Vorschläge der IG Metall
Neuaufbau
einer solidarischen
Alterssicherung
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Vorwort
Vorschläge der IG Metall für den Neuaufbau einer
solidarischen Alterssicherung
1. Ein Strategiewechsel in der Rentenpolitik ist
unverzichtbar
2. Für eine Rente mit Niveau!
2.1 Das Drei-Phasen-Konzept der IG Metall
2.2 Altersarmut verhindern
3. Für eine solidarische Erwerbstätigenversicherung
4. Flexibel in den Ruhestand statt Arbeiten ohne Ende
5. Eine Betriebsrente für alle!
6. Gute Rente – solidarisch finanziert
7. Generationendialog
8. „Mehr Rente – Mehr Zukunft“
Inhalt
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Es tut sich etwas bei der Rente. Nach dem Rentenpaket 2014 hat die neue
Bundesregierung weitere Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen
Rentenversicherung auf den Weg gebracht. Das Rentenniveau soll bis
2025 stabil bleiben, Erwerbsminderung besser abgesichert werden und
die Erziehungsleistung von Eltern wird bei der Rente zusätzlich honoriert.
Seit mehreren Jahren halten die Rentenanpassungen zudem Schritt mit
der Entwicklung von Löhnen und Gehältern. All das ist auch ein Erfolg für
die IG Metall!
Im Sommer 2016 hatte die IG Metall ihre Forderungen und Vorschläge für
den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung vorgelegt und da-
mit eine breite Diskussion in der Organisation wie auch in der gesamten
Gesellschaft angestoßen. Im Rahmen unserer Rentenkampagne sowie der
Kampagne des DGB haben sich zahllose Kolleginnen und Kollegen für die
Stärkung der gesetzlichen Rente eingesetzt. Im Zentrum der rentenpoliti-
schen Forderungen der IG Metall stand dabei ein Drei-Phasen-Konzept, mit
dem die gesetzliche Rente perspektivisch wieder einen deutlich höheren
Beitrag zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards leistet. Mit
der Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis 2025 setzt die
Regierung den ersten dieser drei Schritte nun um.
Doch dabei darf es nicht bleiben! Langfristig sind die Weichen nach wie vor
falsch gestellt. Nach 2025 kann das Rentenniveau nach geltendem Recht
(weiter) sinken. Gleichzeitig steigt die Regelaltersgrenze in Richtung 67
Jahre und die Debatte um eine noch weitere Anhebung ist längst nicht ver-
ebbt. Die in der Folge wachsende Lücke bei der gesetzlichen Rente kann
die Privatvorsorge nicht schließen. Eine notwendige Stärkung der betrieb-
lichen Altersversorgung muss das Ziel verfolgen, eine gute gesetzliche
Rente zu ergänzen – und nicht, sie teilweise zu ersetzen.
Verschärft wird die Entwicklung unverändert durch den Strukturwandel auf
dem Arbeitsmarkt. Weder in der gesetzlichen Rentenversicherung noch in
der betrieblichen Altersversorgung lassen sich mit Niedrigeinkommen und
prekären Erwerbsbiografien ausreichende Anwartschaften aufbauen. Die
Prekarisierung der Arbeit und weitere Leistungskürzungen durch das be-
stehende Rentenrecht führen in unserem einkommensabhängigen Alters-
sicherungssystem zu schwerwiegenden Versorgungsproblemen. Für viele
Mehr Rente – Mehr Zukunft!Für einen langfristigen
Strategiewechsel
Vorwort
5
Menschen, gerade der heute noch jüngeren Generationen, rückt Lebensstan-
dardsicherung im Alter in weite Ferne, andere sind von Altersarmut bedroht.
Daher brauchen wir einen umfassenden Kurswechsel in der Alterssiche-
rungspolitik. Auskömmliche Renten müssen dauerhaft wieder zum zentra-
len Ziel des Sozialstaats werden – und nicht möglichst niedrige Beiträge
für die Arbeitgeber bei Zusatzbelastungen durch Privatvorsorge allein für
die Beschäftigten. Faire Renten, flexible Übergänge in den Ruhestand statt
„Rente ab 67“ und eine nachhaltige und gerechte Finanzierung – das sind
unverändert die zentralen Eckpunkte einer guten und soliden Rentenpolitik.
Die gesellschafts- und gewerkschaftspolitisch hohe Relevanz des Themas
Zukunft der Alterssicherung macht es notwendig, die Kampagne der IG
Metall für eine nachhaltige Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung
fortzuführen. Den ersten Schritten durch den „Rentenpakt 1“ der Bundes-
regierung müssen weitere folgen. Unser Ziel bleibt die solidarische Wei-
terentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung. Das werden wir zum
zentralen Bewertungsmaßstab der Arbeit der neu eingesetzten Renten-
kommission machen, die im Frühjahr 2020 Vorschläge zur Zukunft der Al-
terssicherung vorlegen soll. Gleichzeitig werden wir die Debatte um unse-
re Forderungen und Vorschläge für eine gute Rente fortsetzen und weiter
intensivieren. Wir freuen uns darauf.
Angesichts der anstehenden gesellschaftlichen und politischen Debat-
ten um die richtige Weichenstellung in der Alterssicherungspolitik und
anlässlich vieler Nachfragen veröffentlichen wir nun den überarbeiteten
Nachdruck unserer Broschüre vom Sommer 2016. Der nachfolgende Text
entspricht dem damaligen Vorstandsbeschluss, lediglich einige Daten
wurden aktualisiert.
Jörg Hofmann
Erster Vorsitzender
der IG Metall
Hans-Jürgen Urban
Geschäftsführendes
Vorstandsmitglied
der IG Metall
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Die IG Metall plädiert für einen grundlegenden, solidarischen Neuaufbau
des Systems der Alterssicherung in Deutschland. Denn langfristig sind
die Weichen in der Alterssicherung falsch gestellt. Darüber können weder
die derzeit gute Situation der gesetzlichen Rentenversicherung noch die
aktuellen rentenpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung hinweg-
täuschen. Trotz überdurchschnittlicher Rentenanpassungen seit 2015, den
Leistungsverbesserungen seit dem 2014 beschlossenen Rentenpaket und
der stabilen Finanzlage der Rentenkasse sind die massiven Strukturprob-
leme nicht zu übersehen.
Denn ungeachtet der „doppelten Haltelinie“ bei Rentenniveau und Bei-
tragssatz bis zum Jahr 2025 wird das Rentenniveau langfristig weiter deut-
lich sinken und die Regelaltersgrenzen werden weiter steigen. Weder die
betriebliche Altersversorgung noch die Modelle der Privatvorsorge werden
diese Lücken schließen können.
Zudem erzeugen der aktuelle Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und
die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses erhebliche Sicherungsrisiken
im Alter. Mit der Zunahme von Niedrigeinkommen und porösen Erwerbs-
biografien verlieren die Menschen die Möglichkeit, ausreichend Anwart-
schaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der betrieblichen
Altersversorgung anzusammeln.
Die massiven Leistungskürzungen bei der gesetzlichen Rente und die Ver-
änderungen am Arbeitsmarkt führen zu schwerwiegenden Versorgungs-
problemen: Die Lebensstandardsicherung rückt für viele Menschen in wei-
te Ferne und Altersarmut wird zu einem bedeutenden Risiko. Zudem wird
es für viele immer schwieriger, zu fairen Bedingungen aus dem Erwerbs-
leben auszusteigen. So wie die Weichen momentan gestellt sind, nimmt
die Belastung der Beschäftigten durch Rentenversicherungsbeiträge und
private Vorsorgeleistungen auf längere Sicht zu, und die reale Aufteilung
der Tragelast zwischen Kapital und Arbeit wird immer ungerechter.
Diese Entwicklung muss gestoppt werden! Das Alterssicherungssystem ist
so umzugestalten, dass wieder eine verlässliche und ausreichende Absi-
cherung im Alter gewährleistet ist, ein flexibler Ausstieg aus dem Erwerbs-
Vorschläge der IG Metall für den Neuaufbau einer
solidarischen Alterssicherung
Vorschläge der IG Metall für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung Vorschläge der IG Metall für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung
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leben ermöglicht wird und die notwendigen Aufwendungen nachhaltig und
gerecht finanziert werden. Daher hat die IG Metall die Initiative ergriffen
und stellt die Eckpunkte ihres Reformprogramms zur Debatte.
Dabei orientieren sich die Vorschläge der IG Metall am Leitbild einer so-
zialen Rentenversicherung, in der das Prinzip der Beitrags- und Leistungs-
gerechtigkeit (Äquivalenzprinzip) und ein angemessener Solidarausgleich
ineinandergreifen. Grundsätzlich soll die (relative) Höhe des verbeitragten
Einkommens auch zukünftig die (relative) Höhe der individuellen Rente
bestimmen. Zur Vermeidung von Altersarmut sollte zugleich das Solidar-
prinzip im Rentensystem gestärkt werden, um Anwartschaftslücken etwa
bei Arbeitslosigkeit, Kindererziehung, Pflege oder Ausbildung auszuglei-
chen. Eine Reduzierung der gesetzlichen Rente auf eine bloße Grundrente
hingegen lehnt die IG Metall ab.
Wer 45 Jahre immer Durchschnittsverdiener (West) war, erhält beim
aktuellen Rentenniveau von ca. 48 Prozent knapp 1.440 Euro Rente
(brutto).
Hätten wir heute noch ein Rentenniveau wie zur Jahrtausendwende,
läge diese Rente bei 1.590 Euro – beim drohenden Rentenniveau von
nur noch 42 Prozent im Jahr 2045 hingegen nur noch bei 1.260 Euro.
Quelle: Eigene Darstellung
53 %
2000 1.590 €
1.440 €
1.260 €
2018
48 %
2045
42 %
Vorschläge der IG Metall für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung
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Ein Strategiewechsel in der Rentenpolitik ist unverzichtbar
Über eine ganze Serie von Reformen hinweg wurde zu Beginn der 2000er-
Jahre ein genereller Kurswechsel in der deutschen Alterssicherungspoli-
tik vollzogen. Seither orientiert sich die gesetzliche Rentenversicherung
nicht mehr am Ziel, den Lebensstandard im Alter zu sichern, sondern dar-
an, die Beitragssätze stabil zu halten. Mit diesem Paradigmenwechsel von
einem leistungsorientierten System zu einem beitragsorientierten System
sind Leistungskürzungen bei der gesetzlichen Rente und eine
(Teil-)Privatisierung der Alterssicherung verbunden. Die Siche-
rung des Lebensstandards im Alter soll unter diesen Bedingun-
gen durch eine Kombination aus gesetzlicher Rente, betrieb-
licher Altersversorgung und privater Vorsorge erreicht werden
(Drei-Säulen-Modell). Der privaten, kapitalgedeckten Vorsorge
wird damit im System der Alterssicherung eine neue Rolle zu-
gewiesen. Während ihr zuvor eine ergänzende Rolle zur gesetz-
lichen Rente zukam, muss sie nunmehr eine zumindest partiell
ersetzende Rolle übernehmen. Mit anderen Worten: Die private
Vorsorge wird zum Ausfallbürgen für die Lücken in der gesetzlichen Rente.
Dieser Ansatz ist gescheitert! Sinkendes Rentenniveau und steigende Re-
gelaltersgrenzen führen dazu, dass immer mehr Menschen von sozialem
Abstieg oder Armut im Alter bedroht oder sogar bereits betroffen sind.
Verschärft wird die Situation durch das Scheitern der „Riester-Rente“: Ihre
Verbreitung bleibt weit hinter den ursprünglichen Annahmen zurück und
die politisch unterstellten Renditeziele sind angesichts der andauernden
Niedrigzinsphase utopisch.
Ein Strategiewechsel in der Rentenpolitik ist unverzichtbar Ein Strategiewechsel in der Rentenpolitik ist unverzichtbar
Eine auskömm- li che Rente muss wieder zur zentralen Ziel-größe der Renten politik werden!
1
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Es ist höchste Zeit für einen Perspektivwechsel in der Rentenpolitik. Nicht
der weitere Rückbau durch die vorprogrammierten Kürzungen, sondern
der Ausbau der gesetzlichen Rentenversicherung gehört auf die gesell-
schaftliche und politische Tagesordnung. Die IG Metall plädiert daher für
einen erneuten Strategiewechsel in der Alterssicherungspolitik: Eine aus-
kömmliche Rente, nicht möglichst niedrige Beitragssätze, muss wieder
zur zentralen Zielgröße der Rentenpolitik werden!
Sicherungsniveau vor Steuern Versorgungsniveau Riester-Rente
Quelle: Eigene Darstellung nach RV-Bericht der Bundesregierung 2018 (Entwurf 5.11.2018), Übersicht B8, Seite 39
Unterstelltes Gesamtversorgungsniveau aus gesetzlicher Rente und Riester-Rente bis 2032 (in Prozent)
Leistungsniveau gRV vor Riester-Reform (52,6)
1,70,4
2,2 2,63,1 3,6
4,34,8 5,3 6,1 6,6
52,65 1 ,6
49,4
4 8 ,1 4 8 ,1 4 8 ,1 48,348,0 48,0 47,8
46,645,8
44,9
7,1
2001 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 2030 2032
40
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44
46
48
50
52
10
0
Ein Strategiewechsel in der Rentenpolitik ist unverzichtbar
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Die gesetzliche Rente muss zwei Aufgaben erfüllen: Mit einem angemessenen Leistungsniveau
muss sie den wesentlichen Beitrag zur Lebensstandardsicherung gewährleisten und zugleich einen
wirksamen Schutz vor Armut im Alter bieten. Damit die gesetzliche Rente zukünftig wieder ein aus-
kömmliches Leistungsniveau sichern kann, schlägt die IG Metall die Stabilisierung der gesetzlichen
Rentenversicherung und Anhebung der Rentenleistungen vor.
Für eine Rente mit Niveau!
Durch die Kombination aus erhöhten Zahlbeträgen und reduzierten Entgeltpunkten kann ein Versor-
gungsniveau erreicht werden, das in etwa dem vergleichbaren Lebensstandard vor den „Kürzungs-
reformen“ entspricht. Da die Anhebung des Rentenniveaus über die Aufwertung des einzelnen Ent-
geltpunktes (über den sogenannten aktuellen Rentenwert) realisiert wird, profitieren anteilig alle
Rentenarten (also auch Erwerbsminderungsrente, Hinterbliebenenrente, Schwerbehindertenrente
usw.) von der allgemeinen Leistungsverbesserung der Rentenversicherung – gleichgültig, wie viele
„Rentenpunkte“ im Arbeitsleben angesammelt werden konnten.
Eine Rente mit Niveau – ein Vorschlag der IG Metall zur Debatte
Als mögliche Orientierungsgröße für die anzustrebende Standardrente könnte dabei das Gesamtver-
sorgungsniveau dienen, das im jährlichen Rentenversicherungsbericht als eine anzustrebende renten-
politische Zielgröße ausgewiesen wird. In der gegenwärtigen Rentenpolitik soll es allerdings aus ge-
setzlicher Standardrente und privater Zusatzversorgung in Form einer geförderten Riester-Rente er-
reicht werden. Der für diese Gesamtversorgung ausgewiesene Betrag liegt aktuell bei rund 1.535 Euro
(brutto) und damit rund 6,6 Prozent höher als die aktuelle Standardrente. Da die Riester-Rente auf-
grund überzogener Verzinsungsprognosen, unterschätzter Verwaltungs- und Provisionskosten und der
sozialen Schlagseite bei der Inanspruchnahme der staatlichen Förderung zugunsten höherer Einkom-
men die in sie gesetzten Erwartungen verfehlt, sollte die Sicherung dieses Versorgungsziels wieder auf
die gesetzliche Rente übergehen.
Zudem müssen die erwerbsbiografischen Annahmen der Standardrente auf den Prüfstand gestellt
werden. Für viele Arbeitnehmer und insbesondere viele Arbeitnehmerinnen sind die in der heutigen
Standardrente unterstellten 45 Entgeltpunkte nicht erreichbar. Beim Rentenzugang 2014 verfügten
selbst die langjährig Versicherten (mit mindestens 35 Versicherungsjahren) geschlechterübergreifend
im Schnitt nur über rund 43 Entgeltpunkte. Die IG Metall schlägt daher vor, sich an dieser Realität aus-
zurichten und zukünftig 43 und nicht 45 Entgeltpunkte zum Bezugspunkt einer neuen Standardrente
zu machen. Diese Standardrente, die die Veränderungen am Arbeitsmarkt berücksichtigt, läge bei rund
1.535 Euro und wäre mit 43 Entgeltpunkten erreichbar.
2
Für eine Rente mit Niveau!
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Das Drei-Phasen-Konzept der IG Metall: Die gesetzliche Rente muss einen deutlich höheren Beitrag zur Sicherung eines angemessenen Lebens-standards leisten
Das Rentenniveau ist seit den 2000er-Jahren bereits deutlich gesunken.
So sind zwischen 2001 und 2018 die Rentenerhöhungen um 4,5 Prozent-
punkte hinter der Lohnentwicklung zurückgeblieben und bis 2032 könn-
ten es noch einmal weitere 3,2 Prozentpunkte sein. Dieser Wertverlust der
Renten gegenüber den Löhnen muss gestoppt werden und die gesetzliche
Rente muss wieder einen deutlich höheren Beitrag zur Lebensstandard-
sicherung für alle Beschäftigten leisten.
I. Stabilisierungsphase: Absenkung stoppen!
In einem ersten Schritt muss ein weiteres Absinken des Leistungsniveaus
der gesetzlichen Rente verhindert werden. Nach aktuellen Prognosen der
Bundesregierung (Rentenversicherungsbericht 2018) liegt das Renten-
niveau, ausgewiesen als Sicherungsniveau vor Steuern, aktuell bei
48,1 Prozent. Das entspricht ab 1. Juli 2018 einer Standard- oder Eckrente
(45 Entgeltpunkte) von rund 1.440 €. Bis zum Jahr 2025 wird das Renten-
niveau auf mindestens 48 Prozent stabilisiert. Damit wurde die Forde-
rung der IG Metall umgesetzt, das aktuelle Rentenniveau als politisches
Zwischenziel festzuschreiben.
II. Ankopplungsphase: Lohn- und Rentenentwicklung im Gleich-
klang!
Nach 2025 werden die Dämpfungsfaktoren (Nachhaltigkeits- und Beitrags-
satzfaktor) in der Rentenanpassungsformel die weitere Entwicklung der
Renten jedoch wieder von der allgemeinen Einkommensentwicklung ab-
koppeln. Um den dann drohenden schleichenden Wertverlust der Renten
zu verhindern, muss die Rentenentwicklung auch dauerhaft wieder grund-
Rentenniveau
stabilisieren, weitere
Absenkung verhindern
Rentenentwicklung an
Lohnentwicklung an-
koppeln
Rentenniveau schritt-
weise auf neues Siche-
rungsziel anheben
I. II. III.Stabilisierungsphase Ankopplungsphase Anhebungsphase
2.1
Für eine Rente mit Niveau!
12
sätzlich an die Entwicklung der Löhne und Gehälter angekoppelt werden.
Dazu müssen die Dämpfungsfaktoren schrittweise aus der Rentenanpas-
sungsformel herausgenommen werden.
III. Anhebungsphase: Rentenniveau rauf – für alle!
Mit dem Stopp der weiteren Absenkung und der Ankopplung an die Lohn-
entwicklung ist gleichwohl noch nicht wieder ein angemessenes Leis-
tungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Daher sollte
in einer dritten Phase eine schrittweise Anhebung des Leistungsniveaus
der gesetzlichen Rente auf ein neues Sicherungsziel erfolgen. Dessen
Höhe wäre ebenso in einer gesellschaftlichen Debatte zu definieren wie
die Geschwindigkeit, mit der dieses Ziel erreicht werden soll.
Altersarmut verhindern
Von einem besseren Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversiche-
rung profitieren grundsätzlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Dennoch sind schon heute, auch aufgrund der Fehlentwicklungen am
Arbeitsmarkt, aber verstärkt in der Zukunft, Menschen von Armut im
Alter bedroht oder gar betroffen. Dies betrifft besonders Beschäftigte mit
brüchigen Erwerbsbiografien und zu einem großen Teil Frauen.
I. Niedrige Einkommen aufwerten!
Phasen der Erwerbstätigkeit im Niedriglohnsektor müssen daher für die
Rente aufgewertet werden. Mit der Rente nach Mindestentgeltpunkten
kennt das Rentenrecht bereits ein entsprechendes Instrument, von dem
ganz überwiegend Frauen profitieren – allerdings nur für Zeiten bis 1992.
Doch Zeiten mit Geringverdienst müssen auch darüber hinaus und un-
begrenzt um das 1,5-Fache und höchstens bis auf 75 Prozent des Durch-
schnittseinkommens hochgewertet werden, sofern hinreichend renten-
rechtliche Zeiten vorliegen.
Eine Besserstellung niedriger Arbeitseinkommen durch eine Aufwertung
erworbener Entgeltpunkte soll auch ein wesentliches Element der „Grund-
rente“ sein, auf die sich die Regierungsparteien Union und SPD im aktuel-
len Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 verständigt haben. Eine abschlie-
ßende Bewertung möglicher Vorschläge kann aber erst vorgenommen
werden, wenn ein entsprechender Referentenentwurf vorliegt, der Leis-
tungshöhe und Zugangsvoraussetzungen genau definiert.
2.2
Für eine Rente mit Niveau!
13
II. Beiträge für Langzeitarbeitslose und Ausfallzeiten angemes-
sen berücksichtigen
Für Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit müssen wieder wirksame Beiträge
in die Rentenkasse entrichtet werden. Auch Ausfallzeiten, insbesondere
wegen Kindererziehung oder familiärer Pflege, müssen stärker renten-
rechtlich berücksichtigt werden – nicht nur als Wartezeit, sondern tatsäch-
lich rentensteigernd.
III. Grundsicherung anheben und Freibeträge festlegen
Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung muss angeho-
ben werden. Zudem sollte es bei der Anrechnung von Einkommen auf die
Grundsicherung einen Freibetrag für Einkünfte aus der Altersvorsorge
(gesetzliche Rente, Betriebsrente, private Vorsorge) geben. Das ist zum
einen versorgungspolitisch sinnvoll. Zum anderen wird damit verhin-
dert, dass sämtliche Anstrengungen, für das Alter vorzusorgen, durch die
gegenwärtigen Regelungen zur Einkommensanrechnung im Nachhinein
entwertet werden.
IV. Kampf gegen Altersarmut systemgerecht aus Steuermitteln
finanzieren
All diese Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut müssen als ge-
samtgesellschaftliche Aufgabe systemgerecht aus Steuermitteln finan-
ziert werden. Ungeachtet der Herausforderung, dass steuerfinanzierte
Maßnahmen einer erhöhten Abhängigkeit von politischen Gegebenheiten
unterliegen, führt allein aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit an zu-
sätzlichen Steuermitteln kein Weg vorbei. Die notwendigen Mittel können
durch eine alternative Fiskalpolitik bereitgestellt werden sowie durch die
Ausschöpfung der ursprünglich für den Aufbau der „Riester-Rente“ ein-
geplanten Mittel – wobei für bestehende Riester-Verträge eine Bestands-
schutzregelung notwendig ist.
Von der drohenden Altersarmut wird gerade Ostdeutschland besonders
betroffen sein. Daher ist es grundsätzlich positiv, dass der Gesetzgeber im
Jahr 2017 die schrittweise Angleichung der aktuellen Rentenwerte bis zum
Jahr 2025 beschlossen hat. Allerdings müssten daraus abgeleitete Mehr-
kosten als Vereinigungskosten ebenfalls gesamtgesellschaftlich vollstän-
dig aus Steuermitteln finanziert werden.
Für eine Rente mit Niveau!
14
Die gesetzliche Rentenversicherung ist eng auf den Status als Arbeitneh-
merin oder Arbeitnehmer zugeschnitten. Insbesondere für Beamte und ei-
nen Teil der Selbstständigen gibt es eigene Systeme der Alterssicherung.
Rund zwei Drittel der Selbstständigen und Freiberufler haben hingegen
keine obligatorische Sicherung für die Risiken Alter, Invalidität und Tod.
Dies betrifft insbesondere Solo-Selbstständige, die allein vom Verkauf
ihrer eigenen Arbeitskraft leben und keine Angestellten haben.
Für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung ist es daher per-
spektivisch von zentraler Bedeutung, dass alle Erwerbstätigen in einem
gemeinsamen System pflichtversichert sind. Die IG
Metall fordert langfristig die Weiterentwicklung der
gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbs-
tätigenversicherung, in der alle zukünftigen Selbst-
ständigen, Beamten und Politiker versichert sind.
Für eine solidarische Erwerbstätigenversicherung
Ziel: Ein Rentensystem für alle!
3
Für eine solidarische Erwerbstätigenversicherung
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Im Sommer 2014 hat die Bundesregierung neben weiteren Leistungsver-
besserungen die abschlagsfreie Altersrente ab 63 Jahren eingeführt. Seit-
her wird unter dem Stichwort „Flexi-Rente“ allerdings überwiegend darü-
ber diskutiert, wie die Weiterarbeit bis zur neuen Regelaltersgrenze von
67 Jahren sowie die Arbeit im Rentenalter befördert werden können.
Die IG Metall zielt nicht darauf, Arbeiten nach der Regelaltersgrenze zu ver-
bieten. Die IG Metall lehnt jedoch Konzepte ab, die mit arbeits- und sozial-
rechtlichen Eingriffen das Arbeiten nach der Regelaltersgrenze attraktiver
oder gar zu einem Massenphänomen machen wollen. Flexible Ausstiegs-
möglichkeiten aus dem Arbeitsleben werden vor allem vor der Regelalters-
grenze benötigt und nicht danach. „Arbeiten ohne Ende“ ist weder gesell-
schafts- und sozialpolitisch akzeptabel noch eine nachhaltige Antwort auf
den wachsenden Fachkräftebedarf.
Die IG Metall plädiert für passgenaue Übergangsoptionen und eine erreich-
bare Regelaltersgrenze. Dafür bedarf es weiterer Reformen, die sich an der
individuellen Situation und den Bedürfnissen der Beschäftigten orien-
tieren und das Recht auf Ruhestand stärken. Hier hat sich insbesondere
die Altersteilzeit bewährt; die IG Metall hat entsprechend bereits
tarifliche Lösungen mit den Arbeitgebern vereinbart. Darüber
hinaus ist aus Gründen der Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit
auch den jüngeren Generationen dauerhaft ein abschlagsfreier
Rentenzugang für besonders langjährig Versicherte mit 63 Jahren
zu eröffnen.
Wer aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen schon deutlich
vor der Regelaltersgrenze auf die Unterstützung der Solidarge-
meinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen
ist, benötigt ebenfalls Leistungsverbesserungen, die über die ersten
Schritte im Rentenpaket hinausgehen. Da Erwerbsminderung mit einem
nochmals deutlich erhöhten Armutsrisiko einhergeht, sind die unsystema-
tischen Abschläge auf die Erwerbsminderungsrente ungeachtet der mehr-
maligen Verlängerung der Zurechnungszeiten abzuschaffen. Die Zugangs-
bedingungen zur Erwerbsminderungsrente sowie die Verweispraxis auf
den Arbeitsmarkt müssen verbessert bzw. verändert werden.
Flexibel in den Ruhestand statt Arbeiten ohne Ende
Langjährig Versicherte sollen bereits mit 63 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen können
4
Flexibel in den Ruhestand statt Arbeiten ohne Ende
16
Als Ergänzung zu einer gestärkten gesetzlichen Rente soll die betriebliche
Altersversorgung (bAV) als zweite tragende Säule einen Beitrag zur indivi-
duellen Lebensstandardsicherung bei Alter, Erwerbsminderung und Hin-
terbliebenenversorgung in einem lückenlosen System der Alterssicherung
leisten. Der Erfüllung dieses Auftrags stehen derzeit jedoch Defizite in der
Praxis sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen
entgegen, die beseitigt bzw. verbessert werden
müssen.
Gleichwohl dürfen auch die Stärken der bAV nicht
übersehen werden. Gegenüber der privaten Alters-
versorgung, die zudem die gesetzliche Rente teil-
weise ersetzen soll, liegen die Vorteile der bAV in
den institutionellen Strukturen, den Traditionen
einer anteiligen (zuweilen alleinigen) Arbeitgeberfinanzierung, den ge-
ringeren Kosten als in der dritten Säule und der Möglichkeit zu internen
Solidarausgleichen. Die IG Metall engagiert sich daher aktiv für die
Stärkung der bAV und tritt für ihre sozialstaatliche Weiterentwicklung ein.
Eine Betriebsrentefür alle!
bAV statt Riester: Stärkung und sozial-staatliche Weiterent-wicklung der betriebli-chen Altersvorsorge
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Eine Betriebsrente für alle!
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Gute Rente – solidarisch finanziert
Eine Rückbesinnung auf die Leistungsseite der Alterssicherung mit einer
Zieldefinition muss mit einer gesellschaftlichen Debatte über die not-
wendigen Kosten und eine akzeptable Verteilung dieser Kosten einherge-
hen. Dabei ist nach gegenwärtigen Vorausberechnungen bei vollständi-
ger Umsetzung des „Rentenpaktes 2018“ ab 2024 wieder mit steigenden
Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu rechnen – wenn auch
bis 2025 bei 20 Prozent Beitragssatz gedeckelt. Damit stehen Gesell-
schaft und Politik vor einer Grundsatzentscheidung: Sollen – wie gesetz-
lich vorgesehen – zukünftige Beitragssatzerhöhungen mit weiter sinken-
den Leistungen einhergehen? Oder sollen durch eine Kombination aus
einem etwas schneller steigenden paritätisch finanzierten Beitragssatz,
einem erhöhten Steuerzuschuss und einer Erweiterung des versicher-
ten Personenkreises deutlich bessere Leistungen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung finanziert werden?
Grundsätzlich sind drei Wege denkbar:
I. Der Teil-Privatisierungsweg
Beim aktuell eingeschlagenen „Teil-Privatisierungsweg“ ist der Beitrags-
satz bei 20 Prozent im Jahr 2025 und bei 22 Prozent im Jahr 2030 gedeckelt
– wovon allein die Arbeitgeber profitieren, während gerade die jüngeren
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das sinkende Leistungsniveau der
gesetzlichen Rente immer stärker und weitgehend allein finanziert an un-
sicheren Kapitalmärkten ausgleichen sollen. Die Wirkung der staatlichen
Förderung verpufft weitgehend; sie ist in erster Linie eine Milliardensub-
ventionierung der privaten Versicherungswirtschaft.
II. Der reine Beitragsweg
Als Alternative auf dem Weg zu Leistungsverbesserungen in der gesetz-
lichen Rentenversicherung könnte eine Finanzierung auf einem reinen
Beitragsweg gesehen werden. Hierbei müsste der paritätische Beitrags-
satz – je nach angestrebtem Leistungsziel – entsprechend höher ausfallen
als es die willkürlich gesetzten Obergrenzen derzeit vorsehen. Die Bun-
deszuschüsse wiederum blieben dabei weitgehend in einem konstanten
Verhältnis zu den Beitragseinnahmen, wie derzeit auch.
Rentenkurs heute:
Arbeitgeber profitieren
Beschäftigte sind
Kapital märkten
ausgeliefert
6
Gute Rente – solidarisch finanziert
18
III. Der solidarische Beitragsweg
Einen Schritt weiter geht der solidarische Beitragsweg. Bei diesem wäre
ebenfalls ein paritätischer Beitragssatz oberhalb der 22-Prozent-Marke
möglich bzw. nötig. Die tatsächliche Höhe eines am Leistungsziel ausge-
richteten Beitragssatzes wird unter anderem dadurch beeinflusst, in wel-
chem Umfang Leistungsverbesserungen auf dem Feld gesamtgesellschaft-
licher Aufgaben systemgerecht aus zusätzlichen Steuermitteln finanziert
werden. Darüber hinaus wird die Höhe des Beitragssatzes von weiteren
Faktoren beeinflusst, die nur eingeschränkt prognostizierbar sind. So
weist etwa der Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung neun An-
nahmekombinationen für die Entwicklung des Beitragssatzes aus. Dabei
liegen die Annahmen für den Beitragssatz im Jahr 2032 zwischen 21,7 und
23,3 Prozent, was einer Differenz von über 7 Prozent entspricht.
Für den solidarischen Beitragsweg muss zudem die Möglichkeit
zum Ausbau der Nachhaltigkeitsreserve („Demografie-Reserve“)
durch Abschaffung der Obergrenze von derzeit 1,5 Monatsaus-
gaben geschaffen werden. So könnten durch eine alternative Bei-
tragssatzentwicklung in konjunkturell und demografisch günsti-
gen Zeiten höhere Rücklagen zur Finanzierung leistungsgerechter
Renten auch in der Zukunft ermöglicht werden. Gleichzeitig könn-
ten Veränderungen beim Beitragssatz dann in größeren, dafür
aber weniger Schritten vorgenommen werden, was die gesamt-
wirtschaftliche Planbarkeit, insbesondere auch für die Arbeitge-
ber, deutlich erhöhen würde.
Schließlich fällt der Weiterentwicklung der gesetzlichen Renten-
versicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung auch mit Blick
auf die Finanzierung einer solidarischen Alterssicherung eine wichti-
ge Rolle zu. Prognosen zeigen: Mit der Einbeziehung von Freiberuflern,
Selbstständigen und Beamten können mittel- bis langfristig zusätzliche
Finanzspielräume eröffnet werden. Selbst bei zusätzlichen Leistungsver-
besserungen müssten die Beitragssätze nicht zwangsläufig höher ausfal-
len als nach dem jetzt geltenden System.
Notwendiger Bei-
tragssatz wird be-
einflusst durch:
bedarfsgerechte
Steuerzuschüsse
Aufbau Demo-
grafie-Reserve
Beteiligung von
Freiberuflern,
Selbstständigen
und Be amten
Lösung:
Beitragssätze
ausgerichtet am
Leistungsniveau
Gute Rente – solidarisch finanziert
19
Gute Rente – solidarisch finanziertBausteine eines soliden Finanzierungsmodells
Demografie-Reserve
Höherer Bundeszuschuss
aus Steuermitteln
Gute Rente – solidarisch finanziert
Anhebung des Beitrags- satzes zur gesetzlichen
Rentenversicherung(„Erwerbstätigenversicherung“)
Erweiterung desversicherten
Personenkreises
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Über Umfang und Höhe der Leistungsziele einer neu ausgerichteten soli-
darischen Alterssicherung sowie der dafür notwendigen und zugleich ak-
zeptablen Finanzierung bedarf es einer Übereinkunft zwischen allen Ge-
nerationen. Dies gilt sowohl für die gesamte Gesellschaft als auch für die
Solidargemeinschaft der IG Metall. Daher wird die IG Metall den bereits
begonnenen Dialog mit allen Generationen fortführen und dabei deutlich
machen, dass es bei der Frage des Rentenniveaus und der Beitragshöhe
nicht um einen Konflikt zwischen Generationen geht. Vielmehr geht es um
eine Abwägung zwischen Leistungszielen und Aufwendungen, die Vertei-
lung der Tragelasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und die
Justierung der Säulen der Alterssicherung. Dabei sollen die im Alterssiche-
rungskonzept der IG Metall aufgezeigten Zukunftsszenarien sowohl mit
Blick auf die Leistungsziele als auch den dafür notwendigen und akzeptab-
len Beitrag der Erwerbstätigen wie der Steuerzahlenden ent-
lang der Prüfkriterien „Verteilungsgerechtigkeit – Leistungs-
gerechtigkeit – Generationengerechtigkeit“ diskutiert werden.
Den Ausgangspunkt hierfür liefert unter anderem ein Ergebnis
aus der Beschäftigtenbefragung der IG Metall 2017. Danach
sind 77,4 Prozent der Befragten im Alter zwischen 25 und 34
Jahren dafür, das Rentenniveau zu stabilisieren und mittelfris-
tig zu erhöhen, auch wenn dadurch die Beiträge zur gesetzli-
chen Rentenversicherung steigen. Hier kommt zum Ausdruck,
dass nach einer Kantar Public-Umfrage im Auftrag der IG Metall im Herbst
2018 gerade bei vielen Jüngeren die Erwartung, im Alter von der gesetz-
lichen Rente gut leben zu können, mit 26 Prozent nur noch sehr gering
ausgeprägt ist.
Zweifellos kann die demografische Entwicklung nicht zum Nulltarif be-
wältigt werden. Aber genau deshalb war und ist es ein großer Fehler, den
Fokus in der Alterssicherungspolitik auf möglichst niedrige Beitragssätze
zu legen. Vielmehr muss das Bewusstsein dafür gestärkt werden, dass die
Aussicht auf ein tendenziell längeres Leben mit entsprechend verlänger-
ter Phase des verdienten Ruhestands gerade für viele heute noch jüngere
Menschen ein Gewinn ist – der allerdings auch mit höheren Kosten für die
Absicherung im Alter einhergeht. Doch mit steigender Produktivität und
7Generationendialog
Übereinkunft über:
Verteilungs-
gerechtigkeit
Leistungs-
gerechtigkeit
Generationen-
gerechtigkeit
Generationendialog
21
abnehmenden Transferleistungen in anderen Bereichen sind höhere Aus-
gaben für die Alterssicherung gesamtwirtschaftlich gut leistbar – gerade
wenn sie gerecht zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern geteilt werden.
Dies betrifft im Übrigen jede Form der Alterssicherung – ob im Umlage-
oder im Kapitaldeckungsverfahren. Die Kosten der Alterssicherung müs-
sen in jedem System aus dem laufenden Volkseinkommen finanziert wer-
den. Doch insbesondere die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise ab 2008
sowie die unvermindert anhaltende Niedrigzinsphase unterstreichen seit
vielen Jahren die Vorteile einer breit angelegten Umlagefinanzierung.
Wie bewerten Sie folgende Aussage?
Das Rentenniveau muss stabilisiert und mittelfristig erhöht werden,
auch wenn dadurch die Beiträge von Arbeitgebern und Beschäftigten zur
gesetzlichen Rentenversicherung steigen.
Stimme zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
Quelle: Bundesweite Beschäftig-tenbefragung der IG Metall 2017
36,4 %
41,0 %
16,5 %
6,2 %
Befragte im Alter von 25 bis 34
Jahren
Generationendialog
22
Der 23. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall hat programmatische
Eckpunkte für einen grundlegenden Neuaufbau einer solidarischen Alters-
sicherung formuliert. Für deren Durchsetzung soll auf unterschiedlichen
Handlungsebenen gegenüber Arbeitgebern, Verbänden und der Politik ge-
worben und mobilisiert werden.
Entsprechend setzt die IG Metall ihre erfolgreiche Kampagne „Gute Arbeit
– gut in Rente“ fort und legt dabei den Schwerpunkt auf ein angemesse-
nes Leistungsniveau der gesetzlichen Rente. Im Rahmen der Kampagne
werden verstärkt Fragen der Generationengerechtigkeit aufgegriffen und
mit dem Ziel von Leistungsverbesserungen verknüpft. Die Politik ist auf-
gefordert, den mit dem Rentenpaket im Sommer 2014 betretenen und ins-
besondere mit dem Rentenpakt 2018 weiter verfolgten Reformweg fortzu-
setzen und die gesetzliche Rentenversicherung insgesamt und dauerhaft
zu stärken.
Mit dem Slogan „Mehr Rente – Mehr Zukunft“ wird die zentrale Forderung
nach einer Stärkung der gesetzlichen Rente durch Leistungsverbesse-
rungen unterstrichen, die in erster Linie beim Leistungsniveau der gesetz-
lichen Rentenversicherung ansetzen – und von der perspektivisch gerade
auch die heute noch jüngeren Generationen profitieren würden.
8
Mehr Rente – Mehr Zukunft
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BILDNACHWEISE Seite 5: © IG Metall
STAND: November 2018
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