Langzeittrends beim Drogenkonsum: Lokal, national, international – alles das Gleiche?
Roland SimonIFT MünchenEMCDDA Lissabon
18. September 2017
Deutscher Suchtkongress 2017 Lübeck
Übersicht
• Vorbemerkung• Begriffsklärung• Monitoring und Trends• Beispiele: globale, europäische, nationale, regionale Trends• Mögliche Einflussfaktoren• Fazit
Conflict of interest statement
Abteilungsleiter „Consequences, Interventions, and Best Practices“ in der EMCDDA (2007-2016)Freier Mitarbeiter des IFT München/DBDD (seit 2017)
Förderung von Fachvorträgen durch die Übernahme von Reisekosten und teilweise Honorare (2016/2017)
B.A.D.S BIPS Leibniz-Institut für Präventionsforschung und EpidemiologieHexalLandesinstitut für präventives Handeln, SaarlandNiedersächsische Landesstelle für SuchtfragenÖsterreichische ARGE SuchtvorbeugungThermoFisher, Wiesbaden
Vorbemerkung
Deskriptiv, heuristisch, Hypothesen generierendnicht explanatorisch
Unterschiedliche Datenquellen – begrenzte Vergleichbarkeit
• Umfragen• Sicherstellungsmengen• Abwasseranalysen• Behandungsstatistiken• Expertenrating
Ein Konzept in der öffentlichen Diskussion
• Mehr problematische Konsumenten
• Zunehmende Zahl von NPS• Vermehrt multipler Konsum
Jugendliche und junge Erwachsene trinken weniger Alkohol. Diesen Trend bestätigen die neuen Ergebnisse der Studie „Der Alkoholkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland 2016“, welche die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) heute gemeinsam mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) in Berlin vorgestellt hat.
Ein Konzept in der öffentlichen Diskussion
Deutscher Hanfverband: Polizeiliche Kriminalstatistik 2016 - Cannabis auf Platz einsFreitag, 5. Mai 2017
Trend der Strafverfolgung im Widerspruch zur gesellschaftlichen Debatte
Die Zahlen zeigen eindeutig, dass die Repression gegen Cannabiskonsumenten den Löwenanteil bei der Strafverfolgung von Rauschgiftdelikten ausmacht. Entgegen vielfacher Aussagen aus der Politik, das Hauptaugenmerk der Drogenpolitik liege hier auf der Prävention, deutet der jetzt vorgelegte Bericht in eine ganz andere Richtung.
Was ist ein „Trend“?
http://www.businessdictionary.com/definition/trend.htmlSchrittweise Veränderung einer Ausgangssituation, eines Ergebnisses oder eines Prozesses. Tendenzeiner Serie von Datenpunkten, sich über die Zeit in eine bestimmte Richtung zu entwickeln (graphisch dargestellt durch eine Linie oder Kurve)
Trend Last, J.M. (2001). A dictionary of Epidemiology. Oxford: Oxford University Press.(Übersetzung englischer Texte durch Simon)
Langfriste Bewegung in einer geordneten Entwicklung, z.B. eine Zeitreihe. Diese Bewegung kann zwar kurzfristig irregulär sein, zeigt aber über einen langen Zeitraum konsistent in eine Richtung. Der Begriff wird auch verwendet für eine Assoziation, die zwar nicht statistisch signifikant ist, jedoch in mehrere Stichproben oder Strata konsistent auftritt.
Was ist ein „Trend“?
Trend
Griffiths et al. (1999). Detecting, Tracking and understanding emerging trends in drug use
Veränderung von Werten einer Variablen über die Zeit in eine Richtung. Veränderungen, die einem zugrundeliegenden Trend zugeschrieben werden müssen unterschieden werden von Fluktuationendurch zufällige und nicht zufällige Einflüsse.
Bei der Analyse von Trends im Drogenkonsum ist diese Differenzierung oftmals subjektiv und abhängig vom Kontext. Zudem ist es ein schwieriges Problem festzustellen, wann ein Trend signifikantwird.
Eher deskriptive Analyse um eine Bewegung in einer oder mehreren Zeitreihen zu erklären
Was ist also ein „Trend“?Veränderung eines Merkmals über die Zeit Nicht Fluktuation, sondern reale VeränderungLängerer Zeitraum: 5 Jahre+
Gemessen durch eine oder mehrere Variablen. • mehr/weniger Personen• Mehr/weniger Substanzen• wachsende/schwindender Einfluss auf soziale Gruppen und soziale Räume
Trenderfassung und Berichterstattung verknüpft
Einflussfaktoren und Ursache(n)Handlungsrelevanz
Hier Fokus auf Drogen Konsum
Global/ Europäisch
Quelle: UNODC 2016
CannabiskonsumUNODC (Trend) Perception Index Cannabiskonsum in den letzten 12 Monaten
EU: 15-64
Australien: 14+
US: 12+
Global: 15-64Quelle: UNODC 2017
Europäisch
- Rauschtrinken
- Tabakkonsum
- Cannabiskonsum
30-Tage-Prävalenz unter 15-16jährigen Schülern beim …
Quelle: EMCDDA 2017
Trend Cannabis
Global: Stabile Prävalenz auf relativ hohem Niveau
EU: Stabile Prävalenz auf relativ hohem Niveau
National: Leicht steigend/fallendAngleichung nationaler Niveaus
Regional/Lokal: Keine wesentliche Abweichungen von Gesamtwerten berichtet
Global
Quelle: UNODC 2017
OpiatkonsumUNODC (Trend) Perception Index
OpiatkonsumUNODC (Trend) Perception Index nach Region
Trend Opioide
Global: Stabile bis fallende Prävalenz
EU: Stabile bis fallende Prävalenz
National: Gesamttrend plus Spezifika:- Ost-/Westgefälle: historische Einflüsse- „Heroin Drought“ in UK
Regional/ Lokal: Nur für synthetische Opioide
Trend Methamphetamin
Global: Relativ hoch, in den letzten Jahren zunehmend
EU: Stabil, minimal, rückläufig
National: Wenige Länder, teils mit Vorgeschichte
Regional/Lokal: Diffusionseffekte im GrenzbereichMassive Zunahmen
Global
It is difficult to assess to what extent GBL is traded for non-industrial purposes such as direct humanconsumption or illicit conversion to GHB.
recent reports (…) indicate that large-scale manufacturing for the drug market seems to be concentrated in the Netherlands (…) occasionally occurs in the same place as the manufacturing of other illicitly used synthetic drugs such as MDMA or amphetamine
Quelle: UNODC 2017
Europa
2015: Sicherstellungen in 14 EU MitgliedsstaatenBelgien und Norwegen; je ca. 1/3 davon
Grössere Produktion ev. in den Niederlanden konzentriert
Quelle: EMCDDA 2017
Lokal
IVZ: LADIS Bericht
Hilfenachfrage wegen Problemen mit GHB/GBL
(pro 100.000 Population)
2007 2015
Trend GBL
Global: Unklar
EU: Stabil minimal
National: Einzelne Länder
Regional/Lokal Punktuelles Auftreten / spezielle Szenen?
Heroin Sicherstellungen (Menge)
Weitere Aspekte
• Produktionsbedingungen• Verfügbarkeit von
Vorläufersubstanzen
• Produktionsort:Cannabis
• HandelswegeAmphetamin vs. Kokain vs. Methamphetamin
• Marktstruktur
Quelle: EMCDDA 2017
Heroinepidemie: Ost und WestGeburtsjahrgänge in Suchtbehandlung wegen primärer Opioidprobleme
Basierend auf Durchschnittsalter und Annahme des Konsumbeginns mit 18 Jahren
1955
1960
1965
1970
1955
1955
Drogenverbreitung
Aus:Rogers, E. (1962). Diffusion of Innovations
u.a. Jean-Paul C Grund (2016) Anwendung auf Drogen
Cannabiskonsum (12M): Regionale Trends
Veränderung nationaler Prävalenzen von Umfrage zu UmfrageBeispiel Cannabiskonsum in den letzten 12 MonatenZeitraum 1999 bis 2015
> +10%+/-< -10%
1999
> +10%+/-< -10%
2000
> +10%+/-< -10%
2001
> +10%+/-< -10%
2002
> +10%+/-< -10%
2003
> +10%+/-< -10%
2004
> +10%+/-< -10%
2005
> +10%+/-< -10%
2006
> +10%+/-< -10%
2007
> +10%+/-< -10%
2008
> +10%+/-< -10%
2009
> +10%+/-< -10%
2010
> +10%+/-< -10%
2011
> +10%+/-< -10%
2012
> +10%+/-< -10%
2013
> +10%+/-< -10%
2014
> +10%+/-< -10%
2015
> +10%+/-< -10%
Sind Trends gleich?
Wir finden heute viele Gemeinsamkeiten in der EU• Offene Grenzen• Anpassung rechtlicher Normen• Kulturelle Angleichung• Grenzüberschreitenden (Internet-)Handel• Grenzüberschreitende Politik und Intervention
Trends• Einheitliche Trends Global bis lokal: Cannabis• Unterschiedliche Ausformen
globaler/europäischer Trends: Heroin • Regionale und lokale Trends: Metamphetamin• Regionale und lokale Trends: GHB
Mögliche Ursachen
• Märkte • Verbreitungsprozesse• Konsumgewohnheiten• Konsummotivation• Politik, Intervention
Fazit
Monitoring• Trends auf allen Ebenen erfassen• Übergeneralisierung vermeiden• Berichterstattung und politischer Reaktion
möglichst zielgenau
Forschungsbedarf• Warum unterschiedliche Trends?• Analysen von Konsumtrends und von Trendänderungen extrem wichtig• Neben chemisch-toxikologische auch Konsumentenforschung gefragt
• Mehr analytische Epidemiologie auch im Bereich Drogen und Suchtwäre zu wünschen
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Alvarez J., et al (2003). Emerging drug phenomena. A European manual on the Early InformationFunction for Emerging Drug Phenomena. Paris: OFDT.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung (2017). Sucht- und Drogenbericht 2017.http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Drogenbeauftragte/Drogen_und_Suchtbericht/flipbook/DuS_20
EMCDDA (2017). Europäischer Drogenbericht 2017.www.emcdda.europa.eu
LADIS (2015). GHBhttp://www.ladis.eu/nl/middelen/ghb-volledig
Last, J.M. (2001). A dictionary of Epidemiology. Oxford: Oxford University Press.
Porta, M. (2014). A dictionary of Epidemiology. Sixth edition. Oxford: Oxford University Press.
UNODC (2017).World Drug Report 2017.www.unodc.org/wdr2017/index.html