Germanistik: Vorlesung und Seminar „deutsche
Literatur“ im 19. Jahrhundert (Vormärz, Realismus
und Naturalismus) Sommersemester 2012
Vorlesung vom 29.02.2012:Bis dahin gab es Feudalismus und kaum irgendwelche Kultur. Es gab Bauern, Könige und
wenige Bürger und nur wenig Industrie. 1788 war Friedrich der Grosse ein grosser Reformer.
Die Französische Revolution war eine grosse Zäsur und eine Zeit der Masse. Napoleon
eroberte dann als „Grande Nation“ ganz Europa. 1805 hörte das seit 988 existierende heilige
römische Reich deutscher Nation auf zu sein. Das Gebilde war eine Fiktion ohne zentrale
Macht. Im 18. Jahrhundert gab es keine deutsche Nation. 1813 - 15 gab es Befreiungskriege
von deutschen Partisanen gegen Napoleon. Napoleon verlor so Spanien und Deutschland.
Deutschland (Preussen), Österreich und Russland haben eine Allianz gegen Napoleon
gebildet. 1815 gab es den Wiener Kongress: Ziel war Restauration, d.h. Wiederherstellung der
Zustände vor der französischen Revolution. Es War die Zeit des aufgeklärten Absolutismus.
Kleine Fürstentümer existierten und lebten vom Zoll und der Landwirtschaft. Sie haben es an
freie Bauern verpachtet oder hatten Leibeigene. Letztere wurden von den Fürsten ausgebeutet.
Bewässerungsanlagen und Dampfmaschinen wurden gebaut und Leibeigene wurden nicht
mehr gebraucht und von den Fürsten weggeschickt.
Es gab viele Handwerker. Die Landhandwerker gingen zu Grunde wegen den
Industrieerzeugnissen. Es gab Schwerindustrie, Eisenbahnen und Schiffsbau. In Deutschland
war der Höhepunkt der Modernisierung um 1830, in England schon früher. 1830 entstand die
erste Eisenbahn Berlin - München, Gaslaternen und Dampfschiffe.
Fürsten verarmten wegen Luxusdrang. Händler verarmten wegen den Zöllen. Die Handwerker
wurden durch das Proletariat verdrängt. Wegen verarmten Bauern und abgeschobenen
Leibeigenen gab es eine grosse Auswanderungswelle in Deutschland. Profitiert davon haben
die Industrieellen; sie hatten aber keine Macht. Gewalt- und Machtmonopol hatten aber die
Fürsten. 300 kleine Diktaturen entstanden in Deutschland. Es wurde auch eine Zensur
eingeführt unter Metternich. Den Bürgern passte dies nicht und sie organisierten sich in
Parteien und verlangten Demokratie und eine konstitutionelle Monarchie. Preussen,
Österreich, Russland und der deutsche Bund mit zusammen 34 Erbmonarchien und 4
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Stadtrepubliken schlossen sich zu einer heiligen Allianz zusammen. Es gab 50 Jahre keinen
Krieg. England und Portugal engagierten sich in Afrika und Asien und holten Rohstoffe.
Bürgertum wollte die Aufhebung der Zölle, auch Industrielle wollten das. Man wollte mehr
verkaufen und man transportierte auch schneller mit der Eisenbahn und dem Schiff. Der
Konflikt zwischen Fürsten und Bürgertum wurde immer stärker und es gab Bauernaufstände.
Die Revolution von 1848 kam nicht von ungefähr. In Frankreich gab es schon 1830 eine
Revolution. 1848 gab es globale Aufstände. Es war die Zeit einer neuen Welt- und
Zeiterfahrung. Es eröffneten sich neue Lebensperspektiven, vorher gab es keine vertikale
Migration und horizontale Migration.
Um 1800 gab es eine Leserrevolution. Nur 5% konnten lesen. Man ging in die Kirche. Die
absoluten Monarchen hatten das Lesen und die Bildung stark eingeschränkt. Es gab keine
öffentlichen Schulen und reiche Leute hatten Hauslehrer.
Um 1800 gab es eine allgemeine Schulpflicht, 4 Klassen, Eintritt mit 7 Jahren. 23 Millionen
Einwohner gab es in den deutschen Ländern. Davon konnten 5% lesen. Das war 1 Million.
DS Bürgertum konnte lesen, da sie kauften und verkauften. Es gab immer mehr Beamte,
Lehrer, Ärzte und Händler. Dies führte zur Veränderung der Bedeutung des Schriftstellers,
früher lebte der Schriftsteller vom Mäzen oder man betrieb die Literatur nebenberuflich. Die
Literatur war nun vom Markt, den Käufern und Verlegern, aber auch von der Zensur
abhängig.
Betrifft zuerst die Romantiker. Sie schrieben Märchen, waren unpolitisch und es war reine
Unerhaltungsliteratur. Es entsteht die Kinderliteratur, wie z.B. die Märchen. Reiche Frauen
hatten viel Zeit zum Lesen. Bürgerliche Mittel- und Oberschichtfrauen hatten nicht gearbeitet.
Es gab keine Autorenrechte. Der Autor hat das Werk geschrieben, es dem Verleger angeboten
und hat damit Geld verdient. Der Verleger konnte immer wieder nachdrucken, ebenso
machten es andere Verleger. Es war eine Konkurrenz zwischen den Verlegern und den
Autoren. Tieck hat sehr viel produziert. Die Schriftstellerei wurde ein neuer Beruf, die Bücher
wurden verbilligt durch technische Errungenschaften wie ein einfacher Transport. Meistens
haben auch Bürgerliche gelesen, v. a. solche mit liberaler Ideologie. Der Autor musste
deshalb auch liberal schreiben. Dies Führte zur Zensur. Jedes Buch musste zuerst genehmigt
werden und es musste weniger als 320 Seiten haben. Dicke Bücher waren teuer und hatten
keine Massenwirkung. Das Theater war auch Zensuriert, deshalb gab es eine Uraufführung.
Preussen hatte 1894 die Schulpflicht eingeführt. Zwischen 1800 – 1850 war die Zeit des
Biedermeier mit Rückzug ins Private, ohne sich in das politische Leben einzumischen. V. a.
in Preussen und Habsburg, da sie stark zentralistische Staaten waren. So lebten deutsche
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Schriftsteller in Paris im Exil, viele Schriftsteller waren Lehrer. Man las in der Freizeit. Das
Lesen einer Lektüre gab Gesprächsstoff für die Geselligkeit. Seit 1770 gab es Literatursalons,
wo Frauen über unpolitische und Männer über politische Bücher diskutierten. Die Literatur
war das Mittel für die Verwirklichung der Kommunikation.
Bei starker Zensur las man unpolitische Bücher mit idyllischer Note. In landwirtschaftlich
geprägten Ländern wie Preussen und Österreich hat der Adel die Macht behalten.
Mehr politisiert wurde in anderen Ländern, so z. B. das „junge Deutschland“, das gegen den
Feudalismus opponierte. Z. B. Karl Gutzkow war geistiger Mentor. Ebenso Ludwig Börne
und Heinrich Heine, die in Paris gelebt hatten. Die geistigen Mentoren waren zerstritten. In
den Zeitschriften gab es viele kritische Themen. Eine neue Erfahrung waren die Vermassung,
die Industriearbeiter und das Proletariat. Auch die Industriearbeiter wurden in der nächsten
Generation zum Leser und gingen zum Volkstheater, Die Schriftsteller sind nun Feinde der
Zensur geworden.
Im 18. Jahrhundert waren Schriftsteller und Künstler Schimpfwörter, d. h. Taugenichtse. Im
19. Jahrhundert hatten sie dann ein hohes Ansehen wegen ihrer Bildung. Viele Schriftsteller
aber waren arm. Es herrschte eine Künstlerkrise: Alkoholiker, Selbstmörder usw. Die
Künstler leiden an der Kunst. Sie ringen um das passende Wort, die sog. Boheme wurde
entdeckt. Die Schriftsteller waren meistens aus dem Kleinbürgertum und wollten nicht
Pfarrer werden. Viele hatten ein abgebrochenes Theologiestudium, z. B. Eduard Mörike, er
lebte von 1804 bis 1875. 1832 schrieb er „Maler Nolten“ und wurde damit nicht berühmt. Erst
die Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ 1855 machte ihn berühmt, er selber war nie in
Prag. Dies zeigt Provinzialismus und Innerlichkeit. Er war unpolitisch und hatte keinen
Kontakt mit anderen Schriftstellern. Georg Herwegh, 1817 - 1875, Studiumsabbrecher, wurde
berühmt mit „Gedichte eines Lebendigen“ 1841; er ging nach Paris. Dort traf er Victor Hugo
und Karl Marx und heiratete eine reiche Frau. Finanziell wurde er so unabhängig und nahm in
Frankreich an der Revolution von 1848 teil, dann ging er in die Schweiz ins Exil. Er war
politischer Lyriker und Politiker und schrieb eine engagierte Literatur.
Von 1791 - 1856 lebte Heinrich Heine, ein Zeitgenosse von Ludwig Börne. Heine
philosophierte, dass er subjektiv sei, er dies aber reflektiere. Exogene Faktoren vermischen
sich mit endogenen Faktoren und er verfiel der Melancholie. Er war Lyriker und beschrieb
Reiseeindrücke. Er produzierte Jahr für Jahr ein neues Buch. Eines war das „Buch der Lieder“
von 1827, darin ahmte er die Volksdichtung nach mit politischer Ironie. 1831 war er in Paris
und schrieb „zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ und „die
romantische Schule“ 1836. Die Romantik war die Poesie der Ohnmacht und er polemisierte in
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„Ludwig Börne, eine Denkschrift“, 1843. Heine sagt, dass der Schriftsteller zwischen den
Parteien stehen soll und dass der Journalist nicht im Dienst einer Partei oder Ideologie
schreiben soll. 1844 erschien „Deutschland, ein Wintermärchen“, dies wurde im 19.
Jahrhundert in Deutschland die berühmteste Satire. Es war ein fiktiver Reisebericht, in dem er
aus einem fremden Land in das eigene Land geht und es dabei kritisiert. Er reist im Winter,
wann Deutschland vereist ist, aber eine Revolution im Kommen ist. Diese Literatur wurde
100 Jahre lang verfemt, er als Jude und Journalist.
Seminar vom 07.03.2012 wird ergänzt!
Vorlesung vom 14.03.2012:Steht die Kunst über der Wirklichkeit oder greift sie in die Wirklichkeit ein, das war die Frage
während der Zeit der Aufklärung. Die Kunst kann verklären oder erklären, sie kann
Selbstzweck sein oder kritisieren. Die Aufklärer waren Stürmer und Drängler und
Frühromantiker. Nach 1830 kam es zur Restauration. Es gab eine ökonomische und politische
Beränderung. Die Bauern wurden freigelassen, man kam weg vom Feudalismus. Um 1830
starben Schlegel, Hegel, Jean Paul und Goethe. Nun wurde der weg frei für eine neue
Generation.
1830 gab es einen Goethekult, er wurde als Dichterfürst verehrt und alle sollten so schreiben
wie Goethe. Die Klassik wurde zur Norm. Das war eine konservative Auffassung. Georg
Gottfried Gervinus (1805 – 1871) war Goethekritiker. Er meinte, dass sich die Literatur mit
der inneren und äusseren Wirklichkeit auseinandersetzen muss. Gervinus und Wolfgang
Menzel waren Begründer der Literaturwissenschaft. Sie kritisierten Goethe hiermit, dass er
kein Genie sei, sondern nur ein Talent. Goethe hätte das Deutschtum begründen wollen.
Antisemitische schliessen sich dem an. Ludwig Börne schloss sich der Kritik an Goethe an.
Ebenfalls Friedrich Engels. Er sagte, dass Goethe widersprüchlich war wie die Zeit, in der er
lebte. Mal sei er revolutionär, mal sei er reaktionär gewesen. 1836 verfasste Heinrich Heine
die Schrift “die romantische Schule“ und schuf damit eine andere Wirklichkeit. Er schuf
damit auch andere Ideale. Diese stehen im Widerspruch zur Wirklichkeit; er veränderte die
Wirklichkeit und die Kunsttechnik.
K. Gutzkow war Verleger der deutschen Revue. Er versuchte, viele unterschiedliche
Schriftsteller zum Diskurs zu bringen. Seine Zeitschriften waren politisch.
1835 wurde „das junge Deutschland“ als staatsfeindliche Literatur verboten. Die
Intellektuellen sollten eine Revolution hervorbringen.
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Georg Büchner sagte, dass die Revolution nur aus der Not entstehen kann. 1834 erschien „der
hessische Landbote“, eine Flugschrift in A3-Format. Büchner wollte die hessischen Bauern
zur Revolution antreiben. Der Slogan war: „Frieden der Hütten, Krieg den Palästen“. Büchner
verabscheute Gewalt nicht, da der Feudalismus auch eine Form der Gewalt sei. Er schrieb
anti-idealistisch. Gemäss seiner Theorie war der dichter kein Lehrer der Moral, sondern der
Historiker im Fiktiven. Er brachte die Ästhetik des Hässlichen in die Literatur. Die
Wirklichkeit soll nicht verschönert werden. Die Schriftsteller waren immer politisch. Zuerst
waren sie Hofdichter, dann waren sie im 19. Jahrhundert revolutionär. Gutzkow schrieb
„Molly, die Zweiflerin“ und trat in einer antichristlichen Form für die Emanzipation des
Fleisches ein. Er erhielt dafür 10 Wochen Gefängnis. Viele politische Flüchtlinge verliessen
Deutschland und gingen in die Schweiz, nach Frankreich oder Belgien und wirkten von dort
aus.
Bei Georg Weerth war die Poesie ein politisches Mittel. Es gab aber auch Kritik an der
Politisierung der Literatur, da dies nur Hass und Ärger schüre.
Jedes Engagement konnte auch als unverbindliche Selbstaussprache verstanden werden. Die
Dichter konnten auch eine kollektive Begeisterung wecken. Z. B. durch Hymnen wie bei
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Es war ein Singen für die Nation. Heine
kritisierte solche Tendenzdichtung. Durch die Form, den Gebrauch verschiedener Stile, die
Objektivität und die Subjektivität kann man gemäss Heine Kritik üben.
1846 erschien von Hermann Ferdinand Freiligrath ein Gedicht "Wie man's macht", darin
hatte Freiligrath bereits die Revolution prophezeit. Zeitschriften und Flugschriften waren
aktuell. Sie waren billig und jeder hatte Zeit, sie zu lesen, da es kurze Texte waren. Es waren
Lieder, Essays, Karikaturen, Reportagen und Feuilletons. Dies waren die Mittel der
bürgerlichen Agitation.
1848 geschah eine bürgerliche Revolution. V. a. Ärzte, Angestellte, Juristen, Lehrer und
Handwerker beteiligten sich daran. Sie fand v. a. in Paris, Berlin und Wien statt, denn dort
gab es wenig Arbeiter. Es existierte auch wenig Literatur über Arbeiter. In der „rheinischen
Zeitung“ gab es linksorientierte Autoren, z. B. Georg Weerth, der wie Marx und Engels in
London lebte. Dort gab es viel Industrieproletariat. Vor 1848 gab es wenig sozialkritische
Literatur, nachher noch weniger, da der Staat zensurierte. Aber Marx und Engels schrieben
wissenschaftliche Literatur, z. B. „das Kapital“. Ferdinand Lassalle war bis 1894 Führer des
allgemeinen deutschen Arbeitervereins, der späteren SDP. Die Literatur war aber immer noch
grösstenteils Unterhaltungsliteratur. Sie war im 19. Jahrhundert kommerzialisiert und war
Massenliteratur. Um sie zu lesen braucht man Zeit, Neugierde und einwenig Geld. Die
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Unterhaltungsliteratur kam von England, z. B. von Walter Scott, von Charles Dickens und
von Frankreich, von Alexandre Dumas der Ältere „die drei Musketiere“. Auch grosse Dichter
begannen klarer und einfacher zu schreiben, so in Zeitschriften mit Fortsetzungen und es
erschienen Taschenbücher. Christoph Martin Wieland (1733 bis 1813) beeinflusste durch
seine Romane diese Literaturgattung nachhaltig, indem sie vielen anderen Schriftstellern als
mustergültige Vorlagen in Gestaltung und sprachlicher Ausdruck galten. Neben lateinischen
und griechischen Klassikern übersetzte Wieland zwischen 1762 und 1766 auch 22 Dramen
von William Shakespeare. Dadurch förderte er nicht nur die Bekanntheit von Shakespeares
Werken, sondern beeinflusste auch die Aufführungen im deutschen Theater maßgeblich. Mit
seinem Trauerspiel "Lady Johanna Gray" (1758) verfasste Wieland das erste deutsche
Trauerspiel in Blankversen. Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ gilt als der Prototyp des
deutschen Bildungsromans. Er geht auf das zwischen 1777 und 1786 entstandene Fragment
„Wilhelm Meisters theatralische Sendung“ zurück und wird mehr als zwanzig Jahre später
fortgeführt durch den Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, der die Geschichte des
Protagonisten weitererzählt, aber die Form eines linearen und sukzessiven Erzählens in
Richtung auf ein offenes, „modernes“ Romankonzept auflöst. Die in acht Bücher unterteilten
Lehrjahre verfolgen den Lebensweg des Kaufmannssohnes Wilhelm Meister, der aus zugleich
wohlhabenden und engen Verhältnissen seines Elternhauses ausbricht, um in der Welt des
Theaters eine freiere Entfaltungsmöglichkeit zu suchen.
Es gab auch historische Romane, z. B. von Willibald Alexis oder der Abenteuerroman „die
drei Musketiere“, des weiteren Salonromane, Science Fiktion von Jules Verne,
Detektivromane, v. a. im englischsprachigen Raum, z.B.
von Edgar Allan Poe, schwarze Romantik in „Frankenstein“, „Dracula“. Aber der Renner war
der Liebesroman mit der Vertreterin Eugénie Marlitt. Dann gab es die Gartenlaubenromantik
in den Zeitschriften und die Abenteuerromane, letztere wurden v. a. von den Männern
gelesen. So z. B. Karl May, der Unterhaltungsromane schrieb.
Es entstand die Kinder- und Jugendliteratur, initiiert durch die allgemeine Schulpflicht, die im
19. Jahrhundert eingeführt wurde. Man wollte Didaktik mit Unterhaltung verbinden. Die
Lehrer sahen, dass Bücher ein Sozialisationsmittel sind, die die Tugenden Ordnung,
Sauberkeit und Fleiss vermitteln. Heinrich Hofmann’s „Struwwelpeter“ erschien 1845, dann
schrieb Wilhelm Busch die Geschichten von „Max und Moritz“ 1865, die von der
spiessbürgerlicher Moral der Kinder handelt und die Elternschaft ironisiert.
Frauenliteratur, d. h. von Frauen über Frauen geschrieben, entstand während der
Industrialisierung, da es in der Familie zu entscheidenden Veränderungen kamen. Der Mann
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ging in der Fabrik arbeiten und die Frau blieb zu Hause. Die Schriftstellerinnen wendeten sich
gegen das männliche Rollenbild, so z. B Sophie von La Roche mit der „Geschichte des
Fräuleins von Sternheim“. George Sand verdammte den Mann als liebesunfähiges Wesen. Es
gab damals viele Zwangsehen. Bettina von Arnim (1785 – 1859), Enkelin der Sophie von La
Roche, ihr Bruder war Clemens Brentano, vertrat emanzipatorische Ideen. Sie hatte 7 Kinder
und trat für die Frauenrechte ein. Sie verfasste sozialpolitische Schriften bis 1848. Die
Revolution war ein schwerer Rückschlag für die Emanzipation. 1879 verfasste August Bebel
mit „die Frau und der Sozialismus“ ein politisches Pamphlet.
Es entstand eine Umwertung der literarischen Gattung, bei der die Versdichtung an Gewicht
verliert, es entsteht immer mehr Prosa, Feuilletons, Reiseberichte, Briefe sowie Erzählungen
in Büchern und Zeitschriften.
Die Prosa wird gelesen und die Verse werden rezitiert.
Das Buch hat nun ein grosses Publikum und ist überall verbreitet. Die Palette des lesenden
Publikums wird viel breiter und man muss des Hochdeutsch mächtig sein. Hugo, Balzac und
Stendhal waren Realisten. Von Willibald Alexis erscheinen 1832 „Cabanis“, 1840 „der
Roland von Berlin“ und 1842 „der falsche Woldemar“, alle vaterländischen Romane. Annette
von Droste-Hülshoff schrieb 1842 „die Judenbuche“, eine Erzählung. Annette von Droste-
Hülshoff zeigt, wie durch die Proletarisierung der Bauern diese zu Verbrechern werden.
Alles war noch weit entfernt vom wirklichen Naturalismus. Zur Entwicklung des Realismus
trug die Kriminalgeschichte bei. 1792 schrieb Schiller „der Verbrecher aus verlorener Ehe“
und „Das Fräulein von Scuderi“ ist eine Erzählung von E. T. A. Hoffmann aus dessen Zyklus
Die Serapionsbrüder, erschienen 1819/21. Sie gilt als erste deutsche Kriminalnovelle und
handelt von einer rätselhaften Mordserie im Paris des 17. Jahrhunderts, um deren Aufklärung
sich die französische Schriftstellerin Madeleine de Scudéry (1607–1701) bemüht.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts haben alle gedichtet, aber niemand wollte es lesen. Es
entstanden Poesiealben, Stammbücher und eine sog. Goldschmiedlyrik.
Das Drama wurde am meisten geschätzt. Es gab viele grosse Theater. Es waren Hof- und
Residenztheater am Fürstenhof, die Stücke waren stark zensuriert. Diese Theaterstucke
brachten den Schriftstellern Ehre und Geld. Ein berühmter Hofschriftsteller war August
Wilhelm Iffland.
Das Volkstheater bestand einmal aus einem privaten Theater für die Mittelschicht. Es wird
versucht, ein zahlungsfähiges Publikum zu bekommen. Es gab bürgerliche Themen mit
Happy end. Kotzebue schrieb solche Dramen. Dann gab es Theater für den Kleinbürger und
die armen Leute, wie die Kutscher, mit billigen Eintrittskarten. Es wurden Satiren und
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Fantasiestücke gespielt, wie z. B. am Wiener Volkstheater. Dafür schrieben Ferdinand
Raimund 1773 - 1836: “der Bauer als Millionär“ 1826, „der Alpenkönig und der
Menschenfeind“ 1838 und Johann Nepomuk Nestroy (1831 - 1864): „der böse Geist
Lumpazivagabundus“ 1835 und „der Talisman“ von 1840. Christian Dietrich Grabbe schrieb
1834 „Napoleon oder die 100 Tage“, es wurde 1869 uraufgeführt. Büchners „Woyczcek“
gehört zur Radikaldramatik, in der eine Szene die andere jagt, es entwickelt sich ein enormes
Tempo und die Masse wird zum Helden und nicht die historische Person Napoleon. Büchners
Erzählung „Lenz“ handelt vom Dichter Lenz, der mit Goethe befreundet und schizophren
war. Es geht hierbei um den Perspektiven- und Wahrnehmungswechsel der Schizophrenen.
Der psychische Zustand und die Natur Korrespondieren. Das wird zum Vorbild für den
Naturalismus. Die Witfrau von Büchner vernichtete einige Werke ihres verstorbenen Gatten.
Erst 1879 wurde Büchner berühmt.
Seminar vom 21.03.2012:Von Grillparzer, 1848 Uraufführung des Stücks „König Ottokars Glück und Ende“. Schildert
den Kampf zwischen dem König des heiligen römischen Reiches und dessen Bruder. Der 30-
jährige Krieg wird prophezeit. Es ist die beste historische politische Tragödie der Deutschen.
Rudolph V von Habsburg verbrachte sein Leben in Spanien. Wegen seiner Vorliebe zum
Katholizismus war er multilingual und hatte eine Vorliebe für Kunst und Literatur. Er hatte
ein gutes Gespür für politische Vorgänge. Er war schizophren. Der Bruderzwist begann, als
im Lande schwere Unruhen ausbrachen. Er verhielt sich zu passiv. Deshalb schritt sein Bruder
Matthias ein und ein Geistlicher. Er machte die Pläne für Matthias. Mit dem böhmischen
Aufstand hatte der 30-jährige Krieg begonnen.
Hebbel wollte mit der „Maria Magdalena“ ein bürgerliches Drama entwickeln. Er stellt die
Unterschiede in den bürgerlichen Schichten dar. Er wollte die Problematik des gesamten
Bürgertums und nicht ein Einzelschicksal schildern. Karl im Stück ist sich bewusst, dass sich
etwas verändern muss. Angeregt durch Hebbels eigene Ereignisse von 1836, als er in
München bei einem Tischlermeister lebte, und sehen musste, dass dessen Bruder ein Dieb
war. Karl ist Materialist. Er wollte auf die See. Der Titel wurde wegen dem Verleger von
„Klara“ zu „Maria Magdalena“ gewechselt. Der Vater im Stück war ein einsamer Mensch, er
misstraute den Kindern und dachte das Schlechteste von ihnen. Die Klara wollte im Stück
dem Vater keine Schande bereiten, deshalb begeht sie Suizid, weil der Vater seinen guten Ruf
in der Gesellschaft nicht verlieren sollte. Der Leonard hat im Stück zuerst keine Arbeit,
deshalb war er für Klara nicht gut. Später wäre er besser gewesen, da er Kassierer wurde und
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so in die Familie einheiraten dürfte. Klara wurde von ihm verlassen wegen einer Liebelei und
er wollte eigentlich Klara nur wegen ihrer Mitgift heiraten. Klara ist eine moralische Person,
die ihrem Vater keine Schande bereiten will, weil sich sonst der Vater umbringen würde. Sie
unterwirft sich dem Vater und dem Bruder. Karl streitet mit dem Vater darüber, dass er zur
See gehen will. Er hat kein Gefühl für Klara. Er schickt sie zum Brunnen, um Wasser zu
holen. Er hörte sie nicht an. Der Leonardo ist der Verlobte von Klara, aber als herauskam,
dass Karl ein Dieb ist, wollte er Klara trotz Schwangerschaft nicht heiraten. Und sowieso hat
der Vater die Mitgift verschenkt und sich selber eine reiche Frau geangelt. Der Sekretär hat
moderne Ansichten. Er will Klara auch nicht heiraten, trotzdem Klara ihm ihre Liebe
mitgeteilt hat. Er stirbt im Duell mit Leonardo. Fazit: Die Gesellschaft hat auf alle Personen
Einfluss. Die Handlung endet tragisch. Die Geburt eines unehelichen Kindes und Suizid ist
verpönt, daher sollt letzterer wie ein Unfall aussehen, damit der Ruf der Familie nicht
gefährdet wird. Meister Anton: „Ich verstehe die Welt nicht mehr“. Maria Magdalena ist eine
biblische Figur, wäre eine Bürgerin aus Galiläa, die Christus bis zur Kreuzigung folgte. Klara
ist ein Opfer ihrer Zeit. Sie ist keine Bürgerin, sie begeht Selbstmord nicht weil sie Schuld auf
sich geladen hat, sondern wegen den patriarchalischen Verhältnissen. Das Verhältnis zum
Vater ist stärker als ihr Glaube. Sie hat Angst vor der Zukunft. Der Schriftsteller zeigte, wie
die Gesellschaft funktionierte. Anton ist Tischler, er lebte nach den 10 Geboten und denkt,
wenn alle so wären wie er, gäbe es keine Probleme.
Das Bürgertum bestand aus Patrizier, der Intelligenz, z. B. Ärzte, den Meistern (mittlere
Intelligenz) und den Gerichtsdienern und den Totengräbern, letztere waren etwas
Unehrenhaftes. Es war die Zeit des August Comte als Mitbegründer der Soziologie.
Grillparzer war ein königlicher Beamter, Hebbel dagegen schrieb als freier Schriftsteller.
Grillparzer lebte in Wien, auch Hebbel war lange Zeit in Wien, die Stücke von Grillparzer
spielten im Burgtheater, diejenigen von Hebbel im Stadttheater. Grillparzer machte
historische Studien, Hebbel schrieb aus eigener Erfahrung und Beobachtung. Er beobachtete
die bürgerliche Gesellschaft mitten in Wien.
Im 19. Jahrhundert war das Drama das Höchste in der Kunst, die Lyrik indessen verlor an
Bedeutung. Die Gesellschaft entspricht einer göttlichen Idee, alles dreht sich immer um die
Moral, Sitte, Fleiss und Ehre. Gibt es keine Moral, zerfällt die Welt.
Das Drama ist nur möglich, wenn sich die Gesellschaft ändert. Hebbel will bessere
Sittlichkeit, die Gesellschaft muss sich nicht ändern, ohne Moral fällt alles auseinander. Die
Institutionen sind eine Summe von Regeln, nach denen die Leute handeln. Jede Kunst soll
etwas bewegen. Sie soll die Institutionen tiefer begründen. Die dramatische Kunst will nicht
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umstürzen, sondern nur tiefer begründen. Goethes „Werther“ war damals aktuell, es wurde in
andere Sprachen übersetzt, „Magdalena“ nicht. Die Kunst ist die idealisierte Philosophie, die
Welt ist die idealisierte Idee. Die tragische Kunst hat immer eine Notwendigkeit, sie hat eine
geschlossene Form (Ring). Im 20. Jahrhundert gibt es keine tragische Form mehr, die Form
bleibt offen. Allgemein Menschliches ist tragisch, nicht Einzelschicksale. Ungewollte
Schwangerschaft überlebte man damals nicht.
Vorlesung vom 28.03.2012: Die zweite Hälfte des 19. Jh.
1848 – 1871 – etwas wichtig (Bürgerliche Revolution) – reiche und gebildete Leute
Friedrich Wilhelm IV – will dass es deutscher König genannt werde
Der preussische König wollte nicht zum Kaiser genannt werden
300 Länder
Lösungen:
1) Vereinigung von deutschen Ländern ( Großdeutsche Lösung) – Österreich- das grösste
Land
2) Kleindeutsche Lösung (Preußen- das stärkste Land)
1825 - Kanzler Otto von Bismarck ernannt, er blieb Kanzler bis 1888 (Militarismus, Kriege-
die Strategie der Erzweigerung)
Viele kleine Fürstentümer haben darunter gelitten. Sie wurden unter die preussische
Verwaltung gestellt.
1867 – 1867 – Preußen - Krieg mit der Habsburger Monarchie (H. Monarchie – verloren)
Es entstand Österreich – Ungarn (Zentren: Budapest – Wien)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts- Wien schwächer, Budapest stärker
Wirtschaft in Österreich - wenig Industrie
Berlin – Ballungszentrum
Norddeutsche Ebene – Landwirtschaft
Mark Brandenburg- Landwirtschaft
Junker- Adelige in Preußen, hatten sehr viel Macht; der preussische König musste sie
respektieren.
Berlin – Industrie entwickelt; der Hof war dort;
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Mittel- und Kleinindustrie; Man brauchte mehr Arbeiter;
Ideologie: Hierarchische (Klassengesellschaft) König Junker Industrieller
Kleinbürger Arbeiter
Industrieller – sind reicher geworden und brauchten die Aufhebung von Zöllen.
Westdeutscher Band + Norddeutscher Band (die Vereinigung von kleineren Ländern); sie
brauchten ein großes Reich ohne Zölle.
Louis Bonaparte – Napoleon der III
Großkapital—Frankreich entwickelt sich – Ausbeutung der Arbeiter = Aufstand
(Innenpolitische Probleme)
Napoleon hat die deutschen Länder angegriffen – im Jahr 1870
Pariser Kommune: Als Pariser Kommune (französisch La Commune de Paris) wird der
spontan gebildete, revolutionäre Pariser Stadtrat vom 18. März 1871 bis 28. Mai 1871
bezeichnet, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach
sozialistischen Vorstellungen zu verwalten. Ihre Mitglieder werden Kommunarden (frz.
communards, Sg. communard) genannt. Die Pariser Kommune gilt als Beispiel für die
Diktatur des Proletariats [1] und Vorbild der Rätedemokratie
Frankreich hat einige Territorien verloren (Saarland)
Wilhelm I von Hohenzollern (akzeptierte deutscher Kaiser zu sein)- wurde in Versailles
gekrönt;
Zentralisierung (Berlin – die Hauptstadt) = das zweite deutsche Reich;
Das erste deutsche Reich im 10. Jh. gegründet (988 – 1806)
Das Koenigreich Preußen – das größte Koenigreich
1848 – 1873
Zentren der Entwicklung:
1) Deutsches Ruhrgebiet – sehr entwickelt (Industrie, Kohl, usw.)
2) Berlin (Konsumzentrum) – Textilindustrie, Färbereien
Gegensätze zwischen den Massen- Jede Klasse war eine Zielgruppe für sich; Man möchte das
alles realistisch beschrieben, so wie es ist (Realismus – wurde in Frankreich und England
„gegründet“)
Realismus- Beschreibung der Welt
Realistische Neutralität- Leoplod von Ranke: „... die Geschichte zu schreiben wie es gewesen
ist“
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Englischer und französischer Realismus –sehr sozial
Russischer Realismus – psychologische Studien
Deutschland – „Realistische Theorien“
Bekannte Theoretiker: Julian Schmidt und Gustav Freytag (Theorien über Realismus);
Die realistische Literatur hatte eine Funktion- Nationalliteratur zu schaffen;
Autoren der „Nationalliteratur“:
Jeremias Gotthelf
Theodor Storm
Theodor Fontane
A. Stifter
K. F. Mayer
Wilhelm Raabe
PAUL HEYSE – 1910 – Nobelpreis für Literatur
1850 – 1900 – Bücher werden immer billiger – Alle konnten sie leisten (kleine Leute)
Verlage- Reclam, S. Fischer und Rowohlt
Keine Autorenrechte
Aristokratie war eine Zielgruppe für Autoren
Keine Analphabeten – allgemeine Schulpflicht
„Gartenlauben Literatur“ – einfach und leicht zum Lesen
„Die Gartenlaube“ – die bekannteste Zeitschrift
Medien: Buch (in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. – wurde zum Massenmedium)
Adel war „Vorbild“ (repräsentieren Ehre, Würde usw.)
Willibald Alexis – Die Hosen des Herrn von Bredow
Fontane – Wanderungen durch die Mark- Brandenburg
Die Junker lebten auf dem Lande
Bildungsbürgertum – hatten Bildung und Kultur (Beamten und Lehrer)
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W. Raabe – „Der Hungerpastor“ (1864)
Solche Werke müssen glaubwürdig sein
Heimat – emotional geladen („Wir Gefühl“)
Das Ziel der Literatur änderte sich mit der Zeit
- Unterhaltung (1878 – Verarmung der Leute) – die Werke wurden einfach, stofflich,
sprachlich formal, damit die armen Leute sie lesen können.
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- Die Arbeiter konnten sich aber Bücher nicht leisten!
Der Grund: Bücher – billiger ABER Menschen –ärmer
Aber sie konnten Zeitschriften leisten;
Frömmigkeit, Treu, Zuverlässigkeit – Tugenden für den Staat (Lehrer u. a. mussten sie haben)
1835 – Germanistik entstand (die Romantiker)
Früher: Brüder Grimm, Gervinus
1870/ 71- Reichsgründung
Unifizierung (2 Probleme)
1) Konfession (Protestanten und Katholiken)
2) Judenfeindlichkeit
Bildungsroman
Der Roman „Soll und Haben“ (1855) von G. Freytag --- der wichtigste Roman
Dorfgeschichte blühte- das Dorf wurde als eine Utopie dargestellt
Berthold Auerbach – der meist verkaufte Autor
Friedrich der Große. Sein Leben und Wirken; 1834
Das Judenthum und die neueste Literatur; Essay, 1836
Spinoza; Roman, 1837
Dichter und Kaufmann; Roman, 1840
Schwarzwälder Dorfgeschichten; Erzählungen, 1843-1854
Diethelm von Buchenberg
Die Frau Professorin
Oskar; Trauerspiel, 1844
Der Gevattersmann (Kalender); 1844-1848
Schrift und Volk. Grundzüge der volksthümlichen Literatur; 1846
Tagebuch aus Wien; 1849
Abenteuer Roman
Karl May (auch sehr populär)
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2. Durchs wilde Kurdistan (1892)
3. Von Bagdad nach Stambul (1892)
4. In den Schluchten des Balkan (1892)
5. Durch das Land der Skipetaren (1892)
6. Der Schut (1892)
7. Winnetou I (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman I)
8. Winnetou II (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman II)
9. Winnetou III (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman III)
10. Orangen und Datteln (1893, Anthologie)
11. Am Stillen Ocean (1894, Anthologie)
12. Am Rio de la Plata (1894)
13. In den Cordilleren (1894)
HIGHLIGHT --- Victor Falk „DER SCHARFRICHTER VON Berlin“ (1890) --- war ein
Bestseller; 1 Million Kopien wurde verkauft!
Seminar vom 21.03.2012:In Gottfried Keller’s „Kleider machen Leute“ hat die Hauptperson Glück im Kartenspiel und
gibt sich als polnischer Graf aus. Er hat aber zerstochene Finger, da er eigentlich Arbeiter ist.
Als hochgestapelter Graf hat er sich in die Amtsratstochter verliebt. Die Verlobung ist am
Faschingstag und der Schneider war am Umzug und wurde entlarvt, als der Meister ihm die
Hand geschüttelt hat. Er ging darauf hinaus nach Seldwyla in den Schnee. Das Mädchen fuhr
zu ihm. Er bat seine Verlobte um Verzeihung. Sie verzieh ihm. Das Mädchen ging zum Vater,
um ihr Erbe zu erhalten. Sie eröffneten als Ehepaar einen Tuchhandel und weil das Geschäft
florierte, zügelten sie nach Goldbach. Das Mädchen und Menzel, resp. Herr Böhmi
(Buchhalter) sind Protagonisten. Die Nebenfiguren sollen die Verwandlung von Menzel
vollziehen. Das Mädchen ist hübsch, reiche Bürgerin und starkes Individuum. Sie hatte viele
Rechte für diese Zeit. Sie ist direkt und selbständig. Menzel ist instabil, das Mädchen muss
sein Leben in die Hand nehmen, er ist ein verlorener Charakter. Er ist Schneider, Graf und
dann Tuchherr. Er hat keinen Mut und will im Schnee erfrieren. Alles was er tut, tut er wegen
anderen Leuten. Er wollte sich allen Einflüssen von aussen unterwerfen. Der Buchhalter
Böhmi ist der typische Vertreter der Goldbacher: reich und fleissig. Er ist Menschenkenner
und eifersüchtig. Goldbach ist eine reiche Stadt, aber langweilig mit eintönigem Alltag. Die
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Seldwyler sind offener, aber geizig. Kein Charakter kann als Vorbild dienen. Menzel ändert
ständig seine Rolle und auch das Mädchen wird nach der Heirat blass und ohne
Persönlichkeit.
Eine Novelle ist immer abgerundet. Die Gesellschaft ist real. Es gibt kein Happy end, da die
Liebe verloren geht und die Geldgier überhand nimmt. Der Graf ist Pole, also ein Fremder
und die Menschen sehen ihn anders als er ist. Aus einem Penner wurde ein gutsituierter
Bürger. Er will sich dem Mädchen nicht als Lügner präsentieren, er ist angeblich ein ehrlicher
Mann. Die Formel ist eine Liebesgeschichte. Das Mädchen lächelt, wenn es von seiner
Kindheit erzählt. Die Liebe war nur kurz, das Geschäft ist in den Vordergrund gerutscht. Sie
gibt das Kapital und er wird ihr Instrument. Er wirtschaftet und sie ist die Chefin. Er wird als
Tuchhändler durch den Handel reich. Sie ist die Kapitalgeberin für den Reichtum, d.h. man
wird durch Kapital reich. Es ist eine Kritik am Kapitalismus.
„Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Gottfried Keller wurde 1856 als Novelle geschrieben.
Sie gehört zum poetischen Realismus. Anstoss zum Schreiben gab eine Tagesnachricht von
1847, danach brauchte Keller 7 Jahre um die Novelle zu schreiben. Ein Schwerpunkt ist die
ökonomische
Niederlage der Eltern und der zweite ist der Selbstmord von Sali und Vrenchen. Der Acker ist
Ein Symbol für den Tod und die Zerstörung. Dem Vater von Vrenchen, Marti, wird ein Stein
an den Kopf geworfen. Der Fluss ist Symbolisch, die Geschichte beginnt am Fluss und endet
auch dort. Wenn Vrenchen und Sali zusammen sind, dann ist der Himmel blau.
Vergleich zum Drama von Shakespeare:
Ball Tanz im Wirtshaus
Machtstreit Ackerstreit
Familien immer befeindet Familien zuerst befreundet
Zufällige Suizide Absichtliche Suizide
Liebende lernen sich auf Party kennen Liebende kennen sich ganzes Leben
Stadt Dorf
Klassisches Drama Prosa
Priester traut die Liebenden Schwarzer Geiger traut die Liebenden
Dolch und Gift Ertrinken
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Engländer schreibt über Verona Schweizer schreibt über die Schweiz
Die Werke des Realismus beschäftigen sich mit dem Zerfall der Familie. Vrenchen und Sali
sind aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Sie haben keinen Acker. Sie können nur mit der
Natur überleben, sie wissen sonst nicht, wie überleben. Es ist eine Frage der Identität, wenn
sie umziehen, werden sie jemand anders, aber man soll ja seine Identität bewahren.
Sali kauft Tanzschuhe und gibt dafür seine Taschenuhr weg. Die Tanzschuhe sind ein Symbol
für Märchen. Sie ist eine Prinzessin und die ehe wird vollzogen durch die Hochzeitsnacht.
Das Zuhause, die Heimat stiftet Identität, sie haben das verloren und existieren deshalb nicht
mehr. Man war früher an das Land fest gebunden.
Vorlesung vom 08.04.2012: Das Wilhelminische Reich dauerte von 1871 bis Ende 1. Weltkrieg. Der Preussisch-
Französische Krieg fand im Juli 1870 statt. Preussen hatte viele Truppen um für Ruhe und
Ordnung zu sorgen. Im November 1870 in Sedan Sieg der Deutschen. Napoleon III geriet in
Gefangenschaft. 1870 Zusammenschluss von Nord-, West- und Süddeutschland. 1870 – 1871
kurzer Krieg . Im Januar 1871 standen die Preussen vor Paris und Frankreich kapitulierte.
Frankreich zahlte Reparationskosten an Deutschland. Wilhelm von Hohenzollern war
Wilhelm I (von Preussen) und deutscher Kaiser von 1797 – 1888. Er wurde in Versailles
gekrönt, was eine Demütigung für Frankreich war. Es entstand das zweite Deutsche Reich
und Italien vereinigte sich auch. Grossbritannien, Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland,
Italien und Deutschland waren Grossmächte. Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der
Entstehung der Nationalstaaten. Spanien wurde auch ein Nationalstaat. Alles waren
konstitutionelle Monarchien. Im Parlament waren Adelige und reiche Bürger, z. B. Bankiers.
Das Wilhelminische Reich war ein Bundesland mit 25 Ländern, z. B. das Königreich Sachsen
und Bayern. Der Preussische König war auch Deutscher Kaiser. Der Preussische Kanzler war
auch Reichskanzler. In Preussen lebten 2/3 der Deutschen. Das heutige Lettland und Litauen
war auch Preussen. Berlin war auch neue Reichshauptstadt. Reichskanzler war Otto von
Bismarck. Preussen hatte viel Macht erreicht und wollt sie stabilisieren. D. h. die Feinde
wurden eliminiert, so wurde 1872 der Jesuitenorden verboten. 1872 – 1875 tobte ein
Kulturkampf. Streitpunkt war, dass sich der Papst nicht in die Politik einmischen sollte. Die
katholischen Priester konnten wegen subversiven Predigten ausgestossen werden in den
Vatikan. Die Die Schulen wurden unter Staatsaufsicht gestellt. Es gab nun die Zivilehe und
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die Scheidung war nun möglich. Es existierte die katholische Zentrumspartei, die in Bayern
und Polen stark war. Die preussisch-konservative protestantische Partei und die liberale Parte
sollten vom Kaiser gefördert werden.
Die Arbeiter wurden auch als feindlich wahrgenommen. 1863 gründete Ferdinand Lassalle
den allgemeinen deutschen Arbeiterverein. 1862 gründeten Karl Liebknecht und August
Bebel die soziale Arbeiterpartei, die dann die sozialistische Arbeiterpartei (SAD) wurde, die
spätere SPD. Im Mai 1878 fand auf den Kaiser ein Attentat statt. Das war Anlass für das
Sozialistengesetz, in dem die SAD verboten wurde. Dies sollte 2 Jahre gelten, es dauerte aber
30 Jahre. Otto von Bismarck wollte die Unzufriedenheit der Massen wegnehmen, z. B. mit
Einführung von einem Mutterschutzgesetz. Die Mütter waren bis 3 Wochen nach der Geburt
von ihrem Arbeitgeber bezahlt. Er führte die Krankenversicherungs- und
Unfallversicherungspflicht ein, ebenso die Rentenversicherungspflicht ab dem 70. Lebensjahr.
Kaum ein Mensch konnte es wegen der geringen Lebenserwartung beziehen. Diese Rente
bekam man auch bei Invalidität. 1888 war das 3-Kaiserjahr. Der Nachfolger von Wilhelm I
war Wilhelm III (1797 – 1888). Er regierte nur 99 Tage und dann starb er an Kehlkopfkrebs.
Nachfolger war der Sohn von Wilhelm I, Wilhelm II (1860 – 1942). Otto von Bismarck
wurde entlassen und ein Personenkult um Wilhelm II entstand im Reich der Deutschen
Nation. Während Wilhelm I schrittweise erobert hatte, wollt Wilhelm II sehr schnell erobern.
Die damalige Macht Nummer 1 war Grossbritannien, v. a. wegen der Industrie, sie brauchten
Rohstoffe von China und Indien. Frankreich eroberte Nordafrika. Deutschland und Italien
wurden militärisch immer stärker. Österreich-Ungarn wurde nur langsam industrialisiert und
verlor Habsburg an Preussen. Deutschland gewann Bosnien und Herzegowina. Russland
gewann den Kaukasus und die Krim sowie Gebiete der Türkei. Schwächstes Reich wurde das
Osmanische Reich. Sie hatten den Staatsbankrott erklärt. Sie hatten keine Technologie und
verloren den ganzen Balkan, ausser Griechenland, Albanien und Mazedonien. Es entstand ein
3-Kaiser-Pakt zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland und ein 3-Bund mit
Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien. Man sicherte sich ab und erlebte eine enorme
Industrialisierung. Man brauchte Rohstoffe von den Kolonien in Afrika, wie Togo, Tansania
und Kamerun. 1884 fand die Kongo-Konferenz in Berlin statt. Die eroberten Kolonien
wurden verteilt und Deutschland erhielt viele Kolonien. Die Gründerjahre fanden nach 1878
statt. Es wurden Unternehmen und Firmen gegründet. Es kam ein Finanzierungsschub aus
Frankreich. Es entstanden Fabriken, das Ruhrgebiet wurde entwickelt und mit Stahl und
Kohle. Um Berlin bildete sich die Textil- und die Elektroindustrie, z. B Siemens. Das
Beamtentum boomte in Berlin. Diese brauchten eine Infrastruktur wie Restaurants und
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Pferderennen. Sie konnten sich Konsumgüter leisten und waren kauffreudig. Es bestand eine
grosse Nachfrage nach Bekleidung und Haushaltsgegenständen. Die Fabriken schossen aus
dem Boden. Das Risiko wurde geteilt und so entstand das Finanzkapital, die Banken. Die 3
wichtigsten Banken waren die Deutsche Bank, die Kommerzbank und die Dresdener Bank.
Man schimpfte auf die Juden, die viele kleine Banken hatten. Die Judenfeindlichkeit
verstärkte sich. Grosse Fabriken wurden als Aktiengesellschaften (AG) gehandelt. An der
Berliner Börse wurden die Aktien gehandelt. 1872 krachte es an der Börse, zuerst an der
Wiener Börse, dann an der New Yorker Börse und am Schluss in Berlin. Grundsätzlich wird
an der Börse mit möglichem Geld spekuliert, spekulieren die Banken schlecht, dann fallen die
Aktien. Ein Problem waren die verschiedenen Währungen. 1876 wurde die Deutsche Mark
eingeführt. Der Fahrzeug- und Maschinenbau in Berlin hat sich entwickelt. 1884 ist der
Deutsche Reichstag entstanden. Es wurden viele Häuser gebaut, speziell auch Hochhäuser.
Berlin wuchs mit Charlottenburg zusammen. Die Bahn wurde gebraucht. 1882 wurde die
dampfbetriebene Stadtbahn in Betrieb genommen. 1924 wurde sie elektrifiziert. Die
Eisenbahn war staatlich. Man benötigte auch eine Handelsflotte, es entstanden Schiffswerften
in Hamburg und Bremen. Man bohrte einen Kanal, den Nord-Ostsee-Kanal, damit die Schiffe
nicht über Dänemark fahren mussten. Es brauchte viel Stahl aus dem Ruhrpot. 1875 entstand
das Kaufhaus „Karstadt“. 1874 hat Remington eine Schreibmaschine für das 10-Fingersystem
erfunden. 1886 wurden die Setzmaschinen für die Zeitungsdruckerei verbessert. 1878 - 80
erfand Thomas Eddison die Glühbirne, vorher hatte man eine Gasstrassenbeleuchtung. Das
erste Grammophon wurde entworfen. Der erste Otto-Motor von Karl Benz und Gottlieb
Daimler wurde gebaut. Man montierte den Otto-Motor auf die Kutschen. Dies alles führte zur
Urbanisierung. Die sozialen Schichten differenzierten sich. Dem Adel ging es nicht mehr so
gut. Er war die Stütze der kaiserlichen Militärmacht und der Offiziere. Ihre Ehre war ihnen
wichtig. Sie verarmten oder heirateten Neureiche. Es war eine sog. Mesalliance. Der Adel
hatte aber die Mehrheit im Parlament. Die erste obere Mittelschicht der Bürger, die
Bourgeoisie, verfügte über das Finanzkapital. Sie waren bei den Adeligen und Armen
verpönt. Für den Adel waren sie unehrenhaft und für die Arbeiter ausbeutbar. Im Parlament
waren sie schlecht vertreten.
Die zweite Mittelschicht waren die Bildungsbürger. Sie waren die Träger des
Nationalsozialismus und bestanden aus Ärzten, Lehrer und Juristen. Sie waren vom Staat
abhängig und angesehen. Sie lebten von und für die Bildung und machten Dienstleistungen.
Die dritte Mittelschicht war die untere Mittelschicht, das waren obere und mittlere Beamte.
Sie identifizierten sich besonders mit dem Staat. Sie übten sich in Gehorsamkeit und besassen
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Untertanenmentalität. Der Staat wollte aber die Kontrolle über die Finanzen und die
Menschen. Die Bildung, die Gesundheit, die Post, die Bahn und die Polizei war alles mit
Beamten besetzt. Beim dienstpersonal gab es eine gehobene Schicht, die bestand aus
verarmten adeligen Frauen ohne Familie. Sie arbeiteten als Gouvernanten und
Musiklehrerinnen und kamen bei Familien unter. Die niedrige Schicht bestand aus Kutscher,
Hausburschen und -mädchen. Man bot ihnen ein Dach über dem Kopf und Nahrung. Sie
bekamen nur einwenig Taschengeld und mussten ohne Familiengründung bleiben.
Die Handwerker gerieten unter Druck wegen der zunehmenden Industrialisierung und
konnten kaum mehr überleben. Sie konnten fast nur noch Reparaturen ausführen. Die
Mittelschicht war loyal zum Staat, der sie ernährte und ihnen Selbstbewusstsein gab.
Die Unterschicht bildete das Industrieproletariat, das v. a. in der Bergbau- und
Schwerindustrie tätig war. Die Männer arbeiteten 12 - 16 Stunden am Tag. Sie mussten eine
Familie mit vielen Kindern ernähren. Die Kinder mussten mitverdienen und sie wohnten in
Mietskasernen. Die Frauen arbeiteten in der Textilindustrie, Färberei, Wäscherei und Hotels
oder beteiligten sich an der Produktion von kleinen Produkten. Die Kinder arbeiteten ab 10-
jährig. Nach 1860 gab es keine Auswanderung mehr, sondern eine Urbanisierung mit
Mietskasernen. So entstand der Stadtteil Neuköln in Berlin. Die Ober- bis Mittelschicht hatten
1- 3 Kinder. Der rheinische Kapitalismus war weniger brutal als der Manchesterkapitalismus.
Man schaute, dass die Arbeiter nicht so unzufrieden waren. Im Gegensatz zu England gab es
wenige Streiks.
Die Naturwissenschaften, die Archäologie und die Psychologie entwickelten sich. Die
deutschen Universitäten aber verharrten in der Naturphilosophie der reinen Spekulation.
Revolutionär wirkte die Theorie von Charles Darwin. 1870 - 74 wurden seine Schriften
übersetzt. Die Evolutionstheorie war wichtig. Die positiven Folgen waren die Zucht für die
Nahrungsmittelindustrie. Es konnte mehr Nahrung produziert werden. Es entstanden
botanische Gärten und Treibhäuser. Die negativen Auswüchse finden sich als Grundlage für
die Rassentheorie wieder. Robert Koch fand den Tuberkulosebazillus. Dies förderte die
Pharmaindustrie und die chemischen Unernehmen wie „Beiersdorf“. Durch die Entdeckung
von chemischen Verbindungen entstanden Seifen, die z. b. von der Firma „Henkel“ hergestellt
wurden.
Das Patent für die Jeans wurde 1873 an Levi Strauss vergeben. In der Physik wurde die
Elektrizität die Grundlage für Konsumgeräte, Strassenbahnen, ab 1873 für den Telegraf und
ab 1876 für das Telefon. Die Informationstechnologie wurde revolutioniert: es entstand der
Phonograph mit der Aufnahme und Wiedergabe von Ton, das Grammophon und Mikrophon
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und seit 1889 lochgesteuerte Rechenmaschinen. Das elektromechanisch gesteuerte
Rechengerät war der Vorläufer der Personal Computer. Daimler und Maibach erfanden das
Motorrad und das Maschinengewehr wurde konstruiert. Die Firma Eulenstein und Kobel
betrieben Maschinenbau.
Das erste Institut für Psychologie wurde 1789 gegründet und 1850 entstand die Soziologie als
Wissenschaft.
Heinrich Schliemann formulierte die Archäologie als Wissenschaft und fand Troja.
Die historische Wissenschaft war berühmt, v. a. dank Herbert von Ranke, und wurde zur
staatstragenden Wissenschaft.
Seminar vom 25.04.2012: Theodor Storms „Pole Poppenspäler“ erzählt vom Kunstdrechsler Paul Paulsen, der ausführt,
wie er zu seinem Schimpfnamen gekommen ist. Der Erzähler ist zum Hochzeitstag der
Paulsen eingeladen und vor 40 Jahren war der Erzähler im Elternhaus, wo Paul Paulsen zu
Gast war. Es ist pädagogischer Lesestoff für die Jugend. Die zeitgenössische Literatur war
meistens nur Erwachsenen zugänglich, daher hat man etwas für die Jugend geschaffen. Es
fehlen abstrakte Ausdrücke, daher ist es für Schüler ideal. 1875 wurde das Buch
herausgegeben. Die Freiheit der Phantasie und der bürgerlichen Werte werden gebunden. Es
gibt verschiedene Erzählebenen: 1. Der Erzähler, 2. der Erzähler sitzt mit dem erwachsenen
Pole Poppenspäler zusammen und dieser erzählt von seiner Jugend. 3. Pole Poppenspäler hat
einen 40-jährigen Sohn und er erzählt über dessen Jugend.
Pole Poppenspäler ist von Beruf Kunstdrechsler, also Handwerker, dann wurde er
Mechaniker. Er verkörpert die Tugenden wie sparen für das Alter, arbeiten und lernen. Alle
Figuren sind brav und kommen am Ende in den Himmel. Die Puppenspieler waren Fahrende,
also unehrenhafte Leute. Sie waren Künstler und im 18. Jahrhundert war der Ausdruck
„Künstler“ noch ein Schimpfwort. Das Publikum waren Erwachsene und Kinder. Pole war
Einzelkind, Lisei auch. Die Meisterin hatte auch nur einen Sohn. Normalerweise hatten die
Handwerker 5 Kinder, auch wegen der hohen Kindersterblichkeit.
„Der Immensee“ von Theodor Storm ist eine Novelle. Ein älterer Herr, Reinhardt, erinnert
sich an seine unerfüllte Jugendliebe namens Elisabeth. Es ist ein Meisterwerk der Literatur. Es
hat eine Rahmen- und eine Binnenhandlung: Ein alter Mann kommt von einem Spaziergang
nach Hause. Die Erinnerung an die Vergangenheit stellt die Binnenhandlung dar. Das
Element Wasser macht Angst, es ist schwarz. Es ist eine Novelle im Stile zwischen Romantik
und Realismus. Motiv des Fensters ist Romantik, die unglückliche Liebe nähert sich der
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Realität an. Es gibt eine Lichtsymbolik, immer wenn der Alte alleine war, erschien Licht. Der
Alte ist stürmisch, Elisabeth ist zu passiv. Der Alte war ein romantiker, denn er wollte nach
Indien gehen und durch Deutschland ziehen und Volkslieder sammeln. Die Mutter setzte
Elisabeth unter Druck, sie musste Erich, einen schwachen Charakter, heiraten. Reinhard
studierte. Elisabeth wollte mit nach Indien, aber sie wollte die Mutter mitnehmen, das ging
nicht. Das Symbol der Wasserlilie tritt in der Mitte der Novelle auf, zwischen Kindheit und
Alter. Elisabeth wollte sich aus ökonomischen Gründen nicht mit einem Romantiker, einem
Künstler binden. Der Hempflingvogel wurde durch einen Kanarienvogel ersetzt. Der Vogel
im goldenen Käfig symbolisiert die Situation von Elisabeth. Reinhard war selten zu Hause.
Wenn er nach Hause kam, trocknete er Blumen und legte sie in ein Buch. Die Natur wurde
zerstört. Aus den Obstbäumen wurde Schnaps produziert und die Natur stirbt. Elisabeth und
Erich haben keine Kinder, die Welt ist industriell steril. Sie finden keine Erdbeeren. Künstler
würden verhungern. Erdbeeren sind ein Erotiksymbol. Durch die Industrialisierung wird die
Natur zerstört. Die Wasserlilie ist weiss, eine Symbolfarbe des Todes. Das Wasser ist
bedrohlich. Reinhard könnte darin ertrinken. Er verschwindet in die Natur und in die
Romantik. Der Kuckuck legt Eier in fremde Nester, so sollte es Nachkommen geben, egal ob
von Reinhard oder Erich. Die weite Welt wird hier dem lokal Abgegrenzten gegenüber
gestellt. Die Elisabeth kann nicht aus dem Haus kommen, alles ist überdacht. Die Romantik
und Natur werden gegen die Bürgerlichkeit und Natur ausgespielt.
Vorlesung vom 02.05.2012: Realismus und Naturalismus existieren in einer Zeit der Verbesserung der Produktion. Es gibt
Zeitungen und Bücher und neue Setzmaschinen. Das Urheberrecht wird neu geregelt. So
haben Schriftsteller genügend Zeit zur Verbesserung ihrer Werke. Der Realismus ist das
Gegenteil von fantastisch und utopisch. Realismus ist Gegensatz zu Idealismus. Die
Realpolitik wollte das Mögliche und es erreichen. Man hatte einen besonderen Sinn für das
Wirkliche, Sachliche, Massvolle und Angemessene einer Sache. Man hatte dem Leben
gegenüber eine positive Haltung. Man erzählte keine Märchen sondern man handelte mit
Aktien. Die Wirklichkeit war die Frage nach der Authentizität, nach dem, was passieren
könnte. Der Realismus in Deutschland ist spezifisch. Es ist ein bürgerlicher Realismus. Er ist
von den Bürgern kreiert und für die Bürger geschrieben. Die Schriftsteller vertreten die
Interessen ihres Publikums. Bürgerlich bezieht sich auf den Handel und das Gewerbe. Die
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Realisten verstehen sich auf die Weiterführung der Aufklärung. Die Welt sollte entzaubert
werden. Man kommt weg von der Romantik. Die Wirklichkeit ist nicht etwas, was subjektiv
gebraucht wird. Dies können Gegenstände, die Menschen und die Natur sein. In jedem Raum
wird eine Wirklichkeit entsprechend dem Erfahrungswert konzipiert. Die Fiktion sollte die
Wirklichkeit sein, aber es gibt nur Vorstellungen von der Wirklichkeit. Zuerst drang der
Realismus in die bildende Kunst ein, dort entwickelte er sich zum plumpen Realismus. Es
entstand v. a. Porträtskunst, die dazu diente, dass man verewigt wurde. Der plumpe Realismus
verlor an Bedeutung, seit Aufkommen der Fotographie. Die Fotographie entstand um 1839.
Das Bild konnte die politische Seite der Realität zum Vorschein bringen, das war die sog.
Verklärung. Die Realisten hatten die Malerei zum Vorbild genommen. Es entstand eine
Verbindlichkeit von Realität und Idealität. Die Gegenständlichen Aspekte der Realität
schaffen Sicherheit und ein Allerweltswissen, so z. B. dass Stühle 4 Beine haben. Es gab
immer mehr Gegenstände ab letztem Viertel des 19. Jahrhunderts. Des Weiteren waren leitete
man aus Situationen Verhaltensweisen ab. Dahinter standen aber auch Normen und Werte.
Sie schufen eine Orientierungshilfe in der Welt. Es gab Erzählinstanzen, so war die Figur des
Erzählers wichtig. Die kritisierten Fehlformen der Wirklichkeit gehörten auch zum
Realismus. Die Frage wird gestellt, ob gewisse Selbstverständlichkeiten auch wirklich gut
sind. Dies mündet in den kritischen Realismus. Er bildet nicht nur ab, er entlarvt, was schlecht
ist. Er soll auch Schädliches und Inhumanes darstellen. In den besseren Literaturwerken ist
die Kritik impliziert. Man kommt zu einer Lösung, wie es sein könnte. Neue
Wirklichkeitsfelder und neue Massstäbe entstehen. Die Voraussetzung war, dass man die
Sehgewohnheiten entautomatisierte. Die Wirklichkeit ist nicht unveränderlich.
Die Wirklichkeit ist die geglaubte Welt, man überprüft sie und danach ist sie nicht mehr
selbstverständlich. Die Welt ist mittlerweile mannigfaltig, daher ist die Selbstverständlichkeit
wichtig für das Überleben. Schon in der Kindheit baut man durch Bilder, Sehen und die
Erfahrung die Wirklichkeit auf.
Die Wirklichkeit hat Aufgaben und Probleme. Der kritische Realismus fragt, ob das
Bestehende so gut ist, wie man es glaubt. Man muss die Welt überprüfen. Die Welt muss man
sehen, an Hand von realistischen Texten kann man die Welt besser wahrnehmen. Das Sehen
ist ein biophysikalischer Vorgang auf einen Reiz. Es fällt auf etwas Licht und das Licht wird
anschliessend reflektiert. Man kann auch lernen, besser zu sehen. Der Realismus besteht in
einem Medium. Das Buch besteht aus Zeichen, Buchstaben, und die Zeichen verweisen auf
etwas. Sie sind eine Referenz. Es gibt ikonische Darstellungen. Das sind Ähnlichkeiten
zwischen der Realität und Zeichen, z. B. Reden oder Briefe oder Zeit deckendes Erzählen,
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dabei sind 1 Stunde Lesen 1 Stunde Handlung. Die sozialen Beziehungen werden so
abgebildet.
Indexalische Darstellungen, Wohnungen, Kleider, Sprache und Stil haben symptomatische
Werte. Die Determinierung der Wohnung bestimmt die Norm und zeigt die soziale Schicht.
Es sind Indizien für bestimmte Vorstellungen von Wirklichkeit. Das Symbol zeigt den
Unterschied zwischen dem Original und dem bild von der Wirklichkeit. Alles bleibt Fiktion.
Der Realismus dauerte lange, mehrere Jahrzehnte.
Der Naturalismus fand zwischen 1885 und 1895 statt. Diese Literatur wurde von den
Intellektuellen abgelehnt weil sie den Schmutz und Zynismus der Welt zum Vorschein
brachte. Er wurde nur von wenigen Intellektuellen als neu und revolutionär begrüsst.
Der Naturalismus zeigt die Welt als harmonische Lüge. Es gibt ein disparates Neben- und
Gegeneinander von Tendenzen und Konzepten. Es gibt ein kapitaler Unterschied zwischen
den Theoretikern und den Praktikern, den Schriftstellern. Die Autoren waren bürgerlich, aber
ihre Werke zeigten das soziale Elend der Proletarier. Die Lyrik entstand um die Mitte der
1880-er Jahre, Prosa und Novellen gab es während den ganzen zehn Jahren von 1880 bis
1890. Das Drama dominierte. Bei Emile Zola waren es Romane. Die meisten Werke waren
opponierend gegen den Realismus. Die Natürlichkeit, der Natursinn und die Rückkehr zur
Natur waren angesagt. Man stand im Gegensatz zur Künstlichkeit und zur Schule, denn die
Schule ist auch künstlich. Es war ein Gegensatz zum Symbolismus und Impressionismus und
den sich daraus im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts herausbildenden Expressionismus. Die
Realistischen Werke wurden viel länger, bis Ende der 1890-er Jahre geschrieben.
Die Zentren der naturalistischen Strömung waren München und Berlin. Es entstand eine
Lyrikanthologie „Moderne Dichter-Charaktere“ ein Projekt vieler naturalistischer Zentren und
von Arno Holz den Gedichtband „das Buch der Zeit“. 1890 wurde in München die Zeitschrift
„die Gesellschaft“ herausgegeben. In Berlin gibt es das Drama, das auf der „freien Bühne“
gespielt wurde von Henrik Ibsen „Die Gespenster“ und von Gerhard Hauptmann 1889 „Vor
Sonnenaufgang“. Dies alles gefiel den Intellektuellen. Die Schriftsteller waren jung, alle nach
1860 geboren. Sie hassten die Franzosen nicht und lasen Emile Zola und hatten einen
bürgerlichen Lebensweg. Sie waren von der Literaturentwicklung fasziniert und vom
Positivismus und Materialismus. Sie hatten ein anderes Weltbild als ihre Väter. Sie hatten
eine Aversion gegen ihre Väter.
Es entstanden Mietskasernen, die klein und feucht waren und so eine Brutstätte für
Tuberkulosebakterien waren. Es herrschte Elend in den Mietswohnungen. Beim damaligen
Hausbau musste man die Wände lange trocknen lassen.
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Zur Zeit des Naturalismus lebten zwei Schriftsteller, die Gebrüder Hart, die zusammen mit
Bruno Wille und Wilhelm Bölsche die „friedrichshafener Künstlerkolonie“ bildeten. Sie
mieteten eine Vorstadtvilla und diskutierten dort. Es waren dort die Autoren: Arno Holz, er
hat eine der wenigen naturalistischen Komödien geschrieben, „die Sozialaristokraten“, und
Johannes Schlaf schrieb „Papa Hamlet“, Hermann Sudermann schrieb das Schauspiel „Die
Ehre“ und Gerhard Hauptmann, der lange lebte.
Die „freie Bühne“ wurde in die „freie Volksbühne“ umgewandelt, deren Leiter Bruno Wille
war. Es begann mit Theorie und Lyrik. Die Literatur soll sein, wie ein Blatt, das vom Baum
fällt, sie soll grosse Präzision haben mit vielen Details. Dies galt aber nur am Anfang des
Naturalismus. Ein wichtiges Thema bildeten die Naturgesetze, die Vererbungslehre von
Darwin und der Kampf ums Dasein wurde thematisch ausgeschlachtet. Das Milieu und
Soziales wurden gezeigt, v.a. das Armeleutemilieu. Die Naturalisten haben genau beobachtet
und es wurden soziale Experimente gemacht. Dies wurde von Emile Zola übernommen mit
seinem „roman expérimental“. Das Arbeiterelend und die Frauenemanzipation waren das
Thema. Die Figuren sprechen meistens im Dialekt. Der Mensch ist von der Natur und seinem
Milieu determiniert. Das war das Thema des naturalistischen Dramas.
Seminar vom 09.05.2012: „Der Schimmelreiter“ ist Theodor Fontanes letztes Werk Es hat eine Rahmenerzählung: ein
Mann macht sich beim Besuch von Freunden auf den Heimweg und kehrt in ein Gasthaus ein.
Die Erzählung des Schulmeisters ist die Binnenhandlung: Ein Reiter namens Hauke trifft mit
seinem Pferd auf eine dunkle Gestalt. Er erzählt in einem Gasthaus von seinem Erlebnis. Er
ist Sohn eines Bauern. Er war Kleinknecht und verliebte sich in die Tochter Elke. Er geriet in
einen Streit mit dem Hochknecht. Elkes Vater stirbt. Hauke kaufte sich ein weisses Pferd.
Hauke wurde von einer alten Frau verflucht. Hauke hatte ein behindertes Kind mit Elke.
Hauke sah eine schwache Stelle im Deich und wollte sie flicken. Der Deich brach bei einem
Sturm ein. Die Frau und das Kind wurden von den hereinstürzenden Wassermassen in den
Tod gerissen, ebenso Hauke, der aber als dunkle Gestalt immer noch herumirrt.
Hauke ist die verkörperte Ratio, er ist gegen traditionelle Strukturen. Er wird aber von den
Dorfbewohnern zur mythischen Figur gemacht.
Diese Erzählung gehört zu den besten Novellen. Mythische und realistische Elemente werden
vermischt. Ein alter Mann erinnert sich an etwas, was er vor 50 Jahren gelesen hat und vor 70
Jahren stattgefunden hat. Hauke hat die Deiche trockengelegt und so hat er Land gewonnen.
Dieses hat er dem Meer entnommen, durch die Kultivierung der Erde hat er Nahrung erhalten.
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Landbesitz war damals sehr wichtig, denn die Leute hungerten und konnten sich nur durch
eigenen Landbesitz ernähren. Hauke war ein genialer Rechner, ein Deichgewinnler. Er
erwürgte die Katze seines Jugendfreundes, deshalb ist er auch asozial und sein Kind ist
autistisch.
Der Aberglaube wird hier gegen die Ratio ausgespielt. Hauke glaubt an Gott, aber macht
einen Deal mit ihm. Die Strafe Gottes ist der Deichbruch und die Behinderung des Kindes.
Die Elternliebe ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts und kam nur bei reichen Familien vor.
Früher zeigte man seine Elternliebe durch Weitergabe des Eigentums, wie z. B. des Hofes.
Hauke wollte sich ein Denkmal schaffen mit der Trockenlegung von Deichen. Elkes Vater
war Deichgraf. Hauke wollte auch Deichgraf werden. Haukes Vater hatte kein Land. Er war
ein armer Schlucker. So konnte Hauke eigentlich nicht Deichgraf werden, da er kein Land
hatte.
Im 18. Jahrhundert gab es keine Liebesheirat. Elke heiratet Hauke weil er intelligent und
fleissig ist. Das 18. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Aufklärung. Man möchte sich vom
Schicksal befreien, das ist in Deutschland bis ca. 1870 so.
Es geht in der Novelle auch um die Frage, ob das Gottes- oder Menschenwerk wichtiger ist.
Im 18. Jahrhundert gab es kaum Aufstiegsmöglichkeiten, man wurde entweder arm oder reich
geboren. Hauke steigt auf, aber der Preis war, dass am Ende alle sterben. Hauke spukte dann
als dunkle Gestalt auf den Deichen herum. Der Schulmeister spürte eine Streifung dieses
Spuks am rechten Arm. Es ist eine Legende mit einer Personencharakterisierung und wird
dadurch zum authentischen Bericht. Der Autor lässt Hauke und Elke sehr wenig sprechen.
Der Autor schafft es, dass die Personen ohne grosse Dialoge charakterisiert werden.
„L’Adultera“ von Theodor Fontane wurde 1879 begonnen. Zuerst erschien die Novelle in
einer Monatszeitschrift „Nord und Süd“. Danach erschien sie 2 Jahre später als Buch. Der
Verleger wollte den Titel „l’Adultera“, d.h. auf Italienisch „die Ehebrecherin“, so haben. Es
handelt von einem Ehebruchskandal, bei dem eine Ehebrecherin namens Melanie ihre Familie
verlassen hat. Es war der erste Berliner Gesellschaftsroman, der den Vorfall weder unter den
Tisch gewischt noch beschönigt hatte. Fontane wollt die Realität wiedergeben. Die
Naturalisten haben ihn als einen der ihren angeschaut. Die Ehebrecherin musste mit 17
heiraten. Sie gebar 2 Kinder. Sie hatte materiell alles. Im Winter war sie in einer
Stadtwohnung, im Sommer in einer Gartenvilla. Sie erhielt einmal als Geschenk ein bild
„l’Adultera“, was sie sehr erschreckte. Sie stand diesem Geschenk ablehnend gegenüber und
wollte es in eine Galerie geben. Ein Major kommt oft zu Besuch, ebenso ein Baron, ein
Polizeileutnant und zwei Maler. Es geschah, dass Melanie mit ihren Kindern schon in der
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Sommerwohnung war, während ihr Mann Ezechiel noch in der Stadt weilte. Es kam ein
Kavalier zu Besuch und es entwickelte sich eine Affäre. Auf einer Bootsfahrt kamen sie sich
näher und es entstand ein Kind. Sie ging mit dem Liebhaber weg von Ezechiel. Melanie war
sehr glücklich, sie ging mit ihrem neuen Mann zuerst in die Schweiz und dann nach Berlin.
Dann kamen harte Zeiten. Ihr Mann war fast bankrott, Melanie verliess ihn und musste sich
als Musiklehrerin ihren Lebensunterhalt verdienen. Ein italienischer Maler des 16.
Jahrhunderts, Jacopo- Tintoretto, malte das Bild, das Ezechiel es seiner Frau als Kopie hat
anfertigen lassen.
L’Adultera, die Ehebrecherin, wurde gemäss Bibel zu Jesus geführt und er hat ihr alle Sünden
erlassen. Melanie empfand insgeheim eine Sympathie für sie und nahm so ihre
Stigmatisierung weg.
Die Farbe rot ist das Leitmotiv und ihr Name Melanie, geb. de Caparoux, Rotkäppchen,
deutet auch daraufhin, ebenso die Mohnblumen, die feurige Leidenschaft und Verlangen nach
Liebe symbolisieren. Die Granatenblütengarnitur symbolisiert die Göttin der Liebe,
Aphrodite. Fontane war ein Kunstfreund. Das Bild und die Erzählweise sind aufeinander
bezogen. Aus dem Mohn gewinnt man Opium, das die Sinne vernebelt. Melanie war in der
Ehe unzufrieden. Ihr Mann war nicht sehr maskulin. Sie kann nicht gleichzeitig eine
glückliche ehe führen und eine glückliche Frau sein. Sie war eine starke Persönlichkeit.
Rubehn ist als Name eine Anlehnung an die Bibelgeschichte, in der er als Sohn Jakobs mit
seiner Mutter Ehebruch begann. Der Ehebruch findet im Palmenhaus statt, dieses ist ein
Symbol des Fortschritts und der Dekadenz. Melanie wollte die wahre Liebe, Ezechiel hatte
absichtlich schlechte Manieren, war aber hoch gebildet und hatte keinen feinen Geschmack.
Es geht hier auch um Neugierde, sie wurde hormonell dazu getrieben. Sie wollte auch
Bestätigung für ihr Ego. Aus egoistischen Gründen geht sie von zwei Kindern weg. Melanie
kommt auch von Melanin, die Schwarze.
Die symbolischen Bezüge sind sehr fein und offensichtlich. Sie implizieren auch die
Thematik der Frauenemanzipation. Die Musik Richard Wagners spielte auch eine wichtige
Rolle. Sie ist eine ultrareich Frau und Bürgerin. Sie ist auch Ballkönigin.
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