Samstag, 24. November 2012, 17.00 Uhr
Lukaskirche Bochum-Altenbochum
Wittener Straße 240, 44803 Bochum
Evangelisches ForumWestfalen
EvangelischeStadtakademieBochum
Verschüttete Traditionen
Orgelwerke jüdischer
Komponisten
KMD Johannes Vetter, Bielefeld
Musik & Kulturder SynagogeBiennale 2012/2013
Ko
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Programm
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) Präludium d-moll op. 37, 3 (1835)
Stefan Kocsis (1930)„Kaddish“ – Partita für Orgel (2002)
Jaromir Weinberger (1896-1967)„Ruth“ aus „Dedications – 5 Preludes (1954)
Ernest Bloch (1880 -1959)I - III aus „Six Preludes for organ“ (1949)
Herman Berlinski (1910 - 2001) Der brennende Dornbusch (1956)
Ernest BlochIV - VI aus „Six Preludes for organ“ (1949)
Jaromir Weinberger„Rahel“ aus „Dedications – 5 Preludes (1954)
Arnold Schönberg (1874 -1951)Fragment einer Orgelsonate (1943)
Felix Mendelssohn Bartholdy Fuge d-moll op. 37, 3 (1835)
Zum Programm
Die Erzählung vom Brennenden Dornbusch, aus dem die Stimme Gottes tönt,
ist der Auftakt einer Befreiungsgeschichte. Moses fragt Gott nach seinem
heiligen Namen – und Gott antwortet. In deutschen Bibelübersetzungen
klingt die hebräische Antwort so:
„Ich bin, der ich bin“ (Elberfelder Bibel).
„Ich bin da“ (Einheitsübersetzung und „Gute Nachricht“).
„Ich werde dasein, als der ich dasein werde“ (Martin Buber).
„Ich werde sein, der ich sein werde“ (Züricher Bibel und Martin Luther).
Dass Gott sich selbst zur Zukunft setzt, ist für den Philosophen Ernst Bloch
der eigentliche Grund für seine Unsichtbarkeit, denn die Zukunft können wir
nicht sehen.
Herman Berlinski kam 1910 in Leipzig zur Welt. 1933 emigrierte er nach
Paris, 1941 in die USA, deren Staatsbürger er wurde. Das Thema seiner Orgel -
sinfonie „The burning bush“ (Der brennende Dornbusch) ist nicht ein her-
kömmliches musikalisches Motiv, sondern der Sprechrhythmus des hebräi-
schen Gottesnamens. 1938 brannten in Deutschland die Synagogen. 18 Jahre
später setzt Berlinski den Flammen der Schoa den brennenden Dornbusch
entgegen, den das Feuer nicht verzehrt.
Gerahmt wird „Der brennende Dornbusch“ von Orgelpräludien, die der Sohn
eines jüdischen Uhrmachers aus Genf nach dem Krieg geschrieben hat.
Ernest Bloch war auf der Suche nach dem „jüdischen Ton“.
Jaromir Weinberger, dessen Oper „Schwanda der Dudelsackpfeifer“ zwischen
1927 und 1931 weitweit über 2000-mal aufgeführt wurde, hat u.a. bei Max
Musik & Kulturder SynagogeBiennale 2012/2013
Die „Biennale: Musik & Kultur der Synagoge“ ist ein Projekt des Evangelischen
Forums Westfalen. Verantwortlich: Dr. Manfred Keller, Im Ostholz 39,
44879 Bochum, Telefon 0234 - 43 05 05, [email protected]
Mit freundlicher Unterstützung durch die Stiftung Kulturhauptstadt RUHR.2010
und durch das Kulturbüro der Stadt Bochum.
Aktuelle Informationen: www.ev-forum-westfalen.de
Dort auch das Gesamtprogramm der „Biennale: Musik & Kultur der Synagoge“
2012/2013 mit Veranstaltungen im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen.
Johannes Vetter, geb. 1952, studierte Kirchenmusik
an der Folkwang-Hochschule in Essen. 1991–2006
Kantor der Zionsgemeinde Bethel. 2002 Ernennung
zum Kirchenmusikdirektor. 2006–2008 Kantor der
Kreuzeskirche in Essen und künstlerischer Leiter des
Forums Kreuzes kirche Essen e.V. – Seitdem freie
(kirchen)musi ka lische Tätigkeit. Seit 2011 Lehr be auf -
tragter an der Universität Bielefeld.
Kulturbüro der
Reger in Leipzig Komposition studiert. 1938 musste der tschechische Jude
emigieren. Er nahm, wie Ernest Bloch, die amerikanische Staatsbürgerschaft
an. 1967 nahm er sich das Leben.
Stefan Kocsis aus dem Burgenland behandelt den altehrwürdigen „Kaddisch“,
einen Lobgesang, dessen liturgischer Ort die Trauerfeier ist, wie einen Choral
und hat Improvisationserfahrungen kompositorisch fixiert.
Arnold Schönberg, der nach seiner Emigration der Synagoge beitrat, konfron-
tiert seine „12-Ton-Technik“ mit dem musikalischen Archetyp Orgel.
Der getaufte Jude Felix Mendelssohn, ein überaus gebildeter, erfolgreicher
und angesehener deutscher Bürger, dem wir die Popularität der Bach’schen
Matthäuspassion zu verdanken haben, hoffte auf den Sieg von Vernunft und
Empfindsamkeit. Unvorstellbar für ihn, was keine 100 Jahre später sich er -
eigneten sollte. Haben sich damit seine Hoffnungen erledigt?
MODERATION IM RAHMEN DES ORGELKONZERTS
„VERSCHÜTTETE TRADITIONEN“
am 24. November 2012, 17 Uhr Lukaskirche zu Bochum-‐Altenbochum
www.kmd-‐johannes-‐vetter.de
VOR DEM KADDISCH So sicher es ist, dass alles, was wir wahrnehmen, einen Anfang hat, so schwierig, ja unmöglich scheint es, Anfänge präzise zu bestimmen. Denn was auch immer wir wahrnehmen, hat seinen Anfang bereits hinter sich. Bereshit – im Anfang – das sind die ersten Worte des Buches Genesis. Wann genau war dieser Anfang, und was war vorher? Wir wissen es nicht, und doch sind wir auf Anfänge angewiesen. Und wenn es keine gäbe, so müssten wir sie erfinden, denn ohne Anfänge können wir nicht denken. Wir können präzise bestimmen, wann und wo die erste Synagogenorgel in Deutschland erklungen ist. Aber wann und wo es wirklich angefangen hat, wann und wo Orgeln und jüdischer Kultus sich begegnet sind, verliert sich im Dunkel der Geschichte. Was bleibt übrig, als sich dort zu bewegen, wo es hell ist, wo wahrgenommen und gedacht werden kann. Abseits der Kulturmetropolen hat sich das unerhörte Ereignis vollzogen, und irgendwie hatte es mit der Französischen Revolution zu tun. Israel Jacobson, der 1810 in Seesen im westlichen Harz eine Synagoge samt Orgel hatte errichten lassen, bekleidete ein wichtiges Amt im Königreich Westphalen, das auf Befehl von Kaiser Napoleon Bonaparte 1807 errichtet worden war. In diesem Königreich hatten alle Einwohner – gleichsam als Import von Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit – gleiche Rechte, auch die Juden. Die jüdischen Gemeinden rangierten auf derselben Ebene wie die beiden christlichen Kirchen, und Israel Jacobson war Präsident des jüdischen Konsistoriums. Entrechtung gebiert Abgrenzung. Emanzipation ermöglicht Austausch. In der Synagoge von Seesen, dem sogenannten Jacobstempel, fand die deutsche Sprache Eingang in den jüdischen G’ttesdienst, begleitet von Orgelklängen. In der Mitte der Gemeinden fing man an, die folgende Frage zu erörtern: Sind wir Juden, die in der Fremde leben, oder sind wir Deutsche jüdischen Glaubens? In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erklang in nahezu jeder Großstadtsynagoge Mitteleuropas eine Orgel. In Frankfurt, in Breslau, in Prag, in Berlin, in Warschau, in Wien, in Hamburg. Und auch in der Bielefelder Synagoge in der Turnerstraße war eine Orgel zu Hause. Es war der Geist der Aufklärung, der den Orgeln den Weg in die Synagogen gebahnt hat. Die Orgeln lieferten die Begleitmusik zu einem Prozess, der die Mehrheit der jüdischen Gemeinden in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft führte. Das Verstummen der Synagogen-‐Orgeln nach den Novemberpogromen aber war der Anfang von Deutschlands tiefster Finsternis.
VOR DEM BRENNENDEN DORNBUSCH Das Gedenken an die Finsternis, als die Erde wüst und leer war, bedarf des Gedenkens an das Licht, sonst führt es in die Sackgasse der Vergeblichkeit. Laut Genesis wurde das Licht durch das Wort erschaffen. Moses Mendelssohn, den orthodoxen Juden und Philosophen der Aufklärung, wird dieser Zusammenhang gefreut haben. Dem, der nach biblischem Befund das Licht erschaffen hat, hat es gefallen, dem Moses zu erscheinen in einem Dornbusch, der brannte, den das Feuer aber nicht verzehrte. Der Ewige richtet im Buch Exodus ein Wort an Moses. Er verrät dem kommenden Befreier der Israeliten aus dem Sklavenhaus Ägypten seinen Namen, jenen Namen, der nicht missbräuchlich verwendet werden darf und den im alten Israel der Hohepriester nur einmal im Jahr im Allerheiligsten aussprach. Der Rhythmus dieses hebräischen Gottesnamens ist das Hauptthema von Herman Berlinskis Orgelsinfonie „Der brennende Dornbusch“. Rhythmus ist zuallererst profilierte Zeit, eine sinnliche Veranschaulichung von vergehender Zeit. Ernst Bloch, der Philosoph aus jüdischem Hause, faszinieren die Worte des Ewigen aus dem brennenden Dornbusch heraus. „Ich bin, der ich sein werde“, übersetzt er den hebräischen Gottesnamen. Er konstatiert eine Gottheit, die sich selbst zur Zukunft setzt, und sich daurch von den Götzenbildern unterscheidet, die herrschende Zustände festschreiben. Bloch konstatiert eine Gottheit, die sich, obgleich ewig, immer neu zum Anfang erklärt, einen Anfang, der hinter den Horizont der Zeit weist. Für Bloch ist das die philosophisch-‐theologische Grundlegung jedweder Befreiungsbewegung. „Die Augen schauen vorwärts, nicht zurück“, schreibt Maimonides.
©Johannes Vetter
Verschüttete Traditionen Orgelwerke jüdischer Komponisten Orgelkonzert auf der Wilhelm- Sauer-Orgel KMD Johannes Vetter, Bielefeld Lukaskirche Bochum-Altenbochum Wittener Straße 240, 44803 Bochum Samstag, 24. November 2012, 17.00 Uhr
Fotos: Hans-Christian Tacke und Siegfried Kühn
25.11.12 Musik mit Hand und Fuß — Johannes Vetter
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VERSCHÜTTETE TRADITIONEN Die andere Orgelbew egung Lukaskirche in Bochum-Altenbochum 24.11.2012, 17 Uhr
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) Präludium d-moll op. 37, 3 (1835)
Stefan Kocsis (1930) „Kaddish“ – Partita für Orgel (2002)
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Jaromir W einberger (1896 – 1967) „Ruth“ aus „Dedications – 5 Preludes (1954)
Ernest Bloch (1880 – 1959) I - III aus „Six Preludes for organ“ (1949)
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Herman Berlinski (1910 – 2001) Der brennende Dornbusch (1956)
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Ernest Bloch IV - VI aus „Six Preludes for organ“ (1949)
Jaromir W einberger „Rahel“ aus „Dedications – 5 Preludes (1954)
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Arnold Schönberg Fragment einer Orgelsonate (1943)
Felix Mendelssohn Bartholdy Fuge d-moll op. 37, 3 (1835)
An der Orgel: Johannes Vetter
Die Erzählung vom brennende Dornbusch, ausdem die Stimme Gottes tönt, ist der Auftakt einerBefreiungsgeschichte. Moses fragt Gott nachseinem heiligen Namen – und Gott antwortet. In deutschen Bibelübersetzungen klingt diehebräische Antwort so: “Ich bin, der ich bin” (Elberfelder Bibel) . “Ich bin da” (Einheitsübersetzung und “GuteNachricht”) . “Ich w erde dasein, als der ich daseinw erde”(Martin Buber) . “Ich w erde sein, der ich sein w erde” (ZüricherBibel und Martin Luther) . Dass Gott sich selbst zur Zukunft setzt, ist für den
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Sa, 24. Nov., Lukaskirche inBochum-Altenbochum VERSCHÜTTETE TRADITIONEN/ Die andere Orge lbewegung Biennale "Musik und Kultur derSynagoge"
25.11.12 Musik mit Hand und Fuß — Johannes Vetter
2/2kmd-johannes-vetter.de/index.php?id=32
Philosophen Ernst Bloch der eigentliche Grund fürseine Unsichtbarkeit, denn die Zukunft könnenwir nicht sehen.
Herman Berlinski kam 1910 in Leipzig zur Welt.1933 emigrierte er nach Paris, 1941 in die USA,deren Staatsbürger er wurde. Das Thema seinerOrgelsinfonie “The burning bush“ (Der brennendeDornbusch) ist nicht ein herkömmlichesmusikalisches Motiv, sondern der Sprechrhythmusdes hebräischen Gottesnamens. 1938 branntenin Deutschland die Synagogen. 18 Jahre spätersetzt Berlinski den Flammen der Schoa denbrennenden Dornbusch entgegen, den das Feuernicht verzehrt.
Gerahmt wird „der brennende Dornbusch“ vonOrgelpräludien, die der Sohn eines jüdischenUhrmachers aus Genf nach dem Krieggeschrieben hat. Ernest Bloch war auf der Suchenach dem „jüdischen Ton“.
Jaromir W einberger, dessen Oper „Schwandader Dudelsackpfeifer“ zwischen 1927 und 1931weitweit über 2000 mal aufgeführt wurde, hatu.a. bei Max Reger in Leipzig Kompositionstudiert. 1938 musste der tschechische Judeemigieren. Er nahm, wie Ernest Bloch, dieamerikanische Staatsbürgerschaft an. 1967 nahmer sich das Leben.
Stefan Kocsis aus dem Burgenland behandeltden alt-ehrwürdigen „Kaddisch“, einenLobgesang, dessen liturgischer Ort dieTrauerfeier ist, wie einen Choral und hatImprovisationserfahrungen kompositorisch fixiert.
Arnold Schoenberg, der nach seiner Emigrationder Synagoge beitrat, konfrontiert seine „12-Ton-Technik“ mit dem musikalischen Archetyp Orgel.
Der getaufte Jude Felix Mendelssohn, einüberaus gebildeter, erfolgreicher undangesehener deutscher Bürger, dem wir diePopularität der Bach’schen Matthäuspassion zuverdanken haben, hoffte auf den Sieg vonVernunft und Empfindsamkeit. Unvorstellbar fürihn, was keine 100 Jahre später sich ereignetensollte. Haben sich damit seine Hoffnungenerledigt?
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Herman Berlinski
Ernest Bloch
Jaromir Weinberger