InformationsgesellschaftInformationsgesellschaft aus evolutorischer Sichtaus evolutorischer Sicht
Ewald WalterskirchenEwald Walterskirchen
ICT-Podium ICT-Podium Universität SalzburgUniversität Salzburg
Wien, 21. Mai 2007Wien, 21. Mai 2007
Informationsgesellschaft
Halbierte Informationsgesellschaft (Hofkirchner) Nicht nur Informations- und
Kommunikationstechnologien Verwandte“ Technologien
Die Wirtschaft der Informationsgellschaft Selbstregulierende Marktwirtschaft Globalisierung Netzwerkbildung
Der Mensch in der Informationsgesellschaft
Varianten der Informationsgesellschaft (Determinismus und Probabilismus)
IKT und WirtschaftswachstumWirtschaftswachstum IKT Ausgaben
ø 1996/2006 2005
Jährliche Veränderung in % In % des BIP
Skandinavisches Modell + 2,8 3,7
Dänemark + 2,1 3,4
Finnland + 3,7 3,7
Schweden + 3,0 4,4
Norwegen + 2,6 3,1
+ 3,1 4,0
Irland + 7,1 2,0
G roßbritannien + 2,8 4,2
Kontinentales Modell + 1,9 3,3
Deutschland + 1,5 3,1
Frankreich + 2,2 3,4
Belgien + 2,2 2,9
Niederlande + 2,4 3,9
Ö sterreich + 2,3 3,0
Schweiz + 1,8 4,3
Mediterranes Modell + 2,3 1,8
G riechenland + 4,1 1,2
Ita lien + 1,4 1,9
Portugal + 2,1 2,2
Spanien + 3,8 1,7
EU 15 + 2,3 3,1
USA + 3,2 4,0
Anglo-amerikan. Modell Europa
IKT und Wirtschaftswachstum
Informationsbegriff im Wirtschaftsprozess Geld = Information (Gegensatz zu Ware) Preis = Information (Selbstregulierung) Markt = Suchprozess Vollkommene Information? Information verursacht Transaktionskosten
IKT entscheidend für wirtschaftliche Entwicklung
IKT-Produktion (Tabelle nach EU-Ländern – China/GUS)
IKT-Anwendung im Dienstleistungsbereich (Tab.)
New Economy
IKT ist nur die halbe Wahrheit
New Economy IKTGenetik (Biotechnologie)Verwandte Bereiche
RisikogesellschaftFinanzmarkt-SpekulationHerrschaft der Zentralbanken
Netzwerkorganisation
Organisation ist entscheidend (Castells)
Kommunikative Netzwerke ergänzen und ersetzen die hierarchische Organisationsform
Luhmann und Habermas + wikipedia
Der Mensch in der Informationsgesellschaft
Narzisstische Züge nehmen stark zu (Ch.Lasch), gleichzeitig auch narzisstische Störungen (Kohut, Kernberg)
Marktorientierter Charakter (Fromm, Funk)
Auf Bewunderung (Ruhm) ausgerichtet
IKT und Globalisierung
Globalisierung wird durch IKT erleichtert, aber initiiert durch LiberalisierungspolitikLiberalisierung des KapitalverkehrsLiberalisierung des Welthandels und
Dienstleistungsverkehrs Internationale Organisation von
Produktions- und Vertriebsnetzwerken (Zuliefer-Netzwerke)
Negative Auswirkungen
Negative Auswirkungen („Nebeneffekte“)Mensch (Arbeitsmarkt nach Wünschen der
Wirtschaft)Umwelt (Globalisierung, Gen-Lebensmittel)
RisikoFinanzmarktFlexibler Arbeitsmarkt
Varianten der Informationsgesellschaft
Liberale Marktwirtschaft (USA, GB)
Korporatistische Gesellschaften (Skandinavien)
Relativ autoritäre Gesellschaften (Asien)
Determinismus und Probabilismus
Evolutorische Sicht
A. Darwinistisch-evolutorische Sicht
B. Historisch–evolutorische Sicht
Darwinistisch-evolutorische Sicht
Historisch-evolutorische Sicht
Politische Konsequenzen des Neo-Darwinismus und Neoliberalismus
Freiheit der Selektion durch den Markt
Deregulierung und Flexibilisierung
Rahmenbedingungen setzen, die "Aussiebung" von Unternehmen und Arbeitskräften nicht behindern (Hayek)
Sozialstaat als Hindernis für den Selektionsprozess beseitigen
Standortpolitik im Zentrum: Konkurrenzkampf der Nationen (Steuerwettlauf)
Evolution = Selektions- und Baukastenprinzip
Physikalisch-chemische Evolution erfolgt nach dem Baukastenprinzip: von kleinen zu größeren Einheiten
Elementarteilchen-Atom-Molekül-Makromolekül-Zelle Biologische Evolution vollzieht sich nach dem
Mutations- und Selektionsprinzip, die das Überleben größerer Populationen ermöglicht
Mutationen erzeugen neue Varianten, daraus werden die Angepasstesten selektiert.
Größere Populationen brauchen jedoch neue Organisationprinzipien
Gesellschaftsentwicklung = historische Komponente - irreversibel
Mutation und Selektion = Anpassung, kein Fortschritt historischer Aspekt (nicht-individuell), Fortschritt im
kognitiven und technischen Bereich
Informationsgesellschaft aus historisch-evolutionärer Sicht
Grundthese: Die Informationsgesellschaft ist die logische Folge eines Entwicklungsprozesses
Die Informationsgesellschaft ist eine historische Errungenschaft, die nicht nach wenigen Jahrzehnten von einer post-informationellen Gesellschaft abgelöst wird
Informationsnetzwerke ermöglichen die Koordination viel größerer wirtschaftlicher Einheiten, als dies hierarchische Strukturen je erreichen konnten
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Jäger- und Sammlergesellschaften Autarkie der Haushalte Eigenproduktion/Eigenbedarf
Ackerbaugesellschaften Dorfgesellschaft Geben und Nehmen (Reziprozität)
Warenproduzierende Gesellschaften Staatliche Organisation - Umverteilung
Informationsgesellschaft Elektromagnetische Kraft Kohlenstoffchemie (Biochemie) Informationsmoleküle DNA/RNA Neurale Netzwerke (Gehirnforschung)
Mein Entwicklungsmodell
Es gibt ein Muster der langfristigen Entwicklung, das sich auf allen Ebenen wiederholt (nicht bloß Zufall).
Der Aufbau komplexer Strukturen erfolgt typischerweise in vier Phasen.
Jede neue Evolutionsphase erlaubt die Koordination bzw. Integration größerer Einheiten und wird damit evolutionär erfolgreich:
Isolation kleiner Einheiten Bindung kleiner Einheiten zu Entwicklungskernen
(Symbiose) Aggregation zu riesigen hierarchischen Strukturen Informations- und Kommunikationsprozesse
ermöglichen die Koordination noch größerer Einheiten
Das klingt sehr abstrakt, lässt sich aber konkret belegen.
DER UNIVERSELLE EVOLUTIONSPROZESS
KOSMISCHE EVOLUTION
Isolierte Elementarteilchen
Bindung zu Atomkernen und zu Atomen
Aggregation der Materie zu Galaxien
Information in Planetensystemen (Licht)
Zerfall und Umwandlung durch die schwache Kraft
Bindung durch die starke Kraft
Zusammenballung durch die Gravitationskraft
Signale durch die elektromagnet. Kraft
Isolation Bindung Aggregation Information
DER UNIVERSELLE EVOLUTIONSPROZESS
Isolation Bindung Aggregation Information CHEMISCHE EVOLUTION
Wasserstoff Sauerstoff Stickstoff Kohlenstoff
relativ isoliert bindungsfreudig
wachstumsanregend
kommunikativ
1 Valenz 2 Valenzen 3 Valenzen 4 Valenzen
vorherrschendim Kosmos
vorherrschendauf der Erde
vorherrschendin der Atmosphäre
vorherrschendin der Biosphäre
Fettsäuren Zucker Aminosäuren Nukleotide
Lipide zur Membranbildung
PolysaccharideNahrung
Proteine zur Strukturbildung
DNA, RNA zur codierten Information
DER UNIVERSELLE EVOLUTIONSPROZESS
Isolation Bindung Aggregation Information
ENTFALTUNG DES LEBENS
Abgrenzung von Prokaryoten
Endosymbiose der Eukaryoten
Aggregation zu Vielzellern
komplexe TiereNerven und Gehirn
Epithelien Bindegewebe Muskelgewebe Nervengewebe
Autonomie Adhäsion Kontraktion und Ausdehnung
Kommunikation
DER UNIVERSELLE EVOLUTIONSPROZESS
Isolation Bindung Aggregation Information
SOZIALE EVOLUTION – HISTORISCHE EPOCHEN
isolierte Horden der Jäger/Sammler
verwandtschaftl. Bindungen der Dorfgemeinschaften
staatliche hierarchische Organisation
marktorientierte demokratische Informations-gesellschaften
Autarkie Symbiose mit der Natur Zusammenschluss bzw. Eroberung
Informations- netzwerke
Gesellschaftsentwicklung
Die Entwicklung der Gesellschaft erfolgt nach dem Baukastenprinzip
Aufbau und Koordination immer größerer wirtschaftlicher und kultureller Einheiten
Autarke, nomadische Horden als kleinste Einheiten (Blutsverwandtschaft – Haushalt – Eigenprod.)
Sesshafte Dorfgemeinschaften (Geben und Nehmen – Symmetrie - Kreislauf)
Städte und Staaten – staatlich organisierte Gesellschaften – zentralistisch
Weltumspannende Informationsgesellschaft (slebstorganisierender Markt – Risikogesellschaft (Finanzmärkte) - soziale und ökologische „Nebenwirkungen“
Technologische Entwicklung
Die Schlüsseltechnologien hängen eng mit dem Wesen der gesellschaftlichen Epoche zusammen, sie entwickeln sich nicht rein zufällig.
Die Schlüsseltechnologien der Informationsgesellschaft beschränken sich nicht auf die gängigen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).
Auf allen Ebenen der physikalischen, chemischen und biologischen Evolution gibt es „Informations-Spezialisten“. Die auf ihnen beruhenden Technologien treten in den Vordergrund.
Wichtige Zukunftstechnologien
Umfragen zur Jahrtausendwende:
Computer als Basistechnologie Photonik, Optik, Lasertechnik Satellitentechnik Siliziumtechnologien (Halbleiter) Pharmazeutische Chemie Gentechnologie und Biochemie Visuelle Medien (TV, Internet) Gehirnforschung und –chirurgie Luft- und Raumfahrt
Materielle Basis der Zukunftstechnologien
Materielle Basis Phase „Information“Zukunftstechnik
physikalische Kräfte elektromagnetische Kraft Elektronik
Informationstechnologie
chem. Grundelemente Kohlenstoff organische ChemieSiliziumtechnologie
WasserstoffverbindungenKohlenwasserstoffe PharmazeutikKunststofftechnik
Makromoleküle DNA,RNA Genetik
Zelle/Gewebe Nerven Neurologie
Sinne visueller Sinn visuelle Medien
Technologische Entwicklung
von der Mechanik zur Elektronik und Photonik
von der Stickstoff- zur Kohlenstoffchemie
von der Proteinforschung zur Genetik
von der traditionellen Anatomie zur Hirnforschung
von den auditiven zu den visuellen Medien
vom Straßenverkehr zur Eroberung des Luftraums
von der Nationalökonomie zur Weltwirtschaft
Die neuen Schlüsseltechnologien „merzen“ die früherennicht aus, sondern verknüpfen sich mit ihnen.
Politische Schlussfolgerungen aus dem ISAC-Modell
Informationsgesellschaft mit elektronischen Technologien und weltweiten Netzwerken verwirklichen, aber mit sozialen und humanen Traditionen verknüpfen
Schwerpunktbildung der Wirtschaftspolitik:
Schlüsselbranchen der Zukunft fördern (über IKT hinaus) F&E und Bildung ganz allgemein reicht nicht nicht irgendwelche Flexibilität und Anpassung,sondern in eine ganz bestimmte Richtung
ZUSAMMENFASSUNG
Die anbrechende Informationsgesellschaft mit ihren elektronischen Technologien, Netzwerken, Zuliefersystemen und Globalisierungstendenzen ist das logisch folgende Glied einer Entwicklungskette.
Die flexiblen und weltoffenen Netzwerke der Informationsgesellschaft ermöglichen die Koordination weit größerer Einheiten, als dies die alten festgefügten hierarchischen Strukturen der Nationalstaaten bzw. Großunternehmen je erreichen konnten. Der wirtschaftliche Aktionsradius wird buchstäblich weltumspannend.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Evolution der Natur und der Gesellschaft hat also zwei Gesichter: die kontinuierliche "darwinistische" Anpassungund die Integration zu neuen komplexeren Formen.
Die Mikroevolution wird eher durch Variation und Selektion vorangetrieben, die Makroentwicklung zu höherer Komplexität durch Koordination, Symbiose und Selbstorganisation.
Ewald Walterskirchen, Der Weg in die Informationsgesellschaft. Zur Evolution von Natur, Technik und Wirtschaft, Passagen Verlag, Wien, 2005
Einfluss der Naturwissenschaften auf die Ökonomie
Früher war die Physik Leitwissenschaft, heute die Biologie
Die Ökonomie übernimmt Analogien aus Physik und Biologie
Physik: Gleichgewichtskonzept (Anpassung nach Schocks)
Optimierung und Maximierungskonzepte
Biologie: Evolution als Selektionsprozess
Darwin von Malthus beeinflusst (Wechselwirkung)
Neodarwinistische Synthese: Mutation und Selektion
Ökonomie: Selektion = Wettbewerb
Mutation = Innovation bzw. technischer Fortschritt
Gravierende Unterschiede zwischen biologischer
und sozioökonomischer Evolution
Biologische Mutationen sind rein zufällig und meist schädlich
Nach technischen Innovationen wird gezielt geforscht,
sie sind vorteilhaft
Die darwinistische Biologie kennt keinen „Fortschritt“ an sich,
es gibt nur Anpassungen an Umweltveränderungen
In der Ökonomie gibt es einen Fortschritt in Technik,
Produktivität und Lebensstandard (BIP pro Kopf)
Konzept der Selbstorganisation in den Naturwissenschaften
mit Selektionsprozessen und zufälligen Mutationen allein lässt
sich der Evolutionsprozess in Richtung höherer Komplexität
nicht erklären
heute Tendenz in den Naturwissenschaften, die
Selbstorganisation zu betonen
Selbstorganisation = neue Anordnung von einzelnen Elementen
im Evolutionsprozess spielen Selektion und
Selbstorganisation – Konkurrenz und Kooperation - zusammen