Flexibilisierungspotenzialeheterogener regionaler Arbeitsmärkte
durch räumliche Mobilität.
Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung gering qualifizierter Arbeitskräfte
DFG-Arbeitstreffen, Mannheim 14.10.2004Prof. Dr. Horst Entorf und Melanie Arntz
1. Motivation des Themas
• Potenzielle Wohlfahrtsgewinne räumlicher Mobilität in Form – des Abbaus von Mismatcharbeitslosigkeit– des Ausgleichs regionaler Ungleichgewichte– einer verbesserten Matching-Qualität
• (Relative) räumliche Immobilität in Deutschland und Europa im Vergleich zu z.B. den USA
• (Relative) Immobilität bestimmter Personengruppen (z.B. Geringqualifizierte, ältere Arbeitnehmer), die auf dem Arbeitsmarkt Problemgruppen darstellen
• Frage des Einflusses institutioneller Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes auf die räumliche Mobilität von Arbeitslosen in Deutschland bisher wenig untersucht
2. Deskriptive Evidenz zur Mobilität von Arbeitslosen (IABS)
• Etwa 12 % aller Arbeitslosen, die einen Job finden, ziehen für diesen Job in eine andere, nicht benachbarte Arbeitsmarktregion
• Das intraregionale Abgangsrisiko ist etwa 10mal so hoch wie das interregionale Abgangsrisiko:
Intraregionale Abgänge aus Arbeitslosigkeit
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1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41Unemployment duration in months
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Interregionale Abgänge aus Arbeitslosigkeit
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Unemployment duration in months
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Im internationalen Vergleich:
– Deutliche höhere Mobilität als in Finnland: etwa 3% der Arbeitslosen wechseln die Region (Kettunen, 2002)
– Deutlich niedrigere Mobilität als in den USA: intraregionales Abgangsrisiko nur etwa viermal so groß wie das interregionale Abgangsrisiko; etwa 25% der Arbeitslosen wechseln den „state of residence“ (Yankow, 2003)
Mobilität nach Bildungsgruppen
Deutlich unterschiedlich mobile Arbeitsmarktsegmente
Wahrscheinlichkeit intraregionaler und interregionaler Abgänge innerhalb eines Jahres nach Arbeitsmarktregionen
3. Ziele des Forschungsvorhabens
• Analyse der Ursachen der geringen interregionalen Mobilität in Deutschland sowie Identifikation mobiler und weniger mobiler Segmente auf dem Arbeitsmarkt
• Analyse der spezifischen Anreizstrukturen für verschiedene Arbeitsmarktsegmente und somit Identifikation möglicher Flexibilisierungspotenziale
• Fokus auf den Anreizwirkungen der institutionellen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes (z.B. passive und aktive Arbeitsmarktpolitik, Kündigungsschutz) sowie auf dem Einfluss der gesamtwirtschaftlichen und regionalen Arbeitsmarktlage
• Analyse der (negativen?) Folgen der Mobilität
4. Theoretischer Rahmen: Mehr-Regionen Suchmodell
• Der Arbeitssuchende sucht über verschiedene regionale Teilarbeitsmärkte. Mobilitäts- und Suchkosten variieren über Teilmärkte.
• Die Mobilitätswahrscheinlichkeit resultiert aus den Wahrscheinlichkeiten, – in einem anderen regionalen Arbeitsmarkt zu suchen
(a),– dort ein (Lohn-) Angebot unterbreitet zu bekommen
(b),– ein solches Angebot anzunehmen (c).
• (a) und (c) hängen von der Suchstrategie, d.h. dem teilmarktspezifischen Reservationslohn und der Such-intensität des Arbeitsuchenden auf dem Teilmarkt, ab.
• Reservationslöhne und Suchintensitäten werden so gewählt, dass der erwartete Gegenwartswert einer fortgesetzten Suche auf dem Teilmarkt gerade dem erwarteten Gegenwartwert eines akzeptablen Stellenangebots entspricht.
• Die Allokation der Suchintensitäten über die Teilmärkte erfolgt so, dass der marginale Nutzen der Suche auf Teilmarkt A dem marginalen Nutzen der Suche auf Teilmarkt B entspricht.
• Regionale Arbeitsmarktbedingungen und institutionelle Rahmenbedingungen haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit intra- bzw. interregional einen Job zu suchen/finden.
5. Arbeitshypothesen • Eine schlechte gesamtwirtschaftliche Lage
reduziert interregionale Mobilität (vgl. Pissarides und Wadsworth, 1989).
• Ungünstige lokale Arbeitsmarktbedingungen z.B. in Form eines geringen Verhältnisses von offenen Stellen zu Arbeitssuchenden auf dem lokalen Arbeitsmarkt erhöht interregionale Mobilität (vgl. Jackman und Savouri, 1992).
• Eine geringe Arbeitsmarktdynamik infolge eines umfangreichen Kündigungsschutzes reduziert räumliche Mobilität (vgl. Jackman und Savouri, 1992).
• Der Einfluss der Arbeitslosenunterstützung ist ambivalent (vgl. Goss und Paul, 1990; Hassler et al., 2001; Tatsiramos, 2002).
• Aktive Arbeitsmarktpolitik (z.B. ABM) führt zu einem „Locking-in effect“ (vgl. schwedische Studien von Lindgren und Westerlund, 2003; Fredrikson und Johansson, 2003).
• Wohneigentum reduziert die Mobilitätsbereitschaft durch höhere Mobilitätskosten bzw. so genannte „sunk costs“ (vgl. Cameron und Muellbauer, 1998).
• Staatlich subventionierter Wohnungsbau reduziert die Kosten einer fortgesetzten Arbeitssuche und führt somit zu einem „Locking-in effect“ (vgl. Gregg et al., 2003).
6. Daten• Regionale IAB-Beschäftigtenstichprobe (IABS):
– 1%-ige Stichprobe der sozialvers.-pflichtigen Arbeitnehmer sowie Informationen der Leistungsempfängerdatei (LED), 1975-1997
– Tagesgenaue Erwerbsverläufe mit Arbeitsort auf Mikrozensusregionenebene seit 1980
– Relativ geringer Umfang von Variablen, aber Rekonstruktion der Erwerbshistorie möglich
– Problematische Abgrenzung von Arbeitslosigkeit• SOEP mit Geocodes (Kreisebene)
– Deutlich kleinere Stichprobe, aber umfangreiche Individual- und Haushaltsinformationen
– Auch Informationen über Arbeitslosenunterstützung, Wohneigentum etc.
7. Methodik und Vorarbeiten
• Discrete-Choice Ansätze• Parametrische und semi-parametrische
Verweildaueranalysen mit konkurrierenden Risken (intraregionaler versus interregionaler Abgang aus Arbeitslosigkeit/ Jobwechsel)
• Für SOEP-Daten auch diskrete Verweildauermodelle
• Vorarbeiten zur Zusammenführung des Mikrodatensatzes mit zusätzlichen Regionaldaten: „Map Intersection Based Merging Schemes for Administrative Data Sources“ (Arntz und Wilke, 2004)
8. Nächste Schritte
• Analyse individueller Anreizstrukturen der Mobilität von Arbeitslosen mit der IABS– Wie beeinflussen gesamtwirtschaftliche,
regionale und institutionelle Rahmenbedingungen die Suchstrategie von Arbeitslosen unterschiedlicher Arbeitsmarktsegmente?
• Mittelfristig: Analysen individueller Anreizstrukturen mit dem SOEP, insbesondere Einfluss des Wohneigentums, Arbeitslosenunterstützung, …
• Langfristig: – Analysen der Folgen räumlicher Mobilität