Entwicklungstendenzen in MV - Folgen von Armut für die demokratische Mitwirkung
LAK Mecklenburg-Vorpommern
28. Mai 2011Hon.-Prof. Ulf Groth, Hochschule Neubrandenburg
„Armut ist eine Gefahr Armut ist eine Gefahr
für die Demokratie“für die Demokratie“
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Soziale Marktwirtschaft
„Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohl-stands ist der Wettbewerb.“ (Ludwig Erhard, Wohlstand für alle, 1957, S. 7)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Neoliberale Tendenzen
„Der Spielraum der Regierung muss begrenzt sein. Ihre Aufgabe muss es sein, unsere Freiheit zu schützen (…) für Gesetz und Ordnung zu sorgen, die Einhaltung privater Verträge zu überwachen, für Wett-
bewerb auf den Märkten zu sorgen.“
Quelle: Milton Friedmann, Kapitalismus und Freiheit, 1971, S. 20
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Neoliberale Tendenzen
Globalisierung der Märkte Standortsicherung Deutschland Produktionskostensenkung / Steuerentlast-
ungen um wettbewerbsfähig zu bleiben Schaffung von Niedriglohnsektoren als
Brückenfunktion in den regulären Arbeitsmarkt
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Bundeskanzler G. Schröder:
„Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt….. Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt. Es hat erhebliche Auseinandersetzungen mit starken Interessengruppen in unserer Gesellschaft gegeben. Aber wir haben diese Auseinandersetzungen durchgestanden. Und wir sind sicher, dass das veränderte System am Arbeitsmarkt erfolgreich sein wird. Dieses System zwischen Fördern der Qualifikation und Fordern der Leistung von denen, die leistungsfähig sind, wird nach einer Übergangszeit auch zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit in Deutschland führen.“
Quelle: Rede des Bundeskanzlers auf dem Worl Economoiv Forum Davos 2005: http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/91/780791/multi.htm
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Quelle:
Monatsberichte der Dt. Bundesbank
April 2007, S. 42
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Arm trotz Arbeit
Working poor: Lohnsätze so niedrig, dass bei Vollbe-
schäftigung nicht das soziokulturelle Existenzminimum erreicht wird
Sozialstaat muss zusätzlich alimentieren: „Ökonomischer Wahnsinn“
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
„Shareholder Value Gesellschaft“
Shareholder Value: Finanzinvestitionen statt Realinvestitionen
größtmögliche Unternehmensgewinne Keine nachhaltige Sichtweise Keine Rücksicht auf Arbeitnehmer und
Gemeinwohl
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
„Shareholder Value Gesellschaft“
Gegensatz: Stakeholder Value Berücksichtigung von Kundeninteressen Interessen der MitarbeiterInnen Berücksichtigung der Lieferanten Größere Nachhaltigkeit Eher Gemeimwohlorientierung
Entwicklungs-tendenzen
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Armutsschwellen EU – Armutsgrenze: 60% des Medians aller
Einkommen
Armutsrisikoschwelle nach den Armuts- und Reichtumsberichten
1998 (1. ARB) 825 € (EVS) 2003 (2. ARB) 938 € (EVS) 2004 856 € (EU-SILC) 2005 (3. ARB) 781 € (EU-SILC)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
EU – Standard Datenquellen
1. EU-SILK (European Survey on Income and Living Conditions)
2. Panel SOEP (Sozialökonomisches
Einkommenspanel – Längsschnitt)
3. EVS (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des statistischen Bundesamts – alle 5 Jahre – zuletzt 2008)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Definitionsprobleme...
“Wie ausgefeilt und präzise die Definition einer Armutsschwelle auch sein mag, stets haftet ihr etwas Willkürliches an.“
Quelle: Serge Paugam (frz. Soziologe), Die elementaren Formen der Armut, 2008, S. 13
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Arme Arbeitslose
Von den Arbeitslosen sind bundesweit 57% in Armut, was sich seit Hartz IV deutlich gesteigert hat.
Auch hier ist die Betroffenheit zwischen West und Ost sehr deutlich unterschiedlich (Ost 67,8%).
Quelle: Prof. Dr. Karl August Chassè, FH Jena, IfW Armutstagung 2010
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Demografisches Problem ?
Der Demographische Wandel dominiert fast alle politischen Reden.
Dabei wird er vorrangig zur Begründung von Sozialabbau instrumentalisiert:
„Finanzierungsprobleme der GRV haben nichts mit der demografischen Entwicklung zu tun: Die Abkoppelung der Löhne vom Wirtschaftswachs-tum und damit der Rentenbeiträge vom Wohlfahrtszuwachs der letzten >10 Jahre sind dafür maßgeblich verantwortlich!“
(vgl: Kay Bourcarde, Die Rentenkrise: Sündenbock Demografie, 2010)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Armut Allein Erziehender nach EU-Grenze (60%)
Mecklenburg-Vorpommern 56,1%Sachsen 51,8% Sachsen-Anhalt 58,9% Brandenburg 43,1% Thüringen 51,3%
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 10-Jahres Untersuchung (2002 – 2012) von Prof. Heitmeyer, Uni
Bielefeld „Deutsche Zustände“ (jährlich) Weltweit umfangreichste Vorurteilsuntersuchung Zu Beginn der Untersuchung signifikante Einstellungsänderungen bei
Frauen
Arme resignieren = Verloren für die Gesellschaft
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Demokratieentleerung
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Zunahme rechtspopulis-tischer Einstellungen
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
… keine positiven Signale
Quelle: Heitmeyer, Deutsche Zustände, Unruhige Zeiten, Presseinformation 03.12.2010, S. 14
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
NPD als Gefahr
Neue Zielgruppe: Senioren demografischer Wandel: Besondere Bedeutung für MV
Neue Parteibüros in MV, Info-Mobil Ausländerfeindlichkeit (MV < 2%
Migrantenanteil) Neue Jagdgründe: Mitte der Gesellschaft
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Gefahr von Rechts ?
Sind das die neuen Rechten?
Die subtilen Strategien der Neonazi-Frauen "harte Weichspülerinnen“:
harte Botschaften auf die sanfte Tour
"Deutschlands Zukunft ist auch Frauensache" (Ring nationaler Frauen)
Organisation von Dorf- u. Kinderfesten
Modernes Gewand (z.B. Ökothemen)
Mitten unter unsQuelle: Röpke/Speit: Mädelssache! Frauen in der Neonazi-Szene, Berlin 2011
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
GMF Bewertungen Disparate Entwicklungen führen zu
gesellschaftlichen Vergiftungen: rohe Bürgerlichkeit
„…wird als Haltung verstanden. Es ist nicht der Umfang , sondern die Einflussmächtigkeit dieser höheren Einkommensgruppen zur negativen Veränderung des sozialen und politischen Klimas…“ (Heitmeyer, aaO. S. 15)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Abbau von Bedarfsgerechtigkeit:
Neue Formel des Abbaus von sozial-staatlichem Anrecht auf Unterstützung:
Gnade durch Wohlhabende und
Selbstverantwortung der sozial Schwachen (Heitmeyer, aaO., S. 16)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Gefahr für die Demokratie:
Verhältnis von regierender Politik und gesellschaftlichen Gruppen ist nachhaltig gestört.
Demokratieentleerung ist in unruhigen Zeiten gefährlich für die Akzeptanz des demokratischen Systems
(Heitmeyer, aaO., S. 16)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Aussichten undLösungen
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Ein Ausweg?
Das Eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es auch dreht und immer schiebt Erst kommt Erst kommt das Fressen, dann die Moral.das Fressen, dann die Moral.
Erst muss es möglich sein, auch armen Leuten vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden
(Bert Brecht (1928), Dreigroschenoper: Wovon lebt der Mensch)
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Allgemeine Grundsicherung? Die soziale Ungleichheit hat zugenom-
men. Die Einkommensentwicklung ist durchaus
unterschiedlich: Durchschnitt Median –2%: Verringerung bei den unteren Gruppen
(-9%), starke Zuwächse bei den oberen Gruppen (+15%).
Lösung: Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen?
Quelle: Prof. Dr. Karl August Chassè, FH Jena, IfW Armutstagung 2010
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Mindestlohn erforderlich Von Arbeitseinkommen muss
Lebensunterhalt gedeckt werden können
Wer verdient, kann konsumieren ( Verbrauchssteuereinnahmen)
Wer verdient leistet Beiträge in die Sozialkassen und baut Rentenan-wartschaften auf und finanziert die aktuellen Renten mit.
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Mindestlohn erforderlich
8,50 EUR/Std. aktuelle Forderung 11 EUR/Std – 40 Std/Woche – 40 Jahre
Arbeitszeit = Rente gerade über Armutsgrenze (lt. Dr. Rudolf Martens, Berlin)
Die alte soziale Frage ist die neue soziale Frage
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Staatsaufgaben
Staatliche Lenkung nötig Stakeholder Value Einstellung Andere Wirtschaftsethik Staat = Gesellschaft muss wieder von den
Unternehmensgewinnen partizipieren Gesellschaftliche Partizipation von armen
Menschen fördern
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Partizipation ermöglichen
Zeit von Armen und Arbeitslosen nutzen: Selbsthilfegruppen initiieren Selbstorganisation ermöglichen Sprachrohrfunktion, Gehör verschaffen Gemeinwesenorientierung entwickeln Politische Funktion zugestehen Auf Unterwanderung achten !
Lokale Möglichkeiten
Vor Ort Demokratie erfahrbar machen Unterstützendes Personal fördern, die
lokale Gruppierungen initiieren und anleiten können
Echte Gestaltungsspielräume schaffen
Prof. Ulf Groth, Neubrandenburg
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Weiteres Material:www.ifw.hs-nb.de Doku Fachtagung Alt werden in Armut