© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ergonomie und Mensch-Maschine-Systeme (Arbeitswissenschaft II)
Dr.-Ing. Dr. rer. medic. Dipl.-Inform. Alexander Mertens
Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft
RWTH Aachen University
Bergdriesch 27
52062 Aachen
Tel.: 0241 80 99 494
E-Mail: [email protected]
Lehreinheit 3
Modellierung und Optimierung von Prozessen
in Mensch-Maschine-Systemen
Sommersemester 2017
3- 2 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Lernziele
Die Bedeutung der Modellierung von Prozessen in Mensch-Maschine-Systemen
verstehen
Merkmale von Workflows und ihr Einsatzspektrum bei der Gestaltung und
Automatisierung von Abläufen kennen lernen
Verschiedene Mittel zur Prozessmodellierung kennen lernen und ihre
Unterschiede nachvollziehen können
Einblick in die komplexen Abläufe der Flugsicherung erhalten
Die verschiedenen Ansätze zur Prozessoptimierung verstehen und mögliche
Verbesserungsmaßnahmen kennen lernen
3- 3 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Definition des Modellbegriffs
Modelle helfen uns, unsere Umwelt besser zu verstehen und ermöglichen
uns, auch komplexe neue Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen.
Ein Modell ist ein System, das als Repräsentant eines komplizierten Originals
aufgrund mit diesem gemeinsamer, für eine bestimmte Aufgabe wesentlicher
Eigenschaften von einem dritten System benutzt, ausgewählt oder geschaffen
wird, um letzterem die Erfassung oder Beherrschung des Originals zu
ermöglichen oder zu erleichtern, beziehungsweise um es zu ersetzen.
Dabei sind drei Merkmale von Bedeutung:
• Abbildungsmerkmal
• Verkürzungsmerkmal
• Pragmatisches Merkmal
Das Modell ist dabei entweder Abbild von etwas
Realem und somit deskriptiver Natur,
oder Vorbild für etwas und besitzt damit eher
präskriptiven Charakter besitzen.
[Stachowiak 1973, Allgemeine Modelltheorie]
[Wüsteneck 1963]
3- 4 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
(Arbeits)Prozess Modellierung
Ein Prozess ist definiert als:
„Gesamtheit von aufeinander einwirkenden Vorgängen in einem
System, durch die Materie, Energie oder auch Information
umgeformt, transportiert oder auch gespeichert wird“
Die Kernfunktionalität eines Prozess-basierten Systems repräsentiert sich in
den Primärprozessen, die nur schwer imitierbar und substituierbar sind.
Zur Leistungserbringung greift der Primärprozess auf untergeordneter
Sekundärprozesse zu, die die „Infrastruktur“ bereitstellen und den Zugriff auf
Standardfunktionalität vereinfachen.
Eine Aktivität stellt innerhalb einer Prozess-Hierarchie die kleinste nicht
weiter teilbare Einheit dar.
DIN 19226 Teil 1
Primär-
prozess
Sekundär
-prozess
Sekundär
-prozess
+
Aktivität
Aktivität
Aktivität
3- 5 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Workflows
Innerhalb einer prozessorientierten Organisation können vorstrukturierte und
wiederkehrende Prozesse der Mensch-Mensch- sowie Mensch-Maschine-
Interaktion formal beschrieben und somit (teilweise) automatisiert werden.
Solch definierte Prozeduren nennt man Workflows:
Unter einem Workflow versteht man die Formalisierung und Modellierung der
Tätigkeiten und Entscheidungen in einem Arbeitsprozess im Ganzen oder
teilweise, mit dem Ziel zu beschreiben, wie Dokumente, Informationen oder Güter
von einem Akteur zu einem anderen übertragen und transformiert werden, gemäß
einer Menge von prozeduralen Regeln.
Workflow-Eigenschaften:
• Beginn und Ende durch Ereignisse klar definiert
• Vor- und Nachbedingung durch Input- / Outputfunktionen beschrieben
• Abfolge der einzelnen Tätigkeiten ist spezifiziert
• Eindeutig zugeordnete Aufgabenbereiche
[Davenport 1998]
3- 6 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Wann lohnt sich Workflow-Modellierung?
Die Modellierung entsprechender Workflows ist bei Prozessen sinnvoll, die
immer gleich oder ähnlich ablaufen und die nach vordefinierten und
abgesicherten Standards ausgeführt werden müssen.
Im Bereich der Flugsicherung z.B.
• Kontrolle der Flughöhe
• Übermittlung der Flugdaten an zuständigen Radarsektor
• Ermittlung der Wetterdaten für spezifischen Sektor
Bei Notsituationen deren Verlauf nicht im Vorhinein bestimmt werden kann,
ist eine Workflow-Modellierung in der Regel nicht sinnvoll.
Ziele der formalen Beschreibung von Prozessen
• Verbesserung von Prozessqualität und Prozesssicherheit
• Verbesserung der Prozesstransparenz
• Entlastung bei Routinetätigkeiten
• Förderung des organisationalen Lernens (Wissensmanagement)
• Erhöht Vergleichbarkeit (Benchmarking)
3- 7 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Komplexität
durch
parallele
Abläufe
Ereignis 1
Flugzeug 1
erreicht
Luftraum
Flugbewegung 1
Ereignis 2
Flugzeug 2
erreicht
Luftraum
Flugbewegung 2
Ereignis 3
Wetteranfrage
Flugzeug 1
Ereignis 4
Positionskontrolle
Flugzeug 2
Ereignis 5
Bearbeitungsende
Flugbewegung 1
Ereignis 6
Bearbeitungsende
Flugbewegung 2
Aktivität 2
Workflow 1
Workflow 2
Aktivität 1
Zusammenhang von Ereignis, Aktivität und Workflow
am Beispiel der Flugsicherung
Verlassen des
zugehörigen
Luftraums
Zeit
3- 8 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Modellierung von Prozessen mit Hilfe standardisierter
graphischer Beschreibungssprachen:
• (erweiterte) ereignisgesteuerte Prozessketten (eEPK)
• Datenfluss- und Programmablaufpläne nach DIN 66001
• Unified Modeling Language (UML) - Aktivitätsdiagramme
• Design Structure Matrix
• Petrinetze (siehe Vorlesung AW IV), z.B. Funsoftnetze
• K3 Methode
• Statechart Diagramme
• IDEF Diagramme (SADT)
• ...
Wie können Prozesse modelliert werden?
Einfaches Petrinetz
UML-Aktivitätsdiagramm
3- 9 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Grundlegende Flussprinzipien der Ablaufmodellierung
: Simultanität bzw. Synchronisation
: Vorgänger-Nachfolger-Beziehung
: Aktivität
: Entscheidung
Nein
Ja
1
2
2
n
m
...
...
n+1 ? Alternative
Aktivitäten
1
1.1
2.1
1.n
2.m
...
...
n+1
Nebenläufige
bzw.
simultane
Aktivitäten
1 2 Sequenz von
Aktivitäten ...
1 Gekoppelte
Aktivitäten
2
...
z.B. Festlegen der
Flughöhe
z.B. Festlegen der
Geschwindigkeit
3- 10 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Erweiterte Ereignisgesteuerte Prozesskette (eEPK)
Ereignis
(Beschreibung eines eingetretenen
Zustandes, von dem der weitere
Verlauf des Prozesses abhängt
Funktion
(Beschreibung der Transformation
von einem Inputzustand zu einem
Outputzustand
Logische Operatoren: (Verknüpfung von Ereignissen
und Funktionen)
„exklusives oder“
„oder“
„und“
Organisatorische Einheit (Beschreibung der
Gliederungsstruktur eines
Unternehmens)
Informationsobjekt
(Dokumentationen/Objekte)
Kontrollfluss (zeitlich-logischer Zusammenhang
von Ereignissen und Funktionen)
Sinnbild Sinnbild
Benennung,
Bemerkung
Benennung,
Bemerkung
X
Zuordnung von Ressourcen/
Organisatorischen Einheiten
3- 11 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Entwicklung der Flugsicherung
Flugsicherung um 1930
1910 Luftfahrer-Warndienst
Informieren der Piloten mit meteorologischen und
Peilinformationen auf telegraphischem Weg
1927 Zentralstelle für Flugsicherung
Flugsicherung mit Hilfe von Funkstellen auf zentralen und
großen Flughäfen
1933 umgewandelt in das Reichsamt für Flugsicherung;
die Anzahl der Funkstellen wird stark erhöht
1953 Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) wird gegründet
1993 Die BFS wird zur DFS und übernimmt die
Flugsicherungsaufgaben für Gesamtdeutschland
Fluglotsen in Frankfurt am Main
im Jahr 1973 DFS, Deutsche Flugsicherung 2008
V3-1
3- 12 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Mensch-Maschine-Systeme
der Flugsicherungstechnik
Sage Air Defence 1952
Traffic Alert and Collision
Avoidance System (TCAS)
Cockpit A380
Flight Management Systeme
(FMS) eines A 330/340
Mensch
Aufgabe Prozesse System
Arbeits-
umgebung
3- 13 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ablauftypen nach eEPK
Frage nach
Flughöhe
beantworten
Anfrage
beim Tower
liegt
Pilot kennt
Flughöhe Pilot passt
Flughöhe an
UND-Rück-
kopplung
ODER-Rück-
kopplung
Alternative
Aktivitäten
Nebenläufige
bzw.
simultane
Aktivitäten
Sequenz von
Aktivitäten
Dringlichkeits-
meldung
erforderlich
Pilot meldet
Pan-Pan *
an Tower
Alarmzustand
für Flughafen-
Feuerwehr
Rettungswagen &
Feuerwehr werden
informiert
Lotse ist
alarmiert
Fluglotse erfragt
weitere Informa-
tionen beim Piloten
Absage
erteilen
Startbahn
ist nicht
frei
Fluglotse 2
Ist zuständig
Übernimmt
Flug
Wechsel
der
Radarzone
Fluglotse 1
übergibt
an Kollegen
Verabschiedet
Flug Neuer Flug-
lotse zuständig
Betreut
Flug
Sinkflug
genehmigt
Pilot leitet
Sinkflug ein
Pilot
möchte in den
Sinkflug
Anfrage an Tower
Sinkflug
nicht
genehmigt
Fluglotse erteilt
Absage
X X
Anfrage für
Starterlaubnis
Kontrolle der
Startbahn
Starterlaubnis
erteilen
Startbahn
Ist frei
X
Fluglotse 1
nicht mehr
zuständig
* Pan-Pan: Dringlichkeitsmeldung im Sprechfunkverkehr bei konkreter Gefahr
3- 14 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Beispiel für einen Workflow
Ausschnitte aus dem Prozess
„Flugbetriebliche Nutzung spezieller Lufträume“
Der Fluglotse Jonny LookAHead arbeitet in der Flug-
sicherung des Flughafens einer Großstadt.
Während seiner Dienstzeit im Tower überwacht er
die Air Traffic Service Route UB1 im oberen Luftraum
der Bundesrepublik Deutschland.
a) Der Pilot der FlyAway N181 möchte, um Treibstoff zu sparen, die
Flughöhe von 8000m auf 10000m erhöhen und erbittet daher vom Tower
die Erlaubnis zum Steigflug.
b) Auf Grund des hohen Flugaufkommens möchte Jonny die D(HX)
Kontrollzone über dem nahegelegenen Militärflughafen zusätzlich
aktivieren, um die freizügige Nutzung des Luftraums zu verbessern.
Hierzu wird gemäß Luftfahrthandbuch Deutschland der Luftraum zeitlich
begrenzt geöffnet.
3- 15 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Beispiel: Modellierung mit eEPK (I)
Pilot nimmt
Kontakt zum
Tower auf
Flug N181
auf 8000 m
X
Pilot
Flug 181
Pilot
Flug 181
Fluglotse
Tower
Funkkontakt
Tower-Pilot
hergestellt
Flughöhe
>8 km und
<10 km frei
Flughöhe ist
frei
Fluglotse kontrol-
liert alternative
Flughöhen
Fluglotse erteilt
Genehmigung
zum Steigflug
Fluglotse
Tower
Flughöhe ist
nicht frei
Höhe > 10km
ist freigegeben
X
Fluglotse
bestimmt neu
Flughöhe
Neue Flug-
höhe steht
fest
Fluglotse
informiert den
Piloten
Flug wird auf
neuer Höhe
fortgesetzt
Teilprozess a) „Steigflug“
Fluglotse
Tower
Fluglotse
Tower
Fluglotse
kontrolliert
Flugaufkommen
Fluglotse
kontrolliert
Flugaufkommen
Situation des
Luftraums
geklärt
Pilot bittet um
Erlaubnis auf
10 km zu steigen
3- 16 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Beispiel: Modellierung mit eEPK (II)
zusätzlichen
Luftraum
aktivieren
Hohes
Flugaufkommen
Fluglotse
Tower
Zone (D(HX)
darf nicht aktiviert
werden X
Teilprozess b) „Aktivierung zusätzlichen Luftraums“
Organisation der
Flugbewegung im
Restraum
Flugbewegung
organisiert
Luftfahrhandbuch
Deutschland
Zone (D(HX)
darf aktiviert
werden
Luftraum als zeitlich
begrenzt aktiv
vermerken
Deutsche Flug-
sicherungsorg.
Luftraum als
aktiv vermerkt
Unterstützung des
Towers bei
Luftraumüberwachung
Militärflughafen
Unterstützung
erteilt
Flugzeug in
neuen Luftraum
dirigieren
Fluglotse
Tower
Flugzeug
dirigiert
D(HX) Luftraum
deaktivieren
Flugaufkommen
wird geringer
Luftraum
deaktiviert
Luftraum als nicht
aktiv vermerken
Überwachung
beendet
Überwachung
beendet
Luftraum als
nicht aktiv
vermerkt
Fluglotse
Tower
Deutsche Flug-
sicherungsorg.
Militärflughafen
3- 17 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Erfolge der Prozessformalisierung
in der Flugsicherung
Durch die konsistente Gestaltung, Evaluierung und Standardisierung von
Prozessen innerhalb der Flugsicherung konnte eine hohe Effektivität und
Sicherheit für den Betrieb erreicht werden.
So kam es im Jahr 2008 zu nur einem Vorfall mit unmittelbarer Gefahr einer
Kollision und zu drei Fällen mittelbarer Gefahr, bei einem Verkehrsaufkommen
von über drei Millionen Flugbewegungen.
Diese Fehler sind auf Verstöße gegen die Vorschriften, menschliches Versagen
oder technische Probleme zurückzuführen.
Fazit:
Der zu erwartende Anstieg an
Flugbewegungen in den
nächsten zehn Jahren ist nur
durch eine optimale
Prozessgestaltung zu
bewältigen.
[Jahresbericht 2008 APEG
(Aircraft Proximity Evaluation Group)]
3- 18 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Optimierungsbereiche im Luftverkehr
Neben Sicherheit und Effektivität wird für die kommerziellen Nutzung eine
Steigerung der Effizienz von Prozessen angestrebt.
Verspätungen verursacht durch:
Wetterbedingungen
Air Traffic Flow Management
Luftverkehrsgesellschaften
Flugplatzbetreiber
Sonstiges
Folgeverspätungen
[Moderne Flugsicherung
Mensen, 2004]
Mögliche Ansätze für die Flugsicherung
• Einheitliche Standards zwischen den Fluggesellschaften und Flughäfen
• Optimierung der Arbeitsplatzbedingungen für Fluglotsen
• Automatisierung von strukturierten Prozess(schritten)
• Wissensmanagement durch Wiederverwendung erfolgreicher Prozesse
V3-2
3- 19 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Definition von Optimierung
Optimierung bedeutet die Verbesserung eines Vorgangs oder
Zustandes hinsichtlich eines Aspekts wie beispielsweise
Zeitverhalten, Kosten, Qualität, Effizienz und Effektivität,
gegebenenfalls auch zu Lasten anderer Gesichtspunkte.
Ziele der Prozessoptimierung
• Verbesserung von Prozessqualität
• Erhöhung der Prozesssicherheit
• Optimierung der Beanspruchung der Mitarbeiter
• Maximierung der Wertschöpfung
• Steigerung der Effektivität
• Förderung des organisationalen Lernens
• Verbesserung der Prozesstransparenz
• Verbesserung der Kundenzufriedenheit
• Förderung des Kompetenzerwerbes
[Wüsteneck 1963]
3- 20 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen
1. Reihenfolge ändern (Prioritätensetzung,
wichtige Aktivitäten zuerst bearbeiten)
2. Eliminieren von Aktivitäten
3. Vereinfachen von Aktivitäten
4. Parallelisieren von Aktivitäten
5. Zusammenfassen von Aktivitäten
6. Auslagern (Outsourcen) von Aktivitäten
7. Abbau von Schnittstellen
Möglichkeiten bestehende Prozesse im Rahmen einer
kontinuierlichen Verbesserung zu optimieren
3- 21 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
1. Reihenfolge von Aktivitäten ändern
1 2 3
Dauer vorher
1 2 3
vorher
nachher
beschleunigt
Beispiele für mögliche Prioritäts-
regeln bei der Flugsicherung
• Bereits verspätete Flüge erhalten
immer Vorrang
• Sicherheitskritische Flugprozesse
(und damit alle beinhalteten
Aktivitäten) erhält per definitionem
hohe Priorität
• Flugprozesse mit kürzester
Deadline (geplanter Startzeitpunkt)
erhält höchste Priorität
andere Aktivitäten
andere Aktivitäten
3- 22 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
2. Eliminieren von Aktivitäten
1 3 5
beschleunigt
1 4 5
2 4
Dauer vorher
vorher
nachher
Beispiel:
• Es ist zu prüfen, ob Zwischenstopps bzw.
zusätzliche Wegpunkte vermieden
werden können und direkt das Ziel
angeflogen werden kann
3- 23 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
3. Vereinfachen von Aktivitäten
1 2 3
Dauer vorher
1 2 3
beschleunigt
vorher
nachher
Beispiele:
• Vereinfachen der Fahrstrecke bis zur
Start-/Landebahn
• Erhöhung der Reisegeschwindigkeit
• Automatisierter Austausch der
aktuellen Flugdaten ohne diese per
Funk anfragen zu müssen
3- 24 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
4. Parallelisieren von Aktivitäten
1 3 5
beschleunigt
1 4 5
2 3
2 4
Dauer vorher
vorher
nachher
Beispiele:
• Zwei Lotsen bearbeiten einen Flug
gemeinsam. Während einer den
Funkkontakt durchführt, bucht der
zweite die entsprechenden Slots auf
den Reiseverkehrsrouten
3- 25 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Parallelisieren:
Abhängigkeiten zwischen Aktivitäten
1
1 2
unabhängig
funktional
2
funktional
gekoppelt
keine organisatorischen
oder sicherheitsbedingten
Abhängigkeiten
1
2
Ergebnis von Aktivität 1
ist für Aktivität 2
erforderlich
Aktivität 1 und Aktivität 2
sind gegenseitig
aufeinander angewiesen
• serielle oder parallele Kontrolle problemlos
möglich
• serielle Bearbeitung
• parallele Bearbeitung nur möglich, wenn
sinnvolle Teilergebnisse gebildet werden
können
• regelmäßige Kommunikation notwendig,
Gefahr von Oszillationen im Arbeits-
fortschritt
Beschreibung Bearbeitungsstrategien
Parallelisierung von vorher sequentiellen
Aktivitäten führt zu höherer Prozess-
komplexität aufgrund von Iterationen
ressourcen-
induziert
1
2
R
Ressource R ist für
Durchführung von
Aktivität 1 und Aktivität 2
notwendig
• serielle Bearbeitung notwendig, wenn
Zugriff auf Ressource durch Prioritäten
oder Ausschluss koordiniert werden muss
• parallele Bearbeitung möglich, wenn
simultaner Zugang zu Ressource
gewährleistet werden kann
3- 26 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
5. Zusammenfassen von Aktivitäten
1 3 5
beschleunigt
1+2 3+4 5
2 4
Dauer vorher
vorher
nachher
Beispiele:
• Durch das Zusammenfassen von
Informationsübermittlung und
Abfragen des aktuellen Status kann
die Anzahl nötiger Funkkontakte
verringert werden
3- 27 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
6. Auslagern von Aktivitäten
1 3 5
beschleunigt
1 4 5
2 3
2 4
Dauer vorher
extern
vorher
nachher
Beispiele:
• Windrichtung und Sturm-
warnungen werden von externen
Einrichtungen überwacht
• Die Planung der Abflugreihen-
folge für wartende Flugzeuge
kann von der Bodensicherheit
übernommen werden
3- 28 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Prozessverbesserungsmaßnahmen:
7. Abbau von Schnittstellen
Dauer vorher
beschleunigt
1 4
3
2
2 1 3 4
vorher
nachher
Beispiele:
• Fluglotse ist alleiniger
Ansprechpartner für Piloten und
klärt mögliche Fragen
• Räumliche Zusammenführung
der eingebundenen Lotsen
3- 29 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Bewertung von Arbeitsprozessen: Belastung und
mentale Beanspruchung in der Flugsicherung [1]
Arbeitsplatzsituation in Flugsicherung:
• Im Idealfall sind zwei Lotsen pro Arbeitsplatz eingeteilt,
• ein Radarlotse und
• ein Planungslotse
• Bei Personalausfällen oder verkehrsschwachen Stunden
erfolgt die Zusammenlegung von Arbeitsplätzen.
Verkehrslast des jeweiligen Luftraums messbar durch folgende Merkmale:
• Verkehrsintensität: Anzahl an Flugbewegungen pro Zeiteinheit
• Verkehrsmix: Heterogenität der Luftfahrzeuge
• Verkehrsverhalten: Steig-, Sink- oder Überflüge
Die Kontrolllast für den Fluglotsen ergibt sich aus der Verkehrslast und der
Kapazität der jeweiligen Flugsicherungssysteme in Form von:
• Gerätetechnische Ausstattung und Anzahl Kontrollarbeitsplätze
• Automatisierung der Prozessschritte
• Persönliche Erfahrung und Belastbarkeit des Fluglotsen
3- 30 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Bewertung von Arbeitsprozessen: Belastung und
mentale Beanspruchung in der Flugsicherung [2]
DORA- Methode zur Ermittlung der Flugsicherungskapazität
• Beobachter teilen die Kontrollbelastung des Lotsen in vier Klassen ein
•Laststufe A+: Ausgelastet – keine weitere Annahme mehr möglich
•Laststufe A: Sehr beschäftigt – mit kleiner Restkapazität
•Laststufe A-: Beschäftigt – aber keine besonderen Kontrollschwierigkeiten
•Laststufe B: Jede Arbeitslast unter A-
• Aufzeichnung des Sprechfunkverkehrs, um die Anzahl simultan
kontrollierter Luftfahrzeuge zu ermitteln
→ Rückschlüsse welcher Verkehrsfluss welche Laststufe hervorruft
Ergebnisse:
• Wahrscheinlichkeit, dass für einen speziellen Sektor ein Verkehrsfluss von
X Luftfahrzeugen pro Stunde eine bestimmte Laststufe hervorruft
• Definition einer „zumutbaren Belastung“, so dass der Radarlotse nicht
überlastet wird
• Planbarkeit der benötigten Kapazitäten bei bekannten Flugaufkommen
• Auswirkung der technischen Hilfsmittel auf die Arbeitsplatzbelastung
3- 31 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Tool Anwendungs-
gebiet
Modellierungs-
grundlage
Website
MagicDraw
ConSense
ADONIS
SYCAT
Workflows
QM-Zertifizierung
GPM allg.
GPM allg.
UML
DIN 66001
LOVEM,EPK, UML
DIN 66001
www.magicdraw.com
www.consense-gmbh.de
www.boc-eu.com
www.sycat.de
Ausgewählte Tools zur Modellierung
von Prozessen
3- 32 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ausblick: Methods-Time Measurement (MTM)
Hinlangen
Funkgerät
= 0,61 s
Drücken
Sprechknopf
= 0,18 s
Greifen
Mikrophon
= 0,12 s
Drehen
Regler
= 0,57 s + + + =
Methodik zur Analyse von manuellen Arbeitsprozessen:
Einzelne Tätigkeiten der modellierten Prozesse können in elementare
Bewegungseinheiten gegliedert werden.
Somit wird der Tätigkeitsablauf in Abschnitte wie „Hinlangen“, „Greifen“, „Bringen“,
„Fügen“, „Loslassen“ etc. aufgeteilt, für die jeweils Tabellen mit empirisch ermittelten
Durchschnittszeiten existieren.
→ Exakte Planung und Bewertung von Tätigkeitsdauern
2,16 s
mit Hilfe von
Dauer der einzelnen Prozess-Tätigkeit
Genauere Informationen in der nächsten Vorlesung…
Loslassen
Regler
= 0,07 s
Hinlangen
Mikrofon
= 0,61 s
+ +
3- 33 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Lernerfolgsfragen
Welche Ziele verfolgt man mit der Modellierung von Arbeitsflüssen
und welche Prozesse sind dafür geeignet?
Was sind die Eigenschaften eines Workflows?
Welche grundlegenden Flussprinzipien in der Ablaufmodellierung gibt
es?
Wie werden Prozesse nach der eEPK-Methode modelliert?
Welche Ansätze zur Prozessoptimierung gibt es?
Welche Prozessverbesserungsmaßnahmen werden unterschieden?
3- 34 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Literatur
• Davenport, T.H. & Prusak, L. (1998). Working Knowledge. How Organizations manage what they
know, Harvard Business School, Boston.
• Girault ,C. & Valk, R. Petri nets for systems engineering: A guide to modeling, verification and
applications, Springer, Berlin 2003
• Mensen, H. Moderne Flugsicherung: Organisation, Verfahren, Technik, 3., neubearbeitete Auflage,
Springer Berlin 2004
• Niermann. Modellierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen mit Hilfe von UML und
BPEL. Number 8/2004 in FDHW-Schriftenreihe. Shaker Verlag Aachen, 2004
• Osterloh, M. & Frost, J. (1996). Prozessmanagement als Kernkompetenz, Gabler, Wiesbaden.
• REFA (2002). Ausgewählte Methoden zur prozessorientierten Arbeitsorganisation. REFA-
Sonderdruck Methodenteil, REFA Bundesverband Darmstadt.
• Scheer, A.W. (2001). ARIS - Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen, 4. Auflage,
Springer, Berlin.
• Stachowiak, H. Allgemeine Modelltheorie. Springer, Wien 1973
• Wüsteneck, K.D. (1963). Zur philosophischen Verallgemeinerung und Bestimmung des
Modellbegriffs. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, S.1504 ff.