ESZTER FONTANA
das pfingst- schiessen
Das „Pfingstschießen“ war bis ins 19. Jahrhundert hin-ein ein weitverbreitetes
Volksfest. Die bekannte Musikwis-senschaftlerin Eszter Fontana be-schreibt in einem Gastbeitrag den geselligen und musikalisch beglei-teten Brauch. Die Veranstaltung war ein für Jedermann beliebter Treffpunkt. Sie gibt damit einen kleinen Einblick in die damalige Musikkultur im Grünen und in das gesellschaftliche Leben zur Zeit der Industrie- und Gewerbe-ausstellung 1897.
Die Versorgung der Ausstel-lungsbesucher mit landes-typischem Speis und Trank
war den Veranstaltern ein wichti-ges Anliegen. Der Besuch der Aus-stellung sollte Jedem in Erinne-rung bleiben. Außerdem sollte das Parkgelände ein beliebter Treffpunkt auch für lokale Besu-cher werden. Zeitzeugen beschrei-ben ein geselliges Treiben zig Tau-sender. Es war ein malerischer Ort mit einem unvergessenen Lichtschauspiel und vielen Kul-turveranstaltungen.
Auch bei Vergnügungen war das Angebot im 19. Jahr-hundert geprägt von Ideen-
reichtum, Forschung und Wettei-fer. Diesen innovativen Charakter pflegten die Veranstalter auch in Leipzig. Technische Neuheiten und ausgeklügelte Apparate wa-ren zu sehen. Erleben Sie einen besonderen Rundgang. Ein eige-nes Viertel voller anspruchsvoller und außergewöhnlicher Unter-haltung für ein nichtalltägliches Erlebnis.
Ein eigenes Ausstellungsor-chester und eine städtisch ver-ordnete Musikkultur im Grü-nen blieben den Besuchern positiv in Erinnerung. Der große Teich war Schauplatz von vielen Musikveranstal-tungen unter freiem Himmel. Hier beginnt die kulturelle Ge-schichte des Musikpavillons. Nach dem Ende der Ausstel-lung engagierten sich Bürger für einen Wiederaufbau und leisteten Pionierarbeit.
SONDERAUSGABE
K O S T E N L O S
V E R A N S TA LT U N G S M A G A Z I N D E S M U S I K PAV I L L O N SL E I P Z I G
S O N D E R A U S G A B E A U G U S T / S E P T E M B E R 2 0 1 7
M E H R LESE N
AU F SE I T E 3 - 43 - 4
MUSIKPAVILLON &
PIONIERGEIST
6 7
2» auf seite
5
120 JAHRE INDUSTRIE- UND
GEWERBEAUSSTELLUNG LEIPZIG 1897 – 2017
Tagen. Mit viel Musik und allerlei volkstümlicher Unterhaltung konn-ten alle Besucher auf dem Parkgelän-de gut unterhalten werden. Eine blei-bende Erinnerung für viele Leipzi-ger. Denn gerade die kulturellen Er-eignisse von 1897 führten zum Bür-gerbegehren und zum Wiederaufbau des Musikpavillons 1912. Eine Ge-schichte, die bis heute anhält.
Unser zweiter Rundgang er-zählt die fast vergessene Ge-schichte vieler Sehenswür-
digkeiten auf der Sächsisch-Thürin-gischen Gewerbeausstellung von 1897. Das Kneipenviertel und das Vergnügungsviertel waren von April bis Oktober beliebte Ausflugsziele. Über 2,4 Millionen Besucher erlebten viele Bars, Kneipen, Restaurants und allerlei Vergnügungsstätten. Auf dem Gelände fanden darüber hinaus viele kleine und große Veranstaltungen statt. Erleben Sie einen kulturellen Ausschnitt aus längst vergangenen
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Kneipen- VIERTEL
VIERTELVergnügungs-
t
August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 // Seite 2
Die Ratsherren luden allerlei Ehrengäste
zum Bankett, für das Bauernvolk wurden le-
bendige Gänse zum Einfangen freigelassen. Es
gab Feuerwerk, reichlich zu essen und zu trin-
ken und immer wieder „haben die Stadtpfeifer
einen Tanz gepfiffen“.
Nicht selten kam es zu Unfällen. So im Jah-
re 1612, als der Vogel am ersten Tag trotz
zahlreicher Versuche nicht abgeschos-
sen wurde. Als endlich am nächsten
Tag der Vogel abfiel, erschlug er
einen Böttchergesellen am Fuße
der Stange.
Ab 1822 musste die Vergnü-
gungsmeile um das „Vogel-
schießen“ ebenso wie Bälle,
Konzerte, Feuerwerke und an-
derer Veranstaltungsformen im
Freien ordnungsgemäß bei der
Sittenpolizei angemeldet werden.
Das Vogelschießen fand während
der Industrie- und Gewerbeausstel-
lung 1897 nicht statt. Obwohl einige
Schausteller zur Unterhaltung des Publi-
kums einbezogen waren. Stadtpfeifer
gab es nicht mehr, man engagierte
Militärkapellen.
GRUSSWORT
Liebe Leipziger, liebe Besucher,
herzlich willkommen am
Musikpavillon Leipzig. Wir
laden Sie dazu ein, in unserem ge-
mütlichen Biergarten zu verweilen,
das Kulturprogramm zu erleben und
ein paar gemütliche Stunden in
einem schönen Ambiente im Clara-
Zetkin-Park zu genießen. Unser
Motto ist: Leipzig mit allen Sinnen.
In diesem Jahr widmen wir uns
thematisch dem 120. Jahrestag der
Sächsisch-Thüringischen Industrie-
und Gewerbeausstellung von 1897.
In zwei Sonderausgaben erzählen
wir die Geschichte der größten Aus-
stellung Mitteldeutschlands, die am
Ende des 19. Jahrhunderts in Leipzig
stattfand. Über 2 Millionen Besucher
kamen innerhalb von 5 Monaten auf
das Gelände.
Mit viel Ausdauer, Mut und En-
gagement haben die Initiatoren eine
beeindruckende Veranstaltung ge-
schaffen, deren Errungenschaften bis
heute nachhallen.
Ich wünsche Ihnen bei diesem
spannenden Rundgang viel Spaß
beim Lesen.
Ihr Eberhard Wiedenmann
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Die Tage um Pfingsten waren schon immer beliebte Veranstal-
tungstage. Allerlei volkstümliche Unterhaltung – das „Pfingst-
schießen“ gehörte ab dem 14. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhun-
dert hinein zu einem weitverbreiteten Volkstum. Hier wurde nicht etwa
auf lebende Vögel geschossen wie der Name vermuten ließe, sondern auf
das modellierte und bemalte Abbild eines Vogels. Auf eine Kunstfigur.
Befestigt wurde der Vogel auf einer 10 m hohen Stange. Für manch ei-
nen genoss der beliebte Brauch des „Vogelschießens“ göttlichen Bei-
stand. Schließlich übten sich dabei Männer im Umgang mit Armbrust
oder Gewehr. So manch ein Knabe ging vom Feld als Manne.
In Leipzig fand das Volksfest auf der Pfingstwiese in der Nähe des
Ranstädter Tores statt. Hier wurden ähnlich wie heute zur Kleinmesse
viele Zelte fürs Essen und Trinken aufgebaut. Der Platz entwickelte sich
zu einer regelrechten Vergnügungsmeile. Mit Musik aufzuwarten war
„seit uhralten Zeiten“ ein Privileg und damit eine wichtige Nebenein-
kunft der Stadtpfeifer und der Kunstgeiger. Die Trommler und Querpfei-
fer aus der Pleißenburg und die Stadtpfeifer mit ihren Blasinstrumenten
geleiteten den neuen Schützenkönig zum Bürgermeister zur Preisüber-
gabe, zur Verleihung des Ehrenkranzes.
Das Pfingstschießen VON ESZTER FONTANA
Leipziger Poet, 1638
Darauf so pfleget denn ein Freudenschreien sein, Glück zu, Glück zu, Glück zu, von Schützen groß und klein. Die Freud wird immer mehr, man thut mit Gläsern winken, Die Musikanten seind geschäftigt mit den Zinken Und blasen, daß es schallt, und daß in freier Luft die Echo aus dem Holz mit Antwort wieder ruft.“
Der Königsschuss
Leipziger Poet, 1638
August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 // Seite 3
DAS KN E I PE NVI E RTE L
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gens an begann das Anzünden der buntfarbi-
gen Lämpchen. In mehrfachen Reihen und
Pyramiden umgaben nicht weniger als 20.000
Flämmchen in grünen und gelben Gläsern das
Wasserbassin am Eingang und den großen
Teich an der Hauptallee (Anton-Bruckner-Al-
lee). Mehrere tausend Glühwurmgleiche Lich-
ter ließen Blumenbeete und Rasenflächen er-
klimmen. Girlanden von bunten Lampions
umkränzten die Hauptwege. Insgesamt wa-
ren mehr als 40.000 Lampions und Glühlämp-
chen im Einsatz. Die ganze Parklandschaft
glich einem Bild aus Tausend und eine Nacht.
Überall ertönten Jubelrufe. Die Musik beglei-
tete die festfrohe Menge bei ihrem Spazier-
gang über den Ausstellungsplatz.
Ein großes Ereignis wie die Sächsi-
sche-Thüringische Gewerbeausstel-
lung verlangte von den Veranstaltern
viel Ausdauer, Mut und Engagement. Der Er-
folg der bis dato größten Ausstellung in Sach-
sen als Open-Air-Veranstaltung war sehr wet-
terabhängig. Hohe Besucherzahlen waren
nicht garantiert. Deshalb haben die Veran-
stalter rein konzeptionell alle geplanten Leis-
tungsschauen mit allerlei volkstümlicher Un-
terhaltung verbunden. Das 40 ha große Areal
bot für kostspielige Inszenierungen und noch
nie gesehene Effekte viel Spielraum. Eine ers-
te Illumination des Ausstellungsplatzes am
dritten Tag nach Eröffnung zog tausende Be-
sucher in ihren Bann. Schon von 6 Uhr mor-
Zudem boten ein im englischen Stil einge-
richtetes Weinrestaurant und ein Biergar-
ten mit großem Freisitz sowie das Jagdzim-
mer und drei Gesellschaftszimmer insge-
samt 6.000 Besuchern Platz. Auf der gegen-
überliegenden Seite des Ufers stand ein
1.400 qm großes Pendant zum Hauptres-
taurant. Der luftige Bau war von vier Kup-
peln gekrönt und ein originalgetreues Ab-
bild einer traditionellen Wiener Kaffeestu-
be. Aufgrund der beidseitig offenen Glas-
halle hatten auch hier 1.250 Besucher im
Inneren eine schöne Aussicht auf den gro-
ßen Teich und das Elsterflutbett.
Am linken Ufer des großen Teichs bis
zum Waldrand befand sich auf der Höhe
der heutigen Dahlienterrasse das beliebte
Kneipenviertel. Hier erlebten die Besucher
auf vielen Freisitzen neben dem schönen
Anblick der Lichtfontäne auch ein geselli-
ges Treiben. Zeitzeugen beschreiben ein
heiteres Vergnügen von zig Tausenden. Sie
hatten eine große Auswahl an landestypi-
schem Speis und Trank. Auf dem Gelände
befanden sich das Bierhaus der Leipziger
Bierbrauerei Riebeck & Co., die kapellähn-
liche Nachbildung des weltberühmten
Nürnberger Bratwurstglöckle, das terras-
senförmig erbaute Restaurant der Kulmba-
cher Exportbrauerei, das Schweizerhäus-
chen „zum Pilsener“, das Restaurant der
Dampfbrauerei Zwenkau, die Zeltterrasse
des Münchner Bürgerbräus, das Restau-
rant „von Tucherbräu“, die Bierhalle „zum
Feldschlösschen“ mit angeschlossener
Fischkosthalle, das Kaffeehaus zum „Ro-
thenberger Erker“, die Nachbildung einer
Burgruine als Anglo-Amerikanische Wein-
bar „Petzburg zum Dürkheimer“ und die
Nachbildung der „Aqua sola“ in Pompeij
als typisch italienischer Weinausschank.
Ein leuchtender Springbrun-
nen mit einem 40 m hohen
Wasserstrahl war auf einer
Insel inmitten des großen
Teichs installiert. Regelmä-
ßig in den Abendstunden erleuchteten
viele Scheinwerfer die Wasserstrahlen ab-
wechselnd in verschiedenen Farben. Au-
genzeugen zufolge war dies ein beeindru-
ckendes Lichtschauspiel, eine noch größe-
re und schönere Lichtfontäne als in der
Pariser und Berliner Ausstellung zuvor.
Links und rechts des Ufers sah der Besu-
cher von der Hauptallee aus die große
Hauptgastwirtschaft und das Hauptcafé.
Auf über 3.500 qm erstreckte sich der
imposante Bau des Hauptrestaurants. Mit
bunten Fahnen und goldenen Kuppeln war
das Gebäude auf drei Seiten mit schattigen
Veranden und luftigen Terrassen umgeben.
Im Inneren vereinte es mehrere thema-
tisch aufbereitete Gasträume und Eckpa-
villons. Im Bankettsaal konnten je nach
Veranstaltung 800 bis 2.000 Gäste unterge-
bracht werden. Die Pächter engagierten
zur Unterhaltung sogar ein eigenes
Orchester.
🎨 Die hauptGastwiRtschaf t
🎨 Das wieneR café
INDUSTRIE- UND GEWERBEAUSSTELLUNG
Die fast vergessene
von 1897
August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 // Seite 4
ÖFFNUNGSZEITENDi. – So. 10 – 18 Uhr
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Kunstkraftwerk Leipzig Saalfelder Straße 8b, 04179 Leipzig
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August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 // Seite 5
Im Vergnügungsviertel bemühten sich die
Verantwortlichen den innovativen Charak-
ter der Ausstellung zu bewahren. Es gab
rechts von der Industrie- und Maschinenhalle
hinter dem Elsterflutbett gelegen viele Sehens-
würdigkeiten.
Direkt am Elsterflutbett konnten die Besu-
cher eine neue Wasserrutschbahn testen. Von
einem 13 m hohen Turm schoss ein flaches
Boot ungefähr 60 m entlang einer schiefen
Ebene ins Wasser. Das Boot wurde durch sei-
ne eigene Triebkraft so schnell, dass es über
das Wasser hüpfte. Über 175.000 Besucher tes-
teten diese Anlage.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Els-
terflutbettes am Ufer stand ein 230 qm großes
Holzgebäude. Die so genannte „Blaue Kugel“
war eine neue Erfindung. Im Inneren des
prachtvollen Gebäudes waren rings im Kreis
auf einer Plattform elegante Sitzbänke ange-
ordnet. Sonne, Mond und Sterne waren darü-
ber auf einer sich mitdrehenden halbkugelför-
migen Scheibe aufgemalt. Durch die sich par-
allel mitdrehenden Bewegungen der Plattform
entstand der Eindruck einer Fahrt durch den
Himmel. Daneben befanden sich das Spiegella-
byrinth und der Vitagraph. In einem im mauri-
schen Stil errichteten Gebäude waren riesige
Spiegel als Irrgarten angeordnet. Der Besu-
cher erlebte darin irreführende Täuschungen.
Der Vitagraph hingegen zeigte lebensgroße
und lebendige Fotografien von der Ausstellung,
aus Leipzig und Umgebung sowie aus der
Sächsischen Schweiz. Das Gerät war eine Ver-
besserung des bereits 1895 vorgestellten Edi-
sonschen Kinematographen. Dem Spiegellaby-
rinth benachbart wurden die Gefahren des
Tauchens in einer nachgebauten Taucher-Sta-
tion demonstriert. In einem 7.000 Litern fas-
senden Bassin zeigten Berufstaucher das Ber-
gen von großen Wrackteilen. Durch eine Glas-
wand hindurch sahen Besucher das kompli-
zierte Heben untergegangener Schiffe.
Auf gleicher Linie am Rand der Ausstellung lag
die Altenburger Singspielhalle. Im Unterschied
zum Varieté standen hier eher einzelne Ge-
sangs-, Tanz- und Schauspielnummern als ar-
tistische oder akrobatische Einlagen im Pro-
gramm. Auch erotisches Burleskes wurde zu
seiner Zeit in Singspielhallen aufgeführt. Im
Vergleich zu den Londoner, Pariser und New
Yorker Vaudeville-Theatern führten die deut-
schen Singspielhallen eine volkstümliche Vari-
ante der Operette oder des Kabaretts und
Kleinkunst auf.
Im Zentrum des Viertels bot eine konzent-
risch-elektrische Stufenbahn ein besonderes
Ringelspiel. 1895 wurde dieser neue Karussell-
typ vorgestellt und stets weiterentwickelt. Sie
bestand aus drei mit verschiedenen Geschwin-
digkeiten bewegten Podien, wovon sich das Äu-
ßere am langsamsten, das Mittlere schneller
und das Dritte am schnellsten um die eigene
Achse drehte. Besucher konnten schon damals
einen vollautomatischen Restaurantbetrieb
selbst erleben, denn eine weitere Neuheit war
das Automatenrestaurant. Um das Gebäude
herum führte ein breiter Gang. Aus verschiede-
nen Automaten bekamen die Besucher entlang
des Gangs jede Menge Verköstigungen. Weiter
westwärts zeigte ein privater Reitstallbesitzer
auf einer 1.600 qm großen Fläche den muster-
gültigen Aufbau eines englischen Reitstalls.
Reitlustige konnten ihr Können im großflächi-
gen Hippodrom unter Beweis stellen.
Am Ende ihrer Reise durch das Vergnügungs-
viertel erwarteten die Besucher noch zwei be-
sondere Highlights. Auf der einen Seite stand
eine noch unerforschte Eismeerlandschaft mit
lebendigen Eisbären, Seelöwen, Seehunden
und arktischen Vögeln. Die Wärter der Tiere
waren als Eskimos getarnt. Auf 1.250 qm stan-
den zwei große Bassins, in denen sich die Eis-
schollen übereinander schiebend auftürmten
und Höhlen bildeten.
Das Eismeerpanorama zeigte dabei ein im Pa-
ckeis eingeschlossenen Dampfer. Auf der ande-
ren Seite brachte ein riesiger Fesselballon mit
einem ausgeklügelten Dampfleitsystem jeweils
15 Personen gleichzeitig 3- bis 4-mal stündlich
auf 500 m in die Höhe. Der Ballon hatte einen
Durchmesser von 18,4 m und eine Oberfläche
von 1.063 qm. Am Ende erlebten über 11.000
Passagiere den Höhenflug über die Ausstellung.
DAS VE RGNÜ GUNGSVI E RTE L
August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 // Seite 6
ANZEIGE
Neben allen Vergnügungen und Attrak-
tionen wurde auf dem Ausstellungs-
platz der Sächsisch-Thüringischen
Gewerbeausstellung 1897 je nach Ort und An-
lass viel Musik gespielt. Kneipen, Restaurants,
Musik und viele Vergnügungen hatten für die
Veranstalter einen großen Stellenwert. Das
zeigte sich nicht nur in der Komposition einer
eigenen Ausstellungshymne. Das Ziel war es
auch, einen Rundgang über den Ausstellungs-
platz für Besucher innerhalb der vielen Gast-
wirtschaften, als auch außerhalb auf verschie-
denen Open-Air Bühnen vielerorts zu beleben.
Alle Gastronomen bekamen die Auflage auch
in ihren Häusern mit eigenen Hauskapellen für
gute Stimmung zu sorgen.
DIE GESCHICHTE DES MUSIKPAVILLONS
🎨 Blick auf Das kneipenvieRtel 🎨 e ineR DeR DRei Musikpavillons von 1897
Diese waren am östlichen Ufer auf der gegen-
überliegenden Seite jeweils am Hauptrestau-
rant und Hauptcafé an der Hauptallee aufge-
baut.
Im Ausstellungspark fanden täglich mehre-
re Konzerte parallel statt. Dabei unterschie-
den sich die Veranstaltungen durch ihre Fest-
lichkeit. Es gab viele besondere Anlässe, Emp-
fänge und exklusive Festivitäten. Die Veran-
stalter der Gewerbeausstellung engagierten
dafür ein eigenes Ausstellungsorchester. Die-
ses hatte die Aufgabe einem exklusiveren Pub-
likum ernstere Stücke, möglichst im Beisein
des Königs vorzutragen. Vorzugsweise ge-
schah dies bei der Eröffnungs- und Abschluss-
feier, Veranstaltungen zum Messjubiläum oder
zu Ehren der Kongresse großer Verbände und
Vereine. Nicht bekannt ist, ob das Ausstel-
lungsorchester auch zu den Elitetagen an den
Montagen aufspielte. An diesen Abenden fan-
den regelmäßige Illuminationen des Parkge-
ländes und einzelner Gebäude statt. Experten
nehmen an, dass die öffentlichen Konzerte der
Musikpavillons ebenfalls vom Veranstalter fi-
nanziert wurden. Wohingegen die Hauskapel-
len und Hausmusiken beispielsweise der Knei-
pen und Gasthäuser in Verantwortung der
Pächter lagen. Die Ausstellungszeitung ver-
mittelte den Besuchern die vielfältigen Pro-
gramme.
Der Bedarf an guten Musikern war so groß, dass auch überregio-
nale und landestypische Salonorchester und Kapellen engagiert wur-
den. Die Veranstalter selbst trugen durch den Bau von zwei kleinen
und einem großen Musikpavillon rein baulich dazu bei, dass an der
Hauptallee und im Kneipenviertel öffentliche Konzerte durchgeführt
wurden. Die beliebtesten Militärkapellen und Zivilmusiker der Stadt
bekamen die Engagements vorrangig. Besonders ein Auftritt auf dem
großen Musikpavillon im Kneipenviertel verlieh den lokalen Musikern
viel Aufmerksamkeit und eine vergleichbar gute Entlohnung. Der gro-
ße Musikpavillon stand sehr zentral im Kneipenviertel westlich vom
großen Teich gelegen allen Veranden, luftigen Terrassen und Biergär-
ten gegenüber, rückwärtig war die beliebte buntfarbige Lichtfontäne.
Ungeachtet jedweder Couleur war es zu unterschiedlichen Tageszeiten
ein beliebter Treffpunkt. 10 bis 15 Musiker fanden auf dem großen Mu-
sikpavillon Platz, in den kleinen Musikpavillons bis zu 5 Musiker.
Musikkultur im Grünen
August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Musikpavillon & Pioniergeist // Seite 7
ImpressumMusikpavillon Journal
Das Veranstaltungsmagazin des
Musikpavillons Leipzig
Anton-Bruckner-Allee 11
04107 Leipzig
Kontakt
Tel.: 0341 / 230 87 59
Fax: 0341 / 231 09 07
[email protected]/musikpavillon
Veranstaltungsprogramm und
allgemeine Informationen auf unserer
Webseite:
www.musikpavillon-leipzig.de
Veranstaltungsleitung, Text- und
Bildredaktion: Mike Demmig
m.demmig@ musikpavillon-leipzig.de
Herausgeber / verantwortlich
für den Inhalt:
Fa. E. Wiedenmann e.K.
Katharinenstraße 2
04109 Leipzig
Satz: Rogge GmbH, Weimar
Bild: Mucona Media, Leipzig
Druck: Schenkelberg GmbH, Nohra
Redaktion und Anzeigenbuchung:
MUSIKPAVILLON
Social Network
Die Entstehungsgeschichte des 1912 er-
bauten Musikpavillons kann bis zur
Gewerbeausstellung 1897 zurückver-
folgt werden. Bis zur Schließung der Ausstel-
lung und des darauffolgenden Abbruchs der
Gebäude erlebten über 2,4 Millionen Besucher
die öffentlichen Konzerte und das besondere
kulturelle Flair eines Parkbesuchs. Der Stadt-
rat hatte 1895 der Durchführung der Säch-
sisch-Thüringischen Gewerbeausstellung un-
ter dem Vorbehalt zugestimmt, dass das Aus-
stellungsgelände den Leipzigern als öffentli-
cher Park erhalten bleibt. Deshalb wundert es
nicht, das nach Fertigstellung und Übergabe
des König-Albert-Parks (heutige Clara-Zet-
kin-Park) 1904 schließlich ortsansässige Leip-
ziger der Stadt nur vier Jahre Später 1908 die
Wiedererrichtung eines Musikpavillons vorge-
schlagen haben. Die zeitliche Nähe zur größ-
ten sächsischen Ausstellung konnte kein Zufall
sein. Gerade weil, die besondere Verbindung
von Natur und Kultur bei der Bevölkerung gro-
ßen Anklang fand. Der damalige Oberbürger-
meister Dr. Dittrich war von der Idee über-
zeugt. Gepflegte Unterhaltung hatte für ihn ei-
nen großen Stellenwert. Seiner Meinung nach
würden öffentliche Konzerte bei den Bürgern
großen Beifall finden.
DIE GESCHICHTE DES MUSIKPAVILLONS
🎨 konzeRt iM alBeRtpaRk 1912
🎨 technische zeichnunG Des pusikpavillons
Nach einer Prüfung durch die Gartendirek-
tion wurde der neue Konzertplatz im vorderen
Teil des Parks am Wasserbassin gegenüber der
abgebrochenen Fahrradhalle der Ausstellung
vorgeschlagen. Unter Leitung
des Stadtbaurates Scharenber-
gbaute das Hochbauamt 1912
einen 8-eckigen Musikpavillon.
Vorbild war der große Musik-
pavillon im ehemaligen Knei-
penviertel. Die Bühne war hö-
her und großzügiger geplant,
so dass ein großes Orchester
mit 50 Musikern Platz fand.
Der Musikpavillon bekam
auch breitflächige Markisen.
Finanziert wurde die Errich-
tung auch aus Mitteln der Os-
kar-Meyer- und Grossmann-
Stiftung.
Die Gesamtkosten betrugen 10.800 Mark. Die
Stadt beauftragte die bekannten Musikdirekto-
ren Gustav Curth und Günther Coblenz für die
Parkkonzerte. Die Konzerte wurden an Sonn-
tagen von April bis Oktober immer von 14 bis
18 Uhr ausgetragen. In den Jahren zwischen
1914 bis 1920 baten immer wieder andere Ka-
pellmeister erfolglos um Berücksichtigung.
Die Militärkapelle des 8. Kö-
nigl.-Sächs. Infanterie Regi-
ments 107 „Prinz Johann Ge-
org“ übernahm unter Leitung
von Musikdirektor Karl
Giltsch an jedem Freitag von
Mai bis Oktober ein bis zwei-
stündige Konzerte. Sie gehör-
te von 1901 bis 1945 zu den
beliebtesten Militärkapellen
in Leipzig. Bei schönem Wet-
ter besuchten nachweislich
bis zu 2.000 Besucher die
Konzerte. An Regentagen wa-
ren es nicht weniger als 700.
„SPURENSUCHE“
Die Biografie von Gustav
Curth ist leider verloren.
Bekannt ist, dass er ab 1902
als Musikdirektor das Pri-
vatorchester im Krystall-
palast-Varieté in Mitte und
ab 1903 parallel dazu auch
das Leipziger Konzert-Or-
chester im Theater Haus
Dreilinden in Lindenau ver-
antwortete. Zusammen mit
Günther Koblenz spielte er
auch Parkkonzerte im Zoo-
logischen Garten und von
1912 bis 1920 im König-Al-
bert-Park, Musikpavillon.
Er schrieb und arrangierte
Militär- und Salonorches-
termusik, Charakterstücke,
humoristische Szenen für
Singstimmen und Klavier.
Bekannte Stücke sind „Gno-
menspiele“, „Vorüber ist so
manches Jahr“, „Geld gibt’s
am Ersten immerdar“, „In-
Treue fest!“, „Die Komiker
klagen oft“ und der „Prälu-
dium Marsch“.
7
KONTAKTTipps, Anregungen und
Reaktionen auf das Musikpavillon Journal
können Sie an unsere neue E-Mailadresse
senden:
info@ musikpavillon- leipzig.de
Pioniergeist
Wir suchen nach Briefen, Noten, Berichte von Zeitzeugen und alle Informationen über das Leben und musikalische Schaffen von Gustav Curth!
August/September 2017, SONDERAUSGABE, Jahrgang 4 Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 // Seite 8
Neu
Das aktuelle Veranstaltungsprogramm und weite-
re Informationen finden Sie auf unserer Webseite
www.musikpavillon-leipzig.de. Besuchen Sie uns
auch auf www.facebook.com/ musikpavillon und sehen
Sie auf unserem youtube-Kanal eine Auswahl der schöns-
ten Veranstaltungsvideos.
Frühling, Sommer, Herbst und Winter – Ein Jahr am Musikpavillon
Durch die Lage mitten im Park spielen die Jahreszeiten
am Musik pavillon eine wichtige Rolle. Nicht nur in der
Natur erwacht im Frühling nach dem Winterschlaf das neue
Leben, der Musikpavillon startet dann auch in eine weitere Sai-
son. Den ganzen Sommer und bis in den Herbst hinein finden an
den Wochenenden Veranstaltungen auf der Bühne des Pavillons
statt.
TÄGLICH
ab 10:00 Uhr
GEÖFFNET
August 2017 September 2017 Parkführungen 2017
05.08.Ensemble:
Programm: Musik:
Uhrzeit:
SamstagWIEDENMANN‘S Biersalon mit FlybyStreet ViewCrossover, Pop15.00 – 18.00 Uhr
06.08.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
SonntagTorsten Walther & Band mit TonelliTribute to Frank SinatraFilmklassiker, Sinatra-Cover15.00 – 19.00 Uhr
13.08.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
Sonntag Crizz & friendsDeutsche LiedertextePopcover14.30 – 18.00 Uhr
18.08.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
Freitag (Wasserfest) Gospelchor der ThomaskircheOpen Wide Up Chor, Gospel ab 19:00 Uhr
19.08.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
Samstag (Wasserfest) MAYJIA & Band Surprise Singer & Songwriter, Crossover 16:00 – 20:00 Uhr
Klangprojekt mit RitaNaujokaityté [Litauen] Welten im Park Improvisation, Experimentell ab 20:30 Uhr
20.08.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
Sonntag (Wasserfest) Baileo präsentiert Salsa Café mit Live-Band Vol.3 der Trilogie Gratis Tanzkurs, Tanz- performance 16:00 – 20:00 Uhr
Bitte beachten: alle Open-Air-Veranstaltungen sind wetterabhängig
„Soeben in Ausstellung angekommen“
11.08.Uhrzeit:
Freitag17:00 Uhr (Tage der Industriekultur)
12.08.Uhrzeit:
Samstag14:00 Uhr (Tage der Industriekultur)
13.08.Uhrzeit:
Sonntag14:00 Uhr (Tage der Industriekultur)
03.09.Uhrzeit:
Sonntag14:00 Uhr
08.10.Uhrzeit:
Sonntag14:00 Uhr
Voranmeldungen erwünschtTreffpunkt: Herzliya-Platz
Tickets: 4 Euro / 2 Euro
Das Info TV Wetter aktuell für Leipzig
TERMINE & VERANSTALTUNGEN
02.09.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
SamstagSwing Connection präsentiert Swing-Tanz Salon mit LIVE-Band Vol. 2 Gratis Tanzkurs, Tanz- performance 16:00 – 20:00 Uhr
03.09.Ensemble:
Programm:
Musik:Uhrzeit:
SonntagHot Club d‘ Allemagne Hommage an die alten Meister Gipsy Swing, Jazz 14:30 – 18:00 Uhr
09.09.Ensemble:
Programm:Musik:
Uhrzeit:
SamstagSPD Familienfest Familienfest Spiel, Spaß, Musik und politische Gespräche 14:00 – 18:00 Uhr
10.09Ensemble:
Programm: Musik:
Uhrzeit:
Sonntag Cover Girl! Songs neu interpretiert! Popcover 14:30 – 18:00 Uhr
17.09.Ensemble:
Programm: Musik:
Uhrzeit:
Sonntag Mainstream Quartett Surprise Westcoast Jazz 14:00 – 18:00 Uhr
24.09.Ensemble:
Musik:Uhrzeit:
SonntagTorsten Walther & Band Easy Listening 14:00 – 18:00 Uhr
Der Spielplan immer aktuell im Internet: www.musikpavillon-leipzig.de/spielplan.html
Führungen durch den Clara-Zetkin-Park Gehen Sie mit der Parkführerin Daniela Neumann auf einen historischen
Rundgang (ca. 1,5 h) und erfahren Sie mehr über die Ausstellung von 1897,
ihre prächtigen Gebäude, die Aussteller und die Unterhaltungsangebote.
Weitere Informationen und Anmeldung unter:
www.industriekulturtag-leipzig.de/park-und-stadtfuehrerin-daniela-neumann/