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Fakultät für Gesundheitswissenschaften | AG 4 Prävention und Gesundheitsförderung
Geburt durch Kaiserschnitt –
Eine Entscheidung der Frau?
Prof. Dr. Petra Kolip, Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld
© Templermeister / pixelio
Fakultät für Gesundheitswissenschaften | AG 4 Prävention und Gesundheitsförderung
Problemlage
Einflussfaktoren auf das Kaiserschnittgeschehen
Fazit
Geburt durch Kaiserschnitt –Eine Entscheidung der Frau?
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Fakultät für Gesundheitswissenschaften | AG 4 Prävention und Gesundheitsförderung
1990 1995 2000 2005 2011 20120
5
10
15
20
25
30
35
Entwicklung der Kaiserschnittraten in Deutschland (in Prozent)
15,7%
32,1%
31,7%
2012 erstmals leichtes Ab-sinken der Sectiorate zubeobachten
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Fakultät für Gesundheitswissenschaften | AG 4 Prävention und Gesundheitsförderung
1990 1995 2000 2005 2011 20120
5
10
15
20
25
30
35
Entwicklung der Kaiserschnittraten in Deutschland und Berlin
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Sachsen
Berlin
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Hamburg
Brandenburg
Meck.-Pomm.
Bremen
Ba-Wü
Schlesw.-Hol.
D
NRW
Bayern
Niedersachsen
Hessen
Rheinland-Pfalz
Saarland
0 5 10 15 20 25 30 35 40
Kaiserschnittraten 2010 in % nachBundesland (altersstandardisiert)
Bertelsmann Stiftung: Kaiserschnittgeburten in Deutschland. www.faktencheck-kaiserschnitt.de
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Kaiserschnittraten 2010 nach Kreisen(Alterskorrektur)
Bertelsmann Stiftung: Kaiserschnittgeburten in Deutschland. Faktencheck Kaiserschnitt.www.faktencheck-kaiserschnitt.de
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Raten haben sich in 20 Jahren verdoppelt
Starke regionale Unterschiede
Unterschiede lassen sich nicht mit der Altersstruktur
erklären
KaiserschnittratenProblemlage
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Problemlage
Einflussfaktoren auf das Kaiserschnittgeschehen
Fazit
Geburt durch Kaiserschnitt –Eine Entscheidung der Frau?
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Faktencheck KaiserschnittMethodik
Fragestellung: Worauf lassen sich der Anstieg und die regionale Variation der Sectiorate zurückführen?
Methodik Auswertung der Routinedaten der BARMER GEK (2010/11)
Befragung von BARMER GEK-versicherten Müttern (N=4.200; Rücklaufquote 39,1%)
Auswertung öffentlich zugänglicher Statistiken (u.a. DRG-Statistik, Grunddaten der Krankenhäuser)
Auswertung vorhandener Studien
Bertelsmann Stiftung: Kaiserschnittgeburten in Deutschland. Faktencheck Kaiserschnitt.
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KaiserschnitteDiskutierte Einflussfaktoren
▬ Medizinische Faktoren (Alter der Mutter, Vorerkrankungen, Mehrlingsschwangerschaften, absolute Indikationen)
▬ Wunsch der Mutter
Ärztliche Ausbildung
▬ Vergütungsanreize
Klinikorganisation
Forensische Gründe
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Absolute Indikationen haben nicht zugenommen
Alter der Mutter ist gestiegen, aber beeinflusst Kaiserschnittrate nur marginal (und: Kaiserschnittraten steigen vor allem bei jungen Frauen!)
Mehrlingsschwangerschaften sind stabil (1,7%)
Vorerkrankungen haben sich nur wenig verändert (Ausnahme: Adipositas; aber: keine Zunahme makrosomer Kinder!)
Zunahme vorheriger Kaiserschnittgeburten!!!
Einflussfaktoren auf KaiserschnittMedizinische Gründe
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Vermutete Einstellungen von Frauen
Angst um das Kind (besonders nach reproduktionsmedizinischer Zeugung)
Angst vor der körperlichen Folgen (u.a. Beckenboden; „save your love channel“)
Angst vor Geburtsschmerz
Funktioneller Umgang mit dem Körper („Mein Bauch gehört mir!“)
Bequemlichkeit, Planbarkeit, Prominente alsVorbild
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KaiserschnitteDiskutierte Einflussfaktoren
Anteil der Kaiserschnitte ohne medizinische Indikation („Wunschkaiserschnitt“) liegt bei ca. 2-3 Prozent
Aber: Sicherheit und Sorge um das Wohlbefinden des Kindes spielen eine große Rolle
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Fakultät für Gesundheitswissenschaften | AG 4 Prävention und Gesundheitsförderung
GEK-Kaiserschnittstudie 2006N=1.289
Ärzte raten Frauen viel zu schnell zu einem Kaiserschnitt
Ein Kaiserschnitt sollte nur im Notfall gemacht werden
Eine Frau sollte auf jeden Fall versuchen, ihr Kind auf natürlichem Wege zur Welt zu bringen
0 20 40 60 80 100
18,5
43,9
62,2
29,6
25,8
25,2
stimme etwas zu
stimme voll zu Prozent
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GEK-Kaiserschnittstudie 2006N=1.289
Ärzte raten Frauen viel zu schnell zu einem Kaiserschnitt
Ein Kaiserschnitt sollte nur im Notfall gemacht werden
Eine Frau sollte auf jeden Fall versuchen, ihr Kind auf natürlichem Wege zur Welt zu bringen
0 20 40 60 80 100
18,5
43,9
62,2
29,6
25,8
25,2
stimme etwas zu Prozent
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GEK-Kaiserschnittstudie 2006N=1.289
Krankenkassen sollten einen Kaiserschnitt auch ohne medizinische Indikation bezahlen
Eine Frau sollte sich für einen Kaiserschnitt auch ohne medizinische Indikation entscheiden dürfen
Die Folgen eines Kaiserschnitts werden häufig unterschätzt
0 20 40 60 80 100
36,1
40,5
54,3
21,7
23,8
31,3
stimme etwas zu
stimme voll zu Prozent
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KaiserschnitteDiskutierte Einflussfaktoren
►Viele Ärzte und Ärztinnen lernen nicht mehr, mit bestimmten Geburtssituationen umzugehen (Zwillinge, Beckenend-lage)
►Ärztliche Ausbildung ist auf Handeln ausgelegt hoher Technikeinsatz (für Frauen selbstverständlich)
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Geburts-einleitung
Mütterliche Erschöpfung
Protrahierte Geburt
Pathologi-sches CTG Sectio
Medikamentöse Zervixreifung/Geburtseinleitung (24,2%)
Quelle: Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen 2013
EinflussfaktorenInterventionskaskade
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Mittlere Fallerlöse liegen für vaginale Geburten niedriger als für Sectiones (1.477-1.638 € vs. 2.554-2.836 €) Kliniken erhalten ca. 1.100 € mehr für eine Sectio
Mittlere Fallkosten liegen ebenfalls höher (1.514 € vs. 2.683 €) Kliniken geben ca. 1.200 € mehr für eine Sectio aus
kein Vergütungsanreiz für Kliniken (insbesondere seit DRG-Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Sectio)
aber für Solidargemeinschaft relevant:
Läge die Sectiorate bei 25% (2005) und nicht bei 32%, dann lägen die Ausgaben der GKV um 52,5 Mio. € niedriger
Einflussfaktoren auf KaiserschnittVergütungsanreize
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Kaiserschnitte sind besser planbar (Personal, Zeit (!), weitere Ressourcen)
In Belegabteilungen finden häufiger geplante Kaiserschnitte statt als in Hauptfachabteilungen
Hebammenbetreuung in der Schwangerschaft senkt Kaiserschnittrate
1:1-Hebammenbetreuung unter der Geburt senkt Kaiserschnittrate
Einflussfaktoren auf KaiserschnittVersorgungsstruktur & Klinikorganisation
aber: Rückgang hebammengeleiteter Geburtshilfe!!!(Haftpflicht- und Vergütungsproblem)
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Hohe Schadenssummen in der Geburtshilfe
Mangelnde Ausbildung bei Risikokonstellationen
Veränderte Risikobewertung aufgrund verbesserter Operations- und Narkosetechniken, Infektions- und Thromboseprophylaxe
Sicherheitsorientierung werdender Eltern
Kaum Handlungssicherheit durch fehlende Leitlinien (siehe z.B. NICE, 2011)
Einflussfaktoren auf KaiserschnittForensische Gründe
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Problemlage
Einflussfaktoren auf das Kaiserschnittgeschehen
Fazit
Geburt durch Kaiserschnitt –Eine Entscheidung der Frau?
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Der Wunsch der Frauen hat nur einen kleinen Anteil an der Entwicklung der Sectiorate
Zentral (Ärzte und Frauen): Wunsch nach Risikovermeidung und Planbarkeit (inkl. veränderter Risikobewertung)
Unterschiede in der Indikationsstellung / im Ausschöpfen der Handlungsspielräume sind als Erklärungsfaktor zentral
Ansatzpunkte: Leitlinienentwicklung
Strukturentwicklung (z.B. multiprofessionelle Betreuung, 1:1-Betreuung unter der Geburt)
Aus- und Weiterbildung
Fazit
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Prof. Dr. Petra KolipUniversität BielefeldFakultät für GesundheitswissenschaftenPostfach 10013133501 [email protected]