c o m p o s e rUnsuk Chin
Johannes Maria Staud
a r t i s t sChristian Gerhaher
Barbara Hannigan
Heinz Holliger
Sergey Khatchatryan
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«Psyche»
t h e m aAndris Nelsons und das Lucerne Festival Orchestra
Tod Machover, der Komponist als Klangsammler
Young Performance – frisch, unverbraucht, überraschend
i n s e r a t e2
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der Erforschung neuer Therapien und Diagno-
severfahren, sondern auch bei der Förderung
von Kunst und Kultur.
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Lucerne Festival Academy vergeben wir im
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tionsaufträge an herausragende Komponisten
und Komponistinnen der zeit genössischen
Musik. Die neu geschaffenen Werke werden
vom Lucerne Festival Academy Orchestra am
Lucerne Festival uraufgeführt.
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Forschung, sondern auch in die Musik.
e d i t o r i a l 3
Quietschende Zugbremsen, tuschelnde Teenager, ein zischendes
Schweissgerät – was hat das mit Musik und mit einem Festival zu
tun? Zunächst mal nichts, dann aber sehr viel. Auch in Luzern wird
das traditionelle Konzertpublikum nicht jünger. Der festliche Abend
allein ist nicht mehr Attraktion genug. Auch noch so berühmte
und traditionsreiche Orchester füllen nicht mehr bloss dank ihres
Namens den Saal, mag er auch als architektonische Ikone wahr-
genommen werden. Das ist in Luzern nicht anders als überall.
Vielleicht läuft inzwischen auch zu viel, das ganze Jahr hindurch,
dass sich eine gewisse Übersättigung an den immer gleichen kul-
turellen Menügängen bemerkbar macht. Exklusivität scheint keine
Garantie mehr für ein ausverkauftes Haus zu sein, von Salzburg
bis Luzern. Eben da gilt es, die Weichen auf Zukunft zu stellen.
Genau dies regt Michael Haefliger mit seinem stets erfrischend
agilen Team geistreich an. Unter anderem mit einer breiten und
farbigen Palette unterschiedlichster Konzertformen für Menschen
allen Alters. Aber nicht nur. Auch neue soziologische Verhaltens-
muster können mit Lust ausgespielt und erkundet werden. Zum
Beispiel mit einem Projekt wie der dieses Jahr lancierten «Sinfonie
für Luzern». Lassen Sie sich davon inspirieren, mit offenen Ohren,
jugendlicher Neugier und Freude am sinnlichen Spiel. Dann kann
ein derart offenes Projekt gelingen, Ideen anregen, vom Schnee-
ball zur Lawine wachsen. Luzern als klingende Stadt – das ist eine
verlockende Vision. Weit über einen touristischen Werbeslogan hi-
naus. Aber für anbiedernde Banalität auf dieser Ebene hätte Tod
Machover ohnehin bloss ein ironisches Lächeln übrig. Aber lesen
Sie doch das Gespräch mit dem amerikanischen Komponisten
über seine Motivation, seine Ideen und seine ersten Begegnungen
mit Luzern in dieser Ausgabe!
Ich wünsche Ihnen eine an- und aufregende Festivalzeit in Lu-
zern. Selbstverständlich auch mit grandiosen Konzerterlebnissen
im ganz gewohnten Rahmen!
Herzlich Ihr,
Andrea Meuli
Liebe Leserin, lieber Leser
i n s e r a t e4
i n h a l t 5
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
c o m p o s e rUnsuk Chin: Ein dichtes Spiel von Licht und Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Johannes Maria Staud und die Rolle des Komponisten in unserer Zeit . . 38
a r t i s t sBarnara Hannigan: «Ich bin gesund!» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Sergey Khatchatryan: «Wir Armenier lieben das Drama» . . . . . . . . . . . . . . 34
Christian Gerhaher: «Ich bin ein Epigone» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
t h e m aAndris Nelsons: «Sein Herz öffnen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Tod Machover: Wie klingt Luzern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Heinz Holliger und sein Hölderlin-Psychogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Inszenierte Heldenmusik, ein Pilotprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
s t u d i oClaudio Abbados klingender Nachlass aus Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
s e r v i c eLucerne Festival im Sommer – die Special Events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Titelfoto: Priska Ketterer
Ihre Sensibilität für Klanglichkeit
und Farben faszinieren immer
wieder. Diesen Sommer ist die Ko-
reanerin Unsuk Chin «Composer in
Residence» am Lucerne Festival.
Johannes Maria Staud beschäftigt
sich intensiv mit der Rolle des
Komponisten in unserer Zeit. Und
schreibt ein neues Musiktheater
für das Lucerne Festival.
Andris Nelsons leitet diesen
Sommer das Lucerne Festival
Orchestra. Das M&T-Gespräch.
Christian Gerhaher ist der Christus
in Peter Sellars’ Umsetzung von
Bachs Matthäuspassion.Tod Machover begibt sich auf Klangsuche in Luzern. Das Gespräch zu
einem ambitiösen Projekt.
S e i t e 1 2
S e i t e 3 8
S e i t e 6 S e i t e 3 0S e i t e 1 6
Die Sopranistin Barbara Hannigan
gehört zu den schillerndsten Per-
sönlichkeiten der heutigen Musik-
szene, auch bei Lucerne Festival.
Das grosse M&T-Interview.
Sergey Khachatryan ist der
diesjährige Preisträger des Credit
Suisse Young Artist Award. Das
Gespräch.
S e i t e 2 4
S e i t e 3 4
t h e m a6
Andris Nelsons über Claudio Abbado, das Lucerne Festival Orchestra und bedingunslose Ehrlichkeit beim Musizieren
«Sein Herz öffnen»An Ostern leitete Andris Nelsons das Lucerne Festival Orchestra im Gedenkkonzert für seinen Gründer und Leiter Claudio Abbado. Im
Sommer übernimmt er nun auch dessen Programme zur Eröffnung des Festivals. Ein Gespräch mit dem lettischen Dirigenten nach
seiner ersten Begegnung mit diesem Orchester.
Andrea Meuli
Pulsierend, energiegeladen: Andris
Nelsons dirigiert diesen Sommer das
Lucerne Festival Orchestra.
t h e m a 7
M&T: Sie haben im April das Lucerne Festival Orchestra im Gedenkkonzert für Claudio Abba-do dirigiert. Wie haben Sie diese erste Begeg-nung mit diesem besonderen und für Sie neuen Orchester erlebt?Andris Nelsons: Es war natürlich ein sehr
emotionaler Moment, für alle. Für das
Orchester, da die Musiker erstmals seit
Claudio Abbados Tod zusammenkamen.
Und für mich, da ich in diese Situation
mit einbezogen wurde, war es die emo-
tionalste Konzerterfahrung bisher. Auf
der andern Seite war es eine Begegnung
mit einem fantastischen Orchester. Wie
wir ja wissen, kamen alle in dieser Beset-
zung als Freunde und Kollegen Claudios
Bild
: Prisk
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zusammen – geeint einzig vom Willen
und der Leidenschaft, Musik zu ma-
chen. Diese Atmosphäre, Musik mitein-
ander zu leben und auch zu geniessen
war in diesem Moment sehr intensiv zu
spüren, auch wenn der Anlass natürlich
ein anderer war als die üblichen Konzer-
te im Sommer.
M&T: Zweifellos aufwühlend auch für Sie.Andris Nelsons: Auf jeden Fall. Dieses
Ereignis erlebte ich sowohl als Gedächt-
niskonzert für Claudio, aber genauso als
Feier seines Lebens, was er alles erreicht
und gegeben hat. Als Christ glaube ich
an ein Leben nach diesem irdischen, wo
wir uns alle wieder begegnen. Er ist be-
reits in jener anderen Welt. Neben tiefer
Trauer gibt es jedoch auch den Glauben
an die Auferstehung. Das mag ein wenig
philosophisch klingen, aber wir dürfen
auch dankbar sein über dieses reiche
künstlerische Leben. In diesem Konzert
sollte noch einmal seine spezielle Liebe
zum Lucerne Festival Orchestra erleb-
bar werden. Mir war es wichtig, mich vor
ihm zu verneigen und mit dem Orches-
ter durch die Musik in diesen Gefühlen
verbunden zu sein. Mit Musik konnten
wir uns alle bei ihm bedanken. Wie wir
alle wissen, war er – ob in den Proben
oder in seinem Leben – ein eher wort-
scheuer Mensch. Er drückte sich und
seine Gefühle durch Musik aus. Und so
versuchten auch wir, unsere Dankbarkeit
und unsere Bewunderung durch Musik
statt durch Reden auszudrücken. So
wollten wir an Claudio als grossen Maes-
tro erinnern.
M&T: War es für Sie schwierig, in dieser beson-deren Situation eine eigene musikalische Kon-zeption zu verwirklichen?Andris Nelsons: Es gibt nur einen Weg,
ein Stück zu dirigieren, und das ist der
eigene. Ich kann nur versuchen, aus
meiner Perspektive das zu vermitteln,
was uns der Komponist zu sagen hat.
Dabei möchte ich mich allerdings nie
selber in den Vordergrund stellen, son-
dern die Musik sprechen lassen – sozusa-
gen durch meine Gefühle, durch meine
Vorstellungen hindurch. Wir sollen den
Komponisten dienen und dürfen uns
glücklich schätzen, ihre grossen Meis-
terwerke aufzuführen. In diesem Ge-
denkkonzert erklangen ja alles Werke,
die Claudio sehr viel bedeutet haben
und die uns daher in diesem Augenblick
noch mehr berührten. Zumal in Schu-
berts «Unvollendeter», die zu Beginn
ohne Dirigent erklang. Auf jeden Fall
war seine Seele an diesem Nachmittag
mit dabei.
M&T: Wenn Sie nun im Sommer die Konzerte des Lucerne Festival Orchestra dirigieren, fin-den Sie andere Voraussetzungen vor. Werden dieselben Orchestermusiker wie letzten Som-mer nach Luzern zurückkehren, oder gibt es da Veränderungen?Andris Nelsons: Es werden mehr oder
weniger dieselben Musikerinnen und
Musiker mit dabei sein, allerdings in ei-
ner etwas kleineren Besetzung. Brahms
ist ja nicht Mahler! Aber die Programme
hatte Claudio noch vollständig selber
geplant. Abgesehen davon, dass Mauri-
zio Pollini nun nicht das erste Klavier-
konzert von Brahms, sondern jenes von
Chopin spielen wird. Ich liebe Brahms
so sehr! Diese grosse Musik mit diesem
grossen Orchester an diesem bedeu-
t h e m a8
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tenden Festival aufzuführen, das spornt
mich an.
M&T: Das Lucerne Festival Orchestra wurde immer wieder als «Orchester der Freunde» ti-tuliert. Was bedeutet Ihnen ein partnerschaftli-ches Musizieren?Andris Nelsons: Unabhängig davon, ob
ich für ein Orchester verantwortlich bin
oder als Gast eingeladen werde, ist für
mich ein gegenseitiges musikalisches
Verstehen sehr wichtig. Aber mindestens
genauso die menschliche Chemie zu den
Musikern, mit denen ich arbeite, Sensibi-
lität untereinander und füreinander. Als
Claudio dieses Orchester gründete und
zusammenstellte, lud er seine Freunde
ein, weil er genau wusste, dass sie dafür
brannten, mit ihm zu musizieren, dass
sie ihn gleichsam trugen. Und alle spür-
ten es, wie eng er ihnen verbunden war.
Das war die Basis für all die wunderba-
ren Resultate. Natürlich gelangen ihm
auch mit allen anderen Orchestern, die
er dirigierte, grosse Konzerte. Aber das
familiäre Gefühl, der innere Zusammen-
halt mit dem Lucerne Festival Orchestra
verlieh diesen gemeinsamen Auftritten
eine unvergleichliche Tiefe. Auch be-
deutet dieses Gefühl einer tiefen gegen-
seitigen Verbundenheit sehr viel.
M&T: Also werden Sie im Sommer versuchen, mit dem Lucerne Festival Orchestra ebenfalls ein Verhältnis familiärer Harmonie zu schaffen?Andris Nelsons: Auf jeden Fall! Mit mei-
nem Orchester in Birmingham pflegen
wir ebenfalls eine wirklich familiäre At-
mosphäre, auch wenn die kommende
Saison meine letzte als Musikdirektor
dort sein wird. Menschlich wie musika-
lisch gibt es eine wunderbare, gegen-
seitig ermutigende Chemie zwischen
uns. Mir liegt viel daran, eine solche At-
mosphäre auch bei meinem künftigen
Orchester, dem Boston Symphony, zu
erreichen: gemeinsam zu wachsen, ein-
ander gegenseitig zu unterstützen. Ich
bin zutiefst überzeugt davon, dass man
sein Herz öffnen und all seine Sensoren
aktivieren muss, um wirklich das Bes-
te zu erreichen. Auch wenn man dabei
verletzlich und angreifbar wird und man
sich manchmal entblösst vorkommt.
M&T: Ist das im heutigen Betrieb überhaupt möglich?Andris Nelsons: Ich glaube daran. Zu-
nächst der Musik, dann den Musikern
gegenüber. Gelingt uns dies, überträgt
sich diese Intensität auch auf das Pub-
likum. Dann ist es leicht, die Hornhaut
unserer Gefühle zu durchbrechen und
wirklich die Herzen und Seelen zu er-
reichen, ein Publikum zu berühren. Das
erlebt natürlich jeder sehr individuell.
Und es gibt durchaus Dirigenten, die
anders denken mögen. Um grosse Musik
zu machen, scheint es mir jedoch unent-
behrlich, dass Dirigent und Musiker in
einen gemeinsamen Fluss der Gefühle
und Empfindungen kommen.
M&T: Ein Plädoyer für bedingungslose künstle-rische Ehrlichkeit also.Andris Nelsons: Es mag idealistisch
klingen, aber für mich ist genau dies
unabdingbare Voraussetzung, wenn ich
musiziere. Wie wollen Sie einen «Tris-
tan», eine Pastorale oder was immer
dirigieren, wenn Sie nicht die Musik zu-
tiefst lieben? Und auch den Menschen,
mit denen Sie zusammenarbeiten, po-
sitive Gefühle entgegenbringen? Wenn
Sie vor einem Orchester wissen, dass
fünfzig Prozent Sie hassen: Wie wollen
Sie da dirigieren? Ich kann mir heute
kaum mehr vorstellen, dass Leute wie
Toscanini oder auch Karajan und ande-
re vor einem Orchester funktionieren
konnten.
M&T: Die Musiker würden heute wohl bald einmal gegen allzu autokratische Pultheroen rebellieren…
Andris Nelsons: Sicher, schon dirigiert
zu werden mögen viele nicht, gesagt zu
bekommen, was man zu tun hat. Daher
ist es in unserer Zeit umso wichtiger, sei-
ne Forderungen auf eine diplomatische
Art und Weise anzubringen, um seine
musikalischen Vorstellungen zu verwirk-
lichen. Man sollte auch nicht vergessen,
es sind letztlich immer die Musiker, wel-
che ein Werk zum Erklingen bringen.
Als Dirigent sollte man Charisma und
Fantasie ins Spiel bringen und die Musi-
ker damit infizieren und ermutigen, dass
sie einem folgen. Nicht weil ich oder je-
mand anderer etwas Bestimmtes so ha-
ben möchte, sondern weil die Musik es
verlangt. Dirigieren hat so viel mit Psy-
chologie zu tun: die Musiker anspornen
ihr Bestes zu geben, nicht zu zerstören,
vielmehr zu helfen, wo sie einen brau-
chen!
M&T: Charakter und Persönlichkeit eines Diri-genten als Voraussetzung für wirklich erfolgrei-ches gemeinsames Musizieren?Andris Nelsons: Wenn ein Dirigent auf
eine naiv-ursprüngliche Weise beses-
sen von der Musik ist, kann es gelin-
gen die Musiker so mitzureissen, dass
sie ihr Bestes geben. Das muss das Ziel
sein, das eigene Ich und alle eigenen
Qualitäten während des Spielens ein-
zusetzen, um es zu überwinden. Man
braucht Ambitionen, aber während ei-
ner Aufführung muss man das Leben
des Komponisten leben. Das ist sehr
individuell, auch mystisch. Claudio
Abbado sprach wenig, aber durch sein
Dirigieren, durch die Sprache seiner
Hände erreichte er, was er vermitteln
wollte. Ein Genie wie Carlos Kleiber
vermittelte ebenso etwas Geistiges, was
weit über das hinausging, was er in sei-
nen Problem formulierte. Auch Mariss
Jansons und einige andere haben diese
unbegreifliche Intensität.
Andris Nelsons: «Auf jeden Fall war Claudio
Abbados Seele an diesem Nachmittag mit
dabei.»
Bild: Georg Anderhub
«Dirigieren hat so viel mit Psychologie zu tun»
t h e m a10
MOZARTWOCHE2015
22. JÄNNER– 1. FEBRUAR
Konzerte
Mozartwoch
eWissenschaft
Museen
Tick
ets:Tel.+43-662-873154,w
ww.m
ozarteum.at
Mozart DAVIDE PENITENTE Bartabas, Regie und Choreographie · Pferde und Reiter der Académie équestre deVersailles · Marc Minkowski, Dirigent · Les Musiciens du Louvre Grenoble, Salzburger Bachchor, Christiane Karg,Marianne Crebassa, Stanislas de Barbeyrac Dirigenten Pierre-Laurent Aimard, Giovanni Antonini, LaurenceEquilbey, Thomas Hengelbrock, Pablo Heras-Casado, Christoph Koncz, Antonello Manacorda, Lorin Maazel,Marc Minkowski, Andrés Orozco-Estrada, Ainars Rubikis, András Schiff, Juraj Valcuha OrchesterCamerata Salzburg,Cappella Andrea Barca, Chamber Orchestra of Europe, Il Giardino Armonico, Insula Orchestra, Les Musiciens duLouvre Grenoble, Mozart Kinderorchester, Mozarteumorchester Salzburg, Sinfonieorchester der UniversitätMozarteum, Wiener Philharmoniker Sänger Kerstin Avemo, Stanislas de Barbeyrac, Marianne Crebassa, DianaDamrau, Julie Fuchs, Benjamin Hulett, Christiane Karg, Genia Kühmeier, Alastair Miles, Michael Nagy, ChristineSchäfer, Toby Spence, Johannes Weisser, Markus Werba Solisten Pierre-Laurent Aimard, Piotr Anderszewski,Kristian Bezuidenhout, Florian Birsak, Gautier Capuçon, Francesco Corti, Veronika Eberle, Isabelle Faust, Marie-Elisabeth Hecker, Jos van Immerseel, Sunnyi Melles, Sabine Meyer, Thibault Noally, Emmanuel Pahud, FazilSay, András Schiff, Eric Schneider, Midori Seiler, Daniel Sepec, Mitsuko Uchida Ensembles & Chöre Chœur deChambre Accentus, Dimitri Naiditch Trio, Hagen Quartett, Salzburger Bachchor, Superar-Chor
t h e m a 11
Andris Nelsons und dasLucerne Festival Orchstra
15. und 16. August, 18.30 Uhr
Brahms: Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16
Alt-Rhapsodie op. 53
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
Sara Mingardo, Alt
22. und 24. August, 19.30 Uhr
Chopin: Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11
Brahms: Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Maurizio Pollini, Klavier
Andris Nelsons und dasCity of Birmingham Symphony Orchestra
30. August, 18.30 Uhr
Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73
Elgar: Sinfonie Nr. 2 Es-Dur op. 63
Rudolf Buchbinder, Klavier
31. August, 11. 00 Uhr
Wagner: Auszüge aus «Parsifal» und
«Lohengrin»
Beethoven: Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Klaus Florian Vogt, Tenor
M&T: Kann es sein, dass es gerade die von Ih-nen angeführte hundertprozentige Ehrlichkeit der Kunst gegenüber ist, welche solche Energi-en erlebbar macht?Andris Nelsons: Man kann subjektiv
falsch liegen, aber wenn man ehrlich
ist, spürt das ein Orchester. Das kann
man nicht lernen. Orchester können
sehr wohl unterscheiden, ob einer auf-
richtig musiziert oder bloss eine Show
abzieht. Aber noch einmal: Was ist der
richtige Weg? Es gibt ganz verschiede-
ne Wege des Dirigierens, heute wie in
der Geschichte. Nicht gering zu achten
ist auch die Selbstdisziplin, sich perfekt
auf jede Probe vorzubereiten. Das habe
ich von Mariss Jansons mitbekommen –
zu wissen, wie man proben will, und an
jede Probe voller Ideen zu erscheinen.
Orchestermusiker wollen jemanden vor
sich haben, der sie zu inspirieren ver-
mag, der Ideen in den Raum stellt.
M&T: Also nicht den harmlos netten Herrn am Pult, der möglichst keine Probe überzieht…Andris Nelsons: Anbiederung funktio-
niert nie, weder musikalisch noch auf
einer menschlich gesellschaftlichen
Ebene. Letztlich ist nur menschliche wie
musikalische Qualität gefragt. Geliebt zu
werden kann man nicht aktiv beeinflus-
sen.
M&T: Ganz verschiedene Persönlichkeiten wer-den sich auch verschieden verhalten. So wie es ganz unterschiedliche Meinungen darüber gibt, wie aktiv ein Dirigent auf dem Podium agieren soll.Andris Nelsons: Einer meiner Lehrer,
Jorma Panula, hat immer gesagt: Das
Orchester muss schwitzen, nicht du! Na-
türlich garantiert wildes Herumhüpfen
nicht eine grössere Autorität. Aber man
kann das nicht immer steuern. Noch
einmal: Man muss sich selber sein. Wenn
jemand eine impulsivere Natur ist, kann
er nicht ruhig dastehen. Gelassenheit
hat vielleicht auch etwas mit Erfahrung
zu tun.
M&T: Hat sich Ihr Verständnis von Dirigieren im Lauf der Zeit, mit zunehmender Erfahrung, gewandelt?Andris Nelsons: Ja, etwa mit dreissig hat
sich etwas geändert in meinem Verständ-
nis, was Dirigieren sein kann. Ich ver-
traue heute viel mehr, statt zu kontrollie-
ren. Das schliesst eine klare und konzise
Arbeit an den Details keineswegs aus.
Ich weiss genau, was ich erwarte und was
ich erreichen möchte. Aber auch, was
ich bieten möchte. Das vermengt sich in
den Proben mit allen Impulsen, die von
den Orchestermusikern kommen. Es
gibt kein richtig oder falsch, es gibt kein
definitiv festgeschriebenes Tempo. Je-
wgeni Mrawinski hat das immer gesagt.
Letztlich zählt nur, ob eine Interpreta-
tion berührt und fesselt. Schafft es ein
Dirigent mit seiner Interpretation, etwas
auszulösen beim Publikum, seien es Trä-
nen oder Glücksgefühle – dann hat es
funktioniert. Nur dies zählt.
M&T: Was ist wichtiger beim Dirigieren, Intellekt oder Emotion?Andris Nelsons: Wagner formulierte ein-
mal, dass die Musik die höchste Kunst-
form sei, um Gott näher zu kommen,
weil sie alles überhöhe und in Bereiche
erhebe, die man weder erklären noch
rational verstehen könne. Das heisst,
Musik hat mehr mit emotionaler und
kosmischer Energie zu tun. Da, wo ich
heute in meinem Leben stehe, bedeutet
mir dies sehr viel. Um allerdings dahin
zu kommen, um Musik als die höchste
der Künste adäquat umzusetzen, ist der
Intellekt unentbehrlich.
M&T: Was letztlich wohl auch für die Musik sel-ber gilt.Andris Nelsons: Natürlich, bei Brahms
etwa finden wir die perfekte Form, die
viel Intellekt voraussetzt. Oder auch die
Architektur bei Bruckner. Aber es geht
darüber hinaus. Man fühlt die Berüh-
rung von Gott.
M&T: Sie musizieren stets mit sichtbar höchs-tem physischem wie emotionalem Einsatz. Be-fürchten Sie nie, sich zu überfordern?Andris Nelsons: Jedem menschlichen
Wesen sind seine physischen wie emoti-
onalen Grenzen gesetzt. Mir fällt es sehr
schwer nein zu sagen…
M&T: …noch eine Gemeinsamkeit mit Ihrem Lehrer und Vorbild Mariss Jansons…Andris Nelsons: …aber ich komme mit
meinen festen Aufgaben nicht darum
herum, auch Orchestern abzusagen,
die mir viel bedeuten. Musik ist mehr
als ein Beruf. Ohne sie zu exisitieren
wäre schwierig. Sie ist wie Nahrung: Man
braucht sie, man kann nicht darauf ver-
zichten, aber man sollte sich auch nicht
überessen. (Lacht) Sonst wird man fett.
Vielleicht ist es dasselbe mit der Musik.
Pausen können die Lust auf ein Werk er-
höhen…!
Andris Nelsons: «…die Musiker anzuspornen ihr Bestes zu geben.»
Bild: Marco Borggreve
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c o m p o s e r 13
Die Koreanerin Unsuk Chin ist Composer-in-Residence beim diesjährigen Lucerne Festival
Spiel von Licht und FarbenAls «Abbild meiner Träume» hat die Koreanerin Unsuk Chin ihre Musik einmal bezeichnet. Ihren schöpferischen Sinn für
Klangfarben kann man diesen Sommer beim Lucerne Festival von ganz unterschiedlichen Seiten her erleben. Unter anderem
in der Uraufführung eines neuen Stückes, «Le Silence des Sirènes», im Rahmen der Roche Commissions. Simon Rattle dirigiert
dabei erstmals das Lucerne Festival Academy Orchestra, Barbara Hannigan ist die Solistin.
Thomas Meyer (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Eines der grossen, unvollendeten Pro-
jekte des 2006 verstorbenen ungari-
schen Komponisten György Ligeti war
eine Oper nach dem zweiten Alice-Buch
von Lewis Carroll: «Through the Loo-
king Glass». Er schaffte es nur, 1988 eini-
ge Nonsense-Verse Carrolls zu vertonen.
Eine seiner Schülerinnen aber holte die
Oper später für ihn nach: Unsuk Chin,
1961 in Seoul geboren, studierte 1985-
88 bei Ligeti in Hamburg. Mit «Alice in
Wonderland» legte sie ihre erste Oper
vor, in der sie die fantastischen Szenen
auf ungemein farbige Weise vertonte.
Diese Idee hatte sie schon jahrelang mit
sich herumgetragen. 1991 schon vollen-
dete sie mit «Akrostichon-Wortspiel» ein
erstes Werk auf Texte von Carroll sowie
von Michael Ende; aber, so schrieb sie,
«erst als ich erfahren hatte, dass Ligeti
das Projekt wahrscheinlich nicht realisie-
ren wird, wagte ich, die Idee zu konkre-
tisieren.»
2003/04 entstand mit dem Zyklus
«snagS&Snarls» eine Art Vorstudie zur
Oper, die dann 2007 in München urauf-
geführt wurde. Eine weitere Oper über
das zweite Alice-Buch entsteht zur Zeit
für das Royal Opera House in London.
Unsuk Chin empfindet das, so schreibt
sie in einer Mail, «als eine noch grös-
sere Herausforderung, da ‚Through
the Looking Glass‘ ja kaum noch nar-
rativ ist, sondern auf quasi mathema-
tisch durchgeführten Sprachspielen
basiert». Die Uraufführung ist für die
Saison 2018/19 geplant, und man darf
annehmen, dass die Engländer Freude
an dem Stück haben werden, denn ei-
nerseits liebt Unsuk Chin das Wortspiel
und andererseits arbeitete sie schon in
ihrer ersten Oper auf oft parodistische
Weise mit den musikalischen Genres:
Das Stück ist voller Anspielungen und
Ironie.
Man möchte also von einem Schlüs-
selwerk sprechen: Da widerspricht die
Komponistin allerdings. «Alice in Won-
derland» sei «von Stil und Faktur her
doch sehr anders als die meisten ande-
ren Kompositionen von mir, was nicht
nur am Operngenre liegt, sondern an
der Charakteristik des ausgewählten
Stoffes. Ich hatte versucht, in Entspre-
chung zu den intertextuellen Techniken
Lewis Carrolls und der Fantastik der
Handlung eine Musik zu schreiben, die
einem Zerrspiegel gleicht und ironisch
ist.»
Überhaupt wolle sie sich nicht wie-
derholen. Mit jedem neuen Werk «ver-
suche ich der jeweils gestellten Aufgabe
gerecht zu werden, einer Aufgabe, die
von Stück zu Stück sehr variieren kann.
Eines der Qualitätskriterien für mich
ist überhaupt, zu versuchen, dass jedes
Stück vom Charakter her einzigartig ist.
So gesehen bin ich mir persönlich nicht
sicher, ob es ein Stück von mir gibt,
das man als Schlüsselwerk bezeichnen
kann.»
c o m p o s e r14
Immerhin aber ist die Oper in ih-
rer bildhaften, fantastischen Art schon
typisch für Unsuk Chin. Ihre Musik ist
nie von der Blässe des Gedankens an-
gekränkelt. Schon Ligeti habe ihr die
abstrakten Kompositionstechniken wie
den Serialismus ausgetrieben. Bald fand
sie zu ihrer eigenen musikalischen Logik
und Imagination: «Meine Musik ist das
Abbild meiner Träume. Die Visionen
von immensem Licht und von unwahr-
scheinlicher Farbenpracht, die ich in al-
len meinen Träumen erblicke, versuche
ich in meiner Musik darzustellen als ein
Spiel von Licht und Farben, die durch
den Raum fliessen und gleichzeitig eine
plastische Klangskulptur bilden, deren
Schönheit sehr abstrakt und auch dis-
tanziert ist, aber gerade dadurch unmit-
telbar die Gefühle anspricht und Freude
und Wärme vermittelt», äusserte Unsuk
Chin einmal – und diese Neigung geht
offenbar auf ihre frühe Kindheit zurück:
«Dank meiner Träume beschäftigte ich
mich schon als ganz kleines Kind mit vie-
len Fragen. Wo und wie existieren diese
Phänomene und was ist das Geheimnis
der Einheit von Licht, Farbe, Klang und
Zahlen, die in einem zeitlichen Verlauf
fliesst, aber gleichzeitig in einem winzi-
gen Moment der Zeitlosigkeit plastisch
eingefroren ist? Von meiner Kindheit
an bis jetzt habe ich nie aufgehört, mir
diese Frage, die für mich auch die Fra-
ge nach dem Wesen der Musik ist, zu
stellen. Vielleicht werde ich in diesem
Leben nie an die Wahrheit herankom-
men». Diese Träume seien eine existen-
zielle Erfahrung und «die grösste Freu-
de meines Lebens».
Auch darin folgt sie ihrem Lehrer.
«Musikalische Bedeutung und musi-
kalische Logik verhalten sich, in den
Worten György Ligetis, zu tatsächlicher
Bedeutung und Logik wie Träume zur
Realität», schreibt sie. Logik nämlich
erweist sich in der Musik als etwas zuwei-
len Skurriles: Sie zeitigt mechanistische,
zuweilen quasi-mathematische und aufs
erste unsinnige, «unmusikalische» Ge-
bilde, die dann aber doch höchst ein-
dringliche Abläufe erzeugen. In den
Klängen steckt ja zuweilen ein faszinie-
render Nonsens, eine andere Logik.
Und da sind wir wieder in der Nähe von
Alice und ihren verrückten Abenteuern.
Sie sei erstaunt gewesen, als sie als Er-
wachsene erstmals Lewis Carroll las und
dabei Parallelen zu ihren Träumen ent-
deckte, sagt Chin.
Es wäre naheliegend, diese Bilder-
welt und diesen Farbenreichtum auch
mit ihrer Herkunft in Verbindung zu
bringen. Weniger als bei anderen Kom-
ponisten, die aus dem Fernen Osten
nach Europa oder Amerika gekommen
sind, fallen bei Unsuk Chin allerdings
Anlehnungen an asiatische Musik auf.
Sie sei in einem Korea aufgewachsen,
«das von neuen Ideen und rasanten Ent-
wicklungen im Gegensatz zu der uralten
Tradition geprägt war». Die multikultu-
relle Vermittlung bleibt so weitgehend
ausgeblendet.
Chin versucht nur selten, koreani-
sche Volksmusik mit europäischer Avant-
garde zu verbinden, aber sie habe, wie
sie selber sagt, «eine gewisse Abneigung
gegen das typische Klangbild des euro-
päischen Orchesters», das aus dem 19.
Jahrhundert stammt, und versuche des-
halb die Farbnuancen auch aussereuro-
päischer Musik einzubringen: «Wir sind
ein Volk, das Farben sehr mag. Schon
als Kind hatte ich, wenn ich Musik hör-
te, von jedem Ton eine Farbvorstellung,
zum Beispiel Gelb mit schwarzen Strei-
fen oder ähnliches. Das ist ein in meiner
Arbeit sehr wichtiger Punkt.»
Schön zu erleben ist das im Doppel-
konzert für präpariertes Klavier, Schlag-
zeug und Orchester von 2002. «Ich woll-
te eine Musik schreiben, die sehr farbig
im Charakter und im Ausdruck ist, frei
fliessend und beweglich und die sich mit-
unter in gänzlich unerwartete Richtun-
gen bewegt.» Verspielt kann sie deshalb
sein, die Musik von Unsuk Chin, frech
und witzig. Für ihr Ensemblestück «Graf-
fiti» zum Beispiel, liess sie sich von knal-
liger Strassenkunst inspirieren. Längst ist
ihre Musik international bekannt: 2004
erhielt ihr Violinkonzert den renom-
mierten Grawemeyer Award. Ihre Werke
werden nicht nur uraufgeführt, sondern
auch nachgespielt; auf den Avantgarde-
Zirkel bleiben sie nicht beschränkt.
Unsuk Chin, die seit einiger Zeit in
Berlin lebt, steuert dieses Jahr im Auf-
trag der Roche ein neues Stück zum
Lucerne Festival bei: «Le Silence des
Sirènes». Die Sopranistin Barbara Han-
nigan, Artiste-étoile des Festivals, wird
das Monodrama zusammen mit dem
Academy Orchestra unter Simon Rattle
uraufführen. Der Titel erstaunt. Tatsäch-
lich erwartet man von den Sirenen, die
einst Odysseus zu verführen suchten,
doch eher einen Gesang. Hier aber wird
ihr Schweigen beschworen, das noch
viel furchtbarer sei. Der Gedanke dazu
stammt von Franz Kafka: «Es ist zwar
nicht geschehn, aber vielleicht denkbar,
dass sich jemand vor ihrem Gesang ge-
rettet hätte, vor ihrem Verstummen ge-
wiss nicht. Dem Gefühl aus eigener Kraft
sie besiegt zu haben, der daraus folgen-
den alles fortreissenden Überhebung
kann nichts Irdisches widerstehn.» Das
Libretto des neuen Werks entstammt
zwei Quellen: dem zwölften Kapitel der
«Odyssee» Homers sowie dem Anfang
des elften Kapitels des «Ulysses», in dem
sich James Joyce auf die Sirenen bezieht.
«Diese Quellen werden äusserst frei
verwendet und keineswegs auf traditio-
nelle Weise ‚vertont‘. Das Stück besteht
aus unzählig vielen kleinen Fragmen-
ten, die aneinandergereiht werden. Mit
dem Resultat, dass die so daraus entste-
hende Gesamtstruktur einem Labyrinth
gleicht. Zusammenhalt bietet da eine
Art Leitmotiv, welches in verschiedens-
ter Verkleidung und oft versteckt das
Monodram wie ein roter Faden durch-
zieht.» Es ist anzunehmen, dass Unsuk
Chin von Sirenen geträumt hat.
Unsuk Chin am Lucerne Festi-val
17. August, 11.00 Uhr
Doppelkonzert für Klavier, Schlagzeug
und Ensemble
Ensemble intercontemporain;
Matthias Pintscher, Leitung
23. August, 18.30 Uhr
«Li Silence des Sirènes» für Sopran
und Orchester
Uraufführung, Auftragswerk Roche
Commissions
Lucerne Festival Academy Orchestra;
Simon Rattle, Leitung
Barbara Hannigan, Sopran
4. September, 12.15 Uhr
Etüden für Klavier
Mei Yi Foo
11. September, 20.00 Uhr
Porträtkonzert
Studierende der Hochschule Luzern
und der Lucerne Festival Academy
«…Visionen von immensem Licht und von unwahrscheinlicher Farbenpracht»
c o m p o s e r 15
t h e m a16
Tod Machover über Klänge und Kunst, über Technologie und Freiheit sowie über seine ersten Erfahrungen als klangsensibler Stadtbegeher
«Mit einem offenen Ende»Tod Machover ist ein offener Geist. Und ein Komponist, der die Schranken zwischen Kunst und ihrer gesellschaftlichen Wahrneh-
mung aufzubrechen sucht. Zum Beispiel, indem er ganze Städte auf ihre klangliche Individualität untersucht. Dies unter Mitwirkung
möglichst breiter Kreise und mit dem Einsatz aktuellster Technologien. Sein neuestes amibitiöses Projekt ist eine «Sinfonie für
Luzern», die im Sommer 2015 beim Lucerne Festival uraufgeführt wird. Doch der Prozess dazu hat bereits begonnen.
Andrea Meuli (Text) & Priska Ketterer (Bild)
t h e m a 17
Tod Machover: «Ich versuche, einen ideellen
Kontext zu schaffen, in welchem Leute über einen
Ort und seine Klänge nachdenken.»
t h e m a18
V O R V E R K A U F
Neue Konzertreihe Zürichab 1.9.2014: Tonhalle-Billettkasse 044 206 34 34
Haydn 2032 und Building Bridgesab sofort: schriftlich bei Hochuli Konzert AGspezielle Konditionen für Abonnenten der Neuen Konzertreihe Zürich
Aktuelle Informationen: www.hochuli-konzert.chHochuli Konzert AG, Postfach 41, 9056 GaisTel. 071 791 07 70, Fax 071 791 07 72 [email protected]
H o c h u l i K o n z e r t A G w w w . h o c h u l i - k o n z e r t . c h
Montag, 17. November 2014 – 19.30 Uhr
Orchestra Sinfonica Nazionale Rai TurinJuraj Valčuha LeitungArcadi Volodos Klavier
Tschaikowsky Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 Dvořák Sinfonie op. 95 «Aus der Neuen Welt»
Montag, 1. Dezember 2014 – 19.30 Uhr
Vilde Frang ViolineMichail Lifits Klavier
Werke von Beethoven, Brahms, Albéniz, Strauss und Ravel
Samstag, 7. Februar 2015 – 19.30 Uhr
Sol Gabetta VioloncelloBertrand Chamayou Klavier
Werke von Beethoven, Mendelssohn und Chopin
Montag, 9. März 2015 – 19.30 Uhr
Camerata BernRadovan Vlatković HornLuis Vieira Horn
Mozart Hornkonzert Nr. 3 Es-Dur KV 447 und weitere Werke von Haydn, Rosetti und Mozart
Freitag, 10. April 2015 – 19.30 Uhr
Grigory Sokolov Klavier
Das Programm wird noch bekannt gegeben.
Montag, 18. Mai 2015 – 19.30 Uhr
Kammerorchester BaselJulia Lezhneva Sopran
«Arianna in Arcadia» – Arien und Werke von Torelli, Albinoni, Sarro, Händel und Porpora
Dienstag, 7. Juli 2015 – 19.30 Uhr
Anne-Sophie Mutter ViolineLambert Orkis Klavier
Werke von Beethoven, Ravel, Respighi und Bartók
Samstag, 17. Januar 2015 – 19.30 Uhr
Kammerorchester BaselGiovanni Antonini LeitungKhatia Buniatishvili Klavier
Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37und weitere Werke von Haydn und Mozart
NEUE KONZERTREIHE ZÜRICH 2014/158 AbonnementskonzerteTonhalle Zürich, Grosser Saal
Samstag, 7. Februar 2015 – 17.00 UhrAdam Golka KlavierBeethoven und Brahms
Montag, 9. März 2015 – 17.00 UhrKuok-Wai Lio KlavierSchubert, Schumann und Janácek
Samstag, 17. Januar 2015 – 17.00 UhrRoman Rabinovich KlavierBach, Smetana, Brahms und Bartók
BUILDING BRIDGESSir András Schiff präsentiert junge PianistenTonhalle Zürich, Kleiner Saal
Freitag, 7. November 2014
Il Giardino ArmonicoGiovanni Antonini
Haydn Sinfonien Nrn. 1 d-Moll, 39 g-Moll und 49 f-Moll «La Passione» Gluck Don Juan ou le festin de Pierre Rahmenprogramm
Das Projekt Haydn2032 lässt eine Vision lebendig werden: Unter der musikalischen Leitung von Giovanni Antonini werden bis zum 300. Geburtstag Joseph Haydns im Jahr 2032 alle 107 Sinfonien in einem einzigartigen Konzertzyk-lus europaweit und eben auch bei uns in Zürich aufgeführt: www.haydn2032.com
HAYDN 2032 Haydn Lounge No. 1 «La Passione»Tonhalle Zürich, Grosser Saal
Unsere Kulturreisen 2014/15Do, 6. – So, 9. November
Fr, 23. – So, 25. JanuarDo, 30. April – Mo, 4. Mai
Wir senden Ihnen gerne die Detailprogramme.
t h e m a 19
M&T: Tod Machover, Sie nutzen die Klangprofile bestimmter Städte als musikalisches Material. Haben Sie Luzern schon erkundet?Tod Machover: Heute habe ich damit be-
gonnen! Ich war letztes Jahr am Ende des
Sommerfestivals erstmals hier in Luzern.
Damals führten wir erste Gespräche über
dieses Projekt. Allein machte ich mich
für einige Stunden auf, um Luzern zu
begehen. Ich wusste, dass es den See und
den Fluss gibt, aber nicht viel mehr.
M&T: Wie müssen wir uns das vorstellen, wenn Sie sich in einer Stadt auf Klangexpedition be-geben?Tod Machover: Das hängt ganz vom Ort
ab. Erstens einmal ist es mir wichtig, vor-
weg viel über eine Stadt zu lesen. Dann
liebe ich es, mich auf lange Stadtwan-
derungen zu machen, mich auf die Be-
sonderheiten eines Ortes einzulassen.
Luzern kannte ich nicht sehr gut. Als
auffallendes visuelles Wahrzeichen präg-
te sich mir die Natur mit den markanten
Bergen ein.
M&T: Wie lassen sich solche Erfahrungen in Klänge und letztlich in strukturierte Musik um-wandeln?Tod Machover: Das ist eine wichtige
Frage! Ich denke, das Interessante eines
solchen Prozesses ist es, gemachte Er-
fahrungen in Klang zu übersetzen. Das
beginnt bei einer ganz direkten, authen-
tischen Bestandesaufnahme: Welche
Klänge nehmen wir in der Stadt wahr?
Was hören wir? In welchem Kontext sind
sie interessant oder definieren eine Be-
sonderheit des betreffenden Ortes. Der
imaginäre Weg, eine Stadt über ihre
klangliche Wirklichkeit zu erforschen,
hat ein starkes Potenzial. Es fällt auf,
dass in dieser Stadt, neben den erwähn-
ten kraftvollen visuellen Eckpunkten der
Berge, sehr viele Details zu entdecken
sind – die Stadt ist nicht auf ein Wahr-
zeichen wie eine Kathedrale oder einen
zentralen Platz als urbaner Mittelpunkt
konzentriert. Es gibt mehrere Brücken,
alles hat hier seinen Reiz, seine beson-
dere Atmosphäre, jedes kleine Gäss-
chen. Ja, die Details faszinieren mich in
Luzern vor dieser starken Naturkulisse.
Und langsam beginne ich einige der
wichtigen Fragen zu verstehen, die mich
hier interessieren.
M&T: Welche Fragen brechen auf?Tod Machover: Etwa jene nach der Mi-
schung zwischen progressiven Ideen und
einem konservativen Geist, woran ich zu-
vor nicht gedacht hatte. Ungewöhnlich
ist, dass dieser Ort – mitten in Europa,
umgeben von Bergen, alles ist beschützt
– seit Jahrhunderten auch ein Ort des
Durchgangs war und ist. Leute kommen
und machen hier Urlaub, andere fahren
durch mit dem Ziel Italien. Es ist sehr un-
üblich, einen Ort zu finden, an welchem
diese beiden Voraussetzungen in einer
solchen Balance vorhanden sind. Wenn
wir über eine Art psychologischen Zugang
zu einem Ort reden, wie wir eine Stadt
oder eine Gegend erkunden, damit sie
auf eine bestimmte Art und Weise in Mu-
sik ausgedrückt werden kann – dann tref-
fen wir den Punkt, der mich interessiert.
M&T: Eine Stadt wie Luzern oder überhaupt die europäischen Städte sind ganz verschieden zu den amerikanischen Metropolen entstanden und gewachsen. Konsequenterweise haben sich über die Jahrhunderte hinweg auch andere Strukturen entwickelt.
Tod Machover: Auf jeden Fall. In einer
Stadt wie Toronto beispielsweise gibt es
viele Brachflächen, die einen animieren,
diesen Raum mit neuen Ideen zu beset-
zen. Man muss dort nicht alles in bereits
bestehende Strukturen integrieren. So-
gar in Manhattan ist das ganz anders.
Sicher sind es genau diese Zusammen-
hänge, die einen Ort wie diesen hier ein-
zigartig machen.
M&T: Wie wichtig ist Ihnen der Gedanke, wie eine Stadt oder ein Ort sich selber gerne erfah-ren möchte?Tod Machover: Das ist eine wichtige Fra-
ge! Und ich bin ständig daran, dieser
Frage nachzugehen, Antworten darauf
zu finden. Mit jedem neuen Projekt. In
Toronto, bei meinem ersten derartigen
Projekt, versuchte ich, so viele Materiali-
en wie möglich einzubauen und letztlich
in dem Stück zu verwenden. Sehr viele
Leute waren daran beteiligt und steuer-
ten Klangmaterial bei, und ich verwende-
te möglichst alles, was irgendwie zu ver-
wenden war. Mit dem Resultat, dass das
Stück zwar interessant wurde. Aber heute
denke ich, dass ich zu zaghaft und zu re-
spektvoll in der Auswahl war. Könnte ich
das Stück heute nochmals herausbrin-
gen, würde ich selektiver auswählen. Das
zweite Werk entstand in Edinburgh – mit
einem entgegengesetzten Resultat. Ich
kannte wohl die Stadt seit Langem, reiste
für das Projekt allerdings bloss zweimal
hin und entwickelte das Stück vorwie-
gend in meinem Studio in Boston. Dabei
verarbeitete ich ausschliesslich Material,
welches mir für das Stück unentbehrlich
schien – also das genaue Gegenteil des
ersten Projekts! Mit der Konsequenz,
dass das Stück noch ganze zwölf Minuten
dauerte, während jenes aus Toronto 35
Minuten lang war. Mit meiner jüngsten
Arbeit in Perth denke ich, nun so etwas
wie einen Ausgleich erreicht zu haben.
M&T: Welche Leitplanken stellen Sie für die «Lucerne Symphony» auf? Tod Machover: Ich weiss es noch nicht.
Sicherlich wird es kein Stück für das
Tourismusbüro, um damit Werbung für
die Stadt zu machen. Es ist aber auch
nicht als Kritik gedacht, vielmehr als
eine emotionale wie psychologische Er-
fahrung. Vielleicht bringt das Werk Leu-
te dazu, Dinge zu erkennen und darüber
nachzudenken, die ihnen bis dahin gar
nicht bewusst waren.
M&T: Wie bewahren Sie Ihre Projekte davor, bloss oberflächliche, additive Klangsammlung zu sein?Tod Machover: Wesentlich sind zwei As-
pekte: wie viel von einem Konzept, von
einer strukturierten Idee früh in das Pro-
jekt einfliesst und zu welchem Zeitpunkt
die Materialsammlung gestoppt wird, be-
vor sie ins Beliebige ausufert. Für Luzern
habe ich mir vorgenommen, so lange als
möglich zu warten, bevor das Material in
eine konkrete Form gebracht wird.
M&T: Was entzündet Ihre künstlerische Fanta-sie, was ist Ihre Strategie?Tod Machover: Ich bin zutiefst davon
überzeugt, dass wir eine neue Beziehung
zwischen Künstler und Publikum finden
müssen. Dabei darf allerdings der quali-
tative Anspruch nie einer flachen Bana-
lität geopfert werden. Man muss nur mal
schauen, was heute in den Social Media
abläuft, wie darin jeder – überall und zu
jedem Thema – sich ein Urteil anmasst
und dies als öffentliche Meinung kund-
tut. Demgegenüber versuche ich ein
anderes Modell der Zusammenarbeit zu
aktivieren, bei dem Leute Material bei-
steuern und den Weg der Ideen mitbe-
stimmen können.
M&T: Wie geschieht das?Tod Machover: Es gibt viele Stufen des
Projekts: wenn jemand Ideen und Klänge
einsendet, wenn Klänge vermischt wer-
den können, wenn ich Resultate mitein-
ander verbinde und wieder nach aussen
senden kann. Wir entwickeln eine Soft-
ware, welche es den Leuten ermöglicht,
mit den verschiedenen Teilen eines Stü-
ckes zu experimentieren und sie auch zu
bearbeiten. Schliesslich suche ich an je-
«Luzern so zu hören, wie es niemand erwartet hätte!»
t h e m a20
lucernechamber
circle
Die Konzertreihe ausserhalb der Festivals im Kultur- und Kongresszentrum Luzern
Saison 2014 / 2015
Sonntag, 7. Dezember 2014, 11.00 Uhr (Matinee)
Adventsmatinee: Hespèrion XXI«Folías Antiguas y Criollas»Andrew Lawrence-King, HarfeJordi Savall, Viola da gamba und Leitung
Sonntag, 21. Dezember 2014, 18.30 Uhr
J. S. Bach: WeihnachtsoratoriumCappella AmsterdamLe Concert LorrainDaniel Reuss, LeitungHana Blažíková, SopranMarie-Claude Chappuis, AltThomas Hobbs, TenorPeter Harvey, Bass
Dienstag, 30. Dezember 2014, 19.30 Uhr
Nussknacker zu 8 HändenGershwin Piano QuartetMischa Cheung, André Desponds, Benjamin Engeli, Stefan Wirth
Sonntag, 4. Januar 2015, 11.00 Uhr (Matinee)
Salzburger Neujahrskonzert: Grüsse aus Küche und KellerCamerata SalzburgGregory Ahss, Chefkoch und musikalische LeitungJosef Radauer, Oberkellner und Kontrabass
Sonntag, 18. Januar 2015, 18.30 Uhr
Cuzzoni vs. Bordoni: 2 Diven – 2 RivalinnenCappella GabettaAndrés Gabetta , Violine und LeitungSimone Kermes, Sopran (Cuzzoni)Vivica Genaux, Mezzosopran (Bordoni)
Karfreitag, 3. April 2015, 18.30 Uhr
J. S. Bach: Matthäus-PassionBalthasar-Neumann-ChorLe Concert LorrainChristoph Prégardien, Evangelist und LeitungHana Blažíková, SopranSophie Harmsen, AltJames Gilchrist, TenorKonstantin Wolff, BassDietrich Henschel, Bass
Montag, 13. April 2015, 19.30 Uhr
Macht süchtig: Opium IIPhilippe Jaroussky, CountertenorJérôme Ducros, KlavierQuatuor Ébène
Sonntag, 10. Mai 2015, 18.30 Uhr
Frühromantik zum MuttertagKammerorchester BaselChristian Zacharias, Klavier und Leitung
Vorverkauf: Wählen Sie online Ihren Sitzplatz aus: www.kulturticket.ch Bezahlung mit Kreditkarte (MasterCard/Visa), Postcard oder gegen Rechnung Tel. 0900 585 887 oder 0900kultur (Mo-Fr, 10.30-12.30 h, CHF 1.20/Min.)
Veranstalter: swiss classics gmbh, sängergasse 5, 4054 basel. www.swissclassics.ch, [email protected]änderungen vorbehalten
t h e m a 21
dem dieser Orte nach unverwechselbaren
Dingen, die wirklich interessant sind und
auch überraschen. Ansonsten würden die
Projekte ja überall gleich daherkommen.
Es gehört auch dazu, bestimmte Kreise –
Schulen etwa mit dem richtigen Lehrer –
einzubinden. Dann können geradezu be-
rührende Resultate entstehen. Vielleicht
kommt jemand darauf, Luzern so zu hö-
ren, wie es niemand erwartet hätte! Viel-
leicht ein fünfminütiger Gang durch das
Stadtzentrum, vielleicht eine besondere
psychologische Situation. Solche Dinge
geschehen. Und wenn sie geschehen,
dann entsteht ein Stück, wie ich es selber
nie verwirklichen könnte. Ich versuche,
eine offene Struktur zu schaffen, welche
es ermöglicht, dass solche Überraschun-
gen tatsächlich geschehen.
M&T: Ihre Stadtprojekte sind ausgesprochen prozessual angelegt. Betrachten Sie den Weg dorthin als das eigentliche Werk – oder doch eher das am Ende aufgeführte Stück als musi-kalisches Kondensat?Tod Machover: Ich denke, es gibt noch
eine dritte Option: eine Umgebung zu
schaffen, einen ideellen Kontext, in wel-
chem Leute fortlaufend über einen Ort
und seine Klänge nachdenken. Mit einem
offenen Ende. Das Luzerner Projekt hin-
gegen sehe ich als eine Kombination der
beiden von Ihnen genannten Optionen.
Würde es auf eine der beiden Haltungen
eingeschränkt, wäre ich unglücklich. In
Toronto war eine Tendenz zu beobach-
ten die vielleicht generell gilt: Die Mu-
sikkritiker betrachteten das Projekt und
meinten: «Fantastischer Prozess, aber wir
mögen das Stück nicht!» In Edinburgh
wie in Perth war das Werk an sich stärker
in den Prozess integriert. Ich will wirklich,
dass die Stücke ein Eigenleben bekom-
men! Möglich, dass mir dies nicht gelingt,
aber ich strebe es an. Es ist mir wichtig.
M&T: Sie möchten am Ende ein musikalisches Werk präsentieren, welches ein Orchester auch an einem anderen Ort spielen könnte?Tod Machover: Ja, genau! Vielleicht wer-
den wir uns in unserem nächsten Projekt
nach Luzern auf diesen dritten Aspekt
konzentrieren: Können wir einen Pro-
zess und ein Stück initiieren, bei dem im
Vordergrund steht, dass das daraus ent-
stehende Werk weiterlebt und auch für
spätere Eingriffe offen bleibt?
M&T: Ist es möglich, dass ein so konzipiertes und realisiertes Werk eigenständig, ohne seinen Initiator überleben kann?Tod Machover: Ja. Ich denke, das kann
funktionieren. Einige meiner Werke
sind schwierig aufzuführen. Meine letzte
Oper, «Death and the Powers», verlangt
beispielsweise Roboter auf der Bühne,
man braucht dafür ein sehr kompli-
ziertes Set mit komplexen Geräten und
Anlagen. Hier in Luzern spielt das Or-
chester unverstärkt, die elektronischen
Klänge werden hinzugemischt. Aber
alle meine Vorstellungen – etwa von
Klangeinblendungen – sind notiert. Das
schafft überhaupt keine Probleme, ein
solches Werk später oder anderswo wie-
der aufzuführen.
M&T: Andernfalls gäbe es kein künstlerisches Weiterleben für Sie als Komponist…Tod Machover: … ich versuche natürlich
die Voraussetzungen zu schaffen, damit
es gelingt, dem Werk ein Weiterleben
ohne mich für eine hoffentlich lange
Zeit zu sichern. Aber solchen Strategien
sind immer Grenzen gesetzt. Über einen
gewissen zeitlichen Rahmen hinaus ist
das kaum zu beeinflussen oder gar zu
kontrollieren. Kommt hinzu, dass Din-
ge, die uns heute beschäftigen oder gar
berühren, in zehn oder zwanzig Jahren
möglicherweise oberflächlich und banal
erscheinen. (Lachend) Vielleicht gelingt
das jemand anderem besser als mir…
M&T: Ihre Ideen nutzen das kreative Potenzial komplexer Technologien. Öffnet Ihnen die Tech-nologie auch künstlerische Freiräume?Tod Machover: Ich denke, wenn Sie die
die Technologie beherrschen, kann Sie
Ihnen tatsächlich eine bestimmte Art
von Freiheit geben. Aber natürlich gibt
es nicht nur diese eine Freiheit. Ich versu-
che die aktuellen technologischen Mög-
lichkeiten zu nutzen, um die verschie-
densten Fragen zu erkunden: wie sich
eine Ausdrucksgeste umsetzen lässt, was
eine Phrase bedeuten kann, wie kom-
plex ein Klang sein kann oder wie die
Beziehung zwischen Ausführenden und
Publikum einbezogen werden kann.
Ich glaube heute – auch wenn es mittels
technologischer Mittel geschieht –, es
braucht den direkten menschlichen Kon-
takt, um einen wirklichen Prozess in Gang
zu bringen. Das möchte ich auch mit die-
sem Luzerner Projekt erreichen. Wenn
ich im August zurückkehre, versuche ich
daher so viele kommunikative Situationen
als möglich zu schaffen: Leute können
mir Klänge bringen, mir eine Geschichte
erzählen, wir können uns über die Stadt
unterhalten. Sicher wird das der Start zu
einem Prozess voller Überraschungen!
Tod Machover am Lucerne Festival 2014
23. August: 11.00 – 13.00
Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz
24. August: 16.00 – 18.00
Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz
25. August: 19.30
Workshop, KKL Luzern, Clubräume
Teilnahme am Workshop nach Voranmel-
dung unter [email protected]
26. August: 16.00 – 18.00
Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz
27. August: 19.30
Workshop, KKL Luzern, Clubräume
Teilnahme am Workshop nach
Voranmeldung unter
info@sinfoniefuerluzern
Tod Machover – The Lucerne Symphony
Der amerikanische Komponist Tod Machover
demonstriert mit seiner Musik eine ausser-
gewöhnliche stilistische Bandbreite, die dazu
beigetragen hat, die Definition der Musik
selbst und ihre Wirkung auf die Gesellschaft
weiterzuentwickeln. Machover ist für seine in-
novativen Werke bekannt wie zum Beispiel die
«Roboter-Oper» Death and the Powers. Seit
2012 arbeitet Machover an einer Serie von
«Stadt-Sinfonien», so entstanden in Toronto,
Edinburgh und Perth (Australien) ähnliche Sin-
fonien wie die geplante in Luzern.
Er wurde 1953 in New York geboren, studierte
an der Juilliard School bei Elliott Carter und
wirkte an Pierre Boulez‘ IRCAM in Paris als
«composer-in-residence» und als erster Di-
rector of Musical Research. Machover ist als
«Muriel R. Cooper Professor of Music and Me-
dia» und Director der sogenannten Opera of
the Future Group am MIT Media Lab in Boston
tätig. Er ist bekannt dafür, neue Technologien
für musikalische Aufführung und Komposition
zu entwickeln. Tod Machover ist der Erfinder
der Hyperinstruments, die die musikalischen
Ausdrucksmöglichkeiten für Künstler wie Yo-
Yo Ma oder Prince erweitert haben.
Darüber hinaus wurden vom MIT Media Lab
für die breite Öffentlichkeit die revolutionären
Videospiele «Guitar Hero» oder «Rock Band»
entwickelt. Machover arbeitet ausserdem an
musikalischen Systemen und Technologien, die
die Förderung der physischen und mentalen Ge-
sundheit und des Wohlbefindens zum Ziel haben.
Das gesamte Projekt «Eine Sinfonie für Lu-
zern» wird von Lucerne Festival filmisch be-
gleitet. Am Ende steht eine Dokumentation, die
im Zusammenhang mit der Uraufführung des
Werks am 5. September 2015 gezeigt wird.
www.todmachover.com
i n s e r a t e22
In aller Leute Mund.Rezital Jonas Kaufmann Montag, 13. Oktober 2014 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalJonas Kaufmann, Tenor | Helmut Deutsch, Klavier
Robert Schumann: Auswahl aus den «Kerner-Liedern» op. 35 «Dichterliebe» op. 48Richard Wagner: «Wesendonck-Lieder» WWV 91Franz Liszt: Tre sonetti di Petrarca S. 270
Preise: CHF 250 | 190 | 140 | 90 |40
Eine der bedeutendsten Pianistinnen der Gegenwart.Maria João Pires spielt BeethovenMittwoch, 15. Oktober 2014 & Donnerstag, 16. Oktober 201419.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalLuzerner Sinfonieorchester LSO | James Gaffigan, Leitung | Maria João Pires, Klavier
Carl Maria von Weber: Ouvertüre zur romantischen Oper «Oberon»Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 und Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Saison-Höhepunkte 2014/15mit Chefdirigent James Gaffiganund dem LSO.
i n s e r a t e 23
Händels erfolgreichste italienische Oper.Cäsar und Cleopatra mit Natalie DessayDienstag, 18. November 2014 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalLe Concert d’Astrée | Emmanuelle Haïm, LeitungNatalie Dessay, Sopran | Christophe Dumaux, Countertenor
Georg Friedrich Händel: Ausschnitte aus der Oper «Giulio Cesare in Egitto»
Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Eine Legende mit Mozarts letztem Klavierkonzert.Menahem Pressler & Thomas DausgaardMittwoch, 3. Dezember 2014 & Donnerstag, 4. Dezember 201419.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalLuzerner Sinfonieorchester LSO | Thomas Dausgaard, LeitungMenahem Pressler, Klavier
Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 B-Dur KV 595Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur
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Stargitarrist Miloš zu Neujahr.Il Regno di NapoliDonnerstag, 1. Januar 2015 | 17.00 Uhr ] Freitag, 2. Januar 2015 | 11.00 Uhrjeweils KKL Luzern, KonzertsaalLuzerner Sinfonieorchester LSO | James Gaffigan, Leitung | Miloš, Gitarre
Joaquín Turina: «Danzas gitanas» für OrchesterJoaquín Rodrigo: «Concierto de Aranjuez» für Gitarre und OrchesterAlessandro Scarlatti: Concerto grosso Nr. 5 d-MollDomenico Scarlatti: Eine Sonate für KlavierDomenico Cimarosa: Ouvertüre zur Oper «Il matrimonio segreto»Giuseppe Verdi: Ouvertüre zur Oper «Alzira»Nino Rota: Tänze aus der Filmmusik zu «Il Gattopardo» und andere
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a r t i s t s24
Sie zählt zu den vielseitigsten Musikerpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Sopranistin und Dirigentin pflegt Barbara Hannigan
ein breites Repertoire, das von der alten bis zur neuesten Musik reicht. Darüber hinaus lebt sie als Dirigentin ein kollegiales
Miteinander, fernab von jeglichem Dünkel. Beim Lucerne Festival ist die Kanadierin nun «artiste étoile», mit umfassenden
Einblicken in ihr Wirken. Wir trafen sie in München, wo sie jüngst in Bernd Alois Zimmermanns «Die Soldaten» zu erleben war.
Marco Frei (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Barbara Hannigan über Mahlers Parodiefalle, den Umgang mit Tradition und die Kraft der Stille
«Ich bin gesund!»
a r t i s t s 25
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a r t i s t s 27
M&T: Barbara Hannigan, wie singt man im Zweiten Streichquartett von Arnold Schönberg die «Luft von anderem Planeten» – oder den «kindlich heiteren Ausdruck» im Finalsatz der Vierten Sinfonie von Gustav Mahler?Barbara Hannigan: Indem man bei Mah-
ler nicht in die Parodiefalle tappt. Mah-
ler hat diese Anweisung ernst gemeint.
Zudem muss der «kindliche Ausdruck»
nicht zwangsläufig den Ton meinen, son-
dern eine Haltung – die Art des Vortrags.
Ich liebe es, die Vierte von Mahler zu
singen. Insbesondere heute. Es war eines
meiner ersten Orchesterstücke, als ich
jung war. Ich hörte all die Aufnahmen,
aber vor allem in den zurückhaltenden
Momenten war es oft so gross und dick.
Das konnte ich nicht verstehen, weil es
mir wie Protzerei vorkam – mit viel Vib-
rato. Für mich war es sehr schwer, damit
umzugehen. Aber jetzt bin ich älter und
muss niemandem mehr beweisen, dass
ich singen kann. Ich bin nicht in einem
Wettbewerb und fühle mich einfach wohl
in dieser Musik – in der Unschuld des
Klanges eines Kindes, das im Himmel die
Tiere rennen sieht und sich nicht vor-
stellen kann, dass das Essen dort so gut
sei. Es ist eine Art Bewusstseinswerdung,
die sehr spontan ist und sehr rasch. Des-
wegen verlangt Mahler ständig: «Nicht
schleppen». Denn die Assoziationen von
Kindern kommen und gehen schnell,
auch das meint das «Kindlich». Es be-
wegt sich stets vorwärts, ohne zu zögern.
M&T: Und das Zweite Streichquartett von Schönberg?
Barbara Hannigan: Dort trage ich eine
Art Wettbewerb mit mir selber aus. Und
wie viel Geld ich verliere, wenn ich dieses
Stück singe! Ich singe es nämlich oft um-
sonst, weil ich keine Gelegenheit verpas-
sen möchte – dafür liebe ich es zu sehr.
Wie man die «Luft von anderem Plane-
ten» singt? Ich denke, indem man vor
allem sehr genau und sehr tief zuhört.
Ich höre dem Klang des Streichquartetts
zu, um wirklich die Luft in diesem Klang
zu spüren. Und wenn das Quartett die
letzten fröstelnden Noten spielt, bevor
der Gesang anbricht, und es schwingt
bereits die Ahnung einer Farbe in der
Luft mit: Das ist es. Es ist für mich eine
türkis-blaue Kühle, die diesen Klang
hervorruft und Gänsehaut verleiht – ein
Klang jenseits der Sterne.
M&T: Ist auch für den «Klang jenseits der Ster-ne» die Frage nach dem Vibrato entscheidend – auch im Sinne eines «non vibrato»?Barbara Hannigan: Der Gebrauch des
Vibratos ist tatsächlich sehr entschei-
dend. Ein Dauervibrato wirkt künst-
licher und hat nichts zu tun mit der
Freiheit oder Unschuld eines Kindes.
Ich benutze das Vibrato sehr bewusst,
mache den Ton straffer und klarer oder
füge Vibrato hinzu. In komischen Rol-
len parodiere ich auch das Vibrato, bei
Mahler aber sollte das Vibrato wirklich
minimal sein – allerdings ohne Zwang,
weil das auch wieder künstlich wäre und
gewollt. Bei Schönberg hingegen muss
man im Klang des Quartetts sein, es ist
ein miteinander Atmen. Man kann das
Zweite Streichquartett nicht ganz ohne
Vibrato singen, wegen des klanglichen
Volumens, gerade in den tieferen Regis-
tern. Für mich steht grundsätzlich fest,
dass ein Dauervibrato, wie es noch heute
gerne gelehrt wird, ziemlich langweilig
ist. Man muss es beherrschen, ja, aber
frei einsetzen. Generell arbeite ich sehr
hart und mit viel Disziplin an meiner
Technik, um frei zu sein.
M&T: Weil flexibel?Barbara Hannigan: Ja. Natürlich muss
man spontan sein, aber wie schon Pierre
Boulez stets zu mir sagte: «Du kannst
erst spontan sein, wenn du diszipliniert
gearbeitet hast, um alle Möglichkeiten
zu besitzen. Erst sie erlauben dir, das zu
erreichen.» Wenn ich das Zweite Streich-
quartett von Schönberg singe, spüre ich
den musikhistorischen Wandel – die
Tradition und das Loslassen von ihr. Wir
müssen unser Musizieren mit unserem
Wissen konfrontieren, aber ohne den
Zwang von Tradition. Die Tradition soll-
te nichts damit zu tun haben, wie man
ein Stück singt. Kein Komponist hat mir
je gesagt: «Bitte singe mein Stück so, wie
es andere tun.» Sie sagen: «Schau in die
Barbara Hannigan: «Ich promote Partituren, das ist mein Job.
Denn Musik ist das Medium, durch das ich den Menschen
helfen kann, sich selber zu betrachten.
a r t i s t s28
Noten.» Nur das ist ihr Erbe, nicht ir-
gendeine Interpretationstradition.
M&T: Was hat Ihnen Boulez gegeben?Barbara Hannigan: Zuerst haben wir
Anton Webern und Igor Strawinsky ge-
macht, und dann kam sein eigenes Werk
«Pli selon pli». Das war für mich unver-
gesslich. Wir kannten uns bereits gut und
vertrauten uns sehr. Er sagte mir nie, wie
ich zu singen hätte. Ich fühlte mich frei,
spürte den Fluss, fast schon eine impro-
visierende Qualität – obwohl die rhyth-
mische Kontrolle und die Koordination
mit den Instrumentalisten in dem Werk
wirklich hart ist. Was wir gemeinsam ent-
deckten, war die dramatische Präsenz
des Stücks. Zuvor hatte mich György Li-
geti als erster für vieles befreit. Die He-
rausforderungen in seiner Musik waren
so gross, aber ich sage oft, dass moderne
Komponisten meine Gesangslehrer sei-
en. Natürlich – wenn du Mozart nicht
singen kannst, ist etwas falsch. Er ist der
Test. Aber ich habe Klänge und Farbe
entdeckt durch so viele moderne, zeitge-
nössische Komponisten. Sie alle haben
mir etwas beigebracht und mich unter-
richtet. Und sie tun es noch immer.
M&T: Woher rührt Ihre Neugierde für neue Musik?Barbara Hannigan: Ich komme aus einer
kleinen Stadt in Kanada, wo ich zwar ei-
nen guten Gesangsunterricht hatte, aber
keinen allzu kenntnisreichen Musikun-
terricht. Mit 17 zog ich nach Toronto.
Dort begann ich, Mahler zu hören und
Bruckner, auch Ligeti und Boulez. Alles
war neu für mich. Ich bin mindestens
drei- oder viermal die Woche ins Kon-
zert gegangen, alte und moderne Musik,
alles. Für mich war nie ein Stil besser als
der andere.
M&T: Viele junge Sänger meinen, neue Musik ruiniere die Stimme.Barbara Hannigan: Ach, das wurde
schon immer gesagt. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich
diese Ressentiments wohl noch ver-
stärkt. Aber echte Sängerinnen, wie
Cathy Berberian, haben bewiesen, dass
neue Musik die Stimme nicht ruinieren
muss. Sie waren erfolgreich und hatten
gesunde Stimmen. Ich habe über 80 Stü-
cke uraufgeführt – und es geht mir sehr
gut. Ich bin gesund!
M&T: Sie geben in Luzern diesen Sommer einen Meisterkurs. Was ist Ihr «Geheimrezept», das Sie in Luzern dabei verraten werden?Barbara Hannigan: Zunächst einmal
sind die meisten Stimmen durch über-
mässiges Singen ruiniert. Schauen Sie
sich die Wagner-Sänger an: Es gibt so
viele, die medizinische Hilfe benötigen
für ihre Stimmbänder. Wir kennen sie,
und das hat nichts mit moderner Musik
zu tun. Eine gesunde Technik ist eine
gesunde Technik. Man muss diszipliniert
sein und einen Plan haben, um Musik
einzustudieren. Ich bin auf Proben sehr
vorsichtig und muss niemandem etwas
beweisen. Ich gebe in der Aufführung
mehr als in den Proben.
M&T: Sie mögen Yoga, oder? Barbara Hannigan: (lacht) Ich habe mir
für meinen Meisterkurs in Luzern tat-
sächlich einen Yogalehrer gewünscht,
aber es hätte auch etwas anderes sein
können. Ich bin keine Yoga-Fanatikerin
– überhaupt nicht. Aber ich wollte einen
Bewegungskurs integrieren, weil es wirk-
lich wichtig ist, den ganzen Körper zu
«Heute umarme ich diese Einsamkeit!»
a r t i s t s 29
Barbara Hannigan
am Lucerne Festival
16. August, 22.00 Uhr («Late Night»)
Werke von Rossini, Mozart, Ligeti und Fauré
Mahler Chamber Orchestra,
Barbara Hannigan, Dirigentin und Sopran
23. August, 18.30 Uhr
Chin: «Le Silence des Sirènes»
(Uraufführung)
Lucerne Festival Academy Orchestra &
Chorus
Simon Rattle, Dirigent
25. – 30. August, 11.00 Uhr
Meisterkurs Gesang mit Barbara Hannigan
Studierende der Lucerne Festival Academy
30. August, 22.00 Uhr («Late Night»)
Abschlusskonzert Meisterkurs
29. August, 22.00 Uhr
Barbara Hannigan in der Festival Lounge
6. September
Mahler 4. Sinfonie G-Dur
Lucerne Festival Academy Orchestra,
Matthias Pintscher, Dirigent
trainieren. Sehr viel häufiger gehe ich
ins Fitnesscenter, einfach um gesund zu
bleiben.
M&T: Zumal heute der kulturpolitische Druck auf die Klassik wächst, und auch die PR-Ma-schinerie gnadenlos ist?Barbara Hannigan: Natürlich, das ist
wahr. Aber noch wichtiger ist, dass man
sich selber gegenüber ehrlich und auf-
richtig ist. Wenn du nicht dem folgst, was
andere meinen, was du tun solltest, gibt
es dir wirklich Energie. Ich habe immer
sehr viel gearbeitet, auch heute noch.
Schon als Kind wollte ich viel beschäftigt
sein. Andere Menschen benötigen mehr
Raum. Es geht also darum, was man sel-
ber braucht. Und was die «PR-Maschine»
betrifft: Ich möchte die Komponisten
promoten, seien sie nun tot oder leben-
dig. Ich promote Partituren, das ist mein
Job. Denn Musik ist das Medium, durch
das ich den Menschen helfen kann, sich
selber zu betrachten. Die Botschaften in
Zimmermanns «Soldaten» oder in Bergs
«Lulu» künden davon, Dinge zu ändern.
M&T: In Luzern sind Sie auch als Dirigentin zu erleben. Warum sind bis heute Vorbehalte ge-genüber dirigierenden Frauen weit verbreitet?Barbara Hannigan: Jedenfalls ist der
Druck auf Frauen, besser zu sein, sehr
viel höher – das stimmt. Eigentlich muss
man als Frau immer besser sein. Für
mich muss man einfach ein guter Musi-
ker sein, ob Mann oder Frau. Punkt. Für
mich ist das Dirigieren normal. Es macht
15 Prozent meines Jahres aus, und es
wird mehr werden – zumal man nicht
ewig singen kann. Ich mache es seit ei-
nigen Jahren und sage nicht: «Hey, ich
bin eine Frau.»
M&T: Haben Sie Angst vor der Stille?Barbara Hannigan: Nein, die Stille ist so
wichtig wie der Klang. Ich geniesse sie.
Und für meine Stimme ist das Schwei-
gen notwendig. Wann immer ich kann,
fahre ich nach Nova Scotia in Kanada,
wo es sehr still ist. Da komme ich her.
Für mich war es anfangs sehr hart, mei-
ne Heimat zu verlassen – die innere
Einsamkeit. Aber jetzt bin ich daran ge-
wöhnt und sehe das Alleinsein als etwas
Positives. Um es mit Rilke zu sagen: Heu-
te umarme ich diese Einsamkeit.
M&T: War die Einsamkeit der Preis der Karriere?Barbara Hannigan: Ja, und heute ist
es ein schöner Preis. Man muss dem
Nachwuchs erklären, dass man bereit
sein sollte, etwas aufzugeben. Es ist ein
grosses Opfer. Du bist selten zu Hause,
immer woanders, deine Freunde und
persönlichen Sachen sind weit weg. Man
muss wenig reden, um die Stimme zu
schonen. Manchmal kann ich deswegen
nicht mit meiner Familie sprechen. Aber
ich habe einen wundervollen Partner,
der mich genau versteht und weiss, wie
ich arbeite. Er schenkt mir den Raum,
den ich brauche – für meine Kunst.
a r t i s t s30
Christian Gerhaher über Gesangs-Emphase, seine Entwicklung als Liedersänger und die Ikone Dietrich Fischer-Dieskau
«Ich bin ein Epigone»Seine Liedinterpretationen schürfen tief, und in der Oper dringt er Schritt für Schritt in neue Gefilde vor. Der Bariton Christian Gerha-
her hat viel erreicht in seiner Karriere. Und Selbstzweifel wie Eigenkritik dabei nie verloren. Diesen Sommer verkörpert er am Lucer-
ne Festival in der halbszenischen Umsetzung von Johann Sebastian Bachs «Matthäuspassion» den Christus. Eine ganz besondere
Herausforderung.
Kai Luehrs-Kaiser
a r t i s t s 31
M&T: Herr Gerhaher, es gibt derzeit wenige Sänger, die so stark bewundert werden wie Sie – auch von Musikerkollegen. Wie gehen Sie damit um? Christian Gerhaher: Ich fühle mich
eher geniert und kann nur versuchen,
das Lob zurückzugeben. In letzter Zeit,
das stimmt, häufen sich die Dinge bei
mir, zum Beispiel dadurch, dass ich «Ar-
tist in Residence» bei den Berliner Phil-
harmonikern war. Es liegt eine Gefahr
darin, Lob zu glauben. Ich selber sehe
mich als einen typischen Stimmbesit-
zer. Aber ein richtiger Musiker bin ich
nicht.
M&T: Wie bitte?!Christian Gerhaher: Das Material meiner
Stimme, glaube ich, gibt mir bestimmte
Möglichkeiten. Aber zugleich muss ich
zugeben, dass ich die Musik, die mein
Beruf ist, oft nicht verstehe. Gestern
in der Berliner Philharmonie habe ich
Simon Rattle mit der 3. Snfonie von
Brahms gehört. Er hat es phantastisch
dirigiert, und doch weiss ich überhaupt
nicht, wie das aufgebaut ist. Ich empfin-
de mich als Laien.
M&T: In die Schweiz, nach Luzern, kommen Sie diesen Sommer mit Bachs «Matthäus-Passion», inszeniert von Peter Sellars. Den Jesus haben sie auch früher schon gesungen. Hat Sellars et-was an Ihrer Interpretation bewirkt?Christian Gerhaher: Oh ja, sehr viel. Ich
hatte die «Matthäus-Passion» sogar frü-
her schon einmal mit Simon Rattle in
Birmingham aufgeführt. Ich fand’s ide-
al und war nie wieder so überzeugt von
einer Matthäus-Passion. Trotzdem muss
ich sagen, dass ich die Figur des Jesus
erst in Salzburg durch Peter Sellars ver-
standen habe. Sellars hat einfach zu mir
gesagt: «Bitte freundlicher!»
M&T: Was wollte er damit sagen?Christian Gerhaher: Ich war davon aus-
gegangen, dass Jesus sehr stark durch
sein Menschsein geprägt ist. Sellars
dagegen wollte, dass ich die Milde, die
Freundlichkeit und eine unverbrüchli-
che Liebe stärker zeige. Darauf konnte
ich mich gut einlassen. Für mich hat
Sellars selber etwas stark Auratisches. Er
sagt immer, das Ergebnis sei nicht das
Entscheidende. Und darin hat er Recht.
Genau das ist die Unschärferelation in
allem Künstlerischen. Was wissen wir
schon in Bezug auf das, was wir wirklich
wollen?! Was herauskommt, hat seine ei-
gene Wahrheit.
M&T: Bei Sellars’ «Ritualisierung» handelt es sich um eine halb- oder dreiviertelszenische Aufführung, die mit wenig Mitteln den Eindruck erweckt, in sich vollständig zu sein. Richtig?Christian Gerhaher: Ja, es fehlt nichts.
Inzwischen haben wir auch die «Johan-
nes-Passion» gemeinsam aufgeführt. Es
ist das viel reflektiertere Stück. Ich habe
den Ausdruck «Ritualisierung» immer
ein bisschen merkwürdig oder sogar prä-
tentiös gefunden. Aber es steht ein uner-
hörtes musikalisches Vorstellungsvermö-
gen dahinter. Der Mann ist grossartig.
M&T: Ursprünglich erfolgte Ihr Auftritt als Jesus aus dem Publikum heraus. Sie mussten schon lange vorher, für alle sichtbar, im Publikum sit-zen?
Christian Gerhaher: Ich muss gestehen,
dass das eine schreckliche Situation war!
Man darf sich nicht rühren. Die Angst
steigt. Wir haben das szenisch jetzt Gott
sei Dank verändert.
M&T: Ist es nicht so, dass Lampenfieber und Angst aufhören, sobald man auf der Bühne steht?Christian Gerhaher: So sollte es sein. Es
kann aber auch passieren, dass man
die Angst während des ganzen Auftritts
beibehält. Das merkt man im Publikum
vielleicht nicht. Aber es bleibt ziemlich
schwierig.
M&T: Bei der Schubertiade Hohenems singen Sie im September einen Liederabend. Wenn man Ihre heutigen Liedaufnahmen mit früheren vergleicht, so stellt man eine erstaunliche Ent-wicklung fest. Ihr Timbre ist weicher und voller geworden, das Legato hat sich entwickelt und es ist eine Emphase eingekehrt, die Ihnen heute keiner nachmacht. Christian Gerhaher: Dass sich das Lega-
to verbessert hat, freut mich. Dennoch
waren dies alles nicht die Baustellen,
an denen ich gearbeitet habe. Meine
grösste Baustelle ist, dass ich überhaupt
durchgehalten habe. Damit meine ich:
gesundheitlich und konditionell. Dazu
gehört, dass man das Repertoire, das
man bedient, weiterführen kann und
immer neu entwickelt.
M&T: Woran haben Sie konkret gearbeitet?Christian Gerhaher: An der Aussprache!
Ich habe früher überartikuliert. Und
nicht ganz die Rolle der Konsonanten
beim Singen begriffen. Dieses Missver-
ständnis führt dann zum sogenannten
‚Konsonantenspucken’. Ein anderes
Problem besteht darin, dass ich mein
Bayerisch nie ganz wegbekomme.
M&T: Dietrich Fischer-Dieskau, dem verschie-dentlich «Konsonantenspucken» angelastet wurde, hielt die Mitlaute für das beste Mittel, um sein Legato zu pflegen. Sie nicht?Christian Gerhaher: Nein, ich nicht.
Konsonanten sind nicht automatisch
Legatofreunde. Schauen Sie sich die
Gesangskultur in Italien an. Dort wer-
den die Konsonaten traditionell kurz-
gehalten. Was ich viel wichtiger finde
und woran ich arbeite, ist eine stärkere
Differenzierung der Vokale. Es gibt im
Deutschen so viele verschiedene O’s, I’s,
E’s, A’s und U’s wie in keiner anderen
europäischen Sprache. Es ist ein deut-
sches Phänomen, vor allem innerhalb
der gesungenen Sprache. Ich bin grund-
sätzlich gegen ein Patex-Legato. Ent-
scheidend bleibt die Verständlichkeit.
Dabei machen sogar Unterbrechungen
das Legato lebendiger. Ein Zerhacken ist
nicht nötig.
Christian Gerhaher: «Man darf nicht in den ei-
genen Empfindungen rühren, aber man muss
doch eigene Empfindungen haben.»
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a r t i s t s32
Christian Gerhaher:
«Meine grösste Baustelle
ist, dass ich überhaupt
durchgehalten habe».
a r t i s t s 33
Christian Gerhaher
3. September, 18.30 Uhr
Johann Sebastian Bach: «Matthäus-
Passion»
Regie: Peter Sellars,
Berliner Philharmoniker, Rundfunkchor
Berlin, Luzerner Kantorei,
Simon Rattle (Dirigent)
Mit Magdalena Kozena, Topi Lehtipuu,
Mark Padmore, Eric Owens und Christian
Gerhaher (Christus).
21. September,
Schubertiade Hohenems, 20.00 Uhr
Lieberabend mit Gerold Huber, Klavier
Werke von Schubert und Rihm
Neue CD:
«Nachtviolen». Ausgewählte Lieder von
Franz Schubert
Mit Gerold Huber, Klavier
Sony Classical 88883712172
M&T: Sehen Sie sich als Kritiker Fischer-Dies-kaus?Christian Gerhaher: Nein, ganz im Ge-
genteil, ich sehe mich als Epigonen von
Fischer-Dieskau. Nur habe ich nie ver-
leugnet, dass man als Sänger eine eigene
Identität haben muss. Was Fischer-Dies-
kau erreicht hat, kann ich niemals errei-
chen. Er ist und bleibt die Ikone des 20.
Jahrhunderts, und zwar wegen des Ni-
veaus, auf welches er das Lied überhaupt
gehoben hat. Durch Fischer-Dieskau ist
Liedgesang nicht mehr abhängig von
Sentimentalität, das ist seine Errun-
genschaft. Ausserdem hat er sich dafür
eingesetzt, dass die Stimme hell geführt
wird. Das halte ich für keinen Nachteil.
M&T: Glauben Sie, dass im Allgemeinen eine Gefahr besteht, die Stimme zu dunkel zu füh-ren?Christian Gerhaher: Jedenfalls gibt es in
der Gesangsschule von Manuel Garcia
eine gewisse ‚Verdunkelungstendenz’.
Garcia sprach von einer Eindunkelung
der Stimme als Ziel. Das erreicht man
durch einen präphonatorischen Druck.
Es wäre im 18. Jahrhundert gar nicht
möglich gewesen. Fischer-Dieskau hat
diese Tendenz ein Stück weit rückgän-
gig gemacht, was bei ihm auch mit einer
Intellektualisierung einherging. Es war
eine Art Aufklärung des Gesangs.
M&T: Was betrachten Sie als weniger positiv an Fischer-Dieskau?Christian Gerhaher: Was ich kritisch
an ihm sehe, ist vor allem, dass er ein
zu grosses Repertoire bedient hat. Der
Grundsatz, nach Möglichkeit alles auf-
zunehmen, ging auf Kosten der stilis-
tischen Individualität von Werken und
Komponisten. Ich würde dies sogar als
die Tragik Fischer-Dieskaus ansehen.
M&T: Es gibt bei Ihnen ein unverwechselbares Mass deklamatorischer Intensität, und, wenn man so sagen kann: an Inständigkeit. Woher kommt das?Christian Gerhaher: Es ist, glaube ich,
nach und nach gekommen. Einen be-
stimmten Ausdruckswillen hatte ich
schon früher, aber der war zu persön-
lich geprägt. Sie müssen bedenken, dass
der Herr Huber und ich ja nun schon
mehr als 25 Jahre mit Liedern arbeiten.
Das geschah am Anfang sehr selbstbe-
züglich. Mit den Jahren sieht man die
eigene Aufgabe immer stärker in einer
Art Selbstdistanzierung. Man muss von
sich selber wegkommen, um zum Inhalt
übergehen zu können.
M&T: Es kommt alles vom Inhalt her?Christian Gerhaher: Ja. Und muss doch
zwangsläufig den Weg über das Selbst
nehmen. Das ist das Paradox des Sän-
gers. Man darf nicht in den eigenen
Empfindungen rühren, aber man muss
doch eigene Empfindungen haben. Wo-
rauf es einzig und allein ankommt, ist
die Darstellung des Geschriebenen.
M&T: Halten Sie Liedgesang nicht trotzdem für eine subjektive Sache?Christian Gerhaher: Sagen wir so: Ich
halte Selbstbezogenheit für einen nö-
tigen Umweg. Aber für einen Umweg.
Wie Gerald Huber immer sagt: Es muss
einmal durch einen durch.
M&T: Wie bei einer Kaffeemaschine?Christian Gerhaher: Ja. Und der Kaffee-
satz kann weg.
M&T: Man könnte vermuten, dass Sie auch durch die Oper zu neuen Ausdrucksmöglichkei-ten gefunden haben?Christian Gerhaher: Das ist auf jeden
Fall richtig. Ohne Wolfram im «Tann-
häuser» hätte ich die Karriere so wie sie
sich jetzt entwickelt nie machen können.
Die Partie ist ja nicht so liedhaft wie man
vielleicht denken könnte. Sie ist ziem-
lich massiv. Daran wächst die Stimme,
und das muss auch so sein. Nach der
Rom-Erzählung im 3. Akt nimmt die Par-
tie des Wolfram heldische Qualitäten an,
die man in sich entwickeln und durch-
halten muss.
M&T: Sie könnten gewiss Ihre Opernkarriere forcieren, wenn Sie das wollten. Nach welchem Prinzip sortieren Sie die Angebote?Christian Gerhaher: Das war früher
schwieriger als es heute ist. Weil im-
mer gesagt wurde: ‚Der hat so eine
kleine Stimme.’ Also habe ich mich
erst langsam vorgearbeitet. Wichtig
war Monteverdis «Orfeo» 2005 an der
Oper Frankfurt. Und daran anschlies-
send weitere Rollen an diesem Haus.
Alle Rollen sind für mich immer stark
verbunden mit der Frage, an welchem
Haus sie herauskommen. In Zürich ist
jetzt ein «Wozzeck» mit Andreas Ho-
moki geplant. In München noch ein-
mal ein Marquis Posa in «Don Carlo».
Irgendwann wird Amfortas folgen. Hof-
fentlich auch Simon Boccanegra. Und
eventuell Guillaume Tell. Der entschei-
dende Aspekt bleibt, dass ich durch
Opernrollen meine Liedkarriere nicht
gefährden will.
M&T: Bedeutet die Tatsache, dass Ihre Stimme nie die Grösste war, eine Beschränkung?Christian Gerhaher: Anfangs war das
so. Das Problem hat sich erst verloren,
als die Stimme grösser geworden ist.
Und weil man mich inzwischen viel-
leicht stärker respektiert. Ich hatte im-
mer Komplexe, dass die Stimme nicht
viril und nicht gross genug ist. Aber
wenn man mit dem agiert, was man
hat, und sich den eigenen Komplexen
nicht einfach ergibt, dann wird man
auch damit akzeptiert. Für viele männ-
liche Sänger ist der Verdacht schreck-
lich, dass an ihrer Männlichkeit gezwei-
felt wird. Eine gute Sache am Erfolg ist,
dass einem zugetraut wird, was einen
eigentlich überfordern würde: zum
Beispiel Beckmesser oder Amfortas,
der mir schon vor vielen Jahren ange-
boten wurde. An diesen Dingen wächst
man mit. Man muss nur aufpassen, die
Rollen nicht anzunehmen. Sonst wird’s
gefährlich.
«Was herauskommt, hat seine eigene Wahrheit»
a r t i s t s34
Sergey Khachatryan ist Preisträger des Credit Suisse Young Artist Award
«Wir Armenier lieben das Drama»Der armenische Geiger ist seit seinem Sieg beim Sibelius-Wettbewerb 2000 ein fester Wert im Universum der Konzertgeiger. Ein
Gespräch über Karriere, Armenien und das Violinkonzert von Beethoven, das Khachatryan im Preisträgerkonzert mit den Wiener
Philharmonikern spielen wird.
Reinmar Wagner
«Wenn man in einem
Werk nicht wirklich
etwas Persönliches zu
sagen hat, dann sollte
man es nicht spielen.»
Bild
: Ter
ry L
inke
a r t i s t s 35
M&T: Das Preisträgerkonzert des Credit Suisse Young Artist Award am 13. September leitet Gustavo Dudamel. Kennen Sie ihn schon?Sergey Khachatryan: Wir haben vor ei-
nigen Jahren zusammen musiziert, mit
dem Orchester aus Göteborg. Ich fand
damals toll, wie er das Orchester mitreis-
sen konnte, und ich denke, das ist schon
eine der wichtigsten Eigenschaften für
einen Dirigenten. Wie Dudamel seine
Energie transformieren und auf die Mu-
siker übertragen kann, das hat mich sehr
beeindruckt.
M&T: Sie spielten das Violinkonzert von Sibeli-us, für das Sie seit ihrem Sieg beim Sibelius-Wettbewerb wohl sehr oft angefragt wurden?Sergey Khachatryan: Es war damals mein
Lieblingskonzert, deswegen wollte ich
auch den Sibelius-Wettbewerb machen.
Inzwischen liebe ich es immer noch, und
ich habe es auch noch besser verstan-
den, nachdem ich in Finnland war, fin-
nische Literatur gelesen, die Landschaf-
ten mit den vielen Seen gesehen habe.
Die Melancholie in diesem Werk hat
mich schon immer fasziniert, und nach-
dem ich die Atmosphäre erlebt habe,
sind gewisse Bilder sehr stark geworden.
Dennoch ist es ein sehr dramatisches
Konzert, und wir Armenier lieben das
Drama.
M&T: Auch die Melancholie?Sergey Khachatryan: Armenische Folklo-
re ist sehr rhythmisch, aber was mich da-
ran mehr fasziniert, was auch die Kom-
ponisten eingefangen haben wie etwa
Khatchaturian in seinem Violinkonzert,
ist die Tiefgründigkeit, die Melancholie,
die Tragödie, die auch in der Folklore
sehr tief ist. Natürlich auch aus der ar-
menischen Geschichte heraus.
M&T: Der Völkermord wird von der Türkei immer noch geleugnet.Sergey Khachatryan: Wissen Sie, dieses
Leugnen hat nichts mit wirklichen Zwei-
feln zu tun, historisch ist ja alles belegt.
Heute ist das Politik. Und viele europäi-
sche Länder sind im Moment nicht inte-
ressiert, die Türkei zu brüskieren, leider
Gottes. Als Armenier darf man so etwas
natürlich nicht vergessen. Aber ich finde
auch, wir sollten vielleicht etwas mehr
in die Zukunft schauen. Schmerzvoll
ist diese nationale Erfahrung natürlich,
weil der Völkermord nicht anerkannt
wird. Eineinhalb Millionen Tote, auch
die ehemals armenischen Gebiete, die
wir dadurch verloren haben. Aber heu-
te denken die meisten Armenier nach
vorne.
M&T: Spielen Sie auch armenische Musik?Sergey Khachatryan: Ja, meine nächs-
te CD wird armenischer Folklore aber
auch klassisch armenischer Musik gewid-
met sein. Man kennt in Europa vielleicht
Khatchaturian oder Komitas, der wie
Bartok durch die Dörfer zog und noch
vor dem Genozid die Volksmusik sam-
melte. Aber es gibt noch viele weitere
interessante Komponisten.
M&T: Welche Rolle spielt die Geige in diesem Repertoire?Sergey Khachatryan: Die originalen Me-
lodien sind in erster Linie für Stimme,
also Lieder. Komitas hat Volkstänze für
Klavier arrangiert und dabei auch ein
wenig seine eigene Sprache mit einge-
bracht. Es ist eine ganz eigenständige
Welt, ich kann es mit keinem anderen
Idiom oder Stil vergleichen. So eigen
wie die Sprache oder unser Alphabet. Es
existiert seit dem fünften Jahrhundert,
hat 39 Buchstaben und ist weder mit ky-
rillisch noch Latein verwandt.
M&T: Überdurchschnittlich viele klassische Mu-siker haben armenische Wurzeln. Woher kommt diese Affinität?Sergey Khachatryan: Schwer zu sagen.
Auf jeden Fall muss man festhalten, dass
es zur Sowjet-Zeit tolle Schulen gab, die
Sowjetunion hatte auch gute Seiten. Bil-
dung wurde auch in dezentralen Gegen-
den wie Armenien sehr hoch geschätzt.
Die besten Musiker konnten in Moskau
studieren und kamen als Lehrer wieder
zurück. Man kann über die russische
Geigenschule streiten, ihre Ästhetik
hinterfragen, aber es war eine blühen-
de, lebendige und technisch sehr hoch
stehende Schule. Und die Armenier hat-
ten schon immer eine sehr innige Bezie-
hung zur Geige. Ich weiss nicht warum.
M&T: Ihre Eltern waren Pianisten...Sergey Khachatryan: ...auch meine ältere
Schwester. Ich bin die Ausnahme. Meine
Schwester hat mit Klavier angefangen,
und da haben meine Eltern gefunden,
ich soll ein anderes Instrument lernen.
Wobei sie mich nicht gezwungen haben,
Musiker zu werden. Es war sehr üblich
damals, dass alle Kinder ein Musikinst-
rument spielen, so wie in Deutschland
früher.
M&T: Sie kamen mit sieben Jahren nach Deutschland. Wie haben Sie diesen Wechsel erlebt?
Sergey Khachatryan: Es war eigentlich
sehr einfach. Wir haben spielerisch
Deutsch gelernt, hatten einen tollen
Lehrer, der zu unserem Glück auch mu-
sikbegeistert war. Die Sprache war na-
türlich neu, aber der andere Schulstoff
war für uns eher einfach, weil man in Ar-
menien früher ein höheres Schulniveau
hat. Ich finde wirklich schade, wie in
Deutschland die Kinder die ersten vier
Jahre eigentlich nur Zeit verschwenden.
Sie wären in diesem Alter so aufnahme-
fähig. Das sind meiner Ansicht nach ver-
schenkte Möglichkeiten.
M&T: Auch das Geige spielen ist Ihnen offenbar leichtgefallen. Sie galten als Wunderkind.Sergey Khachatryan: Ich habe mit sechs
angefangen, mit neun das erste Solo-
konzert gespielt. Ich bin schnell voran
gekommen, das stimmt. Ich hatte eigent-
lich kaum Schwierigkeiten, habe aber
auch nicht so viel geübt. Wenn die Eltern
nicht zu Hause waren sogar überhaupt
nicht. Wie ein ganz normales Kind.
M&T: Gab es später Momente, in denen Sie Schwierigkeiten überwinden mussten?Sergey Khachatryan: Mir ist alles wirk-
lich sehr leichtgefallen. Meine Karriere
hat sich wie von selbst entwickelt. Sie
startete in Südfrankreich über einen
befreundeten Musiker, und mit der in-
ternationalen Öffentlichkeit nach dem
Sieg beim Sibelius-Wettbewerb.
M&T: Sie spielen oft im Duo mit Ihrer Schwester. Sergey Khachatryan: Wir sind uns auch
menschlich nach wie vor sehr nahe. Lu-
sine ist einer der wenigen Menschen,
denen ich komplett vertraue, das macht
auch unser Duo für mich einzigartig.
Abgesehen davon dass sie eine tolle Mu-
sikerin ist, mit viel Fantasie, die viel zu sa-
gen hat. Wir sind als Menschen verschie-
den, aber es herrscht eine unglaubliche
Harmonie zwischen uns. Ich denke, das
wäre nicht möglich mit einem anderen
Pianisten. Sicher wäre es interessant,
sofern überhaupt einer bereit wäre, die
nötige Zeit zu investieren.
M&T: Warum, weil die Pianisten lieber solo spie-len?Sergey Khachatryan: Nein, weil man all-
gemein heute immer weniger probt und
«Heute ist alles schneller und routinierter»
a r t i s t s36
WER MOZART
ZKO LIEBEN.MAG, WIRD DAS
HIGHLIGHTS AUS UNSEREM PROGRAMM:
VIVALDI: DIE VIER JAHRESZEITEN SAINTSAËNS: LE CARNAVAL DES ANIMAUX MOZART: SINFONIE NR. 40 BEETHOVEN: KLAVIERKONZERT NR. 3 BACH: VIOLINKONZERT NR. 2
zko.ch | Tel. Billettkasse: 0848 848 844
a r t i s t s 37
investiert. Das sieht man vor allem bei
den Orchestern. Meistens gibt es zwei
Proben für ein Solokonzert. Wenn es ein
tolles Orchester ist, und auch die Che-
mie zwischen Dirigent und Solist stimmt,
dann kann es unglaublich toll werden.
Aber wenn dieses Verhältnis aus irgend-
einem Grund nicht stimmt, wenn beide
eine andere Sprache sprechen, andere
Ansichten haben, dann reichen diese
zwei Proben nicht, um wirklich zu arbei-
ten. Man arbeitet eigentlich gar nicht:
Ein bisschen Schleifen, ein bisschen Ba-
lance, etwas Koordination – das ist nicht
wirkliches Arbeiten.
M&T: Mit welchen Dirigenten haben Sie das Konzertieren besonders partnerschaftlich er-lebt?
Sergey Khachatryan: Mit Valery Gergiev
habe ich oft gespielt, und im ersten Kon-
zert von Schostakowitsch habe ich zum
ersten Mal gespürt, dass der Dirigent
wirklich mit mir atmet, also nicht einfach
nur mitzugehen versucht. Es war der ers-
te Auftritt mit ihm, und wir hatten gar
keine Probe gehabt, weil er ein Problem
mit dem Flugzeug hatte. Das Publikum
sass schon im Saal als er ankam, er be-
sprach mit mir einige Tempi zur Orien-
tierung und wir haben uns reingestürzt.
Ich kenne ihn unterdessen, er braucht
dieses Adrenalin, diesen Stress. So wie
mit ihm habe ich mit keinem Schosta-
kowitsch erstes gespielt. Ich will damit
nicht sagen, es wird gut, wenn man nicht
geprobt hat. Aber es war unglaublich,
wie das Orchester mitgekommen ist. Da
habe ich auch gemerkt, welchen Einfluss
ein Dirigent auf ein Orchester haben
kann. Natürlich, das war sein eigenes
Orchester, das er seit Jahren aufgebaut
hatte und das ihn kennt. Das geht sicher
nicht bei jedem Orchester.
M&T: Sie sind jung, wie ist Ihr Verhältnis zu den Dirigenten in Ihrem Alter?Sergey Khachatryan: Ich finde eigentlich
eher die ältere Generation interessant.
Eine Zeit lang bin ich öfter mit Kurt
Masur aufgetreten, wir haben auch die
Schostakowitsch-Konzerte aufgenom-
men. Diese ältere Generation hat etwas,
was ich bei den Jungen weniger finde,
vom Gefühl, vom Bezug zur Musik, der
Einstellung, wie sie an ein Werk heran
geht. Heute ist alles schneller und rou-
tinierter, es gibt diese Persönlichkeiten
als Musiker und Menschen kaum mehr,
weil das System es nicht mehr zulässt: al-
les muss reibungslos und schnell funkti-
onieren. Die Dirigenten werden immer
jünger, vielleicht steht in zwanzig Jahren
ein 15-Jähriger bei den Berlinern am
Pult. Möglicherweise wird das toll, weil
die Jungen sehr schnell denken und re-
agieren können. Aber die Musik braucht
auch Zeit.
M&T: Bei Ihnen selber, spüren Sie diesen Rei-feprozess?Sergey Khachatryan: Ich spiele 40 Kon-
zerte im Jahr, im Vergleich zu meinen
Kollegen eine lächerliche Anzahl. Aber
ich kann von Glück reden, dass ich mir
diesen Luxus leisten kann. Die Karriere-
maschine verlangt von dir, dass du über-
all präsent bist, damit du oben bleibst.
Bis jetzt konnte ich mich dem entziehen,
ich konnte mit den besten Orchestern
und Dirigenten spielen. Und auf lange
Sicht, denke ich, wird das nachhaltiger.
Mein Lehrer riet mir, jedes Konzert so zu
spielen, als ob es mein letzter Tag wäre.
Ich verausgabe mich sehr bei einem
Auftritt, und ich brauche Zeit um mich
emotional wieder zu füllen.
M&T: Ist in dieser Beziehung jedes Konzert gleich intensiv?Sergey Khachatryan: Eigentlich schon,
weil ich natürlich das Repertoire spiele,
das ich auch liebe. Und das würde ich
jedem Künstler raten. Es ist toll, ein gros-
ses Repertoire zu haben, aber wenn man
in einem Werk nicht wirklich etwas Per-
sönliches zu sagen hat, dann sollte man
es nicht spielen.
M&T: Beim Lucerne Festival spielen Sie nun zum ersten Mal mit den Wiener Philharmoni-kern. Mit welchem Gefühl?Sergey Khachatryan: Wir haben lange
versucht, einen Auftritt mit den Wie-
nern zu bekommen, deswegen habe
ich mich auch so gefreut über den
Preis. Und ich kann das Beethoven-Vi-
olinkonzert spielen, das ist momentan
mein Lieblingskonzert. Zusammen mit
Schostakowitsch eins. Da hat mich die
Aufnahme von Vengerov mit Rostropo-
witsch total umgehauen. Seither liebe
ich Schostakowitsch, habe auch die So-
nate gespielt, die Sinfonien gehört. Ich
glaube, diese Musik passt zu meinem
Charakter.
M&T: Mehr die tragische oder die sarkastische Komponente?Sergey Khachatryan: Das Tragische. Das
Groteske vielleicht nicht wirklich, aber
ich fühle mich in dieser Musik sehr zu
Hause. Vielleicht schätze ich das Konzert
von Beethoven heute noch ein bisschen
höher, wobei man eigentlich in der Mu-
sik nicht vergleichen sollte. Aber mich
fasziniert, dass er ein Level erreicht, wo
er übermenschlich ist. Im zweiten Satz
fühlt man sich wie nicht mehr von dieser
Welt. Schostakowitsch schreibt über die
Tragik des Lebens, über das katastropha-
le Regime und die Tragödie der Mensch-
heit. Beethoven kann sich komplett dar-
über erheben.
M&T: Welche klangliche Vorstellung haben Sie im Konzert von Beethoven?Sergey Khachatryan: Ich bin ein Geiger,
der gerne mit sehr viel Klangintensität
und Vibrato spielt. Ich weiss, dass Beet-
hoven auch ohne oder mit wenig Vibra-
to gemacht wird, und dass manche das
sehr mögen. Aber ich spiele immer mit
Vibrato, weil das eine Möglichkeit ist,
mit vielen Farben zu arbeiten. So spiele
ich auch Bach.
M&T: Welche CD-Pläne haben Sie neben dem erwähnten Armenien-Projekt? Sergey Khachatryan: Ich würde sehr
gerne die Solosonaten von Ysaye auf-
nehmen. Dies auch deshalb, weil ich die
Ysaye-Geige jetzt spielen darf. Eine Gu-
arneri mit einer Etikette, auf die Ysaye
1928 notierte: «Le plus fidèle compa-
nion de ma carrière». Offenbar hat er
die Geige sehr geliebt. Nach seinem Tod
hat man die Geige vor sein Grab getra-
gen.
M&T: Und zum Glück nicht mit begraben...Sergey Khachatryan: Nein, sie kam zu
Isaac Stern, nach dessen Tod an die Nip-
pon-Foundation, die sie mir ausgeliehen
hat. Ich wollte dieses Instrument schon
immer. Eine Zeit lang spielte es Pinkas
Zukerman, und man bot mir bei einem
seiner Konzerte an, darauf Probe zu
spielen. Aber das wollte ich lieber nicht,
wenn ich nicht eine Chance bekam, die
Geige wirklich zur Verfügung zu haben.
Schliesslich hat das geklappt.
M&T: Der eher dunklere Guarneri-Klang im Ver-gleich zur Brillanz der Stradivari liegt Ihnen?Sergey Khachatryan: Ein grosser Vorteil
dieser Guarneri ist, dass sie beides bietet:
dunkle Tiefe und Brillanz. Ich habe eine
Zeit lang gebraucht, mich an sie zu ge-
wöhnen, aber jetzt bin ich sehr glücklich
damit.
«Wenn die Eltern nicht zu Hause waren, habe ich überhaupt nicht geübt»
c o m p o s e r38
Johannes Maria Staud ist composer-in-residence beim Lucerne Festival – ein Porträt
Der Komponist und die GesellschaftDie Rolle des Komponisten in unserer Zeit beschäftigt ihn: Widerständig und gefällig sollte er gleichzeitig sein. Also Erwartungen
erfüllen, die kaum zu erfüllen sind. Woraus Johannes Maria Staud die Konsequenz zieht, dass alles kompositorische Tun vor dem
eigenen Ich Bestand haben muss und seine eigene Lust auf das Hören befriedigt werden will. Nachzuerleben ist das facettenreich
diesen Sommer in Luzern, unter anderem mit mehreren Uraufführungen, so einem Violinkonzert und dem Musiktheater «Die Antilope».
Fritz Trümpi (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
c o m p o s e r 39
Komponieren – sonst nichts. Johannes
Maria Staud hat viel riskiert, und damit ist
der 1974 geborene Tiroler, der mittlerwei-
le in Wien lebt, weit gekommen. Er habe
kein zweites Standbein, keine Professur,
die ihm den Lebensunterhalt sichern
würde, sondern bloss ein Kompositions-
studium, das ihm den Rücken gestärkt
habe bei seiner Entscheidung, Komponist
zu werden. «Ich habe damals versucht,
den Übergang vom Studium in die freie
darwinistische Welt fliessend zu gestalten
– und habe mich dann ins Komponieren
gestürzt als gäbe es kein Morgen.»
Seither sind es klingende Namen,
die bei ihm Kompositionen in Auftrag
geben und Uraufführungen seiner Wer-
ke gestalten: die Wiener Philharmoniker
(Segue, 2006) und die Berliner Philhar-
moniker (Apeiron, 2004/5), die Staats-
kapelle Dresden (Tondo sowie «Der Riss durch den Tag», 2010/11), das Cleveland
Orchestra («On Comparative Meteorology», 2009) oder das Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks (Maniai, 2012),
unter der Leitung von Dirigenten wie
Pierre Boulez, Simon Rattle, Daniel Ba-
renboim oder Mariss Jansons.
Doch ein solches Namedropping
interessiert Staud herzlich wenig. «In ei-
nem Kompositionskurs fragte mich eine
junge Studentin einmal, wie man denn
an einen Kompositionsauftrag eines be-
rühmten Orchesters herankomme, und
wie man dann für dieses schreiben müs-
se», erzählt Staud sichtlich erheitert – er
empfand die Frage als äusserst seltsam.
Denn solch kalkuliertes Komponieren
sei im stets fremd gewesen – und eine
Orientierung an einem vermeintlichen
Geschmack des Auftraggebers wäre wohl
auch nicht zielführend gewesen.
«Es geht beim Komponieren nicht
darum, so zu schreiben, damit das Stück
ein Erfolg wird – handelte ich so, wür-
de ich mich selbst verraten.» Es freue
ihn selbstverständlich, wenn seine Wer-
ke positiv aufgenommen würden, doch
nicht um jeden Preis. Denn Erfolg ist für
Staud zwiegesichtig: Er beinhalte beim
Komponieren, wie in allen anderen Be-
rufen, die Gefahr der Bequemlichkeit,
der Etabliertheit, ja der Korrumpierung.
«Eine Erhöhung der Selbstkritik ist ab-
solut notwendig, um der eigenen Arbeit
gegenüber trotz schönen Erfolgen treu
zu bleiben.» Doch Staud ist sich auch be-
wusst, dass gerade der Musikbetrieb von
relativ starren Erwartungshaltungen der
Konzertveranstalter wie des Publikums
geprägt ist.
Dies darum, weil der Musikbereich,
anders als etwa die Literatur oder die bil-
dende Kunst, stark vergangenheitsfixiert
ist. «Als Komponist ist man heute weit
stärker mit den grossen Werken der Ver-
gangenheit konfrontiert als dies etwa bei
einem Schriftsteller oder einer Malerin
der Fall ist.»
Staud hält dieser Umstand aber
nicht davon ab, seinen Weg abseits von
ästhetischen Kompromissen zu gehen:
«Wenn meine Kompositionen in ei-
nem Abonnementkonzert der Wiener
Philharmoniker keinen Widerspruch
erzeugten, würde ich wohl etwas falsch
machen.» Dazu passt, dass sich Staud
auch schon geweigert hat, mit dem Di-
rigenten Christian Thielemann bekannt
gemacht zu werden, nachdem dieser
in einem Konzert mit der Staatskapelle
Dresden im Anschluss an Strauss’ Zara-
thustra Wagners Meistersinger-Ouver-
türe als Zugabe in den Saal gepeitscht
hatte: «Die Kombination dieser beiden
in der NS-Zeit so missbrauchten Werke
wird von genügend Leuten, gerade in
Wien, als politischer Subtext verstan-
den – die frenetische Publikumsreaktion
widerte mich dermassen an, dass ich es
damals vorzog, still und heimlich zu ver-
schwinden.» Auch dort ging es darum,
sich selbst nicht untreu zu werden. Für
einen dezidiert politischen Komponis-
ten hätte Staud wohl zwar allzu hermeti-
sche Vorstellungen von Musik, aber sein
feines Gehör für allerlei Arten von Zwi-
schentönen macht auch vor politischen
Zusammenhängen nicht halt.
Schon sein Studium verbrachte er
ohne Scheuklappen: Neben Kompositi-
on schrieb er sich auch für Musikwissen-
schaft und Philosophie ein. Allerdings
habe er bald feststellen müssen, dass er
beide Disziplinen schamlos missbraucht
habe, um auf Ideen für das Kompo-
nieren zu kommen: «Das interesselose
Wohlgefallen an puren philosophischen
«…die pure Freude an der klein-gliedrigen Kombinatorik und am Fortspinnen musikalischer Formen»
c o m p o s e r40
Musiques Suisses – Schweizer Klassik, Neue Volksmusik und Jazz
Zisman / FulgidoSoul Tango Invasion
feat. Billy Cobham, William Evans, Matthieu Michel, Wolfgang Zwiauer
MGB CD Jazz 12
eifachs.chBauernkapellen 1825–1925
MGB-NV CD 28
Beat Furrer
Grammont Portrait CTS-M CD 141
Am Bruch zur ModerneSchweizer Lieder nach 1900
MGB CD 6280
Musiques Suisses/Neue Volksmusik wird getragen von Pro Helvetia, Suisa-Stiftung, Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz, Haus der Volksmusik Altdorf und Migros-Kulturprozent.
Pro Helvetia, Suisa, Suisa-Stiftung, Schweizerischer Tonkünstlerverein, Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft und Migros-Kulturprozent bilden die Trägerschaft von Grammont Portrait.
www.musiques-suisses.ch
Ein Projekt des
1 Aer2 . . . cold and calm and moving3 Lied4 auf tönernen füssen5 Studie
Florian Walser, Klarinette; Heinz Saurer, Trompete/Cornet; Herbert Kistler, Flügelhorn; Christoph Hertig, Es-Althorn;Thomas Rüedi, Euphonium; Karl Schimke, Tuba
Schweizer Lieder vonEmil Frey, Walter Lang, Marcel SulzbergerMax ZehnderSolisten: Valentin Johannes Gloor, TenorSybille Diethelm, Sopran; Edward Rushton, Klavier
1 Escualo 6 Milongology2 Libertango 7 Caruso3 El día que me quieras 8 Rock on, Mike!4 Fratello 9 For both of You5 In the Box
c o m p o s e r 41
Johannes Maria Staud am Lucerne Festival
17. August, 11.00 Uhr
Monodram «Der Riss durch den Tag»
Ensemble intercontemporain, Matthias
Pintscher
Robert Hunger-Bühler
27. August, 18.20 Uhr
Lucerne Festival 40min
Ausgewähle Kammermusik
Studierende der Lucerne Festival Academy
27. August, 19.30 Uhr
Violinkonzert (Uraufführung)
Luzerner Sinfonieorchester,
James Gaffigan, Dirigent
Midori, Violine
3., 5., 7. September, 19.30 Uhr
Musiktheater «Die Antilope» (Uraufführung)
Text Lurs Grünbein
Luzerner Sinfonieorchester,
Chor und Solisten des Luzerner Theaters
Dominique Mentha, Regie
Howard Arman, Dirigent
6. September, 18.30
«Zimt. Ein Diptychon für Bruno Schulz»
(Uraufführung der Gesamtfassung)
Lucerne Festival Academy Orchestra
Matthias Pintscher. Dirigent
Gedanken hat sich bei mir ebenso wenig
eingestellt wie die Begeisterung für Mu-
sikanalysen als Selbstzweck.»
Letztere halfen ihm jedoch für die
Verfertigung seiner eigenen musikali-
schen Konstruktionen. So untersuchte
Staud beispielsweise, wie Morton Feld-
man mit Oktaven umging und bekennt
heute, dass dies jener Komponist sei, von
dem er kompositionstechnisch am aller-
meisten gelernt habe. «Alleine schon
was die Akkordfortschreitungen oder
der Verarbeitungsprozess von kleinglied-
rigen Zellenstrukturen hin zu einem
grossen, dichten Klanggewebe betrifft,
lassen sich bei Feldman unglaublich
spannende Dinge beobachten.»
Aber auch ein György Ligeti bildet
für Stauds eigenes Komponieren eine
zentrale Referenz. «Ich komme aus der
postseriellen Ecke, und es war für mich
schon immer befremdlich, wenn Kom-
ponisten mehr über Gefühle als über
ihre Musik reden», bekennt Staud mit
anerkennendem Blick auf Ligeti. Denn
die Musik repräsentiere doch nicht ir-
gendwelche kruden Gefühlsausdrücke,
sondern vielmehr «eine Kompositions-
ethik», in der es um nichts anderes als
um «die pure Freude an der kleingliedri-
gen Kombinatorik und am Fortspinnen
musikalischer Formen» gehe.
Dabei gesteht Staud, dass er das Ge-
genteil eines Improvisators sei. Seine
Kompositionen entstehen denn auch
nach einem streng geregelten Arbeits-
prozess. Am Anfang steht eine kleine
Zelle, ein «motivischer Kleinsteinfall»,
wie Staud diese bezeichnet. Diesen Ein-
fall klopft er dann zunächst auf seine
Potenzialität hin ab und spaltet ihn in
der Folge «in seiner Linearität auf», um
daraus harmonische und rhythmische
Strukturen zu entwickeln. Doch trotz
der sich dadurch herausbildenden Viel-
falt in Form und Klang möchte er eine
Durchhörbarkeit des Ganzen gewähr-
leisten, wie Staud seine kompositorische
Zielsetzung formuliert: «Ich versuche, in
jedem meiner Werke etwas anderes, ei-
genes zu entdecken.»
Ob er dies für die frühen Werke auch
geltend machen würde? Auf seine Anfän-
ge als Komponist zurückblickend meint
Staud auf diese Frage, die meisten seiner
älteren Stücke könne er auch heute gel-
ten lassen, obwohl er inzwischen vieles
anders gestalten würde. So fällt ihm etwa
auf, dass er früher mitunter «aus einem
Bedürfnis der Verunklarung heraus» ope-
riert habe, während er seinen Umgang
mit dem musikalischen Material heute als
ungleich stringenterer bezeichnet.
Der Aspekt der Stringenz kennzeich-
net denn auch Stauds aktuelle Arbeit an
der Oper «Die Antilope», die in Luzern
uraufgeführt wird. Zusammen mit sei-
nem Librettisten Durs Grünbein wollten
sie «konzis und schlüssig eine Endlos-
schleife auf der Bühne» kreieren, erläu-
tert Staud das Projekt in Abgrenzung zur
verbreiteten Lesart, das Schreiben von
Opern sei heutzutage ein Anachronis-
mus. Dieser würde für Staud höchstens
dann zum Problem, wenn er «die Form
der grossen Oper reanimieren» müsste.
Doch das auf Theatralisches fokussierte
Musikschaffen ist für Staud durchaus
zeitgemäss, zumal er an seinem aktuel-
len Stoff eine zeit- und gesellschaftskriti-
sche Dimension festmacht.
Und überhaupt, die Frage nach ad-
äquaten Kunstformen ist für Staud die
Frage nach dem Sinn von Kunst insge-
samt: «Wozu überhaupt Kunst in einer
Welt, die Kunst nicht benötigt?» Antwor-
ten darauf wird Johannes Maria Staud in
Luzern liefern – zuhauf.
Johannes Maria Staud: «Ich habe
mich ins Komponieren gestürzt als
gäbe es kein Morgen».
t h e m a42
Heinz Holligers klingendes Hölderlin-Psychogramm als Leuchten nach innen
«…wie Wolken um die Zeiten legt…»Das Lucerne Festival hat diesen Sommer ein Hauptwerk von Heinz Holliger, den «Scardanelli-Zyklus», sowie eine
Uraufführung nach Gedichten der Bündnerin Luisa Famos im Programm. Und bewegt sich damit gleichsam ins Epizentrum
des Festivalthemas «Psyche».
Thomas Meyer
Die letzten 36 Jahre, und damit seine
ganze zweite Lebenshälfte, verbrachte
Friedrich Hölderlin zurückgezogen in
einem Turmzimmer in Tübingen, ober-
halb des Neckars. Dort verfasste er «ge-
gen eine Pfeife Tabak» für die Besucher
kurze Gedichte, häufig über die Jah-
reszeiten, versah sie teilweise mit völlig
absurden Datierungen («d. 3ten März
1648»; «d. 9ten Merz 1940»), und unter-
schrieb mit Pseudonymen wie «Scarda-
nelli».War er wahnsinnig? Oder hatte er
sich resigniert in den Wahnsinn geflüch-
tet? Die Meinungen darüber gehen bis
heute auseinander.
Lange hat es gedauert, bis das In-
teresse für Hölderlin wieder erwachte,
nachdem er zuvor – völlig zu Unrecht
– «verdächtig» geworden war, weil die
deutschen Soldaten seine Hymnen wäh-
rend des Feldzugs in den Tornister ge-
packt hatten. Mitte der 70er-Jahre aber
erhielt das Wirtschaftswunder der Nach-
kriegsjahre mit der Ölkrise und der
Rezession seinen ersten Knacks. Gleich-
zeitig wurde auch den überzeugtesten
68ern bewusst, dass es mit den Verän-
derungen so leicht nicht werden würde.
Eine bleierne Zeit brach an.
Entsprach das nicht der Stimmungs-
lage Hölderlins? Jedenfalls begannen
sich die Komponisten wieder für ihn zu
interessieren: Luigi Nono etwa mit sei-
Extreme kompositorische
Mittel für eine psychische
Extremsituation – Heinz
Holligers Vertiefung in den
späten Hölderlin.
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t h e m a 43
Heinz Holliger am
Lucerne Festival 2014
30. August, 11.00 Uhr
«Scardanelli-Zyklus» für Soloflöte,
Orchester, Tonband und gemischten Chor.
Lucerne Festival Academy Orchestra,
Lettischer Rundfunkchor;
Heinz Holliger, Leitung
Felix Renggli, Flöte
30. August, 16.00 Uhr
Streichquartett Nr. 2
«Increschantüm». Gedichte der Luisa Fa-
mos (1930–1974) für Sopran und Streich-
quartett (Uraufführung)
Zehetmair Quartett
Anu Komsi, Sopran
13. September, 11.00 Uhr
Klaus Huber – Hommage zum
90. Geburtstag
Uraufführung eines neuen Werkes
nem Streichquartett «Fragmente – Stil-
le, An Diotima» (1979/80), Wolfgang
Rihm mit seinen «Hölderlin-Fragmen-
ten» (1976/77) und etwas zuvor bereits
Heinz Holliger. In seinem «Scardanelli-
Zyklus», den er 1975 begann und zehn
Jahre später abschloss, widmete er sich
vor allem dem späten Hölderlin. Es
handle sich hier mit den «luziden Korre-
spondenzen zwischen Text und Musik»
gleichsam um «ein klingendes Psycho-
gramm des Dichters», meint Mark Satt-
ler vom Lucerne Festival, und deshalb
passe das Werk exemplarisch zum The-
ma «Psyche». «Hölderlin steht symbol-
haft für ein Künstlerschicksal, dessen
Seele an der Wirklichkeit einerseits zer-
schellt ist, der andererseits mit seinen
so reinen, klaren und scheinbar naiven
Natur beschreibenden Gedichten aus
der Turmzeit eine besondere Seelenhar-
monie beschwört.»
Die Mittel, die Heinz Holliger in die-
sem zweieinhalbstündigen Zyklus für So-
loflöte, kleines Orchester und gemisch-
ten Chor verwendet, sind extrem. So
beispielsweise jene Töne, die ausgelöscht
werden, von «Klanglöchern» schreibt
der Komponist in seinem Kommentar.
Die Sänger singen im Tempo ihres Puls-
schlags, im Strohbass oder «jubilierende
Akkorde» im Einatmen. Die Kanonstim-
men werden in Viertel- und Achteltönen
geführt. Die Interpreten werden bis an
die Grenzen des Möglichen gefordert.
Aber diese Techniken sind kein Selbst-
zweck: Auf vielfältige Weise brechen sie
die Leuchtkraft der Klänge, machen sie
fahl, ja matt. Dur-Klänge werden so ver-
setzt, dass sie sich gegenseitig aufheben;
ein Espressivo mit fast leeren Lungen
überträgt sich auch auf den Hörer. Und
selbst wenn der Klang einmal normal
und schön sein könnte, dann wird er auf
spannungslose Weise harmonisiert.
So wirken diese Gesänge nur noch
wie ein Abglanz, ähnlich wie die hier
vertonten Gedichte des späten Hölder-
lin nur noch einen Schimmer seiner
früheren Sprachgewalt spiegeln. Aber
welche hellen Nuancen zeigen sich in
dieser Fahlheit! Darin zeigt sich die
ausserordentliche kompositorische Leis-
tung Holligers. Er bringt uns Hölderlin
nahe, zwar nicht in der herkömmlichen
Weise, dass nun irgendwelche Gefühle
musikalisch dargestellt würden. Der Weg
verläuft umgekehrt: Die Musik löst die
Gefühle auch bei uns aus.
«Durch die bis zum Äussersten ge-
hende Strapazierung barocker Trioso-
naten-Konventionen und die bis an die
Grenzen physischer und instrumentaler
Möglichkeiten getriebenen Anforderun-
gen an die Bläser, erhält die Musik eine
innere Spannung, ja eine eigentliche
Körperlichkeit, die sie sehr deutlich von
kleinmeisterlicher barocker Spielmusik
abhebt, die sie aber auch grundlegend
von der in sich ruhenden Geschlossen-
heit und Monumentalität der Bachschen
Kunst unterscheidet.» schrieb Holliger
einst über die Musik des Barockkom-
ponisten Jan Dismas Zelenka, an des-
sen Wiederentdeckung er massgeblich
beteiligt war. Was er hier hervorhob,
strebte auch er in seiner Musik – und vor
allem in jenen Kompositionen, die etwa
zwischen 1970 und 1980 entstanden, an:
ein bis an die Grenze gehen, ein Sich-Hi-
neinbohren in die Musik bis zur Atemlo-
sigkeit. Das macht letztlich auch die Un-
mittelbarkeit von Holligers Musik aus.
Heinz Holliger war jedoch immer
auch ein Vorreiter und stand am An-
fang gewisser Strömungen, ja Moden.
Mit dem «Scardanelli-Zyklus» eben, dem
bald zahllose Hölderlin-Vertonungen
folgten, in der Beschäftigung mit Robert
Schumann oder mit Robert Walser. Und
sein «Alb-Chehr» steht bei den Avantgar-
disten am Anfang der «Neuen Schweizer
Volksmusik». In den letzten zehn Jahren
hat er weitere Schriftsteller entdeckt:
den Brienzer Mundartdichter Albert
Streich etwa oder Anna Maria Bacher,
die im Walserdeutsch des Pomattertals
schreibt. Auch da sind ihm mittlerweile
verschiedene Kollegen gefolgt.
Jetzt hat Holliger – nicht als erster
– Gedichte der Bündnerin Luisa Famos
vertont: eine grossartige Dichterin. Sie
war ein Zugvogel, jene Schwalbe, von
der sie schreibt, und blieb doch verbun-
den mit ihrem Daheim. In Ramosch im
Unterengadin kam sie 1930 zur Welt,
und in diesem kleinen Dorf starb sie
1974 auch. Dazwischen hat sie die Welt
durchquert. Sie wurde in Chur zur Pri-
marlehrerin ausgebildet, unterrichtete
im Bündnerland, im Zürcherischen und
im Appenzellischen, moderierte die
erste rätoromanische Fernsehsendung,
publizierte zunächst unter dem Pseu-
donym Flur da Riva (Uferblume), bald
auch unter ihrem richtigen Namen, sie
lebte in Paris und Zürich, schliesslich
mit ihrem Mann, dem Ingenieur Jürg
Pünter, und den beiden Kindern in La-
teinamerika, dann im Urnerland, bevor
sie heimkehrte.
«Increschantüm» heisst Holligers Zy-
klus für Sopran und Streichquartett. Der
Titel, der die Grundstimmung andeutet,
ist kaum adäquat zu übersetzen. «Im
Wort increschantüm verbirgt sich etwas,
das im deutschen Heimweh gar nicht
aufscheint» schreibt dazu der Philosoph
und Romanist Iso Camartin: «Die Wurzel
ist das Lateinische increscere. Es heisst: hi-
neinwachsen, dann auch: sich steigern.
Heimweh ist etwas, das auf unheilsame
Art heranwächst, eine übertriebene
Form der Anhänglichkeit und Abhän-
gigkeit, die schmerzt und peinigt. Am
Heimweh spüren die Lebenden, dass die
Toten in die Welt zurückdrängen. Beide
leiden an dieser Haftung, und Heimweh
ist danach nie mehr etwas, was sich senti-
mentalisch verklären lässt.»
Die neuen Gedichtvertonungen er-
klingen im Konzert mit der finnischen So-
pranistin Anu Komsi und dem Zehetmair-
Quartett. Zu hören sind an diesem Abend
ausserdem Debussys Streichquartett von
1893 und Holligers 2. Quartett von 2007.
Auch dieses Stück bezieht sich übrigens
auf Hölderlin: Zugrunde gelegt sind ihm
– unhörbar – die letzten Worte, die vom
Dichter im Nachruf einer Zeitung über-
liefert sind, sie stammen wohl aus einem
letzten Herbstgedicht Scardanellis: «…
wie Wolken um die Zeiten legt…»
Iso Camartin: «Am Heimweh spüren die Lebenden, dass die Toten in die Welt zurückdrängen»
s t u d i o44
Neue Ton- und Filmdokumente vom Lucerne Festival 1977 bis 2013 mit dem Dirigenten Claudio Abbado
«Was bleibet aber»Werner Pfister
Fast fünf Jahrzehnte lang war Claudio
Abbado dem Lucerne Festival (und den
früheren Internationalen Musikfestwo-
chen Luzern) verbunden – was für eine
enorme Zeitspanne! In den letzten elf
Jahren intensivierte sich diese künstle-
rische Beziehung auf wohl weltweit ein-
malige Weise: Im Festspielsommer 2003
konnte Claudio Abbado erstmals das von
ihm neu gegründete Lucerne Festival
Orchestra vorstellen. Fortan dirigierte
er mit diesem Elite-Klangkörper alljähr-
lich die ersten Konzertprogramme zur
Festival-Eröffnung. Wer das Glück hatte,
hier dabei sein zu können, wird es wohl
nie vergessen: Es waren Sternstunden
eines einzigartig erfüllten Musizierens,
welches aus dem tiefsten künstlerischen
und persönlichen Einverständnis zwi-
schen dem Dirigenten und einem von
ihm handverlesenen Ensemble an Or-
chestermusikern schöpfte.
Ein letztes Mal, im August 2013, mit
Bruckners neunter Sinfonie – es sollte
nicht nur Abbados letzter Auftritt mit
seinem Lucerne Festival Orchestra wer-
den, sondern sein letztes Konzert über-
haupt. Am 20. Januar 2014 verstarb er.
Was bleibt, sind unsere Erinnerungen
und, zum grossen Glück, Tondoku-
mente – neu veröffentlichte Luzerner
Konzertmitschnitte, drei von ihnen mit
Bruckner-Sinfonien. Wie gesagt, mit der
Neunten nahm er Abschied – ein unge-
mein berührender Abschied. Weich im
Klangbild, raumgreifend in der Klang-
entfaltung, luzide und ohne jede ka-
thedralenhafte Monumentalität. Scho-
penhauers Diktum, dass Architektur
Claudio Abbado bei der Generalprobe zu seinem letzten Konzert mit dem Lucerne Festival Orchestra im Sommer 2013.
Bild: Priska Ketterer
s t u d i o 45
Sternstunde der Bartók-Interpretation Rafael Kubeliks
Er war in diesem Fall – am 15. August
1962 an den Internationalen Musikfestwo-
chen Luzern – nur Einspringer, aber gleich-
zeitig einer der bedeutendsten Dirigenten
seiner Zeit: Rafael Kubelík übernahm für
den erkrankten Ferenc Fricsay die Leitung
einer konzertanten Aufführung von Bartóks
Operneinakter «Herzog Blaubarts Burg». Mit
Irmgard Seefried und Dietrich Fischer-Dies-
kau standen bedeutende, geradezu ideale
Sängerpersönlichkeiten zur Verfügung – ein
einzigartiges Gipfeltreffen, das in dieser le-
gendären Konstellation auf Schallplatte nie
verewigt wurde und nur hier, im erstmals
veröffentlichten Live-Mitschnitt aus dem
Luzerner Kunsthaus, zu erleben ist.
Zwar bekundet das Schweizerische Fest-
spielorchester zu Beginn noch etwas Mühe
mit der ihm wohl ungewohnten Partitur,
doch Kubelik versteht es auf magistrale
Weise, die Kräfte zu bündeln und zu binden
und aus der von allem Anfang an spürba-
ren Glut Feuer zu schlagen. Seefried und
Fischer-Dieskau erschliessen auf sugges-
tive Weise die den sieben Seelenbildern
innewohnenden psychologischen Schichten
und identifizieren sich derart stark mit
ihren Rollen, dass die Aufführung zu einem
veritablen Krimi gerät, dessen vibrierender
Spannung man sich kaum entziehen kann.
Dass Irmgard Seefried da und dort (vor
allem in tiefen Lagen) an Grenzen geht (und
auch an Grenzen stösst) und zudem von
der Tontechnik etwas zweitrangig behandelt
wurde, vermag dieser Sternstunde der
Bartók-Interpretation kaum Abbruch zu tun.
Werner Pfister
Bartók, «Herzog Blaubarts Burg». Seefried,
Fischer-Dieskau, Kubelik. CD Audite 95.626
gefrorene Musik sei, wird hier gleichsam
ins Gegenteil gekehrt: Formale Architek-
tur ergibt sich unter Abbados Dirigat da-
durch, dass er die Musik auf natürlichs-
te Weise in lebendigem Fluss hält. Eine
Interpretation, die nach Sternen greift
und dabei den Himmel erreicht – beson-
ders überwältigend im leisen Abgesang
des feierlichen Adagios, den Abbado mit
unendlicher Zartheit gestaltet.
Verletzlicher BrucknerÜberhaupt scheint es charakteristisch zu
sein für Abbados spätes Bruckner-Bild
(im Unterschied zu seinen früheren
Einspielungen mit den Wiener Philhar-
monikern), dass er selbst die grossen
kathartischen Blechbläser-Kaskaden
sozusagen mit leichter Hand anfasst –
was, zumindest vom Ansatz her, auch
für seine memorable Interpretation von
Bruckners fünfter Sinfonie vom Luzer-
ner Sommer 2011 gilt, die hier in einer
vorzüglich gefilmten Version vorliegt. In
den leisen Stellen (und davon gibt es bei
Bruckner viele) ergibt sich daraus eine
Atmosphäre von zarter Verletzlichkeit –
so wie man sie aus vielen (späten) Wer-
ken Schuberts, aber kaum bei Bruckner
kennt.
An Schubert erinnert auch Abba-
dos sehr kantables Musizieren – in den
liedhaft ausgestalteten Melodien eben-
so wie in den idyllischen Ländlerpassa-
gen. Und das selbst in einem so kecken,
ja sperrigen Werk wie Bruckners erster
Sinfonie. Einen Sonderstatus hat dieses
Luzerner Tondokument, weil Abbado
hier die selten gespielte, späte Wiener
Fassung dirigierte (im Unterschied zu
seiner DG-Einspielung, wo er die Lin-
zer Fassung wählte). Unnachahmlich
der stürmische Elan in den pochenden
Bassrhythmen – hier scheint das Recht
des noch jungen Komponisten auf Re-
bellion mitzuklingen, und gleichzeitig
spürt man in dieser Musik den Aufbruch
zu einer neuen sinfonischen Dimension.
Eine Referenz-Einspielung.
Beethoven mehrdimensionalEbenfalls von Abbados letztem Luzerner
Sommer mit dem Lucerne Festival Or-
chestra stammt ein DVD-Mitschnitt mit
Brahms‘ Tragischer Ouvertüre, dem Zwi-
schenspiel sowie dem Lied der Waldtau-
be aus Schönbergs «Gurre-Liedern», ei-
nem von Abbado besonders geschätzten
Werk, sowie Beethovens «Eroica». Hier
fällt auf, wie wenig Abbado in seinen al-
lerletzten Jahren dem herkömmlichen,
sogenannt «modernen» Beethoven-Bild
gehuldigt hat. Im Gegenteil, so getragen,
so sehr nach innen gewendet, so zeitver-
sunken hat man den Trauermarsch noch
nie gehört. Und selbst der Finalsatz, mit
über 16 Minuten Spielzeit viel breiter als
früher (in den Einspielungen mit den
Berliner und Wiener Philharmonikern)
genommen, wirkt irgendwie abgeklärt
– utopische Grösse aus altersweiser Dis-
tanz reflektiert?
Denn früher klang Abbados Beet-
hoven anders, wie das ein Luzerner
Konzertmitschnitt von 1988 mit dem
Chamber Orchestra of New York und
hier mit Beethovens Zweiter zeigt. Die
Tempi orientieren sich (zwar nie skla-
visch) an Beethovens sehr schnellen
Metronomangaben, wobei aber auch
hier der langsame zweite Satz im Tempo
merklich gedehnter genommen wird.
Eine «klassische», aber detailgenau aus-
gehorchte Interpretation von Schuberts
«Unvollendeter» (1978 mit den Wiener
Philharmonikern) sowie – eine Premi-
ere in Abbados Diskografie – Wagners
«Siegfried-Idyll» runden auch diese
Produktion zu einem wertvollen Doku-
ment.
«Was bleibet aber, stiften die Dich-
ter»: Der letzte Vers in Hölderlins später
Hymne «Andenken» wird oft – und miss-
verständlich – als Selbstlob des Dichters
gedeutet. Dabei meint er allein dies:
Nicht schon die grosse Tat allein macht
den Helden unsterblich, sondern erst
der ihn wortgewaltig rühmende Dichter.
Dürfte man daraus folgern: Nicht schon
das grosse Werk allein macht Kompo-
nisten unsterblich, sondern erst der sie
kundig auslegende, eben «rühmende»
Interpret? In diesem Sinne wäre Clau-
dio Abbado tatsächlich mit jenem viel-
beschworenen Dichter zu vergleichen
– einer, der viele der grössten Werke der
Musikgeschichte bezwingender «zu Wort
Claudio Abbado bei Lucerne Festival
Bruckner, Sinfonie Nr. 9. Abbado.
CD DG 479 3441
Bruckner, Sinfonie Nr. 1. Abbado
CD Accentus Music 30274
Bruckner, Sinfonie Nr. 5. Abbado.
DVD Accentus Music 20243
Schubert, Sinfonie Nr. 7 «Unvollende-
te»; Beethoven, Sinfonie Nr. 2; Wagner,
«Siegfried-Idyll». Abbado. Audite CD 95.627
Brahms, Tragische Ouvertüre; Schönberg,
Zwischenspiel und Lied der Waldtaube aus
den «Gurre-Liedern»; Beethoven, Sinfonie
Nr. 3. Fujimura, Abbado.
Accentus Music DVD 20282
gebracht», also interpretiert hat, als die
meisten anderen Dirigenten seiner Ge-
neration. Diese Luzerner Mitschnitte
zeigen es erneut – ein Andenken ganz
besonderer Art.
t h e m a46
«Lucerne Festival Young Performance» – ein Pilotprojekt erkundet neue Konzertformate
Inszenierte HeldenmusikErstmals gibt es mit «Lucerne Festival Young Performance» ein eigenes Ensemble für Kinderkonzerte. Die jungen Musiker haben
eine eigene musikalische Geschichte kreiert: «Heroïca» – eine Heldenmusik für Neunjährige.
Jenny Berg
Seit einigen Jahren investiert das Lu-
cerne Festival vermehrt Energie und
Kreativität in die Entwicklung neuer
Konzertformate. Gerade im Sektor der
Kinder- und Jugendkonzerte ist vieles
in Bewegung. Einerseits, weil Kinder ein
anspruchsvolles Konzertpublikum dar-
stellen und sich nur selten durch alther-
gebrachte Konzertrituale und strenges
Stillsitzen für klassische Musik begeis-
tern lassen. Andererseits sind die meis-
ten Kinder vorurteilsfrei und offen für
Bild
: Luc
erne
Fes
tival
/ P
eter
Fis
chli
t h e m a 47
Neues. «In einem Sinfoniekonzert die
Rituale zu ändern, ist deutlich schwieri-
ger», weiss Johannes Fuchs, Leiter von
Lucerne Festival Young.
Deshalb hat er für diese Saison ein
auf drei Jahre angelegtes Pilotprojekt
lanciert: «Lucerne Festival Young Per-
formance» heisst es. Dank Unterstüt-
zung der Zürich Versicherungs-Gesell-
schaft AG können junge Musiker mit
erfahrenen Regisseuren und Choreo-
grafen intensiv und in einem längeren
Probenprozess an neuen Konzertfor-
maten arbeiten. Theoretisch bedeutet
das: «Die Trennung, ja Zersplitterung
von zeitgenössischer Komposition, pä-
dagogischer Forschung, künstlerisch-
interpretatorischer Produktion und
der Ausbildung junger Musiker soll
hier aufgehoben werden», so Johannes
Fuchs. «Wir möchten diese Aspekte in
der Praxis kreativ vernetzen, um neue
Erfahrungen des Musizierens und neu-
artige Formen der Musikpräsentation zu
gestalten.»
Praktisch sieht das bei den Proben
erst einmal so aus: Eine Klarinettistin,
die im Liegen auf ihrem Instrument
spielt und dabei von acht Händen in
höchster Höhe getragen wird. Eine Hor-
nistin, die mit ihrem Hornkoffer ganz
selbstverständlich in einer komplexen
Choreografie mit ihren Mitspielern mit-
tanzt. Eine Geigerin, die stehend auf
dem wackeligen Rücken ihres Kollegen
musiziert. Und bei all dem erklingt live
gespielt Musik von Mozart, Holst, Fauré,
Bach, Kurtág, Stockhausen.
Es ist eine agile, wache Gruppe
junger Musikerinnen und Musiker. Sie
stammen aus vier Nationen und drei
Kontinenten; sind allesamt ehemalige
Teilnehmer der Lucerne Festival Acade-
my, die in einem aufwendigen Casting
ausgewählt wurden. Hier mussten sie
ihre Bereitschaft zur Körperarbeit unter
Beweis stellen, auch ihre Bühnenprä-
senz und ihre musikalische Kreativität.
Denn die Instrumentalisten sollen sich
selbst in die Gestaltung des neuen Kon-
zertformates einbringen. Der Regisseur
Dan Tanson und die Choreografin Lau-
ra van Hal leisten dabei im besten Sinne
Geburtshilfe für das neue Projekt.
Johannes Fuchs: «Es soll nicht dar-
um gehen, den Kindern wie in einem
normalen Konzert Musik vorzuspie-
len. Denn sie sind Hörzuschauer und
nehmen Musiker als Personen eines
Bühnengeschehens wahr.» Deshalb
konnten die sieben Instrumentalisten
auch selbst Stücke vorschlagen, die zu
ihnen passen oder die ihnen gerade
wichtig sind. «Anfangs war es für sie
ungewohnt, über die gespielte Musik
mitzuentscheiden. Aber dann purzel-
ten die Vorschläge nur so auf uns he-
rein», berichtet Fuchs lachend. «Aus
den Werkvorschlägen der Musiker sind
dann die Figuren entstanden, welche
die Geschichte erzählen – ganz ohne
Worte, nur mit Tönen.»
Diese Art Stückentwicklung ist im
Theater bereits eine Selbstverständlich-
keit – für die klassische Musik aber ist
sie komplett neu. Doch die jungen Mu-
siker geniessen den kreativen Freiraum,
den sie sonst nicht einmal in ihrer Aus-
bildung an den Musikhochschulen ein-
geräumt bekommen, berichtet Fuchs.
«Hier treten sie auf wie eine Band, sie
spielen alles auswendig. Es gibt ein sehr
breites Spektrum an Sounds, von der
Solonummer bis hin zum orchestralen
Vollklang.» Erik Borgir arbeitet musi-
kalisch mit den Studierenden – denn
da sind die jungen Musiker ehrgeizig:
Auch beim Kinderkonzert muss die mu-
sikalische Qualität auf höchstem Niveau
sein.
Inhaltlich geht es bei «Heroïca» um
das Heldendasein der Neun- und Zehn-
jährigen. «In diesem Alter ist man halb
Kind, halb erwachsen», sagt Fuchs, «man
muss sich ständig ein Herz fassen, um
neue Dinge zu wagen. Im Stück werden
klanglich auch bedrohliche Situationen
dargestellt, für deren Bewältigung es viel
Mut braucht – Helden eben.»
Die Altersbeschränkung ist für Fuchs
ein ganz wichtiger Aspekt bei Kinder-
und Jugendkonzerten: «Kinder machen
eine rasante Entwicklung durch. Der Hu-
mor eines Siebenjährigen kann sich von
dem eines Neunjährigen grundlegend
unterscheiden. Und wenn ein Zwölfjäh-
riger in den vorderen Reihen Kleinkin-
der sieht, will er die Veranstaltung am
liebsten gleich wieder verlassen», berich-
tet Fuchs von seinen Erfahrungen.
Deshalb gibt es bei Lucerne Festival
für die Heranwachsenden ganz verschie-
dene Angebote: Ein Sitzkissenkonzert
für Kinder ab vier Jahren über «Oskar
und der sehr hungrige Drache», ein Fi-
gurentheater mit dem Titel «Rusalka,
die kleine Meerjungfrau» für Kinder
ab fünf Jahren, ein inszeniertes Fami-
lienkonzert für Kinder ab sieben Jah-
ren mit dem Titel «Das goldene Herz»,
schliesslich ein Jugendkonzert, bei dem
Strawinskys «Geschichte vom Soldaten»
als multimediale Inszenierung mit Kam-
mermusik, Schauspiel, Erzählung, Tanz
und Animationen gezeigt wird – auch
im Late-Night-Programm für Erwachse-
ne. Und eben «Heroïca», das szenische
Konzert, das die Musiker zu handelnden
Figuren, die Musik zur Erzählsprache
werden lässt.
«Das ist mein Credo», sagt Johan-
nes Fuchs abschliessend: «Es darf nicht
darum gehen, Musik zu illustrieren,
etwas dazu zu erzählen. Sondern man
muss die Dinge wie in einer Kompositi-
on zusammenbringen, muss Musik und
Theater, Szene und Klang zu einer ganz-
heitlichen, sinnlichen Erfahrung ver-
schmelzen lassen».
Mit diesem Ansatz betritt das Lu-
cerne Festival Neuland – eines, welches
das junge Publikum sogar ausserhalb
Luzerns entdecken kann: Im Herbst
gibt es mit «Heroïca» Gastspiele in St.
Gallen, Lausanne und Basel; im Früh-
jahr in Bern und Winterthur. Und in der
nächsten Saison wird eine neues, ande-
res Konzertformat erarbeitet. Die Ideen
dafür scheinen Johannes Fuchs nicht
auszugehen.
Informationen:
http://www.lucernefestival.ch/de/entdecken/
young/
Inszenierte Heldenklänge von agilen jungen
Musikerinnen und Musikern aus drei Konti-
nenten.
t h e m a48
Neue Konzertformate für die jüngsten
Luzerner Festivalbesucher. Impressionen von
Proben des neu gegründeten Ensembles.
Bilder: Priska Ketterer
s e r v i c e 49
LUCERNE FESTIVAL im Sommer15. August – 14. September 2014
LUCERNE FESTIVAL 40MIN
Kein Dresscode, kein Vorwissen. Stattdessen
Musik zum Kennenlernen und für Kenner, zum
Einsteigen und Eintauchen. In der Reihe «LUCERNE
FESTIVAL 40min» können Sie abwechslungsreiche
Programme erleben, die länger sind als ein blosser
Appetizer und doch nicht so lang wie ein komplet-
tes Konzert – und das auch noch gratis!
Ausgewählte Festival-Künstler, grosse und kleine
Formationen, präsentieren Werke von der Renais-
sance bis zur Jetztzeit – und richten das Wort
direkt ans Publikum, berichten davon, wie eine
neue Komposition entsteht, wie ein Orchester probt
und was sich bei der Interpretation im Wortsinn
«abspielt».
10x während des Festivals | jeweils 18.20 – 19.00
Uhr | KKL Luzern, Luzerner Saal
Montag, 18. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 1
Ganz nah dran: Das Mahler Chamber Orchestra
probt Dvorák
Dienstag, 19. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 2
Auftritt mit Fanfare! Die Blechbläser des LUCERNE
FESTIVAL ORCHESTRA
Mittwoch, 20. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 3
Festivalorchester en miniature:
Kammermusikalische Hors d’Œuvres
Freitag, 22. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 4
40 Minuten für 40 Sänger
Mittwoch, 27. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 5
Komponieren heute: «composer-in-residence»
Johannes Maria Staud stellt sich vor
Freitag, 29. August 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 6
Der Meister und seine Schüler. Abschlusskonzert
des «Meisterkurses Dirigieren»
Montag, 1. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 7
Aus erster Hand: Matthias Pintscher präsentiert
eigene Kammermusik
Dienstag, 2. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 8
Saite an Saite: Streicher satt mit der LUCERNE
FESTIVAL ACADEMY
Freitag, 5. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 9
Zwei neue Orchesterwerke entstehen: Ein Blick in
die Komponierwerkstatt
Dienstag, 9. September 2014 |
LUCERNE FESTIVAL 40min 10
Was sehen meine Ohren, was hören meine
Augen? Musik, szenisch gespielt
LUCERNE FESTIVAL LOUNGE
Und was passiert nach dem Schlussapplaus?
Immer freitags läutet die LUCERNE FESTIVAL
Lounge das Wochenende ein:
mit Live-Performances zwischen Klassik
und Clubkultur.
LUCERNE FESTIVAL Lounge 1
22. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Midori | Michael Zismann
LUCERNE FESTIVAL Lounge 2
29. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Barbara Hannigan, Huw Watkins & Studieren-
de der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Alliage
Quintett
LUCERNE FESTIVAL Lounge 3
5. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Kaleidoscope String Quartet | David Bithell &
Studierende der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY
LUCERNE FESTIVAL Lounge 4
12. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Klaus Steffes-Holländer | Ensemble This/
Ensemble That
ZU GAST BEI DER BUVETTE
Abwechslungsreiche Open-Air-Konzerte am Ufer
des Vierwaldstättersees, gestaltet von Festival-
Künstlern, die sich abseits der grossen Bühne
und in ungezwungener Atmosphäre mit eigenen
Projekten präsentieren: Auch diesen Sommer ist
LUCERNE FESTIVAL wieder zu Gast bei der Buvette,
der Freiluft-Bar auf dem Luzerner Inseli. Die Kon-
zerte finden an insgesamt drei Donnerstagen von
18.00 bis 19.00 Uhr statt; der Eintritt ist frei. Bei
schlechtem Wetter bleibt die Buvette geschlossen.
Aktuelle Angaben zum Programm erhalten Sie
während des Festivals auf www.lucernefestival.ch
Sämtliche Termine:
21. August | Open-Air-Konzert mit Überra-
schungsprogramm
28. August | Belcirque: Swing der Zwanziger und
Dreissiger Jahre
4. September | Open-Air-Konzert mit Überra-
schungsprogramm
SOUNDZZ.Z.ZZZ…Z
Passend zum Festivalthema «Psyche» hat
David Bithell, Gewinner des gemeinsam mit dem
Kunstmuseum Luzern lancierten Wettbewerbs
Soundzz.z.zzz…z, fünf interaktive Klangskulpturen
entwickelt, in denen Passanten ihre innersten See-
lenregungen aufzeichnen können – im Flüsterton.
Aus diesem Material entstehen fünf Live-Perfor-
mances. Bei zweien von ihnen
(am 22.8. und am 11.9.) kann jeder mitmachen:
www.placeofwhispers.com.
Sämtliche Termine:
15. August | 19.15/20.30/22.00 Uhr | Europaplatz
(bei schlechtem Wetter im KKL-Foyer)
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell
22. August | 19.15 Uhr | Kunstmuseum Luzern
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell und Flüsterchor
31. August | 19.00 Uhr | Seebad Luzern
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell und Studierenden der LUCERNE
FESTIVAL ACADEMY
11. September | 19.15 Uhr | Kunstmuseum Luzern
The Place of Whispers. Live-Performance mit
David Bithell und Flüsterchor
IN DEN STRASSEN
Dienstag, 26. August – Sonntag, 31. August |
18.00 – 22.00 Uhr (anschliessend Sentitreff) |
Strassen und Plätze der Stadt Luzern
Musik kennt viele Spielarten – und so ist es zu
einer schönen Tradition geworden, dass LUCERNE
FESTIVAL im Sommer die Strassen und Plätze
der Luzerner Altstadt mit Musikgruppen aus aller
Welt bevölkert: ein faszinierendes musikalisches
Panorama unseres Planeten.
Belcirque | Carmatango | Ensemble Mahasa-
rakham | Guappecarto | Hudaki Village Band |
Mercadante & Battaglia | Ny Malagasy Orkestra |
Palmas & Cernuto
Eröffnungsveranstaltung mit allen Gruppen:
Dienstag, 26. August | 17.30 Uhr | Europaplatz
beim KKL Luzern
Abschlussfest mit allen Gruppen:
Sonntag, 31. August | ab 14.00 Uhr auf der See-
promenade | ab 16.00 Uhr auf dem Europaplatz
beim KKL Luzern
Karten und Informationen
www.lucernefestival.ch
+41 41 226 44 80
FESTIVAL-TERMINE | VORSCHAU
LUCERNE FESTIVAL am Piano
22. – 30. November 2014
Evgeny Kissin | Leif-Ove Andsnes & Mahler
Chamber Orchestra | Marc-André Hamelin |
Martin Helmchen | Maurizio Pollini | Paul Lewis |
Pierre-Laurent Aimard u. a.
Online-Direktbuchung ab Montag, 4. August 2014,
12.00 Uhr | Schriftlicher Kartenverkauf ab Montag,
11. August 2014 | Schalterverkauf im KKL Luzern
ab 15. August 2014 | Telefonischer Kartenverkauf
ab Montag, 15. September 2014
50
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30. Jahrgang, xxxxxxxxxxxxx 2011Erscheinungsweise neunmal jährlich + Specials
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i m p r e s s u m34. Jahrgang August/September 2014Special Edition Lucerne Festival Sommer 2014Erscheinungsweise siebenmal jährlich + Specials
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i n s e r a t e 51
UA Uraufführung
SE Schweizer Erstaufführung
DSE Deutschsprachige Erstaufführung
WA Wiederaufnahme
www.luzernertheater.ch
PremierenübersichtJubiläums-Spielzeit 2014/15
30.8.2014 Schmutzige Schöpfung – Making of Frankenstein | SE Schauspiel von Thomas Melle; Inszenierung: Johanna Wehner
3.9.2014 Die Antilope | UA Oper von Johannes Maria Staud Koproduktion mit LUCERNE FESTIVAL und der Oper Köln Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Dominique Mentha
14.9.2014 Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch | WA Komische Oper von Elisabeth Naske; Koproduktion mit der Oper Graz Musikalische Leitung: Florian Pestell; Inszenierung: Dominique Mentha
1.10.2014 Tanz 16: Don Juan | UA Choreografie von Fernando Melo; Musik von Christoph Willibald Gluck
17.10.2014 The Black Rider Schauspielmusical von William S. Burroughs, Tom Waits und Robert Wilson; Inszenierung: Andreas Herrmann
8.11.2014 Die lustige Witwe Operette von Franz Lehár; Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Dominique Mentha
25.11.2014 A Christmas Carol | DSE Schauspiel von Enda Walsh; Inszenierung: Katharina Cromme
26.11.2014 Pippi Langstrumpf Kinderstück von Astrid Lindgren; Inszenierung: Benno Muheim
27.11.2014 Tanz 17: Cosa Nostra | UA Tanzstück von Sandra Marín Garcia und Zoran Markovic
13.12.2014 Antigone Tragödie von Sophokles; Inszenierung: Wojtek Klemm
10.1.2015 Cantos de Sirena | UA Musiktheater von «La Fura dels Baus»; Koproduktion mit der Oper Köln und dem Festival Castell de Peralada Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Carlus Padrissa
17.1.2015 Strange Case(s) of Dr. Jekyll and Mr. Hyde | UA Monologe von Martina Clavadetscher, Verena Rossbacher und Ivna Žic; Inszenierung: Marc Wortel
28.1.2015 Die Affäre Rue de Lourcine Komödie von Eugène Labiche; Inszenierung: Andreas Herrmann
30.1.2015 Dracula oder Frust der Unsterblichkeit Eine theatralische Soirée; Inszenierung: Lia Schmieder
27.2.2015 La Bohème Oper von Giacomo Puccini; Inszenierung: Achim Thorwald
5.3.2015 Die lächerliche Finsternis | SE Hörspiel von Wolfram Lotz; Inszenierung: Andreas Herrmann
14.3.2015 Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade
Drama von Peter Weiss; Inszenierung: Bettina Bruinier
1.4.2015 Tanz 18: Celebration! | UA/SE Choreografien von Andonis Foniadakis, Cayetano Soto und Fernando Hernando Magadan
19.4.2015 Ariadne auf Naxos Oper von Richard Strauss; Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Holger Müller-Brandes
8.5.2015 Geister sind auch nur Menschen (Arbeitstitel) | UA Schauspiel von Katja Brunner; Inszenierung: Tina Lanik
13.5.2015 Prima la musica, poi le parole Divertimento teatrale von Antonio Salieri; Koproduktion mit der Hochschule Luzern - Musik Musikalische Leitung: Andrew Dunscombe; Inszenierung: Christian Kipper
29.5.2015 Dancemakers Series #6 | UA Choreografien aus dem Tanzensemble; Künstlerische Leitung: Kathleen McNurney
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