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Logistik und Versorgung des reisenden Hofes der Stauferzeit
Magisterarbeit
zur Erlangung
des Grades Magister Artium
der Philosophischen Fakultät
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
von
Jens Ullrich
Prüfer im Hauptfach:
Erstgutachter: PD Dr. Caspar Ehlers
Zweitgutachter: Prof. Dr. Gerhard Lubich
Monat/Jahr der Abgabe: Juni 2010
Martikel-Nr.: 1325438
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung – Grundfragen S. 3
2. Der Hof – Ein Definitionsversuch S. 5
3. Die Größe des Hofes S. 7
3.1. Ratgeber und andere hochstehende Persönlichkeiten S. 8
3.2. Die Hofämter S. 19
3.3. Die Hofkanzlei S. 21
3.4. Gesandte und Boten S. 26
3.5. Die Ministerialität S. 28
3.6. Der inoffizielle Tross S. 30
3.7. Zusammenfassung S. 31
4. Der Bedarf des Hofes S. 33
4.1. Die Zielsetzung des Reisens S. 33
4.2. Der Bedarf des Personals S. 34
4.3. Der Bedarf der Tiere S. 35
5. Die Infrastruktur S. 42
5.1. Leistungsfähigkeit von Zugpferden und Pferdekarren S. 42
5.2. Das Wegenetz S. 46
5.3. Flussschifffahrt S. 53
5.4. Unterbringung S. 58
5.4.1. Pfalzen S. 58
5.4.2. Zelte S. 61
6. Wegplanung und Königsgastung S. 69
7. Schlussbetrachtung S. 75
8. Quellen- und Literaturverzeichnis S. 79 8.1. Bibliographische Abkürzungen S. 79 8.2. Quellenverzeichnis S. 79 8.3. Literaturverzeichnis S. 81
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1. Einleitung – Grundfragen
„Als der Hof nun Verden erreichte, da bekam der König Nachricht die
Vorräte der Pfalz seien aufgezehrt, und so litten die Edelen des Reiches
schlimmsten Hunger. Nach eiligem Aufbruch gen Magdeburg folgte man
den falschen Wegen und der ganze Hof verschwand in den Sümpfen und
ward nicht mehr gesehen.“
Solche Aussagen finden sich in den Quellen zur Herrschafts- und
Reisepraxis Friedrich Barbarossas oder seiner Vorgänger selbstverständlich
nicht. Vielmehr scheint die Versorgung des Hofes mit Nahrung, Unterkunft
und all den anderen Gütern des täglichen Bedarfs genauso reibungslos
abgelaufen zu sein wie die eigentliche Reisetätigkeit über die Wege und
Flüsse der deutschen Herzogtümer. Aber ist dies wirklich
selbstverständlich?
Reisen bedürfen einer ausgeklügelten Logistik, nicht nur heute, sondern
auch im frühen und hohen Mittelalter, und so ist die Leistung einen
reisenden Hof zu versorgen und planmäßig von Ort zu Ort zu führen nicht
zu unterschätzen. Besonders faszinierend erscheint es, dass einerseits die
Reiseaktivität des Hofes in den meisten Fällen reibungslos ablief, zumindest
wenn der nicht vorhandene Quellenbefund zu Beschwerden, Ermahnungen
oder Strafen aufgrund gravierender Versäumnisse bei der Versorgung in
Betracht gezogen wird, andererseits aber kaum Schriftlichkeit genutzt
wurde, um die komplexen Erfordernisse eines reisenden Herrschaftssitzes
vorzuplanen, die jeweiligen Stellen zu informieren und die Tag für Tag
anfallenden Mengen an Versorgungsgütern zu erfassen und zu verteilen.
Das ganze System der Versorgung scheint rein auf den Vorkenntnissen der
einzelnen Verantwortlichen und auf ein funktionierendes mündliches
Kommunikationswesen gestützt zu sein. Obwohl oder gerade weil es aber
kaum schriftliche Zeugnisse zur Planung der funktionalen Elemente des
Reisekönigtums gibt,1 verdient dieses Thema besondere Aufmerksamkeit,
auch wenn die übliche Methodik, sich einem historischen Thema zu nähern,
hier bisweilen an ihre Grenzen stößt. Es ist fast zwangsläufig sich
interdisziplinären Mitteln zu bedienen, in unserem Falle beispielsweise der
1 Eine dieser Ausnahmen ist das Tafelgüterverzeichnis, siehe BRÜHL/KÖLZER, Tafelgüterverzeichnis.
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Kunstgeschichte, Archäologie und Archäozoologie und der
Veterinärmedizin, um ein ergiebiges Quellenfundament zu generieren,
wobei natürlich auch die Itinerar- und Pfalzenforschung und die
mittelalterliche Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte als wichtige
Forschungszweige heran gezogen werden.
Um dieses Themenfeld näher beleuchten zu können, erscheint eine
Annäherung in fünf Schritten sinnvoll. Zuerst stellt sich die Frage nach der
Größe und Zusammensetzung des Hofes, also nach Rang und Zahl der
mitreisenden Personen und ihrer Reit- und Zugtiere. Auf diesen
Überlegungen fußend lässt sich im nächsten Schritt durch einen Abgleich
mit der zu erwartenden Reiseaktivität der Umfang benötigter
Versorgungsgüter, Unterkünfte und Infrastrukturelemente ableiten, der
wiederum mit den entsprechenden Quellenzeugnissen abgeglichen werden
soll. Im dritten Schritt bietet sich eine Betrachtung der Infrastruktur an, also
der genutzten Reisewege und –methoden und deren Leistungsfähigkeit, des
Zustands von Straßen und schiffbaren Flüssen und der genutzten
Unterkünfte wie den Pfalzen und Zeltlagern an. Um die Methoden zur
Versorgung des Hofes näher beleuchten zu können, werden dann deren
rechtlichen und verwaltungstechnischen Grundlagen näher in Augenschein
genommen, um als letzten Schritt basierend auf den so gesammelten
Kenntnissen hypothetisch das praktische Vorgehen bei der Reiseplanung
und der Durchführung zu synthetisieren. So soll über Bedarf und allgemeine
Betrachtung der Gegebenheiten eine quasi archetypische Situation des
Reisens der curia abgeleitet werden.
Zur Schärfung des thematischen Profils wird als historische Grundlage der
Hof Friedrich I. Barbarossas gewählt, da sich einerseits die Amtszeit des
staufischen Kaisers einer ausreichenden historischen Bearbeitung erfreut,
um diesen meist quellenfernen Themenkomplex zufriedenstellend
bearbeiten zu können und andererseits, da die Herrschaftszeit Friedrich I.
nur im geringen Maße der Territorialisierung des Reiches und der daraus
resultierenden Residenzenbildung ausgesetzt ist. Zudem liegt der Fokus der
Betrachtung auf das nordalpine Reisekönigtum, da die Italienzüge Friedrich
I. primär militärische Operationen waren, die nicht dem Normalzustand des
Hofes auf Reisen entsprachen. Besonders im Falle archäologischer Studien
oder der Altstraßenforschung werden Betrachtungen des 11. und 13.
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Jahrhunderts einfließen und in Einzelfällen auch bis ins Frühmittelalter
hinein Quellen heran gezogen, soweit dies nötig ist.
Aufgrund der recht übersichtlichen Quellenlage besteht bei einer solchen
wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellung die Gefahr mit den nötigen
Hochrechnungen und Schätzungen den Boden der Quellen zu verlassen und
sich in Spekulationen und Pauschalisierungen zu verlieren. Daher wird ein
besonderes Augenmerk darauf gerichtet sein jeden Schritt mit
archäologischen oder historischen Quellenzeugnissen zu stützen und auf
Plausibilität zu überprüfen.
2. Der Hof – Ein Definitionsversuch
Der Hof erschien vielen Zeitgenossen als amorphe Masse, eine beständige
Abfolge von Kommen und Gehen, ohne die Möglichkeit ihre exakte
Struktur dauerhaft zu erfassen. So findet sich bei Walther von der
Vogelweide die Beschreibung des ewig rastlosen Hofes „ein schar vert ûz,
die ander în, naht unde tac │ grôz wunder ist, daz ieman dâ gehoeret“2 und
Walter Map stellte fest „Vergänglich ist er, veränderlich und unbeständig,
räumlich begrenzt und umherirrend, er bleibt niemals im gleichen Zustand.
Wenn ich ihn verlasse, kenne ich ihn genau; wenn ich zurückkehre, finde ich
nichts oder wenig von dem vor, was ich zurückgelassen habe. Ich sehe
Fremde und bin selbst ein Fremder geworden.“ und weiter „Zwar ist es
derselbe Hof, doch seine Glieder sind verändert… Wenn ich den Hof
beschreiben sollte…, so würde ich vielleicht nicht lügen, wenn ich ihn eine
nicht genau bestimmbare Menschenmenge nennen würde, die sich auf einen
einzigen Ausgangspunkt bezieht.“3 Ähnliches findet sich über den Hof
Barbarossas im Ligurinus von Gunther dem Dichter, der den Hof des
Herrschers als ein Ort beschreibt, der nicht lange leer bleibt, denn sobald die
einen gegangen seien, erschienen andere, gleich wie das Meer das Land
2 Walther von der Vogelweide, Leich, Lieder, Sangsprüche, Christoph CORMEAU (hg.), Nr. 9, S. 38.3 Walter Map, De nugis curialium, Montagque Rhodes JAMES, Christopher N. L. BROOKE und Roger A. B. MYNORS (hg.), Dist. I, C. 1, S. 2 : … curia non est tempus ; temporalis quidem est, mutabilis, et varia, localis et erratica, nunquam in eodum statu permanens ; in recessu meo totam agnosco, in redditu nihil aut modicum invenio quod dereliquerim, extraneam video factus alienus. Eadem est curi, sed mutata sund membra. Si descripsero curiam ut Porphirius diffinit genus, forte non menciar, ut dicam eam multitudinem qudammodo se habentem ad unum principium, Übersetzung nach KEUPP, Dienst , S. 345, und LAUDAGE, Hof , S. 76.
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wieder und wieder mit Wellen überschütte.4 Trotz dieses im ersten Moment
abschreckenden Fazits finden sich vielerlei Definitionsversuche,5 um die
räumlich unstete, personell amöbenhafte und zugleich multifunktionale6
Struktur des Hofes erfassen zu können. Eine der üblichen Definitionen
besagt, dass der Hof das Zentrum der Herrschaftsausübung ist, gleichzeitig
Sozialkörper, Verfassungselement, Träger politischer Entscheidungen und
Instrument der Verwaltung und Justiz.7 Doch jenseits seiner Bedeutung in
diesen Themenfeldern ist der Hof auch eine sich wandelnde Ansammlung
von Personen, deren Umfang und ungefähre Zusammensetzung jenseits
ihrer politischen, juristischen oder sozialen Bedeutung für diese
Untersuchung von Relevanz ist.
Zu trennen sind die Begriffe curia minor und curia maior8, wie sie bereits in
der Mitte des 14. Jahrhunderts von Konrad von Megenberg definiert
wurden.9 Ersterer umfasst den Personenkreis der Hausgenossen und der
Amtsträger und Dienstboten, die beständig und tagtäglich im Umfeld der
königlichen Familie zu finden sind, letzterer bezieht sich auf die Personen,
die nur zeitweilig am Hof anzutreffen sind.10 Es sollte hierbei nicht
übersehen werden, dass die täglich anwesenden Amtsträger der curia minor
nicht nur Ministeriale und Bedienstete waren, sondern auch die
höherrangigen Mitglieder des „Küchenkabinetts“ Barbarossas.11
Gleichzeitig zu trennen sind die Zustände des Hofes, einerseits als reisender
Hof, unterwegs durch die verschiedenen Herzogtümer, andererseits als
Hoftag, mit seinem repräsentativen Charakter als Kristallisationspunkt der
Herrschaftsausübung und Rechtsprechung an einem festen Ort mit enormer
Anziehungskraft auf die gesamte umliegende Region. Gerade letzteres ist
kaum in Zahlen zu fassen, fluktuiert in Form und Größe von Hoftag zu
Hoftag und kann, wie das Pfingstfest 1184, alle zeitgenössischen Rahmen
sprengen. Der reisende Hof jedoch mit seinen Reitern, Karren, Zelten und
Tross, soll hier das Ziel der Betrachtung werden.
4 Guntheri Poetae Ligurinus (MGH SS rer. Germ. 63), Erwin ASSMANN (hg.), S. 380-382.5 Zuletzt in LAUDAGE, Barbarossa , S. 161ff.6 KÖLZER, Hof , S. 42.7 JAKOBS, Kirchenreform, S. 9.8 RÖSENER, Leben, S. 54.9 Konrad von Megenberg, Ökonomik, Bd. 2, (MGH Staatsschriften 3,5), Sabine KRÜGER (hg.), S. 199.10 KEUPP, Dienst, S. 348.11 LAUDAGE, Hof , S. 92.
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3. Die Größe des Hofes
Der königliche Hof bietet viele Angriffspunkte für Spekulationen, und einer
von ihnen ist die eigentlich simple Frage nach der Größe dieses Hofes. Da
es im Gegensatz zum Spätmittelalter weder Rechnungsbücher noch
Lohnlisten für den Hof Friedrich I. gibt, bleibt der direkte Weg
verschlossen, jedoch wurden bereits verschiedene Größenordnungen in den
Raum gestellt. So schätzt Werner Rösener die Anzahl der Personen am
reisenden Hof auf nicht wesentlich mehr als 1000 Mann, die an
Aufenthaltsorten durch Gäste und örtliches Personal jedoch ansteigen
kann12, was mit den Vorstellungen Carlrichard Brühls korrespondiert, der
diese Zahl zwischen 1000 und 2000 Personen ansetzt.13 Gestützt wird dies
durch die nähere Betrachtung des Tafelgüterverzeichnisses und der darin
beschriebenen Servitien.14
Es stellt sich jedoch die Frage, wie solch hohe Zahlen zustande kommen
können, und welcher Versorgungsbedarf für eine solche Menge an Personen
und nicht zu vernachlässigen auch ihrer Reit- und Zugtiere besteht. Daher
ist eine nähere Betrachtung des Hofes und der dort den Quellen zufolge
anwesenden Personen nötig, um daraus ableiten zu können, wie groß der
Hof tatsächlich gewesen sein kann, inklusive der großen in den Quellen
anonym bleibenden Masse aus Dienstmannen, Notaren und Bediensteten.
Zur besseren Übersicht wird der Hof daher in verschiedene Gruppen
aufgeteilt:
- Ratgeber und andere hochstehende Persönlichkeiten
- Die Hofämter
- Die Hofkanzlei
- Gesandte und Boten
- Die Ministerialität
- Der inoffizielle Tross
12 RÖSENER, Königshöfe, S. 301 und RÖSENER, Leben, S. 98.13 BRÜHL, Fodrum, S. 177, ähnlich auch METZ, Servitium Regis, S. 62.14 ULLRICH, Randnotizen , S. 142.
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3.1. Ratgeber und andere hochstehende Persönlichkeiten
Während der Kölner Erzbischof bereits über ein institutionalisiertes,
ständisch geordnetes Ratgebergremium verfügte, war Friedrich I. in der
Lage sich seine Vertrauten und Berater selbst auszusuchen. Er konnte auf
einen rund ein Dutzend Personen umfassenden Ratgeberstab zurück greifen,
der von ihm nach eigenem Ermessen und den aktuellen Notwendigkeiten
und Gegebenheiten folgend zusammen gestellt wurde. Hier finden sich
Schwäbische Weggefährten genauso wie einfache Bischöfe und als einziger
Herzog über längere Zeit Heinrich der Löwe. Johannes Laudage nannte
dieses Beraterkonzept nicht unzutreffend Küchenkabinett.15
Die Ratgeber Friedrich I. sind in der Forschungsliteratur der letzten Jahre
wiederholt gewürdigt worden.16 Besonderes Augenmerk erhielten in diesem
Kontext die Zeugenlisten der Herrscherurkunden, die einen weiten
Personenkreis in Königsnähe beschreiben. Sie sind jedoch nicht
unproblematisch, denn sie zählen einerseits nicht alle hochrangigen
Personen auf, die zum Zeitpunkt der Erstellung am Hof verweilten, noch
sind alle aufgelisteten Personen zwingend zum Ausstellungszeitpunkt am
Hofe gewesen. Ersteres lässt sich besonders während der Italienzüge
beobachten, da es hier kaum wahrscheinlich ist, dass Begleiter des Königs
für einige Wochen den Hof verlassen, um später wieder dort zu erscheinen,
nur weil sie monatelang in den Zeugenlisten nicht genannt wurden.
Letzteres ergibt sich durch das Problem der Handlungs- und
Beurkundungszeugen. Während die Handlungszeugen den eigentlichen
Rechtsakt durch ihre Unterschrift bezeugen, sind Beurkundungszeugen nur
bei der Ausfertigung der Urkunde anwesend, wobei Handlung und
Beurkundung zumindest in Einzelfällen durchaus mehrere Monate
auseinander liegen können. In den Urkunden selbst wird nur selten ein
Unterschied zwischen Zeugen der Handlung und der Beurkundung gemacht.
In den meisten Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass Handlung und
Beurkundung so zeitnah aufeinander folgen, dass sich die Frage nach dieser
Unterscheidung nicht stellt und somit auch der mit der Urkunde beschäftigte
Personenkreis ein ähnlicher ist.
15 LAUDAGE, Hof , S. 86.16 Hierzu unter anderem die beiden Dissertationen PLASSMANN, Struktur und UEBACH, Ratge-ber.
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In den Listen werden üblicherweise geistliche und weltliche Würdenträger
getrennt und der Reihenfolge ihres Rang aufgezählt. Bei geistlichen
Vertretern stehen zuvorderst Erzbischöfe, gefolgt von Bischöfen, Äbten,
Pröpsten und anderen Geistlichen, während auf weltlicher Seite die Listen
mit Herzögen beginnen und dann mit Mark- und Pfalzgrafen, Grafen,
Edelfreien und Ministerialen fortgesetzt werden. Burgunder und Italiener
werden entweder Ranggleichen untergeordnet oder gesondert am Ende der
Zeugenreihe aufgelistet. Diese Rangfolge wird nur bei Vertrauten
Barbarossas in einigen Fällen durchbrochen, während die Reihenfolge
innerhalb des gleichen Standes kaum eine erkennbare Ordnung aufweist.17
Die Anzahl der Zeugen schwankt und ist nicht abhängig von der Bedeutung
der Urkunde. So weist die Würzburger Goldene Freiheit18 94 Zeugen auf,
das Privilegium minus19 jedoch nur 24. Insgesamt finden sich in den
Zeugenlisten über die Herrschaftszeit Friedrich Barbarossas verteilt etwa
2000 Personen.20
Zu beachten ist, dass genannte Zeugen gegebenenfalls nur aufgrund ihres
Ranges als solche auftreten, jedoch nicht zwingend auch als Ratgeber tätig
waren.21 Da es für unsere Fragestellung jedoch zweitrangig ist, in welcher
Position eine Person exakt zum König stand, ob als geschätzter Ratgeber
oder „nur“ aus anderen Gründen am Hof verweilend, sind die Zeugenlisten
von enormem Wert. Denn durch sie wird erkennbar, wann welche Personen
am Hof Friedrich Barbarossas anwesend waren, was besonders außerhalb
ihres eigenen Herrschaftsgebietes interessant ist. Um dies näher zu
beleuchten, wird zunächst die Anwesenheit der Erzbischöfe am Hofe in den
ersten Jahren der Herrschaft Friedrich I. basierend auf ihren Nennungen in
den Urkunden in Augenschein genommen.
Die Erzbischöfe Kölns sind regelmäßig in den Zeugenlisten vertreten.
Arnold aus dem Grafenhaus Wied, vor seiner Amtseinführung Kanzler unter
König Konrad III.,22 findet sich in 27 Prozent der Urkunden, sein
Nachfolger Friedrich von Altona in seiner zweijährigen Amtszeit ab 1156
17 PLASSMANN, Struktur, S. 5ff.18 Diplomata regum et imperatorum Germaniae, Band 10, 1-5: Friderici I. diplomata (MGH DD F I, 1-5), Heinrich APPELT und andere (hg), 546.19 Diplomata regum et imperatorum Germaniae, Band 10, 1-5: Friderici I. diplomata (MGH DD F I, 1-5), Heinrich APPELT und andere (hg), 151.20 PLASSMANN, Struktur, S. 17.21 UEBACH, Ratgeber, S. 19.22 HAUSMANN, Reichskanzlei, S. 115.
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immerhin in 15 Prozent. Beide bezeugten Urkunden auch außerhalb des
Rheinlands, Arnold in Metz, im Elsaß, Burgund, Konstanz, Worms und
Frankfurt, Friedrich in Würzburg, Ulm und Augsburg. Zudem war letzterer
bei dem zweiten Italienzug vertreten. Sein Nachfolger Rainald von Dassel
wird als Kanzler später eine nähere Betrachtung finden. Zu guter Letzt ist
noch Philipp von Heinsberg zu nennen, der ab 1167 das Amt übernahm und
in 24 Prozent der deutschen Urkunden als Zeuge auftritt, und zwar an vielen
Orten außerhalb des Rheinlands, jedoch nie südlich von Worms, und
besonders in der Zeit der Konflikte zwischen Friedrich I. und Heinrich dem
Löwen.23 Die politische Verbindung von Erzbischof Arnold zu Friedrich I.
Erwuchs aus den Verhandlungen zur Königswahl 1152, da der Kölner
Erzbischof das Krönungsrecht inne hielt. In Konsequenz daraus erzielte er
kurz nach der Krönung einen Fürstenspruch zur Unveräußerlichkeit der
erzbischöflichen Tafelgüter. Als Erzkanzler von Italien erhielt seine
Stellung während des Romzuges Friedrichs zusätzliches Gewicht und seine
Erfahrung als Diplomat und Gesandter förderten sein Ansehen zusätzlich.24
Die Erzbischöfe von Mainz finden sich im Schnitt in 14 Prozent der
deutschen Urkunden, wobei nicht aus dem Blick verloren werden sollte,
dass Erzbischof Heinrich aufgrund seiner Parteinahme für den Sohn König
Konrads III. nie am Hof war und sein späterer Nachfolger Christian von
Buch als Gesandter in Italien fungierte. Der ehemalige Reichskanzler
Arnold von Selehofen, der Heinrich nachfolgte, bezeugte Urkunden in
Franken, Dortmund und Augsburg.25 Da Arnold als Ministerialer von
Friedrich I. als Erzbischof unter Umgehung der Mainzer Bürger und der
Ministerialenfamilie Meingote eingesetzt wurde, ist seine Bindung an den
König recht offenkundig.26 Seine Besuche am Kaiserhof waren nicht zuletzt
darin motiviert Unterstützung gegen die wachsende Opposition in Mainz zu
finden. Nach seinem gewaltsamen Tod durch die Mainzer Bürgerschaft
wurde Konrad von Wittelsbach sein Nachfolger und ist wiederum in 28
Prozent der Zeugenlisten auffindbar, nachdem kurzzeitig Christian von
Buch als Gegenkandidat zum durch die Mainzer Bürger eingesetzten Rudolf
von Zähringen eingesetzt war. Aufgrund seiner Parteinahme für Alexander
23 PLASSMANN, Struktur, S. 96f.24 UEBACH, Ratgeber, S. 27ff.25 PLASSMANN, Struktur, S. 97ff.26UEBACH, Ratgeber, S. 158.
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III. übernahm der ehemalige Kanzler Christian von Buch dann wieder den
Stuhl des Erzbischofes von Konrad, dessen Amt nach seinem Tod wieder
durch Konrad eingenommen wurde. Dieser fand sich regelmäßig in
Sachsen, im Elsaß, Schwaben und Bayern am Hof ein und übte sowohl in
Mainz als auch Erfurt die Gastungspflicht aus, was einerseits eine
erhebliche Belastung bedeutete, andererseits aber auch eine entsprechende
Königsnähe ermöglichte.27
Die Erzbischöfe von Trier sind an 10 Prozent der deutschen Urkunden als
Zeugen beteiligt, außerhalb des Rheinlandes in Bamberg, Würzburg, Worms
und Gelnhausen. Möglicherweise beeinflusst die Randlage im Reich die
Aktivität am Hofe negativ.28
Erzbischof Eberhard von Salzburg ist bis 1154 häufiger in Regensburg
und einmal in Bamberg als Zeuge zu finden, nach seiner Parteinahme für
Alexander III. erscheint er trotz Aufforderung erst wieder 1163 in Mainz am
Hof.
Erzbischof Wichmann von Magdeburg ist in 17 Prozent der Urkunden
vertreten, wobei er bei elf von zwölf Aufenthalten des Hofes in Sachsen
anwesend ist und auch außerhalb Sachsens primär in der Reichsmitte
Urkunden bezeugt. Zu nennen sind hier unter anderem Worms, Mainz,
Gelnhausen, Würzburg und Bamberg, dazu Regensburg und das
Rheinland.29 Auch er hat seine Position dem Eingreifen von Friedrich I. zu
verdanken.30
Zu guter Letzt sei noch der Bischof von Bamberg genannt, der keinem
Metropoliten unterstand und damit einen ähnlichen Rang innehält wie die
deutschen Erzbischöfe. Eberhard von Bamberg wird bis zu seinem Tod
1170 in 20 Prozent der deutschen Urkunden als Zeuge genannt, unter
anderem dreimal in Regensburg, dreimal in Sachsen und Thüringen, dazu in
Rheinfranken und Schwaben. Nach dem zweiten Italienzug sinkt seine
Aktivität von 25 Prozent ab 1162 auf 11 Prozent.31
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der näheren Betrachtung der Hofpräsenz
der verschiedenen Herzöge des Reiches.
27 PLASSMANN, Struktur, S. 188ff.28 Ebd., S. 100f.29 Ebd., S. 22f.30 UEBACH, Ratgeber, S. 31.31 PLASSMANN, Struktur, S. 162f.
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Heinrich der Löwe, der Herzog von Sachsen und Bayern, beispielsweise
findet sich in 60 Prozent der deutschen Urkunden, nicht nur in seinen
Herzogtümern Sachsen und Bayern, sondern über das ganze Reichsgebiet
verteilt.32 Mit ihm bezeugen elf von 35 seiner von ihm abhängigen Grafen
außerhalb Sachsens Urkunden, sind also mit ihrem Herzog am Hof
präsent.33 Seine enge Verwandtschaft, der gleiche Stand und das ähnliche
Alter begünstigte das Vertrauensverhältnis von Heinrich dem Löwen zu
Friedrich I.
Friedrich von Rothenburg, Herzog von Schwaben und Vetter Friedrich I.,
ist ab dem Juli 1153, also ab seinem achten Lebensjahr, als Zeuge in den
Urkunden nachweisbar, und zwar in den meisten Regionen des Reiches. Bis
zu seinem Tod 1167 auf dem vierten Italienzug ist er in 28 Prozent der
deutschen Urkunden vertreten.34
Herzog Matthäus von Oberlothringen ist bis zum Ende des vierten
Italienzuges in 16 Prozent der Urkunden vertreten mit einem besonderen
Schwerpunkt im Rheintal, von Aachen über Worms und Speyer bis nach
Basel, sowie in Metz und Trier, wobei in seinem Gefolge zweimal Graf
Folmar von Blieskastel, die Grafen von Salm und der Freie Kuno von
Malberg an den Hof kamen.35
Herzog Wladislaw von Böhmen, ab 1158 aufgrund seiner Militärhilfe
gegen Mailand König von Böhmen, begleitete Friedrich I. nicht nur auf dem
zweiten Italienzug, sondern ist als Zeuge auch in Bamberg, Regensburg und
Altenburg nachweisbar, sein Bruder Theobald wird in Burgund als Zeuge
heran gezogen. Bemerkenswert ist, dass der Prätendent auf den böhmischen
Herzogstitel Ulrich, der Wladislaws Sohn Friedrich 1174 ersetzte, um dann
wieder Friedrich Platz zu machen, mehrere Jahre am Hofe Friedrich I.
Zuflucht fand und häufig mit in die Zeugenlisten aufgenommen wurde.36
Herzog Heinrich V. von Kärnten ist nur 1152 in Würzburg und 1156 in
Regensburg als Zeuge nachweisbar, beteiligt sich jedoch am ersten und
zweiten Italienzug. Sein Nachfolger Hermann findet sich nur einmal in
32 Ebd., S. 21f.33 Ebd., S. 36f.34 Ebd., S. 215f.35 Ebd., S. 126f.36 Ebd., S. 66f.
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Kärnten selbst und einmal in Regensburg auf einer Zeugenliste. Der Grund
der geringen Hofpräsenz findet sich in der Randlage Kärntens.37
Um die Frage beantworten zu können, in wie weit Fürsten des Reiches wie
beispielsweise Herzog Heinrich der Löwe als aktivster Urkundenzeuge der
ersten Jahre den Königshof nördlich der Alpen dauerhaft begleitet haben
und somit mit ihrem eigenen Tross Teil des königlichen Hofes wurde, oder
nur punktuell an einzelnen Aufenthaltsorten am Hof erschienen, ist es
notwendig, die entsprechenden Itinerare zu vergleichen. Herangezogen
werden hierfür das Itinerar von Friedrich Barbarossa, erstellt von Ferdiand
Opll38, und das Itinerar von Heinrich dem Löwen, erstellt von Johannes
Heydel39. Diese Aufstellung wird ergänzt mit anderen Fürsten des Reiches,
soweit ihre Anwesenheit am Hof nachweisbar ist.40 Die Betrachtung beginnt
im März 1152 bei der Königswahl Friedrichs I. und endet mit dem ersten
Italienzug.
Sowohl Friedrich als auch Heinrich begeben sich zur Königswahl am 4.
März 1152 nach Frankfurt und reisen zur Krönung Friedrichs nach Aachen,
wo sie mindestens vom 9. bis zum 12. März bleiben. Hier startet Mitte März
der Umritt.41 Die Reise führt über Utrecht und Deventer nach Köln, wo
beide vom 30. März bis zum 20. April verbleiben, um dann dem Hellweg
folgend von Dortmund über Soest und Paderborn nach Goslar zu reisen,42
wo sie auf Otto von Wittelsbach treffen. Auf dem Reiseabschnitt von
Frankfurt bis Köln begleiten zudem Welf VI. und Markgraf Albrecht von
Brandenburg den Hof. Ob sich Heinrich der Löwe die Reise über den
Hellweg durchgehend am Hof befunden hat, ist umstritten, da seine
Anwesenheit an den Zwischenstationen nicht nachweisebar ist.43 Beide
verbringen den an Pfingsten anberaumten Hoftag in Merseburg.44 Ab diesem
Zeitpunkt gibt es keine Informationen über den Verbleib Heinrichs.45
Stattdessen schließt sich Markgraf Konrad von Meißen dem Hof an und
37 Ebd., S. 93f.38 OPLL, Itinerar Barbarossas.39 HEYDEL, Itinerar Heinrichs.40 Wegweisend, leider aber nur für die ersten Jahre der Herrschaft Barbarossas ist PATZE, Barbarossa, S. 35-76. 41 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 18f.42 OPLL, Itinerar Friedrich Barbarossas, S. 165.43 PATZE, Barbarossa, S. 37.44 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas, S. 165.45 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 20f.
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folgt ihm bis nach Regensburg, ähnlich wie Albrecht von Brandenburg. Hier
finden sich neben einer ganzen Reihe geistlicher und Laienfürsten aus dem
südlichen Reichsgebiet auch wieder Otto von Wittelsbach mit seinen
Söhnen Otto dem Jüngeren und Friedrich ein.46 Friedrich I. reist von
Merseburg aus über Erfurt (Ende Mai) nach Regensburg (29.6.), Augsburg
(Juli) bis nach Ulm (25.7.).47 Hier verlassen Albrecht von Brandenburg und
Welf VI. den Hof wieder.48 Der Hof reist weiter nach Speyer (19.8.), Worms
(24.8.), zurück nach Speyer (25.8.), Fulda (September) und dann am 13.
Oktober zum Hoftag nach Würzburg,49 wo Welf IV. wieder zum Königshof
stößt. Hier ist auch Heinrich der Löwe zwischen dem 17. und 24. Oktober
nachweisbar. Der Weg des Hofes führt über Nürnberg (31.10.) und Mainz
(12.12.) nach Trier, um dort das Weihnachtsfest zu feiern. Anwesend sind
neben Heinrich dem Löwen50 die Erzbischöfe Hillin von Trier und Arnold
von Köln und die Herzöge Welf VI., Matthäus von Oberlothringen und
Gottfried von Löwen.51
Am 10. Januar 1153 findet sich der Hof in Metz ein. Zusammen sind
Friedrich I. und Heinrich der Löwe wieder nachweisbar in Hohenburg
(27.1.), Colmar (30.1.), Mülhausen im Elsaß (4.2.), Besançon (15.2.) und
Baume-les-Dames (18.2.).52 Otto von Wittelsbach, der in Würzburg zum
Hof dazu gestoßen war, verlässt nun nach rund vier Monaten wieder den
Königshof.
Heinrich der Löwe urkundet am 29.4. in Königslutter in Sachsen, verlässt
daher vermutlich nach dem 18.2. den Königshof und reist zurück in sein
Herzogtum.53 Der Königshof verbringt in diesem Zeitraum einige Zeit in
Konstanz (4.3. bis 28.3.), besucht über Ostern Bamberg (19.4. bis 24.4.) und
trifft am 29.5. in Heiligenstadt (im Eichsfeld) wieder mit Heinrich
zusammen. Beide verbringen Pfingsten in Worms (7.6. bis 14.6.).54 Ab
diesem Zeitpunkt versammeln sich nach Otto von Freising die Bayrischen
Großen in Regensburg aufgrund des Streites zwischen Heinrich dem Löwen
und Heinrich von Bayern. Aufgrund der Thematik des Treffens liegt es 46 PATZE, Barbarossa, S. 37.47 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas, S. 16548 PATZE, Barbarossa, S. 37.49 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 165.50 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 21.51 PATZE, Barbarossa, S. 64.52 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 165f.53 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 127.54 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 167.
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nahe, dass auch Heinrich der Löwe vor Ort ist. Am 1.11. sind beide wieder
zusammen in Köln nachweisbar und Anfang Dezember befinden sich beide
in Speyer, wieder bei einer Unterredung zwischen Heinrich dem Löwen und
Heinrich von Bayern. 55
Friedrich Barbarossa ist am 17. Januar 1154 immer noch in Speyer und
beide sind am 2.56 beziehungsweise 3. Februar in Bamberg. Die
Anwesenheit Heinrichs am Hofe ist ab diesem Punkt unklar, Friedrich
erreicht am 26.2. Ulm und zu Ostern, am 4. April, ist er in Magdeburg
anzutreffen, um von dort nach Quedlinburg (11.4.) weiter zu reisen. Es ist
hierbei möglich, dass Heinrich als Herzog von Sachsen den Hof während
seiner Anwesenheit in Sachsen begleitet hat, dies ist jedoch nicht
nachzuweisen. Erst in Worms (3.5.) ist Heinrich im Umfeld des Königs
wieder nachweisbar.57 Auch ab hier ist wieder unklar, ob Heinrich auf
direktem Wege zurück nach Sachsen gereist ist, während Friedrich über
Göppingen und Batzenhofen bei Augsburg (17.5.) den Süden des Reiches
aufsuchte, um dann wieder in Goslar (27.5.) zum Hoftag zu erscheinen.58
Hier treffen die Wege Friedrichs und Heinrichs wieder aufeinander und hier
wird auch aufgrund des wiederholten Nichterscheinens Heinrichs
Jasomirgotts Bayern Heinrich dem Löwen zugesprochen. Während
Friedrich vermutlich wieder dem Hellweg folgend nach Dortmund reist und
dort am 17. Juni erscheint, urkundet Heinrich am 3. Juni in dem rund 40 km
von Goslar entferntem Herzberg, soll jedoch auch am 17. Juni dort
urkunden,59 während er gleichzeitig 220 km weiter in Dortmund in einer
Zeugenliste eines königlichen Diploms für den Herzog Gottfried von
Brabant auftaucht. Es ist wahrscheinlicher, dass er nach einem kurzen
Abstecher nach Herzberg entweder mit dem Königshof oder diesem folgend
über den Hellweg nach Dortmund gereist ist. Da Friedrich und Heinrich erst
wieder nachweislich Anfang Oktober zur Heerschau auf dem Lechfeld bei
Augsburg zusammen treffen, liegt die Vermutung nahe, dass Heinrich von
Dortmund zurück nach Sachsen gereist ist, um seinen Teil des Heeres für
den ersten Italienzug zusammen zu stellen. Den gesamten Italienzug
begleitet Heinrich den König und verlässt den Hof erst wieder nach seiner
55 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 24ff.56 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 168.57 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 26.58 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 12.59 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 26 und S. 127.
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Rückkehr aus Italien im Oktober 1155, nachdem sich das Heer auf dem
Hoftag in Regensburg wieder auflöste.60
Es zeigt sich bei diesem Abgleich also, dass grade in den ersten Jahren und
besonders beim Umritt Friedrich I. nach seinem Herrschaftsantritt Heinrich
der Löwe wie auch andere hochrangige weltliche und geistliche Fürsten des
Reiches zum Teil über Monate hinweg im Umfeld des Königshofes
anwesend waren, nicht zuletzt um aufgrund der durch die Krönung Friedrich
I. neu gestaltbaren politischen Landschaft persönlich Einfluss auf die
politische Ausrichtung des neuen Königs nehmen zu können. Da Heinrich
der Löwe wiederholt vom Königshof über größere Strecken nach Sachsen
und wieder zurück gereist ist, ist es wahrscheinlich, dass er nicht als
Einzelperson mit dem Hof mitreiste, sondern, wie es auch die Zeugenlisten
nahelegen, mit einigen seiner von ihm abhängigen Grafen und Ministerialen
und auch dem nötigen Tross aus Notaren, Bediensteten und Pferden
Friedrich Barbarossa begleitete. Ähnliches gilt auch für die anderen Fürsten,
da auch ihre Herrschaftsausübung im 12. Jahrhundert trotz erster Anfänge
von Territorialisierung und Residenzenbildung durch die Reiseherrschaft
geprägt war.61
Neben Erzbischöfen und Herzögen waren natürlich auch Bischöfe, Äbte,
Markgrafen, Grafen und Ministeriale, besonders Reichsministeriale, mehr
oder weniger regelmäßig zu Gast am Hofe, sowohl im Gefolge ihrer Herren
als auch eigenständig. Besonders die großen Familien, die Ludowinger,
Wettiner, Wittelsbacher, Babenberger, Welfen und Zähringer waren laut der
Zeugenlisten regelmäßig am Hof vertreten, soweit dies nicht aufgrund von
politischen Spannungen wie bei den Zähringern wegen Streitigkeiten in
Schwaben und später der Verdrängung des Einflusses Bertholds von
Zähringen auf Burgund durch die Heirat mit Beatrix62 eingeschränkt wurde.
Nach 1167 nehmen die Hofbesuche allgemein merklich ab, was sich
einerseits auf die starke Beanspruchung der Reichsfürsten auf den
Italienzügen und dem Scheitern der Italienpolitik Friedrich I.63 und
andererseits der wachsenden Fokussierung auf die eigenen Territorien und
der geringeren Erwartung auf Belohnungen für Reichsdienste zurück führen
60 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 29ff.61 BUMKE, Höfische Kultur, S. 75.62 PLASSMANN, Struktur, S. 139.63 KEUPP, Dienst, S. 342.
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lässt. Auf der Ebene der Grafen und Edelfreien macht sich dieser Schwund
jedoch nicht bemerkbar, und grade in den späteren Jahren der Herrschaft
Friedrich I. steigt die Zahl der Grafen, Edelfreien und Ministerialen am
Hofe, die politischen Einfluss ausüben,64 was sich einerseits auf die
Tatsache zurück führen lassen kann, dass aufgrund fehlender Reichsfürsten
die Zeugenlisten mit den Personen aufgefüllt wurden, die ansonsten noch
vor Ort sind, andererseits aber auch damit, dass die freiwerdenden Plätze in
Königsnähe und damit der direktere Zugriff auf die königliche Huld eine
immer stärkere Anziehungskraft auf diesen Personenkreis entwickelte.
Statistisch betrachtet lässt sich zudem beobachten, dass die Quote von
Urkunden, in denen überhaupt Ministeriale zeugen, von rund 20 Prozent in
den Anfangsjahren der Herrschaft Friedrich I., davon rund 12 Prozent
Reichsministeriale, auf bis zu 80 Prozent, davon 75 Prozent
Reichsministeriale, im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft anwächst. Dieses
Verhältnis findet sich bei Heinrich VI. mit 78 Prozent und Philipp von
Schwaben mit 78 Prozent wieder, womit sich ein längerfristiger
Politikwechsel abzeichnet. Zum Ende der Herrschaft Friedrich I. hatte sich
somit der Hof von einem Sammelpunkt der Großen des Reiches zu einem
Treffpunkt der ministerialischen familia des Kaiserhauses gewandelt.65
Nicht aus den Augen zu verlieren ist, dass die Zeugenlisten keinen
beständigen Querschnitt über die anwesenden Besucher am Hofe bieten.
Während Reichsfürsten alle Angelegenheiten bezeugen konnten, wurden
Zeugen von geringerem Rang nur heran gezogen, wenn sie in einem
Zusammenhang zum entsprechenden Rechtsgeschäft stammten
beziehungsweise aus der im Rechtsgeschäft Bezug genommenen Region
standen, wobei die Höhe des Ranges mit der Weite des Zusammenhangs
korreliert.66 Somit bedeutet zwar eine Zeugennennung, dass die jeweilige
Person zu diesem Zeitpunkt am Hof weilte, jedoch weist das Fehlen der
Nennung nicht zwingend auf deren Abwesenheit hin.
Nichtsdestotrotz zeigen die Zeugenlisten, dass die Besucher zahlreich und in
ihren Rängen weit gefächert waren. Grade bei längerer Anwesenheit wie
beispielsweise bei Heinrich dem Löwen oder Otto von Wittelsbach ist zu
erwarten, dass entsprechend hochrangige Besucher eine gewisse Zahl an
64 PLASSMANN, Struktur, S. 226f.65 KEUPP, Dienst, S. 341f.66 PLASSMANN, Struktur, S. 222.
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Begleitern mit sich führten, von Verwandten und Beratern über Schreiber,
Bedienstete und Lehnsmänner bis hin zu eigenen Bewaffneten, besonders
wenn Ankunft am oder Abreise vom Hof in größerer Entfernung zu ihrem
eigenen Einflussbereich stattfand und damit eine längere An- oder Abreise
zu erwarten war.
Neben den Zeugenlisten und Itineraren ermöglichen auch andere Quellen
tiefere Einblicke auf die Anziehungskraft des Hofes für Ministeriale. Als
Beispiel ist ein tragischer Unfall am 26. Juli 1184 in Erfurt zu nennen.
Während eines Treffens, bei dem Heinrich VI. im Auftrag seines Vaters
einen Zwist zwischen dem Erzbischof von Mainz und dem Landgrafen von
Thüringen beilegen sollte, stürzte der Boden des Hauses, entweder ein Teil
der Pfalz oder das Haus des Probstes der Kirche St. Marien von Erfurt, ein
und riss einen Teil der Anwesenden in die darunter liegende Sickergrube.
Zu Tode kamen dabei je nach Quelle fünf oder sechs Grafen und zwischen
66 und 100 Ritter, die bei dieser Unterredung vor Ort waren. Da sich
Heinrich VI., sein Kanzler, Erzbischof Konrad und der Landgraf von
Thüringen zum Zeitpunkt des Unfalls in einer Fensternische aufhielten,
konnten sie mit Leitern gerettet werden.67 In diesem Fall zeigt sich als kurze
Momentaufnahme, dass sich alleine an diesem einen Ort zu diesem
Zeitpunkt rund hundert Ministeriale eingefunden haben, 'nur' aufgrund der
Anwesenheit des Erzbischofes und des Mitkönigs. Da kaum alle
Ministeriale aus dem Umfeld Heinrich VI. in diesem Gebäude anwesend
waren und auch nicht alle Anwesenden zu Tode gekommen sein werden,
tritt die enorme Anziehungskraft des Hofes auf die Ministerialität in diesem
Kontext besonders deutlich zu Tage.
Ein ähnlich spannendes Bild zeichnet die Anwesenheit des Bischofs von
Prag am Hof, der aufgrund einer zu erwartenden Entscheidung über einen
sein Bistum betreffenden Rechtsstreit 1196 fast ein halbes Jahr am Hof des
Königs verweilte. Er verblieb diese Zeit mit 70 Pferden und entsprechend
einer ähnlichen Zahl Männern am Hof, wobei er ursprünglich die Kosten
seines Aufenthaltes selbst tragen musste, jedoch Friedrich I. nominell die
Hälfte der Kosten in Naturalien für ihn übernahm, und zwar in so einem
großzügigen Maße, dass auch ein Gutteil des Auskommens seiner anderen
67 VON GIESEBRECHT/VON SIMSON, Kaiserzeit, 607ff.
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Begleiter hierdurch bestritten werden konnte.68 Hieraus lassen sich zwei
Schlüsse ziehen: Erstens war ein Bischof über längere Zeit mit 70 Personen
am Hof vertreten, was ein Schlaglicht auf die Größe der Begleitung höher
gestellter Persönlichkeiten am Hof wirft, und zweitens war er grundsätzlich
zur Selbstversorgung verpflichtet, es war aber durchaus möglich, dass der
königliche Hof dies zumindest zum Teil für ihn übernahm. Zu bedenken ist
hierbei, dass die nötigen Nahrungs- und Futtermittel aus der Region
angeliefert werden mussten, egal wer am Ende die Rechnung dafür bezahlen
musste. Die Belastung für den jeweiligen Landstrich blieb damit gleich.
3.2. Die Hofämter
In kurzen Worten fasst Wolfram von Eschenbach die Funktionen der
Hofämter zusammen: │ein marschalc solde vuoter geben; │ die des
trinkens wolden leben, │ die solden zuo dem schenken gên; │ der truhsaeze
solde stên │ bi dem kezzel, sô des waere zît; │ der kaemeraere sol machen
quît │ pfant den, die´ twinget nôt.69 Im Bereich der Hofversorgung und –
verwaltung sind so treffend die Aufgabenfelder abgesteckt, die die
Hofämter einnehmen sollen. Der Marschall kümmert sich um die
Versorgung der Pferde, die, wie später gezeigt wird, mit einem nicht
unerheblichen Aufwand verbunden war, der Mundschenk versorgt den Hof
mit Getränken, der Truchseß mit Nahrungsmitteln und der Kämmerer wacht
über die Finanzen. Soweit mögen die ursprünglichen Aufgabenfelder der
Hofämter umschrieben sein, wie sie im 10. Und 11. Jahrhundert durch
Angehörige der unfreien familia ausgeübt wurden, aber seit dem Beginn des
12. Jahrhunderts gesellt sich das Element der Repräsentation hinzu, das die
Hofämter mit steigendem Prestige versah und so zu begehrenswerten
Statussymbolen machte. Sie waren für die jeweiligen Ministerialen zudem
auch wirtschaftlich profitabel, da ihre Inhaber gegenüber ihren
Standesgenossen durch finanzielle Zuwendungen, Pferde und Zierrat in
ihrem Status hervor gehoben wurden. Entsprechend waren die jeweiligen
Ministerialenfamilien sehr motiviert, diese Ämter erblich werden zu lassen.
68 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis a. 1167-1198, in: MGH SS 17, Wilhelm WATTENBACH (hg.), S. 692.69 Wolfram von Eschenbach, Willehalm. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen, Joachim HEINZLE (hg.) (Altdeutsche Textbibliothek 108), Buch IV, 212.
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Trotz dieser prestigeträchtigen Aufwertung zu Ehrenstellungen am Hofe
mussten die ursprünglichen Aufgaben, die Aufrechterhaltung der
Versorgung des Hofes, weiterhin erfüllt werden. Erst um 1300 wurde
versucht der steigenden Zweckentfremdung entgegen zu wirken, indem die
Hofmeisterämter (magister curiae) einführt wurden, die sich jedoch auch
bald zu reinen Prestigerängen wandelten.70
Kernaufgabe des zumeist als innerhalb des Hofes ranghöchster Amtsträger
angesehenen Truchsesses blieb die Nahrungsmittelversorgung und am
Herrscherhof allenfalls in Ausnahmefällen der persönliche Dienst an der
Tafel des Königs. Der Marschall war neben der Versorgung der Pferde für
die Quartiernahme und die Organisation des Hofes genauso zuständig wie
für die Vorbereitung der Wege und Brücken und die Jurisdiktionsgewalt
innerhalb des Lagers. Zudem musste er die Marschformation und die
Positionierung der Schlachtreihen im Heer koordinieren und nach Gefechten
die korrekte Aufteilung von Beutestücken und Pferden überwachen.71 Seit
Konrad III. sind in diesem Amt Mitglieder der Ministerialenfamilie von
Pappenheim belegt.72 Eine nähere Betrachtung der Facetten seines
Aufgabenbereiches findet sich in Kapitel 5. Die Versorgung des Hofes mit
Wein und Bier und die Überwachung der Kellereien fallen nominell in den
Dienstbereich des Mundschenks, diese Arbeiten lassen sich im Umfeld des
Stauferhofes jedoch nicht nachweisen. Ähnlich liegt es beim Kämmerer,
dessen ursprüngliche Aufgabenfelder die Sorge um die Schlaf- und
Schatzkammer seines Herren umfasste und ihn zu Strafmaßnahmen gegen
Wucherer im Feldlager ermächtigte. In wie weit dieser Dienst die
Überwachung der Einnahmen durch Regalien und andere Quellen umfasste,
lässt sich anhand der Quellen nicht nachvollziehen. Andererseits werden
auch diese Aufgaben ausgeführt worden sein, nicht zuletzt, da die Gier nach
Gold beim königlichen Fiskus bereits unter Zeitgenossen für Unmut
sorgte.73 Zudem fiel der Schutz der jüdischen Bevölkerung in seinen
Bereich. Unter Friedrich I. machte sich hierbei besonderes der Kämmerer
Cuno von Münzenberg verdient.74 Als Schlafkammer seines Herren kann
nach Wolfram von Eschenbach auch das jeweilige Wohnzelt des Königs
70 BRÜHL, Fodrum, S. 166.71 KEUPP, Dienst, S. 174.72 Ebd, S. 181.73 Ebd, S. 357ff.74 Ebd, S. 174.
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verstanden werden. Der Kämmerer ist auch für Auf-, Um- und Abbau dieser
Unterkunft zuständig.75
Für die Unterbringung des Hofes sind somit allgemein gesprochen primär
der Marschall und der Kämmerer verantwortlich,76 während die Versorgung
getrennt nach dem Versorgungsgut durch alle vier Hofämter sicher gestellt
wird.
Diesen Ämtern untergeordnet waren eine Reihe von Untergebenen, die in
Quellen punktuell als stratores, subofficiati, schaffaere und minnere
diestmannen bezeichnet wurden. Es erscheint im ersten Moment trivial, dass
für die Versorgung auch Köche, Bäcker, Schneider, Stellmacher und diverse
Handwerker benötigt wurden, von Hof- und Kammerdienern ganz zu
schweigen, jedoch sollte ihre Zahl, auch wenn sie in Chroniken oder
Urkunden für gewöhnlich nicht erwähnt genannt werden, nicht unterschätzt
werden.
3.3. Hofkanzlei und Hofkapelle
Die Ausfertigung von Kaiserurkunden und die Arbeit in der Kanzlei wurde
durch Hofgeistliche, die Kapellane, vorgenommen. Die Ämter innerhalb der
Kanzlei konnten dabei als Karrieresprungbrett für klerikale Karrieren im
Reich gelten und wurden üblicherweise aus vornehmen Familien besetzt.
Wie bei anderen Hofämtern ist es auch bei der Hofkanzlei nötig Titel und
Funktion zu trennen. An der Spitze der Hierarchie stehen die Erzkanzler. Ihr
nomineller Aufgabenbereich lässt sich wie folgt aufschlüsseln: Der
Erzbischof von Mainz war gleichzeitig der Erzkanzler Deutschlands, der
Erzbischof von Köln der Erzkanzler Italiens und mit der Heirat Friedrichs
mit Beatrix wurde Erzbischof Stephan von Vienne der Erzkanzler von
Burgund. Die Erzkanzlerwürde wurde als Pertinenz der Regalien des
jeweiligen Erzbistums angesehen. Dies bedeutet nicht, dass die Erzkanzler
tatsächlich beständig den Hof begleiteten und die Kanzlei beaufsichtigten,
es handelt sich vielmehr um Ehren- bzw. Hofämter. Stattdessen erscheinen
die Kanzler in Vertretung der Erzkanzler in der Rekognition. Einzig Rainald
von Dassel nahm, motiviert durch sein reges Interesse an Italien, noch als
Erzkanzler die Rekognition selbst vor.75 Wolfram von ESCHENBACH, Parzival, Peter KNECHT (Übers.), 799, 15ff.76 BRÜHL, Fodrum, S. 165.
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Die Kanzler (cancellarii) wiederum waren auch zu einem guten Teil als
Legaten, Diplomaten, delegierte Richter und Heerführer unterwegs, konnten
daher auch nur unregelmäßig das Tagesgeschäft der Kanzlei überwachen.
Bemerkenswert hierbei ist, dass sieben von neun Kanzlern später Bischöfe
oder Erzbischöfe wurden, und zwar Arnold von Selehofen (Erzbischof von
Mainz), Reinald von Dassel (Erzbischof von Köln), Ulrich (Bischof von
Speyer), Christian von Buch (Erzbischof von Mainz), Philipp von Heinsberg
(Erzbischof von Köln), Godefrid von Helfenstein (Bischof von Würzburg)
und Johannes (Erzbischof von Trier), die restlichen beiden, Zeizolf und
Heinrich, verstarben vermutlich in ihrem Amt.77 Es zeigt sich hier, dass
innerhalb der Kanzlei königstreue Kleriker ausgebildet wurden, die später in
hohe Kirchenämter aufstiegen.
Zusätzlich zum Kanzler wurde unter Konrad III. das Amt des Pronotars
(protonotarius curie) eingeführt und mit Magister Heinrich besetzt, der
zuvor Hofnotar (notarius curie) war. In diesem Amt war er für besondere
Aufgaben wie die Erledigung finanzieller Angelegenheiten sowie
diplomatischer Missionen und Korrespondenzen zuständig, genauso aber
wie der jeweilige Kanzler nicht für das Tagesgeschäft der Kanzlei. In dieser
Position wurde Magister Heinrich von Friedrich I. übernommen. Nach
seiner Ablösung durch Wortwin wurde er Propst zu St. Stephan in Mainz.
Wortwin war unter anderem 1177 der kaiserliche Bevollmächtigte beim
Abschluss des Vertrages zwischen Friedrich I. und dem König Wilhelm II.
von Sizilien und mundierte die kaiserliche Vertragsurkunde auch. Für seine
Dienste wurde er mit mehreren Propsteien belohnt. Sein Nachfolger ab 1182
wurde Rudolf, vorher Notar in der Reichskanzlei, der später zum Bischof
von Verden aufstieg. Seit 1188 hatte dann Magister Heinrich von Utrecht
das Amt inne, ehemals Mitglied der Kanzlei von Heinrich VI. und danach
Bischof von Worms.
Die eigentliche Arbeit wurde von Notaren erledigt, die aufgrund ihrer
Stellung seltenst in Zeugenlisten genannt wurden und daher zumeist
anonym bleiben.78 Zur besseren Unterscheidung werden sie daher, soweit
ihr Name nicht bekannt ist, nach dem Konzept von Theodor Sickel mit dem
Namen des jeweils im Amt befindlichen Kanzlers und einem Buchstaben
benannt, der für die Anzahl der zuvor in dessen Diensten bekannten Notare 77 BRESSLAU, Urkundenlehre, S. 508f.78 APPELT, Kanzlei, S. 17ff.
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steht. So ist Rainald C (RC) der dritte Notar unter Kanzler Rainald von
Dassel.
Unter den verschiedenen Kanzlern dienten etwa 23 Notare innerhalb der
Amtszeit Friedrichs I., zeitweise mehrere gleichzeitig. Eine chronologische
Betrachtung ihrer Tätigkeit in den ersten 15 Jahren von Friedrichs
Herrschaft sollte einen Überblick über ihre Anwesenheit am Hof
ermöglichen.
Nach seiner Königswahl im März 1152 übernahm Friedrich I. die drei
Hauptnotare seines Vorgängers Konrad III., Wibald, Heribert und Arnold H.
Da Wibald und Heribert oft aufgrund diplomatischer Missionen unterwegs
waren, fasste Arnold H die meisten Diplome der ersten Wochen ab.79 Bei
Wibald handelt es sich um Abt Wibald von Stablo und Corvey, dem
Ersteller des Codes Wibaldi, einer Sammlung von Striftstücken, an deren
Erstellung er auf verschiedene Weise beteiligt war. Der Notar Heribert ist
mit Magister Heribert identisch, der Propst des Marienstiftes in Aachen
wurde und damit Haupt der Hofkapelle und später Erzbischof von
Besançon. Bei Arnold H handelt es sich möglicherweise um den
königlichen Kaplan Albert.80 Im April 1152 ist zudem Arnold II. C
nachweisbar, ein ehemaliger Kanzleimitarbeiter der römischen Kurie. Er ist
bis Ende 1152 Hauptnotar und wird von Arnold II. D unterstützt, findet sich
aber ab Anfang 1153 nur noch sporadisch in den Urkunden. Ab diesem
Zeitpunkt übernimmt Arnold II. D, vermutlich vom Niederrhein stammend,
seine Aufgaben und begleitet Friedrich I. auf seinem ersten Italienzug. Hier
erscheint Arnold II. C gelegentlich als Mundator, um ab Beginn 1155
wieder regelmäßig den Hof zu begleiten. Ab dem April 1154 arbeitet
Zeizolf B als Notar in der Reichskanzlei und übernimmt ab August 1155 mit
dem Verschwinden Arnolds II. die Hauptaufgaben, verlässt aber nach der
Rückkehr des Hofes nach Deutschland im September 1155 die Kanzlei
wieder. Zu diesem Zeitpunkt übernimmt Arnold H den Notardienst, ab
Anfang 1156 unterstützt durch Arnold II. E, der möglicherweise aus dem
Bistum Konstanz stammt. Dieser arbeitet als eine Art Sekretär in der
Kanzlei für Arnold H. Arnold II. E mundiert zuvor 1152 als Notar ein
Privileg.
79 ZEILLINGER, Notare, S. 551.80 APPELT, Kanzlei, S. 24.
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Ab Februar 1156 tritt Rainald C unter der Anleitung von Arnold H und
Heribert in die Kanzlei ein. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Wandel der
Arbeitshierarchie zu beobachten. Während zuvor mehrere Notare
unabhängig voneinander arbeiteten, werden nun neue Schreiber angelernt
und mundieren zuerst nur nach dem Diktat des leitenden Notars, bevor sie
selbstständig arbeiten dürfen. Dieser Wandel fällt nicht zufällig mit der
Übernahme der Reichskanzlei durch Rainald von Dassel zusammen. Erster
dieser leitenden Notare ist Arnold H, der Arnold II. E, Rainald C (in dessen
erster Arbeitsperiode), Rainald D und Zeizolf B (in dessen zweiter
Arbeitsperiode) anlernt. Arnold H scheidet 1158 aus und wird in seiner
Position von Rainald G abgelöst.81
Rainald C wird das erste Mal im Februar 1156 in der Kanzlei tätig und
arbeitet kontinuierlich von Anfang 1157 bis Juli 1157. Die Ähnlichkeiten in
seinen Formulierungen mit Arnold H lassen hier den Einfluss Arnolds
deutlich werden. Ab Oktober 1157 bis zum März 1158 übernimmt Rainald
D seine Aufgaben, wird dann jedoch von Rainald G abgelöst, der ab April
1158 den zweiten Italienfeldzug über bis zum Sommer 1161 seinen Dienst
in der Kanzlei versieht.82 Ab der Synode von Lodi im Juni 1161 findet sich
auch Rainald C wieder in der Kanzlei ein. Einige wenige Diplome werden
seit Anfang 1161 zudem von Rainald H und gelegentlich auch von Ulrich B
mundiert. Zu Rainald H wurde im Übrigen die Theorie aufgestellt, es handle
sich um Gunther den Dichter, den Verfasser des Ligurinus. In diesem
Rahmen werden auch Parallelen zwischen Arnold II C und Gottfried von
Viterbo gezogen. 83 Ab 1162/63 bis zum Herbst 1163 ist wieder nur Rainald
C nachweisbar. Dies ändert sich erst wieder mit dem dritten Italienfeldzug,
während dem die Kanzleinotare Rainald C, Rainald G, Ulrich B und Rainald
H, primär im Zusammenhang mit dem Wirken von Rainald von Dassel, in
der Kanzlei arbeiten. Hinzu kommt noch Christian E, der unter der
Anleitung von Rainald G seinen notariellen Dienst in der Reichskanzlei
aufnimmt. Nach der Rückkehr nach Deutschland 1164 bis 1166 ist wieder
Rainald G der dominierende Notar und zeichnet auch bei von anderen
Mitgliedern der Kanzlei geschriebenen Urkunden das Monogramm, wobei
ab der ersten Hälfte 1165 auch Ulrich B als Notar nachweisbar ist. Ab dem
81 ZEILLINGER, Notare, S. 551f.82 RIEDMANN,, Reichskanzlei I. Teil, S. 395f.83 BERNHARD, Gunther, S. 42.
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September 1165 beginnt zusätzlich zu diesen der aus Würzburg stammende
Notar Wortwin seine Arbeit und mundiert bis zum vierten Italienfeldzug im
Oktober 1166 zusammen mit Rainald G, Ulrich B und vereinzelt Rainald C.
Bemerkenswert ist, dass diese Notare nur für die Urkunden des Königs
zuständig waren, während Mandate, Rundschreiben, Briefe und Manifeste,
die im Übrigen häufiger anzunehmen sind als es der Überlieferungsstand
suggeriert,84 eher von Schreibern der Hofkapelle verfasst wurden.85 Wie
schon gezeigt wurde, wurden die Notare zumindest zum Teil von ihren
älteren Kollegen angeleitet. Es bestand keine strikte Trennung der Aufgaben
wie Abfassung und Ausführung der Reinschrift oder Verteilung der
Schreibaufgaben nach der Bedeutung der Dokumente, selbst dass an ein und
derselben Urkunde mehrere Notare arbeiteten war keine Seltenheit. Auch
finden sich Flüchtigkeitsfehler, Korrekturen und Rasuren. Eine genauere
Kontrolle der Reinschriften wurde somit nicht immer vorgenommen. Zudem
wurden auch Reinschriften von den Empfängern der Urkunden
angenommen und nur durch Siegel oder Teile des Eschatokolls ergänzt.
Das Zusammenspiel von Kanzlei und Hofkapelle war unter Friedrich I.
ähnlich eng wie das unter seinen Vorgängern, jedoch sind die urkundlichen
Nennungen kaiserlicher Kapellane selten. Als Kapellane genannt werden
unter anderem Kanzler Ulrich, Nachfolger Rainalds von Dassel, zudem der
erste Pronotar Heinrich, und Magister Heribert, der bereits unter Konrad III.
als Notar in der Kanzlei tätig war. Hinzu kommen noch einige zum Teil nur
schwer einzuordnende Nennungen. Neben capellani curiae führen sie
häufig den Titel Magister, was auf ihre gehobene Ausbildung verweist, und
waren wie Kanzler und Pronotare auch für den Kaiser als Diplomaten und
Legaten unterwegs.86 Somit zeigt sich auch hier wieder die Trennung von
Titel und Funktion. Neben Erzkanzlern, Kanzlern, Pronotaren und
Kapellanen sind für das Tagesgeschäft Notare und andere Geistliche von
Nöten, die auch im Falle der Hofkapelle meist anonym bleiben. Außerdem
stellte die Hofkapelle den Hofarzt, den Hofarchitekten und die Lehrer für
die Söhne des Königs.87 Zu erwarten sind zudem Hilfskräfte und
Auszubildende genauso wie persönliche Diener der soweit identifiziert oft
84 KÖLZER, Hof, S. 14.85 RIEDMANN,, Reichskanzlei II. Teil, S.99ff.86 APPELT, Kanzlei, S. 28f.87 BUMKE, Höfische Kultur, S. 76.
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aus hochrangigen Familien stammenden und aufgrund ihrer Position nicht
selten mit kirchlichen Pfründen bedachten Mitarbeiter von Kanzlei und
Kapelle.
3.4. Gesandte und Boten
Sowohl zum Informationsaustausch als auch für Verhandlungen und
herrschaftliche Korrespondenz sind Gesandte von Nöten. Einen Einblick in
das Gesandtenwesen, wenn auch für das 11. Jahrhundert, bietet die
Eskalation des Investiturstreits zwischen Ende 1075 und Anfang 1077. In
diesem Zeitrahmen sind die Reisebewegungen verschiedener
Gesandtschaften von Papst Gregor VII., König Heinrich IV. und
verschiedenen Bischöfen gut dokumentiert und verschiedentlich akribisch
erforscht worden. So interessant der Inhalt dieser Aktivitäten für die
Forschung sein mag, fokussiert sich unser Interesse mehr auf die
Gesandtschaften. Gregor VII. schickte am 8. Dezember 1075 drei Gesandte
zu Heinrich IV., die ihn am 1. Januar 1076 in Goslar erreichten. Nach Erhalt
des Briefes und der mündlich vom Papst den Gesandten aufgetragenen
Botschaft verschickte Heinrich IV. Einladungen an seine Bischöfe zu einer
Synode, die am 24. Januar in Worms stattfinden sollte. Zwei Erzbischöfe
und vierundzwanzig Bischöfe erschienen daraufhin rechtzeitig in Worms.
Von der Synode in Worms aus wurden drei Botschaften verschickt, und
zwar von Heinrich an den Papst, von Heinrich an die Römer und von den
Bischöfen an den Papst. Als Gesandte wurden die Bischöfe Huzmann von
Speyer, Burkhard von Basel und Graf Eberhard über die Alpen nach
Piacenza geschickt. Dort sollte eine Synode stattfinden, die auch von
Worms aus einberufen worden war. Diese Aktivitäten kulmulierten später
im Gang nach Canossa, jedoch sind in unserem Falle eher der Umfang und
die Aktivität der Gesandtschaften von Interesse. Mindestens zwei Dutzend
Boten waren nötig, um die Einladungen an die Bischöfe zur Synode in
Worms zu überbringen, die sowohl die Wege zu ihren Zielen kannten als
auch wussten, wo sie auf der eiligen Reise Unterkunft, Verpflegung und
frische Pferde vorfinden konnten. Die Gesandtschaften des Königs und des
Papstes wiederum benötigten die unentbehrlichen Pferdeknechte,
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bewaffnete Begleiter, Bedienstete und soweit benötigt ortskundige Führer,
alles in allem mindestens 6-15 Reiter pro Gesandtschaft.88
Ähnliche Beispiele finden sich natürlich auch in der Regierungszeit
Friedrichs I., so schreibt der Magdeburger Annalist zum Jahresbeginn 1176,
dass der Kaiser Briefe an alle Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte sowie
Herzöge, Markgrafen und Grafen verschickte, damit diese ihm zu Hilfe
kommen mögen,89 während der Ministeriale Anselm 1152 neben einem
Privatbrief Abt Wibalds den neuen königlichen Siegelstempel, zwei
Goldbullen und die Wahlanzeige Friedrich Barbarossas an den Papst vom
Hof zum Sitz des Bamberger Bischofs Eberhard überstellte.90 Der Bischof
von Straßburg wiederum verfügte über 24 eigene Gesandte aus städtischen
Kaufmannsfamilien, die innerhalb des Bistums den Kontakt zwischen
Bischof und seinen Lehnsleuten aufrecht erhalten sollten und verpflichtet
waren dreimal jährlich eine entsprechende Gesandtschaft auf Kosten des
Bischofs durchzuführen.91
Zur Kommunikation in vorindustrieller Zeit waren Boten und Gesandte also
unverzichtbar. Jeder Briefkontakt, jede nicht am Ort des Geschehens
ausgefertigte Urkunde und jedes herrschaftliche Wirken über Distanz
hinweg benötigten sie, von allgemeinen Aufrufen zur Heeresfolge, Hoftagen
und anderen überregionalen Angelegenheiten ganz zu schweigen, was sie
auch für die nähere Betrachtung der Hofgröße relevant erscheinen lässt.
Entsprechend war eine gewisse Menge an Boten nötig, die jederzeit an
verschiedene Höfe geistlicher wie weltlicher Herrscher entsandt werden
konnten oder von diesen entsandt am Hof auf Antwort warteten. Solche
Dienste wurden entweder vom Hofklerus oder der königlichen
Dienstmannschaft ausgeführt,92 nicht zuletzt auch, da die Bedeutung und
Authentizität der Nachricht direkt mit Rang und Namen des Boten
korrelierte.93 Da am Hof erscheinende Gesandtschaften, gerade wenn sie aus
entfernten Regionen stammten, ihren Begleitzug nicht in heimatliche
88 ELZE, Gesandtschaften, S. 7.89 Annales Magdeburgensis a. 1-1188. 1453-1460, in: MGH SS 16, Georg Heinrich PERTZ (hg.), S. 193: Imperator misit epistolas per omnes partes regni Teutonici, archiepiscopis, episcopis, et abbatibus, ducibus, marchionibus, comitibus, imperiali auctoritate mandans eos venire sibi in adiutorium.90 KEUPP, Dienst, S. 363.91 Urkunden und Akten der Stadt Straßburg, Band 1, Wilhelm WIEGAND (hg.), Nr. 616, S. 473.92 KEUPP, Dienst, S. 363.93 HOFFMANN, Brieftechnik, S. 145.
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Gefilde zurück schicken konnten, um sie nach Abschluss ihrer Aufgabe
wieder zum Hof zu beordern, sollte auch die sich hieraus generierende Zahl
an Besuchern nicht außer Acht gelassen werden. Während einfache Boten
und Bittsteller nur als Einzelpersonen oder Kleingruppen ins Gewicht fallen,
ist zu erwarten, dass Würdenträger wie Bischöfe und päpstliche Legaten mit
einem eigenen kleinen Hofstaat anreisten.
3.5. Die Ministerialität
Wie schon angesprochen wurden für Hofämter und Botendienste beständig
Ministeriale benötigt. Zudem gehört ihre Anwesenheit zur Repräsentation
des Herrschers, denn die Menge der mitreisenden Panzerreiter war, neben
Burgen, Städten und finanziellen Mitteln, ein deutliches Zeichen für
Reichtum und Macht des Königshauses, wie es König Philipp 1206
gegenüber dem apostolischen Stuhl feststellte.94 Grade bei wichtigen
Verhandlungen und Festivitäten zeigt sich dieses Element überdeutlich. So
waren zu den Vertragsverhandlungen zum Frieden von Venedig 1177 8420
Mann Gefolge in die Serrenissima gereist, davon alleine 1000 als Begleiter
der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Magdeburg, was vom Mainzer
Pfingstfest 1184 noch deutlich überboten wurde. Hier reisten mit dem
Kölner Erzbischof je nach Quelle eine Begleitmannschaft von 1700 bis
4000 Reitern an, nicht zuletzt um den Stellenwert des Kölner Erzbischofs
gegenüber dem Abt von Fulda zu unterstreichen, der wiederum immerhin
mit 500 milites angereist war.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den anderen weltlichen wie geistlichen
Fürsten des Reiches, die mit Zahl und Ausstattung ihrer Reiter und deren
Unterkünften ihre Stellung im Reich und am Hofe unterstreichen wollten.95
94 Philippi Regis constitutions, in: Ludwig WEILAND (ed.), Monumenta Germaniae Historica Constitutiones et acta publica imperatorum et regnum, Band II, S. 12: Habuimus etiam tot ministeriales, quod nos sub aliquo certo numero vix comprehendere potuimus. Habuimus castella, civitates, villas, burgenses ditissimos. Habuimus pecuniam multam nimis in autro et in argento et in multis gemmis preciosis.95 KEUPP, Dienst, S. 383.
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Die je nach Quelle zwischen 40.00096 und 70.000 Ritter97 symbolisierten
hierbei nicht nur militärische Macht, sondern auch territoriale und
wirtschaftliche Potenz des einzelnen Fürsten, denn jeder Panzerreiter stand
symbolhaft für die Fähigkeit, Personen, die in ihrem Dienst nicht
wertschöpfend produktiv waren, durch Land und Bauern zu versorgen und
entsprechend auszustatten.
Diese besonderen Feierlichkeiten zogen also die Ministerialität, zum Teil als
Begleitung ihrer Lehnsherren, aus dem ganzen Reich an, es stellt sich
jedoch die Frage, in welchem Maße sie als Begleitung und
Repräsentationselement Friedrich I. beständig am Hof verweilten. Einerseits
ist es wirtschaftlich unvernünftig allzu viele Ritter beständig mit sich zu
führen, andererseits ist eine große Zahl entsprechend gerüsteter und
berittener Krieger ein zentrales Herrschaftssymbol. Walter Map legt zu
diesem Thema dem französischen König in den Mund, dass der Reichtum
des indischen Königs aus exotischen Tieren und Edelsteinen bestände, der
des Kaisers von Konstantinopel und des Königs von Sizilien aus Gold und
Seide, während der Kaiser der Deutschen zwar weder Gold noch
Geschmeide besitze, dafür aber Krieger und Streitrösser.98
Im Zusammenspiel mit den Zeugenlisten, in denen in den späteren Jahren
Friedrich I. immer mehr Ministeriale auf tauchten, und dem Zwang sich mit
Ministerialen zu umgeben, lässt sich erwarten, dass der Hof jederzeit mit
einigen hundert Ministerialen reiste. Ein ähnliches Bild zeichnet der
Konflikt zwischen Heinrich IV. und seinem Sohn Heinrich V. Letzterer
überredete seinen Vater bei einem Zusammentreffen bei Mainz, dass beide
Seiten ihr Heer auf ein kleines Gefolge reduzieren sollten, um eine
Verwüstung der Region durch die beiden Heere zu vermeiden. Als
96 Giselberti chronicon Hanoniense a. 1070-1197, in: MGH SS 21, Georg Heinrich PERTZ und Wilhelm ARNDT (hg.), S. 538: Congregatis equidem de toto imperio ex hac parte Alpium ad curiam principibus, achiepiscopis, abbatibus, ducibus, marcionibus et comitibus palatinis et aliis comitibus et viris nobilibus et ministerialibus fuerunt numero iuxta veram extimationem milites in curia illa 70 milia, ebenda S. 539: Satis autem constat in curia illa, sicut supra dictum est, 70 milia milites fuisse.97 Sächsische Weltchronik, MG. Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, Band 2, S. 232: De hertoge Heinric quam wider to der groten hochtit to Megenze, dar de koning Heinric unde de hertoge Vrederic van Swaven, des keiser Vrederikes sone, riddere worden. Dat was de groteste hochtit en, de ie an Dudischeme lande ward. Dar worden geachtet de riddere uppe viertich dusent ân ander volk.98 Walter Map, De nugis curialium, Montagque Rhodes JAMES, Christopher N. L. BROOKE und Roger A. B. MYNORS (hg.), S. 450.
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Konsequenz daraus zog Heinrich IV. nur mit 300 Männern weiter.99 Aus
dem Kontext lässt sich zwar erkennen, dass Heinrich IV. mit mehr als nur
seinem normalen Hof anreisen wollte, die Reduzierung auf 300 Begleiter
lässt jedoch den Schluss zu, dass dies die untere Grenze einer
standesgemäßen Begleitung darstellt.
3.6. Der inoffizielle Tross
Bei einer so umfassenden Ansammlung von zum Großteil männlichen
Adeligen und Ministerialen ist es nicht überraschend, dass auch Anbieter
von officia inhonesta angezogen wurden. Nach Peter von Blois, einem
Kenner des englischen Hofes, fanden sich am Hofe König Heinrichs II. von
England eine ganze Reihe verschiedener Dienstleister wie „Schauspieler,
Sängerinnen, Würfelspieler, Weinverkäufer, Narren, Possenreißer,
Bartscherer und Schwätzer“, zudem Prostituierte und Kammerdiener.100
Auch wenn dieser Personenkreis kaum regulär mit versorgt wurde, wurden
sie finanziell oder mit Naturalien entlohnt und wurden so direkt oder
indirekt an den regional vom Hof bezogenen Versorgungsgütern beteiligt.
Ihre Anzahl zu erfassen ist aufgrund der Quellenlage unmöglich, aber
angesichts der Tatsache, dass die Anwesenheit am Hof sicherlich sehr
profitabel war und die Nachfrage nach Unterhaltung und Zerstreuung ein
entsprechendes Angebot anzog, erscheint es nicht allzu abwegig eine
beständige Anwesenheit einiger Dutzend dieser Dienstleister, wenn auch
mit wechselndem Personal, anzunehmen, während auf Hoftagen zusätzlich
lokale und regionale Schausteller ihre Künste darboten. Dass dieser
Trossteil sich zu einem echten Problem auswachsen konnte, zeigt Arnold
von Lübeck auf. Er erwähnt, dass während des zweiten Kreuzzuges
Friedrich I. in Wien 500 Prostituierte, Diebe und Taugenichtse zur
Heimkehr gezwungen werden mussten, da sie den Heerzug zu übermäßiger
Unsittlichkeit und Unzucht ermunterten.101 Ein Vorgehen im Übrigen, dass
auch während des zweiten Italienzuges durchgeführt wurde, um die Horde
99 Vita Heinrici IV. imperatoris (MGH SS rer. Germ. 58) , Wilhelm EBERHARD (hg.), c. 10, S. 33.100 Peter von Bois, Epistolae, in: Migne PL 207, Jacques Paul MIGNE (hg.), Sp. 1-560, Nr. 14, Sp. 49: Regis enim curiam sequuntur assidue histriones, candidarices, aleatores, dulcorarii, caupenes, nebulatores, mimi, barbartores, balatrones, hoc genus omne.101 Arnoldi abbatis Lubecensis chronica a. 1172 – 1209, in: MGH SS 21, Georg Heinrich PERTZ und Johann Martin LAPPENBERG (hg.), S. 171.
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von Troßknechten, Dirnen und Marketender los zu werden, die nach
Rahewin das Heer zu verweichlichen drohte.102
3.7. Zusammenfassung
Es zeigt sich, dass sich ganz unterschiedliche Personenkreise am Hof
einfanden, von der königlichen Familie,103 Herzögen und Erzbischöfen über
Bischöfe und Äbte, Grafen und Edelfreie bis zu einer Vielzahl von
Ministerialen mit oder ohne Hofämtern, Notaren und Schreibern, Gesandten
und Boten, Knappen, Knechten und Mägden und zu guter Letzt
Schaustellern und Prostituierten. Sie alle gehören zum Hof, und ihr
beständiges Kommen und Gehen hält den Hof genauso in beständigem
Fluss wie seine immer währende Reisetätigkeit, wie Zeitgenossen der
Staufer wie Walther von der Vogelweide oder Walter Map104 pointiert
festgestellt haben. Es ist daher nicht überraschend, dass es unmöglich ist
eine genaue Zahl der anwesenden Personen anzugeben, weder für einen
festen Hoftag noch für seinen Umfang während der Reise.
Auch wenn das Risiko der Mutmaßung nicht unbedeutend ist, sollte es an
dieser Stelle hilfreich sein zumindest eine grobe Zahl der anwesenden
Personen am Hof zu ermitteln. Hierzu wird der Hof in die curia minor aus
beständig anwesenden Personen und der curia maior aus unregelmäßig
erscheinenden und abreisenden Besuchern aufgegliedert. Die curia minor
besteht aus dem König und seiner Familie, der Hofkapelle und Kanzlei und
den Ministerialen, die die Hofämter ausüben und als militärischer Geleitzug
und Repräsentationsinstrument den Hof begleiten. Als ausführende Organe
der Hofämter kommen die Diener und Handwerker hinzu, die für das
alltägliche Funktionieren des Hofes nötig sind. 105 Die curia maior besteht
aus den unregelmäßig am Hof verweilenden Beratern, Gesandten und
Boten, Bittstellern und dem geschäftstüchtigen inoffiziellen Tross, also dem
Teil des Hofes, der sich in beständigem Kommen und Gehen befindet und
der theoretisch zumindest in bestimmten Zeiträumen komplett am Hofe
fehlen kann.
102 Rahewin, Gesta Friderici III, 52, Georg WAITZ (ed.), Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatism editi 46, S. 228.103 BUMKE, Höfische Kultur, S. 77.104 Zusammenfassend KEUPP, Dienst, S. 344f.105 RÖSENER, Hoftage, S. 377.
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Der König und seine Familie umfassen eine bis neun Personen (je nach
Jahreszahl mit Frau und Kindern). Werden konservativ pro Person nur drei
Kammerdiener und Zofen hinzu gerechnet, ergibt sich eine Maximalzahl
von 45 anwesenden Personen, inklusive persönlicher Köche, Schneider und
anderer Dienstleister.106 Nicht aus den Augen zu verlieren ist, dass auch
Königin Beatrix über eine eigene Hofhaltung verfügte mit eigenem Gefolge,
Notaren, Gelehrten, einem Arzt und einem Schatzmeister, begleitet von
ihren eigenen Rittern, auch wenn einige dieser Personen auch Funktionen
am Hof ihres Mannes innehatten.107
Die Hofkapelle und Kanzlei umfasst neben Kanzler und Pronotaren, die
aufgrund ihres Aufgabenbereiches häufig unterwegs sind und daher eher
zum Rand des Hofes gerechnet werden können, bis zu drei Notare und bis
zu vier Kapelläne,108 dazu entsprechende Hilfskräfte und Bedienstete,
insgesamt wiederum bei drei unterstützenden Personen pro Notar und
Kapellan bis zu 28 Personen. Einen Großteil des Hofes machen die
Ministerialen aus, sowohl in ihrem Dienst in den Hofämtern und als Boten,
als auch „nur“ als Repräsentationselement und zum Schutz des Hofes. Wird
von von einem dauerhaft anwesenden Kontingent aus 200 Rittern
ausgegangen, was angesichts der Truppenstärken von verschiedenen
Reichsfürsten bei Feldzügen oder repräsentativen Ereignissen eher als zu
gering erscheint, ergibt sich neben den genannten Rittern ungefähr die
gleiche Anzahl an Knappen. Angesichts des Wohlstandes zumindest einiger
Reichsministerialer wie der, die die Hofämter inne hatten, lassen sich
weitere Knappen und Bedienstete hinzu rechnen.109 Insgesamt ergibt sich
daraus eine Zahl von rund 500 Personen. Dies ergibt sehr konservativ
gerechnet bereits einen Kreis von über 550 Personen, die quasi den harten
Kern um den König ausmachen und ihn beständig als reisender Hof
begleiten.
Hinzu kommen nun Teile des inoffiziellen Trosses, die sich mit Sicherheit
die meiste Zeit in der Nähe des Hofes aufhalten, auch wenn sich ihre
106 Werner Rösener verweist hierzu auf zahlreiche Knechte und Mägde für Dienste am Hof, siehe RÖSENER, Hoftage , S. 377.107LAUDAGE, Barbarossa , S. 105.108 In einer Urkunde vom 29. Mai 1153 werden als Zeugen die Kapelläne Hartwich, Reinbert, Jordan und Heribert aufgezählt, wobei es möglich ist, dass besagter Heribert der Notar Heribert ist. Siehe hierzu MGH DF. I. 56.109LAUDAGE, Barbarossa , S. 159.
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Zusammensetzung beständig ändern mag. Mangels näherer Angaben
schätzen wir diese reisenden Dienstleister auf zwischen 30 und 50 Personen.
Zur curia maior werden an dieser Stelle die unregelmäßig, wenn auch
teilweise über längere Zeit am Hof verweilenden Berater, Gesandte, Boten
und Bittsteller gezählt. Ihre Zahl kann sehr stark fluktuieren. Wenn
hochrangige Fürsten wie Heinrich der Löwe, Reinald von Dassel oder Otto
von Wittelsbach längere Zeit den reisenden Hof begleiten, führen sie ihren
eigenen Tross aus Bediensteten und von ihnen abhängigen Lehnsmännern
mit sich. Genauso ist die Anwesenheit von Gesandten und Boten kaum zu
kalkulieren, jedoch erscheint es in diesem Kontext die Annahme nicht
abwegig, dass der Hof um die 1000 bis 1500 Personen umfasste, auch wenn
diese Zahl tagtäglich schwanken konnte.
Eine besondere Situation sind die Hoftage, in denen sich die höchsten
Kreise des Reiches um die Person des Kaisers scharen. Diese Hoftage sind
das soziale Zentrum für geistliche und weltliche Fürsten. Im Zusammenspiel
mit der curia minor und der curia maior des täglichen Hofes bildet sich hier
das „kaleidoskopische Gemeinwesen“ heraus,110 das es Zeitgenossen wie
Walter Map oder Walther von der Vogelweide so schwer gemacht hat, den
Hof näher zu beschreiben. Hier kann die Zahl der anwesenden Personen in
die Zehntausende ansteigen, wie es als Extremfall das Mainzer Pfingstfest
gezeigt hat. Dies sind aber Sonderfälle, die kaum den tagtäglichen Betrieb
des Hofes widerspiegeln.
Basierend auf den bisherigen Schätzungen soll im weiteren Verlauf der
Bedarf des Hofes in den Fokus gerückt werden.
4. Der Bedarf des Hofes
4.1. Die Zielsetzung
Ein Kernelement des Reisekönigtums ist das Reisen. Die Gründe für die
beständige Reiseaktivität wurden schon vielfach dargelegt111, jedoch sind für
uns grundlegendere Fragen relevant. Besonders die Frage nach der
Reisegeschwindigkeit stellt sich, wenn es darum geht, wo Material und
Unterkünfte bereit stehen mussten und in welchem Umfang sie benötigt
wurden. Die Geschwindigkeit ist nicht nur vom Zustand der genutzten 110 LEYSER, Barbarossa , S. 523.111Unter anderem BRÜHL, Fodrum, S. 74 und KÖLZER, Hof, S. 13.
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Wegstrecke, dem gewählten Transportmittel und dem Wetter abhängig,112
sondern auch von der Größe der Reisegruppe und den Gütern, die
mitgeführt werden mussten sowie der Motivation, also der Eile, die an den
Tag gelegt wurde. Gerade die Größe der Gruppe verringert die
Reisegeschwindigkeit, denn sie lässt den Austausch von Pferden an
Rastpunkten aufgrund ihrer schieren Zahl kaum praktikabel erscheinen,
benötigt mehr Zeit und Aufwand zur Versorgung mit Nahrungsmitteln und
bremst durch den Tross, der sowohl die Güter des täglichen Bedarfs als auch
die für Repräsentation und Herrschaft nötigen Materialien mit sich führt und
daher auf Packpferde oder Karren zurückgreifen muss.113 Aufgrund dieser
Einschränkungen und basierend auf verschiedenen Untersuchungen114 gehen
wir im Folgenden von einer durchschnittlichen Reisestrecke über Land von
ca. 35-40 Kilometern pro Tag aus.115
4.2. Der Bedarf des Personals
Wie dargelegt kann mit 1000 oder mehr sich am Hof befindlichen Personen
gerechnet werden, und diese wollen versorgt werden. Um einen Einblick zu
erlangen, wie viele Nahrungsmittel für eine solche Menge Menschen
benötigt wurden, ist ein Blick auf ihren Energiebedarf zielführend. Bei
einem Menschen, der tagtäglich schwere körperliche Arbeit verrichtet,
beispielsweise längere Strecken auf schlechtem Untergrund reitet, kann ein
Bedarf von 3200 kcal angenommen werden.116 Erschwerend kommt hinzu,
dass der Nahrungsmittelverbrauch am Hof zumindest zum Teil aufgrund des
inszenierten Überflusses an der Herrentafel höher als das nötige Maß liegt
und Grundnahrungsmittel wie Rüben, Sauerkraut, Hafer oder Kohl als nicht
standesgemäß für Adel und Ministerialität angesehen wurden.117 Die
Ernährung war entsprechend ausgesprochen fleischlastig.118 Werden
basierend auf diesen Grundannahmen die im Tafelgüterverzeichnis, einer
der wenigen Quellen zur Versorgung des Hofes in der Stauferzeit,
112 REINEKE, Reisegeschwindigkeit , S. 244113 BOYER, Journey, S. 599.114 ELZE, Gesandtschaften, S. 9f. und BOYER, Journey, S. 606.115 Etwas geringere Schätzungen finden sich bei BRÜHL, Fodrum, S. 163 und REINEKE, Reisegeschwindigkeit , S. 250.116 ABEL, Landwirtschaft, S. 24. 117 BUMKE, Höfische Kultur, S. 240ff.118BRÜHL, Fodrum, S. 177.
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beschriebenen Servitien näher betrachtet und wird der Annahme gefolgt,
dass es sich hierbei um Tageslieferungen für den Hof handelt, zeigt sich,
dass ein solches Servitium je nach Region zwischen 1200 und 1600
Personen ernähren konnte, wobei Getreide, Obst und Gemüse noch nicht
eingerechnet sind.119 Wird der Hof also regelmäßig ähnlich den Angaben im
Tafelgüterverzeichnis mit diesen Mengen beliefert, ist seine Versorgung mit
Nahrungsmitteln sicher gestellt. Etwas komplizierter stellt sich hingegen die
Frage nach dem Bedarf von Tierfutter am Hofe dar.
4.3. Der Bedarf der Tiere
Das häufig genutzte Zitat „ros, schilt, sper, hûbe unde swert – diu machent
quoten ritter wert“120 deutet bereits das nächste wichtige Themenfeld an, das
Pferd. Jede Gleve, also eine Einheit aus Ritter und Knappe, verfügt über
zwei bis vier Pferde, und zwar zwingend über ein Streitroß (dextrarius), das
für die Gegebenheiten während Gefecht und Turnier ausgewählt und
ausgebildet wurde, und ein Marschpferd (palefridus), das für Reisen genutzt
wurde, während das Streitroß bei Überlandreisen vom Knappen geführt
wurde. Hinzu können noch ein Lastpferd (runcinus) zum Transport von
Rüstung und anderem Material und gegebenenfalls ein Marschpferd für den
Knappen kommen, was gerade bei größeren Reisestrecken sinnvoll
erscheint.121 Diese Differenzierung von Pferden findet sich unter anderem in
Albertus Magnus’ De animalibus, in der er die vier Arten der Pferde
aufzählt. Als erste skizziert er die erwähnten dextrarii oder bellici, die Lärm
und schnelle Bewegungen gewöhnt waren und darauf trainiert wurden auf
Schenkeldruck und Pfiffe zu reagieren und mit Sprüngen, Tritten und Bissen
am Kampfgeschehen teilzunehmen. Die hierzu ausgebildeten Hengste
wurden nicht kastriert. Das gleiche galt für die nachfolgenden palefridi,
damit sie nicht träge oder fett wurden. Nachfolgend nennt Albertus Magnus
noch Rennpferde (curriles equi) und Lastpferde (runcinus). Als Futter
empfiehlt er Hafer und Weizen und gegebenenfalls Dinkel, als zweite Wahl
119ULLRICH, Randnotizen, S. 141f.120 Fridankes Bescheidenheit, Heinrich Ernst BEZZENBERGER (hg.), 93, Vers 6 f.121 LEIVERKUS, Erscheinungsbild, S.196f.
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auch Gerste, während er von Roggen abrät, da dieser die Produktion von
Verdauungsgasen fördert.122
Die Unterscheidung von dextrarius und palefridus ist hierbei nicht nur ein
rein technischer, sondern auch ein rechtlicher, wie sich nach Rahewin beim
ersten I