Naika Foroutan
ein Beitrag zur Tagung:
Gesellschaft gemeinsam gestalten
24.–25.09.2014 – in Stuttgart-Hohenheim
http://downloads.akademie-rs.de/interreligoeser_dialog/20140924_foroutan_identitaet.pdf
Identität, Engagement und
Partizipation junger Muslime in
Deutschland
Identität, Engagement und
Partizipation junger Muslime
in Deutschland
Dr. Naika Foroutan
Humboldt-Universität zu Berlin
Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung
(BIM)
I Empirische Daten zu Muslimen in Deutschland
II Identität – negative Anrufungen
III Partizipation und Engagement
Vortragsaufbau
I. Empirische Daten
zu Muslimen
in Deutschland
Deutsche, Migranten, Ausländer, Muslime?
• 82 Millionen Einwohner
• Davon ca. 16 Millionen mit
Migrationshintergrund
• Davon ca. 9. Millionen
Deutsche
• Und ca. 7 Millionen
Ausländer
• Ca. 4 Millionen Muslime,
davon die Hälfte deutsche
Staatsbürger
Destatis: Statistisches Bundesamt Deutschland. Pressemitteilung Nr. 326
vom 19.09.2012
Zahlen Muslime in Europa
Land 1990 2000 2010 2020 2030
Welt 1.050.963.000 1.320.693.000 1.619.314.000 1.913.499.000 2.190.154.000
Europa 29.650.000 36.980.000 44.138.000 51.573.000 58.209.000
1. Frankreich 568.000 1.401.000 4.704.000 5.818.000 6.860.000
2. Deutschland 2.506.000 3.648.000 4.119.000 4.878.000 5.545.000
3. Großbritannien 1.172.000 1.590.000 2.869.000 4.231.000 5.567.000
4. Niederlande 344.000 907.000 914.000 1.141.000 1.365.000
5. Belgien 266.000 333.000 638.000 905.000 1.149.000
6. Österreich 161.000 338.000 475.000 634.000 799.000
7. Schweden 147.000 226.000 451.000 730.000 993.000
8. Schweiz 148.000 306.000 433.000 552.000 663.000
9. Dänemark 109.000 164.000 226.000 272.000 317.000
Tabelle 1: Absolute Anzahl der muslimischen Bevölkerung im europäischen Länder-Vergleich. Eigene Zusammenstellung auf Basis der interaktiven Graphiken des Pew Forum on Religion & Public Life (2011) http://features.pewforum.org/muslim-population-graphic/
5%
Verteilung der Muslime auf Bundesländer Bundesland Einwohnerzahl
Des
Bundeslandes
Prozentuale
Verteilung
der Muslime
in Relation zu
muslimischer
Bevölkerung
Anzahl der
Muslime pro
Bundeland in
absoluten
Zahlen
Muslime in Relation
zu
Gesamtbevölkerung
des Bundeslandes
1. Nord-Rhein Westfalen 17.841.956 33,1% 1.320.000 7,4% 1. Bremen 9,7%
2. Baden-Württemberg 10.786.227 16,6% 664.000 6,2 % 2. Berlin 7,9%
3. Bayern 12.595.891 13,2% 528.000 4,2% 3. Hamburg 7,8%
4. Hessen 6.092.126 10,3% 412.000 6,8% 4. NRW 7,4%
5. Berlin 3.501.872 6,9% 276.000 7,9% 5. Hessen 6,8%
6. Niedersachsen 7.913.502 6,2% 248.000 3,1% 6. BaWü 6,2%
7. Rheinland-Pfalz 3.999.117 4,0% 160.000 4,0% 7. Bayern 4,2%
8. Hamburg 1.798.836 3,5% 140.000 7,8% 8. Rheinl.Pfalz 4,0%
9. Schleswig Holstein 2.837.641 2,1% 84.000 3,0% 9. Saarland 3,2%
10. Bremen 661.301 1,6% 64.000 9,7% 10. Niedersachsen
3,1%
11. Saarland 1.013.352 0,8% 32.000 3,2% 11. Schleswig Holst.
3,0%
12. Sachsen 4.137.051 0,7% 28.000 0,7% 12. Sachsen
13. Sachsen-Anhalt 2.313.280 0,4% 16.000 0,7% 13. Sachsen-Anhalt
14. Thüringen 2.221.222 0,2% 8.000 0,4% 14. Thüringen
15. Mecklenburg
Vorpommern
1.634.734 0,1% 4.000 0,25% 15. Mecklenburg
Vorpommern
16. Brandenburg 2.495.635 0,1% 4.000 0,2% 16. Brandenburg
Gesamt 81.843.743 100% Ca. 4 Mio
(3,8-4,2 Mio)
Durchschnitt: ca. 5%
II Identitäten - Negative Anrufung
Stereotype
o 83 % fanatisch, o 62 % rückwärtsgewandt, o 71 % intolerant o 60 % undemokratisch o 91 % Benachteiligung von Frauen o „Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere
westliche Welt“: 3 von 4: NEIN o 67%: „die Werte des Islam sind mit meinen eigenen
Werten nicht vereinbar“
Quelle: Bielefeld, Heiner: Das Islambild in Deutschland – Zum öffentlichen Umgang mit der Angst vor dem Islam. Deutsches Institut für
Menschenrechte. Berlin 2007.
Die Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber
Muslimen ist negativer als in anderen Vergleichsländern
Quelle: Detlef Pollack:, Religiöse Vielfalt in Deutschland. Universität Münster 2011.
Ethnische Hierarchien
Quelle: Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma.
Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Zentrum für Antisemitismusforschung Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e.V., 2014, S.75.
Ausgrenzung begründet mit Fehlverhalten der
abgewerteten Gruppe
Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma.
Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Zentrum für Antisemitismusforschung Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e.V., 2014, S.78.
Positive Narrative sehr gering
Fragen im Raum?
Medienbilder
VS-Bericht 2014
Islamismuspotential
43.190 – Potenzial
Gesamtzahl ca. 4,2 Millionen
Hybride europäisch-muslimische Identitätstypen 2. Kultur-Muslime/
Säkular-Muslime
1. Herkunfts-Muslime
4. Cool- / Pop-/ Street-Muslime
3. Diskurs-/
Medien-/
6. Habitual-Muslime
5. Neo-Muslime/
Reform-Muslime/ Euro-Muslime
7. Orthodox-Muslime
8. Salafisten
Islamisten
10. Anti-Muslime 9. Djihadisten Wahhabiten
Postmodern Turn
Überführung in Kulturtheorie,
Sozialwissenschaft und Technologie:
– Hybridität als gelingende
Zusammenführung
unterschiedlicher Sphären
– Bestehen von Gleichzeitigen,
auch unvereinbaren Elementen
in Einem
– Effekte: Irritation, Synkretismus,
Mehrwertigkeit, Vielstimmigkeit,
Spannung
– Unterschiedliche KERN-
Identitätsmarker geraten in der
Vordergrund – obwohl andere
Identitätsmarker zentral sein
können
MUSLIMIN POP-SÄNGERIN
BERLIN
MUTTER
DIABETIKERIN
ZAHNÄRZTIN
TÜRKIN KURDIN
DEUTSCHE MIGRANTIN
Heimat Deutschland?
Regionale statt nationale Identitäten
III Partizipation und Engagement
a) Bildung
Höhere Schulbildung: 1. Generation türkischer
Einwanderer_innen 1961-1973
Bildungsabschlüsse von Personen mit türkischem Migrationshintergrund , die zwischen 1961 und 1973 zugewandert sind
(Quelle: Mikrozensus 2009)
Höhere Schulabschlüsse - Abitur und
Fachabitur (Mikrozensus 2010)
Datenlage 2010 Höhere Schulbildung 20-25jährige: • mit türkischem
MH 22,4%
• ohne MH 42,2%
Höhere Schulabschlüsse nehmen zu (Mikrozensus 2011)
Datenlage 2011 Höhere Schulbildung 20-25jährige: mit türkischem MH 25,4% ohne MH
46,6%
Stetig ansteigende höhere Schulabschlüsse (Mikrozensus 2012)
Datenlage 2012 Höhere Schulbildung 20-25jährige: • mit türkischem MH 28,8%
• ohne MH 46,9%
Keine Bildungsentwicklung? Vererbung von
negativen Bildungsabschlüssen?
Abbildung 3: Bildungsbeteiligung von Personen mit türkischem Migrationshintergrund nach Geschlecht und Geburtskohorten
Frauen Männer
Quelle: Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2009 – eigene
Berechnungen -JUNITED
b) Arbeitsmarkt
Vorwiegender Lebensunterhalt
45,1
32,8
0,8
1,4
25,4
8,4
22,7
43,8
0,8
0,2
0,7
1,2
3,0
10,9
1,4
1,4
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
ohne MH (=65,6 Mio)
türk. MH (=3 Mio)
Eigene Erwerbs-/ Berufstätigkeit Arbeitslosengeld I
Rente, Pension Unterstützung durch Angehörige
Eigenes Vermögen, Vermietung, Zinsen Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt
Leistungen nach Hartz IV (ALG II, Sozialgeld) Sonstige Unterstützung (z.B. BAföG, Elterngeld)
Quelle: Mikroszensus 2012, eigene Berechnungen JUNITED
2) Kulturelle Integration
a) Schwimmunterricht
b) Sprache
Schwimmunterricht Es kontne gezeigt werden, dass
„ein Anteil von 7 Prozent bzw. 10 Prozent muslimischer Mädchen diesen Angeboten fernbleibt“.
95% - die überragende Mehrheit muslimischer Mädchen und Jungen nimmt am gemischt-geschlechtlichen Sport- und Schwimm-unterricht teil.
Haug, Müssig und Stichs (2009: 81–189)
Sprachstandserhebung: 1. Generation 34,9 % der Frauen 58,4% der Männer gut bis sehr gut deutsch
Dynamik deutlich sichtbar bei jüngerer
Generation 70% der
jungen
Frauen
83,5 % der
jungen
Männer
gut bis sehr
gut deutsch
3) Soziale Integration
a) Vereinsmitgliedschaften
b) Nachbarschaftskontakte
Kaum Mitgliedschaft in herkunftsbezogenen
Vereinen
„Mehr als 50% der Muslime
über 16 Jahre sind Mitglied
in einem deutschen Verein,
nur 4% sind ausschließlich
Mitglied in einem
herkunftslandbezogenen
Verein.“
M.A.H.D.I. e.V.
- Zielgruppe: Muslime aller Herkünfte deutscher Identität (konfessions- und herkunftsübergreifend)
- Ziele: Selbstverständlichkeit einer heterogenen Gesellschaft unter dem Dach der deutschen Identität zu etablieren, Chancengleichheit, Anerkennung sowie politische, rechtliche und tatsächliche Gleichberechtigung aller Bundesbürger_innen
- Projekte: Vorbilder schaffen, Let‘s talk, M.A.H.D.I.-e.V. trifft
Junge Islam Konferenz
- Zielgruppe: Junge Menschen zwischen 17 und 25 Jahren (konfessions- und herkunftsübergreifend)
- Projekt der außerschulischen politischen Bildungsarbeit
- Ziele: Plattform für Wissensgewinn, Austausch und Intervention in gesellschaftliche Debatten
- Thema: Umgang mit Vielfalt anhand des Beispiels Islam und Muslime in Deutschland
- Träger: Stiftung Mercator, Mercator Program Center, Humboldt-Universität zu Berlin
JUMA – jung, muslimisch, aktiv
- Zielgruppe: Muslimische Jugendliche zwischen 17 und 25 Jahren
- Ziele: Muslimischen Jugendlichen eine Stimme geben, Empowerment, Erfahrungsaustausch, Zugänge für Begegnungen mit Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen
- Sieben Themengruppen: Medien, Chancengleichheit, Partizipation, Identität, Muslimische Vielfalt, politischer Diskurs und interreligiöser Dialog
- Träger: RAA Berlin, Robert-Bosch-Stiftung
Zahnräder Netzwerk
- Soziale Plattform für engagierte Muslime in Deutschland
- Ziel: Unterstützung für alle, die Anschluss an ein Netzwerk von engagierten, kreativen und muslimischen Menschen suchen und Projektideen einem breiten Publikum vorstellen wollen
- Plattform für Austausch, Kooperation, Feedback und Präsentation von Ideen und Projekten
- Bundesweite Zahnräder-Konferenz, lokale ZahnräderX-Treffen und Think Tank
Hans-Ulrich Wehler
(Der SPIEGEL 09.02.2013)
Wehler: Im Gegensatz zu vielen Spaniern, Griechen oder Italienern, die als
Gastarbeiter kamen und ihre Kinder bald auf weiterführende Schulen schickten,
sind die Türken erstaunlich resistent geblieben gegen jede Form von
Aufstiegsdenken oder Weiterbildungsangeboten.
Ich sag's mal krass: 95 Prozent der ungesteuert eingewanderten Türken waren
anatolische Analphabeten, für die hier auch nur Jobs bei der Müllabfuhr blieben.
Manche deutsche Stadtviertel sind längst homogene türkische Kleinstädte
geworden - nicht nur in Berlin.
Türkische Studenten finden Sie leider weiterhin sehr selten.
SPIEGEL: Da kann auch der Staat versagt haben ...
Wehler: ... aber anders, als Sie denken: Der Staat hätte schon bei der Aufnahme
viel selektiver vorgehen müssen. Nun sind sie da, das müssen wir als Staatsbürger
akzeptieren. Aber die Türken werden immer extrem unterstützungsbedürftig
bleiben. Interview in http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90931283.html
Politische Partizipation in den Räten deutscher Städte: Betrachtet man die nationale Herkunft der Ratsmitglieder, dann sticht die große Zahl der Deutschtürkinnen und Deutschtürken hervor (76 / 40 Prozent). Studie: Vielfalt sucht Rat. Schönwälder et al (2011)
Familien mit türkischem Migrationshintergrund haben eine höhere Bildungsaspiration im Vergleich zu Familien ohne Migrationshintergrund (80% zu 74% beim gewünschten Schulabschluss Abitur) (Dollmann 2010, S. 87).
16-25% der Studierenden Bildungsinländer
mit MH sind türkeistämmig –
aber nur 18,5% der Bevölkerung mit MH
sind türkeistämmig
„Bildung und Qualifizierung
http://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_248.pdf“
Hartz IV Türkeistämmige
11%
Ohne MH 3%
Iran-Irak-Afghanistan 18%
Brückner -Mikrozensus
„Die Migranten, die zu den besten
Aspiranten auf Integration zählen,
sind bevorzugt Ziel von
Stigmatisierung, bedrohen sie
doch vermeintlich am stärksten
den Status der Einheimischen “. Ferdinand von Sutterlüty (2010): In Sippenhaft. Negative Klassifikationen in ethnischen
Konflikten. Frankfurt.
Paradoxon der Integration!
Je weiter Integration messbar voranschreitet,
umso schärfer werden die Debatten um
kulturelle Zugehörigkeit geführt.
Fazit
Es geht also parallel zur Integration von Minderheiten,
um die Integration der Mehrheitsgesellschaft in die
plurale Einwanderungsgesellschaft
Fazit
Engagement Wahrnehmen
Partizipation befördern!
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.
http://downloads.akademie-rs.de/interreligoeser_dialog/20140924_foroutan_identitaet.pdf
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