AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 1
1.1.Gegenstand und
methodische Ansätze in der Makroökonomik
Literatur:Kromphardt, Teil A
Blanchard / Illing, Kapitel 1
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 2
1.1 Überblick
1.2 Aktuelle Beispiele
1.3 Kurze, mittlere und lange Sicht
1.4 Gesamtwirtschaftliche Ziele
1.5 Makroökonomische Daten
1.6 Makroökonomische Modelle
Gliederung
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 3
1.1 Überblick
Makroökonomie beschäftigt sich mit zentralen gesamtwirtschaftlichen Größen:
Wirtschaftswachstum und Konjunktur
Arbeitslosigkeit
Inflation
Zinsen
Außenwirtschaft: Wechselkurse/ Zahlungsbilanz
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 4
Beispiel: Länderanalyse Deutschland– worauf sollten wir achten?
Quelle: OECD
Inflationsrate: Veränderung der Konsumentenpreise im Vergleich zum Vorjahr
0
2
4
6
8
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
%
Arbeitslosenrate
0
2
4
6
8
10
12
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
%
Wachstum des realen BIP im Vergleich zum Vorjahr
-6-4-20246
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
%
Leistungsbilanzüberschuss in % des BIP
-4
-2
0
2
4
6
8
10
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
Deutschland
OECD
%
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 5
1.1 Überblick
-8.00%
-6.00%
-4.00%
-2.00%
0.00%
2.00%
4.00%
6.00%
Q1 2005 Q3 2005 Q1 2006 Q3 2006 Q1 2007 Q3 2007 Q1 2008 Q3 2008 Q1 2009 Q3 2009 Q1 2010 Q3 2010
Veränderung zum Vorquartal Veränderung zum Vorjahresquartal
Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland 2005-10 saisonbereinigt
Quelle: Statistisches Bundesamt,03.04.2011
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 6
1.1 Überblick
Wirtschaftswachstum Deutschland (1980-2010)
1.4
0.5
1.6
2.82.3 2.3
1.4
3.7 3.9
5.3 5.1
2.22.7
1.9
1.0
1.8 2.0 2.0
3.2
1.2
0.0
1.20.8
3.22.5
-4.7
3.6
1
-0.2-0.8-0.4
-6.0
-4.0
-2.0
0.0
2.0
4.0
6.0
Verä
nder
ung
zum
Vor
jahr
in %
Statistisches Bundesamt, 10.02.2010
2,5%1,3%
Statistisches Bundesamt, 3.4.2011
Quelle: Statistisches Bundesamt 2011
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 7
1.1 Überblick
Statistisches Bundesamt 2011
Arbeitslosenquote (%)
0%
1%
2%
3%
4%
5%
6%
7%
8%
9%
10%
11%
12%
13%
1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009
bis 1990 BRD+Berlin(West) ab 1992 Deutschland
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 8
1.1 Überblick
Statistisches Bundesamt 2011
-2%
-1%
0%
1%
2%
3%
4%
5%
6%
7%
8%
9%
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
Inflationsrate, BIP (%) Inflationsrate, Lebenshaltung (%)
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 9
1.1 Überblick
Phillipskurve?
-2%
-1%
0%
1%
2%
3%
4%
5%
6%
7%
8%
9%
0% 2% 4% 6% 8% 10% 12% 14%
Arbeitslosenrate (%)
Infl
atio
nsr
ate,
BIP
(%
)
Kann eine höhere Inflationsrate die Arbeitslosigkeit reduzieren?
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 10
1.1 ÜberblickIn der Makroökonomie geht es darum
- gesamtwirtschaftliche Entwicklungen zu beschreiben (Empirie)
- gesamtwirtschaftliche Beziehungen zu erklären (Theorie)
sowie
- Vorschläge zur Problemlösung zu geben (Politikberatung)
Dabei sehr hilfreich:
ein internationaler Vergleich kann Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeiten
→ Wir betrachten die aktuelle Situation in EUR, USA und J!
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 11
Konjunkturelle Entwicklung (1990-2010): 1990er: niedrige Wachstumsraten im Vergleich zu den USA
höhere Arbeitslosigkeit: stetiger Anstieg bis 1997: „Eurosklerose“ Anfang 2000: kurze Erholung - danach weltweite Abschwächung. 2006-7: steigende Wachstumsraten, Rückgang der Arbeitslosigkeit 2008-09: Finanzkrise, Rezession. 2010 leichte Erholung (regional unterschiedlich ausgeprägt) 2011 Staatsschuldenkrise und (?) Bankenkrise
Einführung des Euro 1999: EZB betreibt einheitliche Geldpolitik in Europa Wie wirkt sich die Geldpolitik aus? Wann soll die EZB die Zinsen senken, um die Konjunktur zu stimulieren? Kann eine einheitliche Geldpolitik auf unterschiedliche Bedürfnisse der
Euro-Länder eingehen? Welche Konsequenzen hat die Entwicklung des Wechselkurses? Behindert der Stabilitäts- und Wachstumspakt eine aktive Konjunkturpolitik? Wie soll auf Finanzkrisen reagiert werden? Brauchen wir eine einheitliche Wirtschaftspolitik? Wie gehen wir mit Ungleichgewichten in den Staatsfinanzen/-schulden um?
1.2 Aktuelle Beispiele: Euroraum
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 12
1.2 Aktuelle Beispiele: Euroraum Aktuelle Wachstumsraten:
Quelle: Eurostat, 3/11
Wachstumsraten in %
-10.00
-8.00
-6.00
-4.00
-2.00
-
2.00
4.00
6.00
8.00
EU (2
7 Lä
nder
)
Euro
zone
Deu
tsch
land
Fran
krei
ch
Ital
ien
Span
ien
Nie
derl
ande
Öst
erre
ich
Finn
land
Irla
nd
Gri
eche
nlan
d
Slow
akei
Slow
enie
n
Vere
inig
tes
Köni
grei
ch
Pole
n
Tsch
echi
sche
Rep
ublik
Ung
arn
Bulg
arie
n
Rum
änie
n
Türk
ei
Nor
weg
en
Schw
eiz
Isla
nd
Vere
inig
te S
taat
en
Japa
n
Durchschnittswert 2000 - 2008 Wert 2009 Wert 2010
Quelle: Eurostat
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 13
1.2 Aktuelle Beispiele: Euroraum
Quelle: Eurostat, 3/11
Prognose der Wachstumsraten in %
-4.0
-3.0
-2.0
-1.0
0.0
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
6.0
EU (2
7 Lä
nder
)
Euro
zone
Deu
tsch
land
Fran
krei
ch
Ital
ien
Span
ien
Nie
derl
ande
Öst
erre
ich
Finn
land
Irla
nd
Gri
eche
nlan
d
Slow
akei
Slow
enie
n
Ver
eini
gtes
Kön
igre
ich
Pole
n
Tsch
echi
sche
Rep
ublik
Ung
arn
Bulg
arie
n
Rum
änie
n
Türk
ei
Nor
weg
en
Schw
eiz
Isla
nd
Ver
eini
gte
Staa
ten
Japa
n
2011 2012
Quelle: Eurostat
Wachstumsprognose:
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 14
1.2 Aktuelle Beispiele: Euroraum
(ONS = Office for National Statistics)
Präzision von Prognosen: Bank of England (BoE), GDP projection 2/11
Mit 90% Wahrscheinlichkeit wird die Wachstumsrate im UK 2011 zwischen 0 und 5% liegen.
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 15
Wirtschaftliche Entwicklung:
1990-2000: enorme Produktivitätssteigerungen; New Economy Boom, Bubble am Aktienmarkt; Niedrige private Sparrate; hohe Auslandsverschuldung
2000-2001: Einbruch der Aktienkurse; Abschwächung der Wirtschaft; Starker Rückgang der Wachstumsraten, Anstieg der Arbeitslosigkeit
2003-06 Wachstumsraten über 3%, Rückgang der Arbeitslosigkeit
2007-10 Finanzkrise, Rezession, Anstieg der Arbeitslosenrate auf über 10%.
Wirtschaftspolitische Reaktionen:
A) 2001-03: mehrfache starke Zinssenkung des Fed ( = Federal Reserve System) 2004-06 Furcht vor Rückkehr der Inflation – steigende Zinsen 2007-10 Stützung des Bankensystems, massive Zinssenkungen und
Ausdehnung der Geldmenge
B) Konjunkturprogramme: Steuersenkungen, Anstieg der Staatsausgaben; drastischer Anstieg der Staatsverschuldung.
deshalb aktuell: zusätzlich Staatsschuldenkrise
Kann aktive Geld- und Fiskalpolitik Wirtschaft wirksam stabilisieren?
1.2 Aktuelle Beispiele: USA
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 16
1.2 Aktuelle Beispiele: USA
Japan bis 2006: Overnight call target rate
Entwicklung der Leitzinsen (im Vergleich zu anderen Ländern)
%
Beginn der Finanzkrise: Aug. 2007Kollaps von Lehman Brothers: 15.9.2008
0
2
4
6
8
Japan England USA EU
(Stand 4.4.11)
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 17
Wirtschaftliche Entwicklung in 80er und 90er:
1980-1990 Preisblase (bubble) auf Immobilien- und Aktienmarkt. Aufbau hoher privater Verschuldung
Nach Platzen der Blase 1990 Finanzkrise und 10 Jahre Stagnation:
Negatives Wirtschaftswachstum und Deflation, Unternehmenspleiten, Gefahr von Bankzusammenbrüchen
Ist Japan die Wende gelungen?
2006-07: Anzeichen für eine Erholung trotz weiterer Deflation
Aber: Enormer Anstieg der Staatsverschuldung
Geldmarktzinsen lagen seit Februar 1999 bei Null. 2006-07 auf 0,5% angehoben, Ende 2008 wieder auf 0,1% gesenkt.
Seit 2008 starker Rückgang der Exportnachfrage wg. Finanzkrise.
Wie wirken sich die Katastrophen vom März 2011 aus?
1.2 Aktuelle Beispiele: Japan
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 18
1.2 Aktuelle Bsp: Finanzkrise 2007-09 USA: Immobilienpreisblase, Finanzierung von Hypothekenkrediten, Verbriefung
der Risiken, hohe Kapitalimporte
Risk shifting durch Handel der Kreditrisiken
Zinsanstieg 2004-6: Verringerung der BIP-Wachstumsraten, Nachfrage nach Immobilien und Immobilienpreise geht zurück. Erste Hypothekenkredite fallen aus.
Ben Bernanke, Chairman of the US Fed, June 5, 2007, “At this point, the troubles in the subprime sector seem unlikely to seriously spill over to the broader economy or the financial system.”
August 2007: Kreditausfälle bringen einige Banken in Zahlungsprobleme. In Europa: IKB, Sachsen LB, Northern Rock (Sept. 07).
Erste Reaktionen: EZB, Fed, Japan: Ausweitung der GeldmengeFed: Zinssenkungen, Steuergutschriften, u.a.m.
BoE: lender of last resort facilities D: Verstaatlichung von Banken
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 19
1.2 Aktuelle Bsp: Finanzkrise 2007-09 2008: Institutionelle Anleger verkaufen in großem Umfang langfristige
Wertpapiere um Liquidität zu erhalten.=> Allgemeiner Rückgang von Aktien- und Immobilienpreisen
Zahlreiche Banken- und Versicherungspleiten bzw. Übernahmen zur Verhinderung von Konkursen: Bear Stearns, IndyMac, Fannie Mae und Freddy Mac, Merril Lynch, Lehman Brothers, AIG, RBS, Hypo Real Estate, u.a.m.
Gratwanderung des Fed: - Stützungsaktionen belohnen die Banken für die eingegangenen Risiken => „Moral Hazard“
- Konkurse führen zu weiterer Destabilisierung des Systems
- weitere Zinssenkungen nicht mehr möglich
- „Quantitative Easing“/“Qualitative Easing“ – ZB als Kreditgeber
Welche Konsequenzen müssen gezogen werden, um künftig Krisen zu vermeiden?- Bankenregulierung- Reaktion von Geldpolitik auf Finanzmärkte
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 20
1.2 Aktuelle Bsp: Finanzkrise 2007-09
Staatsgarantien und Konjunkturpakete Staatliche Garantien für Geschäftsbanken Staatliche Finanzspritzen → Eigenkapital der Banken Verstaatlichung von Banken Staatsausgaben zur Stützung der Konjunktur Staatsverschuldung
Good bank – bad bank
Forderungen(z.B. Hypothekenkredite:Bewertung zu Marktpreisen)
Verbindlichkeiten(Einlagen)
Eigenkapital
Bankbilanz 1. Einleger fordern Geld zurück => Banken müssen Kredite verkaufen. Liquiditätskrise
Überangebot senkt Marktpreise
2. Verbleibende Kredite verlieren an Wert => EK geht zurück Solvenzkrise
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 21
1.2 Aktuelle Bsp: Finanzkrisen allg.Seit der Liberalisierung der Finanzmärkte in den 1980er Jahren:
Häufiges Auftreten von Finanzkrisen
- Bankenkrisen
- Währungskrisen
- Börsencrashs
Was sind die Ursachen?
Es gibt klare Muster, die sich immer wieder bestätigen.
• Warum werden Krisen nicht vorausgesehen?
• Wie sollte die Politik kurzfristig auf eine Krisensituation reagieren?
• Welche langfristigen Strategien helfen Krisen zu vermeiden?
Vorlesung Financial Crises (jeweils im Sommersemester)
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 22
1.3 Kurze, mittlere und lange Sicht
Makroökonomische Fragestellungen lassen sich von unterschiedlichen Perspektiven betrachten:
1) Kurze Sicht: (zyklische) Schwankungen Konjunkturelle Faktoren
2) Mittlere Sicht: Was bestimmt das Produktionspotential?Strukturelle Faktoren (Rigiditäten)
3) Lange Sicht: Wovon werden langfristig die Wachstumsraten bestimmt?
Produktionsfaktoren, Technischer Fortschritt
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 23
1.3 Kurze, mittlere und lange SichtEntwicklung des realen BIP: USA – DeutschlandReales BIP steigt im Zeitablauf; Wachstum schwankt aber
BIP - Deutschland und USA
0.00
2000.00
4000.00
6000.00
8000.00
10000.00
12000.00
14000.00
16000.00
1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010
Deutschland
USA
1870 = 100
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 24
1.3 Kurze, mittlere und lange Sicht
BIP - Deutschland und USA
1.00
10.00
100.00
1000.00
10000.00
100000.00
1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010
Deutschland
USA
1870 = 100
das gleiche nochmal in logarithmischer Skalierung
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 25
1.3 Kurze, mittlere und lange Sicht
USA Wachstumsrate (real GDP), 1980-2009Quelle: Federal Reserve
-4.00%
-2.00%
0.00%
2.00%
4.00%
6.00%
8.00%
Wachstumsraten im Zeitablauf (USA):
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 26
1.3.1 Kurze Sicht
betrachtet Konjunkturschwankungen, also Schwankungen um die Durchschnittsauslastung des Produktionspotentials
Kurzfristige Analyse:Schwankungen der Nachfrage sind der wesentliche Bestimmungsfaktor wichtige Determinanten gesamtwirtschaftlicher Nachfrage: Konsum, Investition, Staatsausgaben, Nettoexporte
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 27
1.3.1 Kurze SichtBsp. USA: Seit dem 2. Weltkrieg geringere Schwankungen
Reales BIP in den USA; Veränderung gegenüber Vorjahr
-25.00%
-20.00%
-15.00%
-10.00%
-5.00%
0.00%
5.00%
10.00%
15.00%
20.00%
25.00%
1870 1900 1930 1960 1990
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 28
1.3.2 Mittlere Sicht
Wodurch wird das Produktionspotential bestimmt?
Mittelfristige Analyse: Produktionspotential Angebotsseite als Hauptdeterminante
Makroökonomische Produktionsfunktion: Y= AY(N, K) verfügbare Ressourcen: Arbeit N und Kapital K; verfügbare Technologie (technisches Wissen A); Strukturelle Faktoren:Monopolmacht auf Arbeits- und Gütermärkten
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 29
1.3.2 Mittlere Sicht
Fallbeispiel: Euro-Sklerose auf dem Arbeitsmarkt in Europa
1974/75, 1981-83, 1992-94: sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit in Europa
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
USA
Euroraum16
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 30
1.3.2 Mittlere SichtBeispiel: Strukturelle Arbeitslosigkeit in Europa
In den Niederlanden, Dänemark und Österreich niedrige ALQ, in Deutschland, Frankreich und Spanien dagegen höhere ALQ.
Aktive Vermittlung und eigenständige Suche
Weiterbildung
Zeitliche Begrenzung der Arbeitslosenunterstützung
Kündigungsschutz – Hindernis für Neueinstellungen
Flexibilität bei Teilzeitbeschäftigung
Gesetzliche Mindestlöhne in den Benelux-Staaten, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Großbritannien, Irland und USA.Keine Mindestlöhne in Italien, Österreich, Schweiz und den skandinavischen Ländern (dort aber tarifvertraglich)In Deutschland Mindestlöhne in einigen Branchen
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 31
1.3.3 Lange Sicht
Welche Faktoren beeinflussen die langfristige Wachstumsrate (Trendwachstum des Produktionspotentials)?
Langfristige Analyse: Was bestimmt Veränderungen des Trends? Determinanten des Wachstums
Sparrate, technischer Fortschritt (Innovationen) – Patente, Investitionen in Humankapital
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 32
1.4 Gesamtwirtschaftliche Ziele
Allokationsziel - Ordnungspolitik
Distributionsziel - Verteilungspolitik
Stabilisierungsziel - Konjunkturpolitik Hohes Beschäftigungsniveau / „Vollbeschäftigung“ Preisniveaustabilität Angemessenes Wachstum Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Literatur: Kromphardt, S. 1-14.
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 33
1.5 Makroökonomische Daten
Ziele der Wirtschaftsforschung: Erklärungsziel: Zusammenhänge verstehen,
Kausalbeziehungen Vorhersageziel: Unsicherheit bei Entscheidungsträgern
reduzieren Gestaltungsziel: Beratung der Politik
(Handlungsempfehlungen), um die gesamtwirtschaftlichen Ziele besser zu erreichen
Unterscheide deskriptive (positive) und normative Theorien
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 34
Drei zentrale Fragen:
1) Wie können wir makroökonomische Größen richtig messen? Wie aussagekräftig sind die Daten? Erfordert gute Kenntnis der empirischen Fakten
2) Von welchen Faktoren werden makroökonomische Größen bestimmt? Erfordert gute Kenntnis der Theorie
3) Welchen Einfluss hat die Wirtschaftspolitik?Korrekte Antwort erfordert gutes Verständnis von 1 und 2
1.5 Makroökonomische Daten
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 35
1.5 Makroökonomische Daten
Gute Makroanalyse erfordert exakte Kenntnis empirischer Fakten
Zunächst Bestandsaufnahme: Wie verlief die Entwicklung in der Vergangenheit?
Dann: Prognose der zukünftigen Entwicklung (erfordert Theorie)
Erster Schritt: Wo finde ich die relevanten Daten?
Wichtig: Was sagen die Daten überhaupt aus? Verwirrende Vielfalt unterschiedlicher Konzepte → Verständnis der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)
Sind Daten international vergleichbar?
OECD, IWF liefern international nach einheitlichen Methoden erstellte Daten Eurostat; EZB: Daten für EuropaStatistisches Bundesamt: Daten für Deutschland
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 36
1.5 Makroökonomische DatenFokus: Vergleiche das reale BIP pro Kopf
Quelle: International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, October 2010
0
10000
20000
30000
40000
50000
60000
BIP pro Kopf in U.S.-$, 2010
Euroraum
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 37
1.5 Makroökonomische Daten
Bei der Wirtschaftsanalyse ist es wichtig, zwischen folgenden Begriffen genau zu unterscheiden:
(1) Gesamtproduktion: Bruttoinlandsprodukt (BIP)
vs. Einkommen: Bruttonationaleinkommen (BNE)
→ Daten aus Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)(2) Absolute Größen: z.B. BIP
vs. Pro-Kopf: z.B. BIP/Kopf
→ Daten ebenfalls aus VGR
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 38
1.5 Makroökonomische Daten
(3) Nominale Größen: zu aktuellen Preisen gemessen
Reale Größen: zu konstanten Preisen (bereinigt um Inflation)
→ Wie messen wir Inflation?
→ Verbraucherpreisindex, BIP-Deflator
altes Niveau
neues Niveau
Wachstum(srate)
(4) Niveaugrößen: Stufe in einer Skala bestimmter Werte
Wachstumsraten: prozentuale Veränderung
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 39
Stromgröße
Bestandsgröße
(5) Bestandsgröße: zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen
vs. Stromgröße: pro Zeiteinheit gemessen
1.5 Makroökonomische Daten
Bestandsgrößen Stromgrößen:
Vermögen Ersparnis
Staatsschuld Neuverschuldung
Auslands-vermögen
Leistungsbilanz-- defizit ↓ - überschuss ↑
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 40
1.6 Makroökonomische ModelleModelle abstrahieren von den für eine Fragestellung unwesentlichen Faktoren und konzentrieren sich auf die „wesentlichen“ Zusammenhänge.
Makroökonomische Modelle beschreiben Zusammenhänge zwischen makroök. Variablen wie BIP, volkswirtschaftliche Ersparnis, Güternachfrage, Zinssatz, Geldmenge, Preisniveau, Arbeitslosigkeit etc.
Neuere Makromodelle basieren auf mikroökonomischen Überlegungen
Beispiel Intertemporale Substitution: Die Entscheidung eines Haushalts über seine Ersparnis hängt ab von den erwarteten Zinsen und von seinem erwarteten künftigen Einkommen. => gesamtwirtschaftliche Ersparnis hängt ab von erwarteten Zinsen und künftigem BIP.
Modelle werden zumeist in mathematischen Formeln dargestellt: - Zielfunktionen- (Budget-) Restriktionen- Verhaltensgleichungen - Gleichgewichtsbedingungen
hilfreich: graphische Präsentation
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 41
1.6 Makroökonomische ModelleBei (makroökonomischen) Modellen ist es wichtig folgende Größen zu unterscheiden:
(1) Exogene Variablen: werden von einem Modell als von außen gegeben angenommen (werden nicht innerhalb des Modells bestimmt).
(2) Endogene Variablen: werden durch die Gleichungen des Modells bestimmt. Sie werden also innerhalb des Modells bestimmt.
(3) Parameter: werden (wie exogene Variablen) nicht im Modell bestimmt, können aber in empirischen Untersuchungen geschätzt werden.
Beispiel Konsumfunktion: C = c0 + c1 Y
C = Konsum (endogen) Y = Einkommen (exogen)
c0, c1 Parameter
Aus einer Datenreihe für Einkommen und Konsum können die Parameter geschätzt werden.
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 42
1.6 Makroökonomische Modelle
Ct = c0 + c1 Yt
1
c1
c0
Ct
Yt
Regressionsgerade
Ct = c0 + c1 Yt + utOLS-Schätzung
ut
AVWL II Prof. Dr. Marco Runkel Seite 43
1.6 Makroökonomische Modelle am Anfang einer Modellanalyse steht immer eine ökonomische, praxis-
bzw. politikrelevante Fragestellung
Übersetzung dieser Fragestellung in ein mathematisches Modell
Analyse des Modells mit mathematischen/statistischen Methoden
Mathematik ist ein sehr nützliches Hilfsmittel mit entscheidendem Vorteil: Annahmen weitaus expliziter als in einer rein verbalen Analyse
Mathematik zwar kein Selbstzweck, schärft aber analytische Fähigkeit
am Ende einer Modellanalyse steht immer die ökonomische Interpretation und die Formulierung von Politikimplikationen; erfordert:
- Übersetzen der formalen Ergebnisse in ökonomische Sachverhalte
- Erläutern der Wirkungszusammenhänge (die formal beschrieben werden) in ökonomischen Begriffen
- Diskussion der Annahmen, Robustheit, Grenzen des Modells