Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige
Wertschöpfungsnetzwerke
VHB WK NaMa-Herbsttagung 2014 | Technische Universität Ilmenau | 25.-26. September 2014
Prof. Dr. Henning Breuer Hochschule für Medien Kommunikation und Wirtschaft (HMKW), Berlin UXBerlin Innovation Consulting
Dr. Florian Lüdeke-Freund Universität Hamburg Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Lehrstuhl für Kapitalmärkte und Unternehmensführung
VHB WK NaMa-Herbsttagung 2014 „Nachhaltiges Stoff-, Produkt- und Servicemanagement“
Session B4 „Sustainable Supply Chain Management“
Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
1. Theoretischer Hintergrund
2. Leitfrage und Vorgehen
3. Fallstudie – Gestaltung einer nachhaltigen Energieregion
4. Ergebnisse und Implikationen
Agenda
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Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
„Social problems are never solved. At best they are only re-solved – over and over again.“
(Rittel & Webber, 1973, p. 160)
• Wicked Problems – unlösbare gesellschaftliche Herausforderungen (vgl. Rittel & Webber, 1973)
• Problemdefinition – ex ante nicht möglich
• Problemlokalisierung – erschwert durch vernetzte offene Systeme
• Problemlösung – Wissen über Nebeneffekte limitiert Lösungsansätze
• (Un-)Nachhaltigkeit als Wicked Problem (vgl. Waddock, 2013)
• z.B. nachhaltige Transformation von Lieferketten (z.B. Petersen, 2009)
• z.B. Umgestaltung der Energieversorgung (z.B. Brunnengräber et al., 2014)
Theorie – Wicked Problems
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„The sustainability problem in all of its manifestations is, by nature, a wicked problem.“
(Waddock, 2013, p. 91, 93)
• Optimale Systeme sind komplex und basieren auf vielfältigen kleinskaligen Lösungen (vgl. Holling,
1973; Waddock, 2013) -> Akteursvielfalt
• Probleme, Lösungswege und Ergebnisse müssen von den Betroffenen gemeinsam ausgehandelt werden (ibid.) -> Kollaboration
• Kollaboration in komplexen und vielfältigen Systemen erfordert gemeinsame Visionen und Werte (z.B. „Nachhaltigkeit“) (ibid.) -> Wertorientierung
Theorie – Wicked Problems
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„… a sustainable business model … creates, delivers, and captures value for all its stakeholders
without depleting the natural, economic, and social capital it relies on.“
(Breuer & Lüdeke-Freund, 2014, p. 3)
• Nachhaltige Geschäftsmodelle und -innovationen …
• Systemische Ebene für Nachhaltigkeitsinnovationen (e.g. Bocken et al., 2014; Boons et al., 2013; Wells, 2013)
• … jenseits einzelner Unternehmen
• Polyzentrischer Ansatz durch kollaborative Modellierung (e.g. Bocken et al., 2013; Rohrbeck et al., 2013)
• … in Wertschöpfungsnetzwerken
• Vernetzung vielfältiger und spezialisierter Akteure (e.g. Bleicher, 2010; Calia et al., 2007)
Theorie – Nachhaltige Geschäftsmodelle
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Wie können Geschäftsmodellinnovationen derart gestaltet werden, dass sie die Einbindung vielfältiger Akteure, deren Kollaboration und Wertorientierungen unterstützen?
* vgl. Breuer & Lüdeke-Freund, 2014
Leitfrage und Vorgehen*
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Theoretischer Rahmen
Normatives Innovationsmgmt.
Praktische Innovationsmethode
Zukunftswerkstatt Modellierung
Fallstudie / Anwendung
Erprobung Reflektion
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• Projekt „EnERgioN – Erneuerbare Energien in der Region“ (2012-2015), Innovations-Inkubator, Leuphana Universität Lüneburg, Leitung: Prof. Degenhart, Prof. Schomerus, Prof. Schulz
• Workshop „Geschäftsideen für die Energiemärkte der Zukunft“, November 2013, Prof. Breuer
• Ziel: Entwicklung von Geschäftsmodellen für virtuelle Kraftwerke, Einbeziehung regionaler Akteure
• Teilnehmer: 20 Experten aus Energiewirtschaft und -technik, Forschung und Beratung
• Vorgehen
1. Zukunftswerkstatt zur Entwicklung von Geschäftsideen
2. Geschäftsmodellierung zur Konkretisierung
Fallstudie – Gestaltung einer nachhaltigen Energieregion
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http://www.leuphana.de/partner/regional/nachhaltige-energie/energion.html
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Prosumer
Energieversorger
Netzbetreiber
Fallstudie – Zentrale Akteure
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Virtuelle Kraftw
erke
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Fallstudie – Workshopablauf
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(1) Kritikphase / missachtete Werte
(2) Visionsphase / ideale Werte
(3) Realisierungsphase / umsetzbare Werte
Tag 1: Zukunfts- werkstatt
(5) Geschäftsmodellierung (4) Wertangebot (6) Wert(e)netzwerk
Werte
Tag 2: Geschäfts-modellierung
Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund
Fallstudie – Innovationsmethoden*
Zukunftswerkstatt Geschäftsmodellierung
Slide 9 26. Sept. 2014
Realisierung
Neues „Spielfeld“
Vision
Imag
inat
ion
Kritik Kollaboration
„Business Modeling Starter Kit“
vgl. Breuer et al., 2012; Breuer, 2013a, 2013b
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Kritik Vision Realisierung Werte & Vision
Prosumer
• Fehlende Transparenz
• Probleme mit der Einspeisung
• …
• Saubere, einfache, günstige Energie
• Energiespar-meister
• …
• Prosumer-Zusammenschluss
• „Bürgerspeicher“ • Energiebörse • …
„Eine nachhaltige Energieregion auf Basis grüner und lokaler Ressourcen“ • Sicherheit • Unabhängigkeit • Transparenz • Vertrauen • …
Energieversorger
• Akzeptanz • Regulatorische
Risiken • …
• Erzeuger werden Dienstleister
• Revolutionäre Speicher
• …
• Beteiligungs-formate
• Investitionsplatt-form
• …
Netzbetreiber
• Mangelnder Innovationsschutz
• Unzureichende Kommunikation
• …
• NB = zentrales Bindeglied für virtuelle Kraftwerke
• …
• NB = Informations-Hub bzw. „Router“ im Energiesystem
• …
Ergebnisse – Zukunftswerkstatt (Auszug)
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Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
Geschäftsmodell Wertangebot Wertschaffung Werte & Vision
Prosumer
Energiekommune • Transparenz • Unabhängigkeit • „Grüne Kommune“ • …
• Energieportal • Portfolio-
Optimierung • Lastmanagement • …
„Eine nachhaltige Energieregion auf Basis grüner und lokaler Ressourcen“ • Sicherheit • Unabhängigkeit • Transparenz • Vertrauen • …
Energieversorger
Beteiligungsmodell • Grüne Energie aus der Region
• Anlagemöglichkeit für Dritte
• …
• Projektierung • Anlagenbau • Techn. und kaufm.
Anlagenbetrieb • …
Netzbetreiber
Agentur für virtuelle Kraftwerke
• Überregionale Vernetzung
• Techn., kaufm., jur. Beratung
• …
• Bündelung lokaler Ressourcen
• Vermittlung, Koordination
• …
Ergebnisse – Geschäftsmodellierung (Auszug)
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Ergebnisse – Workshop-Beobachtungen
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1. Die Thematisierung und Visualisierung gemeinsamer Werte in Form einer „Value Cloud“ wirkte
als konstanter, sich über die Zeit entwickelnder Bezugspunkt.
→ Problemfacetten und Wertorientierungen wirkten auf die Wahl der Lösungsansätze
2. Die gemeinsame Geschäftsmodellierung führte zu gegenseitiger Toleranz für negative Effekte
(z.B. Verlust von Marktanteilen) und förderte die Suche nach Alternativen.
→ Suche nach systemischen und komplementären statt punktuellen Lösungen
Ergebnisse – Workshop-Beobachtungen
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Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
• Der Wechsel auf die Ebene wertebasierter (normativer) Innovationen unterstützt das Ablösen von Routinen und die Formulierung ambitionierter Visionen.
• Die Kombination von Zukunftswerkstatt und Geschäftsmodellierung ermöglicht eine effiziente und offene Zusammenarbeit.
• Die Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerks im Sinne eines gemeinsamen Leitbilds führt zu komplementären Geschäftsmodellen.
Die Methode unterstützt das normative Innovationsmanagement. Die Kollaboration vielfältiger Akteure und die Berücksichtigung ihrer Werte werden gefördert. Die genutzte Methode führt von individuellen Werten zum Wert(e)netzwerk.
Ergebnisse – Methodisch-praktische Implikationen
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Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
Ergebnisse – Weiterer Forschungsbedarf
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Lücken in der Geschäftsmodellliteratur: „egozentrischer“ Fokus auf einzelne Unternehmen; Nicht-Berücksichtigung des Normativen
→ Entwicklung der Grundlagen für Geschäftsmodell-Ökosystem-Konzepte
Verständnis der Rolle des normativen Innovations-managements für systemische (Nachhaltigkeits-) Innovationen
→ Theoretische und empirische Studien zu systemischen Innovationsbarrieren
Theoretische und methodische Beiträge zur Abschwächung von Wicked Problems
→ Anwendung und Überarbeitung der Methodik in weiteren Problembereichen
Wir danken den folgenden Personen für die Unterstützung des Projekts: Lars Holstenkamp & Jennifer Kowallik (Workshop-Initiatoren), Dirc-Robert Wortley und Ulrike Mascherek (Ko-Moderation UXBerlin), Gabriele Heinzel (Illustration und
Graphic Recording) sowie den Workshop-Teilnehmern aus Norddeutschland.
Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
Bleicher, K. (2010): Integriertes Management von Wertschöpfungsnetzwerken, in: Bach, N.; Buchholz, W. & Eichler, B. (Eds.): Geschäftsmodelle für Wertschöpfungsnetzwerke. Ilmenau: Ilmedia, 145–178.
Bocken, N.; Short, S.; Padmakshi, R. & Evans, S. (2013): A value mapping tool for sustainable business modelling, Corporate Governance: The International Journal of Business in Society, Vol. 13, No. 5, 482–497.
Bocken, N.; Short, S.; Rana, P. & Evans, S. (2014): A literature and practice review to develop sustainable business model archetypes, Journal of Cleaner Production, Vol. 65, 42–56.
Boons, F. & Lüdeke-Freund, F. (2013): Business models for sustainable innovation: state-of-the-art and steps towards a research agenda, Journal of Cleaner Production, Vol. 45, 9–19.
Boons, F.; Montalvo, C.; Quist, J. & Wagner, M. (2013): Sustainable innovation, business models and economic performance: an overview, Journal of Cleaner Production, Vol. 45, 1–8.
Breuer, H. (2013a): Lean Venturing: Learning to Create New Business Through Exploration, Elaboration, Evaluation, Experimentation, and Evolution, International Journal of Innovation Management, Vol. 17, No. 3, Article 1340013.
Breuer, H. (2013b): Business Modeling Starter Kit – Handbook. Berlin: UX Berlin Innovation Consulting.
Breuer, H. & Lüdeke-Freund, F. (2014): Normative Innovation for Sustainable Business Models in Value Networks, in: Huizingh, K.; Conn, S.; Torkkeli, M. & Bitran, I. (Eds.): The Proceedings of XXV ISPIM Conference - Innovation for Sustainable Economy and Society, 8-11 June 2014, Dublin, Ireland.
Literatur
Henning Breuer & Florian Lüdeke-Freund Geschäftsmodellinnovationen für nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke
Breuer, H.; Schulz, J. & Leihener, J. (2012): Learning from the future – modeling scenarios based on normativity, performativity and transparency, Proceedings of XXIII ISPIM Conference - Action for Innovation: Innovating from Experience, 17-20 June 2012, Barcelona, Spain.
Brunnengräber, A.; Di Nucci, M.; Häfner, D. & Isidoro Losada, A. (2014): Nuclear Waste Governance – ein wicked problem der Energiewende, in: Brunnengräber, A. & Di Nucci, M. R. (Eds.): Im Hürdenlauf zur Energiewende. Wiesbaden: Springer, 389–399.
Calia, R.; Guerrini, F. & Moura, G. (2007): Innovation networks: From technological development to business model reconfiguration, Technovation, Vol. 27, No. 8, 426–432.
Lüdeke-Freund, F. (2013): Business models for sustainability innovation: Conceptual foundations and the case of solar energy. PhD Thesis. Lüneburg: Leuphana University/Centre for Sustainability Management (CSM).
Peterson, H. (2009): Transformational supply chains and the 'wicked problem' of sustainability: aligning knowledge, innovation, entrepreneurship, and leadership, Journal on Chain and Network Science, Vol. 9, No. 2, 71–82.
Rittel, H. & Webber, M. (1973): Dilemmas in a General Theory of Planning, Policy Sciences, Vol. 4, No. 2, 155–169.
Rohrbeck, R.; Konnertz, L. & Knab, S. (2013): Collaborative business modelling for systemic and sustainability innovations, International Journal of Technology Management, Vol. 63, No. 1/2, 4–23.
Waddock, S. (2013): The Wicked Problems of Global Sustainability Need Wicked (Good) Leaders and Wicked (Good) Collaborative Solutions, Journal of Management for Global Sustainability, Vol. 1, No. 1, 91–111.
Wells, P. (2013): Business Models for Sustainability. Cheltenham: Edward Elgar Publishing.
Literatur