Leiharbeit und Arbeitnehmerüberlassung
Hamburg – 28. Februar 2012
I. Übersicht Arbeitnehmerüberlassung
II. Gesetzliche Neuregelungen
III. Aktuelle Rechtsprechung
IV. Ausblick
I. Übersicht Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmerüberlassung
AÜ ist die im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgende Überlassung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung an einen Dritten, die dieser nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt.
Definition
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
• letzte Neuregelung zum 01.12.2011 (01.05.2011),davor weitgehende Änderungen zum 01.01.2004
• vorher: Verhinderung der Zurückdrängung vonunbefristeter Vollzeitbeschäftigung
• dann: Arbeitnehmerüberlassung als Möglichkeit zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit
• jetzt: erneute Zurückdrängungstendenz und Verhinderung von Missbrauch
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
• vorher: Verleiherbetriebsbezogenheit
• heute: Entleiherbetriebsbezogenheit
Wesentliche Neuerungen des AÜG 2004:
• keine speziellen Befristungsregelungen mehr es gilt das TzBfG
• grundsätzliche Behandlung der Leiharbeitnehmer wie Stammbelegschaft des Entleiherbetriebs
• keine Begrenzung der Leihe auf 24 Monate mehr
• teilweise Erlaubnis der Leiharbeit in der Baubranche
Werkvertrag
Dienstvertrag
Abordnung
Bedienpersonal
Arbeitsvermittlung
Abgrenzung zu anderen Vertragsarten
Risiken bei fehlerhafter Arbeitnehmerüberlassung:
• Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum „Entleiher“
• Ordnungswidrigkeit nach § 16 AÜG
bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung des „Verleihers“ (§ 1 AÜG)
• eigenverantwortliche Herstellung durch Werkunternehmer
• ausschließliches Weisungsrecht des Werkunternehmers
• Risiko des Misslingens beim Werkunternehmer
• geschuldet wird das Werk an sich, Weg dorthin Sache des Werkunternehmers
Werkvertrag
• Leistungserbringung in eigener Verantwortung des Auftragnehmers
• ausschließlich Weisungsrecht des Auftragnehmers
• Entgelt an Leistungserbringung geknüpft
• keine Erfolgsabhängigkeit
Dienstvertrag
• zur Herstellung eines Werks im Rahmen einer ARGE (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG)
• abordnender Arbeitgeber muss Mitglied der ARGE sein
• alle ARGE-Mitglieder müssen unter die Tarifverträge des selben Wirtschaftszweigs fallen
• alle ARGE-Mitglieder müssen zur Leistungserbringung verpflichtet sein
Abordnung
• keine AÜ wenn Personalgestellung nur vertragliche Nebenleistung;Maßstab: wirtschaftlicher Wert der Mietsache
• nicht gegeben bei nur untergeordneten Mietsachen
Bedienpersonal
• seit 1994 kein Monopol der BA mehr
• Vermittlung in neues, dauerhaftes Arbeitsverhältnis
• wirtschaftliche Verbindung mit Arbeitgeber
• keine rechtliche „Rückkehrmöglichkeit“ zum Vermittler
Arbeitsvermittlung
Grundsatz:Erlaubnispflicht (§ 1 AÜG)
• Angabepflicht im Überlassungsvertrag
• grundsätzlich nicht im Baugewerbe möglich
• falls keine Erlaubnis:
Entleiher wird Arbeitgeber + Ordnungswidrigkeit
Verleiher
Entleiher
Leiharbeitnehmer
Arbeitsvertrag
Verleihvertrag
tatsächliche Überlassung
Beteiligte und deren Rechtsbeziehungen
Verleiher verpflichtet sich zur zeitweisen Überlassung von Arbeitnehmern mit bestimmter Qualifikation gegen Entgelt
Verleiher Entleiher
Verleihvertrag
• Nachweis der Erlaubnis zur AÜ
• Schriftformerfordernis
• häufig: Vermittlungsprovision
Verleiher Entleiher
Verleihvertrag
„Normaler“ Arbeitsvertrag
Besonderheit: Verpflichtung zur Arbeitsleistung bei Dritten
Verleiher Leiharbeitnehmer
Arbeitsvertrag
Weitere Besonderheiten:
• Befristungen jetzt nach TzBfG möglich
• i.d.R. gleiche Entgelthöhe wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleiherbetriebes im Leihvorgang
Ausnahme: auf Arbeitsverhältnis anwendbarer Tarifvertrag regelt abweichende Vergütung
Entleiher Leiharbeitnehmer
tatsächliche Überlassung
• bleibt Arbeitnehmer des Verleihers
• Direktionsrecht für Entleiher
• arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht für Entleiher
• Anzeigepflicht bei Verhinderung/AU
• Haftung nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen
II. Gesetzliche Neuregelungen
Wesentliche Neuerungen:
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht2. Verbot der Dauerleihe3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung4. „Drehtürklausel“5. Rechte im Entleiherbetrieb6. Mindestlohn
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht
keine Bedeutung der Gewerbsmäßigkeit mehr
Verleih im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit reicht aus fehlende Gewinnerzielungsabsicht oder nicht
auf Dauer angelegter Verleih bedeutungslos
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht
„wirtschaftliche Tätigkeit“
• unabhängig von erwerbswirtschaftlichen Zwecken
• Teilnahme am Wirtschaftsverkehr reicht aus
• keine Gewinnerzielung mit AÜ erforderlich
Praktische Konsequenzen
• früher Erlaubnis einholen
• konzerninterne PSG benötigen auch bei Selbstkostenpreisüberlassung Erlaubnis(a.A. bislang BAG)
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht
2. „Vorübergehende“ Überlassung
Wiedereinführung einer Zeitschranke
Zeiträume völlig unklar Rechtsfolgen völlig unklar Lösungsvorschlag:
Anlehnung an § 14 Abs. 1 TzBfG,a.A. bloßer Programmsatz
Praktische Konsequenzen
• Zustimmungsverweigerung durch BR denkbar, wenn Dauerleihe bei Einstellung erkennbar
• ansonsten völlig offen
• Dauerleihekonzepte sollten hinfällig sein
2. „Vorübergehende“ Überlassung
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung
§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG
zwischen Konzernunternehmen nach § 18 AktG wenn AN nicht zur Überlassung eingestellt
und beschäftigt
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung
§ 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG
zwischen beliebigen Arbeitgebern wenn nur „gelegentlich“ und wenn AN nicht zur Überlassung eingestellt
und beschäftigt
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung
Probleme:
• Wie oft ist „gelegentlich“?• im Raume stehende Europarechtswidrigkeit
Praktische Konsequenzen
• wenn europarechtswidrig besser Verzicht auf Anwendung
• ansonsten konzerninterne „Versendungen“ und Aushilfetatbestände möglich
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung
4. „Drehtürklausel“
keine Tarifabweichung vom Equal-Pay, falls Leih-AN bis 6 Monate zuvor bei Entleiher beschäftigt überflüssige Wiederholung bei
Versagungstatbeständen
Praktische Konsequenzen
• keine Kostenersparnis bei Auslagerung auf Leiharbeitsunternehmen mehr realistisch
4. „Drehtürklausel“
5. Rechte im Entleiherbetrieb
§ 13 a AÜG – Information über freie Arbeitsplätze
durch Entleiher für seinen Betrieb möglich durch allgemeine Bekanntgabe an
geeigneter Stelle keine Vorrangregelungen für Einstellung kein Einstellungsanspruch bußgeldbewehrt
5. Rechte im Entleiherbetrieb
§ 13 a AÜG – Information über freie Arbeitsplätze
Probleme:
• Alle Stellen oder nur qualifikationsgeeignete Stellen?• Medium der Bekanntgabe?• Nachweis falls Nachprüfung oder Anzeige?
5. Rechte im Entleiherbetrieb
§ 13 b AÜG – Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten
gleiche Bedingungen wie Stammbelegschaft unterschiedliche Behandlung aus sachlichen
Gründen gerechtfertigt Beispiele: Kinderbetreuung, Kantine,
Beförderungsmittel
5. Rechte im Entleiherbetrieb
Problem:
Welche sachlichen Gründe rechtfertigen unterschiedliche Behandlung?
Praktische Konsequenzen
• Einrichtung eines „Informationssystems“ über freie Stellen
• u.U. erhöhte Kosten für Gleichbehandlung bei Gemeinschaftseinrichtungen
5. Rechte im Entleiherbetrieb
6. Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche
Allgemeinverbindlichkeitserklärung des TV Mindestarbeitsbedingungen in der Zeitarbeit
01.01.2012 – 31.10.2012:West: 7,89 EUROst: 7,01 EUR
ab 01.11.2012:West: 8,19 EUROst: 7,50 EUR
Praktische Konsequenzen
• Zeitarbeit in der unteren Lohngruppe verteuert sich für Zeitarbeitsunternehmen
• Kosten werden vermutlich für Entleiher steigen
5. Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche
III. Aktuelle Rechtsprechung
Austauschkündigung bei Umwandlung inLeiharbeitnehmerstellen
BAG Urt. v. 26.09.1996 - 2 AZR 200/96
Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer als Sachgrund
BAG Urt. v. 17.1.2007 - 7 AZR 20/06
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei Einsatzvon Leiharbeitnehmern
LAG Hamm Urt. v. 05.03.2007 11 Sa 1338/06
Aufnahme von Leiharbeitnehmern in Stellenpools
BAG Beschl. v. 23.01.2008 - 1 ABR 74/06
Betriebsrat
Betriebsbedingte Kündigung eines Leiharbeitnehmers nach Auftragswegfall
BAG Urt. v. 18.05.2006 - 2 AZR 412/05
Tarifunfähigkeit der CGZP –
BAG Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10
Nichtgeltung von Ausschlussfristen des Entleiherbetriebs –
BAG Urt. v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10
Innerbetriebliche Stellungausschreibung –
BAG Beschl. v. 01.02.2011 – 1 ABR 79/09
Betriebsrat
Konsultationsverfahren nach § 81 SGB IX –
BAG Beschl. v. 23.06.2010 – 1 ABR 3/09
Betriebsrat
Auskunft über Person des Leiharbeitnehmers –
BAG Beschl. v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09
Betriebsrat
Übernahme von JAV-Mitgliedern bei Leiharbeit–
BAG Beschl. v. 17.02.2010 – 7 ABR 89/08
Betriebsrat
V. Ausblick