille
• Dominanz des Weiblichen kann paradoxerweise zur Abwehr der eigenen, im Jungen angelegten Weiblichkeit und zur Orientierung an rigiden Männlichkeitsvorstellungen führen
• Phallischer Narzissmus und „innere Mutter“ sollten zum Einklang gebracht werden
• Baukran, Pistole und Schwert unterstützen den Penis-Penis-Dialog (!) Damasch, S. 192
• Plädoyer für körpernahe männliche Interaktionsmuster
Immer mit der Ruhe!
• Ist eine künstliche Trennung von Sex und Gender wirklich hilfreich?
• J. und M. sind J. und M.: geschlechtliche Identitätssuche ist wichtig und nicht reaktionär
Also: Pragmatismus versus Ideologie
Notwendigkeit der Interdisziplinarität!
Biologie
Psycho-logie
Soziologie
Didaktik
Beispiel: Lesen
„Echte Kerle lesen nicht!?“ Jungen Lese- Mädchen
seltener und kürzer -quantität öfter und länger
Sach- und Fachbücher, Spannung, Action, Abenteuer, Bewährung, Reise- Heldengeschichten, fremde Welten, ferne Zeiten,
-stoff fiktionale Genres, menschliche Schicksale, innere Handlung, Bezüge zum eigenen Leben, zur Gegenwart…
Jungen lesen eher sachbezogen und distanziert
-modalitäten empathisch, emotional involviert
Lesen bedeutet ihnen nicht so viel – andere Präferenzen
-freude deutlich höherer Stellenwert
weniger kompetent (in allen PISA Staaten)
-kompetenz v.a. bei reinen Schrifttexten überlegen (interpretieren, reflektieren, bewerten…)
Erklärungsansätze LESEN
Biologisch/hirnpsychologische Aspekte, aber
v.a. : Soziologisch/psychologische Ursachen:
• „kinderliterarisches System in der GS in Frauenhand“, dadurch: Literarität eher weibliche Welt (z.B. starke Mädchen als Protagonisten oder schwache, sensible Jungs…)
• Konflikt mit Anforderungen an männliche Geschlechtsrolle
Fluchtverhalten…
• männliche Helden in anderen Medien….
• Bildschirmspiele bedienen die Interessen von Jungen besser als die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur
• Dort kann die infrage gestellte Dominanz der Männlichkeit repariert werden.
Leseförderung für Jungen
• Leseentwicklungsphase (ca. 8 – 12 Jahre) für Jungen attraktiv gestalten und Kompetenz konsequent trainieren
• Leseförderung im Verbund: – Familie (Wer liest (vor?); Schule (Projekte, z.B.
Lesescouts, …)
v.a. aber didaktische Herausforderung:
• Herstellung von möglichst großer PASSUNG (thematische Interessenschwerpunkte, Textart, Anforderungsniveaus, …)
Die „jungenfreundliche Schule“
• Jungen profitieren von klaren Regeln in allen Unterrichtssituationen
• Berücksichtigung von besonderen Interessen zum richtigen Zeitpunkt: Technik, Nawi, Computer, Konstruieren, Abenteuer, historisch-politische Themen, … (maximale Bandbreite von Angeboten)
• Aufgaben mit Wettbewerbscharakter
• Berücksichtigung jungenspezifischer Bedürfnisse (Körpersensibilität, Bewegungs- Raumergreifungsbedürfnis…)
• Unterstützung der Strukturierungs- und Selbsteinschätzungsfähigkeit
• Geschlechtsgemischte Kollegien („Männerquote“)
Die „jungenfreundliche Schule“
• Ermutigung zur Durchbrechung von Rollenstereotypen und zur Übernahme „weiblicher Tugenden“ (Fleiß, Ausdauer, Sorgfalt…)
• Also: „Mannsein“ nicht verleugnen und Repertoire erweitern
• z.B. durch Orientierung an Vorbildern!
Literaturauswahl
• Baar, Robert; Fuhr, Thomas, Michalek, Ruth, Schönknecht, Gudrun: Genderkompetenz statt Quote, in: Hurrelmann, Klaus u. Schultz, Tanjev (Hrsg.), Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?, Weinheim und Basel 2012, S. 102-124
• Cremers, Michael; Budde, Jürgen: Jungen fördern, in: Pädagogik 6 (2009), S. 36-40
• Damasch, Frank, Ohne Männer können Jungs sich nicht gut ent-wickeln, in: Hurrelmann, Klaus u. Schultz, Tanjev (Hrsg.), Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?, Weinheim und Basel 2012, S. 184-200
• Diefenbach, Heike: Jungen und schulische Bildung, in: Matzner, Michael; Tischner, Wolfgang (hrsg.): Handbuch Jungen-Pädagogik, Weinheim und Basel 20122, S. 109-126
• Hollstein, Walter, Das vergessene Geschlecht? Einseitige Frauenförderung und ihre Folgen, in: Hurrelmann, Klaus u. Schultz, Tanjev (Hrsg.), Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?, Weinheim und Basel 2012, S. 287-297