Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 1
An Regierung von Oberbayern
80534 München
Ihr Zeichen 24.2-8262-1/05
vom 24.08.2006
Unser Zeichen VE-FV/MUC3 /stgn
vom 09.11.2006
Raumordnungsverfahren für eine 3. Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens
München; Einleitung des Verfahrens
hier: Stellungnahme und Einwendung des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN)
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Beteiligung als anerkannter Naturschutzverband an o.g. Verfahren
und nehmen wie folgt Stellung. Unsere Stellungnahme gilt auch als eine Einwendung im
Sinne der direkt anwendbaren EU-Richtlinie 2003/35 sowie im Sinne unserer Betroffenheit
als Grundstückseigentümer.
Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das o.g. Vorhaben strikt ab. Das
Vorhaben ist nicht begründet, stellt einen erheblichen, vermeidbaren, nicht
ausgleichbaren Eingriff in Natur und Landschaft und ist weder nach Bayerischem
Naturschutzgesetz noch der UVP-Richtlinie genehmigungsfähig.
Die Bedarfsbegründung ist als unbegründet und fehlerhaft zurückzuweisen.
Es liegen Verfahrensfehler vor durch das Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung
mit Umweltbericht, durch das Fehlen einer tatsächlichen ergebnisoffenen
Alternativenprüfung, durch das Fehlen detaillierter FFH-Verträglichkeitsprüfungen
sowie durch das Fehlen artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen.
Die vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfung ist in vielen Punkten in der Erfassung
unzureichend und in der Bewertung grob verharmlosend, insbesondere in den
Punkten Lärm, Luftqualität, Natur und Landschaft, Biologische Vielfalt und
Wasserhaushalt.
Das Verfahren ist einzustellen.
Der verfehlten Wachstumsmanie des Münchner Flughafens muss endlich ein Ende
gesetzt werden. Die Belastungen für die Menschen und die Natur des Münchner
Umlandes und des Erdinger Mooses sind bereits heute grenzwertig und dürfen nicht
zugunsten eines internationalen, aber keineswegs regional begründeten – und
generell zweifelhaften - Wachstums weiter erhöht werden. Auch mit der Notwendigkeit
des Klimaschutzes ist ein weiteres Wachstums des Flugverkehrs nicht zu vereinbaren.
Bund Naturschutz in
Bayern e.V. (BN)
Fachabteilung München
Pettenkoferstraße 10a/I
80336 München
Tel.: 089/548298-63
www.bund-naturschutz.de
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 2
Wir begründen dies im folgenden ausführlich. Die Begründung ist wie folgt gegliedert:
1. Zusammenfassung
2. Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung
3. Fehlende Planrechtfertigung
3.1. Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und der Landesplanung
3.2. Beurteilung der derzeitigen Kapazität
3.3. Unzureichende Methodik und Fehler im Prognosegutachten von Intraplan
3.4. Falsche Unternehmensstrategie zu Lasten des Umlandes
3.5. Fazit: Kein Bedarf für eine 3. Start- und Landebahn
4. Unzureichende Alternativenprüfung
5. Unzureichende Prüfung überregionaler Auswirkungen (Klimawirksamkeit)
6. Verstoß gegen Schutzbestimmungen nach Arten- und Naturschutzrecht,
Umweltverträglichkeit
6.1. Grundsätzliche Kritik an der Methodik
6.2. Nicht ausgleichbare Eingriffe in Flora und Fauna, Biotope
6.3. Verstoß gegen die artenschutzrechtliche Bestimmungen für geschützte Arten
6.4. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Boden
6.5. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Wasser
6.6. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Mensch (Lärm, Luft, Erholung) und
Landschaft
7. Fehlen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung, Defizite der Verträglichkeitsbetrachtung
7.1. Fachliche Defzite in der Darstellung und Bewertung der Auswirkungen:
7.2. Unzureichende Summationsprüfung und Darstellung der Auswirkungen auf die Kohä-
renz
7.3. Fehlende Beurteilung der Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen, der Erheblichkeit, der
Alternativenprüfung nach EU-Recht
8. Schlussbetrachtung
Da in der Kürze der Zeit jedoch keine umfangreiche Überprüfung aller vorgelegten Daten
vorgenommen werden konnte, behalten wir uns weitere Ergänzungen vor.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 3
1. Zusammenfassung
Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das o.g. Vorhaben aus folgenden
Gründen strikt ab:
1. Planungsfehler
Die Planungsunterlagen sind in zentralen Punkten fehlerhaft: es fehlt eine Strategische
Umweltprüfung/ Umweltbericht, es fehlt eine ergebnisoffene Alternativenprüfung (insbe-
sondere Überprüfung der Null-Variante), es fehlt eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, es fehlt
eine Überprüfung der Betroffenheit des Artenschutzrechtes (besonders/ streng geschützte
Arten).
2. Klimaschutz
Die Belange des Klimaschutzes werden fahrlässig missachtet. Die CO2-Emissionen aus
dem Luftverkehr sind in Deutschland im Kyoto-Berichtszeitraum zwischen 1990 und 2004 um
über 50 % gestiegen. Der Luftverkehr hat heute schon einen Anteil von 9 % am weltweiten
Klimawandel, prognostiziert wird für 2020 bei Fortsetzung des bisherigen Wachstums ein
Anteil von 15 %. Die Ausweitung des Flugverkehrs, und damit auch eine 3. Start- und Lan-
debahn ist daher mit den Belangen und Zielen des Klimaschutzes nicht vereinbar.
3. Landesentwicklung und Raumordnung
Durch das Vorhaben würde gegen zahlreiche Grundsätze und Ziele der Landesentwick-
lung und der Regionalplanung verstoßen werden, während das Ziel der 3. Start- und Lan-
debahn nicht explizit im Landesentwicklungsprogramm steht. Die Planung geht zudem über
die Vorrangfläche des LEP hinaus.
Der einseitige Bezug der vorgelegten Planung auf wirtschaftliche und verkehrliche Ziele
missachtet die nötige gleich- bzw. sogar höherrangige Gewichtung anderer Belange, insbe-
sondere des Menschenschutzes (Lebensqualität, Lärm, Schadstoffbelastung u.a.), des Res-
sourcenschutzes, des Natur- und Landschaftsschutzes, des Freiraumschutzes, des Klima-
schutzes und des Zieles der gleichwertigen Lebensverhältnisse und räumlich ausgewogenen
Bevölkerungsentwicklung in Bayern. Das Vorhaben dient einzig und allein der maximalen
Kapazitätserweiterung zur Erfüllung der expansiven Ziele der Lufthansa durch Induzieren
neuer zusätzlicher – nicht aus der Region stammender – Nachfrage durch eine Stärkung der
Hub-Funktion. Würde diesem Ziel der Vorrang eingeräumt werden gegenüber den zahlrei-
chen anderen negativ betroffenen Belangen, wäre dies ein massiver Abwägungsfehler aus
Sicht der Landes- und Regionalplanung.
Auch würde das Vorhaben übergeordneten bundesweiten Zielsetzungen widersprechen, die
sich aus Verpflichtungen zum Klimaschutz, aus der Nachhaltigkeitsstrategie oder aus der
Biodiversitätsstrategie ergeben.
4. Bedarfsprognose
Die Bedarfsbegründung ist in zentralen Annahmen fehlerhaft und willkürlich und als unbe-
gründet zurückzuweisen. Die Kapazität wird durch die Berechnungen künstlich reduziert, die
„Arbeitshypothese der Engpassfreiheit“ ist willkürlich, es existieren vom gleichen Gutachter
unterschiedliche Aussagen zur Prognostizierbarkeit für den Zeitraum 2020. Das Gutachten
von Intraplan geht von folgende falschen Annahmen als Grundlage für die Prognosen aus:
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 4
• Rohölpreise auf gleich bleibendem Niveau des Preisstandes 2004 bzw. geringer Ein-
fluss der Rohölpreise auf die Flugticketpreise (29 $/ Barrel für 2030). Realität ist, dass
der Rohölpreis schon 2006 mit z.T. über 78 $/ Barrel wesentlich höher war.
• gleichbleibende/ steigende Nachfrage bei den mittleren Einkommensschichten. Damit
bleiben die Auswirkungen bundesdeutscher Reformen und des demografischen
Wandels unberücksichtigt.
• durchschnittliches Wirtschaftwachstum in Deutschland von 2% pro Jahr bis 2020.
Realität ist, dass dieser Wert seit 1993 erst 4 mal erreicht wurde und dass zudem ei-
ne derart genaue Prognose bis 2020 generell sehr fraglich ist.
• die Realisierung zahlreicher Verkehrserschließungen wie Transrapid (mit 1,6 Mio.
Fahrgästen), Ringschluss Erding oder Neufahrner Kurve wird als Voraussetzung für
die Prognosen angenommen. Realität ist, dass deren Realisierung keineswegs sicher
ist.
• Völlig unberücksichtigt bleiben in der Fluggast-Prognose der Ausbau anderer Flug-
häfen (FFM, BBI) und der Neubau des gigantischen Drehkreuzes in Dubai.
Alle diese Annahmen lassen sich widerlegen. Dazu kämen noch mögliche Auswirkungen
einer Abschaffung der Steuervorteile für den Flugverkehr (z.B. Kerosin-Steuer), die ebenfalls
nicht berücksichtigt wurden. Auch wurden aktuelle Studien zum Verdrängungswettbewerb
und zu Überkapazitäten an den Flughäfen nicht berücksichtigt. Es werden sich somit sowohl
die Flugreisen stark verteuern, als auch die Nachfrage nicht annähernd in dem von Intraplan
prognostizierten Ausmaß steigern. Daraus ergibt sich, dass die Prognosen von Intraplan
falsch sind. Damit entfällt die Begründung für das Vorhaben.
Es wird von einem „Idealzustand“ ausgegangen, es werden die jeweils günstigsten aller vor-
handenen Prognoseparameter angenommen, die eher dem Wunschdenken als den realen
Möglichkeiten entsprechen. Bei gleichzeitiger Nichtbeachtung aller „Störfaktoren aus der
Wirklichkeit“ kommen die Gutachter zu dem von ihnen geforderten Ergebnis.
Neben den fehlerhaften Prognosen ist festzustellen, dass die Ausweitung hauptsächlich
durch Erhöhung des Umsteigeranteils (von 33 % auf 45 %) erzielt werden soll. Es soll ein
internationales Drehkreuz etabliert werden, ohne dass MUC über das entsprechende Ein-
zugsgebiet verfügt. Der Bedarf aus der Region kann problemlos mit dem derzeitigen System
erfüllt werden. Wie Intraplan ausführt, entstünde ein Großteil der prognostizierten Nachfrage
überhaupt nur durch den Ausbau und einer entsprechenden Angebotserweiterung. Daraus
folgt: Die dritte Start- und Landebahn würde einen Bedarf decken, der ohne sie gar nicht erst
entstünde. Eine Maßnahme, die aus ihren eigenen Folgen die Begründung für ihre
Notwendigkeit herleitet, ist schlicht und ergreifend Unfug.
Der angebliche Kapazitätsengpass ist somit hausgemacht und liegt einzig und allein an den
rücksichtslosen Expansionsplänen der FMG und einer völlig verfehlten Strategie der Unter-
nehmensführung, die zu Lasten des Flughafenumlandes geht. Die FMG ist offenbar bestrebt,
willfährig alle Wünsche der Lufthansa zu erfüllen: Expansion um jeden Preis, die Kosten
haben die Steuerzahler und die Belastungen die Menschen im Umland zu tragen.
Als falsch, unbegründet und rücksichtslos muss die Aussage: „Die Aufrechterhaltung des
Status quo stellt kein Planungsziel dar, das vor den Vorgaben des ROG, des Landespla-
nungsgesetzes und namentlich der Zielbestimmungen des Landesentwicklungsprogrammes
Bayern 2006 Bestand hat“ (Antrag S. 26) zurückgewiesen werden.
Insgesamt gibt es keine schlüssige Argumentation für die Annahme eines zukünftigen
großen Wachstums an Flugpassagieren. Damit entfällt die Begründung für das Vorha-
ben.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 5
5. Umweltverträglichkeit
Die Umweltverträglichkeitsstudie ist sowohl in der Erfassung als auch in der Bewertung
unzureichend:
• Die Datengrundlage als Basis der Darstellung ist unvollständig und defizitär.
• Es fehlt eine Alternativenprüfung.
• Einige Einflussfaktoren (z.B. Lärm für Tiere, Vogelschlag) werden fehlerhafterweise nicht
als Wirkfaktoren betrachtet.
• Als Vergleichsbasis für die Bewertung der Eingriffe wird bei allen indirekten Wirkungen
nicht der Ist-Zustand, sondern der Prognosenullfall im Jahr 2020 herangezogen, sowohl
in der UVS als auch bei den Ausführungen zur FFH-Verträglichkeit. Dies ist unzulässig.
• Die negativen Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch (Lärm), Luftqualität, Erholung,
Biotope, Flora, Fauna, Biologische Vielfalt und Wasser sind gravierender als in der UVS
dargestellt. Die UVS reduziert den Haupteingriff auf das Schutzgut Natur auf den direkten
Flächenverbrauch und missachtet damit weitere Konfliktschwerpunkte insbesondere mit
den Funktionsbeziehungen, der Fauna oder dem Gewässersystem. Negative Auswirkun-
gen auf das Gewässersystem/ Grundwasser werden unter keineswegs sicheren Annah-
men als gering bewertet. Die Grenzwerte für die Betroffenheit durch Lärm sind zu niedrig.
Die Belastung durch Luftschadstoffe (v.a. NOx, Stickstoffeinträge, Feinstaub) wird unzu-
lässigerweise durch Vergleich mit der Hintergrundbelastung relativiert, obwohl oberstes
Primat hier eine strikte Vermeidung weiterer Schadstoffe sein muss. Dies umso mehr, als
für etliche Schadstoffe von der WHO erst vor kurzem eine noch weitere Verschärfung der
Grenzwerte vorgeschlagen wurde.
• In der Bewertung einzelner Schutzgüter bzw. einzelner landschaftsökologischer Raum-
einheiten bleiben wesentliche Faktoren unberücksichtigt, so dass in der UVS fehlerhafte
(i.d.R. zu geringe) Bewertungen erfolgen. Entsprechend ergeben sich (Folge-)Fehler in
der Konfliktabschätzung, die in etlichen Punkten zu niedrig ausfällt.
• Die Bewertung der Lärmbelastung ist methodisch unzureichend.
• Die vorhandenen Belastungen (Vorbelastung) werden zu wenig berücksichtigt, sie wer-
den fehlerhafterweise als Begründung für eine zusätzlich nur geringe weitere Ver-
schlechterung herangezogen.
• Die Zusatzbelastungen durch die Zunahme des Verkehrs und der Siedlungs-/ Gewerbe-
fläche in der ganzen Region sowie Folgewirkungen wie sekundärer Landverbrauch wer-
den zu gering bzw. überhaupt nicht eingeschätzt.
• Die Darstellung der Summationswirkung und der kumulativen Wirkungen aller Faktoren
ist unzureichend bzw. fehlt völlig.
• Die Eingriffe werden fälschlicherweise als ausgleichbar bzw. ersetzbar bezeichnet.
Die UVS ist insgesamt als stark verharmlosend zu bezeichnen, tatsächliche Ver-
schlechterungen werden kleingerechnet, die Konflikte werden unterbewertet und die Er-
heblichkeit der Eingriffe wird deutlich zu niedrig bewertet. Die Planung würde gegen zahlrei-
che Zielsetzungen von Fachplänen des Naturschutzes, von landschaftlichen Vorbehaltsge-
bieten, von Schutzgebieten und eines Grünzuges verstoßen. Eine Ausgleichbarkeit ist
nicht möglich, wie auch das Scheitern zahlreicher Ausgleichsmaßnahmen bzw. des Aus-
gleichskonzeptes zum bestehenden Flughafen verdeutlicht. Auch ist kein funktionaler Ersatz
für die völlig Entwertung und Zerstörung des nördlichen Erdinger Mooses möglich.
Dem Fazit der UVS, dass das Vorhaben durch Vermeidungsmaßnahmen „umweltverträglich
verwirklicht werden kann“ ist deutlich zu widersprechen. Dieses Fazit ist eine grobe Miss-
achtung der negativen umweltrelevanten Auswirkungen (von der Klimarelevanz des Flugver-
kehrs bis zum Verlust der Landschaft) und ebenso der negativen sozialen und lebensquali-
tätsbedeutsamen Auswirkungen der Planung.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 6
Nach Art. 6a (1) Satz 1 BayNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet,
vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Unvermeidbare
Beeinträchtigungen müssen vorrangig ausgeglichen oder ggf. ersetzt werden. Weder ein
Ausgleich noch ein Ersatz des beantragten Vorhabens ist möglich. Das Vorhaben ist zudem
unbegründet und daher vermeidbar. Es muss daher unterlassen werden.
6. Gesamtbetrachtung
Es würde in unverhältnismäßiger unzumutbarer Weise in allgemeine öffentliche Be-
lange (Wasserhaushalt, Bodenschutz, Natur- und Landschaftsschutz) und in private
Schutzgüter wie Gesundheit und Eigentum eingegriffen werden. Diese Belange sind in
ihrer Gesamtheit so gewichtig, dass sie gegenüber dem – noch dazu fehlerhaft und
falsch begründeten angeblichen Bedarf in der Raumordnung eindeutig höher zu ge-
wichten sind.
Als völlig untauglich erweisen sich daher auch die Hinweise der FMG auf die diversen Ge-
richtsurteile: „Ein Vorhaben ist – auch nach den Maßgaben des für das später zu führende
Fachplanungsverfahren maßgeblichen Luftverkehrsgesetzes – vernünftigerweise geboten,
wenn das Vorhaben „einer Bedarfslage gerecht wird, die zwar noch nicht eingetreten ist,
aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit er-
wartet werden kann“ (BVerwG, U. vom 20.04.2005, Nr. 4 C 18.03, S. 16 der Urteilsausferti-
gung – Flughafen München, eigene Hervorhebung). Eben genau diese „hinreichende Si-
cherheit“ ist im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben.
Daher ist das geplante Vorhaben einer 3. Start- und Landebahn am Flughafen München aus
verkehrspolitischen, raumplanerischen, klimarelevanten sowie naturschutzfachlichen, natur-
schutzrechtlichen, artenschutzrechtlichen Gründen abzulehnen. Wegen der Belastung für die
Menschen sprechen auch gesellschaftspolitische und soziale Gründe gegen das Vorhaben.
Eine überzeugende Begründung für das Vorhaben ist nicht gegeben und somit keine Über-
windung der dem Vorhaben entgegenstehenden Belange möglich.
Das Vorhabens ist insgesamt nicht genehmigungsfähig.
Das Verfahren ist einzustellen.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 7
2. Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung
Nach dem aktualisierten UVP-Gesetz (zuletzt geändert 15.07.2006) ist die Strategische
Umweltprüfung (SUP) für Ausbaupläne nach § 12 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes wie auch
für Raumordnungsverfahren nach den § 8 und 9 des Raumordnungsgesetzes (Anlage 3
UVPG) sowie generell bei UVP-pflichtigen Plänen und Programmen (§ 14c UVPG)
anzuwenden. Die SUP-Richtlinie ist unmittelbar anzuwenden. Die Verpflichtung gilt für
Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt nach dem 20. Juli 2004
erfolgte, uneingeschränkt. Dies ist für die geplante Flughafen-Erweiterung der Fall.
Gemäß Art. 3 (2)a der RL 2001/42/EG vom 27.06.2001 ist eine Umweltprüfung bei allen
Plänen und Programmen vorzunehmen, die u.a. in den Bereichen Verkehr ausgearbeitet
werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung bestimmter Projekte
gesetzt wird. Dies ist hier der Fall.
Eine SUP umfasst verschiedene Schritte nach UVPG § 14e ff. Ein zentrales Element ist der
Umweltbericht mit den „voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen .... sowie
vernünftiger Alternativen“ (UVPG § 14g (1)). Die Öffentlichkeit ist ausreichend zu beteiligen.
Die Behörde muss anschließend den Umweltbericht „unter Berücksichtigung der ihr ....
übermittelten Stellungnahmen und Äußerungen“ (UVPG § 14k (1)) überprüfen. Das Ergebnis
der Überprüfung ist „im Verfahren zur Aufstellung oder Änderung des Plans oder
Programmes zu berücksichtigen“ (UVPG § 14k (2)).
Zwar kann die SUP mit anderen Prüfungen (wie der UVP) verbunden werden, die in der
vorliegenden Planung vorgelegte UVS enthält aber keinen Hinweis auf die SUP und
erfüllt auch nicht die Anforderungen der SUP:
• sie enthält keinen eigens gekennzeichneten Umweltbericht,
• die Alternativenprüfung ist unzureichend,
• es fehlen Überwachungsmaßnahmen für die erheblichen Umweltauswirkungen,
• die Öffentlichkeit hatte keine Möglichkeit der Beteiligung/ Äußerung vor Aufstellung
des gesamten Ausbauplanes.
Die Alternativenprüfung der SUP wäre der geeignete Rahmen für das Vorlegen einer
Gesamtstrategie zur Vermeidung von Flugverkehr und der möglichen Verlagerung von
Teilen der Flugverkehre auf umweltfreundliche Verkehrsträger. Der tatsächliche Bedarf an
Flugverkehr müßte im Rahmen einer Gesamtstrategie beurteilt werden. Die in der
vorgelegten Planung einseitig begründete und künstlich produzierte Steigerung der
Nachfrage durch Vermehrung des Umsteigeranteiles wäre in einer SUP im Rahmen der
Alternativenprüfung und im Rahmen einer Gesamtstrategie stark zu hinterfragen.
Auch wäre die SUP der richtige Rahmen für eine umfassende vorausschauende Prüfung
hinsichtlich der Entwicklung des Raumes. Hier wären auch Summationswirkungen und
kausale Zusammenhänge verschiedener Projekte in einem Raum zu prüfen. Das Fehlen
einer derartigen übergeordneten Betrachtung des Vorhabens ist ein grober Fehler, die
unzureichende kumulative Betrachtung der UVS (S. 188) leistet diese Funktion nicht.
Kausale Zusammenhänge zwischen Flughafen-Entwicklung, Verkehrsentwicklung
(zahlreiche Projekte im Raum), Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung bis hin zu den
finanziellen Auswirkungen auf Kommunen (Sekundärwirkung), den Entwicklungen in der
Landwirtschaft (Sekundärwirkung Intensivierung im Umfeld, Umstrukturierungen) und
anderer Folgewirkungen werden an keiner Stelle der Planung explizit in ihrer
Summationswirkung dargestellt, sondern immer nur im einzelnen Schutzgut (und auch
dabei vielfach defizitär, s.u.).
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 8
3. Fehlende Planrechtfertigung
Die FMG begründet den Antrag auf Durchführung eines Raumordnungsverfahrens für eine 3.
Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens München auf über 60 Seiten.
3.1. Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und Landesplanung
In den Unterlagen findet sich zur Begründung ein allgemeiner Verweis auf das Raumord-
nungsgesetz (ROG) und das Luftverkehrsgesetz. Dies ist unseres Erachtens für die konkrete
Prüfung wenig dienlich, da diese Gesetze als sektorale Fachgesetze nur eine Zielsetzung
verfolgen, die nicht von Haus aus bei der Prüfung anderer Interessen für jeden konkreten
Einzelfall im Vordergrund stehen kann.
Vielmehr widerspricht das Vorhaben dem Raumordnungs-Gesetz (ROG), insbesondere
den Leitvorstellungen und Grundsätzen der
• § 1 Abs. 2, Nr. 2: „die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln“
• und Nr. 6: „gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen herzustellen“
• und § 2 Abs. 2, Nr. 2: „Die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts im besiedelten und un-
besiedelten Bereich ist zu sichern. In den jeweiligen Teilräumen sind ausgeglichene wirt-
schaftliche, infrastrukturelle, soziale, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustre-
ben“.
• und Nr. 8: „Die Naturgüter, insbesondere Wasser und Boden sind sparsam und scho-
nend in Anspruch zu nehmen.“
Darüber hinaus widerspricht das Vorhaben den Grundsätzen des Art. 2 Nr. 3 („möglichst
gleichwertige und gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen“) des Bayerischen Landespla-
nungsgesetz.
Das Vorhaben widerspricht dem alten und neuen Bayerischen Landesentwicklungspro-
gramm (LEP).
Erstes und somit oberstes Ziel des LEP ist: „Zur Sicherung der Lebenschancen künftiger
Generationen soll Bayern in seiner Gesamtheit und in seinen Teilräumen dauerhaft umwelt-,
wirtschafts- und sozialverträglich entwickelt werden. Gleichwertige und gesunde Lebens- und
Arbeitsbedingungen in allen Lebensteilen sollen geschaffen und erhalten werden.“ (A I 1 1.1)
Diesem Ziel haben sich alle nachrangigen Ziele und Grundsätze, auch die von der FMG in
ihrer Antragsbegründung aufgeführten Beispiele, unterzuordnen. Das Flughafenumland ist
bereits jetzt durch den Flugbetrieb außerordentlich hoch belastet. Die negativen gesundheit-
lichen Folgen von Lärm sind weltweit unbestritten. Von gleichwertigen und gesunden Be-
dingungen kann im Flughafenumland jetzt schon keine Rede mehr sein, geschweige
denn bei einem weiteren Ausbau. Allein schon aus diesem Grund ist das Vorhaben abzu-
lehnen. Der weitere Ausbau des Flughafens würde enorme zusätzliche Belastungen mit
schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen bedeuten.
Zur Sicherung der gleichwertigen Arbeitsbedingungen ist anzumerken, dass die Arbeitslo-
senquote in Freising recht gering (aktuell fast Vollbeschäftigung) und vom Flughafen relativ
unabhängig ist (Abb. 1). Die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Sicherung gleichwertiger Ar-
beitsbedingungen ist gerade in diesem Raum weniger nötig als anderswo. Die Schaffung von
Arbeitsplätzen hier kann nur durch Umverteilungen erfolgen, d.h. den Abzug von Arbeitsplät-
zen aus anderen Regionen.
Darüber hinaus muss darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitsplatz-Zuwächse v.a. im
erheblich durch Lärm belasteten Gebiet erfolgen werden. Dies ist aus gesundheitlichen
Gründen nicht verantwortbar (s.u.). Die nötigen neuen Siedlungsstrukturen werden vorwie-
gend außerhalb der lärmbelasteten Zonen entstehen, was zu einer weiteren Zunahme der
Verkehrsbelastung des gesamten Raumes führen wird.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 9
2,40
2,80
4,00
4,70
3,30
4,00
4,70
2,30
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
1991 1992 1993 1995 2000 2002 2004
Abb. 1: Arbeitslosenquote im Arbeitsamtsbezirk Freising seit Eröffnung des Flughafens
Auch ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der zunehmenden Konkurrenzsituation und
vor dem Hintergrund des enormen Rationalisierungsdruckes die Beschäftigungseffekte in
der in der Planung dargestellten Höhe stark zu bezweifeln sind. Bereits aktuell wird ein
branchenweiter Preisverfall für Bodenabfertigungsdienste festgestellt, Lohnsenkungen sind
festzustellen. Dass außerdem 9000 Arbeitsplätze durch Zunahme fast ausschließlich der
Umsteiger entstehen sollen bei kaum geringerer Beschäftigungsintensität (735 Beschäftigte
pro 1 Mio Fluggäste, im Vergleich zum Prognosenullfall mit 764), ist ebenfalls stark anzu-
zweifeln.
Das Vorhaben wird daher insgesamt keine positiven Auswirkungen auf die Wirtschafts-
struktur haben, wie dies im Antrag Kap. 8.1. ausgeführt wird. Die direkten Beschäftigungs-
effekte dürften zum einen erheblich niedriger ausfallen als prognostiziert und führen zum an-
deren in der Region (quasi derzeit schon Vollbeschäftigung im Arbeitsamtsbezirk Freising)
nur zu Folgebelastungen.
Im Gegenteil widerspricht eine Konzentration der Investitionen und der daraus resul-
tierenden Arbeitsplätze in diesem Raum dem Primat gleichwertiger Lebensbedingun-
gen und einer dezentralen Wirtschaftsstruktur in allen Landesteilen, wie es das LEP
und das ROG vorsieht. Außerdem widerspricht diese Konzentration dem Grundsatz
einer räumlich ausgewogenen Bevölkerungsentwicklung des Landes.
In folgenden weiteren Punkten enthält das LEP Zielaussagen zum Schutz von Mensch
und Natur:
Ökologische Standortqualität:
Weiterhin ist als Grundlage der raumstrukturellen Entwicklung im LEP (AI, 1.1) festgelegt,
dass die ökologische Standortqualität als ökonomischer Standortfaktor zu sichern ist.
Durch die Ausweitung des Flugverkehr wird die ökologische Qualität im großräumigen Flug-
hafenumland noch weiter verschlechtert, als wie es bisher schon der Fall ist.
Von einer Gleichrangigkeit der Ökonomie, der Ökologie und des Sozialwesens wie in Ziel AI,
2, 2.1 festgelegt ist kann in der Region München keine Rede mehr sein.
Suburbanisierung:
Ein weiterer Infrastrukturausbau am Flughafen widerspricht im weiteren dem Grundsatz „Su-
burbanisierungstendenzen entgegenzuwirken“ (AI, 3.2.3).: Der neue Verkehrsknotenpunkt
ist nicht mehr im Herzen der Stadt angesiedelt und unterstützt so mit seinen Multipli-
katoreneffekten weniger die lokale Wirtschaft in der Stadt, sondern führt mit seinen nachgela-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 10
lagerten Gewerbe- und Infrastruktureinrichtungen zu einer großflächigen Suburbanisie-
rung und Zersiedelung des Stadtumlandes, wie dies v.a. in den Gemeinden zwischen
München und dem Flughafen zu beobachten ist.
Zentrale Orte:
Ein weiterer Ausbau des Flughafens widerspricht außerdem dem Zentrale Orte Konzept:
Besonders im Bezug auf Einzelhandelsfunktionen nimmt die „Zwischenstadt“ Flughafen,
welche nicht als zentraler Ort ausgewiesen ist, den zentralen Orten im Flughafenumland er-
heblichen Einzelhandelsumsatz ab und verringert damit deren Zentralitätsfunktionen.
Verkehrsinfrastruktur:
Das LEP sieht vor, die notwendige Mobilität umweltschonend zu gewährleisten und umwelt-
freundliche Verkehrsträger bevorzugt zu stärken (BV 1.1.1). Der Flugverkehr gehört zu den
am meisten umweltbelastenden Verkehrsträgern (Klimakiller Nr. 1, Lärm, s.u.).
Einem Ausbau umweltverträglicher Verkehrsmittel müsste damit laut LEP absoluter Vorrang
eingeräumt werden. Mit der Flughafenerweiterung geschieht das Gegenteil.
Natur- und Landschaft, Gewässerschutz, Moorschutz:
Der extrem flächenbeanspruchende Ausbau, steht dem Grundsatz der Sicherung der natürli-
chen Lebensgrundlagen diametral entgegen: Grundsatz BI, 1.1 sieht vor:
„Um die biologische Vielfalt in Natur und Landschaft zu erhalten und zu entwickeln,ist es von
besonderer Bedeutung, dass die Naturgüter Boden, Wasser, Luft/Klima, Pflanzen- und Tier-
welt in ihrer Funktion und ihrem dynamischen Zusammenwirken als natürliche Lebens-
grundlagen dauerhaft gesichert und - wo möglich – wieder hergestellt werden.“
Zum Wasserhaushalt BI, 1.2.1: „Der Intakthaltung und der Entwicklung des Wasser-
haushalts für Menschen, Tiere und Pflanzen kommt besondere Bedeutung zu.“
Zum Moorschutz: Moore genießen im Landesentwicklungsprogramme einen besonderen
Schutz: „Es ist anzustreben, in naturnahen Nieder-, Übergangs- und Hochmooren die cha-
rakteristischen Standortbedingungen, insbesondere den typischen Wasser- und Nährstoff-
haushalt, dauerhaft zu erhalten und zu verbessern“ (BI, 2, 2.2.5).
Zur Sicherung von Natur und Landschaft soll in landschaftlichen Vorbehaltsgebieten „den
Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ein besonderes Gewicht zukommen
(BI, 2.1.1.)
Zur Zerstörung von Natur und Landschaft einschließlich des Veränderung des Grundwas-
serhaushaltes sowie zur Beeinträchtigung von landschaftlichen Vorbehaltsgebieten durch die
Flughafen-Erweiterung siehe Kapitel 6.
Bodenschutz und Flächenverbrauch:
Das LEP sieht u.a. folgende Bodenschutzziele vor:
„Als Träger der natürlichen Bodenfunktionen (...) sollen die Böden gesichert und – wo erfor-
derlich – wieder hergestellt werden. Verluste an Substanz und Funktionsfähigkeit des Bo-
dens, insbesondere durch Versiegelung, Erosion, Verdichtung, Auswaschung und Schad-
stoffanreicherung, sollen bei allen Maßnahmen und Nutzungen minimiert werden.“ (BI 1.1.2)
„Es ist von besonderer Bedeutung, die Schutzwirkung des Bodens für das Grundwasser zu
erhalten oder wiederherzustellen.“ (BI, 3.1.1.2)
„Es ist anzustreben, die Versiegelung von Freiflächen möglichst gering zu halten.“ (BVI, 1.1)
In den Landkreisen Freising und Erding muss es ein Primat des Bodenschutzes geben. Die
Landkreise Freising und Erding sind bayerischer Meister im Flächenverbrauch. Dort war
der Flächenverbrauch in den vergangenen Jahren doppelt so hoch wie im bayerischen Mit-
tel: Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen im Landkreis Freising 1992-2004: 34,7
%, Landkreis Erding: 25,1 %, Mittelwert Bayern: 16,2 % (Bayerisches Landesamt für Statistik
und Datenverarbeitung 2006)
Die Erweiterung des Flughafens (970 ha) mit seinen großflächigen Versiegelungen (326 ha),
sowie die daraus resultierenden weiteren flächenintensiven baulichen Entwicklungen im
Umfeld, werden diese Entwicklung noch weiter unterstützen und stehen den Bodenschutz-
zielen im LEP und im Bundesbaugesetz entgegen.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 11
Landschaftsbild:
Das LEP (BI, 2.2.3) sieht den Schutz des Landschaftsbildes vor: „Es ist von besonderer Be-
deutung, die Landschaften Bayerns in ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit zu erhalten.“
Dieser Schutz des Landschaftsbildes ist auch in der bayerischen Verfassung verankert und
wurde durch das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes mit Urteil vom 31. Mai
2006 gestärkt.
Lärmschutz:
Mit der Zunahme der Lärmbelastung (s.u.) entsteht ein Widerspruch zu Ziel AI, 3.2.1, das
vorsieht, Beeinträchtigungen zwischen Wohn- Erholungs- Gewerbe- und Verkehrsfunktionen
abzubauen sowie neue Beeinträchtigungen zu verhindern: „Bestehende Raumnutzungskon-
flikte, insbesondere die erheblichen gegenseitigen Beeinträchtigungen von Wohn-, Ge-
werbe-, Erholungs- und Verkehrsfunktionen, sollen abgebaut und neue verhindert wer-
den.“
Das LEP sieht für die Bevölkerung einen Lärmschutz vor, mit dem Primat der Lärmreduzie-
rung an den Lärmquellen selbst. „Es ist anzustreben, die Bevölkerung durch dauerhaft wirk-
same Maßnahmen vor schädlichen Einflüssen durch Lärm und Erschütterungen zu schützen
und darüber hinaus zu entlasten, in erster Linie durch Maßnahmen an den Lärmquellen
selbst.“ (BV, 6). „Es ist anzustreben, dass die Bevölkerung durch zivilen und militärischen
Fluglärm so gering wie möglich belastet wird.“ (BV 6.4.).
Durch die Flughafenerweiterung geschieht genau das Gegenteilige. Die Lärmquellen werden
ausgeweitet und näher an die Bevölkerung herangeführt, während Lärmschutz über sekun-
däre Maßnahmen an den Gebäuden der Betroffenen geschehen soll.
Regionale Grünzüge:
von der 3. Bahn wird der Regionale Grünzug im Norden des Flughafens völlig entwertet und
seiner Funktion beraubt. Der Erhalt der Regionalen Grünzüge ist Ziel des LEP: BVI, 1.4: (Z)
„In den Regionalplänen sollen regionale Grünzüge besonders in den Verdichtungsräumen
zur Verbesserung des Bioklimas, zur Gliederung der Siedlungsräume und zur Erholungsvor-
sorge ausgewiesen werden. In diesen Grünzügen sollen Planungen und Maßnahmen, die
die genannten Funktionen beeinträchtigen, unterbleiben.“
Nachhaltigkeit:
AI Ziel 2.1.: „Bei Konflikten zwischen Raumnutzungsansprüchen und ökologischer Belast-
barkeit ist den ökologischen Belangen der Vorrang einzuräumen, wenn eine wesentliche und
langfristige Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen droht.“ Wie in den Kapiteln
5-7 unserer Stellungnahme ausgeführt wird, ist mit dem Vorhaben eine wesentliche und
langfristige Beeinträchtigung verbunden.
Entsprechende Ziele und Grundsätze lassen sich auch im Regionalplan der Region Mün-
chen finden. Wir weisen hier nur exemplarisch auf folgende Ziffern hin: AI G1.1. (attraktiver
Lebensraum, nachhaltige Raumentwicklung, Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen,
attraktive Natur-, Kultur- und Erholungslandschaft), AI G1.2.4 (Freiraumsicherung, ökologi-
sche Stabilität als ökonomischer Standortvorteil), AI G1.2.6 (umweltschundende und sozial-
verträgliche Erreichbarkeit der Region), AI G2.1.1.1 (Belange der Ökologie und der Erho-
lungsvorsorge bei Verkehrsverflechtungsfunktion der Region berücksichtigen, Sicherung und
Verbesserung der Wohnqualität), BI 1.1.1: (Freiflächennetz zur Sicherung der Lebensquali-
tät), BI 1.1.2 (Ökologisches Gleichgewicht), BI 1.2 (Landschaftliches Vorbehaltsgebiet), BI
2.3.1 (Erhalt von Feuchtbiotopen), BII Z 4.2.2 (Erhaltung Regionaler Grünzug), BII 6.4 und
6.5 (Reduzierung der Lärmbelastung durch Flugbetrieb v.a. rund um den Flughafen Mün-
chen!), BIV 2.2.1.3 (Ausgewogene Arbeitsplatzstruktur, keine einseitige wirtschaftliche
Struktur), BIV 2.2.1.5 (Sicherung der Freiraumfunktionen), BIV 2.2.2 (Flughafenarbeitsplätze
entsprechen nicht den Kriterien), BIV 3.1 (Räumliches Gleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage nach Arbeitsplätzen), BIV 3.3.3 (Abbau von Pendlerverflechtungen aus benach-
barten Regionen in die Region München), BV G1.1 (Umwelt und sozialverträgliche Gestal-
tung des Verkehrs).
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 12
Fazit: Gegen diese Ziele und Grundsätze der bayerischen Landesplanung und der Re-
gionalplanung würde der Ausbau klar verstoßen (fachliche Begründung siehe folgende
Kapitel). Eine weitere Zunahme der Belastung durch den Bau einer 3. Start- und Lan-
debahn ist somit mit zahlreichen Zielen und Grundsätzen des Landesentwicklungs-
programmes (LEP) nicht vereinbar und daher aus Sicht der Landesplanung und Re-
gionalplanung abzulehnen.
Der einseitige Bezug der vorgelegten Planung auf wirtschaftliche und verkehrliche Ziele
missachtet die nötige gleich- bzw. sogar höherrangige Gewichtung anderer Belang, insbe-
sondere des Menschenschutzes (Lebensqualität, Lärm, Schadstoffbelastung u.a.), des Res-
sourcenschutzes, des Natur- und Landschaftsschutzes, des Freiraumschutzes, des Klima-
schutzes und des Zieles der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Das Vorhaben dient einzig
und allein der maximalen Kapazitätserweiterung zur Erfüllung der expansiven Ziele der Luft-
hansa durch Induzieren neuer zusätzlicher – nicht aus der Region stammender – Nachfrage
durch eine Stärkung der Hub-Funktion. Würde diesem Ziel der Vorrang eingeräumt wer-
den gegenüber den zahlreichen anderen negativ betroffenen Belangen, wäre dies ein
massiver Abwägungsfehler aus Sicht der Landes- und Regionalplanung.
Dabei muss klar und deutlich darauf hingewiesen werden, dass das Ziel der Erweiterung des
Flughafens München durch eine 3. Start- und Landebahn im LEP nicht explizit in Ziel 1.6.1.
bzw. 1.6.3. enthalten ist. Der Verweis auf die Zielsetzung im LEP kann hier nicht genügen,
im LEP ist nur eine Vorrangfläche zur „dauerhaften Standortsicherung und zur Sicherung der
langfristigen räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten“ ausgewiesen. Es ist auch darauf hinzu-
weisen, dass das geplante Vorhaben der 3. Start- und Landebahn über diese Vorrangfläche
hinausgeht.
Hinsichtlich der Klage der Gemeinde Eitting gegen die Vorrangfläche im LEP von 2003 wird
lediglich festgestellt, dass die Ausweisung eines Vorranggebietes rechtmäßig gewesen sei.
Über die Rechtfertigung der konkreten Planung wird überhaupt nichts ausgesagt. Diese lan-
gen Zitate sind also samt und sonders unbehelflich und dienen nur dazu, die unzureichende
Begründung künstlich aufzuwerten und somit zu vernebeln.
Zudem wurde die Novelle des LEP in Bayern 2006 bekanntermaßen noch schnell vor der
Frist der Anwendung der Strategischen Umweltprüfung abgeschlossen. Dies ist grundsätz-
lich zu kritisieren. Es ist fraglich, ob die Zielsetzung des Ausbaus des MUC einer SUP stand
gehalten hätte. Unabhängig davon darf somit unseres Erachtens eine Planung, die einer
SUP bedarf (s.o.), nicht mit den Vorgaben einer Planung (LEP) begründet werden, die
ohne SUP erstellt wurde.
Wir weisen an dieser Stelle in aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Belastung der Re-
gion um den Flughafen hinsichtlich Lärm und Schadstoffbelastung, hinsichtlich Zer-
störung von Natur, hinsichtlich Zerstörung und Entwertung von Naherholungsgebie-
ten bereits heute ein Ausmaß erreicht hat, das die Lebensqualität erheblich mindert.
Eine weitere Zunahme der Belastung ist nicht mehr zumutbar.
Als falsch, unbegründet und rücksichtslos muss daher die Aussage: „Die Aufrechterhaltung
des Status quo stellt kein Planungsziel dar, das vor den Vorgaben des ROG, des Landes-
planungsgesetzes und namentlich der Zielbestimmungen des Landesentwicklungsprogram-
mes Bayern 2006 Bestand hat“ (Antrag S. 26) zurückgewiesen werden. Dass auch fachlich
kein Bedarf besteht, ist in den folgenden Kapiteln ausgeführt.
3.2. Beurteilung der derzeitigen Kapazität
Die Behauptungen der Staatsregierung wie der Flughafen München GmbH (FMG) zur Kapa-
zität des Flughafens München II und damit auch die vermeintliche Rechtfertigung für den
Bau einer weiteren Start- und Landebahn im Erdinger Moos sind falsch. Der ehemalige
Hauptgeschäftsführer der FMG, Willi Hermsen, hatte im Haushaltsausschuss des bayeri-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 13
schen Landtags 2000 erklärt, „nach deutschen Sicherheitsmaßstäben (seien) 97 Starts und
Landungen pro Stunde“ möglich, nach den in den USA angewendeten Verfahren sogar 120.
Stattdessen wurde der Münchner Wert mittlerweile auf 89 Flugbewegungen pro Stunde fest-
gelegt, was natürlich eine enorme künstliche Reduzierung der theoretischen Kapazitäten zur
Folge hatte. Das Wirtschaftsministerium erklärte dazu, dass die Zahl von 97 nur unter opti-
malen Bedingungen erreichbar, also nicht planbar und „bei einer Ungleichverteilung von
Starts und Landungen – wie sie seit einigen Jahren infolge der Hubstruktur am Flughafen
München verstärkt auftritt - … nicht realisierbar“ sei. In den Planungsunterlagen für das
Raumordnungsverfahren wird nun sogar ohne 3. Bahn nur die Zahl 93 für theoretisch maxi-
mal möglich angesehen, dies aber für sehr störungsanfällig und für die Hub-Struktur nicht
angemessen gehalten.
Die Werte der USA seien nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums aufgrund „anderer Re-
gelungen bei der Flugroutenfestlegung einschließlich der An- und Abflugverfahren und der
dabei einzuhaltenden Sicherheitsabstände“ in Europa nicht zu erreichen. Eine nähere Unter-
suchung, inwieweit die US-Verfahren möglicherweise auch bei uns angewandt werden
könnten, sei nicht sinnvoll. Gleichzeitig schreibt das Ministerium allerdings, dass es „konkrete
rechtliche Regelungen“ bei uns hinsichtlich der Kapazität nicht gebe. Daraus ergibt sich nun
zunächst einmal die Folgerung, dass eine nähere Untersuchung der amerikanischen Verfah-
ren geradezu zwingend sei, zumal die Sicherheitsstandards in den USA kaum geringer als in
Europa sein dürften. Es ist ein gravierender Fehler, dass diese Untersuchung im lau-
fenden ROV nicht durchgeführt wurde.
Aber auch mit den niedrigeren Koordinations-Eckwerten lässt sich der Bau einer 3. S/L-Bahn
nicht rechtfertigen. Im Vorjahr verzeichnete die FMG 383.100 Flugbewegungen. Bei 89 Be-
wegungen pro Stunde, 16 Stunden am Tag und 38 Nachtflugbewegungen, wie in der ur-
sprünglichen Nachtflugregelung festgeschrieben, käme man pro Jahr auf eine Zahl von
533.630, bei 97 Bewegungen pro Stunde sogar auf eine Kapazität von 580.350. Davon ist
der Flughafen München II weit entfernt. Sogar die optimistischen Prognosen der FMG für
das Jahr 2020 liegen mit 610.000 nicht allzu weit darüber.
3.3. Unzureichende Methodik und Fehler im Prognosegutachten von Intraplan
Zum von der FMG postulierten angeblichen Bedarf ist anzumerken, dass sich die FMG auf
das „Flughafenkonzept der Bundesregierung vom August 2000“ beruft. Dieses Flughafen-
konzept enthält jedoch keine verbindliche Festlegung von Umweltzielen, wirtschaftliche Im-
pulse werden überschätzt und es fehlt ein flughafenspezifisches Gestaltungsszenario zur
Ermittlung der Auswirkung von Verlagerungen der Kurzstreckenflüge auf die Bahn, von Effi-
zienzsteigerungen und politisch angestrebten Vermeidungsmaßnahmen (Klimaschutz !). Das
Flughafenkonzept ist zudem im Kabinett nicht beschlossen, d.h. keineswegs verbindlich.
Dem entspringt der sog. „Masterplan“ der Initiative „Luftverkehr für Deutschland“ in der sich
die Lufthansa, die FMG, die Fraport und die DFS zusammengeschlossen haben (unter der
Schirmherrschaft der Bundesregierung vertreten durch das Bundesverkehrsministerium). Der
Masterplan ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit entstanden und von den politischen Gre-
mien allenfalls zur Kenntnis genommen worden. Diese Initiative verweist auf den Bundesver-
kehrswegeplan des Bundesverkehrsministeriums.
Andere beschlossene und verbindliche Konzepte und Strategien der Bundesregierung wie
insbesondere die „Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung“ (2002) oder die Verpflich-
tungen zum Klimaschutz oder die „Biodiversitätsstrategie“ finden dabei weder Erwähnung
noch Berücksichtigung.
Und alle zusammen fordern den Ausbau des Flughafens München und alle zusammen
rechtfertigen dies immer wieder mit demselben sog. Fachgutachten: Intraplan 2004.
Wie im Folgenden nachgewiesen wird, beruhen die von Intraplan prognostizierten
Zahlen in wesentlichen Teilen auf vollkommen unrealistischen Annahmen.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 14
3.3.1. Willkürliche Arbeitshypothese: Engpassfreiheit
Sinn und Zweck des Gutachtens war es nicht, zu untersuchen, ob eine dritte Start- und Lan-
debahn überhaupt irgendwann erforderlich sein könnte, sondern lediglich eine Begründung
des Vorhabens zu liefern. Hierzu liefert Intraplan angeblich „abgesicherte Prognosen zum
Luftverkehr“. Dass dies gerade nicht der Fall ist, wird im Folgenden nachgewiesen. Allen An-
nahmen zugrunde gelegt wurde die „Arbeitshypothese der Engpassfreiheit“, das heißt, „es
wurden keine tatsächlichen oder künftig möglichen Kapazitätseinschränkungen unterstellt,
die durch die heutige Konfiguration des Flughafens München mit zwei Start- und Landebah-
nen bedingt sind“.
Dieses Vorgehen ist völlig unzulänglich. Ausgehend von einem „Idealzustand“ und
unter Einbeziehung der jeweils günstigsten aller vorhandenen Prognoseparameter,
die eher Wunschdenken als den realen Möglichkeiten entsprechen, bei gleichzeitiger
Nichtbeachtung aller „Störfaktoren aus der Wirklichkeit“ kommen die Gutachter zu
dem von ihnen geforderten Ergebnis.
Eine derartig willkürliche Vorgehensweise wird entschieden abgelehnt.
Von der FMG wird ein durchschnittlicher Verspätungswert von 4 Minuten/ Bewegung gefor-
dert. Das Nichteinhalten und die Verursachung von Verspätungen wird ausschließlich den
steigenden Verkehrszahlen und nicht ausreichender Flugsicherungskapazität zugeschrieben.
Dies ist jedoch nicht haltbar: laut DFS-Statistik waren beispielsweise im Januar 2006 Ver-
spätungen zu 91,6 % wetterbedingt (31109 Minuten) und nur zu 4,6 % durch die Flughafen-
kapazität bedingt (1584 Minuten). Die Hauptfaktoren von Verspätungen (Wetter und Notfälle)
sind auch durch eine dritte Bahn nicht zu beeinflussen.
Völlig ungeklärt ist ferner folgender Widerspruch:
• Beim Erörterungstermin zum geplanten Ausbau des Flughafens Frankfurt erklärte Gut-
achter Dr. Schubert von Intraplan am 26. September 2005, eine Prognose über das Jahr
2015 hinaus sei für einzelne Flughafenstandorte aus fachlichen Gründen nicht möglich.
(Zitat: BUND Hessen: Stellungnahme zum Ausbau des Frankfurter Flughafens).
• „Andererseits ist 2020 noch „überschaubar“, d.h. mit heutigen Maßstäben bzw. Progno-
semodellen zu erfassen.“ (Zitat: Fa. Intraplan: „Bedarfsprognose 2020 Bedarfsprognose
2020 für den Flughafen München für den Flughafen München“, Vorlage zum Sitzung des
Nachbarschaftsbeirats am 26.10.2005)
Wieso für München problemlos möglich sein soll, was für Frankfurt aus fachlicher Sicht un-
möglich war, bleibt das Betriebsgeheimnis von Intraplan.
3.3.2. Rohölpreise und deren Auswirkung auf Flugticketpreise
Intraplan (S. 87): „Wir gehen davon aus, dass aufgrund des Wirtschaftswachstums großer
erdölimportierender Staaten wie China und Indien die Rohölpreise sich auf hohem Niveau
einpendeln werden (Annahme: Preisstand 2004) … Diese Einschätzung deckt sich mit der
Auffassung der Internationalen Energieagentur IEA.“
Diese Aussage zur IEA bezieht sich auf deren Bericht „World Energy Outlook (WEO) 2004“
und ist hoffnungslos veraltet. In ihrem Bericht geht die IEA davon aus, dass die Rohölpreise
2006 bei 22 Dollar je Barrel liegen und bis zum Jahr 2030 auf 29 Dollar/Barrel steigen wer-
den. Tatsächlich betrug 2006 der Preis teilweise über 78 Dollar. Im WEO 2005 korrigierte
sich die IEA dann bereits auf einen Preis von 65 Dollar/Barrel nach oben. Dabei gibt die IEA
noch zu, dass es auch höhere Prognosen gebe.
Zur Realitätstauglichkeit von IEA-Prognosen siehe: Rudolf Rechsteiner, Schweizer National-
rat: “Oil Peak, international conflicts and the role of Parliaments”, RENEWABLE ENERGY
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 15
SYSTEMS AND KYOTO PROTOCOL FOR SOUTH-EAST EUROPE, 7TH International
Conference Slobiom 2006 4th of July.
Rechsteiner stellt fest, dass die IEA den Weltrekord bei falschen Prognosen halte, was die
Entwicklung der Rohölpreise anbelangt. Eine Gegenüberstellung der „Wunschpreise“ der
IEA und der tatsächlichen Preise zeige, dass die Zahlen der IEA gut aussähen, aber reine
Fantasy seien.
Die IEA führt selbst aus, dass bei unveränderter Politik der Energiebedarf 2030 um 50 Pro-
zent höher liege als heute. Da erstens eine globale Energiewende nirgendwo in Sicht ist und
zweitens dieser Bedarf nach wie vor überwiegend aus fossilen Brennstoffen gedeckt werden
soll und drittens das Angebot an diesen Brennstoffen kontinuierlich abnimmt, ist eine deutli-
che Preissteigerung nicht nur nahe liegend, sondern zwingend.
Mittlerweile hat die OPEC zumindest angedeutet, dass ein Sinken des Rohölpreises in die
Nähe von 50 Dollar/Barrel zu preissteigernden Maßnahmen führen werde (vgl. SZ,
11.09.2006). Abgesehen von Intraplan geht kein Mensch mehr von „Dumping-Preisen“
aus, die längst der Vergangenheit angehören.
Intraplan behauptet weiterhin, steigende Rohölpreise spielten nur eine untergeordnete Rolle.
Eine 50%ige Erhöhung führe dazu, dass im Durchschnitt etwa 8 % höhere Ticketpreise zu
erwarten seien (S. 119/120).
Dazu ein Beispiel aus der Realität: Ein Hin- und Rückflug Frankfurt - Tokio der japanischen
Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA) wurde am 05.09.2006 im Internet für € 877,00
angeboten. Am gleichen Tag meldete dpa, dass ANA aufgrund eines Rohölpreises von
65,37 Dollar/Barrel 90 Euro pro Strecke Kerosinzuschlag angekündigt habe. Dies bedeutet
für den Hin- und Rückflug eine Verteuerung um mehr als 20 % unter genau den Bedingun-
gen, die die IEA neuerdings für 2030 prognostiziert.
Die im innerdeutschen Verkehr ab 2007 höhere Mehrwertsteuer um 3 % ist hier noch gar
nicht berücksichtigt (anders als im grenzüberschreitenden Luftverkehr muss im innerdeut-
schen Verkehr Mehrwertsteuer bezahlt werden). Für den innerdeutschen Zubringerverkehr,
der laut Intraplan in München eine wichtige Wachstumsrolle spielen soll, ist dies allerdings
sehr wichtig. Die Behauptung der Intraplan ist somit völlig unhaltbar.
Ebenfalls nicht berücksichtigt ist die mögliche Abschaffung der Steuerfreiheit für Kerosin.
3.3.3. Folgen für die Nachfrage/ Prognose:
Wie sich vorherigen Punkten ersichtlich ist, ist eine drastische Verteuerung der Flugticket-
preise für den Prognosezeitraum unausweichlich.
Dass die Ticketpreise die Nachfrage bzw. den Bedarf beeinflussen, bestätigt sogar Intraplan:
„Die Prognosen berücksichtigen in der Regel, dass die Nachfrageentwicklung nicht nur ab-
hängig von externen bzw. "exogenen" Faktoren ist (z.B. Bevölkerungsentwicklung, Ein-
kommensentwicklung), sondern durch die Angebotsentwicklung (z.B. angebotene Flugver-
bindungen, Luftverkehrspreise) beeinflusst ist. Dies spielt bei flughafenspezifischen
Prognosen noch eine größere Rolle als bei globalen Luftverkehrsprognosen, weil die Auf-
teilung der Verkehrsnachfrage auf die Flughäfen in starkem Maße vom jeweiligen Verkehrsan-
gebot abhängt.“ (S. 46) Neuverkehr werde in wesentlichem Umfang durch Low-Cost-An-
gebote („Billigflieger“) generiert (S. 65).
„Reisekosten sind … im Privatverkehr von deutlich größerer Bedeutung.“ (S. 70)
Die „steigenden Treibstoffkosten“ (Widerspruch zu obiger Annahme, Einpendeln auf Preis-
stand 2004!) ließen sich etwa durch den Einsatz effizienteren Fluggeräts und durch Be-
rücksichtigung „anderer preisrelevanter Faktoren“ ausgleichen (S. 87).
Hierzu ist zu bemerken, dass gerade Billiganbieter alle Einsparmöglichkeiten bereits ausge-
reizt haben. Die Anschaffung effizienterer Flugzeuge zöge hohe Investitionen nach sich, was
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 16
sich mit Sicherheit in höheren Ticketpreisen niederschlagen würde. Dadurch würde jedoch
der potentielle Neuverkehr drastisch reduziert.
Fazit: Wie man es auch dreht und wendet, Flugreisen werden sich stark verteuern, die
Nachfrage wird sich nicht annähernd in dem von Intraplan prognostizierten Ausmaß
steigern.
Dies wird noch durch eine weitere Aussage von Intraplan untermauert: „Haupteinflussgrößen
in dem Verfahren (siehe Abb. 3-2) sind die sozioökonomische und sozio-demographische
Entwicklung als maßgebliche Treiber der Nachfrageentwicklung neben den Verkehrs- und
Reiseangeboten, die vor allem auch neben der Erreichbarkeit und geographischer Lage der
Flughäfen für die Aufteilung der Nachfrage auf die Flughäfen von Bedeutung sind.“ (S. 51)
„Ein signifikanter Einfluss auf das Luftverkehrsaufkommen ist jedoch nur dann zu erwarten,
wenn bei den mittleren Einkommensschichten dauerhaft deutliche Einkommensseinbußen
entstünden, weil die privaten Luftverkehrsreisen überwiegend durch diese Einkommens-
schichten unternommen werden.“ (S. 83)
Gerade diese Einkommensschichten werden von den Beschlüssen der Bundesregierung in
den kommenden Jahren besonders betroffen sein (Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheits-
reform, „Urlaubsverzicht“ wegen höherer privater Aufwendungen zugunsten der Altersver-
sorgung etc.).
Intraplan geht auf die bundesdeutsche Entwicklung aber überhaupt nicht ein. Hart-
näckig wird alles ignoriert, was eine vermeintliche Rechtfertigung der dritten Start-
und Landebahn beeinträchtigen könnte. Das Gutachten basiert auf einem Heile-Welt-
Szenario, das mit der Realität wahrscheinlich wenig zu tun hat.
3.3.4. Wirtschaftswachstum
Intraplan geht bei seinen Annahmen von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum in
Deutschland bis zum Jahr 2020 von 2 % pro Jahr aus. Dies ist weder realistisch noch in der
von Intraplan vorgenommenen Detailliertheit überhaupt prognostizierbar.
Tatsächlich erreicht wurde dieser Wert seit 1993 nur viermal. In den Jahren 1996, 2001,
2002, 2003 blieb das Ergebnis sehr deutlich unter diesem Wert. Selbst in Bayern, das über-
durchschnittlich gute Ergebnisse erreicht, wurde der angenommene Wert seit 1993 sieben
Mal verfehlt. Dass 2006 möglicherweise eine Ausnahme darstellen könnte, liegt im Wesentli-
chen an Vorzieheffekten, die die beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer zum
01.01.2007 verursacht, was von Intraplan aber nachhaltig ignoriert wird.
Folgerichtig kommt die Prognos AG in ihrem Deutschlandreport 2030 auch zu einem völlig
anderen Ergebnis: „Mehr als ein Wachstum von 1,4% pro Jahr sei langfristig nicht drin.“
(Zitat: Handelsblatt, 02.04.2006). Über diesen Report schreibt das Handelsblatt: „Wissen-
schaftlich fundiert gibt Prognos in dem alle vier Jahre erscheinenden Standardwerk eine ein-
zigartige, detaillierte Sicht auf die Entwicklung Deutschlands bis zum Jahr 2030.“
3.3.5. Verkehrsanbindung:
Intraplan: „Bei der landseitigen Anbindung des Flughafens München sind gegenüber heute
diejenigen Maßnahmen unterstellt, deren Planungen weit fortgeschritten sind:
• MSB [=Magnetschwebebahn= Transrapid] München Hauptbahnhof – Flughafen (Fahrzeit
10 Minuten, 10-Minuten-Takt)
• Ringschluss Erding und Neufahrner Kurve“ (S. 94)
TRANSVER GmbH bemerkt in ihrer „Prognose des landseitigen Verkehrsaufkommens und
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 17
Auswirkungen auf den Straßenverkehr“: „Des weiteren kann die „Walpertskirchener Spange“
nur in Verbindung mit dem Ausbau der ABS 38 (Anmerkung: Ausbaustrecke München –
Mühldorf – Freilassing – Salzburg) realisiert werden. Somit erscheint eine Realisierung aus
heutiger Sicht problematisch. Daher wurden diese beiden Maßnahmen in den Prognosebe-
rechnungen 2020 nicht berücksichtigt, um die Auswirkungen im Straßenverkehr infolge einer
zu optimistisch unterstellten ÖV-Erschließung nicht „schön“ zu rechnen.“
Bestätigt wird diese Einschätzung durch Staatsminister Erwin Huber, der in einer Presseer-
klärung Ende Juli 2006 zugeben musste, dass mit einem Baubeginn für den Erdinger Ring-
schluß frühestens 2010 zu rechnen sei, vorausgesetzt, bis dahin lasse sich die Finanzierung
klären. (Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
Pressemitteilung-Nr. 185/06 vom 31.07.2006, sowie Artikel „Raumordnung für Startbahn be-
ginnt“, Süddeutsche Zeitung vom 01.08.2006)
Was den Transrapid betrifft, sind die Aussichten auf baldige Realisierung (wenn überhaupt)
angesichts der hartnäckigen Weigerung der Industrie, sich an den Milliardenkosten zu betei-
ligen, geringer denn je. Wird der Transrapid nicht gebaut, geht das Intraplan-Gutachten zur
Transrapidplanung aus dem Jahr 2004 (siehe Planfeststellungsverfahren Transrapid), von
ca. 1,6 Millionen weniger Fluggästen im Jahr 2020 aus. Folgende Aussagen im Intraplan-
Gutachten zum Transrapid zeigen, woher nach der Logik von Intraplan u. a. die Passagiere
abgezogen werden sollen, die das gigantische Wachstum am Flughafen bewirken sollen:
„Geänderte Flughafenwahl; durch Verbesserung der landseitigen Erreichbarkeit des Flug-
hafens München steigt die Wahrscheinlichkeit der Wahl des Flughafens München ins-
besondere bei Flugreisen aus Überschneidungsbereichen mit konkurrierenden Ver-
kehrsflughäfen.“ und: „Änderung der Verkehrsmittelwahl im Hauptlauf von Fernverkehrsre-
lationen; in den Nachfragesegmenten mit einer Konkurrenzsituation zwischen dem Luft-
verkehr und dem SPFV sowie in geringerer Größenordnung auch mit dem PKW erhöht sich
die Wahrscheinlichkeit von Flugreisen zu Lasten der Landverkehrsmittel, wenn die Tür-zu-
Tür-Reisezeit im Luftverkehr durch Inbetriebnahme der MSB-Verbindung München HbF -
Flughafen verkürzt wird.“ (S.39 Intraplan, 2004, Planfeststellung Transrapid, eigene Hervor-
hebung).
Die Realisierung dieser beiden nach Ansicht der Gutachter wesentlichen Bestandteile der
künftigen Anbindung des Flughafens, die Intraplan als quasi bestehend voraussetzt, liegt
also in weiter Ferne bzw. ist generell zu bezweifeln. Welche Auswirkungen sich hieraus
auf die Nachfrage ergeben, hat Intraplan vorsichtshalber überhaupt nicht untersucht.
Auch weitere von Intraplan postulierte Verkehrserschließungen werden deutlich nach dem
Prognosezeitraum oder nie realisiert werden.
3.3.6. Aus- und Neubaupläne im internationalen Luftverkehr nicht ausreichend be-
rücksichtigt
Die Auswirkung des Ausbaus Frankfurt (FFM) und Berlin (BBI) auf die Fluggastprognose
fehlen weitgehend. In Berlin läuft der Bau, in Frankfurt das Planfeststellungsverfahren.
Der Neubau des Flughafens in Dubai (150 Mio. Fluggäste, gigantisches Drehkreuz) wurde
ebenfalls nicht im erforderlichen Umfang berücksichtigt
3.3.7. Demografischer Wandel mangelhaft berücksichtigt
Der demografischer Wandel wurde nicht ausreichend berücksichtigt: Aussagen Intraplan-
Gutachten: Generell stagnierende Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Europa; ab
2020 Bevölkerungsabnahme; in Südbayern und angrenzenden Regionen kommt es jedoch
weiterhin zu einer Zunahme bzw. verzögerten Abnahme der Bevölkerung; Wesentlich für die
Prognose der Fluggastzahlen ist auch zu berücksichtigen, dass ein überdurchschnittlicher
Anstieg des Anteils älterer Bevölkerungsschichten (über 75 jährig) erfolgen wird.
Welche Auswirkung dies hat, wurde nicht untersucht.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 18
3.3.8. Subventionierung des Flugverkehrs
Der Flugverkehr wird vom Steuerzahler kräftig mitbezahlt.
Folgende Subventionen erhält der Flugverkehr allgemein bzw. die FMG München:
• Steuerbefreiung Kerosin: z.B. 2004 5,8 Mrd. €
• Mehrwertsteuerbefreiung: ca. 300 Mio. €/pro Jahr
• Airbus-Entwicklung: mind. 30–35 Mrd. € von 1970 - 2000
• „Marketing-Zuschuß“ Flughafen München: 14 €/1000 l Kerosin; 2003: 6,5 Mio. €
• Gesellschafterdarlehen FMG: Zinseinbußen über 2 Mrd. €
• Geplante Verkehrserschließung Flughafen München einschließl. Transrapid: ca. 5 Mrd. €
Mit dem Flugverkehr wird ausgerechnet das Verkehrsmittel am stärksten subventioniert, das
die Umwelt am stärksten belastet (vgl. Kapitel 5). Es ist nicht auszuschließen, dass die Sub-
ventionierung des Flugverkehrs angesichts der dringend nötigen Erfüllung von Klimaschutz-
zielen zurückgeht.
3.3.9. Überkapazitäten
Die Wachstumsentwicklungen, Flugastprognosen und die Steigerung des jährlichen Flug-
gastaufkommens spielten auch in dem erst vor wenigen Monaten durchgeführten Planfest-
stellungsverfahren zum Transrapid eine wesentliche Rolle. Die Fluggast-Prognosen waren
auch hier massiv in Zweifel zu ziehen (vgl. BN-Stellungnahme zum Transrapid). Interessant
ist ein Vergleich der verschiedenen Kapazitäts-Prognosen, insbesondere mit der Prognose
von TransVer (TRANSVER 2002: Der Flughafen München und sein Umland - Grundlagener-
mittlung für einen Dialog, Teil 2: Verkehrsgutachten, TransVer GmbH München und TU
München, Univ. Prof. Dr./UCB Hartmut Keller, Fachgebiet Verkehrstechnik und Verkehrspla-
nung). Es werden für 2015 55,9 Mio. Fluggäste, davon 31,3 Mio. Originärpassagiere pro-
gnostiziert. Die Prognose für 2020 sowohl der Planfeststellung für den Transrapid als auch
für die 3. Start- und Landebahn liegt in ihren Werten leicht unter dieser TransVer-Prognose,
obwohl deren Prognosehorizont fünf Jahre früher liegt (Gesamtaufkommen, Originärauf-
kommen und Umsteigeranteil).
Interessant ist auch ein Vergleich der Prognosen unterschiedlicher Flughäfen:
Der geplante Bau einer neuen Startbahn hätte kaum Auswirkungen auf die Zahl der Originär-
passagiere, die zusätzlichen Passagiere sollen vielmehr den Flughäfen in der Schweiz (3.
Lufthansa Drehkreuz in Zürich), in Österreich und Tschechiens abgeworben werden, pro
Jahr etwa 25 Millionen.
Beispielhaft sei der Flughafen Augsburg und sein Einzugsgebiet im Landkreis Aichach-
Friedberg genannt. In der Intraplan-Prognose hat der Flughafen München im Jahre 2020
einen Marktanteil von 71 – 90% am LK AIC. Der Flughafen Augsburg stellt in seiner „Über-
prüfung der Prognose...“ des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der RWTH Aachen fest,
dass der Landkreis Aichach im Jahr 2010 zu den 5 „Hauptmarktgebieten“ des Flughafen
Augsburg zählt. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Flughafen Augsburg unter einem
Hauptmarktgebiet einen Marktanteil von 10 – 29 % versteht. Der Flughafen Augsburg
möchte auch den Großraum München für den zu Geschäftsflugreiseverkehr erschließen.
Beide Prognosen schließen sich demnach aus. Gleiches gilt im Übrigen für den Landkreis
Donau-Ries und den Stadt- und Landkreis Augsburg sowie eingeschränkt für den Landkreis
Dillingen a.d. Donau.
Als weiteres Beispiel überlappender Prognosen kann der Flughafen Salzburg angeführt wer-
den: von den knapp 1,7 Mio. Fluggästen des Salzburger Flughafens im Jahre 2005 hat ca.
1/3 deutsche Flughäfen angeflogen. Unter den 8 wichtigsten Zielflughäfen (auch Umsteige-
flughäfen) sind 5 deutsche Flughäfen. Es gibt kaum Gründe, für einen Flug mit einem deut-
schen Ziel zuerst nach München zu reisen. Trotzdem stellt die Intraplan-Prognose die
Region Salzburg/Steiermark/Kärnten als Einzugsgebiet mit einem derzeitigen Marktan-
teil von 31– 50 % mit einer Erhöhung des Marktanteils auf 51 – 70% bis 2020 dar. Die
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 19
Zunahme der Fluggäste ab oder nach Flughafen Salzburg entspricht aber exakt der progno-
stizierten Zunahme des regionalen Luftverkehrsaufkommens in der Region Salzburg/ Stei-
ermark/ Kärnten, so dass für München eine Erhöhung des Marktanteils nicht möglich ist. Das
für Salzburg ausgeführte trifft analog für Graz und Klagenfurt zu.
Dies könnte für andere Flughäfen im näheren und weiteren Einzugsgebiet von München
fortgeführt werden. In Prag und in Wien sollen beispielsweise selbst erhebliche Ausbaupläne
realisiert werden. Für Zürich ist prognostiziert: „Der berechnete Kapazitätseckwert ... in Zü-
rich läge in diesem Szenario bei 114 Bewegungen in der Stunde, der minimale Kapazi-
tätseckwert bei 104 Bewegungen/h.“ (Entwicklung des Luftverkehrs in der Schweiz bis 2030
– Nachfrageprognose Intraplan Consult GmbH, Anhang S. 10, August 2005). Innerhalb
Deutschlands werden für die Flughäfen FRA (46,4 Mio.), MUC (25,1 Mio.) und BBI (4,5
Mio.), bei Berücksichtigung der Umsteigevorgänge auf den anderen deutschen Flughäfen,
zwischen 11,5 und 19 Mio. mehr Umsteigepassagiere prognostiziert als in Deutschland im
Jahr 2020 vorhanden sein werden. Der Einzugsbereich aller Flughäfen vergrößert sich nach
deren Darstellungen und die Bindung der Fluggäste aus der jeweiligen Region an den regio-
nalen Flughafen soll sich erhöhen, so dass derart signifikante Überschneidungen entste-
hen, dass keine Prognose per se zutreffen wird. Allein schon aus diesem Grund muss die
Intraplan-Prognose für München wesentlich zu hoch sein.
Dagegen stellt die Untersuchung der Boston Consulting Group „Flughäfen vor Verdrän-
gungswettbewerb“ vom 21.04.2004 deutlich heraus, dass in München wie anderen deut-
schen Großflughäfen (außer in Frankfurt) Überkapazitäten auch durch die Konkurrenz-
situation mit anderen Flughäfen entstehen werden, die der Steuerzahler auszugleichen hat
und dass die Erwartungshaltungen der deutschen wie internationalen Flughäfen (Ausnahme
sog. „Mega-Hubs“, zu denen München nicht zählt und kaum zählen wird) weit überzogen
sind. Diese Arbeit wird im vorliegenden Planfeststellungsverfahren nicht herangezogen bzw.
erörtert.
3.3.10. Unbegrenztes Wachstum ?
Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass es durchaus möglich ist, dass ange-
sichts der Klimaerwärmung und der immer drastischeren Auswirkungen die Notwendigkeit
der Energieeinsparung und der Vermeidung der Emission von Treibhausgasen zu Ein-
schränkungen im Flugverkehr führen kann. Derartige Einschränkungen werden von den
Gutachtern überhaupt nicht in Erwägung gezogen.
Wir verweisen hierzu nur exemplarisch auf Aussagen zur nachhaltigen Gestaltung des Ver-
kehrs in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung oder auf die Verpflichtungen der
Bundesregierung für den Klimaschutz.
Fazit zu Kapitel 3.3: Es gibt keine schlüssige Argumentation für die Annahme eines
zukünftigen großen Wachstums an Flugpassagieren. Damit entfällt die Begründung
für das Vorhaben.
3.4. Falsche Unternehmensstrategie zu Lasten des Umlandes
Der angebliche Kapazitätsengpass ist hausgemacht und liegt einzig und allein an den rück-
sichtslosen Expansionsplänen der FMG und einer völlig verfehlten Strategie der Unterneh-
mensführung, die zu Lasten des Flughafenumlandes geht.
„Die Flughafen München GmbH dient den Verkehrsbelangen des Landes Bayern und
der Stadt München im innerdeutschen und internationalen Luftverkehr. Sie ist aus-
schließlich und unmittelbar zum Nutzen der Allgemeinheit tätig“. Diese Aussage wurde
dem am 23. November 2005 im Nachbarschaftsbeirat gehaltenen Vortrag über das Ver-
kehrskonzept und die strategische Ausrichtung des Münchner Airports voran gestellt. Es
handelt sich dabei um einen Auszug aus dem Gesellschaftsvertrag der Flughafen München-
Riem Gesellschaft mbH vom Oktober 1949.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 20
„Insbesondere durch den von der Lufthansa betriebenen Hubausbau hat der Flughafen Mün-
chen ein überdurchschnittliches Verkehrswachstum und eine außergewöhnlich hohe Ange-
botsvielfalt im europäischen Verkehr erreicht.“ (Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Ge-
schäftsführung der Flughafen München GmbH [FMG], bei der vierten Sitzung am 23.11.2005
des Nachbarschaftsbeirates Flughafen München)
„Wir müssen den Hubausbau in den kommenden Jahren weiter konsequent vorantrei-
ben und insbesondere den Langstreckenverkehr noch erheblich verstärken, um Mün-
chen dauerhaft als eine der führenden europäischen Drehscheiben etablieren zu kön-
nen.“ (Statement von Dr. Michael Kerkloh vom 27.07.2005)
Aus diesen Zitaten geht hervor, dass die FMG-Führung Ziele verfolgt, die dem Konsor-
tialvertrag eindeutig zuwider laufen. Die FMG ist offenbar bestrebt, willfährig alle
Wünsche der Lufthansa zu erfüllen: Expansion um jeden Preis, vor allem, weil die Ko-
sten der Steuerzahler und die Belastungen die Menschen im Umland zu tragen haben.
Die FMG-Strategie hat darauf abgezielt, ein „internationales Drehkreuz“ zu etablieren, ohne
über das entsprechende Einzugsgebiet zu verfügen (Abb. 2). Hier rächt sich einmal mehr die
falsche Standortwahl, die CSU und Staatsregierung zu verantworten haben. Michael Ker-
kloh, Chef des Airports im Erdinger Moos, fällt zum Thema „Standort“ ein, dass der neue
Flugverkehrsknoten „völlig ins Off gebaut“ worden sei (SZ-Beilage Mobiles Leben vom 16.
September 2006).
Abb. 2.: Eckdaten der im Masterplan betrachteten Flughäfen: das Einzugsgebiet des Flughafens Mün-
chen ist mit 2,9 Mio. Pers. in der 60-Minuten-Isochrome sehr klein.
Die Folge hiervon ist, dass mittels vieler kleiner Zubringerflugzeuge die fehlenden Passagie-
re von anderen Flughäfen erst nach München gelockt werden müssen. Dies bestätigen auch
die von der FMG vorgelegten Zahlen (Tabellen 5.1. und 5.6. des Gutachtens), siehe Abb. 3-4
und Zusammenstellung in Abb. 5.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 21
Abb. 3: Passagieraufkommen MUC nach Herkunfts-/Zielgebieten
Abb. 4: Entwicklung des Passagieraufkommens am Flughafen München 1992-2005 (Abb. 2-1, In-
traplan S.33)
2004 IST Prognose 2020
mit 3. SLB
Zuwachs in % Prognose für 2020
ohne 3. SLB
Fluggäste
gesamt (Mio.)
28,6 55,8 108 % 41,9
Flugbewegungen 383.000 610.000 59 % 473.000
Originärverkehr (Mio.) 17,8 30,7 72 % 29,3
Umsteigeverkehr (Mio.) 8,8 24,9 183 %
Umsteigeranteil 33 % 45 % 36 % 30 %
Passagiere/ Flugbewegung
(nur Passagierflüge)
70 (75) 91 (97) 30 %
(29 %)
Abb. 5: Zusammenstellung der Veränderung der Fluggäste und Flugbewegungen (Zahlen aus ROV-
Unterlagen 2006)
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 22
Die Abbildungen 3-5 verdeutlichen verschiedene Aspekte:
Zum einen wird klar, dass der Zuwachs in den letzten Jahren zu einem erheblichen Teil auf
Umsteiger zurückzuführen ist. Dies beruht laut Antragsunterlagen „auf einer Entscheidung
der deutschen Lufthansa aus dem Jahre 1995, den Verkehrsflughafen München .... als euro-
päische und interkontinentale Luftverkehrsdrehscheibe auszubauen.“ (Antrag S. 7). Hier
muss deutlich betont werden, dass diese Argumentation so nicht Grundlage des Genehmi-
gungsverfahrens sein kann, sondern dass diese Ausrichtung grundsätzlich überprüft und
hinterfragt werden muss. Der Umsteiger-Anteil soll auf 45 % aller Passagiere bis 2020 erhöht
werden. Erklärtes Ziel der FMG ist es also, auf Kosten des Umlandes immer mehr Ver-
kehr nach München zu locken, um so einen Ausbau scheinbar zu rechtfertigen. Um
dies zu erreichen, werden alle Möglichkeiten, die jetzige Kapazität des Flughafens zu verrin-
gern, ausgenutzt. Allein durch eine bessere Auslastung der Flugzeuge bzw. des Einsat-
zes effizienterer Flugzeuge ließen sich 30 bzw. 29 % mehr Passagiere abwickeln.
Zum anderen wird klar, dass der geplante Bau einer neuen Startbahn kaum Auswirkungen
auf die Zahl der Passagiere hätte, die direkt vom Münchner Flughafen aus fliegen (Originär-
passagiere). Die zusätzlichen Passagiere sollen vielmehr den Flughäfen in der Schweiz (3.
Lufthansa Drehkreuz in Zürich), in Österreich, in Tschechien, in Polen oder anderen Ländern
abgeworben werden, pro Jahr etwa 25 Millionen. Dass dort (beispielsweise Prag, Wien)
selbst erhebliche Ausbaupläne realisiert werden, ignoriert die FMG.
Die Begründung der FMG ist grob fehlerhaft und interpretiert die Ergebnisse der von ihr in
Auftrag gegebenen Gutachten völlig falsch. Ebenso wie Intraplan selbst.
„Aus der Gegenüberstellung von Prognosenullfall und Planungsfall ergibt sich mit aller Deut-
lichkeit, dass die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen auf dem Verkehrsflughafen Mün-
chen die vorhandenen Kapazitäten deutlich übersteigt. Auf die Tabelle 8-1 (S. 142) des Gut-
achtens darf Bezug genommen werden. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass, um
die Verkehrsnachfrage zu befriedigen, eine Kapazitätserweiterung des Flughafens erforder-
lich ist.“ (Antragsbegründung, S. 19)
Intraplan selbst spricht im Falle einer Null-Lösung ebenfalls von „verdrängter bzw. nicht be-
friedigter Nachfrage“. (S. 138).
„Der Koordinierungseckwert für den Verkehrsflughafen München könnte allenfalls von 90 auf
93 Bewegungen pro Stunde angehoben werden. Eine darüber hinausgehende weiterge-
hende Luftverkehrsnachfrage müsste, mit allen negativen Auswirkungen für den Luftver-
kehrsstandort München, auf anderen Flughäfen befriedigt werden, soweit dies überhaupt
möglich ist. … Der Flughafen Zürich wird selbst nach seinem Ausbau, der eine Erhöhung
des heute vorhandenen Koordinationseckwertes von 66 auf zukünftig 80 Bewegungen pro
Stunde gestattet, einen niedrigeren Koordinationseckwert haben als München heute.“ (An-
tragsbegründung, S. 25).
„Ganz abgesehen davon lässt sich ein Luftverkehrsknoten nicht auf verschiedene Flughäfen
aufteilen.“ (Antragsbegründung, S. 25) Der Flughafen Zürich hat durch die Übernahme der
Swiss Air durch die Lufthansa viel von seiner früheren Hub-Funktion eingebüßt. Die Auftei-
lung bzw. Verlagerung eines Knotens funktioniert der Logik der FMG zufolge also nur in ei-
ner Richtung, nämlich nach München.
Nach den Prognosen für den Flughafen Zürich könnte ein Kapazitätseckwert von 114 Bewe-
gungen/ Stunde (Entwicklung des Luftverkehrs in der Schweiz bis 2030 – Nachfrageprogno-
se Intraplan Consult GmbH, Anhang S. 10, August 2005) erreicht werden, dieses Szenario
sieht u.a. keinen Ausbau des Flughafens München vor. Die „Krokodilssorgen“ der FMG sind
also unbegründet. Wer unbedingt fliegen will, kann dies aller Voraussicht nach auch dann
noch tun, wenn keine dritte Start- und Landebahn gebaut wird.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 23
Die Ausführungen von Intraplan sind kompletter Unsinn: Wie Intraplan ausführt, ent-
stünde ein Großteil der prognostizierten Nachfrage überhaupt nur durch den Ausbau
und einer entsprechenden Angebotserweiterung. Daraus folgt: Die dritte Start- und
Landebahn würde einen Bedarf decken, der ohne sie gar nicht erst entstünde. Eine
Maßnahme, die aus ihren eigenen Folgen die Begründung für ihre Notwendigkeit her-
leitet, ist schlicht und ergreifend Unfug.
3.5. Fazit: Kein Bedarf für eine 3. Start- und Landebahn
„Die Forderung der Lufthansa nach Errichtung einer Start- und Landebahn ist sachlich nicht
begründet“, so der damalige Verkehrsminister Otto Wiesheu auf eine mündliche Anfrage des
Landtagsabgeordneten Christian Magerl vom 27.11.2003. An dieser Einschätzung hat sich
nichts geändert.
Die Engpässe am Münchner Flughafen sind hausgemacht. München hat zwar schon jetzt ein
internationales Drehkreuz, jedoch ohne entsprechendes Einzugsgebiet. Passagiere müssen
mit kleinen Maschinen zum MUC geflogen werden, um von dort an internationale Ziele weiter
zu reisen. Beispielsweise sitzen in einem Flug nach Peking noch 29 Einheimisch, der Rest
der 200 Passagiere kommt mit Zubringermaschinen aus ganz Europa. Diese hausge-
machten Engpässe und angeblich unumstößliche Gründe für einen Ausbau können kein Ar-
gument sein für einen Ausbau, für den kein originärer Bedarf in der Region besteht.
Die Prognosen der Zunahme der Fluggäste beruhen auf falschen bzw. waghalsigen Annah-
men, der prognostizierte Bedarf geht völlig an der Realität vorbei.
Da sich Intraplan angesichts ihrer waghalsigen Annahmen offenbar selbst nicht so recht wohl
in ihrer Prognosehaut fühlt, haben die Gutachter gleich noch vorgesorgt, indem sie die Aus-
wirkungen falscher Parameter klein zu reden versuchen:
• „Sensitivitätsrechnung zum Kerosinpreis: Die Sensitivität in Bezug zu den Kerosinpreisen
ist relativ gering (siehe Abb. 5-13). So wird bei 50 % höheren bzw. niedrigeren Kerosin-
preisen der prognostizierte Eckwert (Passagiere) 1 bis 2 Jahre später bzw. früher erreicht
als 2020. Andere Entwicklungen als die angenommene zu den Treibstoffpreisen haben
also kein grundsätzlich anderes Prognoseergebnis zur Folge.“ (S. 120)
• „Sensitivitätsrechnung zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland: Die Abhängigkeit der
Luftverkehrsprognosen von der unterstellten Wirtschaftsentwicklung ist größer als von
den Kerosinpreisen. Bei 0,5 Prozentpunkten höherer bzw. niedrigerer Wirtschaftsent-
wicklung pro Jahr bis 2020 wird der prognostizierte Eckwert (Passagiere) rund 2,5 Jahre
später bzw. früher erreicht als 2020.“ (S. 122)
Legt man diesen Sensitivitätsrechnungen realistische Zahlen zugrunde, zieht alle we-
sentlichen Aspekte in Betracht und addiert diese, kann man nur zu dem Schluss
kommen, dass zumindest die nächsten 20 Jahre keine dritte Start- und Landebahn
notwendig sein wird.
Als völlig untauglich erweisen sich letztlich auch die Hinweise der FMG auf die diversen Ge-
richtsurteile: „Ein Vorhaben ist – auch nach den Maßgaben des für das später zu führende
Fachplanungsverfahren maßgeblichen Luftverkehrsgesetzes – vernünftigerweise geboten,
wenn das Vorhaben „einer Bedarfslage gerecht wird, die zwar noch nicht eingetreten ist,
aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit
erwartet werden kann“ (BVerwG, U. vom 20.04.2005, Nr. 4 C 18.03, S. 16 der Urteilsausferti-
gung – Flughafen München, eigene Hervorhebung). Eben genau diese „hinreichende Si-
cherheit“ ist im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 24
4. Unzureichende Alternativenprüfung
Aus den in Kapitel 3 dargelegten Gründen der Landes- und Regionalplanung und des fehler-
haft begründeten Bedarfs ergibt sich zwingend, dass in einer Alternativenprüfung die Nullva-
riante nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann und sich andere Möglichkeiten
(Verbesserung der Auslastung etc.) aufdrängen. Die im Planungsverfahren durchgeführte
Alternativenprüfung (Antrag S. 25 ff) ist insofern unzureichend, weil sie
1. von der ständig weiter wachsenden Zahl der Flugbewegungen (mit und ohne 3. Bahn)
und dem Erreichen der 120 FB/h als Grundvoraussetzung ausgeht. Die Alternative, die
Flugbewegungen auf dem Status quo (Nullvariante) bzw. durch organisatorische Ver-
besserungen auf einem höheren Niveau (Prognosenullfall) zu behalten, wird überhaupt
nicht geprüft bzw. ohne ausreichende Prüfung verworfen. Vermeidungs-, Kooperations-
und Verlagerungsstrategien (Verlagerung auf umweltverträgliche Verkehrsträger) wur-
den nicht geprüft.
2. die „operationell-organisatorischen Möglichkeiten“ der Verbesserung ohne weitere kon-
krete Darstellung behandelt und deren mögliche Kapazitätsverbesserung auf 93 Be-
wegungen / Stunde von vorne herein „angesichts der Störungsanfälligkeit und Ver-
spätungsgefährdung“ und wegen „der schon heute absehbaren Verkehrsnachfrage“ als
unzureichend annimmt (Antrag S. 9-10).
Die Prüfung von Alternativen wird durch die selbst gesteckten – als unbegründet zurückzu-
weisenden (s.o.) - Ziele von vorneherein abgelehnt. Wir halten es für an sich fehlerhaft,
dass in einer übergeordneten Prüfung wie dem Raumordnungsverfahren bereits eine
Beschränkung bzw. Festlegung auf 1 Variante erfolgt und die Auswahl und Kriterienfest-
legung bereits im Vorfeld des Raumordnungsverfahrens stattgefunden hat. Damit ist keine
echte ergebnisoffene Abwägung und kein tatsächlicher Vergleich mit anderen Vorhabens-
Alternativen (auch der Nullvariante) möglich.
Entsprechend sind folgende Aussagen als unbegründet und falsch zurückzuweisen: Mit: „Die
Flughafen München GmbH kann nicht auf die Nutzung allein der Kapazität des bestehenden
Verkehrsflughafens München verwiesen werden“ wird jede Nullvariante abgelehnt. Oder mit
„durch ein Einfrieren der jetzigen planbaren Kapazität [würde] ein auf Entwicklung angeleg-
tes und aufeinander abgestimmtes Netzwerk von Flugverbindungen nachhaltig gestört. ...
Die Verkehrsstruktur des Verkehrsflughafens München würde durch eine derartige Decke-
lung in Frage gestellt. ... Die Nullvariante läuft auf ein anderes Projekt hinaus“ (S. 26).
Zu den einzelnen Bahn-Alternativen äußern wir uns nicht, da sie keine echten Alterna-
tiven darstellen.
Zur untersuchten Länge der Bahn ist jedoch anzumerken, dass die Begründung gegen eine
verkürzte Bahnlänge, dass diese nämlich mit einem deutlich erhöhtem Koordinierungsauf-
wand verbunden wäre (Antrag S. 35), an sich unzumutbar ist: Die FMG mutet zwar der Re-
gion erhebliche Mehrbelastungen bis hin zu Absiedlungen zu, ist aber selbst nicht gewillt,
einen erhöhten Koordinationsaufwand in Kauf zu nehmen.
Weiterhin möchten wir zumindest anführen, dass die vorgenommene Gewichtung, die zur
Auswahl der vorgelegten Variante geführt hat, willkürlich und fachlich nicht nachvollziehbar
ist (5-fache Bewertung des Faktors „Inanspruchnahme bebauter Grundstücke“, vgl. Gesamt-
bewertung im Anhang 3 des Antrags). Auch mit den Zielen der Landesentwicklung und Re-
gionalplanung ist diese Gewichtung nicht vereinbar.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 25
5. Unzureichende Prüfung überregionaler Auswirkungen
(Klimawirksamkeit)
Fliegen ist die energieintensivste und klimaunverträglichste Art, sich fortzubewegen. Der Ab-
stand des Energieverbrauchs pro Reisendenkilometer im Flugverkehr wird zwar durch ver-
brauchsärmere Flugzeuge immer geringer, allerdings sind einige andere Faktoren zu be-
rücksichtigen, die den Flugverkehr nach Prognosen bald zum Klimakiller Nr.1 machen wer-
den:
Flugverkehr ermöglicht immer weitere Entfernungen:
Menschen investieren seit Jahrhunderten gleich viel Zeit für Ihre Wege. Durch die Beschleu-
nigung der Verkehrsmittel können immer weitere Wege zurückgelegt werden. Auch wenn der
Energieverbrauch eines Flugpassagieres bezogen auf die Entfernung heute nicht mehr grö-
ßer ist als der eines Autofahrers, so ermöglicht das Flugzeug doch immer weitere Entfer-
nungen zurückzulegen
Der Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur führt dazu, dass immer weitere Wege zurückgelegt
werden können. Das ist es, was den Energieverbrauch in der Luftfahrt insgesamt und den
damit verbundenen Klimagasausstoß ansteigen lässt.
Die Energieeffizienzgewinne der Flugzeuge werden durch die steigenden Flugkilometer im-
mer übertroffen.
Abgase sind ca. dreimal schädlicher als am Boden:
Beim Verbrennen von Kerosin entsteht nicht nur Kohlendioxid, sondern es führt auch zur
Bildung u.a. von Wasserdampf und Stickoxiden. Die Auswirkungen letzterer Stoffe auf das
Klima sind in luftigen Höhen ganz anders zu bewerten als am Boden. Der Intergovernmental
Panel on Climate Change, ein von den Vereinten Nationen ins Leben gerufener Zusammen-
schluss der führenden internationalen Klimaforscher, hat festgestellt, dass die Schädlichkeit
der Schadstoffe in großen Flughöhen global gemittelt zwei bis viermal höher ist als bei ent-
sprechenden Emissionen am Boden.
Anteil des Luftverkehrs am weltweiten Klimawandel wird immer größer
Nach neueren Untersuchungen geht man davon aus, dass der Luftverkehr schon heute ei-
nen Anteil von 9% am weltweiten Klimawandel trägt. Prognosen des IPCC sehen dessen
Anteil für das Jahr 2020 schon bei bis zu 15% liegen, wenn die bisherigen Wachs-
tumszahlen im Luftverkehr nicht verringert werden.
Auch im Luftverkehr müssen Klimaschutzziele eingehalten werden
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet, seine Klimagas-
Emissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 21% zu reduzieren. Alle CO2-Emissions-Sektoren
(Energieerzeugung, Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen, Handel und die Privaten Haus-
halte) haben Ihre Emissionen gegenüber 1990 gesenkt und sind damit den Verpflichtungen
aus dem Kyoto-Protokoll gefolgt. Einzig und allein der Verkehrssektor hat einen Zu-
wachs an Emissionen zu verzeichnen.
Sektorale Entwicklung der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland seit 1990 (Angaben in
Mio. t CO2) (Quelle: Nationaler Inventarbericht 2005, DIW Wochenbericht Nr. 9/2005):
1990 2003 Entwicklung 1990 bis 2003
Verkehr 158,1 166,5 + 5,3
Energieerzeugung 441,6 385,1 -12,8
Industrie 195,5 130,9 -33,0
Gewerbe 90,6 60,3 -33,4
Haushalte 129,3 122,4 -5,3
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 26
Diese Zuwächse an Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich werden zu einem bedeu-
tenden Anteil durch den Luftverkehr verursacht. Die CO2-Emissionen aus dem Luftver-
kehr sind in Deutschland im Kyoto-Bereichtszeitraum zwischen 1990 und 2004 um
über 50% angestiegen. Die Stickoxid-Emissionen stiegen nur noch bei einem Verkehrsträ-
ger, dem Luftverkehr. Alle anderen Verkehrsträger konnten beim Stickoxid Emissionen ein-
sparen (siehe Abb. 6).
Wie dargelegt, wirken sich die Treibhausgase des Luftverkehrs im Bezug auf den Klima-
schutz nochmals deutlich negativer aus, als die Emissionen des Bodenverkehrs. Das gilt
insbesondere für die Stickoxide, deren Verweilzeit in der Nähe der Tropopause ca. 10 mal
länger ist als an der Erdoberfläche. Die Zunahme der Stickoxid-Emissionen durch den Luft-
verkehr hat daher ganz besonderen Einfluß auf das Klima und kann nur durch eine vielfache
Reduktion der Stickoxid-Emissionen durch Bodenverkehrsmitteln wieder wettgemacht wer-
den.
Wir sehen es als zwingend erforderlich an, dass auch im zivilen Luftverkehr die Klimaschutz-
ziele von Kyoto (minus 21% Treibhausgasemissionen) eingehalten werden.
Eine weitere Energieeffizienzsteigerung in der Flugzeugtechnik ist dabei nicht ausreichend.
Stattdessen kann nur eine deutliche Reduktion des Flugverkehrswachstums dazu füh-
ren, dass die technischen Verbesserungen an den Flugzeugen insgesamt zu einer Re-
duktion der Treibhausgasemissionen führen.
Eine dritte Startbahn widerspricht daher dem völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-Pro-
tokoll und aller anderen internationalen, nationalen und regionalen Klimaschutzzielen.
Veränderungen der CO2-Emissionen in
Deutschland 1990-2004 in %
-80
-60
-40
-20
0
20
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Luftverkehr
Straßenverkehr
Bahnverkehr
Schiffsverkehr
Andere
Veränderungen der Stickoxid-Emissionen in
Deutschland 1990 und 2004 in %
-80
-60
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-20
0
20
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Luftverkehr
Straßenverkehr
Bahnverkehr
Schiffsverkehr
Andere
Abb. 6: Klimagasaus-
stoß (CO2 und NOx)
nach Verkehrsträgern
(Quelle: Nationaler
Inventarbericht Zum
Deutschen Treibhaus-
gasinventar 1990 –
2004)
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 27
6. Verstoß gegen Schutzbestimmungen nach Arten- und Natur-
schutzrecht, Umweltverträglichkeit
Im folgenden werden die Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter nach der UVS
bewertet (Unterlage 14 Abschätzung des Vogelschlagrisikos, Unterlage 15 Umweltverträg-
lichkeitsstudie, Unterlage 16 Fachbeitrag Fauna, Unterlage 17 Fachbeitrag Vegetation und
Landschaft).
6.1 Grundsätzliche Kritik an der Methodik
Die UVS ist in folgenden zentralen Punkten grundsätzlich unzureichend:
• Die Begründung des Vorhabens durch die Antragsteller wird als grundlegende Voraus-
setzung angenommen und nicht hinterfragt, es erfolgt in diesem Sinne keine Alternati-
venprüfung (S. 31-32 UVS).
• Vergleichs- und Bezugsfall der UVS: „Der gemeinsame Prognosehorizont von Planungs-
fall und Prognosenullfall ist das Jahr 2020.“ (UVS S. 32). Es ist weder fachlich noch
rechtlich haltbar, dass die Auswirkung des geplanten Vorhabens der 3. Bahn nicht
an der Veränderung des aktuellen „Ist-Zustandes“ im Jahr 2005 gemessen und
dargestellt wird, sondern an einem für 2020 angenommenen „Prognosenullfall“,
der erheblich mehr Flugbewegungen und damit erheblich mehr Belastung der
Schutzgüter bedeutet als im aktuellen Zustand. Es wird somit ein Vergleich der Belas-
tung mit 3. Bahn im Jahr 2020 zu einem Zustand ohne 3. Bahn im Jahr 2020 dargestellt,
als ob die Gutachter genau wüssten, wie der Zustand der Schutzgüter im Jahr 2020 sein
wird und als ob die prognostizierten Flugbewegungen im Jahr 2020 ohne 3. Bahn mit
Sicherheit so eintreten und unabänderlich sein werden. Durch diese nicht korrekte und
völlig verschobene Maßstabs-Wahl werden alle negativen Veränderungen
erheblich nach unten relativiert. Denn es würde einen erheblichen Unterschied in der
Bewertung machen, ob die Belastung durch die 3. Bahn im Jahr 2020 mit 610.000
Flugbewegungen ins Verhältnis gesetzt wird zu einer Flugbewegungszahl von 473.000
(Prognosenullfall im Jahr 2020 = Zunahme von 137.000 FB) oder von 383.000 (Ist-
Zustand 2004 = Zunahme von 227.000 FB). Als Begründung für diese Methodik wird an-
geführt, dass der Betrieb mit der prognostizierten Zahl der Flugbewegungen erst im Jahr
2020 eintritt und daher auch die damit verbundenen Belastungen erst im Jahr 2020 auf-
treten. Dabei wird aber völlig ignoriert, dass mit einer 3. Bahn die Belastungen sofort
steigen, weil sofort nach ihrer Errichtung ein höheres Wachstum als ohne 3. Bahn erfol-
gen wird. Mit der angewandten Methodik wird somit nur die Vergleichbarkeit der
zusätzlichen Belastung aller Schutzgüter erschwert und verschleiert, die tatsächli-
chen Verschlechterungen werden damit kleingerechnet. Dies gilt nicht für die direk-
ten Flächenverluste und nicht für die Bauphase, aber für alle indirekten Wirkungen des
Lärms, der Stoffeinträge etc.
Durch diese fehlerhafte Bezugsbasis der UVS sind entsprechend alle folgenden
Aussagen der UVS zu den Auswirkungen der Planung hinsichtlich der indirekten
Betroffenheiten (Lärm, Stickstoffeinträge etc.) fehlerhaft und deutlich zu niedrig
bewertet.
• Dazu kommt als weitere grundsätzliche Unzulänglichkeit, dass in der UVS die Vorbela-
stung des betroffenen Raumes nur unzureichend einbezogen wird. In der UVS „sind
stets auch Auswirkungen früherer Umwelteingriffe und –einwirkungen (Vorbelastung)
durch andere Vorhaben ... zu berücksichtigen.“ (UVS S. 47). Zu diesen früheren Um-
welteingriffen gehört in diesem Raum insbesondere die Errichtung des Flughafens als
solches. Sowohl die Natur insbesondere des Erdinger Mooses als auch die Menschen in
diesem Raum sind bereits erheblichen Belastungen ausgesetzt. Lebensräume für
Mensch und Natur wurden irreversibel zerstört, das Grundwasser erheblich abgesenkt.
Diese vorhandene Belastung, die in vielerlei Hinsicht aus unserer Sicht bereits
jetzt grenzwertig ist, findet in der vorliegenden Planung zu geringe Berücksichti-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 28
gung. Stattdessen wird an vielen Stellen der UVS (s.u.) die Vorbelastung sogar als Be-
gründung herangezogen, dass weitere Eingriffe nicht so schlimm seien. Dies ist absolut
unzureichend.
• Weiterhin unzureichend ist die Betrachtung der Summationswirkungen. Die Erweite-
rung des Flughafenbetriebes durch eine 3. Start- und Landebahn wird eine Reihe von
Folgewirkungen haben, die in der vorgelegten UVS überhaupt nicht erscheinen und
demzufolge auch nicht bewertet werden. Das Ausmaß dieser Folgewirkungen lässt sich
aus den Folgewirkungen seit Flughafenbau gut beurteilen und abschätzen (Ausführun-
gen im Einzelnen s.u.). Die fehlende Berücksichtigung dieser Auswirkungen führt eben-
falls zu einer starken Relativierung der negativen Folgen des Vorhabens.
Somit ist grundsätzlich festzustellen, dass die negativen Eingriffe durch diese grund-
sätzlichen Defizite verharmlost und keinesfalls in vollem Umfang dargestellt und be-
wertet werden.
6.2. Nicht ausgleichbare Eingriffe in Flora und Fauna, Biotope
6.2.1. Folgende negative Auswirkungen sind mit dem Vorhaben verbunden (Überblick,
nähere Erläuterung s.u.):
• direkte Vernichtung von Lebensräumen durch Überbauung, 16 landschaftsökologi-
sche Raumeinheiten (LÖR) erleiden laut (unseres Erachtens unzureichender) UVS di-
rekte Flächenverluste. Insbesondere mit der Fauna treten in 9 der LÖR „hohe bis sehr
hohe Konflikte“ auf (UVS S. 176). Für mehr als ¼ der insgesamt 61 LÖR sind mittlere
bis sehr hohe Konflikte aus faunistischer Sicht zu erwarten, bei weiteren 13 noch gerin-
ge oder sehr geringe. Es handelt sich um sehr wertvolle Reste des Erdinger Mooses
(z.B. Grünschwaige, Rofelwiesen, Schwaigermoos), darunter auch nur schwach ent-
wässerte Niedermoorgebiete (Stoibermühle und Obere Lüsse), die neben dem Vieh-
lassmoos noch eine hohe Bedeutung für den Naturschutz haben (hier z.B. sogar unre-
gelmäßig Wachtelkönig-Vorkommen).
Für das Schutzgut Flora/ Vegetation gehen nach den Unterlagen 76 ha Fläche mit ho-
hem und sehr hohem und 38 ha mit mittlerem Biotopwert verloren.
(Zahlenangaben nach UVS, unseres Erachtens Erfassung unvollständig, s.u.).
• direkter Flächenverlust von 4,1 ha Fläche gesetzlich geschützter Biotope (13d-Flächen
nach BayNatSchG), dazu kommen erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen weiterer ge-
setzlich geschützter Flächen.
(Zahlenangaben nach UVS, unseres Erachtens Erfassung unvollständig, s.u.).
• indirekte Beeinträchtigungen durch hydrologische Veränderungen (Grundwasserab-
senkung, Abwassereinleitung, Verlegung und Überbauung von Gewässern u.a.),
die gerade in einem Niedermoor erhebliche Relevanz haben. Der neue Abfanggraben
Ost führt sehr weit nach Nordosten und damit nah an die wertvollsten Niedermoor-Reste
und den Eittinger Weiher und damit auch an Schutzgebiete heran. Die Grund-
wasserabsenkung kann damit sogar bis zum Eittinger Weiher reichen.
Es werden 2.300 m Gewässerlänge überbaut. Im Gebiet kommen eine Reihe hoch-
gradig gefährdeter (terrestrischer und aquatischer) Arten vor, die empfindlich gegenüber
Änderungen des Grundwasserstandes sind. Die temporären Kleingewässer enthalten
eine Reihe bemerkenswerter Arten (Makrozoobenthos). Beispielsweise ist der bundes-
weit bedeutsame Bestand von Potamogeton coloratus im Keckeisgraben durch die
Maßnahmen massiv gefährdet (Vorkommen unmittelbar unterhalb der geplanten Un-
terquerungsstelle durch den zu verlegenden Abfanggraben Ost, „Gewässerkreuzung“).
Auch Vorkommen in anderen Gräben im Norden des Erdinger Mooses können gefährdet
sein. Der Eingriff in das Gewässersystem ist ein wesentlicher Konfliktschwerpunkt der
Planung.indirekte Beeinträchtigung von Lebensräumen und Arten durch Emissionen
(Lärm, Licht, Schadstoffe u.a.), insbesondere Lärm und Nährstoffe sind für Arten und
empfindliche nährstoffarme Lebensräume des Niedermoores und der Kalkschotterflä-
chen (Brennen) relevant. Bei der Zunahme des Lärms ist nicht nur der Fluglärm durch
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 29
Überflug wirksam (s.u.), sondern auch der Fluglärm auf der 3. Bahn selbst, den Roll-
feldern und dem Vorfeld sowie die Zunahme des Zubringer-Verkehrs auf den Straßen,
der zu einer Erhöhung der randlichen Beeinträchtigung der Lebensräume um die Stra-
ßen führen wird. Bei der Einwirkung durch Zunahme der Beleuchtung wird für einige
LÖR eine mittlere Konfliktstufe erreicht (z.B. Schwaigermoos, Grünschwaige, Langwie-
sen, Eittinger Weiher).
• indirekte Beeinträchtigungen durch thermische Veränderungen (Einleitung von Entei-
sungsmittelhaltigem Abwasser in Gewässer, Temperaturerhöhung durch Betrieb u.a.),
• Zerstörung der wenigen noch vorhandenen Funktions- und Verbund-Beziehungen
bisher nicht gestörter Gräben im Umfeld des Flughafens. Kalkgriesgraben und Keck-
eisgrenzgraben sind (im Gebiet zwischen Pförreraugraben und Dorfen) die letzten noch
nicht vom bestehenden Flughafen durchschnittenen und überbauten Gräben. Der Keck-
eisgraben ist faunistisch und floristisch besonders wertvoll, nicht weit unterhalb des Ein-
griffsbereiches hat er ein „hohes Potenzial als Rückzugsraum für die typische Limnofau-
na der Niedermoorbäche des Erdinger Mooses.“ (UVS S. 177). „Auf die Bedeutung der
Bäche und Gräben als wirksame Linearstrukturen für die Ausbreitung der Feuchte lie-
benden terrestrischen Arten ... sei ... noch einmal ausdrücklich hingewiesen." (Fachbei-
trag Fauna S. 63). Mit Errichtung der 3. Bahn werden alle (!) Gräben des Erdinger Moo-
ses zwischen Pförreraugraben (Isarsystem) und Dorfen zerstört sein.
Der Eingriff führt zu einer (weiteren) massiven Verkürzung und Isolierung des bestehen-
den hoch vorbelasteten Gewässersystems. Dazu kommen indirekte negative Auswir-
kung der Veränderung der Gräben auf benachbarte Feuchtflächen.
• Zerstörung von Wander- und Funktionsbeziehungen im Erdinger Moos (Biotopver-
bund), Entwertung insbesondere des gesamten nördlichen Teils des Erdinger Mooses,
Verschmälerung des Korridors/ Wiesenbrütergebietes westlich der Dorfenaue (sowohl
durch Startbahn als auch durch unbegründete Teerung des bestehendes Feldweges),
vom Viehlassmoos bzw. den Hangwiesen nach Süden und nach Westen. Weitere Zu-
satzbelastung durch Zunahme des Verkehrs. Weitere Beeinträchtigung von Wander-
funktionen und Funktionsbeziehung des Komplexes Erdinger Moos – Isarauen - Freisin-
ger Moos, Einschränkung der „Möglichkeiten zur Entwicklung breiter Vernetzungstra-
ssen auf grundwassernahen Standorten“ (UVS S. 214) im Norden des Flughafens bis
zur Autobahn.
• zusätzliche direkte und indirekte Störungen von Lebensräumen und Arten in der Bau-
phase (Lärm, Schadstoffe, Gefahr der Verschmutzung von Gewässern).
• Vermutliche Abwehrmaßnahmen zur Verringerung des Vogelschlages am Eittinger
Weiher, Kiesweiher Eitting-Nord.
• zusätzlich negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft durch den Flächenver-
brauch und die Schadstoff- und Lärmbelastung durch die mit dem Vorhaben verbunde-
nen Folgewirkungen der Zunahme der Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen
einschließlich der zunehmenden Verkehrs. Diese Wirkungen werden erheblich größer
sein als in der UVS angenommen.
• sekundärer Landverbrauch (wie bereits nach Flughafenbau aufgetreten) durch Inten-
sivierung der Landnutzung als Ausgleich für Verluste o.ä.
Von den negativen Auswirkungen sind auch landschaftliche Vorbehaltsgebiete nach dem
Bayerischen Landesentwicklungsprogramm betroffen, insbesondere deren Zielsetzung „Er-
haltung des Niedermoores“ oder „Erhaltung der bestehenden Grundwasserverhältnisse“ oder
„Sicherung der Brutstätten für Wasser- und Sumpfvögel“. Die in der UVS festgestellte Ver-
einbarkeit der Planung mit den Zielen und Funktionen der landschaftlichen Vorbehaltsge-
biete (S. 62) ist fachlich nicht haltbar (s.u.). Ebenso sind von den Eingriffen Schutzgebiete
nach § 31 BNatSchG betroffen, insbesondere das Naturschutzgebiet Viehlaßmoos durch
mögliche Grundwasserabsenkung und veränderte Funktionsbeziehungen zu weiteren Moos-
Restflächen. Das Naturschutzgebiet Eittinger Weiher ist in seiner Zielsetzung für den Erhalt
der Wasservögel negativ betroffen, mehrere Naturschutzgebiete können von Stoffeintrag und
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 30
der Erhöhung der Lärm- und Lichtemissionen betroffen sein. Ebenso ist auch das Land-
schaftsschutzgebiet „Isarauen“ von den erhöhten Lärm- und Stoffemissionen betroffen – was
in der UVS völlig außen vor gelassen wird (UVS S. 65). Zur Betroffenheit von europäischen
Schutzgebieten siehe Kap. 7. Bezüglich der Darstellung der Auswirkungen auf die Schutz-
gebiete enthält die UVS insofern einen Widerspruch, als bei den europäischen Schutzge-
bieten eine Beeinträchtigung durch Licht- und Stickstoffemissionen für die Isarauen, das
Viehlaßmoos und das Freisinger Moos „nicht gänzlich auszuschließen sind“ (S. 71), ande-
rerseits aber für die Naturschutzgebiete ausgeführt wird: „Wirkungen durch Stickstoffeintrag
aus der Luft sind für die NSG Viehlaßmoos, NSG Freisinger Buckl, NSG Oberdinger Moos ...
nicht zu erwarten.“ (S. 65). Dies ist fachlich nicht nachvollziehbar. Für die Naturschutzgebiete
sind dieselben (unseres Erachtens sehr wahrscheinlichen) negativen Auswirkungen anzu-
nehmen, wie sie für die Natura 2000-Gebiete sogar in der UVS selbst nicht auszuschließen
sind.
Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, dass bereits durch die Errichtung des Flughafen
München erhebliche Eingriffe und Zerstörungen von Lebensräumen und Funktionsbe-
ziehungen im Erdinger Moos stattgefunden haben, die weder ausgleichbar noch er-
setzbar waren. Das Grundwasser wurde durch den Bau des Flughafens bereits flächig um
rund 2 m abgesenkt (UVS S. 95), im Süden des Flughafens traten unerwartete „Anomalien“
des Grundwassers auf. Die Erweiterung der Zerstörung nach Norden würde eine weitere
massive Verschlechterung bedeuten. Dabei ist es keineswegs so, dass die Eingriffe „vorwie-
gend erst durch den Bau des Flughafens entstandene, heute wertvolle Sekundärbiotope“
(UVS S. 26, v.a. Vorflutgraben) betreffen, sondern die Eingriffe bedeuten eine weitere Zer-
störung und Beeinträchtigung letzter noch verbliebender Funktionsbeziehungen und Restflä-
chen im Erdinger Moos (s.u.).
Dass der für die geplante 3. Bahn untersuchte Raum Erdinger Moos – Isarauen noch hohen
naturschutzfachlichen Wert hat, zeigt auch die Untersuchung selbst (trotz ihrer fachlichen
Defizite, s.u.):
• 314 aus artenschutzrechtlicher und –fachlicher Sicht vorrangig relevante Tierarten (d.h.
gefährdet oder/ und streng geschützt), vgl. UVS S. 115 bzw. Tab. 1 Fachbeitrag Fauna,
darunter 80 streng geschützte Tierarten, davon alleine 56 streng geschützte Vogelarten.
• 225 Gefäßpflanzen der Roten Liste Bayerns, davon 3 Arten RL 1, 22 Arten RL 2, 86 Ar-
ten RL 3 (nur Auswertung Sekundärdaten), darunter 11 Arten mit sehr großer bzw. gro-
ßer Verantwortung Deutschlands, dabei Hauptverantwortung in Bayern, für internatio-
nales Vorkommen.
• 2 Pflanzenarten FFH-Anhang II, 14 Tierarten FFH-Anhang II, 24 Vogelarten VS-RL,
• 25 Tierarten nach FFH-Anhang IV
• 2.576 ha Flächen mit sehr hoher (413 ha)/ hoher (941 ha)/ mittlerer (1.221 ha) Bedeu-
tung für das Schutzgut Pflanzen und Biotope (allerdings erhebliche Unterbewertung und
Mängel der Erfassung in UVS, s.u.)
• 1.411 ha amtlich kartierte Biotope,
• 917 ha 13d-Biotope
kommen im Untersuchungsgebiet vor (vgl. auch Bewertungen im ABSP, Schutzgebiete).
Dass dabei das Flughafengelände selbst Brachvögeln und Kiebitzen Lebensraum bietet,
kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zum einen der Gesamt-Bestand an brütenden
Brachvögeln vor Flughafenbau insgesamt größer war (siehe Erfassungen vor Flughafenbau
(BEZZEL & LECHNER 1976) mit Bestandsdichten von 80-120 Brutpaaren im gesamten Erdin-
ger Moos mit Paardichten z.T. 3-4 Paare/km²). Und dass zum anderen das Gelände vor
Flughafenbau eine Funktion für viele Tier und Pflanzenarten des Erdinger Mooses (nicht nur
für den Brachvogel und Kiebitz) hatte und im Gesamtraum des Erdinger Mooses wichtige
Funktions- und Austauschbeziehungen erfüllen konnte.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 31
Bei dieser Vorbelastung ist irrelevant, ob die Lebensräume und Arten durch den Bau der 3.
Bahn direkt zerstört werden oder nicht. Entscheidend ist, dass durch den Bau der 3. Bahn
mit Sicherheit eine weitere Funktionsstörung des Komplexraumes Erdinger Moos – Isaraue
stattfindet und damit der gesamte Raum in seiner Wertigkeit (weiter) entwertet wird. Entspre-
chend der hohen Vorbelastung des Raumes finden sich in zahlreichen Fachplänen und –
programmen (z.B. ABSP) Zielsetzungen und Maßnahmenvorschläge zur ökologischen
Verbesserung des Gebietes (vgl. UVS S. 77), deren Realisierung schon unter den Gege-
benheiten des bestehenden Flughafens schwierig sind, aber mit einer 3. Bahn weiter er-
schwert und teilweise (z.B. Verbesserung der Verbundfunktion, Wiederausdehnung der Le-
bensgemeinschaften der Niedermoore und Feuchtwiesen als Biotopverbundkorridore, Anhe-
bung des Grundwasserspiegels) unmöglich gemacht wird. Von den Eingriffen ist somit die
fachliche Zielsetzung von naturschutzfachlichen Fachplänen in Schwerpunktgebieten
des Naturschutzes (v.a. Erdinger Moos) negativ betroffen, und zwar nicht nur wie in
der UVP angegeben durch die Flächeninanspruchnahme. Dazu kommen auch negative
Auswirkungen auf die Schwerpunktgebiete Isarauen und Freisinger Moos.
6.2.2. Defizite der Erfassung und Darstellung (beispielhafte Aufzählung):
• Beschränkung der Auswertung (Fauna) auf vorhandene Sekundärdaten (UVS S. 114) zu
bestimmten Tierartengruppen, d.h. keine gezielte faunistische Kartierung (außer lokal
Makrozoobenthos),
• Beschränkung der Erfassung, Auswertung auf Strukturkartierung, Biotopkartierung und
vorhandene (bekanntermaßen absolut unvollständige) Daten der Artenschutz-Kartierung,
d.h. keine floristische Kartierung.
• Beschränkung auf Artengruppen, für die ein „nennenswerter Erfassungsgrad“ (S. 114)
vorliegt,
• Beschränkung der Darstellung und Bewertung der Beeinträchtigungen auf die vorrangig
schutzrelevanten Arten.
• Entsprechend keineswegs vollständige Darstellung der Artvorkommen: z.B. Blaukehl-
chen: am Eittinger Weiher existieren nach Aussagen örtlicher Ornithologen mehr als 6
Blaukehlchen / z.B. Teichfrosch (Rana lessonae): Die Meldung in den Isarauen ist kei-
neswegs zweifelhaft, sondern von örtlichen Amphibienspezialisten bestätigt / z.B. fehlen
sogar RL-Arten wie Linum perenne oder Gentiana cruciata.
• Fehlende Darstellung der Einzel-Vorkommen der bewertungsrelevanten Arten (Einzel-
fundpunkte, in Karte 7 Fachbeitrag Vegetation z.B. nur aggregierte Darstellung), fehlende
Darstellung der Lebensraumtypen und Arten der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie in Be-
standskarten.
• Fehlende Darstellung ggf. nötiger Maßnahmen zur Verringerung des Vogelschlages ins-
besondere am Eittinger Weiher und den Auskiesungen Eitting-Nord (Gutbrod-Weiher) in
der Direktlinie An- bzw. Abflug, aber auch an Stoibermühle, Pullinger Weiher.
• Fehlende Darstellung der möglichen Auswirkungen auf das Grundwasser (Absenkung)
durch den neuen Abfanggraben Ost, der in 1-2 km Entfernung an Eittinger Weiher und
die wertvollsten Schutzgebiete im Nordosten heranführt (nur pauschaler Hinweis, dass
ggf. Abdichtung nötig wird).
• Fehlende Darstellung der Auswirkungen (Flächeninanspruchnahme) auf das vom Land-
kreis Freising per Verordnung geschützte Wiesenbrütergebiet an der Stoibermühle (Lüs-
se).
• Fehlende Darstellung einer Gesamtbewertung und der Konflikte bei Überlagerung aller
Einzelbewertungen.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 32
6.2.3. Defizite der Bewertung:
a) Bewertung trotz defizitärer Datenlage:
Trotz der generell unzureichenden Datenlage werden in der UVS Bewertungen vorgenom-
men, die zu einer geringen Bewertung der Eingriffe und zu einer Ausgleichbarkeit führen –
dies ist fachlich nicht korrekt. Es wird eine Bewertung des „Schutzgutes Pflanzen“ vorge-
nommen, ohne dass die Flora überhaupt aktuell und flächendeckend erfasst wurde. Die Be-
wertung und Konfliktanalyse Fauna (UVS S. 114) beschränkt auf „die vorrangig natur-
schutzfachlich und artenschutzrechtlich relevanten Arten“. Für eine tatsächliche Bewertung
der Eingriffe ist dies absolut keine ausreichende Grundlage.
b) Die Bewertung der Fluglärmbelastung ist völlig unzureichend:
Entgegen der ausführlich begründeten Bewertung der Fluglärmauswirkung auf Vögel, sind
wir der Ansicht, dass der Fluglärm durch die geplante Zunahme der Flugbewegungen durch-
aus die Qualität von „Dauerlärm“ erreicht. Viele der in A2-5 zum Fachbeitrag Fauna an-
geführten Beispiele (wie z.B. Untersuchungen vom Flughafen Bremen, vom Flughafen auf
den Weihnachtsinseln zu Graufußtölpeln, von Flügen im Umfeld arktischer Pinguinkolonien,
von kontrollierten Hubschrauberflügen über Nestern einer mexikanischen Kauzart, von militä-
rischen Tiefflügen über Kragenenten oder Fischadler-HOrsten in Labrador u.a.) sind mit der
Belastung am Flughafen München nicht vergleichbar bzw. betreffen hier nicht vorkommende
Arten. Die prognostizierten mittleren Pausen von 64 (47) bis 417 (254) Sekunden Länge sind
Mittelwerte. Die Flugbewegungen haben aber gerade zur Zeit der Gesangsaktivität der Vögel
(frühmorgens ab 5 Uhr und spätnachmittag) einen deutlichen Höhepunkt (vgl. Abb. des An-
trags), so dass hier die Pausenzeiten erheblich kürzer sein werden. Damit ist die Gefahr der
Maskierung von Gesängen entgegen der Schlussfolgerung der Gutachter sehr wohl in die
Betrachtung der negativen Auswirkungen mit ein zu beziehen. Dies kann beispielsweise zur
Verkleinerung von Revieren führen, was wiederum den Bruterfolg reduziert.
Dies gilt umso mehr, als z.B. für den Eittinger Weiher bzw. die Auskiesungen Eitting-Nord
künftig alle (!) An- und Abflüge mit Überflugshöhen von < 100m wirksam sind. Dies ist eine
erhebliche Verschärfung der aktuellen Situation. Es werden für den nördlichen Bereich des
Eittinger Weihers Dauerschallpegel von bis zu > 70 dB(A) erreicht werden, für die Kiesab-
grabung Eitting Nord von bis zu 62 dB(A) (aktuelle Belastung: Eittinger Weiher: Anflug: 225m
bei 82 dB(A) / Abflug: 470 m bei bis zu 84 dB(A) und Kiesabgrabung Eitting Nord: Abflug:
510 m bei 83 dB(A) / Anflug: 330 m bei 78 dB(A), vgl. Anhang A4-1).
Zusätzlich zum zunehmenden Fluglärm ist zudem der zunehmende Verkehrslärm (Autobahn
und andere Flughafen-Zubringer) zu berücksichtigen. Diese Summationswirkungen werden
in der UVS überhaupt nicht in Betracht gezogen.
Negative Auswirkungen können dabei nicht nur bei Vögeln, sondern auch bei Heuschrecken,
Amphibien, Säugetieren (z.B. Fledermäuse) keineswegs sicher ausgeschlossen werden.
Dass der Wirkfaktor Fluglärm in der UVS nicht weiter betrachtet wird, ist ein grobes Defizit
der UVS.
Zur Diskussion um die Lärmempfindlichkeit von Vogelarten ist zwar zu bestätigen, dass es
unterschiedliche Angaben zu Empfindlichkeiten gibt, dass aber gerade in Wiesenbrüterge-
bieten und Schutzgebieten von den empfindlichsten Werten ausgegangen werden sollte.
Diese stammen mit der 47 dB(A)-Isophone bisher von RECK ET AL. (2001). Beispielsweise
weist RICHARZ erst 2004 noch darauf hin, dass die Auswirkung des Lärms auf talfolgende
Pendelflüge der Vögel oder den Vogelzug bisher kaum untersucht sind. LOHR et al. (2002)
fanden bei 10 untersuchten Vogelarten, dass mit der Zunahme des Fremdlärms um 10 dB
auch die Erkennungsschwelle für arteigenen „Lärm“ um 10 dB anwuchs. Bereits ein Ver-
kehrslärm von 13 – 26 dBA (bei 63 bis 2 kHz) überdeckte die arteigene Kommunikation.
REIJNEN et al. (1995) geben nach detaillierten großräumigen Untersuchungen einen
Grenzwert von > 50 dBA für Wiesenvögel und > 40 dBA bei Waldvögeln an.
Innerhalb der 54 dB(A)-Isolinie erfolgt nach RECK mindestens 40% Minderung der Le-
bensraumeignung. Auch wenn dies vor allem für Dauerlärm an Straßen gilt, ist dies doch
auch für den Bereich des Fluglärms analog anzuwenden, zumal hier ja sehr viel höhere
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 33
dB(A)-Werte bei den Einzelereignissen erreicht werden. Selbst wenn man nur die 60 dB(A)-
Dauerschall-Isolinie heranzieht, reicht diese weit ins Umland des Flughafens hinein (Isarau-
en, bis ins Freisinger Moos).
c) Es fehlt die Bewertung der Gefährdung des Verlustes von Individuen durch Vogelschlag:
Das Vogelschlag-Risiko erhöht sich. Laut UVS nimmt der Vogelschlag aber bei zunehmen-
dem Flugverkehr ab, was darauf schließen lässt, dass die Populationsdichte durch die stei-
genden negativen Auswirkungen abnimmt.
Die Vogelschlagszahlen haben sich bis 2004 außerhalb des Zaunes durch Zunahme von
Vogelpopulationen an Kiesweihern erhöht. Der Ostrand der geplanten 3. Bahn wird nach den
Lageplänen bis auf 1.700 m an den Eittinger Weiher bzw. bis auf 3.500 m an die Kiesabgra-
bung Eitting-Nord (in der UVS S. 171 fälschlicherweise mit Eittinger Weiher gleichgesetzt)
heranrücken, alle (!) An- und Abflüge werden mit Überflugshöhen von < 100m wirksam
werden. Dies stellt eine erhebliche Verschlechterung der aktuellen Situation dar (aktuelle
Überflugsituation: Eittinger Weiher: Anflug: 225m bei 82 dB(A) / Abflug: 470 m bei bis zu 84
dB(A) und Kiesabgrabung Eitting Nord: Abflug: 510 m bei 83 dB(A) / Anflug: 330 m bei 78
dB(A), vgl. Anhang A4-1).
„Diese Abgrabungen haben sich in den letzten 10 Jahren zu den vogelreichsten Gewässern
im Erdinger Moos entwickelt. Derzeit wird geprüft, ob dieser flugsicherheitsrelevante Popula-
tionsanstieg bis heute anhält.“ (UVS S. 171, eigene Hervorhebung). Es wird in den Unterla-
gen dann aber nur erwähnt, dass weitere Zählungen erfolgen sollen. Dagegen findet sich in
Unterlage 14 (Abschätzung Vogelschlagrisiko) klar die Aussage: „Auf eine Wiederverfüllung
von Baggerseen in ... den An- und Abflugsektoren kann dabei nicht verzichtet werden.“ (S.
17). Der Eittinger Weiher wird überhaupt nicht in die weiteren Betrachtungen miteinbezogen,
obwohl er noch tiefer überflogen wird. In den Unterlagen der UVS wird somit weder darauf
hingewiesen, dass eine Beeinträchtigung der Populationen durch Individuenverluste erfol-
gen kann noch dass ggf. die Weiher aus Sicherheitsgründen verfüllt werden sollen und
somit der gesamte Lebensraum verloren geht. Bezüglich der Wiederverfüllung von Seen wird
im Fachbeitrag Fauna (S. 77) darauf hingewiesen, dass sich dies wohl nur auf Seen mit Ge-
nehmigung erstreckt – aber wir bezweifeln, dass dies bei einer Feststellung eines „flugsi-
cherheitsrelevanten“ Risikos am Eittinger Weiher noch eine Rolle spielt, denn: „Soweit sich
... Handlungsbedarf ergibt ... ist ... davon auszugehen, dass für den geplanten Ausbau die
erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden“ (UVS S. 173) – diese würden auch wohl den
Eittinger Weiher betreffen müssen, gehen aber in die weitere Bewertung überhaupt nicht ein.
d) Es fehlt weiterhin die Bewertung des Erdinger Mooses für den Vogelzug:
Erdinger und Freisinger Moos sind wichtige Vogel-Rastplätze beispielsweise für Kiebitze im
Frühjahr auf dem Weg nach Norden (zeitweise tausende Tiere rastend) oder für die Bekas-
sine im Herbst auf dem Durchzug. Durch die starke Entwertung des gesamten nördlichen
Erdinger Mooses und die nur sehr kleinen noch verbleibenden Restflächen sind negative
Auswirkungen auf die Bedeutung für den Vogelzug zu erwarten. Auch sind Verluste von Indi-
viduen durch zunehmenden Vogelschlag zu erwarten.
e) Defizite in der Bewertung des Schutzgutes Fauna:
Die Methodik in der Bewertung der Fauna ist unzureichend und mangelhaft. Entgegen übli-
cher Methode werden hier im wesentlichen nur die Vorkommen weniger Arten, ausgewählt
nach dem Status in der „Roten Liste“ und ergänzend manche Arten der FFH-RL und der VS-
RL herangezogen.
Unberücksichtigt bleiben Bestandsgröße, Repräsentanz für den Lebensraum (dies beinhaltet
eine Indikatorfunktion für den Zustand des Lebensraumes und die Artenzahl sowie die Diver-
sität. So sind auch die Vorkommen und Bestandsgrößen nicht unmittelbar gefährdeter Arten
als naturschutzfachlich bedeutsam einzustufen.
Unberücksichtigt bleiben die Lebensgemeinschaften: Es fehlen wichtige Kriterien wie Aus-
prägung der Lebensgemeinschaft ("Vollständigkeit") "Indikatoren" für bestimmte Biotopquali-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 34
täten, Vorkommen autökologisch oder tiergeographisch bemerkenswerter Arten (Spezies mit
komplexen Lebensräumen; Arten an der Grenze ihres Verbreitungsareals); landschaftsöko-
logische Kriterien (z.B. Ausprägung und regionale bzw. landesweite Repräsentanz des Le-
bensraumes), Zustand und der Empfindlichkeit eines Lebensraumes nach verschiedenen
Parametern, wie Größe, Umfeldsituation, Beeinträchtigungen (Vorbelastungen), Alter, Er-
setzbarkeit und Entwicklungsfähigkeit.
Zudem wurden bis auf wenige Ausnahmen nur unspezifiziert vorhandene Daten ausgewer-
tet. Die Qualität bzw. Zuverlässigkeit der einzelnen Daten ist nicht nachvollziehbar. So wer-
den Gutachtendaten und Befragungen von Laien (z.B. Freizeitfischern) unterschiedlichen
Alters unkommentiert gleich verwendet.
Ein weiteres gewichtiges Defizit liegt in der Natur der Vielzahl sektoraler jeweils sehr unvoll-
ständiger Arbeiten, da keine das gesamte Gebiet untersucht hat. Es muss deshalb davon
ausgegangen werden, dass im Gebiet nicht alle faunistische Vorkommen bekannt sind, folg-
lich die Bewertung sehr lückenhaft ist. Zwar wurde darauf hingewiesen, dass nur Tiere be-
rücksichtigt wurden, bei denen ein „nennenswerter“ Erfassungsgrad und eine „hinreichend
gleichmäßige Datengrundlage“ gegeben war, jedoch bleibt unklar, was damit gemeint sei.
Außerdem fallen demnach alle anderen Tiere bzw. Tiergruppen unter den Tisch, z.B. die
hoch indikatorische Gruppe der Landmollusken.
Entsprechend ergeben sich Folgefehler in der Konfliktabschätzung, die dadurch tendenziell
als zu niedrig ausfällt bzw. es besteht die Gefahr, dass Konflikte in einzelnen Teilflächen
nicht erkannt werden.
In der naturschutzfachlichen Bestandsbewertung ist nicht ersichtlich, ob zur Einstufung eines
LÖR in eine Kategorie bereits ein Kriterium ausreicht, oder ob alle erfüllt sein müssen. Nach-
dem die Rollfeldwiesen wegen des Vorkommen des Großen Brachvogels mit sehr hoch be-
wertet werden, ist offenbar ein Kriterium ausreichend.
Dementsprechend sind die Isarauen durchgehend in Wertstufe 5+ „herausragend“ zu be-
werten. Denn: die Isarauen sind bayernweit eines der größten zusammenhängenden und
durchgehendes Auengebiet, das seine Wertigkeit gerade auch dadurch erhält. Einzelne,
noch dazu benachbarte Auenabschnitte unterschiedlich zu bewerten, ist nicht richtig.
Entsprechend sind einzelne LÖR bei korrekter Anwendung der Kriterien wohl zu niedrig be-
wertet: N04 Moorrest Schwaigermoos (hier geben die Autoren selbst an, dass keine Daten
vorhanden sind. Eine Einstufung „mittlere Bedeutung“ auf dieser Grundlage ist nicht korrekt),
N05 Eittingermoos (sehr hohe Bedeutung Wirbellose und hohe Bedeutung Wirbeltiere: dar-
aus müsste die Bedeutung sehr hoch folgen (angewendet auf die Rollfeldwiesen im Flugha-
fen würde eine Untersuchung der Wirbellosen vermutlich eine deutlich geringere Bedeutung
ergeben; entsprechend dürfte nach diesem Schema dessen Gesamtbewertung wohl allen-
falls mittelhoch sein)), E01 Marzlinger Weiher/Egelsee (vgl. N05: zu niedrig bewertet). Unter
Heranziehung der üblichen Kriterien muss auch der Eittinger Weiher (D03) als „herausra-
gend“ bewertet werden.
f) Defizite in der Bewertung des Schutzgutes Flora/ Vegetation:
Die Darstellungen sind widersprüchlich: auf S. 192 wird angeführt: „Insgesamt gehen durch
den Flächenanspruch 76 ha mit hohem und sehr hohem und 38 ha mit mittlerem Biotopwert
verloren (gesamt 114 ha),“ Es wird verwiesen auf Tabelle 6.3. Diese Tabelle enthält aber
keine Bewertung „sehr hoch“, die 114 ha beanspruchten ha werden dort nur als „hoch“,
„mittel“ oder gar nicht bewertet (ebenso im Fachbeitrag). Auch in der Zusammenfassung der
UVS taucht keine Betroffenheit sehr hoch bewerteter Flächen auf (S. 29). Es ist zu vermuten,
dass vielleicht eine frühere Bewertung doch zum Ergebnis „sehr hoher“ Wertigkeit kam und
nachträgliche Änderungen nur in Tab. 6.3., nicht aber im Text auf S. 192 vorgenommen wur-
den ? Beispielsweise wären die Bestände von Potamogeton coloratus (z.B. Keckeisgraben
betroffen) auf jeden Fall mit höchster Bewertung „sehr hoch“ einzustufen.
Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass unter dem Punkt Schutzgut Biologische Vielfalt für
die „Artenvielfalt Pflanzen“ erwähnt wird: „Generell ist die Datenlage aber veraltet, die Nach-
weisdichte ist sehr lückig. Es ist zu erwarten, dass ... am Vorflutgraben Nord sowie mögli-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 35
cherweise auch einigen Entwässerungsgräben (Insbesondere im Keckeisgraben) weitaus
mehr Arten mit Bedeutung für das Schutzgut vorkommen, als bisher dokumentiert ist.“ (S.
211). Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dies 1. nicht in die Bewertung des
Schutzgutes Flora einfließt und 2. dennoch auch beim Schutzgut Biologische Vielfalt die
Auswirkungen der Eingriffe als „gering“ bewertet werden.
g) Die Aggregierung der Bewertung in landschaftsökologische Raumeinheiten (LÖR) ist
zwar grundsätzlich nachvollziehbar, birgt aber die Gefahr einer Verschleierung von Be-
troffenheiten einzelner Flächen bzw. Arten:
Zwar wird im Fachbeitrag Fauna explizit darauf hingewiesen, dass deshalb von der Bewer-
tung abgewichen werden kann und Einzelfallprüfung vorgenommen werden kann, dies
scheint aber in der tatsächlichen Bewertung kaum angewandt bzw. ist ohne detaillierte Kar-
tendarstellungen einzelner Vorkommen kaum nachvollziehbar.
h) Unzureichende Bewertung der Realnutzungstypen bzw. Lebensraumtypen (UVS S.
111, 112, Fachbeitrag Vegetation S. 61 ff, Anhang 3):
durch die Bildung eines Mittelwertes aus der Einzelbewertung nach den ausgewählten Krite-
rien ergibt sich rein methodisch extrem selten der Wert 5 (sehr hoch). Dies ist eine unzuläs-
sige Missachtung der Einzelbewertung. Die Gesamtbewertung 5 hätte vergeben werden
müssen, wenn auch nur eine Einzelbewertung den Wert 5 erreicht. Überhaupt nicht in die
Bewertung geht das Vorkommen einzelner Arten ein, nicht einmal die Vorkommen von Arten
mit besonderer internationaler Verantwortung in Bayern – dennoch wird in der UVS am Ende
der Bewertung eine „Bedeutung für das Schutzgut Biotope und Pflanzen“ abgegeben!
Dadurch entspricht die im Anhang 3 dargestellte Bewertung der Biotope zwar in etwa einer
allgemeinen Biotopbewertung in Bezug auf den Naturraum (wobei unklar ist, ob die Bewer-
tung nach den Naturräumen Erdinger Moos und Isaraue differenziert wurde), sie spiegelt
aber nicht die tatsächliche Bedeutung von Einzelflächen im Eingriffsraum wider.
Insgesamt ist somit der Anteil der Biotope mit „sehr hohem“ Wert (Auwald, Flachmoor/
Quellmoor, artenreiche Pfeifengraswiese) in der UVS zu gering. Es würden sich beispiels-
weise höhere Bewertungen ergeben für: natürliche/ naturnahe Bachabschnitte allgemein
(Repräsentanz hätte 4 statt 5 sein müssen, Gesamtbewertung 5 schon alleine wegen Be-
wertung 5 bei Seltenheit), für einzelne Entwässerungsgräben (bei floristischer Einzelbewer-
tung, bei Bewertung der oligotrophen kaum wiederherstellbaren Ausbildungen) - z.B. für den
bundesweit bedeutsamen Bestand von Potamogeton coloratus im Keckeisgraben -, für ba-
senreiche Magerrasen wie Freisinger Buckl (sowohl Ersetzbarkeit als auch Seltenheit mit 5
bewertet à Gesamtbewertung 5 wäre zwingend, Repräsentanz für Naturraum Isaraue mit 3
ist zudem falsch, da zu gering, auch Wiederherstellbarkeit brennentypischer Ausbildung ist
sehr schwierig), oder für strukturreichen altbaumreichen Laubmischwald (Ersetzbarkeit mit 5
bewertet).
Entsprechend wäre auch der Anteil der Biotope mit hohem Wert in der UVS auf Unter-
schätzungen zu überprüfen, beispielsweise werden „Bäche und Gräben“ nur in 5 ha mit ho-
her Bedeutung bewertet.
Im übrigen fehlt auch ein Abgleich mit den FFH-LRT.
i) Es ist auch unzulässigerweise verharmlosend, die Eingriffe in das Grabensystem so hin-
zustellen, als „handelt es sich um diejenigen Vorfluter im nördlichen Randbereich des Flug-
hafens ... die bereits beim Flughafenbau Ende der 80er Jahre verlegt bzw. neu geordnet
worden sind.“ (S. 192) oder dass „das bestehende [Gewässer-]System ... praktisch nach
Norden verschoben [wird]“ (S. 229). Dies trifft nicht für die Goldach oder z.B. den Keckeis-
graben zu, wie an anderer Stelle der Unterlagen auch ausgeführt wird (S. 195). Um eine
Verschiebung des Gewässersystems nach Norden kann es sich schon alleine deshalb nicht
handeln, weil nach Norden keine Verlängerung des Gewässersystems erfolgt (und auch
nicht erfolgen kann).
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 36
Die Schlussfolgerung, dass eben wegen der schon erfolgten Eingriffe auch die neuen Ein-
griffe ausgleichbar seien, ist fachlich als reine Behauptung zu werten, denn zum einen wird
mit den neuen Eingriffen nun tatsächlich das gesamte Gewässersystem des Nordens des
Erdinger Mooses beeinträchtigt, zum anderen haben die neuen Gräben nach Flughafenbau
keineswegs die volle Funktion der bestehenden Gräben ersetzen können, Die Bewertung,
dass die Auswirkungen auf das Schutzgut Pflanzen als „gering bis mittel“ (Flächenbedarf)
bzw. „gering“ (Bau, Betrieb, Grundwasserregelung) bewertet werden, ist unseres Erachtens
deutlich zu niedrig bewertet.
j) Die UVS übernimmt unkritisch aus dem Fachbeitrag ungesicherte Annahmen und Vor-
aussetzungen zur Grundwasserabsenkung und Gewässerverschmutzung:
Es wird die Annahme übernommen dass die Grundwasserabsenkung nur lokal begrenzt sein
wird oder eine Gewässerverschmutzung vermeidbar sein wird: „Sofern die ... Maßnahmen
wirksam werden“ (Fachbeitrag Vegetation S. 74). Auf dieser Basis wird der Wirkfaktor
Grundwasserabsenkung „nicht weiter betrachtet“ – dies ist unzureichend. Zur grundsätzli-
chen Kritik an der Bewertung „Grundwasserabsenkung“ und „Veränderung des Wasserab-
flusses“ bzw. Veränderung der Wasserqualität“ und der Kritik am Nachweis der Wirksamkeit
der vorgesehenen Versickerungs- und Abflussregelungs-Maßnahmen siehe Kap. 6.5. Wir
sehen entgegen der verharmlosenden Darstellung der UVS das Risiko einer Beeinträchti-
gung des Schutzgutes Pflanzen und Tiere und Biologische Vielfalt durch die Grundwasser-
absenkung keineswegs als sicher auszuschließen an. Die Belastung wird mit Sicherheit zu-
nehmen (könnte damit z.B. Empfindlichkeitsgrenzen überschreiten, andere empfindliche Ar-
ten neu betreffen etc.).
Es ist somit nicht nachzuvollziehen, dass einerseits „ein gewisses Risiko einer Gütebe-
einflussung der .... Gewässerabschnitte“ gesehen wird, aus den „bisher ... nicht in nen-
nenswertem Umfang“ aufgetretenen Schäden aber abgeleitet wird, dass „auch künftig keine
stoffliche Beeinträchtigung ... zu erwarten.“ ist (S. 197 UVP).
Unverständlich ist auch die Sicherheit, dass für das Schutzgut Flora Auswirkungen auf weiter
entfernt liegende höchst wertvolle Schutzgebiete (Viehlaßmoos, Eittinger Weiher) „auszu-
schließen“ sind, zumal an anderer Stelle der UVS durchaus gegenteilige Aussagen zu finden
sind: „Durch die Verschiebung des Abfanggrabens Ost nach Osten ist eine Beeinflussung
des Grundwassers in diesen Bereichen bei höheren Grundwasserständen ... möglich, denn
es ist derzeit keine Abdichtung vorgesehen. ... Daher sollen ... mögliche Wechselwirkungen
der Maßnahmen mit grundwassergeprägten Lebensräumen der Gewässer und Feuchtstand-
orte, die hoch sensibel gegenüber Änderungen der Grundwasser- und Abflussverhältnisse
sind, betrachtet werden.“ (S. 242). Dann solle eine Abdichtung des Abfanggraben Ost diese
Auswirkungen beseitigen. Die Bewertung dieser (u.E. nicht auszuschließenden) Gefahr fehlt
beim Schutzgut Flora/ Fauna / Biotope völlig. Immerhin wird der neue Abfanggraben Ost in
1-2 km Entfernung (laut UVS verharmlosend: „in weiterer Entfernung“, Fachbeitrag Vegetati-
on S. 71) zu wertvollsten Schutzgebieten verlaufen.
Die Praxis zeigt, dass Eingriffe in den Grundwasserhaushalt vielfach derart komplex sind,
dass vorherige Prognosen über Auswirkungen oder über die angebliche Wirkung von Ge-
genmaßnahmen oft nicht mit den tatsächlichen Folgen übereinstimmen.
Unverständlich ist auch, weshalb Gefährdungen des Grundwassers als „gering“ beurteilt
werden, obwohl die Belastungsfaktoren „Verlegung von Fließgewässern, Grundwasser-
absenkung, Beeinträchtigung der Qualität von Oberflächengewässern ... noch nicht hin-
reichend konkret“ zu analysieren waren (Fachbeitrag Fauna S. 11). Insgesamt wird die
mögliche negative Auswirkung der Eingriffe in den Grundwasser- und Gewässerhaus-
halt stark verharmlosend dargestellt.
k) Die Bewertung der negativen Auswirkungen durch Stickstoffeinträge ist unzureichend:
Die Bewertung der Stickstoffeinträge als „weniger bedeutend“ (UVS: S. 28) so nicht haltbar
und verharmlosend. Zumal an anderer Stelle (S. 188) ausgeführt wird, dass für die Wirkfak-
toren „Nährstoffeinträge aus der Luft“ keine abschließende Beurteilung möglich ist bzw. dass
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 37
„Stickstoffeinträge ... nicht ausgeschlossen werden“ können (S. 190). Angesichts dessen,
dass die Eutrophierung neben Flächenverbrauch und Zerschneidung eine der Hauptgefähr-
dungsursachen für Lebensräume der nährstoffarmen Standorte und deren Arten ist, ist hier
jede unnötige zusätzliche Belastung – unabhängig von der Hintergrundbelastung aus ande-
ren Quellen – zu vermeiden. Critical loads für Ökosysteme können bereits ab 10 kg N/ha,
Jahr erreicht werden (z.B. für magere Feucht- und Nasswiesen, Magerrasen, Wälder, vgl.
Anhang 1 Stickstoff-Deposition, S. 9).
Dass global und regional gesehen eine hohe Hintergrundbelastung vorhanden ist, stellen wir
nicht in Abrede – das ist aber kein Argument dafür, dass weitere (neue !) Einträge nicht so
schlimm wären, „bewertungsrelevant nur Auswirkungen im mittleren Bereich und darüber“,
d.h. bei hoch empfindlichen Biotopen über 10 kg N/ha, Jahr seien (Fachbeitrag Vegetation
S. 74, Anhang 1 Stickstoff-Deposition S. 6). Entsprechend lehnen wir die Beurteilung der
zusätzlichen Einträge in empfindliche Biotope als „allenfalls ... marginal“ (S. 202) und
„allenfalls sehr gering bewertet“ und folglich nicht weiter zu betrachten als ver-
harmlosend ab. Zur grundsätzlichen Kritik an der Bewertung der indirekten Schäden durch
Immissionen siehe Kap. 6.5.
Die Karte A2 des Anhangs 1 zeigt sehr deutlich, dass die zusätzliche Belastung mit 2-5 kg
N/ha, Jahr sehr weit reicht und davon auch sehr empfindliche Biotope betroffen sind: Mager-
rasen Freisinger Buckl, Moorvegetation u.a. – zusätzlich oligotrophe Gewässer, die in den
Karten, auch in Karte 6 Fachbeitrag Vegetation, entgegen der Darstellung im Text nicht als
„hoch empfindlich“ eingezeichnet sind, sowie zusätzlich auch – in der UVS völlig unberück-
sichtigt - eine Vielzahl von ungedüngten Feuchtgrünlandflächen aus Agrarumweltprogram-
men. Die Belastung reicht laut Karte der UVS bis in das Freisinger Moos. Es ist nicht nach-
vollziehbar, weshalb dennoch keine Betroffenheit festgestellt wird.
Die Behauptung, dass keine N-bedingte Veränderung der Lebensräume in den letzten Jahr-
zehnten festzustellen war und ja sogar entlang der Autobahn noch hoch empfindliche Le-
bensräume vorkommen, ist in dieser Pauschalität nicht aussagekräftig und kein fachlicher
kausaler Beleg einer nicht vorhandenen Eingriffsschwere. Es sei hier nur am Rande darauf
hingewiesen, dass zahlreiche Pflegemaßnahmen verschiedener Träger ausschließlich der
Aushagerung derartiger Flächen dienen (z.B. Viehlassmoos). Fachlich völlig irrelevant ist die
Einbeziehung von (z.T. freiwilligen !!) Pflegemaßnahmen, deren Ursache unter anderem ge-
rade der Nährstoffeintrag ist, in die Bewertung der Eingriffserheblichkeit: die Zusatzbelastung
wäre nicht wesentlich „für Flächen, in den Pflegemaßnahmen mit regelmäßigem Entzug der
Biomasse durchgeführt werden“ (Fachbeitrag Vegetation S. 74). Hier verwechseln die Auto-
ren offensichtlich Ursache und Wirkung.
Für NOx besteht nach der BimSchV zum Schutz der Vegetation und Ökosysteme in
unbelasteten Gebieten ein Grenzwert von 30 µg/m³ im Jahresmittel. Dieser Vorsorgewert
wird im Gebiet bereits durch die Hintergrundbelastung erreicht und “die Gesamtbelastungen
für 2004 überschreiten diesen Wert bereits bei weitem” (S. 200 UVP). Daraus ist abzuleiten,
dass eine jede weitere Steigerung der Belastung zu vermeiden ist ! Dies gilt gerade auch für
vorbelastete Gebiete, denn eine hohe Vorbelastung kann kein Grund sein, die Grenzwerte
als “hier nicht anwendbar” zu beurteilen (S. 203). Die Vermeidungsnotwendigkeit kann auch
nicht dadurch umgangen werden, dass die Gutachter auf die “vorrangige Aufgabe der
staatliche Luftreinhaltepolitik .... vor allem beim Kfz-Verkehr ...” (S. 210) zu verweisen – der
Luftverkehr muss selbstverständlich als Belastungsquelle selbst den gleichen Zielen der
Luftreinhaltepolitik unterliegen und ihr entsprechen (s.o. Kap. 5)!
l) Die Darstellung der Biotopverbund-Beziehungen aus faunistischer Sicht für Niedermoor-
arten wird grundsätzlich geteilt. Jedoch stufen wir die negative Auswirkung auf die Verbund-
Situation im Norden der geplanten 3. Bahn erheblich gravierender ein. Insbesondere die in
Karte 2a des Fachbeitrages Fauna dargestellten Niedermoor-Vernetzungsachsen zeigen
deutlich, dass mit der 3. Bahn die direkte Vernetzungsachse im Norden des Erdinger Moo-
ses (d.h. nicht über die Isar) noch mehr als jetzt schon funktional unterbrochen wird (vgl. S.
59 Fachbeitrag Fauna). Dabei hat gerade diese Achse ein hohes Potential für den direkten
und hier räumlich engsten Verbund zum Freisinger Moos (über schmalen Auwaldbereich).
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 38
Ein Lebensraumverbund wäre z.B. für sehr seltene isolierte Niedermoor-Arten wie Coe-
nonympha hero und andere Tagfalterarten essentiell (vgl.: „Limitierung des Entwicklungspo-
tenzials“ UVS S. 214). Gerade das Viehlaßmoos und der Freisinger Buckl sind faunistisch
von besonderer Bedeutung.
Auch die negative Beeinträchtigung der Verbundsituation der Bäche und Gräben im Erdinger
Moos halten wir für zu gering bewertet. Sowohl in der UVS (S. 118) als auch im Fachbeitrag
Fauna wird explizit auf die engen Beziehungen und die hohe Bedeutung der Verbundsituati-
on hingewiesen. Die Bäche und Gräben weisen faunistisch bemerkenswerte Arten auf. Ge-
rade angesichts der durch den Flughafenbau bereits erfolgten Zerstörungen dieser Verbund-
situation im Erdinger Moos sind hier weitere Zerstörungen und Beeinträchtigungen als umso
gravierender zu beurteilen. Es ist fachlich keineswegs haltbar, dass die Eingriffe in der UVS
gering bewertet werden, weil das Gewässersystem durch den bestehenden Flughafen so-
wieso schon stark gestört sei (z.B. „Flughafen als Barriere“ (S. 216) oder „das bestehende
[Gewässer-]System wird praktisch nach Norden verschoben“ (S. 229). Eine Verschiebung
nach Norden kann schon alleine deshalb nicht stattfinden, weil nach Norden keine Verlänge-
rung des Gewässersystems erfolgt, es handelt sich bei dem Eingriff vielmehr um eine weite-
re massive Verkürzung und Isolierung des bestehenden hoch vorbelasteten Gewässersy-
stems. Dazu kommen indirekte negative Auswirkung der Veränderung der Gräben auf be-
nachbarte Feuchtflächen.
m) Eine Bewertung der Betroffenheit der Biologischen Vielfalt kann nicht wirklich erfolgen:
Die Darstellung beruht ausschließlich auf veralteten Sekundärdaten („Generell ist die Da-
tenlage insgesamt veraltet“ Fachbeitrag Vegetation S. 87) und den vorrangig für den Natur-
schutz bzw. Artenschutzrecht relevanten Arten (s.o.). Es ist nicht nachvollziehbar, wie auf
dieser Basis beispielsweise für das Schutzgut Pflanzen und Biotope eine scheinbar Kriterien
folgende Bewertung aufgebaut wird, in der Pflanzengesellschaften z.B. nach ihrer Vollkom-
menheit bewertet werden, obwohl weder Pflanzengesellschaften noch Arten flächendeckend
und aktuell erfasst worden sind. In dieser Bewertung ist (wie auch bei der Bewertung der
Biotope, s.o.) die Mittelwertbildung und die höchstens allgemeine, aber keineswegs stand-
ortbezogene Aussagekraft und die daraus resultierende Unterbewertung von Flächen zu kri-
tisieren. Unzureichend ist zudem die Beschränkung der Bewertung auf Rote Liste-Arten oder
andere besonders wertvolle Arten (vgl. UVS S. 112, 113, 204 ff.), denn die Bewertung der
biologischen Vielfalt soll ja eben genau die gesamte Vielfalt umfassen, dabei auch nicht ge-
fährdete, typische Arten und Lebensräume: „sie umfasst die Vielfalt an Lebensräumen und
Lebensgemeinschaften, an Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten.“ (§ 2
BNatSchG, Ziffer 8). Die Aussagekraft der Bewertungen für das Schutzgut Biologische Viel-
falt sind somit stark in Frage zu stellen. Zusätzlich gelten bei der Bewertung des Schutzgutes
Pflanzen und Tiere die gleichen Defizite wie bereits für die unzureichenden Bewertung der
Eingriffe auf Flora und Fauna und Biotopverbund dargestellt (s.o.).
n) Die kumulativen Wirkungen werden völlig unzureichend betrachtet (UVS S. 188), eine
Gesamtbetrachtung aller kausalen Zusammenhänge fehlt:
Beispielsweise fehlen die mit dem derzeit im Planfeststellungsverfahren befindlichen Trans-
rapid verbundenen negativen Auswirkungen (z.B. weitere Trennwirkung, Eingriff in Grund-
wasser, Oberflächengewässer u.a.).
Eine tatsächliche Betrachtung der Summationswirkung im Sinne einer Betrachtung aller kau-
salen Zusammenhänge und der Überlagerung aller Einzelfaktoren einschließlich sekundärer
Folgewirkungen (wie z.B. auch Veränderungen in der Landwirtschaft der betroffenen Betrie-
be, vgl. Intensivierungsschub nach Flughafenerrichtung) erfolgt gar nicht (vgl. Ausführungen
in Kap. 2). In der UVS werden sowohl die Wertigkeiten als auch die Konflikte nur für die ein-
zelnen Schutzgüter dargestellt. Es fehlt eine überlagerte Darstellung. Dies führt neben den
bereits dargestellten Defiziten der Einzelbewertungen (s.o.) zu einer noch größeren Unter-
bewertung der Konflikte.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 39
6.2.4. Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen
Zu den Vermeidungsmaßnahmen ist auszuführen, dass diese v.a. in „organisatorischen
Maßnahmen“ bei der Bauphase bestehen (z.B. UVS S. 177), in der „verbindlichen Umset-
zung“ von Maßnahmen zur angeblichen Sicherung der Grundwasserverhältnisse (S. 180)
oder zum Schutz der oberirdischen Gewässer (S. 224: „zuverlässig dafür zu sorgen“), „öko-
logische Gestaltung der neuen Gewässer“ (S. 177), „Lärmschutz für die Bevölkerung“ (S.
184), „Vermeidung heller Lichtquellen“ (S. 187), der extensiven Langgraswirtschaft
(Hauptziel: Vermeidung der Ansiedlung von Vögeln) o.ä. – dies ist absolut unzureichend, da
dies keine echte Vermeidung der originären Eingriffe darstellt.
Zudem sind viele der vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen (z.B. in der Bauphase) kei-
neswegs sicher in der Realisierung, es verbleibt immer ein Risiko. Diese Risiken werden als
völlig beherrschbar dargestellt: z.B. „Etwaige baubedingte Einträge ... in die Gewässer ...
sind daher als sehr kritisch zu beurteilen. Solche Einträge sind durch geeignete Maßnahmen
sicher zu vermeiden.“ oder: „Auswirkungen ... sind bei Einhaltung der angeführten Vermei-
dungsmaßnahmen ... nicht anzunehmen.“ (S. 224) – derartige Aussagen finden sich in der
UVS etliche. Diese Sicherheit wird massiv bezweifelt. Daraus dann eine nur geringe Ein-
griffserheblichkeit abzuleiten, ist wissenschaftlich nicht korrekt und kann nur als Ver-
harmlosung der Eingriffserheblichkeit beurteilt werden.
Für zahlreiche Eingriffe wird in der UVS dagegen selbst angeführt, dass „keine oder keine
wesentlichen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen möglich“ sind.
Negative Auswirkungen sind somit bei Realisierung der Planung eindeutig nicht zu vermei-
den. Die primäre Vermeidung, wie sie das BayNatSchG fordert ist der Verzicht auf die
Planung, zumal sie unzureichend und falsch begründet ist und daher als unnötiger
Eingriff bezeichnet werden kann (siehe Kapitel 3, 4). Unnötige Eingriffe sind strikt zu
vermeiden.
6.2.5. Bewertung der angeblichen Ausgleichbarkeit
Völlig unzureichend ist die Darstellung der angeblichen Ausgleichbarkeit. Wir widerspre-
chen der Behauptung, dass durch die Realisierung der Ausgleichs- und Ersatzmaß-
nahmen die Erreichung des Kompensationszieles angenommen werden kann (Antrag
S. 51). Dies wird durch die Wirksamkeit der bisher realisierten Ausgleichsmaßnahmen oder
die Zerstörung von weitgehend als Sekundärbiotopen entstandenen Biotopen begründet.
Zum einen ist die Wirkung der bisher durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen keinesfalls auf
allen Einzelflächen gegeben, nach unserer Einschätzung ist etwa die Hälfte der Aus-
gleichsflächen als missglückt zu bezeichnen (z.B. Flächen mit Goldruten-Dominanz bei
Eitting, Berglern, Gaden, trockene Ausgleichsflächen im Niedermoor südlich des Flugha-
fens), auch das Grünzonenkonzept (= Ausgleichskonzept für den bestehenden Flughafen zur
Schaffung eines durchgehenden Grünzuges um den Flughafen) ist als gescheitert zu be-
zeichnen. Der Sinn dieses Konzeptes war von Anfang an generell in Zweifel zu ziehen.
Zum anderen kann selbst eine gut angelegte Ausgleichsfläche kein Ausgleich/ Ersatz bezüg-
lich der durch den Flughafen grundlegend zerstörten ökologischen Funktionszusammenhän-
ge sein. Es werden keineswegs nur Sekundärbiotope betroffen sein, sowohl für Pflanzen als
auch Tiere gehen weitere bisher noch nicht betroffene Rückzugsräume verloren in einem
Raum, dessen Funktions- und Lebensraumbeziehungen bereits stark vorbelastet sind.
Die Errichtung des Flughafen München im Erdinger Moos hat zu einer keineswegs
ausgleichbaren bzw. ausgeglichenen sowie nicht einer ersetzbaren bzw. ersetzten
Zerstörung von Lebensräumen und der Funktionsbeziehung des gesamten Erdinger
Mooses geführt. Die Komplexität eines Niedermoorgebietes kann nicht an anderer Stelle
kompensiert werden. Auch Ausgleichsmaßnahmen in anderen Teilen des Erdinger Mooses
können nicht den Verlust eines Kernbereiches inmitten des Niedermoorkörpers kompensie-
ren. Entsprechend ist auch völlig unzureichend, wenn in der Planung auf den hohen Wert der
Grünflächen des Flughafens „für Wiesenbrüter, speziell den Großen Brachvogel“ (z.B. S.
208) verwiesen wird. Es wird von uns nicht bezweifelt, dass auf den Flughafenwiesen der
Große Brachvogel und auch Kiebitze vorkommen (brüten?), dies ist aber keineswegs ein
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 40
Ersatz für die Zerstörung eines artenreichen komplexen Niedermoorgebietes mit einer sehr
hohen Brachvogeldichte vor Flughafenbau. Zumal die Flughafenwiesen offensichtlich für
sonstige Arten keinen Wert haben (zumindest kein Hinweis in der UVS).
Abb. 7: Beispiel für eine mißglückte Ausgleichsfläche im Süden des bestehenden Flughafens: weitge-
hend trockenes und durch Dämme unterteiltes (zur Verhinderung der Ansiedlung von Wasservögeln)
„Feuchtgebiet“ (Foto: Magerl)
Es ist somit insgesamt festzustellen, dass die negativen Beeinträchtigungen in das Schutz-
gut Flora und Fauna keineswegs „vollständig kompensierbar“ sind (UVP S. 29 u.a.) oder die
„Anteile in den beanspruchten Flächen, die ... als nicht ausgleichbar einzustufen sind, ... ge-
ring sein“ werden (Fachbeitrag Vegetation S. 32). Als Beispiele für nicht ausgleichbare
Eingriffe wäre anzuführen die Zerstörung von Gehölzbeständen mit hohem Alter, Verluste
von Potamogeton coloratus und anderen Arten im Keckeisgraben, die direkte Überbauung
von Gräben (entgegen UVS S. 266 ist direkte Überbauung grundsätzlich nicht ausgleichbar,
höchstens ersetzbar), der Verlust der Verbundfunktionen des Grabensystems zwischen Gol-
dach und Dorfen, Verlust des Verbundkorridors nördlich des bestehenden Flughafens, die
verstärkte Verlärmung zahlreicher Lebensräume, ggf. Maßnahmen gegen den Vogelschlag
(Eittinger Weiher !), ggf. Auswirkungen durch Grundwasserabsenkung durch Bau der Bahn
oder durch Bau des Abfanggrabens Ost o.ä.
Ein Ausgleich nach dem BayNatSchG (Art. 6a) erfordert die Wiederherstellung der
beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes. Weder kann
der Zustand geringerer Lärm-Beeinträchtigung, geringeren Nährstoffeintrages
(Luftbelastung), geringerer Grundwasserabsenkung, geringerer Störung von
Funktionsbeziehungen im nördlichen Niedermoor-Funktionsraum des Erdinger Mooses noch
kann der direkte Boden- und Flächenverlust nach Bau der 3. SLB im echten Wortsinn
wiederhergestellt werden. Ein Ausgleich im Sinne des Gesetzes ist daher nicht möglich.
Der Verlust dieser Funktionen ist auch nicht ersetzbar, denn er ist mit einer völligen Ent-
wertung des eh schon stark beeinträchtigten Norden des Erdinger Mooses verbunden und
kann nicht an anderer Stelle (z.B. im Freisinger Moos) ersetzt werden. Wenn das im Fach-
beitrag Vegetation zu den Kompensationsmaßnahmen dargestellte landschaftliche Leitbild
(S. 99) wirklich ernst genommen würde im Sinne ökologischer Funktionsfähigkeit, würde sich
klar eine Unvereinbarkeit mit der Planung einer 3. Bahn ergeben. Wir widersprechen der
Darstellung, dass sich „entlang der A 92 ein größeres zusammenhängendes Feucht- und
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 41
Niedermoorgebiet“ mit „funktionalen Beziehungen“ entwickeln könnte (Fachbeitrag Vegeta-
tion S. 103): Eine weitere Aufwertung dieses naturschutzfachlich noch recht bedeutsamen
Raumes wäre zum jetzigen Zeitpunkt sehr sinnvoll und nötig, aber nach Bau einer 3. Bahn
(mit zusätzlicher Verlegung der Staatsstraße in diesen Raum) würde es sich hier um einen
Raum handeln, der etwas mehr als 1 km zwischen neuem Flughafenzaun (hier 65 dB(A),
Abnahme bis zur Autobahn auf ca. 50 dB(A)) und A 92 breit ist, auf der ganzen möglichen
Länge von ca. 4 km (Stoibermühle bis zu den Hangwiesen) zwischen Flughafen und A 92
liegt, in einem Bereich der zusätzlich Stickstoffdeposition von mindestens 2-5 kg N/ha, Jahr,
der durch das Angrenzen von Attaching fast direkt an den Flughafenzaun keinerlei weitere
Verbindung mehr nach Westen (über Isaraue zum Freisinger Moos) haben würde – durch
die hohen Randeffekte auf diesen engen Raum ist die Wertigkeit nach Bau einer 3. Start-
und Landebahn massiv eingeschränkt und unseres Erachtens nicht mehr gegeben, der
Raum für einen echten Ersatz nicht mehr geeignet.
Ein Ersatz nach dem BayNatSchG (Art. 6a) bedeutet einen gleichwertigen funktionalen Er-
satz möglichst in dem vom Eingriff betroffenen Landschaftsraum. Der Nordteil des Erdinger
Mooses wird aber nach Bau der 3. SLB so stark beeinträchtigt sein, dass ein Ersatz in die-
sem funktional zusammenhängenden Raum nicht mehr möglich ist. Die Funktionen für das
Erdinger Moos können aber an anderer Stelle gar nicht ersetzt werden. Ein gleichwertiger
Ersatz im Sinne des Gesetzes ist daher nicht möglich.
Zusätzlich zu diesen grundsätzlichen Einwänden ist speziell bezüglich der Flächenbilanz an-
zumerken, dass angesichts der höheren Eingriffsschwere als in der UVS dargestellt (s.o.)
der Flächenbedarf deutlich zu gering angesetzt ist. In Verbindung mit dem bereits nach
Flughafenbau aufgetretenem sekundären Landverbrauch (Intensivierungsschub in der
Landwirtschaft zum Ausgleich der Verlust) und des auch infolge anderer Projekte zuneh-
menden Druckes auf die Flächen, ist die Realisierung eines Ausgleichskonzeptes generell in
Frage zu stellen.
Insgesamt muss den Schlussfolgerungen der UVS widersprochen werden, dass
• für den Ausgleich eingriffsrelevant vor allem nur die Flächenverluste von 114 ha und das
Landschaftsbild sind (S. 268) oder sogar bei der Fauna sehr hohe und hohe Konflikte
“ausschließlich durch Flächeninanspruchnahme” (S. 176) enstehen, die Eingriffe
“vorausichtlich ausgeglichen werden” können,
• für den Ersatz „insbesondere die Flächenversiegelung“ (326 ha) relevant ist (S. 269),
• bei einer Kompensationsfläche von 440 ha (Kompensationsfaktor 1) der Eingriff
„hinsichtlich der ... naturschutzrechtlichen Ausgleichserfordernisse umweltverträglich
verwirklicht werden kann.“ (S. 274),
• und die Eingriffe daher beispielsweise nur als “mittel” (Flächeninanspruchnahme,
Neuordnung Gewässer), “gering bis mittel“ (Baulärm), “gering” (Grundwasser,
Beleuchtung (vorläufig), Biologische Vielfalt) und sogar als “auszuschließen” (Fluglärm)
bewertet werden,
Die Konflikte sind vielmehr als hoch zu bezeichnen und weder ausgleichbar noch
ersetzbar. Da das Vorhaben zudem unbegründet und damit vermeidbar ist, ist es
insgesamt nach BayNatSchG nicht genehmigungsfähig.
6.3. Verstoß gegen die artenschutzrechtliche Bestimmungen für geschützte Arten
In den Fachbeiträgen sind zwar die streng und besonders nach Bundesnaturschutzrecht ge-
schützten Arten aufgeführt, jedoch nur aus Sekundärdaten und nicht für alle Tiergruppen und
ohne detaillierte Darstellung des Vorkommens (nur Summierung für die LÖR). Eine nötige
Darstellung und Bewertung der konkreten negativen Auswirkungen auf die einzelnen streng
geschützten Arten (Einzelindividuen und Populationen) fehlt. Nach Tabelle 8 (Fachbeitrag
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 42
Fauna) sind im Untersuchungsbereich allein 80 Tierarten streng geschützt (davon 25 Arten
des Anhangs IV FFH-RL).
Nach den in den Planungsunterlagen verwendeten Daten sind in fast allen ökologischen
Raumeinheiten streng geschützte Arten vorhanden, besonders negativ betroffen sind die
Vorbehaltsfläche Ost, die Stoibermühle mit Oberer Lüsse, der Eittinger Weiher und die
Hangwiesen.
Bezüglich der Defizite in der Bewertung (z.B. Nicht-Betrachtung der Auswirkungen von
Fluglärm, zu geringe Berücksichtigung der Stickstoffeinträge, Nicht-Berücksichtigung ggf.
nötiger Maßnahmen am Eittinger Weiher etc.) verweisen wir auf unsere Ausführungen in
Kap. 6.2.
Für diese Arten wäre zu prüfen, ob der Verbotstatbestand nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3
BNatSchG durch Individuenverluste, Zerstörung von Nahrungshabitaten und Störung von
Individuen erfüllt wird. Weiterhin sind für die Arten des FFH-Anhangs IV die Verbotstatbe-
stände nach Art. 12 FFH-RL bzw. für die Vogelarten Anhang I der VS-RL die Verbotstat-
bestände nach Art. 5 VS-RL zu prüfen. Hierzu weisen wir ergänzend darauf hin, dass der
EuGH mit Urteil vom 10.01.2006 Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Arten-
schutzbestimmungen der FFH-RL im BNatSchG verurteilt und eine strengere Einhaltung der
Art. 12 ff. FFH-RL eingefordert hat. Jegliche unabsichtliche und absichtliche Störung auf die
Arten des Anhangs IV ist zu vermeiden. Dies ist in den Planungen nicht berücksichtigt.
Unseres Erachtens liegen hier nicht vermeidbare und nicht ausgleichbare Verbotstatbe-
stände vor (s.o.). Zudem liegen keine Befreiungstatbestände nach BNatSchG oder FFH-RL
vor. Weder stellt der Verzicht auf die Planung eine unbeabsichtigte Härte dar, noch ist die
Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar noch liegen
überwiegende Gründe des Gemeinwohls bzw. zwingende alternativlose Gründe des über-
wiegenden öffentlichen Interesses vor, da nämlich die vorliegende Planung unzureichend
bzw. fehlerhaft begründet und keineswegs alternativlos ist (s.o.).
6.4. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Boden
Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:
• Flächeninanspruchnahme, d.h. Eingriffe in den Boden, von 1.150 ha (davon 60 ha
innerhalb des bestehenden Flughafens, 970 ha für Flughafenerweiterung 3. SLB und
Vorfeld, und 120 ha für Folgebaumaßnahmen Straßen und Gewässer) mit weit-
gehendem Verlust bzw. erheblicher Veränderung der Struktur und der Funktionen der
Böden (als Lebensraum für Bodenlebewesen, Standort von Pflanzen und Tieren, für die
landwirtschaftliche Produktion, als Deck- und Filterschicht für das Grundwasser etc.),
darunter auch zu einem erheblichen Anteil Niedermoorböden mit Niedermoortorf. Der
Verlust der Funktionen betrifft neben den versiegelten Flächen insbesondere die
Flächen mit oberbodenloser Begründung.
• davon Flächenversiegelung von 326 ha (neue Versiegelung von 169 ha + Vorfeld-
fläche 157 ha) mit vollständigem Verlust aller Funktionen.
• zusätzliche Bodenbewegungen und –verluste durch Verlegung von Gräben, Ver-
legung von Straßen.
• Rund 5,4 Mio. m³ gewachsener Boden müssen abgetragen bzw. umgelagert werden
(für 3. SLB 3,6 Mio m³, für Vorfeld Ost 1,8 Mio m³). Der Rohstoffbedarf beträgt rund 7,9
Mio. m³ und muss zum großen Teil angeliefert werden.
• Ob der abgetragene Boden für die Auffüllung im Norden verwendet werden kann, ist
angesichts der hohen Arsenbelastung stark zu bezweifeln. Sollte der abgetragene
Boden als Sondermüll bewertet werden, muss er deponiert werden und für die Auf-
füllungen muss erheblich mehr Material angeliefert werden, die Masse der Boden-
bewgungen wäre erheblich höher als in der UVS angenommen.
• Bei der Trockenlegung der Niedermoorböden wird klimawirksames CO2 freigesetzt.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 43
• zusätzliche Eingriffe in den Boden durch Kiesabbau zur Gewinnung von Material. Auch
wenn die Vorrangflächen des Regionalplanes dies angeblich abdecken, wurden die
Vorrangflächen des Regionalplanes ja nicht mit dem Flughafen-Ausbau begründet,
sondern für andere Zwecke. Im Gegenteil ist im Regionalplan für Großprojekte der
Verkehrsinfrastruktur vorgegeben, dass der Bedarf hierfür vorrangig durch Recycling
gedeckt werden soll zur Schonung der hochwertigen Vorkommen der Münchner
Schotterebene (Regionalplan BIV 2.6.1.3). D.h. es ist in jedem Fall damit zu rechnen,
dass im Umfeld ein erhöhter Kiesabbau die Folge sein wird.
Die Eingriffe widersprechen der Zielsetzung des Bundesbodenschutzgesetzes. Wie die
Planer in der UVS zu der Aussage kommen: „Das Gebot der möglichst flächensparenden
Planung und Erschließung und des flächensparenden Bauens wurde bei der Planung
berücksichtigt.“ (S. 220: Vermeidungsmaßnahmen) bleibt ihr Geheimnis. Angesichts der
unzureichenden Begründung des Vorhabens (siehe Kap. 3,4) ist die einzige nach
BayNatSchG und BBodSchG zulässige und erforderliche Vermeidung der Verzicht auf
die Planung als solches.
Neben der grundsätzlichen Kritik an der Begründung des gesamten Vorhabens ist auch
anzuführen, dass insbesondere die Erweiterungsfläche Ost erheblich zur Flächen-
versiegelung beiträgt. Die allgemeine Begründung der Notwendigkeit einer Abstellfläche ist
keineswegs geeignet als Begründung für eine derart riesige Flächenversiegelung, die dem
„Gebot der möglichst flächensparenden Planung und Erschließung“ völlig zuwiderläuft.
Die Eingriffe betreffen auch die Zielsetzung des landschaftlichen Vorbehaltsgebietes “Ver-
meidung weiterer Zersiedelung”, die zwar vorrangig für die Bauleitplanung aufgestellt ist,
deren grundsätzliches Ziel aber die Freihaltung von freien Flächen ist. Die umfangreiche
Versiegelung und der umfangreiche Landschaftsverbrauch widersprechen dem Ziel des Frei-
Flächenschutzes.
Die Aussage, dass sich auf den 2/3 der Flächen, die zu Grünflächen entwickelt werden, „die
Bodenfunktionen je nach Bodenaufbau eingeschränkt oder aber weitgehend regenerieren
können“ (UVS S. 26) wäre insofern zu konkretisieren, dass durch den dort erfolgten Boden-
auftrag die über Jahrhunderte gewachsene natürliche Bodenstruktur zerstört ist und sich
gerade die Struktur und Funktion von Niedermoorböden sicher nicht weitgehend regene-
rieren wird, zumal ja auch der Wasserhaushalt durch Auffüllung bzw. Grundwasserab-
senkung völlig verändert ist. Außerdem bleiben durch die zur Verringerung der Vogelschlag-
gefahr „oberbodenlose Begrünung“ (S. 219) der Flughafenwiesen die natürlichen Boden-
funktionen dauerhaft eingeschränkt. Insbesondere die Schutz-, Filter-, Stoffumbau- oder
Lebensraumleistungen und damit auch der Schutz des Grundwassers bleiben eingeschränkt
(vgl. UVS S. 219) – und dies gerade in einem Bereich „der relativ höchsten Schadstoff-
einträge aus dem Flugverkehr und dem Straßenverkehr“ (S. 219).
Es ist daher von einer irreversiblen und nicht ausgleichbaren Zerstörung der Böden und ihrer
Funktionen auszugehen. Die veränderten Böden sind lediglich hinsichtlich ihrer Versicke-
rungskapazität für Regenwasser besser zu bewerten als betonierte Flächen, können aber
keineswegs zerstörten Niedermoorböden gleichgesetzt werden.
Die als Ausgleich angeführte Umwandlung von intensiv landwirtschaftlich genutzten
Flächen in extensiv oder nicht mehr genutzte Flächen (UVS S. 218) ist keinesfalls ein
Ausgleich für eine Neu-Versiegelung. Der einzige Ausgleich für die Neu-Versiegelung
von 326 ha wäre die Entsiegelung von 326 ha.
Dass die Eingriffe in den Boden selbst in der UVS immerhin relativ konfliktträchtigt beurteilt
werden („mittel“) zeigt die erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgutes Boden.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 44
6.5. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Wasser
Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:
• Absenkung der Grundwasserstände (Zentralwasserstand des Grundwassers ZW) auf
„50 cm unter dem Zentralwasserstand“, Stabilisierung „in etwa auf mittleren Niedrig-
wasserniveau“ (UVS S. 36) mit erheblichen Auswirkungen auf die angrenzende Nieder-
moorreste. Eine Absenkung von 50 cm unter den Zentralwasserstand ist für einen
Niedermoorkörper eine erhebliche Dimension der Absenkung, zumal damit die für das
Moor so wichtigen höheren Grundwasserstände (Schwankungen bis zu ca. 2 m) völlig
ausgeschaltet werden. Gerade am Nordrand des Erdinger Mooses herrschen durch das
Auslaufen der Schotterflächen relativ geringe Grundwasser-Flurabstände (durchschnitt-
lich zwischen 0,5 – 1,7 m), bei hohen Grundwasserständen kann das Grundwasser über
Flur ansteigen. Die mit der geplanten 3. Bahn verbundene Grundwasserabsenkung und
Stabilisierung auf niedrigem Niveau trifft daher Bereiche mit für das Erdinger Moos relativ
hohen Grundwasserständen, die negativen Auswirkungen sind entsprechend hoch.
• Verhinderung des Auftretens von Geländevernässungen auch bei höheren Grund-
wasserständen durch entsprechende Leistungsfähigkeit der Ableitungselemente (UVS S.
36). D.h. eine Absenkung des ZW um 0,5 m bedeutet auch eine noch größere Absen-
kung von jahreszeitlich auftretenden höheren (und für den Moorkörper sehr bedeut-
samen) Grundwasserständen.
• Verlust der Funktion der Grundwasserneubildung und Regenwasserspeicherung auf
allen versiegelten Flächen (326 ha). Kompensation durch Versickerung des Grund-
wassers an anderer Stelle nur teilweise möglich, da auf alle Fälle im Winter belastetes
Abwasser zur Kläranlage abgeführt wird.
• Veränderung des Grundwasserstromes an den Kiesgruben, die mit Material geringerer
Bodendurchlässigkeit verfüllt werden.
• damit insgesamt quantitative Veränderung des gesamten Grundwasserleiters.
• Durch die 3. Bahn wird die Verschmutzung des Wassers durch Enteisungs-Abwässer
und Schadstoffe zunehmen. Im Sommer, aber auch teilweise im Winter soll das anfallen-
de Niederschlagswasser im Gelände versickert werden. Die Böden im Bereich der ge-
planten 3. Bahn bestehen aus Torfböden und kiesführender Süsswassermolasse, die
quartären Sedimente bestehen aus hochdurchlässigem Kies. “Zwischen quartärem
Grundwasserstockwerk und dem obersten tertiären Stockwerk besteht keine durch-
gehend flächige Abdichtung. Auf Änderungen der Grundwasserverhältnisse ... können
daher daher beide Stockwerke reagieren.” (UVS S. 92). Bei der Abschätzung der Ver-
schmutzungsgefahr wird ausgeführt: “Im Bereich der neuen Nordbahn können Ober-
boden, Torf- und Schluffschichten als wirksame Deckschicht ... Mächtigkeiten von etwa
0,5 bis 1,6 m erreichen.” (S. 94). Da sich die Schadstoffrachten auch über Gräben aus-
breiten können, die geringen Deckschichten durch Bauwerke durchstoßen werden
können und eine flächige Abdichtung nicht vorhanden ist (vgl. S. 92), ist eine Grund-
wassergefährdung weder für den quartären noch für den tertiären Grundwasserstock
auszuschließen.
• Insbesondere die Belastung mit den Enteisungsabwässern (Kohlenstoffverbindungen
Kaliumformat zur Flächenenteisung und Glycol zur Flugzeugenteisung) ist sehr proble-
matisch. Auch im Winter soll der Abfluss der Rollwege im Gelände in einem Abbau-
systemgelände (ASG) versickert werden. Auch eine Einleitung von Enteisungsabwässern
in die Gewässer ist vorgesehen. Es wird ausgeführt „Die bereits genehmigte Einleitung
von gering belastetem Enteisungsabwasser in die Gewässer ist auch für die neuen Flug-
betriebsflächen vorgesehen.“ (UVS S. 39). Zudem erfolgt eine Verwehung in die
Umgebung der Bahnen, Rollwege und Enteisungsflächen.
Bereits heute ist aufgrund der Enteisungsmittel eine nach Norden zunehmende Zone
reduzierender Verhältnisse im Boden und im Grundwasser festzustellen (UVS S. 96,
235). Die im Norden des Flughafens festgestellte Sauerstoffarmut wirkt sich schon jetzt
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 45
feststellbar negativ auf die natürlichen Abbauvorgänge im Boden aus. Dies wird sich
durch die 3. Bahn verstärken (s.u.).
Unter bestimmten Bedingungen gelangt die Oberflächenentwässerung voll in die Gräben
(Starkregen, „Ableitung im Normalbetrieb bei Unterschreitung der Grenzwerte möglich,
um Kläranlage zu entlasten“, S. 236). Insgesamt ist auf alle Fälle mit einer Zunahme
der Belastung der Oberflächengewässer und des Grundwassers zu rechnen.
• Durch die „oberbodenlose Begrünung“ (S. 219) der Flughafenwiesen sind die Schutz-
und Filter- und Stoffumbauleistungen und damit auch der Schutz des Grundwassers
eingeschränkt – und dies gerade in einem Bereich „der relativ höchsten Schadstoff-
einträge aus dem Flugverkehr und dem Straßenverkehr“ (S. 219). Somit „ist ein gewisses
Risiko für die Belastung des Grundwassers nicht auszuschließen.“ (S. 219).
• Baubedingte Erhöhung der Verschmutzungsgefahr, insbesondere für den Keckeis-
graben sehr hohe Konfliktträchtigkeit (vgl. UVS S. 231).
• Hydrologische Veränderungen durch Verlegung und Überbauung von 2.300 m Länge
Fließgewässer. 16 ha (12.400 m) in Anspruch genommene Grundfläche von Bächen und
Gräben (Fachbeitrag Vegetation S. 35). Verringerter Grundwasserzustrom in die verblei-
benden Rest-Gräben (laut UVS insgesamt ca. 50 l/s, S. 230). Angesichts der hohen Vor-
belastung des Gewässersystems durch den bestehenden Flughafen sind die zusätzli-
chen Belastungen umso negativer einzustufen. Besonders hohe Konfliktgefahr besteht
für den Keckeisgraben.
• Durch die negativen Auswirkungen auf die Oberflächengewässer bzw. den Grundwasser-
stand sind auch Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten als solches negativ betroffen
(siehe Kap. 6.2.)
• Durch die Zunahme der Versieglung (dauerhaft 326 ha) und Regenwasserableitung wird
der Oberflächenabfluss in den umliegenden Gräben erhöht.
• Ob tatsächlich keine Abflussverschärfung in der Isar auftritt, wird nicht schlüssig dar-
gestellt. Immerhin wird eine erhöhte Zuleitung bei HQ100 von 2,9 m³/s angenommen (S.
232). Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass im Vorflutgraben bei Hochwasser in der
Isar ein Rückstau erfolgt. Dies kann dazu führen, dass bei zusätzlichem Starkregen in
der Region der Vorflutgraben massiv überlastet wird.
• Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität durch Stoffeinträge. Beispielsweise werden
für das relativ weit entfernte Trinkwasserschutzgebiet im Freisinger Moos im Planungsfall
eine 10-20 µg/m³ höhere NO2-Belastung (bei einer Hintergrundbelastung von 20-35) und
entsprechend eine zusätzliche Stickstoff-Deposition von 2-5 kg N/ha, Jahr (bei einer
Hintergrundbelastung von 6-8 kg N/ha, Jahr aus der Luft) angenommen (UVS S. 153).
Die Zusatzbelastung ist somit doch recht erheblich.
• Mehrbelastung der Kläranlage Eitting durch Enteisungsabwasse und Schmutzwasser.
Die Eingriffe betreffen auch die Zielsetzung des landschaftlichen Vorbehaltsgebietes im
Norden des bestehenden Flughafens (“flächenhafter Zielkonflikt”, UVS S. 61).
Defizite bei der Erfassung und Bewertung:
Ein hoher Grundwasserstand ist essentiell für einen Niedermoorkörper. Das Erdinger Moos
ist durch bereits erfolgte Grundwasserabsenkungen (Entwässerung, aber auch Flughafen-
bau) erheblich vorbelastet, Zielsetzung aller Fachprogramme ist daher vielmehr eine An-
hebung des Grundwasserstandes. Das geplante Vorhaben ist mit dieser Zielsetzung keines-
wegs vereinbar. Es wird nicht glaubhaft nachgewiesen, dass sich die Grundwasserabsen-
kung tatsächlich nur auf das Flughafengelände auswirkt. Die Einschränkung “nicht über
flughafeneigene Flächen” (UVS S. 178) ist wenig aussagekräftig, da diese auch außerhalb
liegen können. Es wird auch nicht glaubhaft nachgewiesen, dass die geplante „Grund-
wasserversickerung“ (UVS S. 27, 227 u.a.) tatsächlich eine Abflussstabilisierung der Gräben
und lokale Einschränkung der Grundwasserabsenkung bewirken kann. Es werden beim
mittleren Grundwasserstand 280 l/s abgeleitet, bei mittlerem Grundwasserhochstand 460 l/s
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 46
(UVS S. 36). Die neu geplante Versickerungsanlage soll aber nur eine Versickerungsleistung
von 120 l/s haben, so dass das abgeleitete Wasser nicht in vollem Umfang versickert werden
kann. Zudem ist nicht schlüssig, warum bei der Ableitung von Grundwasser 280 l/s ange-
geben werden, die Zuflussdefizite zu den Gräben aber nur auf „insgesamt rund 50 l/s be-
ziffert werden [und damit] vollständig ausgeglichen werden“ können (S. 230).
Ein Problem der Grundwasserversickerung ist zudem, dass das zugeleitete Grundwasser
durch Flughafen-Abwasser belastet sein kann: „Daher ist sicherzustellen, dass prioritär
diese beiden Gewässer [Keckeisgraben, Vorflutgraben Nord] nur Zuflüsse durch unbe-
lastetes Grundwasser erhalten. Nach Stand der Planung ist diese Maßgabe berücksichtigt“
(S. 238) – daraus ist zu schließen, dass die anderen Gräben möglicherweise belastetes
Grundwasser erhalten ? Angesichts der vorhandenen Risiken ist die Berücksichtigung auch
für die beiden ökologisch wertvollsten Gräben zu bezweifeln (s.u.).
Es wird nicht schlüssig nachgewiesen, wie die erhöhte Gefährdung des Grundwassers
durch die Regenwasserbehandlung (Regenklärbecken) und die zusätzlich notwendige Ent-
eisungsabwasserbeckenanlage (3. Bahn) bzw. den Anschluss an die vorhandene Ent-
eisungsabwasserbeckenanlage (Vorfeld) und die Weiterleitung zur Kläranlage Eitting aus-
geschlossen werden soll. Nach unseren Informationen schöpft die FMG bereits jetzt ihr
gesamtes Kontingent für den Abbau des Glykols aus. Der Abwasserzweckverband hat im
Winter schon jetzt Probleme mit dem Enteisungsmittel. Glykol ist reiner Kohlenstoff (C) mit
Alkohol und verschiebt das für den Abwasser-Abbau nötige C-N-Verhältnis so stark, dass die
Nitrifikanten zu wenig Stickstoff bekommen und verhungern. Bis sie im Frühjahr wieder nor-
mal arbeiten, dauert es Wochen. Das zusätzlich anfallende Enteisungsabwasser auf der
neuen 3. Bahn würde dieses bereits jetzt bestehende Problem verschärfen. Wie dies gelöst
werden soll bzw. ob dies überhaupt gelöst werden kann, wird in den Unterlagen nicht dar-
gestellt. Es wird von einer „noch nicht vollständig gelösten Enteisungsmittelproble-
matik“ gesprochen, das Risiko aber als „theoretisches Risiko einer Gütebeeinflussung“ ver-
harmlost und dann letztlich unverständlicherweise nur als „sehr gering“ (S. 238) bewertet. Es
erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, dass künftig mehr belastetes Enteisungsabwasser
ins Grundwasser gelangt oder in die Gewässer eingeleitet wird. Wie sich eine derartige
Erhöhung der Abwassereinleitung auswirkt, wird jedoch nicht dargestellt und bewertet.
“Da das Maßnahmenkonzept Enteisungsmittel erst nach seiner Durchführung auf
seine Wirksamkeit hin überprüft werden kann, verbleibt ... ein Restrisiko.“ (UVS S.
248). Dass dieses dann dennoch angesichts der bereits vorhandenen Probleme als
„gering“ bewertet ist, ist unseres Erachtens grob verharmlosend.
Ebenso wird nicht schlüssig nachgewiesen, wie austretende Leichtstoffe in den Rinnen der
Start- und Landebahn und der Schnellabrollwege beseitigt werden sollen.
Bezüglich der Defizite bei der Bewertung der Eingriffe in die Flora und Fauna der Ober-
flächengewässer verweisen wir auf die Ausführungen in Kap. 6.2.. Als zusätzliches Defizit
hinsichtlich der Bewertung der Vereinbarkeit mit der Wasserrahmenrichtlinie ist anzuführen,
dass die Zielsetzung der Durchgängigkeit nicht als Faktor bewertet wurde (UVS S. 229/230).
Angesichts der unzweifelhaft vorhandenen Eingriffe und keineswegs auszuschließen-
den Gefahren der negativen Veränderungen der Oberflächengewässer, insbesondere
für den besonders wertvollen Keckeisgraben (vgl. UVS S. 231: „Deshalb liegt ein
Schwerpunkt in der Prüfung der Auswirkungen auf diesem Gewässer“) ist entgegen
der UVS nicht davon auszugehen, dass negative Auswirkungen „nicht zu erwarten
sind“ (S. 233).
Ein weiteres Defizit ist die völlig fehlende Darstellung der Auswirkungen auf das Ökosystem
Grundwasser, welches ein völlig eigenes Ökosystem mit hoch empflindlichen und stark
spezialisierten Arten darstellt. Das Ökosystem Grundwasser ist im Biotoptypenschlüssel des
Bundesamtes für Naturschutz enthalten und wird auch in der Strategie der Bundesregierung
zum Erhalt der biologischen Vielfalt aufgeführt. Es liegen mittlerweile genügend Erkenntnisse
zur Artenausstattung des Ökosystems Grundwasser vor, die eine Betrachtung im Rahmen
der UVS als Schutzgut begründen und zwingend erforderlich machen.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 47
Mit all diesen Auswirkungen verstößt das geplante Vorhaben gegen die Wasser-
rahmenrichtlinie (WRRL). Deren Ziel ist ein guter mengenmäßiger und chemischer Zustand
des Grundwassers und der grundwasserabhängigen Landökosysteme (Feuchtgebiete). So-
wohl die Grundwasserabsenkung, die direkten Eingriffe durch Überbauung und Verlegung
als auch die Zunahme der stofflichen Belastung widerspricht dieser Zielsetzung.
Angesichts der hohen Vorbelastung des Grundwassers im Erdinger Moos ist weder der
mengenmäßige Zustand des Grundwassers noch der ökologische Zustand der Oberflächen-
gewässer im Erdinger Moos derzeit noch als gut zu bewerten (entgegen der UVS), jeder
weitere Eingriff in den Grundwasserkörper im Sinne einer weiteren Absenkung würde den
Zustand verschlechtern und einer nötigen Verbesserung entgegenstehen.
6.6. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Mensch (Lärm, Luft, Erholung), und
Landschaft
6.6.1. Lärmbelastung, Luftqualität
a) Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:
• Zunahme der Lärmbelastung durch den Flugverkehr mit entsprechender Gefährdung für
die Gesundheit, Entwertung der Lebensqualität, in Attaching wird ein Dauerschallpegel-
wert von bis zu 71 dB(A) erreicht, die Förderschule in Pulling wird einen Dauerschall-
pegelwert von bis zu 64 dB(A) erreichen ! Siehe Ausführungen unten.
• Ca. 80 Menschen (v.a. in Schwaigermoos) sind durch die Flächeninanspruchnahme von
der Absiedelung betroffen,
• Erhöhte Lärmbelästigung durch die Zunahme des Zubringerverkehrs,
• Zunahme der Schadstoffbelastung durch den Flugbetrieb und Zunahme des Zubringer-
verkehrs, dabei ist es unseres Erachtens irrelevant, ob die “flughafeninduzierten
Immissionsbeiträge ... dabei in Relation zur Gesamtbelastung von untergeordneter Be-
deutung [sind].” (UVS S 148), denn entscheidend ist, dass die Ausweitung des Flugver-
kehrs durch die geplante 3. Bahn eine zusätzliche Belastung darstellt und jede zusätz-
liche Belastung gerade in einem vorbelasteten Raum vermieden werden muss (insbe-
sondere wenn die Begründung für das Vorhaben unzureichend ist, s.o.).
Damit weitere Verschlechterung der Luftqualität, mit all ihren negativen Auswirkungen
auf die Gesundheit und Lebensqualität, insbesondere Zunahme des Stickstoffdioxid
(NO2) und des Feinstaubes. Diese beiden Stoffe weisen bereits jetzt am Flughafen
relativ hohe Werte mit steigender Tendenz auf, es wird “Handlungsbedarf gesehen
(Ausweitung der Messungen).” (UVS S. 107), der unseres Erachtens nur in der Reduk-
tion des Ausstosses liegen kann. Beim Feinstaub treten bereits jetzt wie z.B. im Sommer
2006 (Abb. 8) Grenzwert-Überschreitungen auf. Laut UVS war der Schwebstaub-
Jahresmittelwert 2003 um ca. 30% erhöht, auch die Konzentrationen anderer Luft-
schadstoffe waren wohl erhöht. Wir weisen deutlich darauf hin, dass angesichts der
Klimaveränderung Wetterlagen wie im Sommer 2003 nach Aussagen der Klimaforscher
häufiger werden und keinesfalls Jahrhundert-Ereignisse bleiben werden. Vor diesem
Hintergrund ist eine weitere Zunahme der Belastung durch eine erhebliche Ausweitung
des Flugverkehrs noch kritischer zu sehen.
Auch für Ozon treten bereits jetzt Überschreitungen von Richtwerten auf (Abb. 9). Die
WHO hat aktuell sogar eine Verschärfung des Grenzwertes auf 1000 µg/m³
vorgeschlagen. Mit einer Zunahme um 10 µg/m³ steigt die tägliche Sterblichkeitsrate um
0,3% (WHO 2006).
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 48
Abb. 8: Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaub am Münchner Flughafen im Juli 2006
(Quelle: FMG). Grenzwert PM10: 40 µg/m³ (Jahr), 50 µg/m³ Tageswert dürfen nur 35 Tage/ Jahr
überschritten werden. Bis Ende Juli 2006 war der Tages-Grenzwert bereits 34 mal
überschritten. Tage ohne Balken: Messgeräte-Ausfall.
Abb. 9: Überschreitung der Grenzwerte für Ozon am Münchner Flughafen im Juli 2006 (Quelle:
FMG).
Das bedeutendste Quellgebiet für Stickstoffdioxid ist der Bereich Vorfeld-West und
nördliche Rollbrücken (UVS S. 105). Selbst wenn die Aussage der UVS, dass die Kon-
zentrationen (11-40 µg/m³) im Bereich der Hintergrundbelastung (20-35 µg/m³) liegen,
stimmen sollte (S. 107), ist doch festzustellen, dass hier wegen der Autobahn einen hohe
Hintergrundbelastung vorhanden ist, die jedoch nicht dazu führen kann, zusätzliche hohe
Belastungen in Kauf zu nehmen. Mit der Ausdehnung des Flugverkehrs nach Bau einer
3. Bahn wird einer weitere Erhöhung stattfinden (gegenüber Prognosenullfall um 0-4
µg/m³, d.h. gegenüber aktueller Belastung um bis zu > 4 µg/m³), die für diesen Raum
eine erheblich Zusatz-Belastung darstellt.
Bei der Darstellung der Belastungssituation durch Stickstoffdioxid führt die UVS selbst
aus (S. 149 ff.), dass an einigen Messtellen eine Bandbreite von 38-43 µg/m³ (Brandau,
Attaching, Freising-Süd) auftritt, d.h. über den Grenzwert von 40 liegt. Dass innerhalb
dieser Bandbreite die „unteren Erwartungswerte wesentlich realitätsnäher“ seien (S. ), ist
eine reine Annahme. Auch die Aussage, dass die Zunahme der Emission um bis zu 4
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 49
µg/m³ (z.B. Attaching) “bezogen auf den Immissionsjahreswert von 40 µg/m³ ... eine
vergleichsweise geringe Zunahme ist" (S. 149) ist angesichts der Zunahme in den
Grenzwertbereich unzulässigerweise verharmlosend.
Ergänzend weisen wir auch hier darauf hin, dass für NOx nach der BimSchV zum Schutz
der Vegetation und Ökosysteme in unbelasteten Gebieten ein Grenzwert von 30 µg/m³
im Jahresmittel besteht (s.o.). Dieser Vorsorgewert wird im Gebiet bereits durch die
Hintergrundbelastung erreicht und “die Gesamtbelastungen für 2004 überschreiten
diesen Wert bereits bei weitem” (S. 200 UVP). Auch daraus ist abzuleiten, dass eine jede
weitere Steigerung der Belastung zu vermeiden ist !
• Zunahme der Belastung der Stickstoff-Deposition durch Flughafenbetrieb und Straßen-
verkehr im Planungsfall um 3,5-4 kg/ha, Jahr (d.h. gegenüber der aktuellen Ist-Belastung
2-3 kg/ha, Jahr noch höherer Werte). Dies entspricht “etwa 40-67 % der Hintergrund-
belastung” (UVS S. 150) – wie angesichts dessen die Schlussfolgerung gezogen wird,
dass “die Gesamtbelastung ... zum großen Teil durch die Hintergrundbelastung geprägt
wird” (S. 150) ist nicht nachvollziehbar.
Sogar für das relativ weit entfernte Trinkwasserschutzgebiet im Freisinger Moos ergibt
sich im Planungsfall eine 10-20 µg/m³ höhere NO2-Belastung (bei einer Hin-
tergrundbelastung von 20-35) und entsprechend eine zusätzliche Stickstoff-Deposition
von 2-5 kg N/ha, Jahr (bei einer Hintergrundbelastung von 6-8 kg N/ha, Jahr aus der
Luft). Die Zusatzbelastung ist somit doch recht erheblich.
Zur Wirkung der Stickstoff-Deposition auf das Schutzgut Arten und Lebensräume siehe
Kap. 6.2..
• Erhöhte Lärm- und Schadstoffbelästigung während der Bauphase im Bereich der
Baustelle und den Baustellenzufahrtsstraßen (v.a. erhebliche Kiestransporte),
• Veränderung des Mikro- und Mesoklimas durch veränderte Verdunstung, erhöhte
Temperaturen u.a. als Folge der zunehmenden Versiegelung, der Grundwasserabsen-
kung und des laufenden Betriebes. Bereits durch den Flughafenbau hat die Zahl der
Nebeltage und -stunden erheblich abgenommen (335 Stunden gegenüber 756 Stunden
in Schwaigermoos), die mittlere Temperatur hat sich um 1,3° C erhöht (UVS S. 103).
• weitere Entwertung der nächtlichen Dunkelheit durch Zunahme der Lichtemission im
Süden Freisings, insbesondere unmittelbare Störungen durch nahe Lichtquellen in
Attaching und Eittingermoos.
• Und letztlich auch Zunahme der elektromagnetischen Felder im Bereich der geplanten
3. Bahn, deren negative Wirksamkeit auf den Menschen stark umstritten ist, aber
zumindest bisher auch nicht zweifelsfrei auszuschließen ist.
Zur Zunahme der Lärmbelästigung:
Hohe Fluglärmbelastung vermindert nicht nur die Lebensqualität, sondern ist nachgewiese-
nermaßen Ursache für erhöhtes Herzinfarktrisiko sowie bei Kindern für Konzentrations- und
Lernschwierigkeiten. Auch die Aushöhlung der Nachtflugbeschränkungen trägt hierzu bei.
Die Verlegung des Flughafens von Riem ins Erdinger Moos war mit der größeren Ent-
fernung von Siedlungsgebieten zum Schutz der Bevölkerung Münchens begründet –
nun rückt der Flughafen immer näher in die Stadt Freising. Erheblich mehr Menschen
als bisher (v.a. in Attaching) werden mit der 3. Startbahn einem unzumutbaren unerträgli-
chen Lärmpegel ausgesetzt sein:
Pegel Aktuell (2004) Betroffenheit im Planungsfall
> 70 dB(A) > 100
70 - 65 dB(A) Ca. 490
65- 60 dB(A) Ca. 2.530
Gesamt > 60 dB(A) 1.070 Ca. 4.715
Gesamt > 50 dB(A) Ca. 10.000 Ca. 20.000 (eigene Schätzung)
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 50
Bisher waren ca. 1.070 Menschen einem Lärmpegel von > 60 dBA ausgesetzt, mit der
3. Bahn werden dies insgesamt bis zu 5.000 (ca. 4.715) sein (1.915 beim Prognosenullfall
+ zusätzlich 2.800 Personen beim Planungsfall, UVS S. 136). D.h. für diese Personen sind
nach der Rechtssprechung Maßnahmen zur Lärmminderung nötig, die jedoch keineswegs
die Beeinträchtigung der Lebensqualität mit möglichen gesundheitlichen Auswirkungen redu-
zieren können, denn die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist allein auf den Innenraum be-
schränkt und auch dort nicht problemlos (z.B. verringerte Lebensqualität durch geschlossene
Fenster im Sommer etc.). Die Überflughöhe von teilweise nur 70 m kann nicht nur für Kinder
eine grundsätzlich bedrohliche Situation darstellen.
Auch für die erst vor 2 Jahren (unter der Zusage, dass sich der Fluglärm nicht erhöhen wür-
de) von der Innenstadt nach Pulling verlegte Förderschule wird sich die Lärmbelastung deut-
lich erhöhen, etwa 550 Flugzeuge können hier täglich darüber hinweg fliegen.
Eine Lärmbelastung von über 65 dB ist nach LEP Zone A, d.h. hier sind nur Neubauten zu-
gelassen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Flughafen und dessen Betrieb ste-
hen. Große Siedlungsbereiche v.a. des Freisinger Ortsteiles von Attaching würden laut
Raumordnungsgutachten innerhalb dieser Zone liegen. Weitere große Wohngebiete u.a. von
Attaching, Berglern und Pulling würden in Zone B (über 62dB) liegen, in der Neubauvorha-
ben nur für Industrie und Gewerbe, aber nicht für Wohnbebauung zulässig sind. Im Bereich >
58 dB (Zone C) sind immer noch Baubeschränkungen vorgesehen. Die Zahl der Menschen,
die dort leben, wo Wohnhäuser nicht mehr gebaut werden dürften d.h. eigentlich unzumut-
bare Wohnbedingungen herrschen, wird somit erheblich zunehmen.
b) Defizite in der Bewertung:
1. Fluglärm:
Die vorgelegte schalltechnische Untersuchung weist erhebliche Mängel auf. Wir verweisen
auf die Stellungnahme der Stadt Freising einschließlich der dort beigefügten Gutachten.
Insgesamt wird die negative Auswirkung des Fluglärms verharmlost. Zu den Definitionen der
Erheblichkeit ist anzumerken, dass in der UVS selbst auf andere Definitionen hingewiesen
wird, z.B. auf die Empfehlung des SRU und der WHO, wonach oberhalb von 60-65 dB(A)
tags und 50-55 dB(A) nachts von einem erhöhten Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigun-
gen auszugehen ist und Lärmpegel ab 55 dB(A) tagsüber eine erhebliche Störung und
Belästigung darstellen (vgl. auch S. 130 UVS). Schon mit einer Belästigung ist durch er-
höhten Stress ein erhöhtes Risiko gegeben. Dieses ist unseres Erachtens völlig ausreichend,
eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen, zumal beispielsweise Kinder immer empfind-
licher reagieren. Es erscheint geradezu zynisch, wenn sich die Verfasser der UVS hierzu die
„Anmerkung“ erlauben, dass SRU/ WHO nur von Risiken, aber nicht von Wirkungen spre-
chen – als ob es für die betroffenen Menschen nicht ausreichend erheblich wäre, wenn sie
einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Auch der Schwellenwert 55 dB(A) von Griefahn et al.
(nach dem Minimierungsgebot) wird von den Gutachtern ignoriert und letztlich als Schwelle
der erheblichen Belästigung ein Wert von 60 dB(A) bzw. als Richtwert zur Prävention einer
Gesundheitsgefährdung 65 dB(A) bzw. als Schwelle der Gesundheitsgefährdung 70 dB(A)
angenommen (für 6.00-22.00 Uhr). Dies ist ebenso wie der Nacht-Grenzwert viel zu hoch
angesetzt.
Die besondere Betroffenheit oder Empfindlichkeit von Kindern wird von den Gutach-
tern überhaupt nicht einmal erwähnt, was z.B. auch angesichts der hohen Betroffenheit
der Förderschule in Pulling grob fahrlässig ist (hier bis zu 64 dB(A) Dauerschallpegel tags-
über). Gerade Kinder sind nachgewiesenermaßen vom Fluglärm massiv betroffen. Vgl. Inno-
vationsreport 24.07.2006: „Es wurde eine europaweite Studie zu den Auswirkungen von
Lärmbelastung auf Kinder durchgeführt. Dazu gehörten auch ein Instrument zur psychologi-
schen Wiederherstellung und ein Bewertungsmodell zur Gesundheit der Kinder. Kinder sind
genau wie die erwachsene Bevölkerung durch die Lärmbelastung einem hohen Risiko aus-
gesetzt. Der von Flugzeugen und dem Straßenverkehr verursachte Lärm hat nachweislich
negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Gesundheit bei Kindern. Dazu gehören
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 51
Missstimmungen, stressbedingte physiologische Auswirkungen, eine verminderte Wahrneh-
mungsfunktion, erhöhter Blutdruck und Schlafstörungen.“ Die Schäden treten bereits ab Be-
lastungswerten deutlich unter 60 dB(A) auf.
Weiterhin stark relativierend ist methodisch die grundsätzliche Bezugsbasis der Dauer-
lärmpegel. Die Belastung für die Menschen resultiert aber zu einem hohen Teil aus den
lautesten Ereignissen, auch wenn diese nicht dauerhaft auftreten. Stärkeres Gewicht in der
Darstellung müssten daher die tatsächlich auftretenden Maximalwerte erhalten. Mittelwerte
einer Dauerlärmbelastung sind nur beschränkt aussagekräftig, da die Gesundheitsschädi-
gung und Beeinträchtigung der Lebensqualität gerade auch von den maximal auftretenden
Lärmpegeln beeinträchtigt wird.
Ebenfalls stärkeres Gewicht müsste die Darstellung der Überflugsituation und Lärmbelastung
in Sondersituationen erhalten. Bereits heute werden sog. „Gewitter-Routen“ geflogen, auch
wenn weit und breit kein Gewitter oder eine vergleichbare Situation erkennbar ist. Der Über-
flug außerhalb der normalen Routen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Eine
wichtige Rolle würde bei dieser Betrachtung beispielsweise der 30°-Winkel bei Starts nach
Nordwesten über Vötting spielen.
Die UVS ist hinsichtlich der Darstellung der lokalen Lärmminimierung fehlerhaft. Zum einen
wird dargestellt, dass für Attaching eine Minimierung durchaus möglich wäre, damit aber nur
110 Flugbewegungen/ Stunde möglich wären. Dies wäre eine „deutliche Verfehlung des Pla-
nungsziel von mindestens 120 Flugbewegungen/h, daher kann [dies] ... nicht zugrunde ge-
legt werden.“ (UVS S. 42-43). Wenn derartige Minimierungsmaßnahmen unter Bezug auf
einen angeblichen (unser Erachtens falsch begründeten) Bedarf der Antragsteller von vorne
herein ausgeschlossen werden, kann die darauf aufbauende Abwägung nicht korrekt sein.
Insgesamt können wir das Fazit der UVS (S. 137), dass die Auswirkungen der Fluglärmbe-
lästigung angesichts der Lärmschutzmaßnahmen und der Beschränkung auf „räumlich be-
grenzte Ortslagen“ als „mittel bis hoch“ eingestuft wird, nicht teilen. Die negativen Auswir-
kungen sind als mindestens „hoch“ bzw. sogar „sehr hoch“ zu bewerten.
Angesichts der bestehenden, derzeit gültigen Nachflugregelungen am Flughafen München
muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Belastung durch den Fluglärm de facto
von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr erstreckt (z.B. im Gegensatz zum Flughafen Frankfurt). Auch die
Erhöhung des Fluglärms durch eine 3. Bahn würde die Belastung für diesen gesamten Zeit-
raum erhöhen.
2. Luftschadstoffe:
Wie unter Punkt a) bereits dargestellt, ist unseres Erachtens die zusätzliche Belastung
durch vermehrten Ausstoß von Luftschadstoffen zu gering bewertet (z.B. Zunahme der
Belastung der Stickstoff-Deposition im Bereich von “etwa 40-67 % der Hintergrundbelastung”
– aber Bewertung, dass “die Gesamtbelastung ... zum großen Teil durch die
Hintergrundbelastung geprägt wird” (S. 150)).
Der Verweis auf die Jahresmittelwerte beim Feinstaub bzw. auf die Monatsmittelwerte bei
Ruß sind nur bedingt aussagekräftig. Nötig wären Angaben zu den Tageswerten und zu den
Spitzenwerten, auch um festzustellen, ob und wie oft Grenzwertüberschreitung gegeben
wären. Auch ist es keinesfalls ausreichend, festzustellen, “beim Feinstaub traten mehrfach
erhöhte Werte auf. Diese sind noch nicht erklärbar.” (UVS S. 107).
Zum Feinstaub ist zudem anzumerken, dass die WHO erst vor kurzem eine Verschärfung
der Grenzwerte vorgeschlagen hat – für PM10: 20 µg/m³ (Jahr), 50 µg/m³ (Tag) – und für die
noch kleineren Partikel eine verstärkte Betrachtung mit strengen Grenzwerten gefordert hat
(PM2,5: 10 µg/m³ (Jahr), 25 µg/m³ (Tag). Jede Erhöhung der PM2,5-Belastung um 10 µg/m³
führt zu einer höheren Sterberate um 6%. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer strikten
Vermeidung zunehmender Belastungen. Auch die PM2,5-Werte hätten in die Bewertung mit
einbezogen werden müssen. Die von Flugzeugtriebwerken emittierten Feinstäube in Form
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 52
von Ruß sind bisher weitgehend ignoriert worden. Durch den hohen Anteil an sehr kleinen
Partikeln, die bis in die Lungenbläschen eingeatmet werden können, und die mit einer
Vielzahl organischer Verbindungen belastet sind, können diese Feinstäube besonders
gesundheitsschädlich sein (vergleiche Diskussion über Feinstaubimmissionen durch den
Straßenverkehr). Diese Problematik wird von den Planern einer dritten Startbahn für den
Münchner Flughafen ignoriert bzw. bagatellisiert. In London dagegen wurde die Erweiterung
des Flughafens Heathrow durch eine dritte Startbahn vorerst zurückgestellt, da derzeit nicht
sichergestellt werden kann, dass nach dem Ausbau die europäischen Luftreinhalterichtlinien
eingehalten werden können.
Zu den PCDD/F-Messprogrammen wäre eine Karte mit der genauen Lage der Messstand-
orte nötig. Beispielsweise sind uns Messstellen mit Grünkohlpflanzen im Freisinger Moos
bekannt, die abseits des Hauptflugbereichs liegen und daher wohl relativ geringe Aussage-
kraft haben. Die Grünkohlmessungen sind grundsätzlich nur direkt im Bereich der Bahnen
und nur für bestimmte Stoffe (z.B. PAK) aussagekräftig.
Dass die Gutachter bei der Bewertung der Immissionsbelastung und möglichen Vermei-
dungsmaßnahmen auf die “Aufgabe der staatlichen Luftreinhaltepolitik” hinweisen, vorran-
gig beim KfZ-Verkehr emissionsmindernde Maßnahmen durchzusetzen (UVS S. 151), beim
Vorhaben aber keine Vermeidungsmöglichkeiten erkennen, spricht für sich. Nicht dass wir
entsprechende Maßnahmen beim KfZ-Verkehr nicht für sinnvoll halten – aber es muss
natürlich der Luftverkehr gleichermaßen mit einbezogen werden, d.h. das unbegründete
(s.o.) geplante Wachstum des Flugverkehrs mit einer 3. Bahn ist als solches zu vermeiden.
Angesichts der dargestellten Kritikpunkte kann somit die Schlussfolgerung, dass die
negative Auswirkung durch die Zunahme der Schadstoffbelastung “als gering
bewertet” wird (UVS S. 151), von uns nicht geteilt werden.
3. Zusätzliche allgemeine Defizite in der Bewertung:
Viele der negativen Auswirkungen werden in der UVS nur als „gering“ oder sogar „sehr ge-
ring“ bewertet. Diesem Urteil können wir uns keineswegs anschließen.
Teilweise wird sogar in den Unterlagen darauf hingewiesen, dass die Belastungen doch rela-
tiv groß sein können, doch dann wird die Betroffenheit durch relativierende Annahmen und
verharmlosende Aussagen gering bewertet. Beispiel baustellenbedingte Staubentwicklung:
„kann während ungünstiger Randbedingungen (hohe Fahrzeugfrequenz, Trockenheit, starker
Wind) relativ groß sein“ (UVS S. 125) – Bedingungen, die im Zuge der Klimaerwärmung im
Sommer durchaus häufiger auftreten können, doch nach der UVS werden „solche Verhält-
nisse ... während des Baubetriebes eher eine Ausnahme darstellen.“ (S. 127). Und dann:
„Innerhalb eines solchen potenziellen Wirkungsraumes [300 m] sind keine Wohngebiete und
geschlossene Siedlungsbereiche vorhanden“ (S. 126) – was ist mit Schwaigermoos, Grün-
schwaige ? Und weiter: „Grundsätzlich können baustellenbedingte Staubemissionen durch
geeignete Konzepte ... effektiv reduziert werden.“ (S. 126) – nur ob dies dann in der Bau-
phase tatsächlich realisiert wird (z.B. wäre „darauf zu achten, dass Flächen stark staubender
Materialien nicht vollständig abtrocknen.“ (S. 126)), ist stark zu bezweifeln. Weitere Beispiele
derartiger Verharmlosung der negativen Auswirkungen ließen sich anführen.
Auf die grundsätzlich fehlerhafte und verharmlosende Bewertung durch den Vergleich
der mit der Planung verbundenen Lärmbelastung mit dem Prognosenullfall (S. 128, 133
u.a.) wurde bereits einleitend hingewiesen (s.o.). Es ist ein grober Mangel der UVS, dass
sich in der UVS keine Karte mit der Zunahme der Lärmbelastung gegenüber dem aktuellen
Zustand findet.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 53
6.6.2. Erholung und Landschaftsbild
Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:
• Verlärmung von wichtigen Naherholungsgebieten bis zur vollständigen Entwertung,
• Flächeninanspruchnahme von 1.150 ha (davon außerhalb des bestehenden
Flughafens 970 ha), d.h. Verlust dieser Flächen für das typische Landschaftsbild des
Erdinger Mooses, für die Naherholung und als „freie Fläche“. Davon Verlust 40 ha Fläche
mit hohem Landschaftsbildwert, 650 ha mit mittlerem Landschaftsbildwert (Fachbeitrag
Vegetation S. 34).
• davon Flächenversiegelung von 326 ha (neue Versiegelung von 169 ha + Vorfeldfläche
157 ha) mit totalem irreversiblen Verlust des Wertes für das Landschaftsbild.
• Verlust von mindestens 95 ha landschaftbildprägender Strukturen (v.a. Gehölze,
Hecken, Bäche, Gräben),
• Inanspruchnahme von ca. 460 ha Fläche des Grünzugs und damit Zerstörung des Grün-
gürtels im Norden des bestehenden Flughafens und damit Verschlechterung der Funk-
tionen des Erdinger Mooses als Raum für die Kaltluftentstehung und Frischluftzufuhr
sowie dessen Funktion als “großräumiger, landschafts- und klimaökologischer Aus-
gleichsraum”. Die schon jetzt schmale Verbindung zwischen den Grünzügen Erdinger
Moos im Nordosten des Flughafens und den Isarauen im Westen des Flughafens wird
durch die 3. Bahn so stark verkleinert, dass die Funktionsfähigkeit stark in Frage gestellt
wird. Zwischen Attaching und dem Flughafen und damit zwischen Freising und dem Flug-
hafen verbliebe zumindest keinesfalls ein “großräumiger” Ausgleichsraum (vgl.: UVS S.
62 und 162: “schmale Vernetzungsachse südlich Attaching”). Für die Zerstörung dieser
Grüngürtelfunktion in eben genau diesem Bereich ist es auch irrelevant, ob der relative
Flächenanteil “im Vergleich zur Gesamtausdehnung des Grünzuges verhältnismäßig
gering bleibt” (UVS S 63, ähnlich auch S. 253); denn entscheidend ist, dass kein anderer
Bereich des Grüngürtels die Verbindungsfunktion an genau dieser zentralen Verbindung
für den Ost-West-Ausgleich ersetzen kann. Dies gilt sowohl für den Luftaustausch als
auch für biologische Verbindungsfunktionen. Denn die engste Verbindungsstelle
zwischen Erdinger und Freisinger Moos besteht hier im Norden und nicht im Süden des
Flughafens.
Auch in der UVS werden Veränderungen für die nähere Umgebung prognostiziert und
sind nur für die “weitere Umgebung ...auszuschließen” – ohne dass jedoch die nähere
Umgebung näher abgegrenzt wird.
Der Aussage der UVS, wonach “durch das Vorhaben ... keine nennenswerten Aus-
wirkungen auf die Funktionen und Zielsetzungen des Regionalen Grünzuges zu
erwarten [sind]” (UVS S. 63) wird daher widersprochen.
• Weitere großräumige Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Erdinger Mooses
durch die Ausdehnung der technischen Flughafen-Infrastruktur fast bis hin zur Autobahn.
Insbesondere vom Rand des Hügellandes massiv wahrnehmbar. Damit weitere Entwer-
tung und technische Überprägung des typischen Landschaftsbildes im Erdinger Moos.
Defizite in der Bewertung Erholung/ Landschaft:
Es ist fachlich absolut unzutreffend, dass „dem Untersuchungsgebiet landschaftliche Höhe-
punkte und attraktive Naherholungsziele [fehlen]“ (UVP S. 29) – dies missachtet in unzuläs-
siger Weise den Wert des Gebietes der Stoibermühle, des Freisinger Mooses oder der Isar-
auen. Auch wenn die Stoibermühle nur lokal von Bedeutung wäre, ist dies kein Argument für
einen geringeren Wert, denn gerade die Entwertung örtlicher Naherholungsgebiete für die
örtliche Bevölkerung ist angesichts der zahlreichen Vorbelastungen im Raum gravierend.
Die Einschätzung, dass „deutliche Mehrbelastungen ... durch das Vorhaben nicht entstehen
[werden]“ (UVS S. 29) ist fachlich absolut nicht haltbar und missachtet den Erholungswert
von „Ruhe“ in unverantwortlicher Art und Weise. Bereits jetzt sind wichtige Naherholungs-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 54
gebiete Freisings (z.B. Pullinger Weiher) schon so verlärmt und damit in ihrem Erholungs-
wert entwertet, dass sie von zahlreichen Personen nicht mehr aufgesucht werden. Für den
Pullinger Weiher wird die Belastung noch weiter zunehmen (> 60 dB(A)). Im Planungsfall
wird insbesondere das Gebiet der Stoibermühle massiv entwertet (Dauerschallpegel 50-56
dB(A)), die künftige Belastung durch den Fluglärm ist auch nicht durch den Verweis auf die
starke Vorbelastung durch den Autobahnlärm zu verharmlosen. Der gesamte Norden des
Erdinger Mooses wird durch die 3. Bahn angesichts weiterer Belastungen durch die Auto-
bahn und das Verschwinden großflächiger Zwischenräume massiv für die Naherholung
entwertet.
Auch die bestehenden Wander- und Radwege in anderen Naherholungsgebieten werden
durch vermehrten Lärm vermehrt beeinträchtigt. Dies betrifft sowohl die Isar, aber sogar
auch das Freisinger Moos (in Teilbereichen schon heute Fluglärm für die Naherholung stark
störend).
Dass die Auswirkungen dennoch in der UVS nur als “gering bis mittel” (S. 168 -
Erholung) bzw. „mittel“ (S. 259 - Landschaftsbild) bewertet werden, ist nicht
nachvollziehbar. Vielmehr ist eine hohe Belastung anzunehmen.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 55
7. Fehlen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung, Defizite der
Verträglichkeitsbetrachtung
Die vorgelegte FFH-Verträglichkeitsbetrachtung entspricht in ihren Anforderungen nicht einer
FFH-Verträglichkeitsprüfung. Die Gutachter kommen selbst zu dem Ergebnis, dass zumin-
dest für zwei FFH-Gebiete (Isarauen, Moorreste im Erdinger und Freisinger Moos) eine
tatsächliche FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Umso unverständlicher bleibt,
warum diese FFH-Verträglichkeitsprüfung dann nicht auch durchgeführt wurde. Unseres
Erachtens wäre zudem auch eine FFH-VP für das SPA Freisinger Moos zwingend nötig.
Die Vorgabe Bayerns, dass eine FFH-VP grundsätzlich erst im Planfeststellungsverfahren
durchzuführen ist, ist weder fachlich noch rechtlich haltbar und nicht vereinbar mit der FFH-
RL. Das Fehlen von FFH-Verträglichkeitsprüfungen für betroffene FFH-Gebiete ist
daher ein großes Defizit der Planung.
7.1. Fachliche Defzite in der Darstellung und Bewertung der Auswirkungen:
Bezüglich der Betroffenheit der Natura 2000-Gebiete verweisen wir auf unsere Ausführungen
in Kapitel 6 zur UVS. In den durch die Auswietung des Flugverkehrs betroffenen Natura
2000-Gebieten kommen eine erhebliche Anzahl an Arten und Lebensräumen der FFH- und
Vogelschutz-Richtlinie vor.
Entsprechend des Verzichtes auf Durchführung einer tatsächlichen FFH-VP ist die Erfas-
sungsgrundlage völlig unzureichend (keine Erfassung/ Darstellung der Vorkommen der
Lebensraumtypen und Arten der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie etc.). Dass die Auflistung
der Arten und Lebensräume der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie und der lebensraum-
charakteristischen Arten vollständig ist, kann angesichts des Fehlens gezielter Erhebungen
und des Fehlens von Managementplänen (außer Isarauen, in Erstellung) bezweifelt werden.
Völlig inakzeptabel ist – wie auch in der UVP - die Basis der Beurteilung der Verschlechtung
(FFH-VB S. 17): Es wird angeführt, dass „in der Analyse der möglichen Projektwirkungen die
für den Prognosenullfall (ohne Ausbau) prognostizierten Belastungen als Vorbelastung an-
gesetzt und nur die Differenz zwischen Prognosenullfall und Planungsfall als vorhabensbe-
dingt gewichtet [wird]. Zeithorizont ist dabei jeweils das Jahr 2020.“ Da auch der Prognose-
nullfall eine Steigerung des Flugverkehrs beinhaltet (s.o.) wird eine 2020 möglicherweise
auftretende Zusatzbelastung jetzt als Vorbelastung angesetzt. Bewertungsbasis für das
Verschlechterungsverbot und die Bewertung der Auswirkungen und der Erheblichkeit ist
somit nicht der aktuelle Ist-Zustand, sondern der Differenz-Zustand zwischen einem Zustand
2020 ohne 3. SLB und mit 3 SLB. Eine derartige Bewertungsbasis ist fachlich völlig
inakzeptabel und rechtlich nicht haltbar. Es ist ganz klar, dass die Auswirkungen eines
Eingriffes an der Verschlechterung gegenüber dem aktuellen Zustand bewertet werden
müssen.
Daraus folgt, dass die Darstellungen der negativen Auswirkungen in der FFH-
Verträglichkeitsbetrachtung alle konsequent zu niedrig und damit falsch dargestellt
sind. Dies betrifft insbesondere die Auswirkungen durch den Lärm und die
Auswirkungen durch Stickstoffeinträge über die Luft.
Die negativen Auswirkungen des Vorhabens auf die FFH-Gebiete werden nicht in allen
Punkten dargestellt. Es sind folgende Defizite in der Darstellung und Bewertung der
Wirkfaktoren vorhanden:
• entgegen der in Kapitel 8.1. oder auf S. 21 ff. begründeten Bewertung der Lärmauswir-
kung auf Vögel, sind wir der Ansicht, dass der Fluglärm durch die Zunahme durchaus
die Qualität von „Dauerlärm“ erreicht. Einige der dort angeführten Beispiele (wie z.B.
Untersuchungen vom Flughafen Bremen, Flughafen auf den Weihnachtsinseln) sind mit
der Belastung am Flughafen München nicht vergleichbar. Die prognostizierten mittleren
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 56
Pausen von 64 (47) bis 417 (254) Sekunden Länge sind Mittelwerte. Die Flugbewegun-
gen haben aber gerade zur Zeit der Gesangsaktivität der Vögel (frühmorgens und spät-
nachmittag) einen deutlichen Höhepunkt (vgl. Abb. des Antrags), so dass hier die Pau-
senzeiten erheblich kürzer sein werden. Damit ist die Gefahr der Maskierung von Ge-
sängen entgegen der Schlussfolgerung der Gutachter sehr wohl in die Betrachtung der
negativen Auswirkungen mit ein zu beziehen. Dass der “Wirkfaktor Fluglärm/optische
Stimuli durch Über-/Vorbeiflüge [im ROV] nicht weiter betrachtet wird“ (FFH-VB S.
130, vgl. S. 21 u.a.), ist ein Defizit v.a. der Betrachtung der Vogelschutzgebiete (vgl.
auch Kritik an UVP), insbesondere auch für das Freisinger Moos.
Da aber entsprechend auch negative Auswirkungen auf Säugetiere (z.B. Fledermäuse),
Heuschrecken, Amphibien o.a. nicht sicher ausgeschlossen werden können, ist das
Fehlen dieses Wirkfaktors auch ein Defizit der Betrachtung der FFH-Gebiete. Das Ar-
gument, dass der Fluglärm „nur im Sommerhalbjahr und auch hier nur in beschränktem
in die nächtliche Aktivitätszeit der Fledermäuse hineinreicht“ (FFH-VB S. 132) mutet et-
was seltsam an, da ersteres die Auswirkungen überhaupt nicht und zweiteres nur wenig
relativiert.
• Wir sehen ein erhöhtes Risiko des Vogelschlages – welches ja auch von den An-
tragstellern gesehen wird, denn sonst würden sie keine Maßnahmen zur Vermeidung
des Vogelschlags (Verfüllung von Kiesweihern) vorschlagen. In der Verträglichkeits-
betachtung ist weder der Wirkfaktor „Reduzierung der Population durch Vogelschlag“
noch der Faktor „Reduzierung der Population durch Vernichtung von Lebensräumen“
behandelt. Dies ist ein Defizit der Planung.
Unklar ist, inwieweit auch Natura 2000-Gebiete von den Präventivmaßnahmen Vogel-
schlag betroffen sind. Nur in einer Fußnote findet sich der Hinweis, dass die Wiederver-
füllung „auf bestehende Gewässer zu beziehen [ist], als für diese bereits eine Verfül-
lungsauflage besteht.“ (FFH-VB, S. 24, Fußnote 14). Es ist unseres Erachtens keines-
wegs klar, ob davon nicht doch auch Auswirkungen auf die Natura 2000-Gebiete ausge-
hen können, vor allem für das nach der Planung voll in der neuen Überfluglinie liegende
FFH-Gebiet Eittinger Weiher.
• Ebenfalls defizitär ist die Betrachtung der Auswirkung der Grundwasserabsenkung.
Eine vertiefende Analyse wird nicht vorgenommen. weil „noch keine Details zu den ...
technischen Maßnahmen vor[liegen]“ (FFH-VB S. 19). Somit sind negative Auswir-
kungen auf den Grundwasserhaushalt der FFH-Gebiete keineswegs auszuschließen
sowohl durch die Grundwasserabsenkung als auch durch die Veränderung des Graben-
systems, das in Verbindung mit den Natura 2000-Gebieten steht (vgl. Kap. 6.5.).
• Die Darstellung der negativen Wirkungen durch (Stick-)stoffeintrag und nächtliche Be-
leuchtung ist unzureichend. Da sie selbst nach Aussage der Gutachter nicht aus-
geschlossen werden kann, hätte sie bereits in diesem Stadium der Prüfung näher be-
trachtet werden müssen.
• Es fehlt eine Darstellung der negativen Auswirkungen durch die mit dem Vorhaben ver-
bundenen Folgewirkungen wie insbesondere Kiesabbau. Dabei sind direkte Folgewir-
kungen zu prüfen als auch indirekte Folgewirkungen, wie beispielsweise veränderte
Grundwasserströme durch Verfüllung. Aus den Darstellungen der UVS ist zu schließen,
dass dabei auch das Freisinger Moos erheblich betroffen sein wird.
• fehlende Darstellung der mit dem Vorhaben verbundenen Auswirkung auf die (im Text
aufgeführten) Lebensraumtyp-charakteristischen Arten.
Zur ausführlichen Begründung der Defizite siehe unsere Ausführungen zu den Defiziten der
Bewertung der UVS (siehe Kap. 6).
Ein weiteres Defizit ist die unzureichende Bewertung des FFH-Gebietes Eittinger Weiher.
Das FFH-Gebiet hat seinen großen Wert weniger für die Arten oder Lebensraumtypen der
FFH-RL, sondern für die Vögel (vgl. ABSP). Damit ist zwar prinzipiell die geringe Bedeutung
als FFH-Gebiet richtig dargestellt, es fehlt aber die Darstellung der Avifauna und deren Be-
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 57
troffenheit. Die Vogelarten sind auch als Schutzzweck des FFH-Gebietes zu betrachten und
daher entgegen der Schlussfolgerung des Gutachtens (FFH-VB S. 56) mit ein zu beziehen.
Fraglich ist unseres Erachtens, ob die Präventivmaßnahmen zur Verhütung des Vogelschla-
ges den Eittinger Weiher nicht doch betreffen werden, da er das Hauptkonfliktpotenzial dar-
stellen wird. Dass derartige mögliche Auswirkungen in der FFH-VB nicht geprüft wurden, ist
ein Defizit.
Bei der Bewertung für das FFH-Gebiet Isarauen wird das Entwicklungspotential als viel zu
gering eingeschätzt (FFH-VB S. 37). Zum einen werden bereits einige nicht nur lokale Maß-
nahmen durchgeführt, zum anderen kann die Einschränkung forstliche Nutzung jederzeit
durch entsprechende Vorgaben geändert werden. Bei den Auswirkungen beurteilen wir die
negativen Beeinträchtigung durch die Zunahme des Fluglärms höher als in den Unterlagen.
7.2. Unzureichende Summationsprüfung und Darstellung der Auswirkungen auf die
Kohärenz
Neben der unzureichenden Bewertung ist auch die Summationsprüfung unzureichend. Es
fehlt beispielsweise die Marzlinger Spange, die Auswirkung der Westtangente (Freisinger
Moos) ist falsch bewertet, die unzureichend dargestellte Auswirkung des Transrapid (Isarau-
en) unkritisch übernommen u.a.
Entsprechend der generellen Kritikpunkte sind auch die Ausführungen zur Auswirkung auf
die Kohärenz unzureichend: es handelt sich nur um allgemeine Aussagen zu den jeweiligen
Natura 2000-Gebieten ohne eine art- oder lebensraumtypbezogene Darstellung der negati-
ven Auswirkungen. Belastungen wichtiger Vernetzungsachsen werden nicht ausreichend
bewertet. So ist es absolut unzureichend beispielsweise beim haupt-betroffenen Natura
2000-Gebiet „Gräben und Niedermoore im Erdinger Moos“ nur anzuführen, dass „die ... kon-
zedierte Möglichkeit einer diffusen Belastung bzw. Verschmälerung ...auf dem Niveau der
hier zu verbindenden Schutzgüter und geforderten Funktionen nicht als reale Belastung rele-
vanter Austauschbeziehungen angesehen werden“ kann (FFH-VB S. 89). Wie bereits in un-
seren Ausführungen zur Kritik an der UVS dargestellt, werden sehr wohl deutliche Verluste
von Funktionsbeziehungen auftreten, der Darstellung der FFH-VB ist daher deutlich zu wi-
dersprechen.
7.3. Fehlende Beurteilung der Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen, der
Erheblichkeit, der Alternativenprüfung nach EU-Recht
Entsprechend der generellen Unzulänglichkeit der Inhaltstiefe der FFH-VB ist insbesondere
auch zu kritisieren, dass keine Bewertung erfolgt, ob das Vorhaben mit den Erhaltungszielen
der Natura 2000-Gebiete vereinbar ist bzw. welche Auswirkungen es darauf haben wird.
Auch werden keine Aussagen zur Erheblichkeit der Auswirkungen getroffen. Ebenso findet
keine Alternativenprüfung statt, die bei Feststellung der Erheblichkeit (wovon wir ausgehen)
nötig wäre. Somit werden zentrale Bewertungsschritte der FFH-VP nicht durchgeführt und
auf die FFH-VP im Folgeverfahren (Planfeststellungsverfahren) geschoben.
Andererseits werden in der FFH-VB (wie auch in erheblichem Umfang in der UVS) bereits
Aussagen getroffen, dass negative Auswirkungen nicht erkennbar oder nur gering wären
oder z.B. für keines der Gebiete eine relevante Erhöhung der Verlärmung anzunehmen wä-
ren. Derartige Feststellungen können nach der hier vorliegenden FFH-VB jedoch keineswegs
fachlich korrekt abgeleitet werden.
In der Summe ist die vorgelegte FFH-VB in keiner Weise geeignet, eine angemessene Be-
urteilung der unseres Erachtens erheblichen Betroffenheit der Natura 2000-Gebiete vorzu-
nehmen. Dies ist in ausführlichen und vollständigen FFH-Verträglichkeitsprüfungen nachzu-
holen. Wir halten eine FFH-VP für die FFH-Gebiete „Moorreste im Freisinger und Erdinger
Moos“ (alle Teilbereiche), „Isarauen“ und zusätzlich für das Vogelschutzgebiet „Freisinger
Moos“ für zwingend nötig.
Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 58
8. Schlussbetrachtung
Dem Fazit der UVS, dass das Vorhaben durch Vermeidungsmaßnahmen „umweltver-
träglich verwirklicht werden kann“ (Antrag S. 50, UVS S. 274) widersprechen wir ve-
hement. Dieses Fazit ist eine grobe Missachtung der negativen umweltrelevanten
Auswirkungen (von der Klimarelevanz des Flugverkehrs bis zum Verlust der Land-
schaft) und ebenso der negativen sozialen und lebensqualitätbedeutsamen Auswir-
kungen der Planung.
Tatsächlich würde in unverhältnismäßiger unzumutbarer Weise in allgemeine öffentli-
che Belange (Wasserhaushalt, Bodenschutz, Natur- und Landschaftsschutz) und in
private Schutzgüter wie Gesundheit und Eigentum eingegriffen werden. Diese Belange
sind in ihrer Gesamtheit so gewichtig, dass sie gegenüber dem – noch dazu fehlerhaft
und falsch begründeten angeblichen Bedarf in der Raumordnung eindeutig höher zu
gewichten sind.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Christine Margraf gez. Richard Mergner
Leiterin BN-Fachabteilung München BN-Landesbeauftragter
gez. Dr. Christian Magerl gez. Dr. Renate Poeschel
Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Freising Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Erding
gez. Christian Hierneis gez. Dr. Roderich Zauscher
Vorsitzender der BN-Kreisgruppe München Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Dachau
gez. Olaf Rautenberg
Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Ebersberg