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Vorwort
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Vorwort
In meiner täglichen Praxis als Hundezüchter geschieht es immer wieder, dass
Welpeninteressenten Fragen zur Hunde-Erziehung stellen. Sehr oft werden Praktiken
hinterfragt, die irgendwo aufgeschnappt wurden oder die sogar schon zum Allgemeinwissen
gehören. Das Allgemeinwissen hat aber den Nachteil, dass es durch das Stille-Post-Phänomen
nicht mehr der ursprünglichen Wahrheit entspricht. Viele der althergebrachten „Weisheiten“
schaden dem Hund und zerstören das so wichtige Urvertrauen, das die Basis für ein
harmonisches Miteinander darstellt.
Nicht selten kommt es vor, dass frisch gebackene Hundebesitzer mit ihrem Welpen
überfordert sind und dann schnell die Freude am neuen Familienmitglied verlieren, obwohl
dies gar nicht notwendig wäre. Es ist aber auch kein Wunder, wenn Welpenbesitzer nicht
immer gleich den Durchblick haben, denn nicht nur wir Menschen leben mittlerweile in einer
industrialisierten Welt – auch unsere Vierbeiner sehen sich dem gesamten Angebot der
modernen Gesellschaft gegenüber: Massagen für Hunde, Überangebot an Futtersorten,
Hundehotelsuiten mit hundegerechtem Fernsehprogramm, Hundeparfüm, rosa gefärbtes Fell,
Diamanthalsbänder oder Hundetagesstätten. Dieser Überfluss bringt nicht nur eine
Vermenschlichung der Hunde mit sich, sondern auch eine große Ungewissheit unter den
Hundebesitzern: was soll ich, was darf ich, was ist gut für meinen Hund?
Dieser Praxisratgeber soll all jenen eine Stütze sein, die sich einen Welpen anschaffen
möchten oder Probleme bei der Hunde-Erziehung haben. In 100 „Irrtümern“ sollen alle
wichtigen Fragen behandelt werden, die sich am Anfang eines Hundelebens, in der
Flegelphase oder in kritischen Situationen stellen. Meine Erfahrung mit den gängigen
Hundeerziehungsbüchern und mit vielen Hundetrainern zeigt, dass oftmals ein recht
militanter Stil und eine strikte „So-und-nicht-anders-Haltung“ vertreten werden – und dies
nicht nur gegenüber dem Hund, sondern vielmehr auch gegenüber dem Hundebesitzer!
Ich habe es mir in diesem Buch daher nicht zur Aufgabe gemacht, bis ins Detail zu schildern,
wie Sie Ihrem Hund am schnellsten „Sitz!“ und „Platz!“ beibringen. Mir ist eher wichtig, dass
Sie bei der Erziehungsarbeit nicht auf Irrtümer hereinfallen, die das Verhältnis zwischen
Ihnen und Ihrem Hund trüben könnten. Sie werden bei der Lektüre dieses Ratgebers auch
nicht erfahren, wie Ihr Hund apportieren lernt – oder wollen Sie den natürlichen Jagdtrieb
Ihres Hundes fördern? Vielmehr wird das Wesen Ihres Hundes als Raubtier ergründet, damit
Sie im Alltag mit den angeborenen Trieben Ihres Lieblings besser zurechtkommen. Sie
erfahren auch, welchen Schnickschnack Sie sich (und Ihrem Hund) ersparen können und
worauf es beim Welpenkauf und bei der Hundeerziehung wirklich ankommt.
Die meisten Hundeschulen und Erziehungsbücher überfordern den Hundebesitzer mit
teilweise widernatürlichen Ratschlägen, die auf einem falschen Dominanzverständnis
aufbauen. Deswegen möchte ich auf den folgenden Seiten die Sorgen und Nöte von
Hundebesitzern zusammenfassen und mit gängigen Klischees aufräumen, die den
Zweibeinern während eines Hundelebens Kopfschmerzen bereiten. Der Leser soll die
Vorwort
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Gelegenheit haben, das Althergebrachte, die neuesten „Trends“ und die Alternativen dazu
kennenzulernen. Ich will aber auch ganz bewusst Illusionen nehmen und Themen
anschneiden, die von Hunde-Erziehungsbüchern und Hundeschulen gerne verschwiegen
werden – denn nur ein gut informierter Hundebesitzer ist auch ein glücklicher Hundebesitzer!
Mai 2009 Dr. Mario Sturm
Vorwort zur zweiten Auflage
Bereits vier Monate nach dem Erscheinen der ersten Auflage musste ich das Buch um zwei
weitere Kapitel ergänzen, da die Irrtümer rund um den Hund schier unerschöpflich zu sein
scheinen. Aufgrund diverser Anfragen von Welpeninteressenten und aufgrund eigener
Beobachtungen wollte ich unbedingt noch die Kapitel „Schau mir (nicht) in die Augen,
Kleines!“ und „Mein Hund macht Körperpflege“ einfügen sowie das Kapitel „Ein Kong ist
ein Hit!“ um wichtige Informationen ergänzen. Da das Buch aber von genau 100 Irrtümern
handeln soll, habe ich ähnlich gelagerte Kapitel stattdessen zusammengelegt. Es wurde also
nichts gestrichen und Sie erhalten mit der zweiten Auflage ein Mehr an Informationen und
Ratschlägen. Viel Spaß beim Lesen!
September 2009 Dr. Mario Sturm
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis Vorwort ..........................................................................................................................................
Inhaltsverzeichnis ..........................................................................................................................
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung .....................................................................................
1. Rassehunde mit Stammbaum sind teuer.................................................................................. 2. Welpen „aus dem Kofferraum“ sind billig .............................................................................. 3. Das Geschlecht ist mir eigentlich egal .................................................................................... 4. Hauptsache: Aussehen! ........................................................................................................... 5. Ist der süß! ............................................................................................................................... 6. Zu Ostern kommt der Hund .................................................................................................... 7. Wir suchen einen Welpen aus ................................................................................................. 8. Der B-Wurf ist nur zweite Wahl ............................................................................................. 9. Immer der Erstgeborene! ......................................................................................................... 10. Leider bin ich allergisch .......................................................................................................... 11. Mischlinge sind gesünder ........................................................................................................ 12. Struppi „von Kreta“................................................................................................................. 13. Wir nehmen nur Hunde aus dem Tierheim! ............................................................................ 14. Stubenreinheit durch „Käfighaltung“ ...................................................................................... 15. Welpen soll man in ihr „Geschäft“ hineintunken .................................................................... 16. In die Wohnung machen Hunde nur aus Protest ..................................................................... 17. Fuffy geht aufs Katzenklo! ...................................................................................................... 18. Für den Hund muss gekocht werden ....................................................................................... 19. Trockenfutter macht süchtig ................................................................................................... 20. Keine Geflügelknochen! ......................................................................................................... 21. Beim Futter kann man sparen ................................................................................................. 22. Welpen müssen in die Welpenschule ...................................................................................... 23. Sitz, Platz, Bleib! .................................................................................................................... 24. Mein Hund bewacht mich ....................................................................................................... 25. Bitte!...Bitte!...Bitte! ............................................................................................................... 26. Bei Ungehorsam fliegt die Kette ............................................................................................. 27. Mit der Leine geht es Ruck-Zuck! .......................................................................................... 28. Ein kleiner Klaps ist schon OK ............................................................................................... 29. Ich pack dich beim Genick! .................................................................................................... 30. Nicht am Kopf streicheln! ....................................................................................................... 31. Mein Hund mag das gar nicht! ................................................................................................ 32. Mein Hund hat Welpenschutz! ................................................................................................ 33. Kleine Hunde soll man hochheben ......................................................................................... 34. Wissen Sie, er wurde einmal gebissen...! ................................................................................ 35. Kleine Hunde brauchen weniger Erziehung ............................................................................ 36. Ein Chihuahua hat mit einem Wolf nun wirklich nichts mehr gemeinsam! ........................... 37. Wölfe hatten auch keine Zeckenimpfung................................................................................ 38. Ich denke im Sekundentakt ..................................................................................................... 39. Wir haben die Hundehütte gedämmt ....................................................................................... 40. Wir haben einen großen Garten mit einem hohen Zaun ......................................................... 41. Der Hund ist ein Nagetier ....................................................................................................... 42. Kotfressen ist ein Zeichen für einen Mangel .......................................................................... 43. Ein Quietschi für Quasti .......................................................................................................... 44. Ein Kong ist ein Hit! ............................................................................................................... 45. Die machen das unter sich aus! ............................................................................................... 46. Nur nicht gewinnen lassen! ..................................................................................................... 47. Mein Hund braucht den Alpha-Wurf ...................................................................................... 48. Hunde sind intelligente Tiere .................................................................................................. 49. Mein Hund versteht jedes Wort! ............................................................................................. 50. Bello kommt ins Internat .........................................................................................................
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Inhaltsverzeichnis
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51. Bei Regen geht mein Hund keinen Schritt vor die Tür ........................................................... 52. Mein Hund muss in den Club.................................................................................................. 53. Es gibt keinen besseren Tierarzt als Dr. Hasenfuß! ................................................................ 54. Katze und Hund: ein Herz und eine Seele! ............................................................................ 55. Ein Hund allein ist einsam ...................................................................................................... 56. Der Hund von Welt trägt Parfüm ............................................................................................ 57. Ich meine es ja nur gut mit ihm! ............................................................................................. 58. An der Leine ist mein Hund sicher ......................................................................................... 59. Kleine Hunde brauchen im Winter ein Mäntelchen ................................................................ 60. Zu Silvester muss es krachen! ................................................................................................. 61. Ein Hund hat im Büro nichts verloren! ................................................................................... 62. Wir fahren doch so gerne weg! ............................................................................................... 63. Im Urlaub kommt der Hund in die Hundepension .................................................................. 64. Hochspringen ist ein Zeichen von Aggression ........................................................................ 65. Schau mir (nicht) in die Augen, Kleines! ................................................................................ 66. Es gibt keine Kampfhunde! ..................................................................................................... 67. Ein Menschenjahr ergibt sieben Hundejahre .......................................................................... 68. Spaziergang: drei Mal am Tag! ............................................................................................... 69. Ein Hund gehört nicht ins Bett ................................................................................................ 70. Nach Ihnen, mein Herr!........................................................................................................... 71. Rex lieeeeeebt Kinder!!! ......................................................................................................... 72. Rex lieeeeeebt auch Autofahren!!! .......................................................................................... 73. Mein Hund macht Körperpflege ............................................................................................. 74. Unser Hund ist der perfekte Therapiehund ............................................................................. 75. Der Hund ist ein Gewohnheitstier ........................................................................................... 76. Ein Hund ist „nur ein Hund“ ................................................................................................... 77. Scheinträchtigkeit ist eine Krankheit ...................................................................................... 78. Sterilisation oder Kastration? Egal! ........................................................................................ 79. Eine Hündin sollte auf jeden Fall einmal trächtig werden ...................................................... 80. Ein Rüde muss unbedingt einmal „springen“ ......................................................................... 81. Kleine Hunde sind Kläffer! ..................................................................................................... 82. Bellen unerwünscht!................................................................................................................ 83. Bellende Hunde beißen nicht .................................................................................................. 84. Mit einem Sprüh ist alles weg ................................................................................................. 85. Mit einem Wisch ist alles weg ................................................................................................ 86. Hundeausstellungen sind ein Riesenspaß für Hunde! ............................................................. 87. Wenn er so lieb schaut...! ........................................................................................................ 88. Der will nur spielen!................................................................................................................ 89. Achtung, Kind, da kommt ein Hund! ...................................................................................... 90. Ich habe Angst vor Hunden ..................................................................................................... 91. Hunde sind keine Sache .......................................................................................................... 92. Ich zahle doch Hundesteuer! ................................................................................................... 93. Versichern? Wozu?! ................................................................................................................ 94. Der Vermieter hat das letzte Wort .......................................................................................... 95. Ein Welpe lenkt mich jetzt ab! ................................................................................................ 96. Wir warten draußen! ............................................................................................................... 97. Erst ein Welpe, wenn Hasso einmal nicht mehr ist ................................................................. 98. Der Hund muss weg! ............................................................................................................... 99. Wir vergraben Bello im Garten ............................................................................................... 100. Ich weiß alles! .........................................................................................................................
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Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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Man kann in die Tiere nichts hineinprügeln,
aber manches aus ihnen herausstreicheln.
(Astrid Lindgren)
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
1. Rassehunde mit Stammbaum sind teuer
Beinahe täglich bekomme ich E-Mail-Anfragen mit dem Inhalt „Wieviel kostet ein Welpe?“ –
meist ohne Begrüßungs- und Verabschiedungsfloskel. Solche Interessenten scheiden für mich
als zukünftige Besitzer meiner Welpen sofort aus. Wenn bei der Wahl des neuen
Familienmitgliedes das einzige Kriterium der Preis ist, halte ich diese Personen nicht für
geeignet. Oftmals wird nämlich vergessen, dass es mit dem Kaufpreis noch lange nicht getan
ist. Der Welpe muss bereits kurz nach der Übergabe dem Tierarzt zur Auffrischungsimpfung
vorgestellt werden – danach folgen die beiden Tollwutimpfungen. Wenn Sie einen günstigen
Tierarzt haben, kommen Sie vielleicht unter € 200,-- davon. Diese Impfungen wiederholen
sich jährlich und zeigen einem immer wieder eindrucksvoll, wie schnell ein Jahr vergeht.
In Mitteleuropa kostet ein Rassehundwelpe mit Stammbaum im Durchschnitt € 1.500,--.
Natürlich gibt es Züchter, die ihre Hunde billiger anbieten – diese Züchter kommen dann aber
nur über die „produzierte Menge“ und über Einsparungen bei der Haltung auf ihre Kosten.
Seltene und begehrte Hunderassen sind auch um viele tausend Euro zu haben. Wenn wir aber
von einem durchschnittlichen Welpen für eine normale Familie ausgehen, haben wir mit
Anschaffungskosten von ungefähr € 1.500,-- zu rechnen. Für die restliche Ausstattung
(Körbchen, Autokäfig, Näpfe, Spielzeug, Leinen, Brustgeschirr, etc.) sollten noch einmal
mindestens € 500,-- einkalkuliert werden. Es folgen die Hundesteuer, die monatliche
Haftpflichtversicherung und – natürlich – das Futter. Bei kleinen Hunden werden Sie
inklusive Leckerlis mit € 100,-- pro Monat das Auslangen finden, große Hunde können alleine
schon aufgrund ihres Appetites zu einer nicht zu unterschätzenden monatlichen Belastung
werden.
Wenn alles eingekauft ist, könnte es eigentlich losgehen! Nun bleibt nur zu hoffen, dass der
Welpe nicht krank wird oder eine Verletzung erleidet. Denn bei jedem „nicht geplanten“
Tierarztbesuch werden Infusionen, Röntgenbilder, Ultraschall, Spritzen, Tabletten oder
Salben benötigt, die nicht durch eine Krankenkasse gedeckt sind, sondern von Ihnen vor Ort
in bar bezahlt werden müssen. Bei minimalen Wehwehchen sind bald einmal € 100,-- fällig.
Wenn eine Operation ansteht, sind es mehrere hundert Euro – und bitte glauben Sie nicht,
dass Operationen ohnehin nur bei alten Hunden vorkommen. Ein kleiner Biss aus einer
Rauferei, die anstehende Kastration, ein Knochensplitter im Darm oder ein Nabelbruch sind
die Goldesel der Tierärzte. Auf die Kosten für chronisch kranke Patienten soll an dieser Stelle
nur kurz hingewiesen werden, da man als frisch gebackener Welpenbesitzer nur selten daran
denkt, dass das kleine Fellknäuel einmal dieselben Pillen brauchen könnte wie Oma.
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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Es ist also ein Irrtum, dass der Kaufpreis das „Teure“ am Hund ist! Horrend sind lediglich die
laufenden Kosten. Jeder zukünftige Hundebesitzer muss sich im Klaren darüber sein, dass er
für viele Jahre die finanzielle Verantwortung für ein Lebewesen übernimmt. Bei einem
kleinen Hund mit begrenztem Appetit muss mit jährlichen Kosten von mindestens € 1.500,--
gerechnet werden – eine Summe, die dem ursprünglichen Kaufpreis entspricht. Welcher
Mensch würde ein Auto um € 30.000,-- kaufen, wenn er an jährlichen Betriebskosten dieselbe
Summe zahlen müsste? Niemand hätte einen Flachbildfernseher im Wert von € 1.500,--, wenn
dieser jährlich ebendiesen Betrag an Strom verschlingen würde!
Oftmals schreiben mir auch Studenten, dass sie nunmehr das Geld für den Welpen
„zusammengespart“ hätten. Ich weise diese Interessenten dann immer darauf hin, dass mit
dem Einzug des Welpen ins neue Heim die Kosten erst beginnen. Nicht selten kommen
Hunde aus finanziellen Gründen ins Tierheim oder werden einfach ausgesetzt. Bedenken Sie
das bitte vor einem Hundekauf.
Wenn man bedenkt, für welchen Blödsinn wir heutzutage Geld ausgeben, stimmt es mich
traurig, wenn bei einem Welpen gespart wird. Ein Familienmitglied, das uns 15 Jahre lang
mehr Freude bereitet als beispielsweise ein dreitägiger Städteflug, sollte nicht nach seinem
Kaufpreis beurteilt werden. Wenn sich ein Hund im Budget nur „knapp“ ausgeht, sollten Sie
von einem Welpenkauf Abstand nehmen.
2. Welpen „aus dem Kofferraum“ sind billig
Jeder Hundeinteressierte kennt die Welpen aus den Ostblockzuchten, die massenweise in
Inseraten angeboten werden und „auch gerne“ bis an die Grenze gebracht werden, wo man
dann ganz bequem aus dem Kofferraum heraus auswählen kann. Natürlich sind diese Hunde
billig! Es ist aber ein Irrtum, dass diese Welpen keine Kosten verursachen. Denn Sie werden
sich in absehbarer Zeit beim Tierarzt wieder finden, der Ihnen für die Behandlung der
teilweise schwersten Erkrankungen dieser Tiere eine Summe abverlangt, die dann in etwa
dem Kaufpreis eines Welpen aus einer ordentlichen Zucht entspricht. Wenn es der Welpe
überhaupt überlebt...
Welpen aus dem Kofferraum, Abb. 1
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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Über die Praktiken und Vorgänge in diesen Tiervermehrungslagern wird immer wieder in
allen Medien berichtet – Sie wissen darüber sicher ausreichend Bescheid. Bedenken Sie nur,
dass Ihr „Kofferraumwelpe“ keinerlei soziale Prägung erfahren hat und viel zu früh von seiner
Mutter getrennt wurde. Wenn Sie Spezialist sind, können Sie die Defizite eventuell
aufarbeiten. Wenn die soziale Prägung scheitert, kann es durchaus sein, dass Sie bald einmal
die Dienste eines (teuren) Hundetrainers benötigen.
Leider hat es sich eingeschlichen, dass sich mittlerweile auch „Einheimische“ als Züchter
ausgeben und billige Ostblock-Welpen anbieten. Schlagen Sie eine Tageszeitung auf oder
gehen Sie ins Internet und Sie werden fündig. Sie werden aber bei den vermeintlichen
Züchtern – sollten Sie je in deren Haus vordringen – nie ein Elterntier sehen, da diese
Menschen nur Zwischenhändler sind. Kaufen Sie also nie einen Welpen, wenn Sie nicht beim
Züchter selbst zu Hause waren und zumindest das Muttertier und die Wurfkiste gesehen
haben! Sie würden an der falschen Stelle sparen.
Der neueste Trick sind Inserate, in denen Welpen im Internet um € 100,-- angeboten werden.
Auf Nachfrage werden Sie dann per Mail in gebrochenem Englisch kontaktiert. Und zwar von
einem „Diplomaten“, dessen Frau gerade gestorben ist, oder von einem „Pfarrer“, der gerade
Entwicklungshilfe im afrikanischen Kamerun betreibt. Aufgrund dieser „Umstände“ würde
Ihnen der Welpe sogar geschenkt werden – Sie müssten nur zuvor einige hundert Euro nach
Kamerun überweisen („Transportkosten“). Fallen Sie darauf nicht herein, denn Sie bezahlen
nur Lehrgeld und kommen nicht zu Ihrem (in diesem Fall gar nicht existierenden) Welpen.
Wenn man sich gegen einen Mischling und für einen Rassehund entschieden hat, stellt sich
überhaupt die Frage, warum man einen Hund mit Stammbaum wählen sollte. Der Grund ist
ganz einfach: Züchter, die mit „Papieren“ züchten, sind Mitglied in einem anerkannten
Verein. Dieser Verein überwacht und überprüft die Zuchtziele, die Zuchtstätte und die
Zuchthunde. So haben Sie zumindest eine erhöhte (!) Wahrscheinlichkeit, dass alles mit
rechten Dingen zugeht. Lassen Sie grundsätzlich die Finger von Welpen, die nicht geimpft,
entwurmt oder gechipt (mittlerweile Pflicht!) sind. Aber auch hier ist Vorsicht angesagt: die
meisten Ostblockwelpen werden schon mit all diesen Eigenschaften angeboten – überprüfen
können Sie das freilich schwer. Alles in allem lässt sich der Spruch „Wer billig kauft, kauft
teuer“ auch auf Hundewelpen übertragen.
3. Das Geschlecht ist mir eigentlich egal
Sehr viele Welpeninteressenten haben eine genaue Vorstellung vom Geschlecht des Hundes.
Dies hat unterschiedliche Gründe wie etwa eine generelle Sympathie zu dem einen oder
anderen Geschlecht, eigene Erfahrungen oder einfach nur „weil wir immer Rüden hatten“. Für
all jene, die unschlüssig sind, ob sie lieber einen Rüden oder eine Hündin hätten, möchte ich
die folgenden Zeilen schreiben.
Ganz allgemein sei für alle Hunde – ob Mischling oder Rassehund – festgehalten, dass der
zukünftige Hündinnen-Besitzer alle 6-12 Monate mit einer Läufigkeit der Hündin zu rechnen
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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hat, die sich darin äußert, dass die Hündin für zirka drei Wochen überall in der Wohnung
Blutstropfen verteilt. Hier lässt sich zwar mit einem Schutzhöschen und Wechseleinlagen das
Schlimmste verhindern, aber rechnen Sie auch damit, dass sich die Hündin das Höschen
immer wieder herunter beißen könnte, was zusätzliche Kosten verursacht. In dieser Zeit ist
erhöhte Vorsicht angesagt, da die Rüden der Nachbarschaft in Alarmbereitschaft versetzt
werden. Kein Zaun ist hier zu hoch und keine Leine zu stark, um nicht zumindest in brenzlige
Situationen zu kommen. Nach einer Kastration ist dieses Problem beseitigt – mit den Vor-
und Nachteilen der Kastration beschäftigt sich ausführlich das Kapitel 78.
Ein zukünftiger Rüden-Besitzer sollte sich darauf einstellen, dass schon mal das Beinchen an
einem Postkartenständer gehoben wird und der Ladenbesitzer das gar nicht lustig findet.
Rüden markieren nicht nur mit gehobenem Bein, sondern sie urinieren auch so. Daher lässt
sich dieses Problem auch mit einer Kastration nicht beheben, da der Hund ja weiterhin
urinieren muss und manche Rüden auch nach dem Kastrieren noch markieren (siehe auch
Kapitel 78). Unkastrierte Rüden verteilen auch gerne Spermatröpfchen in der Wohnung, was
nicht jedermanns Sache ist.
Entgegen einer landläufigen Meinung hat das Geschlecht des Hundes jedoch überhaupt keine
Auswirkung auf das „Kuschelverhalten“ – hier besteht die Sorge vieler Welpeninteressenten
darin, dass ein Rüde nicht so verschmust wäre wie eine Hündin. Wie bei uns Menschen gibt
es eben auch bei den Hunden liebesbedürftige und eher zurückhaltende Exemplare. Hier
können Sie aber bei der Auswahl des Welpen schon eine gewisse Selektion treffen, indem Sie
den Züchter nach den Charaktereigenschaften der einzelnen Welpen fragen. Auch an dieser
Stelle ist ein verantwortungsvoller Züchter von unschätzbarem Wert für den zukünftigen
Hundehalter, da er seine Rabauken genau kennt, ihr Verhalten studiert und diese
Informationen dann mit Ihren Bedürfnissen abgleicht.
Insbesondere im Bezug auf die Größe und den Körperbau sind bei vielen (meist großen)
Rassen gewaltige Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen festzustellen. Dies geht so
weit, dass Sie beispielsweise den größten Rüden und die kleinste Hündin aus einem
Labradorwurf für unterschiedliche Hunderassen halten würden. Hier gilt es, sich vorher beim
Züchter zu informieren, was Sie erwartet. Es ist ein Unterschied, ob Sie in einem Jahr einen
40kg-Rüden oder eine 20kg-Hündin vor sich haben – und wir reden hier nicht von
Überfütterung oder Unterernährung! Bei anderen (meist kleineren) Rassen wiederum
unterscheiden sich die Geschlechter optisch überhaupt nicht und man muss selbst als Experte
gewisse Körperteile suchen, um das Geschlecht zu erfahren...
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sie auch mit einem Rüden einen verschmusten
Kuschelbär erwischen können und mit einer Hündin eine distanzierte Einzelgängerin.
Jedenfalls sollten Sie abwägen, welche „Belastung“ durch geschlechtsspezifische
Ausscheidungen Ihnen angenehmer ist. Über die zu erwartenden Größenunterschiede und
über das Wesen der einzelnen Welpen wird Ihnen gerne der Züchter Ihres Vertrauens
Auskunft geben.
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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4. Hauptsache: Aussehen!
Unlängst las ich ein Zeitungsinserat, mit dem ein Hundebesitzer seine sechs Monate alte
Magyar-Vizsla-Hündin (ungarischer Vorsteh-Jagdhund) loswerden wollte. Laut Inserat war
diese Hündin natürlich ganz lieb und toll, sie bräuchte eben nur einen „unternehmungslustigen
Besitzer, der ihr viel Auslauf gönnen kann“. Welche Erkenntnis! Diese Erkenntnis kommt nur
ein paar Monate zu spät, denn der Besitzer hätte bei ausreichender Information über diese
Rasse wissen müssen, dass solche Hunde jede Menge Auslauf brauchen und nichts für die
Stadt sind.
Der Magyar Vizsla, Abb. 2
Der Magyar-Vizsla gehört mit dem Weimaraner meines Erachtens zu den schönsten
Hunderassen überhaupt. Dennoch können die wenigsten Hundehalter diesen Hunden eine
artgerechte Haltung bieten und sollten sich das Halten solcher Rassen nur aufgrund ihres
grandiosen Aussehens sehr gut überlegen. Beim Weimaraner ist es mittlerweile so, dass man
als Nicht-Jäger ohnehin keinen Welpen von einem verantwortungsvollen Züchter bekommt.
Wer sich dennoch aus dem Ausland einen Weimaraner-Welpen holt, wird bald merken,
warum das so ist. Viele Hunderassen bedürfen einer jagdlichen Führung, um ausgelastet zu
sein und um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Diese „dummen Gedanken“ sind
allerdings keine Bösartigkeit des Hundes, sondern einfach nur das angeborene Zuchtziel.
Weimaraner-Welpen, Abb. 3
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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Nicht alle Welpenkäufer wissen, dass auch der bei Familien so beliebte Golden Retriever
(genau wie der Labrador) ein Jagdhund ist, der für die Jagd von Wasserwild gezüchtet wurde.
Es ist also kein Zufall, wenn Ihr Golden Retriever gerne schwimmt oder eine Ente bringt. Das
alles ist weiter kein Malheur – Sie müssen sich nur dessen bewusst sein, dass Ihr
Wunschwelpe für einen speziellen Zweck gezüchtet wurde. Sie wiederum sollten daher vor
einem Welpenkauf ausreichende Informationen über die gewünschte Rasse einholen – und
zwar nicht bei „irgendeinem“ Züchter, der nur seine Welpen anbringen will, sondern in einem
unabhängigen Rasse-Ratgeber, der Ihnen bei jeder Rasse ein objektives Rasseportrait bietet.
Doch Vorsicht: ähnlich wie in Reisekatalogen ist auch in Hunderassebüchern eine kleine
Übersetzungshilfe nötig. Es wird nämlich nie eine „negative“ Eigenschaft eines Hundes klar
ausgesprochen, da es grundsätzlich keine negativen Eigenschaften gibt – jede Rasse hat ihre
Berechtigung und somit auch ihren „richtigen“ Besitzer. Die beiden müssen sich nur finden!
Lesen Sie hier ein paar typische Formulierungen:
Tatsächliche Zitate aus Hundebüchern: Soll heißen:
„...benötigt von klein auf eine konsequente Erziehung...“ Nur für Hundekenner, eher nicht für Familien mit Kindern
„...dessen Stärken eindeutig im jagdlichen Bereich liegen...“ Ein Jagdhund. Nicht-Jäger wählen eine andere Rasse
„...selbstbewusster kleiner Hund ohne Angst...“ Überschätzt sich oft. Erhöhte Gefahr, gebissen zu werden.
„...vom Wesen her ziemlich dominant...“ Vorsicht bei Kindern und anderen Hunden – eher für Profis
„...sein aktives Temperament fordert sehr viel Bewegung...“ Damit ist wirklich viel Auslauf gemeint – schaffen Sie das?
„...intensive Fellpflege, um den Geruch zu minimieren...“ Sie werden tatsächlich viel Zeit mit Fellpflege verbringen.
„...unbeschäftigt hat er Langeweile und wird zum Kläffer...“ Auch das ist ernst zu nehmen. Haben Sie genügend Zeit?
„...in der Öffentlichkeit muss er angeleint bleiben...“ Angezüchtete Kampflustigkeit – wirklich nur für Profis
„...anderen Tieren gegenüber aggressiv...“ Angezüchtete Kampflustigkeit – wirklich nur für Profis
„...stark ausgeprägter Hüteinstinkt...“ Dieser Hund braucht Beschäftigung, Arbeit und Aufgaben
„...liebt gemütliche Spaziergänge im kühlen Wald...“ Nichts für Jogger, Skater, Biker, Bergsteiger, Sonnenanbeter
„...gegenüber Besuchern zurückhaltend...“ Ein Wachhund. Fremde sollten das Grundstück meiden.
„...liebt es nicht, zu viel begrapscht zu werden...“ Kinder u. Fremde sollten Acht geben – viel Verantwortung!
„...ausgezeichneter Arbeiter im Wasser...“ Jagdhund für Wasserwild mit hohem Beschäftigungswunsch
„...lässt sich gerne verwöhnen...“ Vorsicht vor Fettleibigkeit durch Überfütterung!
„...toleriert gut erzogene Kinder...“ Nichts für Kleinkinder. Vorsicht bei jungen Besuchern.
„...das Grundstück muss gut eingezäunt sein...“ Der Hund ist entweder ein Springer oder ein Gräber...
„...diese Hunde haaren sehr stark...“ Nehmen Sie solche Sätze ernst, ehe Sie verzweifeln!
„...diese Hunde brauchen Gesellschaft...“ Arbeiten Sie 8 Stunden am Tag? Eine andere Rasse wählen!
Sitzen Sie auch bitte nicht dem Irrtum auf, dass kleine Hunderassen leichter zu erziehen sind,
weniger Auslauf brauchen, weniger Mist machen oder nicht so hektisch sind. Viele Besitzer
des so beliebten Jack-Russel-Terriers werden mir hier sicher Recht geben. Umgekehrt ist es
auch kein Dogma, dass große Hunde besonders viel Auslauf brauchen. Einer (vor allem
älteren) Deutschen Dogge beispielsweise werden Sie mit täglichen kilometerlangen
Radtouren wenig Freude machen.
Wählen Sie „Ihre“ Hunderasse am besten nach folgenden Kriterien:
� Eher klein – eher groß: das ist eine Grundsatzentscheidung, die von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist:
���� Was sagt Ihr Vermieter? Lesen Sie hierzu das Kapitel 94.
���� Was sagt Ihr Arbeitgeber (wenn Sie den Hund ins Büro mitnehmen wollen)?
���� Haben Sie (kleine) Kinder? Fahren Sie mit dem Kinderwagen?
���� Wie alt sind Sie? Eine ältere Dame wird mit einem 50kg-Rüden vielleicht Probleme haben.
���� Wie groß ist Ihr Auto, wie groß ist Ihre Wohnung? Bedenken Sie, dass Sie auch mit Koffern, Kindern und
dem Hund noch Platz im Auto haben sollten.
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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���� Was möchten Sie mit dem Hund tun? Für den Marathon üben oder nur ein bisschen spazieren gehen?
���� Was ist Ihr „Geschmack“? Oft höre ich, dass ein kleiner Hund ja kein „echter“ Hund ist. Das ist aber ein
Vorurteil und entspricht nicht den Tatsachen. Kaufen Sie also nicht nur deswegen einen Labrador, damit Ihr
Nachbar sieht, was für ein Kerl Sie doch sind.
� Kurzhaar – Langhaar: das ist eine Frage des Geschmacks und der Bereitschaft, das Fell zu pflegen. Kurze Haare sind
leichter aufzusaugen, stecken aber beharrlicher in Polstermöbeln und Kleidung. Langhaarhunde hingegen neigen – vor
allem nach dem Schwimmen – zu nicht unbeträchtlichem Geruch.
� Eher gemütlich – eher aufgeweckt: Grundsätzlich ist jeder Hund ein Hund – auch wenn das banal klingt. Auch
Schoßhunde sind keine Stofftiere, sondern Nachfahren der Wölfe. Daher muss auch ein „Schoßhund“ Spazieren gehen
und braucht soziale Kontakte. Wenn Sie jedoch wirklich ein sportlicher Typ sind und einen Gefährten für jede
sportliche Herausforderung suchen, müssen Sie den passenden Hund suchen – dieser muss nicht groß, sondern einfach
nur für Ihre Zwecke gezüchtet sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jede Rasse ihre Vorzüge hat. Daher sollte sich der
zukünftige Welpenbesitzer nicht nur vom Aussehen leiten lassen, sondern seine eigenen
Bedürfnisse mit den Rasseeigenschaften abgleichen. Die Tierheime wären bei weitem nicht so
überfüllt, wenn sich die Hundebesitzer vor der Anschaffung des Tieres informiert hätten, ob
ihr Lebensstil zu dem des Hundes passt. Sie sollten auch für einen Hund keinesfalls Ihren
eigenen Lebensstil ändern – frei nach dem Motto: „Ab jetzt gehe ich jeden Tag stundenlang
spazieren!“. Solche Vorsätze sind nie von langer Dauer. Nehmen Sie sich lieber den Hund,
der zu Ihrem Lebensstil passt und mit dem Sie Ihre Gewohnheiten weiterhin pflegen können.
5. Ist der süß!
Gleich vorweg: natürlich sind alle Welpen süß! Bedenken Sie aber, dass das süße Aussehen
bald schon nicht mehr ausreichen könnte, Ihnen über den Zorn hinwegzuhelfen, den Sie
empfinden, wenn Sie angeknabberte Möbel vorfinden, im Winter nachts mehrmals hinaus
müssen, gegrabene Löcher im Garten sehen, überall Haare haben, jeden Tag und bei jedem
Wetter spazieren gehen müssen oder Ihre neuen Schuhe nur noch als „feuchte Lederreste“ zu
bezeichnen sind.
Besonders bei Spontan-Welpenkäufen (von denen natürlich immer abzuraten ist) oder weil
der Nachbarshund gerade so süße Mischlingswelpen bekommen hat, gilt es bei aller
Herzigkeit zu bedenken, dass ein Welpe zwar unendlich viel Freude, aber auch unendlich viel
Arbeit und manchmal auch Kummer macht. Zum Glück dauert die Welpenzeit nicht
annähernd so lange wie die Zeit des Heranwachsens der Kinder. Dennoch durchlebt auch ein
Welpe eine „Pubertät“, eine Flegelphase, in der Sie ihn oft verwünschen werden.
Sie können sich die Welpenzeit um vieles einfacher machen, wenn Sie Ihre Wohnung oder Ihr
Haus genauso „welpensicher“ machen wie Sie es für Kinder tun würden. Entfernen Sie
Teppiche, Topfpflanzen, Schuhe – kurz: alle einfach nur so herumstehenden Gegenstände.
Am allerwichtigsten ist es jedoch, alle Elektrokabel zu entfernen. Besonders in der Umgebung
Ihres Computers sowie bei Fernseher, DVD und Stereo-Anlage werden Sie ein ganzes Bündel
an Kabeln haben. Dieses können Sie in der Welpenzeit auf den Arbeitstisch oder auf das
Fernsehregal legen. Absolut unverlegbare Kabel können Sie mit dicken Klebestreifen an die
Wand kleben, um so die Versuchung des Welpen zu minimieren, daran herumzukauen. Haben
Sie im Bücherregal in Bodennähe schöne Bildbände, Alben oder Dokumente? Entfernen Sie
Die 100 Irrtümer der Hunde-Erziehung
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diese von dort. Sichern Sie die Steckdosen und verstauen Sie bodennahe Putzmittel oder
Gifte. Sie werden um vieles stressfreier leben, wenn Sie nicht jeden Schritt Ihres kleinen
Mitbewohners kontrollieren müssen.
Einige Hunderatgeber empfehlen Ihnen, Ihren Welpen mit all diesen Gefahren und Reizen zu
konfrontieren, um dem Welpen alles gleich abzugewöhnen. Ich denke jedoch, dass Sie
genügend Stress mit unvorhergesehenen Situationen und mit der Stubenreinheit haben
werden. Warum sollten Sie sich mit zusätzlichen Gefahrenquellen das Leben schwer machen?
Wie bei Kindern ist es auch bei Hundekindern so, dass sich viele Lästigkeiten von selber
legen. So wie Ihr Volksschulkind nicht mehr Putzmittel trinken wird, wird auch Ihr
ausgewachsener Hund nicht mehr auf den Teppich machen oder ihn anknabbern.
Je weniger Gefahrenquellen Sie im Haus haben, umso weniger Angriffsfläche bieten Sie
Ihrem Welpen, sich ungewünscht zu betätigen. Sie ersparen sich selbst Stress und dem Hund
viele vermeidbare Schimpfer. So können Sie die Welpenzeit besser genießen und sich daran
erfreuen, wie süß Ihr Welpe doch ist. Es wäre nämlich schade, wenn Sie durch den vielen
Kummer, auf den Sie sich bei Ihrem Welpen auch einstellen müssen, die Freude an ihm
verlieren. Der Hund würde das spüren, auf seine Art um Aufmerksamkeit kämpfen und die
Spirale würde sich weiter drehen.
6. Zu Ostern kommt der Hund
Zu Ostern kommt natürlich der Osterhase. Für dieses Kapitel habe ich aber deshalb diesen
provokanten Titel gewählt, da ich einmal einen Welpeninteressenten hatte, der seinen Welpen
exakt am Freitag vor den Osterferien – wenn möglich gegen 18:00 Uhr – abholen wollte. Zu
diesem Zeitpunkt war die Hündin jedoch weder läufig noch trächtig...
Ein Hund ist kein Werkstück, das genau dann geliefert wird, wenn es am besten passt. Immer
wieder höre ich von Welpeninteressenten, dass ein Abgabetermin zu dieser oder jener Zeit
passen würde, weil genau in dieser Zeit ein Urlaub geplant ist. Es ist zwar sehr löblich und
absolut unabdingbar, dass man sich für die ersten Wochen Urlaub nimmt, aber in diesem Fall
muss sich der Mensch nach der Natur richten und nicht umgekehrt. Es ist mir auch schon
passiert, dass ich den Interessenten nicht zur angegebenen Urlaubszeit den Welpen „liefern“
konnte und so wurden die Leute panisch und suchten in der Verzweiflung schnell irgendeinen
anderen Welpen, da ja die freie Zeit genutzt werden musste. Dann waren auf einmal die zuerst
so wichtigen Anforderungen an gute Zuchtlinien, Gesundheit, festes Wesen und perfekte
Sozialisierung nicht mehr so hoch. Es wurde schnell ein Ersatz gefunden, da die
Vermehrungsmaschinerie aus dem Ostblock nie Lieferschwierigkeiten hat. Die Rechnung
dafür präsentiert sich dann immer zu spät...
Besonders bei seltenen Rassen und guten Zuchtstätten müssen Sie durchaus eine gewisse Zeit
auf Ihren Welpen warten. Sitzen Sie also nicht dem Irrtum auf, dass Sie eine Woche nach der
Entscheidung, einen Welpen zu nehmen, diesen bereits in Händen halten. Besonders hart trifft
in dieser Zeit das Sprichwort: „Vorfreude ist die schönste Freude.“