Der Europäische Betriebsrat –
Ein zahnloser Tiger?
Dr. Werner Altmeyer
Kooperationsveranstaltung des VÖGB mit dem ÖGB-Referat für internationale Verbindungen
Wien, 29. September 2005
Zahlen
[866]731
431
49
Art.13 Art.6
1994 20041996
2.169Österreich
(Stand April 2005):
15 EBR gegründet
(= 36%)
27 EBR noch nicht gegründet
Organisationsgrad in Europa
ca. 80%
35-60%
20-35%
< 15 %
Betriebsrat + GewerkschaftenWorks council + trade unions
Comité d´entreprise + syndicats
Betriebsratworks council
comité d´entreprise
GewerkschaftenTrade unions
Syndicats
Modelle von Belegschaftsvertretungen
Romanisches Modell
„Germanisches“ Modell
Angelsächsisches Modell
Transformationsländer
Skandinavisches Modell
Modelle von Belegschaftsvertretungen
„Germanisches“ Modell
BROR
Ondernemingsraad (OR)
Betriebsrat (BR)
Betriebsrat in Deutschland
Betriebsrat als zentrales Organ übt alle Verhandlungsrechte aus
Gesetzlich geregelte Mitwirkungsrechte („Mitbestimmung“)
Keine Streiks in betrieblichen Fragen, Einigungsstelle („Betriebsfrieden“)
Weitgehende Regelungen über Freistellungen und Arbeitsmittel
Gewerkschaften nur indirekt im Betrieb präsent
Gute Betreuung durch Hauptamtliche
Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat
Verrechtlichtes System zur „Unsicherheitsvermeidung“
„industry culture“
Angelsächsisches Modell: Kein Betriebsrat
Nur bei Anerkennung durch den Arbeitgeber
(recognition)
Komitee der Gewerkschaftsvertreter(representatives‘ committee)
Belegschaftsvertretung in Großbritannien
Keine gesetzliche Grundlage für Betriebsräte
Recht auf Information und Konsultation erst seit April 2005
Gewerkschaften verhandeln alle betrieblichen Fragen
Streiks in allen betrieblichen Fragen möglich (keine Pflicht zum
Betriebsfrieden, aber Einschränkungen aus der Thatcher-Zeit)
Eingeschränkte Freistellungsregelungen, keine Sachverständigen
Flexible und pragmatische Zusammenarbeit der Betriebsparteien
Wenig gesetzliche (oder schriftliche) Regelungen
Gewerkschaften streben Einflußnahme über Pensionsfonds an
„business culture“
Romanisches Modell
Comité d´entreprise (CE)
Conseil d´entreprise (CE)
Comité de empresa (CE)
Rappresentanza Sindacale
Unitaria (RSU)
Comissões de trabalhadores (CT)
CE
GewerkschaftenSyndicats Sindicatos
Belegschaftsvertretung in Frankreich
Gesetzliche Grundlage für Betriebsausschüsse
Information und Konsultation, kein Recht auf Mitbestimmung
Keine Pflicht zum Betriebsfrieden
Gewerkschaften verhandeln alle betrieblichen Fragen
Stundenweise Freistellungsregelungen
Wenig Unterstützung durch Hauptamtliche
Rückgriff auf Sachverständige sehr weit verbreitet
Häufig konfliktbeladene Zusammenarbeit der Betriebsparteien
Schwache Arbeitnehmerbeteiligung im Verwaltungsrat
„culture patronale“
Headquarter
Probleme der EBR-Arbeit
nur eine Sitzung pro Jahr (81 %)
Gewerkschaften spielen keine explizite Rolle
Fusionen und Übernahmen
Kein Verhandlungsmandat
Probleme der EBR-Arbeit
Spartenvertretung
Keine Gesamt- oder Konzernbetriebsräte in einigen Ländern (GB, B, E, I)
Interkulturelle Verständigungsprobleme
Zusammensetzung und Arbeit des EBRDeutsches oder französisches Modell?
EBR erhält ein festes Jahresbudget und muß damit haushalten, Freistellungs-umfang ist pro Person genau definiert
EBR rechnet alle notwendigen Kosten seiner Arbeit mit dem Arbeitgeber ab, Freistellungen erfolgen nach Bedarf
Arbeitgeber lädt zur EBR-Sitzung ein und erstattet Bericht
Arbeitgeber wird zu einzelnen Tagesordnungspunkten in die EBR-Sitzung eingeladen und erstattet Bericht
Interne Angelegenheiten werden in einer Vorbesprechung der Arbeitnehmerseite besprochen
Interne Angelegenheiten werden in einer normalen EBR-Sitzung besprochen
Vorsitz liegt beim Arbeitgeber, Arbeitnehmerseite wählt einen Sprecher
Vorsitz liegt bei einem gewählten Arbeitnehmervertreter
EBR besteht aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern
EBR besteht nur aus Arbeitnehmervertretern
Französisches ModellDeutsches Modell
EBR in der PraxisEntwicklung im Laufe der Zeit
Symbolischer EBR = ohne eigenes Selbstverständnis
Dienstleistender EBR=
Informationsquelle
Projektorientierter EBR=
internes Arbeitsgremium
Beteiligungsorientierter EBR= Interessenvertretung
gegenüber derKonzernleitung
EBR in der Praxis – EWC in practiceCEE en pratique
Typologie Prof. Platzer
Management
EBR - EWC - CEE
Symbolischer EBR
EBR in der Praxis – EWC in practiceCEE en pratique
Typologie Prof. Platzer
EBR - EWC - CEE
Management
Dienstleistender EBR
EBR in der Praxis – EWC in practiceCEE en pratique
Typologie Prof. Platzer
EBR - EWC - CEE
Management
Projektorientierter EBR
EBR in der Praxis – EWC in practiceCEE en pratique
Typologie Prof. Platzer
EBR - EWC - CEE
Management
Beteiligungsorientierter EBR
Vertrauensbildung !!
Aber wie geht das?
• Alles braucht seine Zeit• Interkulturelle Offenheit• Austausch über Sozialstandards• Effiziente Arbeit im Lenkungsausschuß
Welche Faktoren begünstigen die Strategiefähigkeit des EBR?
EBR-Sitzungen - EWC meetingsréunions du CEE
1999
Unternehmen company - entreprise
EBR – EWC
CEE
Präsidium - steering committee - comité executif
AlcatelAlcatel 2 6
BayerBayer 1 10
INGING 4 2
SiemensSiemens 1 3
SüdzuckerSüdzucker 1 0
VivendiVivendi 1 1
VolkswagenVolkswagen 2 2
Gewerkschaftliche Anbindung
• EBR ohne gewerkschaftliche Betreuung• EBR mit unverbindlich-distanziertem Kontakt zur
Gewerkschaft• EBR mit gewerkschaftlicher Beteiligung• Gewerkschaft koordiniert die EBR-Arbeit intensiv
Welche Faktoren begünstigen die Strategiefähigkeit des EBR?
Die Haltung des Konzernmanagements
• Zu teuer, zu zeitaufwendig• Befürchtungen (Konsensmodell „wird überrumpelt“)• Daher: EBR soll nur Informationsgremium sein
• Aber: in der Praxis ist EBR-Arbeit ein Prozeß, auch ein Lernprozeß für das Management
• EBR-Vorsitzender bekommt Zugang zum Konzernchef
Welche Faktoren begünstigen die Strategiefähigkeit des EBR?
• Über den EBR wird die Sozialpartnerschaft ausgebreitet
• EBR als Bühne für die Propagierung der Konzernstrategie
• EBR informiert die Europaleitung über die wirkliche Stimmung an der Basis
Was wünscht sich die Konzernleitung vom EBR?
• EBR ist wichtig, um die Strategie zu erkennen und den eigenen Standort/das eigene Land einzuordnen
• Kontakt zum europäischen Top-Management• Gegeneinander-Ausspielen ist sehr erschwert• Am wichtigsten: der direkte Kontakt der
Arbeitnehmervertreter untereinander
Was sind real die Vorteile des EBR?
EBR in der PraxisTypologie von Prof. Kotthoff
Der marginalisierte EBR: Fehlstart
Der EBR im Leerlauf:der zahnlose Tiger
Der deutsche EBR-Vorsitzende
als Fürsprecher der Diaspora
Der EBR als mitgestaltendes Abeitsgremium
Der EBR als Informationsanalytiker:das Florettfechten
• „Ich kann mir vorstellen, daß sich das Gremium mal in Richtung Verhandlung entwickelt.“
• „Ich hoffe, daß der EBR dann auch Vereinbarungen abschließen kann und daß die Sprachprobleme behoben sind. Wir müssen dahin kommen.“
• „Der EBR wird wichtiger sein als die nationalen Gremien. Auf der Managementseite ist es heute schon so.“
Wo stehen wir in zehn Jahren?
• Es geht nicht um „Mitbestimmung“, sondern um Verhandlungsrechte
• Wichtigster Punkt: Mitsprache bei Produktionsverlagerungen
• Beispiele: Ford-Visteon, General Motors• Beispiel: Positionspapier des EMB (Juni 2005) für
den Umgang mit Restrukturierungen
Braucht der EBR Mitbestimmung?
• Entwicklung eines Frühwarnsystems• Volle Einhaltung der Info- und Beratungsrechte• Bildung einer ad hoc-Arbeitsgruppe• Völlige Informationstransparenz• Schaffung einer gemeinsamen politischen Plattform• Erwägung konkreter Verhandlungslösungen• Entwicklung einer Kommunikationsstrategie• Planung grenzüberschreitender Aktivitäten• Beteiligung am EU-Fusionskontrollverfahren• Bindende Verpflichtung (intern + mit Arbeitgeber)
EMB-Grundsätze bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen