6. EnergieDialog Mainfranken
Elektromobilität ohne Alternative? Status-quo und Ausblick
Dr. Wolfgang Schneider
Direktor Center Automotive Research Universität Duisburg-Essen
Mainfranken, 29. November 2016 1
6. EnergieDialog in Mainfranken Politische Ambitionen bleiben bisher
unerfüllt - in Deutschland und weltweit
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Politische Vision BRD:
1 Mio. Elektrofahrzeuge bis 2020 (Angela Merkel, 2008)
Realität BRD heute:
• Fahrzeugbestand: 45 Millionen PKW
• Elektroautos insgesamt etwa: 60.000
• Reine Elektroautos: 37.000
• Plug-In Hybride: 23.000
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken Politische Ambitionen bleiben bisher
unerfüllt - in Deutschland und weltweit
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Bei jährlich etwa 3,3 Mio. Neuzulassungen werden in 2016
voraussichtlich lediglich 23.000 (0.7%) neue EV zugelassen:
davon sind nur etwa die Hälfte echte Batteriefahrzeuge.
Der Rest sind Hybride oder Plug-in Hybride.
Immerhin werden in Deutschland 32 EV Modelle angeboten, so
viele wie in China und Japan.
Aber offenbar finden sie keine Käufer... Warum?
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken
Neuzulassungen Elektrofahrzeuge 2009 - 2016
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Quelle: Verband der Automobilindustrie, Nachrichten und Informationen für die Hersteller von Anhängern, Aufbauten und Bussen, Nr. 19 (47. Jg.), 13.05.16
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken Die Realität in den Kernmärkten Europas
und der Welt:
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Frankreich: 10.000€ Kaufprämie, Parkplätze, Ladesäulen, Marktanteil 2016 etwa 1%
England: 6.200€ Kaufprämie, Parkplätze, Ladesäulen, Marktanteil 2016 unter 1%
Spanien: 6.500€ Kaufprämie, Parkplätze, Ladesäulen, Marktanteil 2016 unter 1%
Norwegen, Dänemark: Befreiung von MWSt und Zulassungssteuer (=etwa 1/3 des Kaufpreises), Parkplätze, Ladesäulen - Marktanteil 20%
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken Die Realität in den Kernmärkten Europas
und der Welt:
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Niederlande: ähnliches System wie Norwegen, Marktanteil 10%
Schweiz: keine Anreize, aber kein Vorteil für Diesel – Tesla ist Marktführer in der Luxusklasse vor BMW, Daimler, Porsche – Marktanteil insgesamt unter 0,5%
China: 7.000€, plus Steuerbefreiung, Marktanteil 1,3% in 2015, etwa 2% in 2016 (340.000 Neuzulassungen) Japan: 10.000€ Kaufprämie, Marktanteil 2% in 2016 (111.000 Neuzulassungen)
USA: 5.000 – 10.000€ Kaufprämie, je nach Staat, Marktanteil bei etwa 2% in 2016 (368.000 Neuzulassungen)
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken
• Kaufanreize zeigen keine nachhaltige Wirkung
• Marktanteile werden (zeitweise) geringfügig und „künstlich“ erhöht
• Das ist auch die Erfahrung der Vergangenheit Abwrackprämie
• Die Ausnahme der Niederlande und der Skandinavischen Länder
erklärt sich nicht aus den Anreizen, sondern aus der generell
positiven Einstellung zur nachhaltigen Mobilität
• Kaufanreize zum Ausgleich eines „Marktversagens“ sind also
grundsätzlich ungeeignet
Maßnahmen-Beurteilung
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6. EnergieDialog in Mainfranken Was sind also Gründe für das
„Markt-Versagen“? (1/3)
Geringe Reichweite:
• 150-160km für die meisten Modelle, unter „normalen“ Bedingungen
o Ausnahme: Tesla 400-500km
o Angekündigt: Opel Ampera-E 300km (2017), BMW SUV 500km (2018)
Ladeinfrastruktur:
• Garagen haben wenige, die meisten haben „Laternen-Parkplätze“
• Bisher keine nennenswerten öffentliche Ladeinfrastruktur (teuer, technisch aufwendig – Induktion auf längere Sicht?)
• Zur Zeit gibt es in der BRD nur 5.800 Ladepunkte, und lediglich 150 Schnell-Lade-Punkte (20 Minuten für 80% Kapazität) – das vergleicht sich mit über 15.000 konventionellen Tankstellen
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6. EnergieDialog in Mainfranken Was sind also Gründe für das
„Markt-Versagen“? (2/3)
Kosten:
• Neuanschaffung: meist doppelter Preis
• Besteuerung: meist nur geringe Vorteile für EV‘s
Produkt-Angebot:
• In der Mehrzahl bloße „Umbauten“ - „Conversions“, voller Kompromisse
• Nur BMW und Tesla bringen echte Neuentwicklungen
• Außer BMW und Tesla: nur Kleinwagen
• Generell: schwaches Image, außer bei „Eliten“ - neuerdings hat Tesla mit dem „Model 3“ einen echten Image-Gewinn erzielt
• Vorsicht mit Hybriden: – Die bringen eigentlich wenig
– Der Elektrovorteil im Stadtverkehr wird durch höheren Verbrauch (Batterie-Gewicht) außerhalb der Stadt „neutralisiert“
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6. EnergieDialog in Mainfranken Was sind also Gründe für das
„Markt-Versagen“? (3/3)
Und dann ist da noch das Problem des „grünen“ Stroms:
• Derzeit fahren EVs nur in Frankreich, Österreich und Skandinavien wirklich
CO2-frei (Atom, Wasser, Wind)
• Im Rest Europas und der Welt verlagern EVs die Umweltbelastung lediglich
vom Fahrzeug auf das (meist Kohle-) Kraftwerk „null“ Effekt insgesamt
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6. EnergieDialog in Mainfranken Was tut sich in Sachen Gesetzgebung und
Wettbewerb?
In der Gesetzgebung:
Nichts Bahnbrechendes, jedenfalls nicht in Deutschland
Und im Wettbewerb:
Kommen die entscheidenden Innovationen von „Outsidern“
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6. EnergieDialog in Mainfranken E-Mobilitätsgesetz BRD (April/Mai 2016):
Versuch des Ausgleichs von „Marktversagen“
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• Steuerliche Förderung von Privat- und Gewerbe-
Erwerb ab 1.Juli 2016: €4.000 für BEV, €3.000 für
Plug-Ins, zu je 50% von den OEMs mitfinanziert
• 10 Jahre Kfz Steuerbefreiung
• Arbeitgeber sollen Strom an Zapfsäulen
unentgeltlich und steuerfrei zur Verfügung
stellen können • Erhöhte Entfernungspauschale für Arbeitnehmer
• Mehr EVs für staatliche Flotten (Regierungsbeschluss April: €100 Mio.)
• Öffentliche Ladeinfrastruktur wird ausgebaut
• Bus-Spuren und freies Parken
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken Kritische Betrachtung des deutschen
Gesetzgebungs-Ansatzes:
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• Kaufanreize wirken selten nachhaltig: fallen sie weg, sinkt die Nachfrage wieder (Abwrackprämie)
• Steueranreize wirken schon langfristiger, aber die Befreiung von der Kfz-Steuer fällt finanziell nur geringfügig ins Gewicht
• Staatliche Flotten: guter Ansatz, Signalwirkung, Problem mit der relativ niedrigen Investitions-Summe
• Ausbau der öffentlichen Ladeninfrastruktur: wie lange soll das dauern, und reichen die von der Regierung im April beschlossenen €300 Mio.?
• Bus-Spuren und freies Parken: schwer zu realisieren, unmöglich zu kontrollieren
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken
Batterie: o langsamer, technischer Fortschritt in Sachen Reichweite, Gewicht, Kosten:
Korea führt, neuerdings noch eher China o Was macht Europa? Fortschritt bei Bosch: halbe Größe / doppelte
Kapazität / halber Preis in 5 Jahren? VDA sieht nächste Batteriegeneration erst in 2025..
Fahrzeug: o Tesla und BMW versuchen es mit neuen technischen Konzepten: Ultra-
Leichtbauweise, innovative nachhaltige Materialien, geschickte Batterie-Verpackung, vollständig neuer E-Antrieb
o Google und Apple versuchen es mit komplett autonom agierenden City-Kleinst-Fahrzeugen – volle Kontrolle bei der Technik, „Entmachtung“ des Fahrers? Fahrspaß?
Mobilitäts-Konzepte: o BMW, Daimler und andere probieren neue Mobilitätskonzepte: Car-
Sharing, Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern
Wettbewerb: nennenswerte neue Anstöße kommen vorwiegend von „Outsidern“ und von außerhalb Europas
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6. EnergieDialog in Mainfranken
Öffentliches CarSharing
Verleihmodell für Unternehmen
Wohnstandort-bezogene Mobilität
RUHRAUTOe
• Gefördert vom BMVI mit 1,15 Mio. Euro • Laufzeit: 2. Phase vom 01.08.2015 – 31.07.2017 • Projektpartner: UDE, Drive-CarSharing GmbH, Vivawest Wohnen GmbH, VRR • Ziel: Errichtung einer herstellerunabhängigen Test- und Demonstrationsplattform für
Elektromobilität. Möglichkeit für einen unverbindlichen, einfachen und kostengünstigen Erstkontakt.
• 40 E-Fahrzeuge • 11 verschiedene Modelle • 30 Stationen im Ruhrgebiet • 2.750 Nutzer • 750.000 Kilometer
• 3 Mietergruppen (4 – 11 Personen)
• 12-monatiger Feldtest • Kombination: Wohnen /
CarSharing / E-Mobilität
• Testmöglichkeit für Unternehmen (1-24 Monate)
• 250 Mieten • Schließt Lücke zwischen
Probefahrt und Langzeit-Leasing
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6. EnergieDialog in Mainfranken
Einzugsgebiet und Flotte des öffentlichen CarSharing-Netzes
4 Stationen
2 Stationen
2 Stationen
2 Stationen
1 Station
1 Station
2 Stationen
2 Stationen
7 Stationen
7 Stationen
1 Station
Wermelskirchen
14x Nissan Leaf 1x Nissan e-NV200
14x BMW i3 1x BMW 225xe Plug-In BMW 330e
Renault ZOE 3x Renault Twizy
2x smart ED 4x Kia Soul EV 3x Tesla Model S 1x Tesla Model X
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6. EnergieDialog in Mainfranken
Eine entscheidende Frage:
• Wenn wir in Deutschland all das tun, bringen wir die Elektromobilität dann zum Durchbruch?
• Oder brauchen wir einen ganz neuen, umfassenden, „radikaleren“ Ansatz?
• Die Meinungen darüber gehen weit auseinander..
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6. EnergieDialog in Mainfranken
Was könnte den Durchbruch bringen? (1/3) Wie könnte eine Leitmarktvision für Deutschland aussehen?
Ein radikal neues ‚Konzept‘ liefern, für nachhaltige urbane Mobilität:
o Große Städte für konventionellen Verkehr schließen, graduell über die nächsten Jahrzehnte (Zeithorizont 2030 - 2050)
o (Noch radikaler sind Norwegen und die Niederlande: Sie wollen ab 2025 überhaupt nur noch E-Fahrzeuge zulassen!)
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EVs frei
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken
EVs frei
Was könnte den Durchbruch bringen? (2/3) Wie könnte eine Leitmarktvision für Deutschland aussehen?
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Ein radikal neues ‚Konzept‘ liefern, für nachhaltige urbane Mobilität:
o Ab 2030: LKW-Maut ähnliches System einführen
o Ampeln als Datenerfasser
o Zugang zu den (großen) Städten immer teurer machen (London City Maut)
o Den Kreis, der Maut erfordert, graduell immer weiter ausdehnen
o Elektrofahrzeuge von der Maut vollständig ausnehmen
o ‚Progressiv‘ prohibitive Zugangskosten für konventionelle Fahrzeuge ab 2040
o Komplettes Zugangsverbot für konventionelle Fahrzeuge ab 2050
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken
Was könnte den Durchbruch bringen? (3/3) Wie könnte eine Leitmarktvision für Deutschland aussehen?
Ein radikal neues ‚Konzept‘ liefern, für nachhaltige urbane Mobilität:
o Kein unfairer Überraschungseffekt: Fahrer haben wegen der graduellen Einführung genügend Zeit zu überlegen, ob ihr nächstes Auto nicht doch ein Elektro-Auto ist..
o Und nicht auf den ‚grünen‘ Strom warten: der ist ohnehin auf dem Weg, und wird politisch umso zwingender, je mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt kommen
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EVs frei
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken Schlussfolgerung:
Wir brauchen ein Gesamtkonzept „Mobilität der Zukunft“ über die reine Technologie hinaus! (1/2)
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o Mit herkömmlichen Strategien kommen wir nicht entscheidend weiter
o Auch gegenüber den neueren „Vernetzungs-Strategien“ ist Vorsicht geboten:
o Sie sind letztlich ‚anti-car‘
o Und auch nur schwer praktikabel: o Wer tauscht schon gerne den Komfort und die Sicherheit seines
Fahrzeugs gegen öffentliche Verkehrsträger?
o Und wie bewältigt eine zunehmend alternde Bevölkerung die digitalen und logistischen Herausforderungen?
Mainfranken, 29. November 2016
6. EnergieDialog in Mainfranken Schlussfolgerung:
Wir brauchen ein Gesamtkonzept „Mobilität der Zukunft“ über die reine Technologie hinaus! (2/2)
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o Wir brauchen ein neues Mobilitäts-Konzept: „Exklusivität für die Elektro-Mobilität“
o Der „Exklusivitäts-Status“ für die Elektromobilität ist gleichzeitig auch ein Beitrag zur Lösung der Umwelt- und Stauprobleme unserer großen Städte:
o E-Fahrzeuge sind per Definition „umweltfreundlich“
o Und die Beschränkung des Zugangs zu unseren (großen) Städten auf Elektrofahrzeuge wird die Verkehrsdichte automatisch signifikant reduzieren
Mainfranken, 29. November 2016
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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