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Die Schweigepflicht des Betriebsarztes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Jörn Hülsemann
Anwaltshaus seit 1895, Hameln
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Dr. Hülsemann
Unsere gemeinsamen Themen
Die Grundlagen der ärztlichen Schweigepflicht
Die Schweigepflicht des Betriebsarztes
Rechtfertigung des Bruchs der Schweigepflicht
insbesondere Einverständnis, Offenbarungspflicht und
Notstand
insbesondere: die Vorgaben der ArbMedVV
Die Folgen eines Verstoßes gegen die
Schweigepflicht
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Dr. Hülsemann
Grundlagen der Schweigepflicht
Die ärztliche Schweigepflicht hat div. Grundlagen.
Basis bildet sicherlich der Eid des Hippokrates.
Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgange mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.
Eine Ergänzung bildet § 9 der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer:
(1) Ärztinnen und Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Ärztin oder Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist - auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus - zu schweigen.
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Dr. Hülsemann
§ 203 StGB
Von besonderer Bedeutung ist der strafrechtliche Schutz der
ärztlichen Verschwiegenheitspflicht.
Sie ist in § 203 StGB geregelt, der bestimmt:
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum
persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs-
oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Arzt, [...] anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das
fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.
(5) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen
anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die
Strafe Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe.
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Dr. Hülsemann
Umfang der Schweigepflicht
Die Schweigepflicht umfasst das Verbot der Preisgabe einer Information darüber, „ob“ und „wie“ ein Patient eine Behandlung oder Beratung durch den Arzt erhält und welche Diagnosen festgestellt sind.
Sie gilt grundsätzlich auch über den Tod hinaus.
Sie gilt auch gegenüber Eltern Minderjähriger
wenn der Minderjährige sich erkennbar selbst in Behandlung begeben hat, einsichtsfähig ist und erkennbar ist, dass die Verschwiegenheitspflicht gewahrt werden soll.
Sie gilt grundsätzlich auch unter Ärzten
sofern diese nicht gleichzeitig oder nacheinander behandeln und ein Einverständnis anzunehmen ist.
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Der Betriebsarzt
Die Bestellung des Betriebsarztes erfolgt aufgrund der Vorgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes.
Diese Vorgaben werden insbesondere hinsichtlich der Einsatzzeiten durch die Bestimmungen der DGUV Vorschrift 2 konkretisiert.
Die Schweigepflicht des Betriebsarztes ist nicht gesondert im Arbeitssicherheitsgesetz geregelt, es gibt dort einen Verweis:
§ 8 Unabhängigkeit bei der Anwendung der Fachkunde(1) [...] Betriebsärzte sind nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und haben die Regeln der ärztlichen Schweigepflicht zu beachten.
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Dr. Hülsemann
Rechtfertigungsansätze
Die Weitergabe von Untersuchungsergebnissen oder
-befunden („Bruch“ der Verschwiegenheitspflicht)
kann im Einzelfall gerechtfertigt sein.
Wir unterscheiden hier
das ausdrückliche Einverständnis,
das mutmaßliche Einverständnis,
das konkludente Einverständnis,
die gesetzlich angeordnete Offenbarungspflicht und
den Notstand.
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Einverständnis
Der Arbeitnehmer kann sein Einverständnis mit der
Weitergabe des Untersuchungsergebnisses erklären.
Selten liegt ein mutmaßliches Einverständnis vor.
Das Einverständnis kann auch „konkludent“
(stillschweigend, schlüssig) erklärt werden.
Der Betriebsarzt kann dann das Ergebnis an den
Arbeitgeber übermitteln.
Eine Diagnose sollte der Betriebsarzt nur
weitergeben, wenn er hierfür gesondert ermächtigt
wurde. Im Regelfall hat die Weitergabe der Diagnose
zu unterbleiben.
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Dr. Hülsemann
Konkludentes Einverständnis
Ob und wenn ja in welchem Umfang ein
konkludentes Einverständnis besteht, ist im Einzelnen
sehr umstritten.
Es kommt dabei auf die Aufklärung durch den
Betriebsarzt an.
Zudem ist danach zu unterscheiden, ob es sich bei der
Tätigkeit des Betriebsarztes um
eine Einstellungsuntersuchung,
eine Eignungsuntersuchung oder
um eine Untersuchung nach der ArbMedVV handelt.
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Dr. Hülsemann
Einstellungsuntersuchung
Bei einer nicht gesondert angeordneten
Einstellungsuntersuchung lässt der Arbeitgeber den
Betriebsarzt ermitteln, ob eine Bewerber den
Vorgaben des Arbeitgebers entspricht.
Die Teilnahme an einer solchen Untersuchung ist für
den Bewerber freiwillig.
In der Teilnahme wird die konkludenten Einwilligung
in die Weitergabe des Ergebnisses der Untersuchung
gesehen.
Besser ist die Absicherung durch eine ausdrückliche
Einverständniserklärung.
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Dr. Hülsemann
Eignungsuntersuchungen (1)
Eignungsuntersuchungen sollen die Tauglichkeit
eines Bewerbers/Arbeitnehmers für einen konkreten
Arbeitsplatz sicherstellen.
Sie sind – bis auf Ausnahmen (FeV) – nicht
gesetzlich angeordnet.
Die „G-Grundsätze“ der DGUB können als Vorgabe
für eine Eignungsuntersuchung verstanden werden.
Diese Untersuchungen unterfallen nicht der
ArbMedVV.
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Dr. Hülsemann
Eignungsuntersuchungen (2)
Eine konkludente Einwilligung des AN bei
Eignungsuntersuchungen darf meiner Ansicht nach
nicht unterstellt werden.
Der AG darf aber seine Rückschlüsse aus der
Reaktion des Arbeitnehmers ziehen.
Der Arbeitgeber wird ggf. seinen Arbeitnehmer nicht
einsetzen, wenn sich dieser nicht untersuchen lässt.
Die Folgefragen (Vergütungsanspruch, Kündbarkeit)
lassen sich mit dem üblichen arbeitsrechtlichen
„Werkzeugen“ lösen.
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Dr. Hülsemann
Wie das Ergebnis mitteilen?
Es empfehlen sich folgende Aussagevarianten:
dauernde gesundheitliche Bedenken
befristete gesundheitliche Bedenken
keine gesundheitliche Bedenken unter bestimmten
Voraussetzungen
keine gesundheitliche Bedenken
Bei der Bezeichnung anderweitiger Einsatz-
möglichkeiten darf durch das Eignungsprofil ein
Rückschluss auf die Diagnose nicht möglich sein.
Bei verweigertem Einverständnis teilt man mit
„Eine Aussage ist nicht möglich.“
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Dr. Hülsemann
Rechte der AN bei Untersuchungen
Arbeitnehmer können ihr Einverständnis in die
Mitteilung des Ergebnisses widerrufen.
Sie können ferner von Beginn an einer Weitergabe
des Ergebnisses widersprechen. Ein konkludentes
Einverständnis ist dadurch ausgeschlossen.
Betriebsärzte haben auf Wunsch des Arbeitnehmers
zudem das Ergebnis arbeitsmedizinischer
Untersuchungen mitzuteilen, § 3 II ASiG.
Einen Anspruch auf Einblick in die vollständigen ärztlichen
Unterlagen des Betriebsarztes besteht hingegen nicht.
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Dr. Hülsemann
Vorsorgeuntersuchungen (1)
Die ärztliche Schweigepflicht wird in § 6 ArbMedVV
noch einmal betont. Sie ist „zu beachten“.
Das Ergebnis der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist
schriftlich festzuhalten.
Der Arbeitnehmer ist über das Ergebnis zu beraten.
Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist ihm das Ergebnis
zur Verfügung zu stellen.
Dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ist eine
Vorsorgebescheinigung auszustellen, dass, wann und
aus welchem Anlass ein arbeitsmedizinsicher
Vorsorgetermin stattgefunden hat.
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Dr. Hülsemann
Vorsorgeuntersuchungen (2)
Anzugeben ist, wann eine weitere arbeitsmedi-
zinische Vorsorge aus ärztlicher Sicht angezeigt ist.
Hierzu gibt es ergänzend die AMR 6.3 geben.
Hält der Betriebsarzt wegen einer besonderen
Disposition des Arbeitnehmers einen
Tätigkeitswechsel für angezeigt, so bedarf diese
Mitteilung an den Arbeitgeber der Einwilligung des
Arbeitnehmers.
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Dr. Hülsemann
Vorsorgeuntersuchungen (3)
Damit gibt es keine Weitergabe des Ergebnisses –
auch nicht bei Pflichtvorsorgen – mehr!
Die Ergebnisse einer der ArbMedVV unterliegenden
Untersuchung erfährt der Arbeitgeber daher nicht
vom Betriebsarzt.
Es liegt beim Arbeitnehmer, ob er den Arbeitgeber
informiert.
Tut er dies nicht, oder verweigert er die Auskunft, so
hat er auch die Konsequenzen zu tragen.
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Dr. Hülsemann
Gesetzliche Offenbarungspflicht
Es gibt gesetzlich angeordnete
Offenbarungspflichten. Der Betriebsarzt darf nicht
nur, er muss sich hier äußern.
§ 202 SGB VII Anzeigepflicht von Ärzten bei
Berufskrankheiten
Haben Ärzte [...] den begründeten Verdacht, dass bei
Versicherten eine Berufskrankheit besteht, haben sie dies
dem Unfallversicherungsträger [...] unverzüglich
anzuzeigen.
§§ 6-15 Infektionsschutzgesetz
§ 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten)
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Dr. Hülsemann
Notstand (1)
Die Verletzung der Schweigepflicht kann nach § 34
StGB wegen eines Notstands gerechtfertigt sein:
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren
Gefahr für Leben, Leib [...] eine Tat begeht, um die Gefahr
von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht
rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden
Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des
Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte
Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies
gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist,
die Gefahr abzuwenden
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Dr. Hülsemann
Notstand (2)
Der Betriebsarzt kann, aber muss nicht im Fall eines
Notstandes seine Schweigepflicht brechen.
Er muss hier eine umfassende Interessenabwägung
vornehmen.
Lassen Sie uns die folgenden Beispiele diskutieren:
Der Arbeitnehmer ist Alkoholiker, muss aber dienstlich ein
Fahrzeug führen.
Der Pilot ist Diabetiker.
Der Arbeitnehmer ist Virus-Carrier einer nicht
meldepflichtigen Erkrankung. Er arbeitet im
Gesundheitsbereich.
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Dr. Hülsemann
Rechtsfolgen bei Verstößen (1)
Der Bruch der Verschwiegenheitspflicht kann
verschiedene Rechtsfolgen haben.
Erheblich dürfte der Vertrauensverlust in der
Belegschaft sein.
Es besteht zudem das (eher abstrakte) Risiko einer
strafrechtlichen Verfolgung.
Im Jahr 2010 gab es in Deutschland insgesamt (bei
allen Berufsgruppen des § 203 StGB!) 6 Verurteilte,
die allesamt nur Geldstrafen erhielten.
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Dr. Hülsemann
Rechtsfolgen bei Verstößen (2)
Problematischer dürfte der Druck sein, den der
Betriebsrat macht, wenn er von Pflichtverstößen
erfährt: er wird dann sein volles Mitbestimmungs-
recht aus § 87 I Nr. 7 BetrVG geltend machen.
Auch der Arbeitgeber als Auftraggeber des
Betriebsarztes wird sich überlegen, ob er den
richtigen Vertragspartner hat.
Schließlich kann die Ärztekammer disziplinarische
Maßnahmen einleiten.
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Diplom-Verwaltungswirt (FH)
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Jörn Hülsemann
Anwaltshaus seit 1895
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